D. Martin
Luthers Werke
Kritische
Gesamtausgabe
54. Band
Mit 10 Tafeln
(II Papstspottbilder)
Weimar
Hermann
Böhlaus Nachfolger 1928
Vorwort.
Mit dem
vorliegenden 54. Bande, der Luthers Schriften bis zum Jahre 1546 fortführt,
wird das Gebiet des Lutherschen Gesamtschrifttums, in welchem sich ein Wirken
von wahrhaft monumentaler Größe und Vielseitigkeit abspiegelt, annähernd zum
Abschlusse gebracht. Auch dieser Band zeigt noch einmal ein in sich reiches Bild,
letzmalig aufflammende Kampflust in Streitschriften erneut größten Ausmaßes
gegen Papsttum und Wiedertäufer, Vorreden, Glossen, theologische Erörterungen,
politische Schriften, Äußerungen, wie sie sich an Luthers vermeintliches Ende
knüpften usw. Die meisten dieser Schriften sind bearbeitet von Professor D. Dr.
O. Clemen-Zwickau, insbesondere rührt von demselben auch die Bearbeitung der
Verse zur ‘Abbildung vom Papsttum’ her. Wir hatten länger erwogen, ob wir uns
mit der sachlichen Behandlung Clemens begnügen oder auch die Bilder selbst
wiedergeben sollten. Wir haben uns aber schließlich zur Wiedergabe
entschlossen, einerseits mit Rücksicht auf den stets beobachteten Grundsatz
möglichst restloser Vollständigkeit in Unsrer Ausgabe, dann aber auch — und zwar
fiel das noch besonders ins Gewicht —, um solchen Beanstandungen, wie sie von
Grisar-Heege sogar schon vor Erscheinen dieses Bandes und als bloße Vermutung
ausgesprochen worden sind (vgl. unten S. 357 Anm. 3), von vornherein den Boden
zu entziehen. Die beanstandenden Bemerkungen Grisars dürften durch Clemens
Gesamtdarstellung wohl
[Seite iv]
erledigt
sein, als Antwort auf die weitere Frage:‘Bedeuten Kaweraus Worte ein Programm
für die Weimarer Ausgabe’? (ebenfalls S. 357), mag die Weimarer Ausgabe ruhig
für sich selbst sprechen und auf ihre stets eingenommene sachliche Haltung
verweisen. Ein Verschweigen von Luthers Anteil an den Papstbildern ist um so
weniger nötig, als Äußerungen wie diese Bilder, Äußerungen einer vulkanischen
Natur, niemals vom Standpunkte der heutigen Anschauungs- und Empfindungsweise,
sondern nur aus der ganzen Einstellung und dem allgemeinen Tone der damaligen
Zeit heraus beurteilt werden dürfen. Wir können diesen Bildern ruhig etwa das
Pamphlet des Franziskaners Thomas Murner ‘Von dem großen lutherischen Narren’
(schon 1522) zur Seite stellen oder auch auf die maßlosen Schmähungen
verweisen, welche Luthers Heirat im Gefolge hatte, z. B. des Simon Lemnius
‘Monachopornomachia’ u. a.; vgl. auch die Äußerungen über diese Bilder bei Köstlin-Kawerau,
Luther 5II, 602.
Der ‘Bericht
vom christlichen Abschied’ mußte aufgenommen werden, da er Äußerungen und
Gebete Luthers enthält. Aber es hätte die Unsrer Ausgabe gesetzten Grenzen
überschritten, eine eingehendere Quellenanalyse und eine genauere Vergleichung
mit den übrigen Berichten über Luthers Tod und Begräbnis zu geben, als sie hier
in der Einleitung zu dieser Schrift geboten wird.
Außer
Professor Clemen sind an dem Bande noch beteiligt Konsistorialrat D. Ferd.
Cohrs- Jlfeld, der ‘Von den letzten Worten Davids’ und ‘Kurzes Bekenntnis vom
heiligen Sacrament’ bearbeitete, und Professor D. O. Albrecht-Naumburg a. S.,
welcher die ‘Vorrede D. M. Luthers vor seinem Abschied gestellet’, zum zweiten
Band der Wittenberger Gesamtausgabe der deutschen Schriften 1548 als apocryph
nachwies. Die Bibliographien hat wieder Professor D. Dr. Joh. Luther, Direktor
i. R. der Universitätsbibliothek Greifswald, geliefert, der namentlich das
bisher bekannte bibliographische Material zu den Papstbildern um eine Reihe
neuer und wesentlicher Feststellungen vermehrt hat. Die Worterklärungen sowie
die sprachlichen Zusammenfassungen rühren von † Professor D. Dr. O.
Brenner-Würzburg her, der sie als letzte Gabe noch einmal für diesen Band
vollendete. Das Wort- und Sachregister hat wiederum Pfarrer A.
Jänke-Deutschenbora (Sachsen) bearbeitet, der in diesen Einzelregistern
zugleich eine Unterlage für das große Gesamtregister am Schlusse Unsrer Ausgabe
zu schaffen hofft. Um aber das Erscheinen der Registerbände nicht zu lange
hinauszuzögern, ist ins Auge gefaßt, jeder Abteilung (Schriften, Bibel,
Tischreden, Briefe) ihr Gesamtregister gesondert beizufügen, wie es ja in den
Tischreden (Band 6) schon geschehen ist, dafür aber auf eine erneute
[Seite v]
Zusammenstellung
der vier gesonderten Gesamtregister zu verzichten. Hierdurch wird namentlich
ermöglicht, bei der in absehbarer Zeit sich endenden Abteilung “Schriften” ein
Gesamtregister viel früher erscheinen zu lassen, als es der Fall wäre, wenn ein
solches erst nach der Fertigstellung aller vier Abteilungen hergestellt würde,
da die Herausgabe der Briefe noch nicht begonnen ist und ihre Vollendung noch
geraume Zeit in Anspruch nehmen wird.
Selbstredend
ist bei einer so reichen Ernte wie bei Luthers gesamten Schriften aber
schließlich noch eine Nachlese nötig. Schon Kaweraus bekannte Liste der
Schriften Luthers (Ver. f. Ref.-Gesch. 1917) wies auf allerlei Lücken in Unsrer
Ausgabe hin. Es handelte sich dabei nicht nur um kleinere, übersehene Stücke,
sondern auch um bedeutendere und größere Werke, zum Teil erst neu aufgetauchte;
sie werden noch ein bis zwei Bände füllen.
Breslau,
Januar 1928.
Professor D.
Dr. Karl Drescher.
[Seite vii]
Vorwort. Von K. Drescher III –V
Vorrede zu
Wenzeslaus Link, Das erst Teil des Alten Testament 1543, herausgegeben von O.
Clemen 1
Vorrede zu
Melanchthon, Responsio ad scriptum quorundam delectorum a clero secundario
Coloniae Agrippinae 1543, herausgegeben von O. Clemen 5
Praefatio zu
vier declamationes der Prinzen Johann Friedrich und Johann Wilhelm von Sachsen
1543, herausgegeben von O. Clemen 12
Von den
letzten Worten Davids 1543, herausgegeben von F. Cohrs, unter Mitwirkung von J.
Luther und † O. Brenner 16
Glossen zu
Erasmus, Apophthegmatum opus 1543, herausgegeben von O. Clemen 101
Vorrede zu
Georg Major, Vitae patrum 1544, herausgegeben von O. Clemen 107
Vorrede zu
Spalatin, Magnifice consolatoria exempla et sententiae ex vitis et passionibus
sanctorum collectae 1544, herausgegeben von O. Clemen 112
Vorrede zu
Justus Menius, Von dem Geist der Wiedertäufer 1544, herausgegeben von O. Clemen
116
Kurzes
Bekenntnis vom heiligen Sacrament 1544, herausgegeben von F. Cohrs, unter
Mitwirkung von J. Luther und † O. Brenner, nebst einem Handschriftfragment,
behandelt von † E. Thiele 119
Vorrede zu
Joh. Freder, Dialogus dem Ehestand zu Ehren 1545, herausgegeben von O. Clemen
168
Vorrede
Luthers zum ersten Bande der Gesamtausgabe seiner lateinischen Schriften,
Wittenberg 1545, herausgegeben von O. Clemen 176
Eine wälsche
Lügenschrift von Doctoris Martini Luthers Tod 1545, herausgegeben von O.
Clemen, unter Mitwirkung von J. Luther und † O. Brenner 188
Wider das
Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet 1545, herausgegeben von O. Clemen, unter
Mitwirkung von J. Luther und † O. Brenner 195
Papsttreu
Hadriani IV. und Alexanders III. 1545, herausgegeben von O. Clemen, unter
Mitwirkung von J. Luther und † O. Brenner 300
Abbildung des
Papsttums 1545, herausgegeben von O. Clemen und J. Luther (Bibliographie) 346
An Kurfürsten
von Sachsen und Landgrafen von Hessen von dem gefangenen Herzog zu Braunschweig
1545, herausgegeben von O. Clemen, unter Mitwirkung von J. Luther und † O.
Brenner 374
Contra XXXII
articulos Lovaniensium theologistarum, nebst einem Handschriftfragment 1545,
herausgegeben von O. Clemen 412
Luthers
“letzte Streittschrift” (contra asinos Parisienses Lovaniensesque) 1545/46,
nebst einem Handschriftfragment, herausgegeben von O. Clemen 444
Die
angebliche “Vorrede D. M. Luthers, vor seinem Abschied gestellet” zum zweiten
Band der Wittenberger Gesamtausgabe seiner deutschen Schriften 1548,
herausgegeben von O. Albrecht 459
Justus Jonas
und Michael Cölius, Bericht vom christlichen Abschied aus diesem tödlichen
Leben des ehrwürdigen Herrn D. Martini Lutheri 1546, herausgegeben von O.
Clemen 478
Nachtrag zu
‘Glossen zu Erasmus, Apophthegmatum opus’ 1543 (oben S. 101 –106) von H. Volz
497
Wort- und
Sachregister. Von A. Jänke 503
Die Bilder
wider das Papsttum 1545 (oben S. 346 –373).
[Seite 1]
Haupttext
[Einleitung]
Das Hauptwerk
Wenzeslaus Links aus seiner zweiten Nürnberger Wirksamkeit sind seine in drei
Teilen 1543 –1545 erschienenen Annotationen zum Alten Testament. Jn seiner
Vorrede zum ersten Teile berichtet er, daß er diese Annotationen vor etlichen
Jahren zusammengetragen und den Priestern der Kirchen zum hl. Geist bei dem
neuen Spital vorgeschrieben habe, damit sie sie dem Volk nach der Textverlesung
vorlesen könnten — denn nicht allen Leuten sei es gegeben, den bloßen Text zu
verstehen —; das sei denn auch geschehen, bis sie's überdrüssig geworden wären
und ein andres vorgenommen hätten. Kommentare und Summarien seien genug
vorhanden, aber jene würden, weil zu ausführlich, nur wenig gekauft und
gelesen, diese wiederum befriedigten nicht recht wegen ihrer Kürze; er sei den
Mittelweg gegangen, habe weder bloße Jnhaltsangaben noch ausführliche
Kommentare liefern wollen, aber doch alles Nötige erklärt. Diese Vorrede hat
Link datiert: Nürnberg 20. Juli 1543 und an den Kurfürsten Johann Friedrich von
Sachsen und dessen Bruder Johann Ernst gerichtet; er wolle damit dem Kurfürsten
als seinem geliebten Landesherrn und seinem lieben Vaterlande — Link stammte ja
aus Colditz — seine dienstwillige Ergebenheit ausdrücken.
Voraus geht
eine empfehlende Vorrede von Luther. Das Manuskript dazu schickte der
Reformator unterm 20. Juni 1543 seinem Nürnberger Freunde mit der Bitte, die
Verspätung entschuldigen zu wollen. Wenn ihm die Vorrede nicht gefalle, soll er
sie nach Belieben ändern oder auch in den Papierkorb werfen (Enders 15, 172).
Link hatte sein Manuskript schon vor geraumer Zeit an Luther gesandt mit der
Bitte, es mit einer Vorrede zu versehen und in Druck zu geben. Luther hatte ihm
unterm 25. Juli 1542 geschrieben (Enders 14, 299): Betreffs der Drucklegung
könne er nichts versprechen, die Buchdrucker und Buchhändler verhielten sich
gegen so umfangreiche Werke spröde, weil sie sie schlecht verkaufen könnten und
Verluste befürchteten. Link hätte wohl daran getan, wenn er sein Werk dem
Hagenauer Drucker Johann Setzer übergeben hätte; noch jetzt könnte er es besser
einem Drucker in Oberdeutschland übergeben. Schließlich erschien das Werk bei
Balthasar Beck in Straßburg.
[Seite 2]
Ausgaben:
“Das erst
teyl des al-||ten Testaments. || ANnotation in die || fünff buecher Mosi, durch
Do || ctor Wentzeßlaum Lincken, || von Colditz. || Eyn schoene Vorred, Doctoris
|| Martini Lutheri. || An den Churfürsten zů Sachsen, vnd seyner
Chur-||fürstlichen gnaden, brůdern. || M. D. XLIII. ||” Titelrückseite
leer. 304 Blätter in Quart (= Bogen 1 ohne Buchstabensignatur und Bogen A –Z
und a –z und AA –ZZ und aa –ff; 8 unbezifferte und ccxcvj bezifferte Blätter),
letzte Seite (= Blatt ccxcvj [= ff 4]b) leer. Am Ende (Blatt ccxcvja Z. 17):
“Straßburg Bey Balthassar Beck. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9461), Greifswald U., Marburg U. — Erl. Ausg. 63, 377.
Jn den
Gesamtausgaben: Wittenberg 12 (1559), 372b –373b; Jena 8 (1558), 148a –149b;
Altenburg 8, 303f.; Leipzig 12, 76 –78; Walch1 14, 170 –174; Walch2 14, 148
–151; Erlangen 63, 376 –381.
[1] [Bl. 2]
Vorred D. Martini Lutheri.
1543
[2] [5. Mose
32, 2f.] Mose weissagt von seinem bůch und spricht Deut. 32: ‘Mein leer
[3] trieffe wie der regen und mein red fliesse wie wasser, wie der [4] regen
auff das graß unnd wie die tropffen auff das kraut, denn [5] ich will den
nammen des Herren preisen’. Solche weissagung [6] ist erfüllet und wirt biß zur
welt end erfüllet. Dann gleich [7] wie aller Griechischen Poeten kunst auß
Homero als einem brunnen, also auch [8] auß jm seind geflossen aller Propheten
buecher, Jha auch das gantz New testament, [9] welches darinnen verheyssen ist,
Und alles, was gůt und Goettlich gelert [10] ist unnd wirt im volck Gottes
oder kirchen, ist alles auß Mose ursprungklich [11] herkummen, auß der
ursachen, dann er predigt nitt fabeln noch menschen weißheyt, [12] sunder, wie
er selbst hie rhuemet: ‘Den nammen des Herren will ich [13] preisen’, das ist:
von Gott und seinen wercken will er predigen. Das ist die [14] eynig weißheyt,
gegen welcher aller welt weißheyt nichts ist, denn keyne Heyden [15] also von
Gott reden unnd leren wie Mose. Auch wissen die Heyden nit und [16] kündens nit
wissen, das Gott eyn schoepffer sey himmels und der erden, wa [17] todt und
sünd herkumme, was nach disem leben kummen werde, unnd das [18] [1. Mose 3, 15]
Messiha eyns weibs same sein muesse, der die welt segnen und vom todt und [19]
[Sir. 24, 32 –39] sünden erloesen soll. Jtem also rhuemet auch Sirach den Mosen
Eccle. 24: ‘Diß [20] alles ist das bůch des bundts, mitt dem hoechsten
Gott gemacht, Naemlich das
[Seite 3]
[1] gsetz,
welches Mose dem hauß Jacob zum schatz befolhen hat, darauß die [2] weißheit
geflossen ist, wie das wasser Phison, wenn es groß ist, und wie das [3] wasser
Tigris, wenn es übergeht im Glentzen, darauß der verstand geflossen [4] ist,
wie der Euphrates, wenn er groß ist, unnd wie der Jordan in der aernd, [5] auß
dem selben ist herfür brochen die zucht wie das liecht und wie das wasser [6]
Nilus im Summer. Er ist nie gewesen, der es außgelernet hette, und wirt [7]
nimmermehr werden, der es außgründen moechte, dann sein sinn ist reicher [8]
weder keyn moehr und sein wort tieffer denn keyn abgrund &c..‘
[9] Das ist
auch warlich war, dann ich als ein geringer Christ habs auch [10] ein wenig
versůcht, und wenn ichs hoch bracht hab, binn ich gwar worden, [11] das
ich kaum ein Alphabetarius darinnen gewesen binn. Wiewol der groß [12] lerer S.
Augustinus auch bekennt, das er im schreiben und leren allererst gelernet [13]
und zůgenommen hab, und weit ein ander mann ist in den letsten [14]
buechern dann in den ersten.1
[15] Das aber
etlich sagen, wiewol auch Salomon selbs sagt, Eccl. am letsten: [16] [Pred. 12,
12] des buecher schreibens ist zuvil, wer kan sy all lesen? Jst recht und wol
geredt, [17] soll aber verstanden werden von meinen und meins gleichen
unzeyttigen [18] buechern, die eyntweders noch nitt gnůg gelert und
erfaren seind oder nit den [19] nammen des Herren (wie Mose), sunder jhren
eygnen nammen preisen woellen, [20] nitt dahin sehen, wie die Kirch jhrer leer
[Bl. 3] gebessert oder die schrifft verklaeret [21] werde, sundern wie sy da
moegen auff dem marckt feyl stehn unnd [22] gerhuempt werden. Welchen es
zuletst geht wie dem unzeyttigen obs, welches [23] unter den beümen die sew
fressen, ehe es halb reiff wirt, wie wir dise dreissig [24] jar seer vil
buecher gesehen, deren doch keins mehr inn gedaechtniß oder vorhanden [25] ist.
Der gůten buecher aber ist noch nie keyn mal zuvil gewesen und [26] [Joh.
5, 39] noch nit. So haben wir auch vom Herren gewissen befelch, das wir die
schrifft [27] [1. Tim. 4, 13] erforschen sollen. Und S. Paulus Timotheo
befilcht, er soll anhalten mit lesen. [28] Nun kan sollich forschen und lesen
nit gschehen, man můß mit der feder da [29] sein und auffzeychnen, was jm
under dem lesen und studieren sunderlich eyngeben [30] ist, das ers mercken und
behalten künde.
[31] Und
haben on zweifel auff dise weiß die Propheten in Mose und die [32] letsten
Propheten in den ersten studiert und jre gůte gedancken vom H. geyst [33]
eyngegeben in ein bůch auffgschriben, denn es seind nit solche leüt
gewesen, [34] wie die geyster unnd rotten, die Mosen haben under die banck
gesteckt und [35] eygen gesicht gedicht und troeum gepredigt, sunder sich in
Mose taeglich und [36] fleissig geuebt, wie er denn auch gar offt unnd hart
befilcht, sein bůch zulesen, [37] [5. Mose 17, 18f.; Jos. 1, 8] auch dem
Künig, Deut. 17 unnd Josue 1.
[38] Ob aber
den selben gůten treüwen lerern unnd forschern der schrifft zuweilen [39]
auch mit underfiel hew, strow, holtz und nit eittel silber, gold und edel [40]
gsteyn bawten, so bleibt doch der grund da, das andere verzoeret das fewr
[Seite 4]
[1] [1. Kor.
3, 12f.; 3. Mose 26, 10] des tags, wie S. Paulus sagt. Und Mose Deut. 26: ‘Jr
solt von dem firnen [2] essen, und wenn das new kumpt, das firnen
wegthůn’.
[3] Dann also
thůnd wir auch mit etlichen schrifften als M. Sentenciarum, [4] Augustini,
Gregorij, Cipriani und schier allen lerern. Darumb ists recht und [5] wol
gethon, wemm die gnad gegeben ist, das er sich umb die schrifft mit [6] rechtem
ernst annimpt zuforschen unnd zusůchen und was jm Gott gůts eingibt,
[7] den andern auch durch buecher mitteilen und also die schrifft helffen
außlegen [8] [1. Kor. 14, 46] unnd die kirchen bessern nach der regel 1.
Corinth. 14. Denn es soll [9] alles zur besserung der kirchen, das ist: zů
Gottes ehren, geschehen, das wir [10] mit Mose den nammen des Herren preisen.
[11] Weil nun
in disen Annotation mein lieber Herr und freündt Doctor [12] Wentzelaus Linck
sich auch umb den Mosen angenommen und ich wol weyß [13] sein gab, die jhm ist
gegeben, das ers mit ernst und fleissig meynet, ists wolgethon, [14] das durch
den Truck sein treüwe arbeyt andern mitgeteylt werde, [15] denn er nun vil jar
in der reynen Christlichen Apostolischen leer wol geuebt [16] ist, wolt Gott,
sy thaetten alle also oder, welche nit die gnad hetten, jr unzeyttigs [17]
unnützes schreiben, damit die kirch beschwert wirt, liessen anstehn. Hett [18]
Carolstadt, Zwingel und jrs gleichen jr schreiben underlassen, die Kirch wer [19]
wol reyner bliben unnd sy zuletst auch besser gefaren.
[20] Endtlich
wir sollen und woellen das unser thůn zů unser zeyt und helffen, [21]
[Kol. 3, 16] das Gottes wort nach S. Paulus befelch fordern, das es reichlich
bey der [22] kirchen wone, auff das niemant an dem jüngsten gericht sich
zuentschuldigen [23] habe, es seye yhm nicht geoffenbaret oder zuspaerlich und
wenig geoffenbaret, [24] sunder bekennen muesse, es sey jm nit durch ein
bůch, sunder durch vil buecher, [25] Nit durch eynen Doctor, sunder durch
vil Doctores, on underlaß mitt allen [26] treüwen recht und wol fürgetragen.
Hiermit seind wir entschuldigt und haben [27] unsere haendt geweschen. Denn
wirs nit besser haben sollen weder es die [28] [2. Tim. 4, 3f.] Apostel gehebt
haben, da sy klagen über das jucken der ohren nach neüwer [29] leer unnd
überdruss der heylsamen leer. Oder villeicht ist diß die letst zeyt, [30] [1.
Tim. 4, 1; 2. Tim. 3, 1] davon sy solchs reden. Ja ich halt, es sey nit
villeicht, sunder gwißlich die [31] selbe zeyt, denn ye reichlicher man predigt
unnd leret, ye überdrüssiger und [32] laessiger die leüt werden. die werden für
sich antworten, wir sollen immer fort, [33] [2. Tim. 4, 2] Jmportune,
Opportune. Unser arbeyt ist nit vergeblich, des seind wir gwiß. [34] Gott sey
lob unnd ehr für solch sein reiche gaab seines worts von nun an [35] biß in
ewigkeyt. Amen.
[Seite 5]
[Einleitung]
Durch den
Regensburger Reichstagsabschied, in dem allen Prälaten anheimgegeben worden
war, ‘eine christliche Ordnung und Reformation vorzunehmen und aufzurichten’,
sah sich der Kölner Erzbischof Hermann von Wied berechtigt, seinen längst
gehegten Plan zur Ausführung zu bringen, die Reformation in seinem Gebiete
einziehen zu lassen. Er berief zuerst im Februar 1542 den Straßburger
Reformator Martin Bucer an seinen Hof. Nachdem eine Besprechung desselben mit
dem erasmianisch gesinnten Johann Gropper, seit 1526 Kanzler des
Kurfürstentums, zu einer weitgehenden Annäherung zwischen den beiden Männern
geführt hatte und die Stände den Entschluß des Erzbischofs, die Reformation
einzuführen, gebilligt und ihn gebeten hatten, einen Entwurf dafür ausarbeiten
zu lassen, berief Hermann Bucer zum zweiten Male herbei. Jm Dezember kam dieser
wieder ins Erzstift. Hermann eröffnete ihm, er wolle zunächst in Bonn, Linz,
Andernach und einigen anderen größeren Orten seines Gebiets das lautere
Evangelium predigen lassen; am 17. Dezember bestieg Bucer zunächst die Kanzel
des Bonner Münsters. Da aber ging die Oppositionspartei in Köln, bestehend aus
dem Stadtrat und der Majorität des Domkapitels, zu offenem Widerstande vor und
forderte die Entfernung des ausländischen verdammten lutherischen Prädikanten.
Hermann schärfte daraufhin Bucer ein, sich aller polemischen Ausfälle zu
enthalten, ließ auch in seiner Predigttätigkeit eine Pause eintreten, erklärte
dann aber, es vor seinem Gewissen nicht verantworten zu können, der
christlichen Gemeinde, die ihn zu hören begehre, seine Predigt vorzuenthalten,
wenn die Gegner nicht den Beweis erbrächten, daß sie Gottes Wort widerstreite
und Aufruhr erwecke. Die Kölner wollten sich aber auf keine Verhandlungen
einlassen. Dagegen stellten sich auf dem im März 1543 zusammentretenden
Landtage die weltlichen Stände noch mehr als bisher auf Hermanns Seite.
Jn dieser
schwierigen Situation berief der Erzbischof auf Bucers Rat Melanchthon herbei;
er hoffte, es würde dem weitberühmten Gelehrten gelingen, durch die Autorität
seiner Persönlichkeit und durch sein oft bewiesenes diplomatisches Geschick die
Parteien zu versöhnen und vorsichtig und maßvoll das Reformationswerk
einzuleiten. Melanchthon, der zuerst abgelehnt hatte, machte dann sein Kommen
von der Genehmigung seines Kurfürsten abhängig und traf, als dieser ihm einen
[Seite 6]
längeren
Urlaub erteilt hatte, am 5. Mai in Bonn ein.1 Schnell orientierte er sich
seiner Gewohnheit zufolge über Freund und Feind. Geradezu entsetzt war er über
die Veräußerlichung des Kultus, die ihm hier entgegentrat, über die “geradezu
heidnische” Jdololatrie. Frohe Zuversicht erweckte in ihm dagegen die Gegenwart
mehrerer trefflicher Männer, auf deren Unterstützung er rechnen konnte: neben
Bucer und Hedio aus Straßburg der Hesse Gerhard Steuper, der unten nochmals zu
erwähnen sein wird, ferner Johann Meinertzhagen, der wegen Hinneigung zum
Evangelium aus Köln hatte fliehen müssen und nun in Bonn predigte. Ferner kam
aus Köln der Humanist Johann Cäsarius, aus Cleve der treffliche Erasmianer
Konrad von Heresbach, endlich eilte auch der große Pädagoge Johann Sturm aus
Straßburg zu Melanchthons Begrüßung herbei. Die Kölner aber holten jetzt zu
einem heftigen Schlage gegen die Neuerer aus. Der Professor und Prior der
Karmeliter Eberhard Billick verfaßte eine Streitschrift gegen Bucer; sie gab
sich als im Namen der gesamten Universität und Geistlichkeit von Köln abgefaßt;
einige reformationsfreundliche Domherren (unter ihnen der Dechant Heinrich von
Stolberg) wollten sich ausschließen und verlangten, daß für ‘Clerus’ im Titel
eingesetzt würde: ‘Clerus secundarius’, drangen jedoch erst bei der zweiten
Ausgabe damit durch.2 Die Schrift enthält eigentlich nur persönliche Jnvektiven
gegen Bucer, gegen dessen Austritt aus dem Orden und Heirat usw. und geht auf
die sachlichen Differenzen wenig ein3; trotzdem machte sie Aufsehen.
Melanchthon erhielt am 23. Mai ein Exemplar der zweiten Ausgabe, das er sofort
an Kaspar Cruciger in Wittenberg schickte.4 Sogleich machte er sich auch an
eine Gegenschrift. Den gedruckten Anfang schickte Bucer bereits am 30. Mai an
seinen Amanuensis Konrad Huter in Straßburg.5 Am 5. Juni erwartete Melanchthon
die Vollendung des Druckes.6 Auch am 10. Juni war die Schrift wohl noch nicht
im Druck vollendet.7 Aber am
[Seite 7]
14. Juni
sandte Melanchthon ein Druckexemplar an den Humanisten Joh. Cnipius in
Andernach1 und am 19. eins an Joachim Camerarius in Leipzig, indem er diesem
nahelegte, es Bernhard Ziegler und Cruciger mitzuteilen und in Leipzig
nachdrucken zu lassen.2 Camerarius scheint denn auch den Nachdruck bei Jakob
Berwald in Leipzig eingeleitet zu haben.3 Am 13. Juli schickte Melanchthon ein
Druckexemplar an Paul Eber in Wittenberg zur eventuellen Weitergabe an
Cruciger.4 Eber hat nun wohl den Nachdruck bei Joseph Klug in Wittenberg
eingeleitet, zu dem Luther eine Vorrede beisteuerte. Nach diesem Wittenberger
Nachdruck übersetzte Justus Jonas Melanchthons Schrift samt Luthers Vorrede.5
Melanchthons
‘Responsio ad scriptum quorundam delectorum a clero secundario Coloniae
Agrippinae’ gehört zu den kraftvollsten Apologien der Reformation6, zu seinen
eindruckvollsten Arbeiten.7 Jhr Schwerpunkt liegt in dem Nachweis, daß die
Reformation keine Neuerung, sondern nur eine Wiederherstellung des
ursprünglichen echten evangelischen Christentums sei; zu diesem Zwecke müßten
die Mißbräuche, die sich im Laufe der Jahrhunderte an den echten Kern angesetzt
hätten, abgestellt werden. Diese geht nun Melanchthon durch. Besonders
ausführlich behandelt er die Heiligenverehrung und den Priesterzölibat.
Merkwürdigerweise
hat diese Schrift Melanchthons keine Aufnahme im Corpus reformatorum gefunden.8
Dies wohl auch der Grund, weshalb Luthers Praefatio in der Erlanger Ausgabe
unter den lateinischen Vorreden (Opera varii argumenti VII) fehlt. Doch hat H.
Holstein dieses Vorwort in der Übersetzung des Justus Jonas mitgeteilt:
Findlinge aus der Reformationszeit, 5. Jahresbericht über das Kgl. Gymnasium zu
Wilhelmshaven Ostern 1887, S. 13ff.
[Seite 8]
Ausgaben:
“RESPON-||SIO
PHILIPPI MELAN-||thonis ad scriptum quorundam || delectorum ą Clero
Secunda-||rio Colonię Agrip-||pinę. || CVM PRAEFATIONE || D. MARTINI ||
LVTHERI. || VVITTEMBERGAE. ||” Titelrückseite bedruckt. 44 unbezifferte Blätter
in Oktav (= Bogen A –F), letzte Seite (= Blatt F 8b) leer. Am Ende (Blatt F 8a
Z. 22): “VVITTEMBERGAE PER || Iosephum Klug, Anno || M. D. XLIII. ||”
Luthers Vorrede steht auf Blatt A 1 b –A
4b.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9455), Dresden, Gotha, Greifswald U., Halle U. u. Marienbibliothek,
Hamburg, Königsberg U., Nürnberg St., Rostock (2 Ex.), Wolfenbüttel, Zwickau (3
Ex.).
Deutsche
Übersetzung:
“Vorrhede D.
|| Docto. Mar. || Luth. an das Büchlin, || D. Philippi Melanthonis,
ge-||schrieben, widder den Cle-||rum secundarium, zu Coeln am || Rhein. Aus dem
Latein ver-||deudscht, durch || D. Justum Jonam. ||” Titelrückseite bedruckt. 8
unbezifferte Blätter in Oktav (= Bogen A), letzte Seite (= Blatt A 8b) leer. Am
Ende (Blatt A 7b Z. 20): “Gedruckt zu Wittemberg durch || Georgen Rhaw. ||” Auf
Blatt A 8a ein Bild: Jonas von dem Walfisch ans Land gespien.
Erscheinungsjahr: 1543.
Der Druck enthält nur Luthers Vorrede,
die Justus Jonas gesondert herausgab
Vorhanden: Berlin (Yp 8296 [11]).
“Verantwortung:
|| Philippi Melanthonis || auff der Coelnischen vnter Clerisey || Schrifft,
widder Ern ||Martin Buetzern || aus gangen || mit der || Vorrhede D. || Doc.
Mar. || Lutheri, Aus dem Latin || verdeudscht. || Gedruckt zu Wittemberg ||
durch Joseph Klug. Anno M. || D. XLiij. ||” Titelrückseite bedruckt. 60
unbezifferte Blätter in Quarto (= Bogen A –P), letzte Seite (= Blatt P 4b)
leer. Am Ende (Blatt P 4a Z. 28): “Gedruckt zu Wittemberg durch Joseph || Klug.
Anno. M. D. || XLiij ||”
Luthers Vorrede steht auf Bl. A 1b – A
4b.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9458), Dresden, Köln, Wernigerode, Wolfenbüttel, Zwickau; London. — G.
Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas. Hälfte 2 (= Geschichtsquellen der
Provinz Sachsen. Bd. 17, 2; 1885), S. XXVII Nr. 29.
Jn den
Gesamtausgaben: (lateinisch): Melanchthon Opera, Wittenberg II (1583), 93f.; —
(deutsch): Hallescher Ergänzungsband (1702), 463 –465; ders. Titelauflage
(1707), ebenda; Leipzig 21, 433 –435; Walch1 19, 2244 –2251; Walch2 19, 1802
–1809.
[Seite 9]
[1] Praefatio
Martini Lutheri.
1543
[2] [Ps. 118,
137 vg.] Iustus es, Domine, et rectum iudicium tuum.' Postquam [3] Papatus
repleverat coelum et terram ministris infinitis [4] idolatriarum et
abominationum contra fidem et bonos [5] mores, deinde et (quae merces est
omnium idolatriarum) [6] fornicationibus et immunditijs omnium generum et
specierum, [7] ita ut apud verecundas aures et mentes non [8] liceat eas
nominare, quas nihil puduit eos facere, maxime [9] in ipsa Curia Sanctiss[imi]
Papae, reverendissimorum Cardinalium et lustris [10] [Röm. 1, 24] Canonicorum,
tamen in eam perversitatem cordis traditi sunt, ut non modo [11] non dolerent
aut poeniterent de suis tot et tantis malis, sed etiam riderent [12] [Spr. 2,
14] et delectarentur, seu, ut Salomo [Bl. A ij] dicit, Laetarentur, cum
malefecissent, [13] et exultarent in rebus pessimis.
[14] Memini
enim ante plus minus triginta annos, cum Iulius secundus [15] reliquisset Leoni
X. inchoatum Concilium Lateranense, quo iam tum tempore [16] mos erat, si mos
vocari potest tam evidens furor, sacris, ut poetae1 clarissimis [17] verbis
utar, aedibus et altaribus proficere Ganymedas, paratam tum [18] Bullam fuisse,
qua caveretur, ne Cardinali plus liceret alere quam quinque [19] Catamitos. Et
exitura erat in orbem Christianum ea sanctissima Bulla2 istis [20] pulchris
scilicet figuris morum et doctrinarum ornata, nisi Leo decimus eum [21] locum
expunxisset. Reliquit tamen, ne omnia expungeret, illud suavissimum [22]
decretum, scilicet Deinceps credendum vel saltem docendum esse, quod anima [23]
humana sit immortalis.3 Hoc decreto consultum non sibi, sed miserae Ecclesiae
[24] Dei voluerunt. Nam neque Leo ipse, neque Curia idipsum credidit, Et adhuc
[25] hodie non credunt, Sed pro fatuis habent eos, qui credunt et confitentur.
[26]
Iactabatur enim historia de ipso Leone4, Quod, ubi eum satietas hominum [27]
aut negotiorum (id est exquisitissimarum voluptatum) odium ceperat, duos [28]
Gnathones seu Moriones ad coenam sibi astare iusserit, quos animi gratia
[Seite 10]
[1] audiret
de immortalitate animȩ disputantes, alterum, qui affirmaret, alterum, [2] qui
impugnaret. Cumque illi finita disputatione questionem reijcerent in [3]
arbitrium Pontificis, sanctissimus scilicet ille et Apostolicus vir plenus
spiritu [4] sic controversiam definita sententia diremit: Et si tu (inquit ad
affirmantem) [5] pulchras et bonas habes rationes, tamen ego sententiam huius
probo, Quia [6] facit bonum vultum. Hic vide, qui mores, quae fides publice in
urbe valuerit. [7] De quibus poenituerunt interim, ut cernere dignum est, more
cancrorum.1 [8] [Ps. 118, 137 vg.] ‘Iustus es, Domine, et rectum iudicium
tuum.’ ‘Nec tamen in his omnibus [9] [Jes. 9, 12.17.21; 10, 4] aversus est
furor eius, sed adhuc manus eius extenta’, ut Esaias dicit.
[10] Vbi iam
fessus orbis Christianus [Bl. A iij] audiendo, videndo, ferendo, [11] ista
horrenda exempla furiarum infernalium gemeret alto corde et suspiraret [12]
saltem aliquantulam Ecclesiȩ reformationem, videlicet in crassioribus turpitudinibus,
[13] actum est per optimum Caesarem Carolum quintum et Principes [14] imperij,
ut Papa indiceret Concilium. actum est autem iam per viginti et [15] amplius
annos. Deus bone, quantis hic et quam non dicendis technis, artibus, [16]
dolis, mendacijs, Sanctissimi et reverendiss[imi] viri distulerunt, deluserunt,
[17] imo illuserunt optimi Caesaris pium zelum et omnium populorum
expectationem, [18] Ne scilicet Lernas, Camarinas et Sodomas eorum
impudentissimas [19] [Ps. 118, 137 vg.] et impurissimas ulla reformatio moveret
aut tangeret. ‘Iustus es, Domine, [20] [Jes. 9, 12] et rectum iudicium tuum.’
‘In omnibus his non est aversus furor eius, sed [21] adhuc manus eius extenta’.
[22] Igitur
Cȩsaris zelo semper ita frustrato et irrito versi sunt ipsi ad
zelum [23] suum sese et suis sanctiss[imis] sanctitatibus dignissimum, secundum
illud [24] [Ps 13, 3 vg.] Psal. xiij: ‘Veloces pedes eorum ad effundendum
sanguinem’. Innumeros [25] enim viros et mulieres innocentissimos, vi, ferro,
flamma, flumine et omni [26] genere crudelitatis occiderunt, id est obsequium
Deo praestiterunt propter [27] nullam causam nisi quod manifesta veritate
convicti nollent hiscere quenquam [28] contra sua ista portenta, quae iam ipse
sol aegerrime dignatur ultra videre. [29] Et horum magna pars occisa est et
occiditur, quod coniugium, Dei scilicet [30] creationem, honorarint. Ipsi vero,
licet inter sacramenta numerent (fictis verbis), [31] [Jes. 52, 11] revera
tamen immunditiam apertis verbis blasphemant dicentes: ‘mundamini, [32] qui
fertis vasa Domini’. Ideo iusto iudicio Dei ipsi facti sunt in poenam [33]
damnati ab eis coniugii, mundissimi, purissimi, sanctissimi scortatores,
adulteri, [34] [1. Kor. 6, 9] μαλακοι
(reliquas munditias cogit tacere pudor). Hoc voluerunt, macte nova [35] virtute
viri, sic itur ad orcum, Durate et vosmet rebus servate nephandis.2 [36] [Jes.
9, 12] ‘In his omnibus non est aversus furor eius, sed adhuc manus eius
extenta.’
[37] [Bl. A4]
Post illa omnia, ubi vixerunt, fecerunt, occiderunt et pro omni [38] libidine
sua satanae servierunt, addunt hanc gloriosam catastrophen virtutum [39]
suarum, ut libellis blasphemis et maledicis impleant mundum. Non quod
[Seite 11]
[1] putent
sese bonae causae patrocinari, sed certissima conscientia obruti sciant [2]
sese agnitam veritatem et spiritum sanctum impugnare et voluntarie diabolum [3]
adorare. Qualis est autor huius Coloniensis libri N. et sui similes. In qua re
[4] nobis Christianis praebent non iniucundos ludos. (Non enim sunt homines,
[5] [Ps. 2, 4 vg.] quos miserari possis, sed diaboli incarnati, quos habitator
coeli irridet Psal. ij.) [6] [Ps. 13, 3 vg.] dum ita torquentur, ita anxiantur
seu, ut Esaias dicit, Contritio et infoelicitas [7] in vijs eorum, ut
stabiliant sua idola, quae stabiliri non posse vident, procedit [8] [2. Petri
1, 19] invitis ipsis aurora et inclarescit dies invisa illis. Inde fit id, quod
[9] [Ps. 111, 10 vg.] Psalmus dicit: ‘Peccator videbit et irascetur, dentibus
suis fremit et tabescit, [10] [Ps. 118.137 vg.] desiderium impiorum peribit’.
‘Iustus es, Domine, et rectum iudicium tuum.’
[11] Hac
consolatione nos animati ita formidamus formidabile illarum muscarum [12]
rostrum et turgentissimas Bullas, ut (quandoquidem ita volunt) nihil magis [13]
optemus, quam ut tales sint scriptores, tales scribant libros, tales defendant
[14] causas, tales vivant ipsi vitas, tales moriantur mortes. Eant ergo, vivant
[15] ergo, faciant ergo, patiantur ergo ea semper et in aeternum, quae meretur
[16] eorum sanctissima sanctitas, quae decent eorum sapientissimam sapientiam,
[17] quae conveniunt eorum dignissimȩ dignitati vel Apostolicae
vel Angelicae [18] [Apg. 18, 6] maiori, Sanguis eorum sit super caput eorum,
nunc, et semper, et in secula [19] seculorum, Amen. Nos mundi sumus a sanguine
ipsorum, locuti, testati, [20] [Jer. 51, 9] vociferati, acti et passi sumus
omnia, ut Babylonem istam curaremus, sed [21] curari neque vult neque potest.
Derelinquamus eam, ut habitent in ea [22] Onocrotali1, Pilosi2, Satyri,
Vicelij, Eccij, Rotzleffelij, Fabri3, digni hospites [23] [Ps. 118, 137 vg.]
tali domo et operculum patella.4 ‘Iustus es, Domine, et rectum iudicium tuum.’
[Seite 12]
[Einleitung]
Kurfürst
Johann Friedrich ließ seinen Söhnen eine möglichst gute Ausbildung zuteil
werden. Jnsbesondere empfahl er ihnen, da ihn selbst sein Mangel an
Sprachkenntnissen öfters recht bedrückte, dringend, fleißig Lateinisch zu
lernen, und legte ihnen die Vorteile dar, die sich für den ergeben, der diese
Sprache beherrscht.1 Die beiden ältesten Söhne, der am 8. Januar 1529 geborene
Johann Friedrich, der dann als Johann Friedrich der Mittlere seinem Vater in
der Regierung nachfolgen sollte, und der am 11. März 1530 geborene Johann
Wilhelm hatten von 1537 –39 einen Magister Georg Brenner und dann den berühmten
Basilius Monner2 zum Präzeptor. Mit diesem waren aber nachmals seine Schüler
unzufrieden, denn er scheint zu den Lehrern gehört zu haben, die mit ihren
Zöglingen paradieren wollen; er dressierte sie wohl mehr zu einzelnen Bravourstückchen,
als daß er ihnen eine gründliche und ausgebreitete Bildung beigebracht hätte.
Und so werden wir den beiden pompösen Reden, die die fürstlichen Brüder am 29.
April 1543 vor ihrem Vater, Wolfgang von Anhalt, Ernst von
Braunschweig-Grubenhagen und Rektor und Professoren der Universität Wittenberg
hielten, einige Skepsis entgegenbringen dürfen; sie werden in der Hauptsache
das Werk Monners sein. Dasselbe gilt wohl von der Rede, die der älteste Prinz
am 28. Februar 1542 auf dem Torgauer Schlosse rezitierte3, und der, mit der er
am 2. Oktober 1542 auf dem Altenburger Schlosse den siegreich aus dem
braunschweigischen Feldzuge heimkehrenden Vater empfing. Monner ist es wohl
auch gewesen, der die Reden in Wittenberg zum Druck beförderte.4 Sie sind wahrscheinlich
Mitte August 1543
[Seite 13]
erschienen.1
Es ist wohl auch auf Monners Bitte geschehen, daß Luther eine Praefatio
beisteuerte. —
Eine deutsche
Übersetzung der Declamationes mit der Praefatio Luthers lieferte Stephan Reich,
damals (seit 1559) Propst in Lissen (Diözese Weißenfels).2 Die Widmung an die
Gebrüder Friedrich Wilhelm und Johann und die Gebrüder Johann Kasimir und
Ernst, Herzöge zu Sachsen, Landgrafen in Thüringen und Markgrafen zu Meißen,
die Söhne Johann Friedrichs und Johann Wilhelms, ist datiert: Lissen, am Tage
Purificationis Mariae (2. Febr.) 1584. Diese Übersetzung erschien 1584 bei
Georg Baumann in Erfurt, bei dem auch ein Neudruck des lateinischen
Originaltextes der Declamationes mit der Praefatio herauskam.
Ausgaben:
“[Zierleiste]
ILLVSTRIVM PRINCI-||pum iuniorum Saxonię, || 10. FRIDERICI II. ET 10. ||
VVilhelmi, fratrum, || DECLAMATIONES, || Quarum est || 1. De boni Principis
officio. || 2. De Diuo Georgio. || 3. De dignitate legum conseruanda. || 4
Gratulatio, Qua patrem su. clem. || Io. Frid. Du. Sa. Electo. &c.
victo-||rem a Brunsuig redeuntem exce-|| pit. || Cum Pręsatione D. MARTINI ||
LVTHERI. || VITEBERGAE. || 1543. || [Zierleiste] ||” Titelrückseite leer. 36
unbezifferte Blätter in Oktav (= Bogen A –E). Am Ende (Blatt E 4b Z. 15):
“Vittembergę apud Geor-||gium Rhau. ||”
Einige Exemplare haben auf Blatt E 1b
keinen Kustos, andere den Kustos “agen-||”.
Luthers Vorrede steht auf Blatt A 2a –A
5a.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (F
1800), Breslau St., Dresden, Hamburg, Stuttgart. — Frankf.-Erl. Ausg.: Opp.
lat. var. arg. VII, 562f.; Walch2 14, 398 Anm.
Spätere
Ausgaben:
1.
lateinisch: Erphordiae, Georgius Bauman 1584 (unter dem gleichen Titel wie die
Ausgabe von 1543); ferner u. d. T. “Eloquentia heroica seu serenissimorum
principum iuniorum Saxoniae Ioannis Friderici II. et Ioannis Wilhelmi fratrum
declamationes ...” Jenae, apud viduam Croeckerianam 1750.
2. deutsch:
u. d. T. “Etliche Lateinische Declamationes, Der ... Herrn Johans Fridrichen,
des Mitlern, vn̄ Herrn Johanß Wilhelm, Gebruedern, Hertzogen zu Sachssen
...” Erffordt, durch Georgium Bawman 1584.
Jn den
Gesamtausgaben: (lateinisch) Jena IV (1558), 780a –781a; Frankf.-Erl. Ausg.:
Opp. lat. var. arg. VII, 562 –565; — (deutsch) Leipzig 22, Anh. 134f.; Walch1
14, 380 –384; Walch2 14, 398 –401.
[Seite 14]
[1] [Bl. A
ij] Praefatio D. Martini Lutheri.
1543
[2] Vidimus
et audivimus his diebus singulare et apud Germanos [3] inusitatum exemplum,
Quod duo fratres, alter tertium decimum, [4] alter quartum decimum annum
ingressus, ac pene (ut [5] dicitur) infantes, habuerunt duas has Orationes
latinas contiguas [6] coram tota hac universitate. Et hi fratres non infimae
[7] nec mediocris, sed summae nobilitatis, puta summo [8] clarissimoque loco
nati, nempe filii illustrissimi Principis nostri et domini, [9] D. Iohannis
Friderici, Ducis Saxoniae, Electoris etc., omnium studiorum, [10] artium et
virtutum Patroni clementissimi, Qui et ipse cum aliquot alijs [11] Principibus
una prȩsens audiebat, magno (ut credere par fuit et satis [12]
apparebat) gaudio, scilicet Pater filios suos ea ȩtate
tam feliciter idque brevi [13] tempore in literis profecisse.
[14] Ego sane
inter caeteros admirabar vehementer non solum istam animi [15] magnitudinem in
pueris, qua in tali ac tanto coetu, nihil territi, latine et [16] dexterrime
perorabant, Sed etiam tam pure, tam graviter, tam distincte ac [17] fere
memoriter, quasi ex tempore dicerent, omnia pronunciabant.
[18] Simul
succurrebat recordatio temporis paulo superioris, in quo non invenisses [19] ex
omni (quod dicitur) multitudine Ecclesiastica, Pontificum etiam [20] Romanorum,
Cardinalium, Episcoporum, addo Doctorum et quicunque voluissent [21] denique
audire doctissimi inter eos, qui tale aliquid praestare potuisset. [22] Certe
magnum decus magnamque gloriam literae, utut sint apud alios magnates [23] et
proceres contemptae, in istis clarissimis et illu-[Bl. A iij]strissimis [24]
Principibus consecutȩ sunt, nec minore gloria ipsae vicissim Principes tantos
[25] ornaverunt.
[26] Hic
videas, quid sit quantumque valeat bona institutio, praesertim, si [27]
contingat (ut hic) natura formabilis et ingenium idoneum. Qua in re optimi [28]
parentis et illustrissimi Principis consilium et voluntas mirifice extollenda
[29] sunt, qui filios suos non vulgari more Principum et nobilitatis dilexerit,
id [30] est otio et ignorantia negligi passus sit, Sed omni studio et cura eos
recte [31] institui et erudiri curarit, ut essent non tantum sanguinis genere clarissimi,
[32] sed et literis ingenijque cultu cunctis nationibus admirabiles. Sed ipsae
[33] orationes mihi omnem materiam laudis praeripuerunt, ex quibus ipse Lector
[34] intelliget plura, quam mea sicca ista et ieiuna seu horrida et sordida
oratio [35] dicere potest.
[36] Hoc
reliquum est, ut optimis pueris clarissimisque Principibus omnia [37] bene
precemur et oremus Deum Patrem, largitorem istorum et omnium bonorum, [38] ut
ceptis istis felicibus studijs et institutis feliciorem successum felicissimumque
[Seite 15]
[1] fructum
benedictione abundantis gratiae suae donare dignetur. [2] Quod eo magis orandum
est, quod hoc saeculo ingrato et pessimo dubitare [3] nos Christiani non
possumus, quin Diabolus, omnium bonorum ipsiusque [4] [1. Petri 5, 8] Dei hostis
furentissimus et sicut Leo rugiens Et confessioni Euangelij per [5] istos
Principes exacerbatissimus, tentabit omnibus studijs et insidijs, si non [6]
perdere omnino poterit, tamen impedire et frustrari haec divina dona.
[7] Et
videmus in sacris Historijs, imo et in omnium Gentium historijs, [8] quibus,
qualibus, quantis machinis et astutijs in aulis Regum et Principum [9] [Bl. A
iiij] (quia ex illis maximos et saluberrimos fructus in Ecclesiam et [10]
Politiam proferri sentit) regnare semper tentarit et omnia invertere studuerit,
[11] Ut, nisi Principem ista coronet et complectatur Oratio, Psalmo vigesimo:
[12] [Ps. 19, 2 sq. vg.] ‘Protegat te nomen Dei Iacob, Mittat tibi auxilium de
Sancto et de Zion [13] tueatur te’, certe inter tot dracones, serpentes, lupos,
vulpes et si qua peiora [14] sunt monstra, Diaboli furentis ministeria, id est
inter fallaces Consiliarios, [15] perfidos amicos, proditores ministros,
rapaces proceres, ipse unus et solus [16] nequeat onus suum sustinere et
perdurare, Et tamen inter hos vivere et [17] regere cogitur. Principes enim et
quod optimum et summum in mundo est, [18] [Habak. 1, 10] unice et avidissime
petit, Delicatae est gulae (ut dicit Habacuc), esca eius [19] electa et Tyranni
ridiculum eius sunt.
[20]
Quapropter commendatos habeat sibi Ecclesia et quisquis est, qui Christi [21]
esse voluerit, hos optimos Principes et eorum studia ac gubernationes fideli
[22] et seria apud Deum oratione iuvet contra Diabolum, hostem illorum
praecipuum. [23] Qua in re faciemus non solum gratissimum sacrificium Deo, sed
[24] nobis ipsis quoque necessarium et salutare beneficium. Quis enim
cogitando, [25] nedum dicendo consequi potest, quam beata res sit, sub bono et
salutari [26] principe vivere, Qui et gloriam Dei et salutem Reipublicae
querat, augeat [27] et conservet? Dona sunt haec et (ut Scriptura loquitur)
benedictiones Dei [28] opulentissimae.
[29] Ipse
Dominus IHESUS CHRISTUS, filius DEI, qui cepit bonum opus [30] suum in istis
fratribus Principi-[Bl. A v]bus, det, ut non solum alijs Principibus, [31] Sed
sibi ipsis has duas orationes cumulatissimo opere et fructu [32] recitarint,
recitent retineantque semper ad gloriam Dei et salutem hominum, [33] Amen.
[Seite 16]
[Einleitung]
Ebenso wie
die Schrift “Vom Schem Hamphoras” die Ausführung eines schon während der
vorigen Judenschrift “Von den Juden und ihren Lügen” gefaßten Planes war, so
war auch die hierunter abgedruckte letzte Judenschrift “Von den letzten Worten
Davids” am Ende der Schrift “Vom Schem Hamphoras” schon angekündigt. Wie andere
Bibelübersetzer — sagt Luther —, so habe auch er der Rabbinen Glosse etwa zu
viel nachgehängt, sonderlich 2. Sam. 22 (bzw. nach unsrer Zählung: 23, 1 –7) in
verbis novissimis David, das er widerrufen müsse; das wolle er bald tun (Unsre
Ausg. Bd. 53, 647, 31ff.). Er muß dann ohne Säumen an die Arbeit gegangen sein;
nach dem Zeugnis Johann Forsters schreibt er im Juni 1543 an der Schrift, die
ursprünglich den Titel haben sollte: “Über die Gottheit Christi aufgrund der
letzten Worte Davids” (Germann, Joh. Forster S. 364); am 18. August schickt er
sie bereits gedruckt an Markus Crodel in Torgau.1
Die Schrift
unterscheidet sich durch ihren ruhigen und sachlichen Ton merklich von den
beiden vorhergehenden Kampfesschriften; fehlen die Ausfälle auf die Juden auch
nicht ganz, so fallen sie dem, der die vorhergehenden Schriften gelesen hat,
doch kaum noch auf. Erklärt sich dieser veränderte Ton etwa aus eingetretenen
Ereignissen? Der Kurfürst von Sachsen hatte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf
Luthers Schriften am 6. Mai sein strenges Mandat vom August 1536, das den Juden
den Aufenthalt in seinem Gebiet untersagte, erneuert; 1539 hatte er, durch
Josel von Rosheim bestimmt, den Juden einige Erleichterungen zuteil werden
lassen, vor allem ihnen bedingten Durchzug durch sein Land gestattet; jetzt
hebt er alle diese Vergünstigungen wieder auf (Lewin, Luthers Stellung zu den
Juden, S. 62, 105). Ebenso hatten in Hessen Luthers Schriften ein Judenedikt
zur Folge gehabt, das ihnen gebot, in die christlichen Predigten zu gehen,
Gottes Wort zu hören, ihre Bücher den Amtleuten und Predigten zur Prüfung
vorzulegen, und das ihnen jede Verspottung des Christentums, auch jede
Disputation in Glaubenssachen
[Seite 17]
untersagte;
Philipp von Hessen, dem Melanchthon sowohl “Von den Juden” wie “Vom Schem
Hamphoras” gleich nach ihrer Vollendung zugeschickt hatte, hatte die erste
Schrift mit vielen Lobsprüchen erhoben; “Vom Schem Hamphoras” wird ihn dann
veranlaßt haben, die Juden unter schärfere Aufsicht zu nehmen. Josel von
Rosheim hatten Luthers scharfe Bücher zu neuer Abwehr aufgerufen; am 28. Mai
hatte er den Straßburger Rat gebeten, die Vertreibung des Buches “Von den Juden
und ihren Lügen” zu verhindern; am 11. Juni wendet er sich gegen “Schem
Hamphoras”. Schwerlich haben diese Erfahrungen, weder seine Erfolge, noch die
jüdischen Gegenmaßnahmen, Luther veranlaßt, einen milderen Ton anzuschlagen;
vielmehr sollten wir erwarten, daß jene ihn angefeuert, diese ihn gereizt hätten.
Luthers
Stimmung gegen die Juden ist deshalb in dieser ganzen Zeit auch unverändert
dieselbe wie in seinen Kampfesschriften; ja wir sehen in den nächsten Jahren
seine Juden-Feindschaft sich noch steigern. Am 11. Juni 1543 erwähnt er den
evangelischen Brüdern in Venedig, Vicenza und Treviso gegenüber, wie so oft in
seinen Schriften, die Juden neben Türken und Papst und urteilt über alle:
furunt blasphemando nomen Domini. Schwer trägt er daran, daß die Juden in der
Mark Brandenburg so weitgehende Duldung genießen und durch ihr Geld viel
vermögen; daher lobt er im September 1543 den Propst Georg Buchholzer in
Berlin, daß er “wider die Juden gepredigt und hart darüber gefochten”; am 9.
Februar 1544 klagt er über das Judenregiment in Berlin, wie in Böhmen, und am
9. März 1545 wendet er sich an den Kurfürsten Joachim II. und warnt ihn, daß
die Juden “an ihm ihre Tücke möchten beweisen”; er wisse wohl, daß der Kurfürst
einen solchen starken Glauben und Vertrauen auf sie habe, so daß er fürchtet,
sein Schreiben möchte umsonst sein; aber er bitte Gott, daß er den Kurfürsten
gnädig vor ihnen möge behüten (Enders 15, 168; 336; 359; 16, 192). Das
Tischgespräch, in dem Luther erzählt wird, daß auch in seiner Heimat die Juden
großes Ansehen genössen, und daß in Eisleben einige Judenjungen den dortigen
Prediger ungestraft beschimpft hätten, das Luther so erregt, daß er ausruft, er
wolle ihm eine Maulschelle geben, ja, wenn er könne, möchte er ihn mit dem
Schwerte niederschlagen (U. A. TR 5 Nr. 5576) — muß gerade um die Zeit der
Abfassung unsrer Schrift gehalten sein. Um des Ortes willen steht es in
Beziehung zu dem Letzten, das Luther gegen die Juden gesprochen; als es auf
seiner letzten Fahrt nach Eisleben im Jahre 1546 sich ihm bestätigt, daß die
Grafschaft Mansfeld geradezu ein Sammelplatz für die Juden geworden ist (Lewin
S. 108), da treibt es ihn, seinen Landsleuten die Juden, wie er sie erkannt, zu
schildern; schon in den Predigten am 31. Januar und am 2. Februar kommt er auf
die Juden zu sprechen und wiederholt die Beschuldigungen, die wir aus seinen
Judenschriften kennen; am Sonntag, dem 14. Februar, aber schließt er an die
Predigt über Matth. 11, 25 –30 eine ausdrückliche “Vermahnung wider die Juden”
an (Unsre Ausg. Bd. 51, S. 152f.; 166f.; 195ff.). Mit dürren Worten gibt er
hier ungefähr dieselben scharfen Weisungen, wie er sie vor drei Jahren am Ende
seiner Schrift “Von den Juden” gegeben: man solle die Juden nicht leiden, denn
täglich lästerten und schändeten sie Christus, seien der Christen öffentliche
Feinde, hießen die Jungfrau Maria eine Hure, Christus ein Hurenkind, die
Christen Wechselbälge und Mahlkälber; wenn sie es könnten, so würden sie gerne
alle töten; die Giftmischekunst verständen sie. Die Juden, die sich nicht
bekehren wollten, solle man deshalb für verstockte Juden
[Seite 18]
halten und
solle sie nicht dulden: “das hab ich als ein Landkind euch zur Warnung wollen
sagen zur Letze, daß ihr euch fremder Sünde nicht teilhaftig macht, denn ich
meine es ja gut und treulich, beide mit den Herren und Untertanen”. Erinnern
wir uns, daß dieses überhaupt das Letzte ist, das Luther öffentlich gesprochen
hat, so gewinnt es dadurch doppelte Schärfe.
Bei diesen
durch die letzten Jahre ganz sich gleichbleibenden Anschauungen Luthers muß
aber der abweichende Ton unsrer Schrift eine besondere Erklärung finden.1 Und
Luther gibt sie uns selbst. Er gibt sie schon in den oben angeführten Worten,
als er die Schrift am Ende des Buches “Vom Schem Hamphoras” ankündigt; er gibt
sie noch deutlicher im Eingang der Schrift selbst. Er hat für sich genommen die
letzten Worte Davids auszulegen, nicht wie sie verdeutscht sind, da er den
andern allen gefolgt ist, ... jetzt will er eigensinnig sein und niemandem
folgen, denn seinem Geist; mit anderen Worten: die Schrift soll eine neue
berichtigte Übersetzung der Stelle 2. Sam. 23, 1 –7 und, wie wir gleich
hinzufügen, einiger anderer verwandten Stellen geben, die von Luther durch
eigene Forschung gewonnen ist.
Die letzten
Worte Davids haben auch schon in früheren Judenschriften eine gewisse Rolle
gespielt; sie sind schon kurz angeführt in dem “Brief wider die Sabbather”,
umfassender in der Schrift “Von den Juden” (Unsre Ausg. Bd. 50, 317, 26ff.;
322, 16ff.; Bd. 53, 462, 16ff.). Aber, wenn auch bei Luther, wie wir nachher
sehen werden, ein gewisses dogmatisches Jnteresse an seiner neuen Übersetzung
nicht zu verkennen ist, zunächst hat er bei seiner Verbesserung an jene
Judenschriften nicht gedacht; vielmehr ist es die bisherige Fassung seiner
deutschen Bibel, die er verbessern will, insbesondere in der Ausgabe, die
gerade um die Zeit im Druck abgeschlossen wurde, als auch der Druck unsrer
Schrift zu Ende kam: Unsre Ausg. Bibel 2, 660f., Nr. 75. Jn dieser Ausgabe
hatte eine ganz neue und nur in dieser Ausgabe sich findende Übersetzung der
letzten Worte Davids Aufnahme gefunden, ein Resultat der Bibelrevision von
1539/41, auf die Georg Rörer in einer besonderen Nachrede (Bindseil, Luthers
Bibelübersetzung 7, S. XXXII; Koffmane, Handschriftliche Überlieferung von
Werken Luthers, S. 164f.) ausdrücklich
[Seite 19]
aufmerksam
macht. Sie hat aber bald Luthers Bedenken erregt, und sie ist es, deren
Verbesserung vor allem unsre Schrift gewidmet ist, deren Text in der Ausgabe
von 1545: Deutsche Bibel, a. a. O. S. 675ff., Nr. 79 dann erscheint1
Wir stellen
der besseren Übersicht wegen die beiden in Frage kommenden Texte von 2. Sam.
23, 1 –7 nebeneinander:
(den der
Ausgabe Nr. 75 nach Bindseil 2, 227ff., dort Ausg. J) (den der Ausgabe Nr. 79
nach unsrer Schrift)
1. Dies sind
die letzten Worte Davids. Es sprach David, der Sohn Jsai; es sprach der Mann,
der von dem Messia des Gottes Jakob gewisse Zusagung hat und viel tröstlicher
Psalmen Jsrael davon gesungen hat. 1. Dies sind die letzten Worte David. Es
sprach David, der Sohn Jsai; es sprach der Mann, der versichert ist von dem
Messia des Gottes Jakob, lieblich mit Psalmen Jsrael.
2. Der Geist
des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort ist durch meine Zunge geschehn.
2. Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist durch meine
Zunge geschehn.
3. Der Gott
Jsrael hat mir geredet, der Hort Jsrael hat mir zugesagt. Er wird sein ein Herr
unter den Menschen in Gerechtigkeit, ein Herr in der Furcht Gottes. 3. Es hat
der Gott Jsrael zu mir gesprochen, der Hort Jsrael hat geredet, der gerechte
Herrscher unter den Menschen, der Herrscher in der Furcht Gottes.
4. Und wie
das Licht ist des Morgens, wenn die Sonne aufgehet, des Morgens, da keine
Wolken sind, und von dem Glanz nach dem Regen das Gras aus der Erde wächst. 4.
Und wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgehet, des Morgens ohne
Wolken, da vom Glanz nach dem Regen das Gras aus der Erde wächst.
5. Denn wie
gar nichts ist mein Haus gegen Gott, daß er mit mir solchen Bund macht, der
ewig, ganz gewiß und fest ist, denn, was ich sonst für Sieg und Regiment
gehabt, ist nicht zu rechnen, daß es sollte grünen heißen. 5. Denn mein Haus
ist nicht also bei Gott, denn er hat mir einen Bund gesetzt, der ewig und alles
wohl geordnet und gehalten wird, denn alle mein Heil und mein Tun ist, daß
nichts wächst.
6. Aber die
Kinder Belial werden sein wie die weggetanen Diesteln, die man nicht mit der
Hand angreifen kann. 6. Aber Belial sind allesamt wie die ausgeworfenen
Diesteln, die man nicht mit Händen fassen kann.
7. Sondern, wer
sie antasten will, der muß Eisen und Stangen in die Hand nehmen und mit Feuer
verbrennen, an demselben Ort. 7. Sondern, wer sie angreifen soll, muß Eisen und
Spießstangen in der Hand haben, und werden mit Feuer verbrannt werden in der
Wohnung.
Ein gewisses
dogmatisches Jnteresse hat Luther an den Versen 2 und 3. Sie sind ihm eine
Grundlage für die Lehre von der Dreieinigkeit und für die Göttlichkeit des
Sohnes. Jene findet er in den drei Bezeichnungen: der Geist des Herrn, der Gott
Jsrael, der Hort Jsrael; diese vor allem in V. 3b (s. unten 74bff.); die
Übersetzung in der Bibel Nr. 75, die mit V. 3b einen neuen Satz beginnt, ließ
nicht so ungezwungen sich benutzen.
Und das
dogmatische Jnteresse veranlaßt Luther, noch zwei andere Stellen in neuer Übersetzung
zu geben, die er auch als die seinige ausdrücklich in Anspruch nimmt: 1. Chron.
18, 17b und 1. Mose 4, 1. Erstere Stelle hat gelautet: Und hast mich Herr Gott,
angesehen oben herab wie ein Mensch den andern (Bindseil a. a. O. S. 388;
Koffmane a. a. O. S. 165); jetzt lautet sie: Du hast angesehen mich als in der
Gestalt eines Menschen, der in der Höhe Gott der Herr ist (unten E 4). 1. Mose
4, 1 war übersetzt: Jch habe gekriegt den Mann des Herrn (Bindseil
[Seite 20]
1, 8); Luther
übersetzt: .... den Mann, den Herrn (unten Q. 1f.). Beide neue Übersetzungen
dienen der Christologie; bei jener heißt es, daß David klärlich bekenne, daß
sein Sohn Messia soll gewiß ein rechter Mensch sein, und doch überwärts und in
der Höhe, da keine Menschenweise, sondern allein Gott ist und regiert, soll er
Gott der Herr sein; und 1. Mose 4, 1 legt Luther das größeste Gewicht
darauf, hier als nota accusativi zu
erklären, und deutet, daß des Weibes Same Gott und Mensch sei.1
Die neue
Übersetzung von 1. Chron. 18, 17 ist auch ein Produkt der Bibelrevision von
1539/41; aber während die bei dieser festgestellte Übersetzung von 2. Sam. 23
in unsrer Schrift von Luther wieder verworfen wird, wird jene hier noch
besonders legitimiert; die Übersetzung 1. Mose 4, 1 erscheint auch erst in der
Ausgabe Nr. 79. Auf beide Übersetzungen macht Rörer ebenfalls in den
entsprechenden Nachreden aufmerksam und bemerkt zu der letzteren, daß trotz
Luthers erklärender Glosse und trotz seines weiteren Berichts davon in unsrer
Schrift doch einer darüber gekommen sei, der wieder zu der früheren
Übersetzung: “den Mann des Herrn” sei zurückgekehrt (Bindseil 7, S. XXXV;
Koffmane a. a. O.).2
Unsre Schrift
gehört demnach nur gewissermaßen anhangsweise zu den Judenschriften. Sie führt
zwar Gedanken weiter aus, die in jenen begonnen waren, verfolgt aber daneben
noch den weiteren, über die Judenpolemik hinausgehenden Zweck, zur rechten
Erklärung des Alten Testaments anzuleiten, “die hebräische Bibel zum Verstand
des Neuen Testaments zu ziehn”, “damit wir den lieben Herrn und Heiland hell
und klar in der Schrift finden und erkennen” (unten A 4b u. X 4), und ist eine
wissenschaftlich-exegetische Schrift. Schon Mathesius hat so sie
gekennzeichnet, wenn er sagt, daß, nachdem der Doktor die Bibeltexte von der Juden
Lügen gereinigt und ihre Lästerung und teuflische Bosheit offenbart, er den
drei Personen der heiligen Dreifaltigkeit und den beiden Naturen in der einigen
und unzertrennten Person des Herrn Christi sehr gewaltig Zeugnis gegeben in dem
teuren Buch, das er über die letzten Worte oder das Testament Davids mit großem
Geist und höchstem Ernst geschrieben.3
Trotz ihres
im ganzen ruhigen Tones ist aber auch unsre Schrift mehrfach demselben harten
Urteil verfallen, wie die anderen Judenschriften. Als am 8. Dezember 1543
Heinrich Bullinger in einem Briefe an Martin Butzer die Schmähsucht Luthers
straft und dabei vor allem auf die Judenschriften sich bezieht, da nennt er vor
allem das schmutzige Buch “Schem Hamphoras”, weist aber auch hin auf unsre
Schrift, in der der anmaßende, schroffe Geist des Mannes sich hoffärtig zur
Schau stelle. Die Antwort Butzers vom 28. Dezember vergleicht mit Luthers
Schroffheit in stiller Wehmut den milden Ton, in dem Erasmus über die
Glaubwürdigkeit des Alten Testaments geschrieben habe. Mit der Zeit scheint man
aber
[Seite 21]
doch unsre
Schrift mit milderen Augen angesehen zu haben, denn, als 1545 der Zwiespalt
zwischen Zürich und Wittenberg zum offenen Ausbruch gekommen ist und das
“Wahrhafte Bekenntnis der Diener der Kirchen zu Zürich” feststellt, daß
“niemand je wüster, gröber und unziemlicher wider christliche Zucht und
Bescheidenheit in Händeln des Glaubens und großen und ernsthaften Sachen
geschrieben habe, denn Luther”, da führen sie zum Zeugnis neben anderen
Schriften auch an “Luthers Buch wider die Juden mit den wüsten Buchstaben der
Bibel, welche die Juden fressen, nicht lesen sollen”, und sein “schweinisches,
kotiges Schemhamphorasch”; unsre Schrift aber wird nicht genannt (Lewin S.
98f.).
Große
Bewunderung erweckte dagegen das Buch bei Luthers Freunden. Wie sehr es begehrt
wurde, zeigen unten die Vorbemerkungen zur Bibliographie, und der Erwartung
entsprach die Aufnahme. Am 27. August 1543 schickt Melanchthon das Buch dem
Friedrich Mykonius in Gotha und urteilt: scio tibi voluptati hanc lectionem
fore; quid enim piis dulcius est, quam confirmari in agnitione filii Dei et
discere veram invocationem? (Corp. Ref. V. 164f.). Überschwänglich rühmt es
Gregorius Joestel in Wittenberg in einem Schreiben an Hans Fletacher in Freiberg
vom 23. September 1543: “Jch vbersende euch mit brieffszceiger das büchlin
Doctoris Martini vber die letzten wortten Dauidis, lests, eß werdt euch
gefallen, dan kein buch ist geschriben worden, weil die welt gestanden, das den
articulum trinitatis ßo herlich hat rausgestrichen als dieß”.1 Jm Jahre 1548
fertigt Kaspar Cruciger eine lateinische Übersetzung an (s. die Bibliographie),
die er am 15. November, einen Tag vor seinem Tode, beendigt, und die im Mai
1550, mit Vorreden Melanchthons und Georg Rörers versehen, im Druck erscheint;
Melanchthon preist in seiner Vorrede, das Buch, das Davids letzte Worte
behandele, sei auch Luthers und Crucigers postrema confessio, in qua, cum fide
acquiescerent, in illo ipso agone, quia in eorum pectoribus initia aeternae
iustitiae et vitae accensa fuerant, laeti et avidi dulcissimae consuetudinis
cum ecclesia coelesti ex hoc carcere discesserunt; es enthalte die Grundlehren
der Kirche, die alle Christen genau wissen müßten; deshalb habe auch Georg von
Anhalt dafür gesorgt, daß das Buch, damit es noch von mehreren gelesen würde,
in dieser neuen Ausgabe noch einmal ausginge (Corp. Ref. VII, 581ff.). Rörer
aber nennt das Buch “Luthers nützlichste und notwendigste Schrift, würdig, auch
von den spätesten Kirchen gelesen zu werden”.2
Die Schrift
führte noch zu einer Fehde mit Kaspar von Schwenckfeld. Jhn hatte Luther
gemeint mit dem tollen Geist (unten T 1), der neulich “große Grumpen
vorgegeben, wie fährlich die Christen lebten, daß sie eine Kreatur als Gott
anbeteten”. Das bezog sich auf eine von Schwenckfeld 1539 herausgegebene
Schrift: “Summarium etlicher Argumente, daß Christus nach der Menschheit heute
keine Kreatur, sondern ganz unser Gott und Herr sei”, in der er den Nachweis zu
führen suchte,
[Seite 22]
daß die Menschheit
Christi keine Kreatur sei (Corpus Schwenckfeldianorum, Vol. VI, Leipzig 1922,
S. 533ff.). Der Ulmer Prediger Frecht hatte diese Lehre als Ketzerei öffentlich
gebrandmarkt und hatte Schwenckfelds Vertreibung aus Ulm durchgesetzt. Luther
aber hatte Schwenckfelds Schrift am 28. Februar 1540 zum Gegenstand einer
Disputation gemacht, nicht weil ihn die Schrift sonderlich berühre, sondern um
der Erregung willen, die sie namentlich in Niederdeutschland hervorgerufen
habe. Die Thesen 25 und 26 lauteten: “Stulte cavillatur Schwenckfeld cum suis
batrachomyomachis Christum secundum humanitatem dici creaturam. Homo sine
literis, disciplinis, sine sensu quoque humano nescit discernere inter vocabula
aequivoca.” Letzteres klingt wider in den Worten unsrer Schrift (a. a. O.):
“Der unsinnige Narr keine Schrift noch Bücher lieset, sondern aus seinem
eigenen tollen Kopf von solchen hohen Sachen träumet und ein selbstwachsender
Meister Klügel ist” (Drews, Disputationen Dr. M. Luthers, S. 585ff.).
Wenn
Schwenckfeld in unsrer Schrift nun auch nicht mit Namen genannt war, so war ihm
doch auch jene Disputation bekannt geworden; und wenn die Worte in unsrer
Schrift schon keinen Zweifel darüber ließen, daß er gemeint war, so war eine
Vergleichung mit dem Wortlaut der Disputation dafür beweisend. So wandte sich
denn Schwenckfeld in einem äußerlich höflichen, ja ehrerbietigen Brief an
Luther, in dem er ihn aber doch aufs entschiedenste um gerechtes Urteil bittet;
er beruft sich auf eine Stelle in Luthers “Von den Konziliis und Kirchen”
(Unsre Ausg. Bd. 50, 593ff.), von der er gemeint, daß sie nichts anderes sage,
als was auch er ausgesprochen, und er beklagt sich, daß Melanchthon seine
Schrift vom Jahre 1540: “Konfession und Erklärung von Erkenntnis Christi und
seiner göttlichen Herrlichkeit”, die er ihm zur Rechtfertigung seines
Standpunkts vor drei Jahren übersandt, noch nicht gelesen hätte (Enders 15,
243ff.). Aber Luther sah in Schwenckfeld nur den theologischen Dilettanten; in
Übereinstimmung mit dem, was er in unsrer Schrift geschrieben, urteilte er über
ihn unter den Seinen: er sei ein armer Mensch, sei attonitus wie die Schwärmer
alle; er wisse nicht, was er plaudere .. (U. A. TR 5 Nr. 5659), und schickte
durch Schwenckfelds Boten ihm einen offenen Zettel, er solle ihn mit seinen
Büchern, die der Teufel aus ihm speie, zufrieden lassen (Enders a. a. O. S.
276). Schwenckfeld verbreitete diese Antwort Luthers “zu seinen Ehren und
Glimpf” und zu Luthers “Unglimpf und Schanden”, wie Luther im Eingang zu seinem
“Kurzen Bekenntnis” von 1545 höhnend schreibt (Erl. Ausg. 32, 367ff.). Diese
Schrift wird auf diese Fehde wieder uns zurückführen (s. u. in diesem Bd.).
Hier bei der
letzten Judenschrift ist der Ort, die sämtlichen verwandten Schriften Luthers
und überhaupt seine Stellung zu den Juden und die dabei zutage tretenden
Wandlungen noch einmal zu überblicken. Außer den eigentlichen Judenschriften:
“Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei”, “Wider die Sabbather”, “Von den
Juden und ihren Lügen”, “Vom Schem Hamphoras” (Unsre Ausg. Bd. 11, 307ff.; Bd.
50, 309ff.; Bd. 53, 412ff.; Bd. 53, 573ff.) und unsrer Schrift kommen dafür
noch in Betracht die schon erwähnte “Vermahnung” vom 14. Februar 1546 als
letzte Äußerung und als wichtigste früheste Kundgebungen Luthers Brief an
Spalatin aus den ersten Monaten 1514 (Enders 1, 14ff). und “Das Magnifikat”
(Unsre Ausg. Bd. 7,538ff.).
Der Anfang
und das Ende stimmen zusammen. Wenn Luther 1514 auf Spalatins Anfrage im
Reuchlinschen Streit über die Juden das Urteil abgibt: in reprobum sensum per iram
Dei sunt traditi, ut sint incorrigibiles, et omnis incorrigibilis
[Seite 23]
correctione
peior fit et nunquam emendatur, so ist das nicht viel anders, als wenn er am
14. Februar 1546 seine Landsleute mahnt, durch Duldung der Juden nicht fremder
Sünde sich teilhaftig zu machen. Jm Lauf der zwischen diesen beiden Urteilen
liegenden 32 Jahre aber hat Luthers Urteil zweimal sich völlig geändert. Schon
im “Magnifikat” hat er eine andere Stellung dem Gericht der Verstockung Jsraels
gegenüber gewonnen: wenn auch der große Haufe sich verstocke, einige seien
doch, die sich zu Christus bekehrten und an ihn glaubten; darum solle man die
Juden nicht so unfreundlich behandeln, denn “wer wollte ein Christ werden, so
er siehet Christen so unchristlich mit Menschen umgehn?” (Unsre Ausg. Bd. 7,
600, 28ff.; 601, 3ff.). Und die Schrift “Daß Jesus Christus ein geborener Jude
sei” ist eine Aufforderung zur Judenmission; man solle freundlich mit ihnen
handeln und aus der heiligen Schrift sie säuberlich unterweisen; Blutsfreunde
seien sie ja, Vettern und Brüder des Heilands, kein Volk habe Gott gleich ihnen
ausgezeichnet; deshalb predige man Jesus ihnen nicht gleich als den
Gottmenschen, sondern in Rücksicht auf ihre Verführung und Einbildung zunächst
als den Messias und lasse zugleich zu Erwerb und Arbeit sie zu, damit sie die
Lehre und das Leben der Christen recht kennen lernten: so möchten ihrer etliche
herbeikommen (Unsre Ausg. Bd. 11, 315, 14ff. 25ff.; 336, 14ff.). Dann aber
folgt wieder der Umschwung. Die nächste Judenschrift “Wider die Sabbather” ist
eine Absage an die Juden, schärfer fast, als die erste gewesen ist; das 1500
jährige Exil brandmarke die Juden als von Gott Verworfene — dieser Gedanke, aus
Lyras Beweisführung entlehnt, der seitdem durch die Judenschriften sich
hindurchzieht und auch in unsrer Schrift immerfort widerklingt, wird hier
zuerst schriftstellerisch von Luther verwandt —; da aber solches Elend sie
nicht demütige, so möge man mit gutem Gewissen an ihnen verzweifeln (Unsre
Ausg. Bd. 50, 313, 12ff.; 336, 2ff.). Und nun verstärkt sich der Sturmwind, der
die Gedanken an Judenbekehrung hinweggeweht, zum Orkan: das Schärfste, das
Luther gegen die Juden geschrieben, ist die Schrift “Von den Juden und ihren
Lügen”. Dieselben Beschuldigungen, gegen die er sie 1523 in Schutz genommen,
die er damals “Lügenteidinge” genannt (Unsre Ausg. Bd. 11, 336, 24 s.), macht
er hier sich zu eigen; und er ruft auf, ihre Synagogen zu verbrennen, ihre
Häuser zu zerstören, ihre Bücher ihnen zu nehmen, ihren Rabbinen das Lehren zu
verbieten, Geleit und Straße für sie zu sperren, den Wucher ihnen zu
untersagen, die jungen starken Juden und Jüdinnen zur Handarbeit zu zwingen und
am besten sie aus dem Lande zu jagen (Unsre Ausg. Bd. 53, 417ff.). Die beiden
letzten Schriften gleichen dem verwehenden Sturm: in “Schem Hamphoras” (Unsre
Ausg. Bd. 53, 579ff.) bricht er noch einige Male gewaltig los, in unsrer
Schrift erhebt er sich nur noch zu einigen kräftigen Stößen — wie wir oben
gezeigt, nicht, weil Luthers Anschauung sich wieder geändert hätte; sie bleibt
bis ans Ende dieselbe wie in “Von den Juden”. Aber diese Schrift war in ihrer
Heftigkeit nicht mehr zu überbieten; “Schem Hamphoras” und unsre Schrift sind
zu ihr nur Ergänzungen: erstere will die Juden vor allem geschichtlich, unsre
Schrift will sie exegetisch widerlegen. Die “Vermahnung” von 1546 zieht unter
alles den kräftigen, unversöhnlichen Schlußstrich.
Wie erklären
wir uns Luthers zweimalige Wandlung? Seine anfängliche Stellung ist rein
biblisch-dogmatisch; Hoc concludo, cum per omnes prophetas praedictum sit
Iudaeos Deum et regem suum Christum maledicturos et blasphematuros,
[Seite 24]
et qui hoc
non legit vel intelligit, fateor eum nondum vidisse theologiam, schreibt er
1514 an Spalatin (a. a. O.). Biblisch-dogmatisch bestimmt ist auch seine erste
Sinnesänderung: die christliche Wahrheit muß die Kraft in sich tragen, die
Juden zu besiegen, aber die Wahrheit muß ihnen auch wirklich gebracht werden;
bisher war sie verschüttet, jetzt leuchtet sie hervor und wird ihre Kraft entfalten;
sein Bewußtsein als Reformator macht Luther zugleich freudig zur Judenmission
(Lewin, S. 20ff.); persönliche Erfahrungen, sein Erlebnis in Worms, die
Bekanntschaft mit dem übergetretenen Juden Bernhard, mögen ihn dabei
mitbestimmt, und die allgemeine Zeitstimmung mag ihn dabei beeinflußt haben:
schon 1521 tritt Eberlin von Günzburg für Duldsamkeit gegenüber Mißgläubigen
ein, evangelische Flugschriften verbreiten ähnliche Gedanken; die Schrift “Daß
Jesus Christus ein geborener Jude sei” findet lebhaften Widerhall, der wohl
nicht allein aus der Autorität Luthers sich erklärt: der Kunitzer Pfarrer
Michael Kramer, Kaspar Güttel, Urb. Rhegius lassen sich durch sie anregen, auch
für die Juden eine Lanze zu brechen; auf dem Reichstage zu Augsburg erlangen die
Juden einige Erleichterungen (Kolde, Luther 2, 531).
Die
abermalige Wendung zur Judenfeindschaft hat aber in praktischen Erfahrungen
ihren ersten Grund. Sie fällt zusammen mit der Judenausweisung durch den
Kurfürsten von Sachsen im August 1536. Es ist an sich gleichgültig, ob Luther
bei dem Edikt des Kurfürsten seine Hand im Spiel gehabt hatte, oder nicht;
jedenfalls hatte er von den Gründen, die seinen Landesherrn bestimmt haben,
erfahren; auch ist es für unsre Frage einerlei, ob die Beschuldigungen, die man
gegen die Juden vorgebracht, auf Wahrheit beruhten; Luther hat sie für Wahrheit
gehalten, und das Wohlwollen, das er für die Juden gewonnen hatte, hat durch
sie einen Stoß bekommen. Die Antwort an Josel von Rosheim (Enders 11, 240ff.;
Erl. Ausg. 55, 186ff.), der für seine bedrängten Volksgenossen bei dem
Kurfürsten eintreten will, zeigt zum erstenmal Luthers abermals geänderten
Sinn; im Keime enthält sie schon alles, was dann Luthers fernere Judenschriften
ausführen: hier wieder der Vorwurf der Verstockung, hier die erste Spur der
1500 Jahre Exil, hier die Jahrwochen Daniels, hier auch schon der finstere Haß
gegen die jüdischen Rabbinen, gegen ihre Bücher und ihre Schriftauslegung;
grundlegend aber ist für Luthers ablehnende Haltung, daß die Juden Luthers
Dienst schändlich mißbraucht haben und solche Dinge vornehmen, die den Christen
von ihnen nicht zu leiden sind; damit haben sie alle Förderung, die Luther
sonst bei Fürsten und Herren hätte auswirken können, zunichte gemacht; wollte
er jetzt ihnen beistehen, so würden sie durch solche Gunst in ihrem Jrrtum
gestärkt und ärger werden.
Dogmatische
Gründe haben dann aber Luthers Feindschaft vertieft und befestigt. Die jüdische
Auslegung des Alten Testaments, in der er nicht nur Verblendung, sondern Bosheit
und Lüge sah, in der das göttliche Gericht über das Volk sich ihm vollendete,
hat seine Feindschaft gegen das Volk zeitweise zu wildem Zorn und fanatischer
Wut gesteigert. Jhm, der Christus und seine Herrlichkeit an hundert Zeichen im
alten Bunde bestätigt fand, war es das Ärgste, wenn jemand diese Herrlichkeit
aus bösem Willen und wider besseres Wissen, wie ihm gewiß war, leugnete und
bestritt. Für seine Glaubensexegese — um sie einmal so zu nennen — ist unsre
aus dem Judenstreit geborene Schrift ein besonders charakteristisches Beispiel,
und darin liegt ihr Reiz und ihre Bedeutung (vgl. noch Köstlin-Kawerau, M.
Luther 2, 590f.).
F. Cohrs.
[Seite 25]
Ausgaben:
A “Von den
Letz-||ten Worten || Dauids. || D. Mart. Luther. || Wittemberg. || M D XLIII.
||” Mit Titeleinfassung (J. Luther, Die Titeleinfassungen der Reformationszeit:
Tafel 31). Titelrückseite leer. 84 unbezifferte Blätter in Quart (= Bogen A
–X), letzte Seite (= Blatt X 4b) leer. Am Ende (Blatt X 4a Z. 20): “Gedruckt zu
Wittem-||berg durch Nickel || Schirlentz. || M. D. XLIII. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 7651, 7651bis, 7651a – 7651d), Dresden, Göttingen, Greifswald U.,
Hamburg, Heidelberg, Königsberg U. München H. u. U. (Luth. 8, 1 u. 2), Nürnberg
GM., Rostock U., Stuttgart (Luth. 31 u. 32), Wernigerode, Wittenberg,
Wolfenbüttel; Zürich; London.
Bemerkung: Bei Berechnung der Höhe der
Auflage ist augenscheinlich etwas kopflos verfahren.
Die Bogen C –M und P –S sind von
vornherein in zu geringer Auflage abgezogen und mußten daher zur Auffüllung neu
gesetzt werden. Die übrigen Bogen A B, N O, T V X waren in größerer Anzahl
gedruckt, doch auch Bogen A erforderte noch im letzten Augenblick einen Neusatz
in geringer Auflage (s. u.).
Eine nicht unerhebliche Anzahl der
erhaltenen Exemplare weist durchweg den ersten Satz auf (AI), so: Berlin Luth.
7651, 7651b, 7651c; Greifswald U.; München Staatsbibl. Th. U. 103, XXXIV, 4 und
Polem. 2506o, 3; München U. Luth. 8, 2; Nürnberg GM. 3466; Stuttgart Luth. 31.
Die Bogen C –M und P –S mit zweifachem
Satz sind in keinem der erhaltenen Exemplare durchweg in dem zweiten Satz
enthalten, sondern es findet sich unter ihnen stets der eine oder andere Bogen
von ihnen im ersten Satz. (AII kann daher nur konstruiert werden.)
Das Fehlen einiger weniger, zur
Zusammenstellung der Exemplare des ganzen Buches notwendiger Abzüge des Bogens
A stellte sich offenbar erst im letzten Augenblick heraus, so daß er nur für
diesen kleinen Rest in aller Eile neu gesetzt und, unkorrigiert und mit vielen
Druckfehlern belastet, zur Auffüllung von AII verwendet wurde (AIII). Der
Neusatz dieses Bogens blieb dann gleich stehen und wurde nach Ausmerzung der
meisten, aber nicht aller, Druckfehler für die neue Auflage B verwendet.
Unterscheidungslesarten
der Bogen C –M und P –S für AI zu AII:
Bogen C:
Blatt C 1a Z. 7 “HERRN, ||” neben
“HERREN, ||”
Blatt C 2a Z. 1 “thue ||
ren” neben “thue-||ren”
Bogen D:
Blatt D 1a Z. 8 “eingefurt” neben
“eingefuert”
Blatt D 1b Z. 1
“grundet” neben “gruendet”
Bogen E:
Blatt E 1a Z. 5 “durfften” neben
“duerfften”
Blatt E 2a Z. 8 “spricht
Jsaie” neben “spricht, Jsaie”
Bogen F:
Blatt F 1a Z. 1 “geist” neben “Geist”
Blatt F 1b Z. 1 “Augen” neben “augen”
Bogen G:
Blatt G 1a Z. 14 “Sons, ||” neben
“Sons ||”
Blatt G 1b Z. 4 v. u.
“schueler” neben “schuler”
Bogen H:
Blatt H 1a Z. 2 “aber, ist” neben “aber ist”
Blatt H 1b Z. 1 “rhumet” neben rhuemet”
Bogen J:
Blatt J 1a Z 4 “Creatur” neben
“Ceatur”
Blatt J 2a Z. 6
“mussens” neben “muessens”
Bogen K:
Blatt K 1a Z. 2 “Artikel” neben
“Artickel”
Blatt K 1b Z. 3 “geist.
||” neben “Geist. ||”
Bogen L:
Blatt L 1a Z. 15 “offen-||bart”
neben “offen-||bard”
Blatt L 1b Z. 3
“do-||ctrina” neben “do||ctrina”
Bogen M:
Blatt M 1a Z. 6 v. u. “kurtzlich”
neben “kuertzlich”
Blatt M 1b Z. 6 v. u. “||
vnd” neben “|| Vnd”
[Seite 26]
Bogen P:
Blatt P 1a Z. 14 “sunde” neben
“suende”
Blatt P 1b Z. 6
“naturlicher” neben “natuerlicher”
Bogen Q:
Blatt Q 1a Z. 4 “|| mutigt” neben
“|| muetigt”
Blatt Q 1b Z. 18
“jderman” neben “jederman”
Bogen R:
Blatt R 1a Z. 14 “al-||le” neben
“al||le”
Blatt R 1b Z. 8 v. u.
“Jhe-||sus” neben “Jhe||sus”
Bogen S:
Blatt S 1a Z. 7 “Bettet” neben
“Betet”
Blatt S 1b Z. 1 “hat,
||” neben “hat ||”
Unterscheidungslesarten
im Bogen A für AI AII zu AIII:
Blatt A 2a Z.
3 “Hieronymus” neben “Hieronimus”
Blatt A 2b Z.
8 “mussen” neben “muessen”
Druckfehler
im zweiten Satz des Bogens A (AIII):
Blatt A 2a Z.
6 “anffs” (statt “auffs”), Z. 13 “|| bnchstaben” (statt “buchstaben”), Z. 1 v.
u. “mau” (statt “man”), A 2b Z. 21 “Tastament” (statt “Testament”), A 3a Z. 9 “wos”
(statt “was”), A 3b Z. 4 “Tenffel” (statt “Teuffel”), Z. 8 v. u. “weissagnng”
(statt “weissagung”), Z. 1 v. u. “|| vder” (statt “vber”), A 4a Z. 4 “Musicns”
(statt “Musicus”).
B “Von den
Letz-||ten Worten || Dauids. || D. Mart. Luther. || Wittemberg. M D XLIII. ||”
Mit Titeleinfassung (= J. Luther, Titeleinfassungen: Tafel 31). Titelrückseite
leer. 86 unbezifferte Blätter in Quart (= Bogen A –Y), letzte Seite (= Blatt Y
2b) leer. Am Ende (Blatt Y 2a Z. 1): “Gedruckt zu Wit-||temberg durch || Nickel
Schir-|| lentz. || M. D. XLIII. ||”
Der Satz ist von A verschieden. Nur hat B
den Satz des Bogen A 2 (AIII) mit einem Teil von A gemeinsam, doch sind die
meisten Druckfehler von A2 verbessert. Als Lesarten zur Unterscheidung sind zu
beachten:
Blatt A 2a Z. 6 “auffs”, Z. 13 “||
buchstaben”, Z. 1 v. u. “man”, A 3a Z. 9 “was” A 3b Z. 4 “Teuffel”, Z. 1 v. u.
“|| vber”, A 4a Z. 4 “Musicus” usw. Stehengeblieben sind z. B. die Druckfehler
Blatt A 2b Z. 21 “Tastament”, A 3b Z. 8 v. u. “weissagnng”.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 7652, 7652ter), Dresden, Hamburg, München H. u. U., Rostock, Stuttgart,
Wittenberg, Wolfenbüttel; London. — Erl. Ausg. 37, 1 Nr. 1 u. 2.
Lateinische
Übersetzung:
Die
lateinische Übersetzung unsrer Schrift durch Kaspar Cruciger erschien zuerst im
Jahre 1549 in der lateinischen Ausgabe Wittenberg Bd. III (s. unter
“Gesamtausgaben”), in einer Sonderausgabe erst im Jahre 1550:
“DE
NOVIS-||SIMIS VERBIS || DAVIDIS || COMMENTATIO PIA ET || SANCTA, MARTINI LVTHERI
|| THEOLOGIAE DOCTORIS, || GERMANICE EXPLI-||CATA AB AV-||TORE, || ET IN
LATINVM || SERMONEM CONVERSA, || STVDIO ET DILIGENTIA || CASPARIS CRVCIGERI ||
D. THEOLOGIAE. || Nunc primum seorsim edita, || LIPSIAE || IN OFFICINA
VALEN-||TINI PAPAE. || ANNO || M̄. D̄. L̄.
|| CAL. MAII. ||” 12 unbezifferte Blätter und 286 Seiten in Oktav (= Bogen A u.
ß u. B –T).
[Seite 27]
Jn den
Gesamtausgaben: (deutsch): Wittenberg 5 (1552), 536a –566a; Jena 8 (1558), 149b
–186a; Altenburg 8, 304 –341; Leipzig 4, 302 –340; Walch1 3, 2780 –2911; Walch2
3, 1880 –1973; Erlangen 37, 1 –104. — (lateinisch): Wittenberg III (1549), 91b
–130b.
J. Luther.
Wir geben den
Text nach AI. Die Abweichungen von AII finden sich natürlich, da in keinem
Exemplar alle Bogen des zweiten Satzes vereinigt sind, nicht alle in dem
gleichen Bande, sie sind von uns aus verschiedenen Exemplaren zusammengesucht,
und können entweder nur nach den betreffenden Bogen C2 D2 usw. zitiert werden,
oder man muß mit einer künstlichen Einheit AII hantieren, die alle Bogen
zweiten Satzes zusammenfaßt.1 Die unkorrigierte Ausgabe des Bogens A2, wie sie
in den Exemplaren AIII erscheint, wird als A2 angeführt, die korrigierte als
Teil von B, eben als B.
Für die
kritische Ausgabe sind AII, AIII, B so gut wie wertlos. Wo sie von AI
abweichen, sind entweder offenkundige Druckfehler verbessert, oder neue
eingeführt. Feyler von A1 oder A2 sind oft nicht bemerkt worden. So ist die
Schrift in einer Form verbreitet worden, die ihrer Bedeutung durchaus nicht
entspricht. Luther hat offenbar keine Zeit gefunden, den Druck oder Neudruck zu
überwachen.
Jn der
sprachlichen Form sind wohl einige Fortschritte in AII zu bemerken, B dagegen
schwankt je nach der Vorlage — oft auch gegen sie — unsicher hin und her.
Als Beispiele
für die Änderung der Formen von AI nach AII seien angeführt:
[1] u > ue
sprueche, verkuendigt, Jueden, gruendet, duerfften, natuerlich, muendlich,
Fuerst, Suenden, fuerchten, uberdruessig, fuellen, geschuetzt, kuertzlich,
rueren, schueler, gefuert, gerhuemet, muessen, demuetigt; ∞ unnutze >
unnůtze.
o > oe
Goettheit, groessest, koelpel, koennen, soendern.
[2] t > tt
capittel, häufiger aber ∞ Goetlich, Got, hats, Gebot, etwas, betet; Endte
> Ente.
[3] boden
> bodem; vergenglich > vergancklich; Ah > Ach.
[4] entfangen
> empfangen, -igkeit > -ickeit.
Von A nach B
sind neue Besserungen selten zu beobachten; vgl. etwa ue in der duenckel.
† O. Brenner.
[Seite 28]
[1] [Bl. A
ij] Von den letzten worten Davids.
1543
[Vorbemerkung:
Die gespertt gedruckten Abschnitte sind im Original mit größeren Typen gesetzt.
Nach diesen Abschnitten beginnt der fernere Text häufig wieder mit größerer
Initiale, wie das immer angedeutet ist.]
[2] Sanct
Hieronymus schreibet, Es habe jn bewegt, die Biblia [3] aus dem Ebreischen
auffs new zu Dolmetzschen jns Latin, das [4] die feinde Christi, die Juden, uns
Christen verspotten, als [5] hetten wir nicht die rechte Biblia, welche dazumal
im brauch [6] durch die gantze Christenheit gieng, weil es an etlichen worten
[7] und buchstaben mangelte, die viel anders im Ebreischen stuenden1, Welchs
zuvor [8] auch andere mehr bewegt hat, als Aquila, Theodotion, Orgines &c..
bis [9] das man zu der zeit bey2 Sechserley Dolmetzschung hatte, welche sie
Hexapla3 [10] nenneten. Also ist jtzt zu unser zeit auch so viel
Dolmetzschens4, das mit der [11] zeit villeicht (wie dazumal geschach) so viel
Biblien komen werden, so mancher [12] kluegel5 in der Ebreischen sprachen
meister sein wird, das da kein ende sein [13] wird.
[14] Und das
mus auch zu letzt geschehen, wenn man sich daran keren wil, [15] was die Juden
von unser Bibel sagen oder urteilen, welche unternander selbs, [16] nicht
eines, die Bibel also zu denen6 und zu reissen7 mit jrer Grammatica, [17] das
man freilich8 (wo man jnen solt folgen) nimer mehr zur eintrechtigen [18] Bibel
komen kan, weil ein jglicher Rabi besser denn der ander sein wil. Auch [19] sie
allesampt bekennen mussen, das sie an manchen orten die wort nicht verstehen,
[20] viel weniger eintrechtiglich on allen mangel eine reine gewisse Ebreische
[21] Bibel haben, auch der Grammatica nach zu reden, schweige der Theologia,
[22] darinnen sie doch zu gar nichts sind.9
[Seite 29]
[ 15 Arrianus
... Pelagianus AIII (B)]
[1] Darumb
ficht mich solch der Juden gespotte nichts an, und umb jres [2] urteilens
willen wolt ich nicht einen Buchstaben kennen lernen in der Ebreischen [3]
sprache. Ursache ist die, Wir Christen haben den synn und verstand der Biblia,
[4] weil wir das Newe Testament, das ist Jhesum Christum haben, welcher im [5]
alten Testament verheissen und hernach komen, mit sich das liecht und verstand
[6] [Joh. 5, 46] der schrifft bracht hat, wie er spricht Joh. 5.: ‘Mose hat von
mir geschrieben, [7] [Luk. 21, 22] Wo jr Mose gleubtet, so wuerdet jr mir auch
gleuben’. Jtem Luce 21.: ‘Es [8] mus erfullet werden, was im Gesetze, Propheten
und Psalmen von mir geschrieben [9] [Luk. 24, 27] ist’. Und offenet jnen den
synn, das sie kundten die schrifft verstehen.
[10] [Bl. A
iij] Denn da steckts, da ligts, da bleibts1. Wer diesen man, der da [11] heisst
Jhesus Christus, Gottes son, den wir Christen predigen, nicht recht und [12]
rein hat, noch haben wil, der lasse die Bibel zu frieden2, das rate ich, Er
[13] stoesst sich3 gewislich, und wird, je mehr er studirt, je blinder und
toller, Er [14] sey Jude, Tatter4, Turcke, Christen, oder wie er sich rhuemen
wil. Sihe an, [15] was hat bey uns Christen den Ketzern Arrianis, Manicheis,
Pelagianis und [16] unzeligen mehr gefeilet? Was hat dem Bapst gefeilet? Haben
sie nicht die [17] gewissen, hellen, gewaltigen wort des Newen Testaments
gehabt? Was feilet [18] unsern Rotten zu dieser zeit? Haben sie nicht das Newe
Testament klar und [19] gewis gnug? Solt man einem jglichen solchem tollen
Teuffels kopff5 nach das [20] Newe Testament verdeudschen, wie viel musten wir
wol Newe Testament haben?
[21] Wenns nu
solt wundschens und wehlens gelten6, Entweder, das ich [22] S. Augustini und
der lieben Veter, das ist der Apostel verstand in der schrifft [23] solt haben,
mit dem mangel, das S. Augustinus zu weilen nicht die rechte [24] buchstaben
oder wort im Ebreischen hat, wie die Juden spotten, oder solt der [25] Juden
gewisse buchstaben und wort (die sie dennoch7 nicht durch und durch [26]
allenthalben haben) on S. Augustin und der Veter verstand, das ist mit [27] der
Juden verstandt haben, Jst gut zu rechen8, wo zu9 ich wehlen wuerde, [28] ich
liesse die Jueden mit jrem verstand und buchstaben zum Teueffel faren [29] und
fuere mit S. Augustin verstand10 on jre buchstaben zum Himel. Denn [30] ob Augustinus
nicht kan, wie die Jueden, sagen Kikaion, da er cucurbita [31] [Jon. 4, 6ff.]
saget, Jone 3. Jtem nicht kan sagen: ‘venient Hemdath’, da er ‘veniet
Desideratus’ [32] [Hagg. 2, 7] sagt, Hagga. 2.11 und dergleichen viel, so
bricht damit sein glaube [33] [Joh. 14, 6] nicht den Hals, noch Bein, weil er
den rechten man kennet, der da heisst ‘Weg, [34] Warheit und Leben’, Von
welchem die Propheten weissagen und zeugen, wie gesagt.
[Seite 30]
[1] Widerumb
die Juden, weil sie diesen Christum nicht annemen, koennen [2] sie nicht
wissen, noch verstehen, was Moses, die Propheten und Psalmen sagen, [3] was
rechter glaube ist, was die Zehen gebot wollen, was die Exempel1 und [4] [Jes.
29, 12] Historien leren und geben2, sondern die schrifft mus jnen sein (nach
Jsaias 29. [5] weissagung) wie ein brieff, dem, der nicht lesen kan. Welcher
sihet die buchstaben [6] seer wol, weis aber nicht, was sie geben, wie das
Deudsch sprichwort3 [7] sagt: Ein weis feld, darin ist schwartze saat, Manch
man fuer uber gahet4, [8] der nicht weis, was da stat. Wer aber des lesens
leufftig und fertig5 ist, [9] der leufft uber hin, fasset den synn, ungeacht,
ob er et-[Bl. A 4] liche buchstaben [10] oder wort nicht eigentlich6 ansihet,
Ehe der ander ein wort buchstabet, hat er [11] den gantzen brieff ausgelesen.
Also ein Musicus hat ein lied ausgesungen, [12] ehe der ander sucht und findet,
obs ein Sol oder Fa im clave sey.7
[13] Man sehe
den feinen man Lyra an, der ein guter Ebreist und trewer [14] Christ, wie
machet er so gut erbeit, wo er sich wider den Judisschen verstand [15] legt8,
nach dem Newen Testament. Aber wo er seinem Rabi Salomo9 sonst [16] folget, wie
kalt und faul gehets jm abe10, das es weder hende noch fuesse11 [17] hat, ob er
wol die wort und buchstaben gewis hat. Noch12 ist er ja besser [18] und reiner,
denn sie alle, beide alte und newe Ebreisten, die zu gar seer13 [19] den
Rabinen folgen. Furwar man darff den vleis nicht furnemen14 mit [20]
Dolmetzschen und Glosiern, wie man der Rabinen und Grammatisten verstand [21]
unter uns Christen bringe. Er klebt on das, von jm selber, allzu gern an, [22]
wie pech und leym, wenn man sich gleich wil fuersetzlich da fuer hueeten. Denn
[23] die buchstaben und exempel15 der andern blenden die augen, das man den
[24] synn Christi zu weilen faren lesst, da es nicht sein solt, damit der
Judische [25] verstand also unversehens herein schleicht, wie allen
Dolmetzschern geschehen ist, [26] keinen ausgenomen, mich auch nicht.
[27] Summa,
wenn wir unsern vleis nicht dahin keren, das die Ebreische [28] Biblia, wo es
jmer sich leiden wil16, zum verstand des Newen Testaments [29] zihen17, wider
den verstand der Rabinen, So were es besser bey der alten [30] Dolmetzschung
blieben (die doch das beste und meiste heraus hat, durch das [31] Newe
Testament), denn das man so viel Dolmetzschung haben sol (umb etlicher [32]
wenig oerter willen, die anderst oder noch unverdolmetzscht sein sollen) die
dem
[Seite 31]
[1] leser die
memorien jrre macht und sein studium hindert und ungewisser, denn [2] vorhin,
machet. Darumb hab ich zum Exempel fur mich genomen1 die letzten [3] wort David
auszulegen, nicht wie sie verdeudscht sind, da ich den andern [4] allen
gefolget habe, damit ich nicht allein klug were. Jtzt wil ich eigensinnig [5]
sein und niemand folgen, denn meinem geist, Wem es nicht gefellet, der lasse es
[6] faren. Es ist nicht das erst mal, das ich schreibe, was andern nicht
gefellet, bins [7] (Gott lob) wol gewonet. Denn ich widerumb mir auch nicht
alles lasse gefallen, [8] [1. Kor. 3, 12f.] was ander schreiben, Ein jglicher
sehe zu, wie er auff den grund bawe gold oder [9] holtz, sylber oder hew,
edelsteine oder stro. Des HErrn tag wirds offenbaren.
[10] [2. Sam.
23, 1] [Bl. B 1] ‘Dis sind die Letzten Wort David’.
[11] Solche
letzte Wort meinet er, darauff er sterben und hinfaren wil, wie [12] man
spricht: Da bey ichs lassen und ewig bleiben wil. Denn es sind [13] nicht
seines lebens oder regiments letzte wort. Sondern sein Testament, und [14] das
wir Deudschen heissen seel recht2, darauff einer sterben wil, das es nach [15]
seinem tode also geschehen und bleiben sol. Ultima Voluntas heissts bey den
[16] Juristen, da kan einer lange zeit nach leben, viel reden, thun und leiden,
[17] bleibt gleich wol sein Testament und letzster wille jmer fest, Also sind
dis [18] auch Davids letzste wort, das ist, seiner seelen testament, ob er
darnach wol [19] [2. Sam. 24, 1ff.] viel geredt, gethan und gelidden hat, wie
im text folget, als er das Volck [20] [1. Kön. 1, 30] zelen lies und darumb
gestrafft ward, seinen Son zum Koenige einsetzet, den [21] [1. Chron. 22, 1ff.]
Tempel auff dem berge Morija zu bawen befalh, auch noch eine Junge Metze [22]
[1. Kön. 1, 1ff.] Sunamiten zur ehe nam, die jn wermen solte, weil der andern
Weiber keine [23] [2. Sam. 16, 21f.] mehr zu jm thursten3, nach dem sie von
Absalom geschendet waren &c..
[24] [2. Sam.
23, 1] ‘Es sprach David, der Son Jsai.’
[25] Wje
demuetiglich fehet er an, Rhuemet nicht seine beschneittung noch heiligkeit,
[26] auch nicht sein Koenigreich, Sondern schlecht4: ‘Der son Jsai’, [27]
schemet sich nicht seines geringen geschlechts, das er ein schaff hirte gewest
ist. [28] Ja das viel mehr ist, er bekennet seine geburt, da er vol sunden und
des tods [29] werd, her komen ist, wie alle menschen, denn er wil von andern
sachen reden, [30] die so hoch sind, da kein adel noch heiligkeit nutze zu ist,
und keine elende, [31] weder sunde noch tod, schaden sol.
[32] [2. Sam
23, 1] ‘Es sprach der Man der versichert ist, von dem Messia des Gottes [33]
Jacob, Lieblich mit Psalmen Jsrael’.
[34] Da feret
er heraus5 und rhumet sich uber alle masse hoch, doch mit warheit, [35] on
allen hohmut. Hie ist David ein ander man denn Jsai Son. [36] Das hat er nicht
von seiner geburt geerbet, noch von seinem Vater gelernet,
[Seite 32]
[1] noch
durch sein Koenigliche gewalt [Bl. B ij] oder weisheit erlanget. Von oben [2]
herab ists jm gegeben on allen seinen verdienst, des ist er froelich, lobet und
[3] dancket so hertzlich. Was ists denn, das er rhumet? Erstlich ists, (spricht
er) [4] das ich der Man bin, dem Gott verheissen hat den Messia des Gottes
Jacob, [5] das der selbe von mir, von meinem blut, stam und hause komen wird,
Des [6] bin ich sicher und gewis. Nicht allein daher, das mirs Gott zugesagt
hat, [7] der in seinen worten gewis und fest ist, und mir gewislich nicht
liegen wird. [8] Sondern auch ich dasselb festiglich gleube, sicher und
unbeweglich drauff stehe, [9] als der ich in solchem glauben nicht feilen1 kan,
und mich troestlich2 verlasse [10] auff Gottes wort mit aller zuversicht.
Darumb ich froelich bin, wil gern [11] leben und sterben, wie und wenn Gott
wil. Jch weis, wo ich oder meine [12] seele bleiben wird, und wo ich sie lasse.
Sie sol mir nicht in der jrre oder [13] in zweivel schweben, noch ubel von hinnen
faren, Jch habe gewisse zusage [14] Gottes von seinem Messia, so habe ich auch
des einen festen gewissen glauben.
[15] Das wort
Ebreisch: ‘Hukam’ 3 ist nicht wol zu geben mit einem wort, [16] ‘Constitutum
est’4, sagt S. Hieron⌈ymus5, ist nahe gnug dabey,
Stabilitus, [17] certificatus, firmatus, gefestiget, wolt ich gern sagen. Aber
ich bin newen [18] woertern gram, so lauts auch hie nicht wol: Gefestigt vom
Messia &c.. Jch [19] halte die Epistel Ebre. 11. sehe6 hie her auff das
wort ‘Hukam’, da sie spricht: [20] [Hebr. 11, 1] fides est substantia, graece:
hypostasis, welchs wir verdeudscht haben: ‘Der [21] glaube ist eine gewisse
zuversicht’.7 Anderst kan mans einem deudschen nicht [22] sagen, so ers
verstehen sol. Denn der glaube ist und sol auch sein Ein standfest8 [23] des
hertzen, der nicht wancket, wackelt, bebet, zappelt, noch zweivelt, sondern
[24] fest stehet und seiner sachen gewis ist. Desselben worts gleichen hat man
[25] [Jes. 40, 8] auch in dem spruch Jsaie 40.: ‘Gottes wort bleibt ewiglich’.
Bleibt, das ist: [26] Es hellt fest, ist gewis, weicht nicht, zuckt nicht,
sinckt nicht, fellet nicht, lesst [27] nicht feilen.9 Wo nu dieses wort jns
hertz kompt mit rechtem glauben, da [28] machts das hertz jm gleich, auch fest,
gewis und sicher, das es so steiff, auffrecht [29] und hart wird, wider alle
anfechtung, Teuffel, tod, und wie es heissen [30] mag, das es troetzlich und
hohmuetiglich alles verachtet und spottet, was zweiveln, [31] zagen, boese und
zornig sein wil. Denn es weis, das jm Gottes wort nicht [32] liegen kan. Solchs
ist ein Hukam, stabilitus, substantiatus, constantius, stantificatus, [33]
hypostaticus, certus passive sicut verbum Domini certum active, Wie [34] [2.
Tim. 1, 12; 2. Petr. 1, 10] Paulus 2. Timo. j.: ‘Jch weis und bins ge-[Bl. B
iij]wis’ &c.. 2. Petri j. ‘Machet [35] ewern beruff gewis’.
[36] Also ist
David ein Hukam, ders gewis hat in der verheissung, und gleubts [37] dazu auch
fest, das Messia, den Gott dem Patriarchen Jacob verheissen hat
[Seite 33]
[1] [1. Mose
49, 10] (Gen 49.: ‘Es sol der scepter von Juda nicht weg komen, bis das der
Silo [2] kompt’) gewislich von seinem blut komen solt, Und ist hie mit die
verheissung [3] vom Messia, Jacob geschehen, in David vernewet und klerer
gegeben (wie folgen [4] wird), das man nu hinfurt den stam Juda zu beiden
seitten gehen lesst und [5] allein auffs Davids haus sehen mus. Als aus
welchem, und keinem andern [6] hause im stam Juda, Messia komen mus auffs aller
gewissest. Doch ob wol [7] die zwey stueck, Verheissung und Glaube, bey
einander sein mussen, Denn wo [8] nicht verheissung ist, da kan kein glaube
sein. Und wo nicht glaube ist, da [9] wird die verheissung zu nicht. Der glaube
aber nicht alle zeit gleich feste, [10] sondern zu weilen angefochten und
schwach wird, Die verheissung aber, als [11] das ewige Gottes wort, jmer fur
und fur gleich fest und gewis bleibt. Darumb [12] heisst David fur nemlich
daher Hukam, gefestiget, das er die feste verheissung [13] hat, ob er gleich
die selbigen on glauben nicht halten oder fassen kan, Er mus [14] auch da sein,
da ist vom ersten gesagt.
[15] [2. Sam.
23, 1] Zum andern rhuemet er sich: ‘Lieblich mit Psalmen Jsrael’. Das [16] ist:
Er hat diese gewisse verheissung vom Messia, nicht bey sich, oder allein [17]
fur sich, behalten. Denn der glaub ruget und feiret nicht, Er feret heraus1,
[18] redet und prediget von solcher verheissung und gnade Gottes, das ander
Leute [19] auch dazu komen, und der teilhafftig werden, Ja fur grosser freude
fehet [20] er an, tichtet schoene susse Psalmen, singet liebliche lustige
Lieder, damit zu [21] gleich Gotte froelich zu loben und zu dancken, Und auch
die menschen nuetzlich [22] zu reitzen und zu leren. Also rhuemet hie David
auch, das er habe viel schoener, [23] suesser, lieblicher Psalmen von dem verheissen
Messia gemacht, die man zu lob [24] Gott, in Jsrael singen solt, und auch
gesungen hat, Darinnen zu gleich auch [25] treffliche weissagung und hoher
verstand2 dem volck Jsrael gepredigt und gegeben [26] ist. Und da solch tichten
der Psalmen David anfieng, und in schwanck3 [27] bracht, wurden dadurch viel
andere erleucht und zu Propheten erweckt, die auch [28] [Ps. 42; 44ff.; 50;
73ff.; 88] da zu holffen, und schoene Psalmen machten, als die kinder Korah,
Heman, [29] Assaph &c..
[30] Denn er
meinet nicht allein die lieblikeit und sussigkeit der Psalmen, nach [31] der
[Bl. B 4] Grammatica und Musica, da die wort zierlich und kuenstlich gestellet
[32] sind, und der gesang oder dohn suesse und lieblich lautet, das da heisst,
[33] Schoener text und Schoene noten. Sondern viel mehr nach der Theologia,
nach [34] dem geistlichen verstand, Da sind die Psalmen recht lieblich und
suesse, Denn [35] sie troestlich allen betrubten, elenden gewissen sind, die in
der sunden angst, [36] und todes marter und furcht, und allerley not und jamer
stecken. Solchen [37] hertzen ist der Psalter, weil er den Messia singet und
predigt, ein suesser, troestlicher, [38] lieblicher gesang, wenn man gleich die
blossen wort, on noten daher [39] lieset oder saget. Doch hilfft die Musica,
oder noten, als ein wunderliche
[Seite 34]
[1] Creatur
und gabe Gottes seer wol dazu, sonderlich wo der hauffe mit singet, [2] [2.
Kön. 3, 15] und fein ernstlich zu gehet. Denn so lesen wir vom Propheten Eliseo
4. Re. 3., [3] das er durch das Psalterspiel (da man freilich Psalmen auff
gespielet hat, [4] nach der ordenung Davids) den Geist der weissagung in sich
erwecket, Wie [5] auch David mit seinem Psalter spiel offt den boesen geist
Saul veriaget, oder [6] [1. Sam. 16, 17ff.] doch hindert oder schwechet, lesen
wir j. Re. 16. Denn dem boesen geist ist nicht [7] wol dabey, wo man Gottes
wort im rechten glauben singet oder predigt. Er [8] ist ein geist der
traurigkeit, und kan nicht bleiben, wo ein hertz Geistlich (das [9] ist, in
Gott und seinem wort) froelich ist, Davon auch S. Antonius sagt, das [10]
geistliche freude dem Teuffel wehe thue.1
[11] Er
nennet aber seine Psalmen Jsraels Psalmen, Und wil sie nicht sein [12] eigen2
oder allein den rhum davon haben. Sondern Jsrael sol sie bestettigen, [13] und
fur die seinen urteilen und erkennen. Denn es ligt dran, das der hauffe [14]
Gottes, oder Gottes volck, ein wort oder lied anneme und fur recht erkenne,
[15] weil der geist Gottes in solchem volck sein mus, der in seinem volck wil
und [16] sol geehret sein, Also reden wir Christen von unsern Psalmisten. Sanct
Ambrosius [17] hat viel schoener Hymnos Ecclesie gemacht, heissen Kirchen
gesang, [18] darumb das sie die Kirche angenomen hat und braucht, als hette sie
dieselben [19] gemacht, und weren jre lieder. Daher spricht man nicht, so
singet [20] Ambrosius, Gregorius, Prudentius, Sedulius, Sondern, so singet die
Christliche [21] Kirche. Denn es sind nu der Kirchen gesang, die Ambrosius,
Sedulius, &c.. [22] mit der Kirchen singen, und die Kirche mit jnen, Und
wenn sie sterben, so [23] bleibt die Kirche, die jmer fort jre lieder singet.
Also wil David seine Psalmen [24] Jsraels Psalmen, das ist, der Kirchen Psalmen
heissen, welche den selben geist [25] hat, der sie durch David gemachet hat,
und die selben jmer fort singet, auch [26] nach Davids tod. Er hat gefulet im
Geist, [Bl. C 1] das seine Psalmen fur [27] und fur bleiben wuerden, so lange
Jsrael oder Gottes volck bleiben wuerde, [28] das ist, bis an der welt ende,
wie denn bisher geschehen ist, und geschehen [29] wird. Darumb sollens Jsraels
Psalmen heissen.
[30] [2. Sam.
23, 2] ‘Der Geist des HERRR hat durch mich geredt. Und seine rede [31] ist
durch meine zunge geschehen.’
[32] Hje wil
David mir zu wuenderlich werden, und zu hoch faren. Gott gebe, [33] das ichs
doch ein wenig erlangen muege. Denn er fehet hie an von der [34] hohen heiligen
Dreifaltigkeit, Gottliches wesens zu reden. Erstlich nennet er [35] den
Heiligen Geist, dem gibt3 er alles, was die Propheten weissagen. Und [36] [2.
Petri 1, 21] auff diesen, und der gleichen spruech, sihet S. Petrus 2. Pet. j.:
‘Es ist noch [37] nie keine weissagung aus menschlichem willen erfurbracht.
Sondern die heiligen [38] Menschen Gottes haben geredt aus eingebunge des
Heiligen Geistes.’ Da her
[Seite 35]
[1] singet
man in dem artickel des Glaubens von dem Heiligen Geist also1 ‘Der [2] durch
die Propheten geredet hat’, Also gibt man nu dem Heiligen Geist die [3] gantze
Heilige schrifft und das eusserliche wort und Sacrament, so unser eusserliche
[4] ohren und synne ruren2 oder bewegen. Denn auch unser HErr Christus [5]
selbs seine wort dem heiligen Geist gibt, da er spricht Luce 4. aus Jsaie 61.:
[6] [Luk. 4, 18; Jes. 61, 1] ‘Der Geist des HErrn ist auff mir, darumb hat er
mich gesalbet &c..’ Und [7] [Matth. 12, 18; Jes. 42, 1f.] Matt. 12. aus
Jsaia 41.: ‘Sihe, das ist mein knecht, den ich erwelet habe. [8] [Luk. 1, 35]
Jch wil meinen Geist auff jn legen’. Und Luce. j. der Heilige geist
uberschattet [9] Mariam, ruret sie, nimpt jr blut und macht sie schwanger, das
der [10] HERR heisst “empfangen vom Heiligen Geist”.
[11] Welch
ein herrlicher hohmuetiger hohmut ist das, wer sich rhuemen thar, [12] das der
Geist des HErrn durch jn redet, und seine zunge des Heiligen geists [13] wort
rede. Der mus freilich3 seiner sachen seer gewis sein. Das wird nicht [14] sein
David, Jsai son, in sunden geborn, sondern der zum Propheten durch [15] Gottes
verheissung erweckt ist. Solt der nicht liebliche Psalmen machen, der [16]
[Joh. 14, 24] solchen meister hat, der jn leret und durch jn redet? Hoere nu,
wer ohren hat [17] zu hoeren: Meine rede sind nicht meine rede, Sondern, wer
mich hoeret, der [18] [Luk. 10, 16] hoeret Gott, Wer mich verachtet, der
verachtet Gott. Denn ich sehe, das meiner [19] nach komen viel werden meine wort
nicht hoeren [Bl. C ij] zu jrem grossem [20] schaden. Solchen rhum thueren wir
noch4 niemand fueren, der nicht ein Prophet [21] ist. Das muegen wir thun, so
fern wir auch heilig, und den Heiligen geist [22] haben, das wir Catechumeni
und schuler der Propheten uns rhuemen, als die [23] wir nach sagen und
predigen, was wir von den Propheten und Aposteln gehort [24] und gelernet, und
auch gewis sind, das es die Propheten geleret haben. [25] Das heissen in dem
alten Testament, Der Propheten kinder, die nichts eigens [26] noch newes
setzen, wie die Propheten thun, sondern leren, das sie von den [27] Propheten
haben. Und sind Jsrael, wie David sagt, dem er die Psalmen macht.
[28] [2. Sam.
23, 3] ‘Es hat der Gott Jsrael zu mir gesprochen, Der Hort Jsrael [29] hat
geredt, Der gerechte Herrscher unter den menschen, Der [30] Herrscher in der
furcht Gottes.’
[31] Nu haben
wir drey redener. Droben saget David, Der Geist des HErrn [32] habe durch seine
zunge geredt, Damit ist die Person des Heiligen geistes [33] uns Christen
klerlich angezeigt. Was Turcken, Jueden und andere Gottlosen [34] gleuben,
achten wir nichts, So haben wir gehoeret, das dem Heiligen geist zu [35]
geeigent wird in der Schrifft und in unserm Glauben die eusserliche wirckung,
[36] da er durch die Propheten, Aposteln und Kirchen diener mit uns leiblich
redet, [37] teuffet und regiret. Darumb sind diese wort Davids auch des
Heiligen geistes, [38] die er durch seine zunge redet, von zween andern
redenern. Was redet er denn
[Seite 36]
[1] von denselben?
Er redet erstlich von dem Gotte Jsrael, der zu David gesprochen, [2] das ist,
jm verheissen habe. Wer nu Gott dieser Sprecher sey, wissen [3] wir Christen
aus dem Euangelio Johannis, Nemlich ists der Vater, der im [4] [1. Mose 1, 3]
anfang sprach, Gen. j.: ‘Es werde liecht’. Und sein wort ist die person des [5]
[Joh. 1, 3] Sons, durch welch wort alles gemacht ist, Joh. j. Den selben Son
nennet der [6] Geist durch David hie ZUR1, den Hort Jsrael, und gerechten
herrscher unter [7] den Menschen. Der redet auch, das ist, der Heilige geist
fueret den Hort Jsrael [8] ein, das er auch rede. Also reden alle drey
Personen, und ist doch ein redener, [9] Ein verheisser, Eine verheissung, wie
es ein einiger Gott ist.
[10] Gleich
aber, wie dem Heiligen Geist zu geeigent wird die eusserliche wirckung [11]
Gottes an den Menschen. Also ists des Sons [Bl. C iij] eigenschafft, das er
[12] Mensch worden, Ein Herr und richter uber alle Menschen, und uber alle [13]
[Ps. 8, 5 –7] Creatur gesetzt sey, wie Psal. 8 singet: ‘Was ist der Mensch, das
du sein gedenckest, [14] und des Menschen Son, das du jn heimsuchest. Du hast
jn ein kleine [15] zeit Gottes mangeln lassen, Aber, Mit ehren und schmuck
hastu jn gekroenet. [16] Du hast jn zum Herren gesetzt uber deiner hende werck,
Alles hastu unter [17] seine fuesse gethan.’ Noch sinds nicht dreierley
Herrschafft oder drey Herrscher, [18] sondern, Ein Herrscher und eine
Herrschafft, die der Vater dem Son, ia dem [19] Menschen und Menschen kind,
gegeben hat, on zweivel nicht also, das er sich [20] selbs und den Heiligen
geist davon ausgeschlossen habe. Dennoch ists und [21] heissts des Menschen
herrschafft, die jm Gott gibt. Darumb mus der selb [22] Mensch, der hie
Herrscher heist, rechter Gott sein, weil er Gottes reich besitzt, [23] und also
Gotte gleich in der einigen Herrschafft ist.
[24] Denn
Gott lesst und gibt keinem andern seine ehre oder sein eigen reich, [25] [5.
Mose 5, 7] wie er spricht: ‘Du solt kein ander Goetter haben fur mir’, Und
Jsaie 42.: [26] [Jes. 42, 8] ‘Jch wil meine ehre keinem andern geben, noch
meinen rhum den Goetzen’. Nu [27] er aber diesem Menschen, und des Menschen
son, seine ehre und reich gibt, [28] nemlich alles, was gemacht ist, jm
unterwirfft, wie ers selber unter sich hat, [29] So mus der selb Mensch kein
ander Gott noch Goetze sein, sondern, Der rechte [30] natuerlicher Gott, mit
dem Vater und Heiligen geist. Hie von, so wir zeit [31] und gnade haben, wollen
wir hernach der gleichen mehr sprueche, sonderlich im [32] Psalter, handeln.2
Jtzt lasst uns diese wort David zuvor aberbeiten3, Darinnen [33] er fein
bekennet die zween hoechsten artickel, das in Gott drey unterschiedliche [34]
Personen seien. Und die eine, der Son, Mensch werden solt, und [35] das reich
und ehre von dem Vater uber alles empfahen. Und der Heilige geist [36] solchs
in der Menschen hertz durch den glauben schreiben, ders zuvor auch verkundigt
[37] hat, durch den leiblichen mund und zungen der Propheten. Welchs [38] auch
nichts denn eitel rechte Goettlicher maiestet werck sind, Denn es ist nicht
[39] Menschen noch Engel werck, solchs zuvor verheissen, und hernach den
glauben in [40] [Eph. 2, 8] der Menschen hertz schaffen. Es ist Gottes gabe
(spricht S. Paulus) solcher [41] glaube, den der Heilige geist wirckt und gibt.
[Seite 37]
[1] Es ist
auch nicht eines jedern1, in der schrifft und Psalter, die Goettliche [2] drey
Personen unterschiedlich2 also zu mercken und zu lesen; Denn wo ein [3]
fleischlicher verstand uber diese wort kompt, der lieset sie nacheinander
daher, [4] [2. Sam. 23, 2f.] wie sie da stehen. ‘Der geist des Herrn [Bl. C 4]
hat durch mich geredt, Der [5] Gott Jsrael hat zu mir gesprochen, Der hort
Jsrael hat geredt, der gerechte [6] Herrscher unter den Menschen &c..’ Und
denckt nicht anders3, es sey alles von [7] Gott als von einer Person geredt,
mit vielen ubrigen4 worten. Oder fellt in [8] die Judissche blindheit5, da sie
David zu solchem gerechten Herrscher, und [9] Herrscher in der furcht Gottes
machen, Und die verheissung in gebot und gesetze [10] verkeren, das wer uber
Menschen wil herrschen, der solle gerecht und [11] Gottfuerchtig sein. So doch
David so andechtig6 und hertzlich rhuemet, Es seien [12] wort der verheissung
von dem Messia des Gottes Jacob, und nicht gebot uber [13] die weltliche Herrn.
[14] Eben
also wuerde es auch jm gehen im andern Psalm, da auch die drey [15] Personen
unterschiedlich, als dreierley redener reden. Gott der Vater spricht: [16] [Ps.
2, 6] ‘Jch hab meinen Koenig eingesetzt auff meinen heiligen berg’. Dieser
Koenig [17] ist gewislich ein ander Person, von dem, der jn zum Koenige setzt.
Nu folget [18] [Ps. 2, 7] flugs drauff: ‘Jch wil Predigen von der Weise’, das
laut, als sey es noch der [19] Vater, und so wuerde es lesen die vernunfft, So
es doch der Koenig, der Son [20] [Ps. 2, 7] ist, wie folget: ‘Der Herr hat zu
mir gesagt, Du bist mein son, heute hab [21] ich dich gezeuget’. Das derselbige
sey ein Mensch, ist gewis, denn er sol [22] [Ps. 2, 2] Predigen und Messia
sein, wie er sagt im andern vers: ‘Sie toben wider den [23] HErrn und seinen
Messia’. Das er aber Gott sey, beweiset, das der Vater [24] [Ps. 2, 7] sagt:
‘Du bist mein son, heute hab ich dich gezeuget’. Wie wir Christen das [25] wol
wissen. Jtem das er jm gibt den gantzen erdboden zu eigen, mit Heiden [26] und
was drinnen ist, welches eben so viel ist, als Gottes eigen reich.
[27] [Ps. 2,
12] Jtem er befilhet, sie sollen den son kuessen oder anbeten, jm dienen mit
[28] furcht. Und schleusst, das selig sind alle, die jm vertrawen, Welchs
allein [29] Gotte zu gehoeret. Ob sie jm nicht alle gehorchen, nach dem
Euangelio, bricht [30] seiner Herrschafft uber alle Creaturen nichts abe. Wer
nicht unter jm sein [31] wil mit gnaden, der mus unter jm sein mit ungnaden.
Wer nicht mit jm [32] regirn wil, der mus (wie seine feinde) seiner fuesse
schemel sein, Er ist richter [33] uber lebendige und todten, Meinstu, ob der
Tuercke, Bapst, Juden und der [34] gantze boese hauffe der welt und Teuffel,
seiner gnaden nicht wollen, sondern [35] da wider toben, Sie werden drumb
seiner gewalt entgehen? Das werden sie [36] wol erfaren. Denn Gott spottet jr
im Himel, und wird in seinem zorn mit [37] jnen reden. Summa, Er ist Herr und
bleibt Herr, So weit Gott selbs Herr [38] ist, denn er hat jm die Herrschafft
uber alles gegeben, [Bl. D 1] Die gewalt ist
[Seite 38]
[ 38 ein] in
A2]
[1] gewis,
und bleibt wol. Wehe dem, der sie mit gnaden nicht annimpt, der [2] wird sie
finden mit zorn ewiglich.
[3] So haben
wir nu hie abermal zwo unterschiedliche Person, den Vater [4] und den Son, So
ist der Heilige geist on das da, der solchen Psalmen, vom [5] Vater und Son mit
jren worten eingefurt, gemacht und geredt hat. Also ist [6] die
unterschiedliche dreyfaltigkeit der Personen, in einem unzertrenlichem
Goettlichen [7] wesen, und das der Son Mensch und Messia sey, bekennet, gleich
wie [8] es in den letzten worten David bekand ist. Ein fleischlich hertz leufft
uber [9] hin, oder denckt, David hab es als ein from man gemacht, von sich
selbs oder [10] andern, wie die blinden Juden thun. Aber David wils nicht
leiden, das man [11] solt jm die wort zu schreiben. Es sind lustige1, liebliche
Psalmen Jsrael [12] (spricht er) Aber ich habe sie nicht gemacht, Sondern der
geist des Herrn hat [13] durch mich geredt. Und wie kundte auch fleisch und
blut, Vernunfft und [14] Menschliche weisheit, von solchen hohen
unbegreiflichen sachen reden? Es ist [15] eitel narrheit und ergernis fur jr.
[16] Zu
bestettigen aber diese meinung Davids, das er also, wie gesagt, gegleubt, [17]
und darauff gestorben ist, wollen wir die wort fuer uns nemen, darauff [18] er
sich grundet, und aus welchen er solche liebliche Psalmen gemacht hat, Die [19]
stehen 2. Reg. 7. j. Paralip. 17. und lauten also:
[20] [2. Sam.
7, 11 –16; 1. Chron. 17, 10 –14] ‘Und der HERR verkundigt dir, Das der HERR dir
wil ein Haus [21] bawen, Und wenn deine tage aus sind, das du hin gehest zu
deinen [22] Vetern, Wil ich deinen samen nach dir erwecken, der deiner Soene
[23] einer sein sol. Dem wil ich sein Koenigreich bestettigen, Der sol [24] mir
ein Haus bawen, Und ich wil seinen stuel bestettigen ewiglich. [25] Jch wil
sein Vater sein, Und er sol mein Son sein. Und ich wil [26] meine
barmhertzigkeit ni-[Bl. D ij]cht von jm wenden, Wie ich sie [27] von dem gewand
habe, der vor dir war. Sondern ich wil jn setzen [28] in mein Haus und in mein
Koenigreich ewiglich, Das sein stuel [29] bestendig sey ewiglich.’
[30] Das erst
stueck, da er sagt: ‘Der HErr verkundigt dir, das der HErr dir [31] wil ein
Haus bawen’, ist klerlich vom Hause Davids gesagt, das seine [32] Kinder sollen
den scepter Juda besitzen, bis auff Messia, wie davon gnug gesagt [33] ist in
jenem Buechlin von den Juden.2 Und hie finden wir aber mal die drey [34]
Personen in Gott. Erstlich des Heiligen geists, der durch den Propheten [35]
Nathan redet, wie wir droben gehoert, das die Heilige schrifft, durch den [36]
[2. Sam. 23, 2] Heiligen geist gesprochen ist, nach dem spruch David: ‘Der
geist des HErrn [37] hat durch mich geredt.’ Eben also redet er durch alle
Propheten. Weiter [38] fueret der Heilige geist ein die Person des Vaters in
seiner rede, da er spricht:
[Seite 39]
[1] [2. Sam.
7, 11] ‘Der HErr verkuendigt dir’, Und flugs drauff, die Person des Sons, da er
[2] spricht, ‘das dir der HErr ein Haus bawen wil’. Und ist doch ein Einiger
[3] Gott und HErr, der da redet durch Natan, und David verkundigt und sein [4]
Haus bawet, alle drey ein redener, ein Verkuendiger, ein Bawherr. Ob solch [5]
unterscheid der Personen nicht jedermans vernunfft sihet in der schrifft, Da
[6] ligt nicht an. Jch weis wol, wie sie hie und der gleichen oerter mehr
glosieren, [7] die nase weisen, so den Heiligen geist meistern.
[8] Aber wo
du in der schrifft findest, das Gott von Gott, als werens zwo [9] Personen,
redet. Da magstu kuenlich auff gruenden, das daselbs drey Personen [10] in der
Gottheit angezeigt werden. Als hie an diesem ort, spricht der HErr, [11] [1.
Mose 19, 24] das der HErr wil David ein Haus bawen. Jtem Gen. 19.: ‘Der HErr
lies [12] regenen vom HErrn, feur und schwefel &c..’ Denn der Heilige geist
ist kein [13] narr noch truncken bold, der ein tuettel1, schweige ein wort solt
vergeblich [14] reden. Regenet nu der HErr (das ist der son) vom HErrn (das ist
vom Vater) [15] feur und schwefel, So ist zu gleich da der Heilige geist, der
solchs durch [16] Abraham, oder wers gewest ist, von den zweien HErrn redet.
Dennoch sind [17] sie alle drey ein HErr, ein Gott, der feur und schwefel
regenet. Solcher [18] Exempel wollen wir her nach mehr hoeren.
[19] [2. Sam.
7, 12] [Bl. D iij] Das ander stueck, da er sagt: ‘Wenn deine tage aus sind, das
[20] du hingehest zu deinen Vetern, wil ich deinen samen nach dir erwecken
&c..’ [21] Hie gehet der rechte text an von Messia. Denn solchs kan von
Salomo nicht [22] gesagt sein, viel weniger von einem andern son David, Es mus der
rechte [23] [2. Sam. 7, 13] einige son Davids sein, Messia, der nach dem Zepter
Juda komen solt. ‘Der [24] sol mir ein Haus bawen (spricht er) und ich wil sein
Koenigreich bestettigen [25] ewiglich.’ Dies Haus kan nicht sein der Tempel
Salomonis, Denn hart davor [26] [2. Sam. 7, 5f.] spricht er: ‘Du solt mir nicht
ein Haus bawen zur wonung. Hab ich [27] doch in keinem Hause gewonet sint der
zeit ich die Kinder Jsrael aus Egypten [28] [1. Kön. 8, 27] gefueret habe’. Und
Salomo selbs 3. Reg. 8.: ‘Meinstu, das Gott auff erden [29] wonen muege? Sihe,
der Himel und aller himel himel muegen dich nicht begreiffen2, [30] wie solts
denn thun dis Haus, das ich gebawet habe?’ Aber noch [31] [Jes. 66, 1]
gewaltiger sagt solchs Jsaie 66.: ‘So spricht der HERR, der Himel ist mein [32]
stueel, und die erde mein fusbanck. Was ists denn fuer ein Haus, das jr mir
[33] bawen wolt? oder welchs ist die stet, da ich rugen sol?’
[34] Hie
verwirfft Gott mit ausgedruckten3 worten der Jueden tolle andacht4, [35] die
sich des Tempels hoch rhuemeten, als baweten sie Gott ein Haus, und [36]
thetten Gott da mit grossen dienst5, wurden darueber stoltze halstarrige
Prophetenmoerder, [37] So doch Gott hie bekennet, Er wolle den Tempel nicht an
sehen, [38] [Jes. 66, 2] Sondern einen demuetigen betruebten geist, der sich
fuer seinem wort fuerchtet.
[Seite 40]
[ 20 zu (1.)]
zur A2 B]
[1] Ja der
sol sein tempel und ruge sein, Verwirfft auch daselbs alle opffer und [2] [Jes.
66, 3] Gottes diensts des Tempels, da er spricht: ‘Wer einen Ochsen schlacht,
ist [3] eben als der einen man erschluege. Wer ein schaff opffert, ist als der
einem [4] Hunde den hals bricht. Wer speise opffer bringet, ist als der Sew
blut opffert. [5] Wer des weirauchs gedenckt, ist als der unrecht, das ist
Goetzen dienst lobet’, [6] Denn Got hatte den Tempel nicht darumb lassen bawen,
das sie sein wort [7] stoltziglich solten verachten, Und dafur viel opfferns
treiben, damit sich selbs [8] zu Heiligen. Sondern, das sein Name, nicht er
selbs da wonen solt (wie die [9] Schrifft allenthalben sagt) das ist, Sie
solten daselbs sein Wort hoeren und jn [10] anruffen, dadurch er geehret
wuerde. So wolten sie den rhum und die ehre [11] davon haben, das sie solchen
Tempel hetten, und schlugen die Propheten umb [12] Gottes worts willen zu tod.
[13] Darumb
mus dis Haus Gottes, So Messia David und Gottes Son [14] bawen sol, viel ein
anders, groessers und herrlicher Haus sein. Denn rechen1 [15] du selbs, Sol
Gott in die-[Bl. D 4] sem Hause wonen, So mus es viel groesser [16] und
herrlicher sein, weder2 himel und erden, weil er so gros ist, das der [17]
Himel sein stuel, dar auff er sitzt, und die Erde sein fusbanck ist. Was wil
[18] hie noch raum her gehoeren, da sein Heubt, Brust und Arm wonen muegen?
[19] das es wol gesagt ist. Was wolt jr mir fuer ein Haus von Stein und Holtz
[20] bawen zu wonung, so mir Himel und Erden viel viel zu enge ist? Von diesem
[21] Hause leret uns nu die heilige Schrifft, sonderlich das Newe Testament,
und [22] heisst die heilige Christliche Kirche, so weit die Welt ist. Nicht
allein das, [23] sondern auch ein ewig Haus ist, das ewiglich bleibt und lebt,
da Gott ewiglich [24] jnnen wonet, regieret und Haus hellt. Das wil ein Heuslin
und Tempelin [25] werden.
[26] Nu lasst
uns den Zimerman oder Bawmeister dieses Hauses ansehen, Er [27] sol ein Mensch
und Davids Son sein, wie der text, da stehet: ‘Einer aus deinen [28] Soenen’,
Und sol doch ein Haus Gottes bawen, das besser und herrlicher sey, denn [29]
Himel und Erden, dazu ewiglich bestehe. Wo wil er die kunst und macht her [30]
nemen? Das kan nicht, weder Menschen noch Engel kunst oder macht sein, [31]
Denn Engel koennen nicht Himel noch Erden schaffen, ia nicht die geringste [32]
Creatur, viel weniger der Mensch. Darumb mus dieses Hauses Zimerman [33]
rechter warhafftiger Gott sein, der die rechte macht Goettlicher natur habe, Zu
[34] schaffen Himel und Erden und noch viel bessers, das ist, Er mus ein
allmechtiger [35] [2. Sam. 7, 14] Gott sein, Und ist doch nicht die Person, die
von jm sagt: ‘Jch wil sein [36] Vater, Und er sol mein Son sein, und Er sol mir
ein Haus bawen’. Hie [37] sind die Person, gewaltiglich und klerlich
unterschieden, als Vater und Son, [38] Und als Bawmeister und haus Herr. Noch
koennens nicht zween Goetter sein, [39] oder der Son ein ander und frembder
Gott sein.3 Denn das erste Gebot leidets
[Seite 41]
[ 27 Hansherr
A1]
[1] [2. Mose
20, 3] nicht, da es sagt: ‘Du solt nicht ander Goetter neben mir haben’. Und
Deutero. [2] [5. Mose 6, 4] 6.: ‘Hoere, Jsrael, der HErr unser Gott ist ein
einiger HERR oder Gott’.
[3] So haben
wir droben gehoeret, Wo die Schrifft von den zwo Personen [4] des Vaters und
Sons redet, da ist der Heilige Geist, die dritte Person, auch [5] bey, der
solchs durch die Propheten redet, Das also an diesem ort einem gleubigen [6]
Hertzen gar grundlich und gewaltig beweiset und bezeuget ist, Das Gott, [7] der
allmechtige Schepffer Himels und der Erden, ist gewislich ein einiger [8]
rechter Gott, und ausser jm kein ander Gott sein kan, und doch drey
unterschiedliche [9] Person, der Vater, Son und Heiliger Geist ist, Also, das
allein [10] [Bl. E 1] der Son sey Mensch und Davids Son wurden. Und ist on
zweivel [11] dem volck Jsrael darumb so hart geboten, das sie ia nicht mehr
denn einen [12] Gott solten anbeten, auff das sie sich nicht ergern durfften,
wenn Messia keme, [13] und fuer Gott gepredigt und gegleubt wuerde, gerade als
wolte er wider Mosen, [14] mehr denn einen, oder frembden Gott leren, Sondern
die ohren und hertz still [15] halten, sich leren lassen, wie das erste Gebot
von einem Gott recht und gruendlich [16] zuverstehen were.
[17] [1.
Chron. 17, 14] Folget: ‘Und ich wil jn setzen in mein Haus und in mein [18]
Koenigreich ewiglich’.
[19] Was ist
das? Hie lasst uns hoeren, Das Haus sol ewig sein und bleiben, [20] wie droben
auch gesagt ist, Darumb mus der Meister auch ewig und [21] ein ewige Goettliche
macht haben, Hie spricht er weiter zu David, das Haus, [22] das mir Mein und
dein Son bawen sol, da sol er auch selbs Hausherr jnnen [23] sein, so wol als
ich. Er sol mir gleich sein in einerley Hause. Jch wil jn [24] hinein setzen,
das ers sol haben gleich wie ich selbs. Nu haben wir gehoert, [25] das dis Haus
Gottes groesser, besser und herrlicher sey, denn Himel und Erden. [26] Jst nu
Davids Son Messia, Meister und Hausherr dieses Hauses, so ist er [27] gewislich
auch Meister und Hausherr Himels und der Erden, und viel mehr [28] und besser.
Denn wer dieses Hauses Herr ist, wie Gott selbs, der ist freilich [29] viel
mehr, auch Herr Himels und der Erden, wie Gott selbs, Das kan aber [30] niemand
sein, denn allein der einige Gott, schepffer Himels und der Erden. [31] Daraus
folget, das Messia, Davids naturlicher Son, mus rechter warhafftiger [32] Gott
und kein frembder Gott sein, Denn, wie gesagt, Gott lesst keinen frembden [33]
Gott in seinem eigen Hause Herr sein. Er mus und wil seine ehre und gewalt [34]
selbs haben, und keinem andern lassen, Solchs solt ja deudlich gnug so [35]
viel heissen, das Messia, Davids Son, sey ein HERR und Koenig in Gottes eigen
[36] reich oder Gotte gleich, Denn gewis ists, das Gott da selbs vom Messia
redet.
[37] Wil aber
jemand Judentzen1 und diese wort: ‘Mein Haus, Mein Reich’, [38] deuten auff den
Tempel zu Jerusalem2, und auff das volck Jsrael, der mags
[Seite 42]
[1] on mich
fur sich selbs thun, Denn ich seer wol weis, das Gott den Tempel [2] [Jes. 56,
7] sein Haus heisst, Jsaie 56.: ‘Mein Haus ist ein Bethaus’, wie Christus
solchs [3] [Matth. 21, 13; Luk. 19, 46] einfuret Matth. 21. Luce 19. &c..
Und Jsrael sein Koenigreich heisst Exo. 19.: [4] [2. Mose 19, 6] ‘Jhr solt mein
Priesterlich Koenigreich sein’. (Es stehet aber [Bl. E ij] da bey: [5] [2. Mose
19, 5] ‘so jr meiner Stim gehorchet und meinen Bund haltet’) Auch weis ich, das
[6] [Hes. 18, 4] Gott Ezech. 18. spricht: ‘Des Vaters Seele ist mein, so wol
als des Sons [7] Seele’, Ja ich weis, das der Wein, den ich trincke, und das
Brod, das ich [8] esse, heisst auch sein Brot und Wein. Und was ist im Himel
und Erden, das [9] [Jes. 66, 1f.] nicht sein ist? wie er spricht Jsaie 66.: ‘Der
Himel ist mein Stuel, die Erde [10] mein Fusbanck, Was wolt jr mir fur ein Haus
bawen? Hat nicht meine [11] Hand das alles gemacht, und ist alles bereit1 da?’
Das ist, hette ich nicht [12] zuvor Himel und Erden geschaffen, Wo woltet jr
Kalck, Stein, Holtz, Eisen, [13] und was zum Baw gehoeret, nemen? ists nicht
zuvor alles mein? Wo habt [14] jrs her? Was habt jr dran geerbeitet? Ja Wer und
wes seid jr selber? [15] Bin ich nicht ewer Schepffer? Also bekennet auch David
in seinem schoenen [16] lobespruch, Da er von dem Vorrat zum Tempel zu Bawen
sagt .j. Paralip. 29.: [17] [1. Chron. 29, 14] ‘Es ist alles dein, HERR, Und
wir Opffern dir, was wir von deinen Henden [18] empfangen haben’.
[19] [Ps. 50,
10ff.] Eben also redet er auch vom Opffer dieses Tempels, Psal. 50.: ‘Was wolt
[20] jr mir Opffern? Meinstu, ich muesse Rindfleisch fressen und bocksblut
trincken? [21] Wo her hastu deine Opffer, Rind, Schaff, Ziegen? Jsts nicht
zuvor alles [22] mein? Wes sind alle die Rinder, Schafe, und alles, was an der
weide gehet, [23] auff dem gantzen Erdboden? Hab ich sie nicht geschaffen, on
alle dein zuthun? [24] Wo woltestu sie nemen mir zum Opffer, wenn ichs nicht
dir zuvor gegeben [25] hette?’ Das ist so viel gesagt: Deiner Opffer darff ich
nicht, und solt nicht [26] dencken, das du mir damit dienest, als must ich sie
haben und kundte jr nicht [27] emperen, Sondern das ist die meinung, das du
solt erkennen, und bekennen, [28] durch solch Opffer, wie du alles von mir
hast, was du bist und hast, und [29] also mich deinen Gott und Schepffer,
ehren, loben und preisen. Ja umb der [30] ursache willen, hab ichs eine zeit
lang, Meine Opffer lassen nennen. Wo die [31] ursache aus ist, das ist das
Opffer nichts mehr.
[32] Gleich
wie ich den Tempel habe mein Haus genennet, nicht das ich darinne [33] wonen
mueste oder duerffte sein, das jr daran mir einen dienst thettet. Sondern [34]
umb ewrn willen, heisse ichs mein Haus, das jr drinnen Beten, mich [35] Loben
und anruffen solt, Denn es sol nicht mein Wohnhaus, sondern ewer [36] Bethhaus
sein. Ja ein Bethhaus sols heissen. Nu darffs noch kans umb [37] meinen willen
kein Bethhaus heissen. Denn ich habe niemand anzubeten noch [38] anzuruffen,
als ein Gott, der ich niemands bedarff. Wo man nu meines [39] Hauses anders,
denn als eines Beth [Bl. E iij] hauses brauchet, So ists eine [40]
Moerdergruben und nicht mein Haus, wie denn die thun, so da meinen, sie
[Seite 43]
[1] thun mir
grossen dienst mit dem werck, das sie mir ein Haus bawen, wollen [2] des
gerhumet sein, und die ehre selbs haben von solchem werck und gebew, als [3]
verdieneten sie damit grosse gnade bey mir. Da mus denn solch Haus zu [4]
grund, zu nicht und zerstoeret werden, als die allerschendlichst Moerdergruben,
[5] die nicht mehr Mein Haus, sondern des Teuffels eigen Helle ist.
[6] Wer nu
solchem verstand nach wil diese wort: ‘Mein Haus, Mein Reich’ [7] (wie gesagt)
vom Tempel und Volck Jsrael an diesem ort verstehen, der mus [8] forder1 auch
das auff sich nemen, das er beweise mit gutem starckem grunde, [9] wie der Tempel
zu Jerusalem und das volck Jsrael im lande Canaan noch [10] jtzt und bis daher,
sint der zeit Davids, jmer fur und fur blieben sey, weil [11] der Text hie
klerlich ausspricht, Davids Haus solle ewiglich bleiben, Und Davids [12] Son
Messia solle ewiglich in Gottes Hause und Reich sitzen, Wir Christen [13]
muessen bekennen, das wir solches nicht koennen beweisen, als die wir wissen,
[14] das Gottes Haus der Tempel zu Jerusalem bey 1500 jar in der asschen ligt2,
[15] Davids Haus und Koenigreich, und das volck Jsrael, auch bey 1500 jaren
nichts [16] gewest, noch regiment oder Reich im lande Canaan gehabt hat.3 Und
mussen [17] bey unserm vorigen verstand4 bleiben, das die wort: ‘Mein Haus’ und
‘Mein [18] Reich’ musse heissen das Ewige reich Gottes, da er ewiglich jnne
wonen wolle [19] und regieren, Welches sein und Davids Son Messia bawen solte,
durch seine [20] Allmechtige Goettliche macht und weisheit.
[21] Des5
lasst uns David selbs hoeren, wie er diese wort verstanden hat. So [22] [1.
Chron. 17, 15f.] stehet j. Paralip. 17.: ‘Da Nathan alle diese wort (wie droben
angezeigt) mit [23] David geredt hatte,
[24] Kam der
Koenig David und satzt sich fur dem HERrn und sprach: [25] Was bin ich, HERR
Gott? Und was ist mein Haus, das du mich [26] bis daher bringest?’
[27] Hje
zeigt David an, das er die Wort wol verstanden hat, da Gott durch [28] [1.
Chron. 17, 13f.] Nathan jm verhies: ‘Jch wil sein Vater sein, und er sol mein
Son sein, [29] Jch wil jn setzen in mein Haus, und in mein Koenigreich
ewiglich’. Darumb [30] spricht er: ‘Was bin ich? Was ist mein Haus, das du mich
bis dahin brin- [31] [Bl. E 4] gest?’ Es ist ia zu hoch und zu herrlich ding,
das du mir verheissest, [32] das mein Haus, Jch mein Son, solle dahin komen,
das er in deinem eigen [33] ewigen Reich, sitzen, Herr und Koenig sein sol.
HERR Gott, wo hin bringestu [34] mich? Er kans fur grossem wundern nicht sagen,
und nennets, Bis dahin, [35] Wohin? Wohin? mein lieber Gott, sol ich (das ist)
mein Fleisch und Blut, [36] dir Gleich sitzen, in deinem ewigen Reich? So wird
mein Fleisch und Blut, [37] Mein Son und dein Son, rechter wahrhafftiger Gott
sein muessen, der dir [38] gleich sitzet. Ah Gott, wo bringestu mich hin?
Folget:
[Seite 44]
[ 28 enigen
A1]
[1] [1.
Chron. 17, 17] ‘Du hast angesehen mich, als in der gestalt eines Menschen, [2]
der in der Hoech Gott der HERR ist.’
[3] Sast alle
ander Ebreisten Dolmetzschen hie viel anders1, Ettliche aber, als [4] Bernhard
Ziegeler2, geben mir kundschafft3, das es kan und solle nach [5] der Grammatica
also verdolmetzscht werden, wie ichs jtzt verdeudscht habe. Hie [6] mit
bekennet nu David klerlich, das sein Son Messia solle gewislich ein rechter [7]
[Phil. 2, 7] Mensch sein, in aller gestalt, weise und masse wie ein ander
Mensch, Philip. 2. [8] Und doch, Uber werds und in der Hoehe, da kein Menschen
weise, Sondern allein [9] Gott ist und Regirt, sol er Gott der HERR sein, Das
ist (sage ich) klerlich die [10] meinung Davids mit durren worten heraus
gesagt. Darumb er droben sagt: [11] Wohin? Wohin? lieber Gott, bringestu mich?
Und hie: Wo fur sihestu doch [12] mich unwirdigen Menschen an? das mein Son sol
in deinem ewigen Reich Koenig [13] sein. Er verstehets wol, das in Gottes
ewigem Reich Koenig sein, niemand [14] gebueren mag, denn der ein rechter Gott ist.
Weil nu der Son Davids Mensch [15] ist, und ein ander Person, denn der Vater,
so jn in sein Koenigreich setzt, und [16] doch nicht koennen zween oder mehr
denn ein Einiger Gott sein. So schleusst [17] hie mit David, Das sein Son
Messia mus rechter natuerlicher Gott sein, und [18] doch kein ander Gott, denn
der Vater. Sondern ein ander Person, in der [19] selbigen einigen
unzertrenneten Gottheit. Und der Heilige geist, der solchs [20] durch Nathan
und David, als rechter Gott, vom Vater und Son, redet, die [21] dritte Person
in der selbigen einigen Gottheit ist.
[22] Das ist
die lere und Glauben des Newen Testaments. Nemlich, das [23] Jhesus Christus
von Nazareth, Davids und der Jungfrawen Marien Son, [24] rechter Mensch sey,
Gottes naturlicher ewiger Son, mit dem [Bl. F 1] Vater [25] und Heiligen geist,
ein Einiger Gott und drey unterscheidliche Personen. Weil [26] nu Davids wort,
an diesem ort, solchen verstand gerne geben, nach aller art [27] Ebreischer
sprachen4, sollen wir Christen keinen andern verstand drinnen suchen [28] noch
achten, sondern diesen den einigen, allein rechten verstand, Alle ander [29]
deutung fur Menschlichen nichtigen dunckel5, halten. Das newe Testament [30]
kan nicht feilen6, Also das Alte Testament auch nicht, wo sichs reimet7, und
[31] dem newen ehnlich8 ist.
[Seite 45]
[ 23 Augen A1
ohren B]
[1]
Moechtestu hie fragen: Geben die wort Davids und Nathan so klerlich [2] den
artickel von der Gottheit Christi, Wie gehets zu, das weder die heiligen [3]
Veter, noch kein ander Lerer, solchs gesehen oder jemals gerueret haben, Und
[4] jr newen Jungen Ebreisten habts nu erst ersehen? Warumb sehens die Rabinen
[5] der Juden nicht? Antwort: Die Ebreische sprach ist nach der Apostel zeit
[6] wenig und ubel bekand gewest. Haben sich die lieben Veter und Lerer am [7]
newen Testament gnuegen lassen, darin sie solchs und alles Reichlich und
uberfluessig [8] haben. Die Propheten aber und Apostel habens wol gesehen, wie
wir [9] hernach hoeren werden. Das aber die Rabinen nicht sehen, Da gehets
gantz [10] recht zu, Denn wer blind ist, der sol nichts Sehen1, wie Jsa. 6. von
jnen [11] [Jes. 6, 9] sagt: ‘Mit sehenden Augen werdet jr Blind sein’, Wer von
denen lernen mus, [12] der wird auch Blind gewislich. Zwar wir selbs wuerdens
auch nicht sehen, [13] wo wir nicht durchs newe Testament erleuchtet, dem Alten
recht unter die [14] augen2 sehen kundten. Denn on das newe Testament ist das
Alte verdeckt [15] [2. Kor. 4, 3; vgl. 3, 14] 2. Corin. 4.
[16] Sihe
unser zeit an, da wir Predigen von der gnade Christi, wider die [17] vermessene
eigen Werck und Heiligkeit, wie viel der sind, die es sehen oder mit [18] ernst
an nemen, Woran feilets? Es wird ja so helle Gepredigt, Geleret, Gelesen, [19]
Geschrieben, Gesungen, Gemalet und auff alle weise getrieben3, das es [20]
schier solt Holtz und Stein verstehen, wenn sie ein wenig vernunfft hetten.
[21] Noch sehens nicht Bapst, Koenige, Fuersten, Bisschove, Gelerten, Herrn,
Adel, [22] Buerger, Baur, Sondern gehen fur uber, mit sehenden Augen blind, mit
[23] hoerenden ohren taub. Denn jr Hertz ist nicht da heime4, und stehet anders
[24] wo hin. Also haben die Propheten zu jrer zeit, von Christo auch klerlich
[25] gnug geweissagt, das er solt Gott und Herr uber alles sein, wie David hie
[26] thut. Aber wenig habens gegleubt oder geacht, die andern sind Blind und
[27] Taub dagegen gewest, haben jrem Hertzen nach gangen, und jrem dunckel5
[28] gefolget. Es heisst [Bl. F ij] Misterium, geheimnis, und bleibt Misterium,
Wers [29] verstehet und mit ernst meinet, der dancke Gott, und kere sich nicht
an den [30] andern grossen hauffen der verechter.
[31] Meinstu
nicht, das Jsaias diesen Text Davids mit vleis gelesen habe, da [32] [Jes. 9,
5f.] er spricht, Cap. 9.: ‘Ein Kind ist uns Geboren, Ein Son ist uns gegeben,
des [33] Herrschafft ist auff seiner Schulder, Und sein Name heisst, Wunderbar,
Rat, [34] Gott, Hellt, Ewig Vater, Friede Fürst, Das seine Herrschafft gros
werde, und [35] des Friedes kein ende, auff dem Stuel Davids und seinem
Koenigreich, das [36] ers zurichte und stercke mit gericht und gerechtigkeit,
von nu an bis in ewigkeit’. [37] Hie nimpt Jsaias dem Nathan das wort aus dem
Munde, da er von Messia [38] weissagt, das er ein Ewiger Koenig und Vater sein
sol, in Gottes Reich, und [39] er nennet jn auch: Gott, denn das wort El6
heisst wol nach den Buchstaben:
[Seite 46]
[ 18/19 als
Cap. fehlt A1]
[1] Krafft,
Aber wenns ein eigen name ist (wie hie) so heissts: Gott durch die [2] gantze
Schrifft, der allein Krafft hat, wie das beide, Juden und Ebreisten bekennen
[3] muessen. So stimmet nu Jsaia mit David und dem newen Testament, [4] Das
Christus sey ein Ewiger Koenig und rechter Gott, Darumb mus sein Reich [5] ein
Goettlichs ewiges Reich sein, auff dem Stuel Davids &c..
[6] Denn er
hat sonderlich das wort (Ewiges Reich) bewogen, Da Gott spricht [7] [1. Chron
17, 14] durch Nathan zu David: ‘Jch wil deinen Son in mein Reich setzen
ewiglich’, [8] und fuelet wol, das solchs geredt ist (wie David spricht) von
einem Menschen, [9] der droben in der hoehe, El, das ist: Gott sein muesse,
Denn Ewiges Reich [10] Gottes besitzen und Koenig drinnen sein kan nicht eines
schlechten Menschen [11] sein, Auch nicht ein Vergenglich, Zeitlich, Jrdisch
Reich sein, welchs ein ende [12] hat, und der Koenig Sterben mus mit seinen
Kindern nach im, Aber hie sol [13] der Son Davids ein ewiger Koenig im ewigen
Reich Gottes sein. Und wie [14] [Jes. 9, 6] Jsaias mit stimmet: ‘des Friedes
kein ende’, und er, der Son Davids, das [15] Kind, so uns Geborn und gegeben
ist, sol ein Ewiger Vater und Friede Fuerst [16] sein, ‘von nu an bis in
ewigkeit’. Darumb mus er Gott oder El sein, der [17] durch seine Goettliche
macht solchen ewigen Frieden geben und erhalten koenne.
[18] Solche
ewigkeit des Reichs Messia zeucht Jsaias an mehr oertern, als [19] [Jes. 51,
4f.] Cap. 51: ‘Merckt auff, mein Volck, hoeret mich, meine Leute. Denn von mir
[20] sol ein gesetz ausgehen, und mein Recht wil ich zum Liecht der Voelcker
stellen. [21] Meine Gerechtigkeit ist nahe und mein Heil ist ausgangen.’ Und
bald [22] [Jes. 51, 6] hernach: ‘Mein heil sol ewig bleiben, und meine
gerech-[Bl. F iij]tigkeit sol [23] kein ende haben’, Dis ist die ewige
Gerechtigkeit, davon auch Daniel sagt 9.: [24] [Dan. 9, 24] ‘Siebentzig Wochen
sind bestimmet, das die Ewige gerechtigkeit kome.’ Und ist [25] Messias, wie es
alle alten Ebrei verstanden haben. Ewige gerechtigkeit aber, [26] und Heil, kan
kein schlechter Mensch noch Engel sein, Sondern mus Gott selber [27] sein, und
doch Davids Son naturlicher Mensch, und ein ander Person, von [28] dem, der von
jm redet, und jn nennet, mein Heil, meine Gerechtigkeit, Die [29] dritte Person
ist der Heilige geist, der solchs redet von den beiden, Also nennet [30] [1.
Kor. 1, 30] jn das newe Testament auch j. Corin. j.: ‘Jhesus Christus ist uns
von Gott [31] worden eine Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erloesung’,
Das reimet sich [32] mit Jsaia und Jsaia mit Paulo.
[33] [Jes.
60, 19f.] Jtem Jsaie 60.: ‘Die Sonne sol dir nicht mehr des Tages scheinen, und
[34] der Glantz des Monden sol dir nicht Leuchten, Sondern der HERR wird dir
[35] ein ewiges Liecht sein, und dein Gott wird deine Herrligkeit sein. Deine
[36] Sonne wird nicht mehr unter gehen, und dein Mond wird nicht mehr den [37]
Schein verlieren, Denn der HERR wird dir ein Ewiges Liecht sein, und die [38]
tage deines Leides sollen ein ende haben.’ Hie stehet klar, das unser Ewiges
[39] Liecht solle der HERR und unser Gott selbs sein, Und redet ein HERR von
[40] dem andern, Ja durchs gantz Capitel redet nicht Jsaias, sondern der HERR,
[Seite 47]
[1] und
spricht alhie: ‘Der HERR wird dein Ewiges Liecht sein’. Wer ist der [2] HERR,
der solches spricht? on zweivel Gott der Vater. Wer ist der HERR, [3] von dem
er spricht: ‘Der HERR wird dein Ewiges Liecht sein?’ On zweivel [4] Gott der
Son Jhesus Christus, Denn hie stehet der grosse name Gottes Jehova, [5] den wir
in unser Biblia mit diesen grossen Buchstaben Schreiben: HERR, [6] zum
unterschied der andern namen, Wer ists denn, der solchs durch die zungen [7]
Jsaia redet? On zweivel, Gott der Heilige Geist, der durch die Propheten [8]
redet, und fueret ein die Person des Vaters redend von dem Ewigen Liecht, das
[9] ist von seinem Son Jhesu von Nasareth, Davids und Marien Son.
[10] Solch
ewig Liecht, Ja solcher HERR, kan auch kein schlechter Engel noch [11] Mensch
sein. Und hierin stimmet Jsaias weissagung mit dem Newen Testament, [12] da
unser HErr Jhesus Christus sich selbs offt ein Liecht nennet, Joh. j.: [13]
[Joh. 1, 4f.] ‘Das Leben war das Liecht der Menschen, Und das Liecht leuchtet
in die [14] Finsternis, Aber die Finsternis begreiffens nicht’. Weil nu solchs
sich mit [15] dem Newen Testament reimet, sol man Jsaias weissagung, froelich
und nicht [16] anders, denn von [Bl. F 4] Jhesu Christo verstehen, der uns
nicht ein Reich [17] unter dieser Sonnen und Mond bereitet hat, das da
vergehet, Sondern wil [18] selber unser ewiges Liecht, Sonne und Mond, Leben
und Heil sein, wie er [19] [Jes. 51, 6] droben sagt 51.: ‘Hebt ewer Augen auff
gen Himel, und sehet herunter auff [20] Erden, Der Himel wird wie ein Rauch
vergehen, Und die Erde wie ein Kleid [21] veralten, Und die drauff wonen,
werden dahin sterben, wie ein Nichts, Aber [22] mein Heil sol ewig bleiben, Und
meine Gerechtigkeit sol kein Ende haben.’
[23] Lieber,
sage mir, kan auch dieser und des gleichen spruechen, neben sich leiden [24]
der Jueden tollen Verstand von jrem Messia, der ein Sterblicher, Weltlicher
[25] Koenig sein sol, zu Jerusalem auff Erden, So Gott hie gegen ander1 hellt,
[26] seinen Messia gegen Himel und Erden, Und spricht: ‘Himel sol wie ein Rauch
[27] [2. Petri 3, 10] (das wird on Feur nicht geschehen 2. Pet. 3.) vergehen,
die Erde wie ein alt [28] Kleid verwesen, die Menschen wie ein Nichts dahin
sterben.’ Aber sein Heil, [29] das nahe ist, (spricht er) seine Gerechtigkeit, die
ausgangen, sol ewig bleiben [30] [Jes. 51, 15] und ein Ewiges Liecht sein,
‘Denn er ist der HERR selbs, und dein Gott’. [31] Hie sihestu, ob Jsaias die
wort Nathan j. Paral. 17. verstanden habe, da er [32] [1. Chron. 17, 13] Gott
einfueret: ‘Jch wil sein Vater sein, Und er sol mein Son sein, Jch wil [33] [1.
Chron. 17, 17] in setzen in mein Koenigreich ewiglich’. Und Davids wort, da er
spricht: ‘Du [34] hast mich angesehen als in der gestalt eines Menschen, der
droben in der hoehe [35] [2. Sam. 7, 19] Gott der HERR ist’, und 2. Reg. 7.:
‘Das ist eine weise eines Menschen, der [36] der HERr HErr ist’, ubi Latinus2
habet: Ista est Lex Adam, Domine Deus, [37] Et nihil significat.
[38] [Dan. 7,
13f.] Lasst uns Daniel auch sehen, der spricht Cap. 7.: ‘Jch sahe im gesicht
des [39] nachts, und sihe, Es kam einer in wolcken des Himels wie eines
Menschen [40] Son, bis zu dem Alten, und ward fuer den selben bracht, der gab
im Gewalt, [41] Ehre und Reich, das jm alle Voelcker, Leute und sprachen dienen
solten. Sein
[Seite 48]
[ 8 wer |
denn B (den fehlt)]
[1] Gewalt
ist Ewig, die nicht vergehet, und sein Koenigreich hat kein ende’. Diesen [2]
spruch koennen und verstehen die Christen wol, doch wollen wir auch sehen, [3]
wie er sich mit dem Newen Testament reimet1, Ein Menschen Kind sihet er [4] in
den Wolcken. On zweivel, das sein Reich nicht Jrdisch, Vergenglich, noch [5]
Zeitlich, sondern Himlisch und Ewig sein sol, wie er spricht: Der Alte, das [6]
ist Gott der Vater, gab im Gewalt uber alles, Und seine Gewalt sol Ewig [7]
sein und kein ende haben, Diese Ewigkeit oder Ewiges Reich, kan keiner
schlechten [8] Creatur, weder Engel noch Menschen gegeben werden, [Bl. G 1]
Denn es ist [9] Goettliche Gewalt und Gottes eigen Gewalt, Was wuerde oder
koendte Gott behalten [10] oder haben, wenn er die Ewige Gewalt und Ewiges
Reich von sich [11] gebe? Nichts uber all behielte er, und woerde selbs zu
nicht, weil ein ander [12] da ist, der die Ewige Gewalt hat. Es kan ia uber und
ausser der Ewigen [13] Gewalt nichts sein. Ewig Gewalt begreiffts alles, und
lesst nichts anders oder [14] groessers uber sich oder ausser sich sein, Es mus
Gott selber sein und nichts anders.
[15] Hie gibt
der text Daniel auf gewaltiglich den Artickel von der Gottheit [16] in drey
Personen, und von der Menscheit des Sons, Denn es mus eine andere [17] Person
sein, die da gibt, und ein andere, die es empfehet. Nemlich, der Vater [18]
gibt die Ewige Gewalt dem Sone, und der Son hat sie vom Vater, Und das [19]
alles von ewigkeit her, Sonst were es nicht eine Ewige Gewalt. So ist der [20]
Heilige Geist da, ders durch Daniel redet, Denn solch hoch heimlich ding [21]
kundte niemand wissen wo es der Heilige Geist nicht durch die Propheten [22]
offenbart, wie droben offt gesagt, das die heilige Schrifft durch den Heiligen
[23] Geist gesprochen ist. Daneben ist der Son gleich wol auch ein Menschen
kind, [24] das ist, ein rechter Mensch und Davids Son, dem solche Ewige Gewalt
gegeben [25] wird, Also sehen wir, wie die Propheten, das wort, Ewig, wol
angesehen und [26] [1. Chron. 17, 14] verstanden haben, da Gott durch Nathan zu
David spricht: ‘Jch wil meinen [27] und deinen Son in mein Ewiges Reich
setzen’.
[28] Hie
stoesset sich nu fraw kluglinne2, die Vernunfft, die zehen mal Weiser [29] ist,
denn Gott selbs, und fragt: Wie kan Gott seine Ewige Gewalt von sich [30] einem
andern geben? Was behielte er selbs? ist doch droben gesagt, das Gott [31]
[Jes. 42, 8] Jsaie 52. spricht: ‘Jch wil meine Ehre keinem andern geben, noch
mein Lob [32] den Goetzen’, Sonderlich einem Menschen kan er sie nicht geben,
der nicht von [33] Ewig her gewest ist, wie Gott, Sondern hie zeitlich
angefangen, geborn und [34] sterblich ist, wie wir Christen von Jhesu, Davids
und Marien Son, bekennen [35] und Predigen. Solcher art hochverstendige Leute
sind auch die Jueden, Mahmet, [36] Tuercken und Tattern, die koennen das
unbegreiffliche wesen Gottes in den [37] Leffel oder Nusschalen jrer Vernunfft
fassen und sagen, Gott habe kein Weib, [38] darumb koenne er keinen Son haben,
Pfu, Pfu, Pfu, dich an3, Teuffel mit
[Seite 49]
[ 3 wie] wo
AB]
[1] Juden und
Mahmet, und alle die, so der Blinden, Toerichten1, elenden Vernunfft [2]
schueler sind in diesen hohen sachen, die niemand verstehet, denn Gott [3]
allein, und wie viel der Heilige Geist uns davon durch die Propheten offenbart
[4] hat.
[5] [Bl. G
ij] Wir Christen, aus dem Newen Testament erleucht, koennen hie [6] zu richtig,
deudlich und fein antworten, also: Christus, unser HErr, hat zwo [7] Geburt,
oder zwo Natur, in einer unzertrenneten Person, Denn er ist ein [8] Christus,
nicht (wie der tolle Geist Nestorij narret2,) zween Christi. Nach [9] der
ersten Geburt hat er, nicht zeitlich, sondern von Ewigkeit her, vom Vater [10]
empfangen die ewige Gewalt oder Gottheit, Und der Vater hat sie jm gegeben [11]
gantz und voellig, wie er sie selbs hat von Ewigkeit. Nicht hat er sie jm also
[12] gegeben, das er sich derselbigen beraubet oder entledigt habe, Sondern die
selbige [13] Gewalt und kein andere, die er von Ewigkeit gantz und voellig
gehabt und [14] in Ewigkeit behelt, hat er dem Son gegeben, Denn es sind nicht
zwo Gottheit, [15] Sondern beider Personen ist ein einige Gottheit, Und bleibt
recht geredt, Jsa. 52: [16] [Jes. 42, 8] ‘Jch wil meine Ehre keinem andern
geben, noch mein Lob den Goetzen’, Denn [17] der Son ist kein ander Gott noch
Goetze, Sondern mit dem Vater ein einiger [18] rechter Ewiger Gott.
[19] [Joh.
16, 15] Hie von spricht er selbs Joh. 16.: ‘Alles, was der Vater hat, das ist
[20] mein’. Spricht nicht: der Vater hat nichts mehr, Jch habs alles allein,
oder [21] der Vater hats alles allein, Jch habe nichts. Sondern der Vater hats
alles, [22] Aber dasselbe alles, das er hat, das ist mein. Da ist ia klerlich
so viel gesagt, [23] Das der Vater und Son ein einige Gottheit haben, Und von
dem selben [24] alles, des Vaters, das des Sons ist, hats der Heilige geist
auch, wie er daselbs [25] [Joh. 16, 15] spricht: ‘Er wirds von dem Meinen
nemen’, Von welchem Meinen? On [26] zweivel von dem Meinen, das der Vater hat,
Also nimpt der Heilige geist, [27] von beiden dem Vater und Son, die selbige
voellige gantze Gottheit von ewigkeit [28] [Joh. 5, 26] her. Jtem Joh: 5.: ‘Wie
der Vater das leben hat in jm selber, Also [29] [Joh. 5, 21 u. 23] hat er dem
Son geben das leben zu haben in jm selber’, Und ‘wie der Vater [30] Todten
auffweckt und lebendig macht, Also auch der Son macht Lebendig, [31] welche er
wil, Auff das sie alle den Son ehren, wie sie den Vater ehren’. [32] Das alles
ist von der ersten Ewigen Goettlichen geburt gesagt.
[33] Nach der
andern, Zeitlichen, Menschlichen geburt, ist im auch die Ewige [34] gewalt
Gottes gegeben, doch Zeitlich und nicht von Ewigkeit her, Denn die [35]
Menscheit Christi ist nicht von Ewigkeit gewest, wie die Gottheit, Sondern,
[36] wie man zelet und schreibet, ist Jhesus Marien Son dis Jar 1. 5. 43. jar
[37] alt. Aber von dem Augenblick an, da Gottheit und Menscheit ist vereiniget
[38] in einer Person, da ist und heisst der Mensch Marien [Bl. G iij] Son,
Almechtiger
[Seite 50]
[ 38 zechten
A1]
[1] Ewiger Gott,
der Ewige gewalt hat und alles geschaffen hat und erhelt, [2] Per
communicationem idiomatum.1 Darumb, das er mit der Gottheit eine [3] [Matth.
11, 27] Person, und auch rechter Gott ist, Davon redet er Matth. 21.: ‘Alles
ist mir [4] [Matth. 28, 18] vom Vater gegeben’, Matth. ultimo: ‘Mir ist alle
gewalt gegeben in Himel [5] und Erden’. Welchem Mir? Mir Jhesu von Nazareth,
Marien Son und [6] Menschen geborn. Von Ewigkeit habe ich sie vom Vater, ehe
ich Mensch ward, [7] Aber da ich Mensch ward, hab ich sie zeitlich empfangen
nach der Menscheit, [8] und heimlich2 gehalten bis auff mein Aufferstehen und
Auffart, da es hat [9] [Röm. 1, 4] sollen offenbart und verkleret werden, wie
Sanct Paulus Rom. j spricht: ‘Er [10] ist verkleret oder erweiset ein Son Gottes
krefftiglich’, Johannes nennets verkleret [11] [Joh. 7, 39] Cap. 5.: ‘Der
Heilige Geist war noch nicht, Denn Jhesus war noch nicht [12] verkleret’.
[13] Sihe nu,
ob nicht Daniel fast auff den schlag3 redet, wie Jsaias, von [14] dem Menschen
Son, der das Ewige Reich von Gott empfehet, Und wie Nathan [15] und David
reden, Das Gott wolle Davids Son in sein Ewiges Reich zum [16] Koenige setzen.
Und das solchs geredt ist (spricht David) als von einem Menschen, [17] [1.
Chron. 17, 17] ‘der droben in der hoehe Gott der HERR ist’. Ah das wir Christen
[18] solche unaussprechliche Gnade so reichlich beide im Newen und Alten
Testament [19] erkennen, und nicht froelich sind und dancken, wie sichs
gebuert. Wunder were [20] es nicht, wenns ein Christen Hertz recht gruendlich
bedecht und ergriffe, das es [21] fuer Freuden Stuerbe, und fuer Freuden wider
Lebendig wuerde. Was ists doch [22] gros wunders? Das Gott Mensch ist, mit uns
Menschen Redet, Lebet, dazu [23] fur uns Stirbt, David erstummet und erstarret
fuer freuden, kan nicht mehr [24] [1. Chron. 17, 16] sagen, denn: ‘Was bin ich?
Was ist mein Haus? das du mich dahin bringest?’
[25] [1.
Chron. 17, 11ff.] Das ist noch alles von dem text 1. Paral. 17. geredt, auff
welchen, wie [26] droben gesagt, sich die Letzten wort Davids gruenden, das
Christus muesse rechter [27] Gott und Mensch sein. Und was mehr aus solchem
Text quillet, woellen wir [28] hernach (mit Gottes huelffe) weiter sehen, Denn
die Propheten nach David, und [29] er selbs auch viel draus genomen haben, von Christo,
das er Gott und [30] [Ps. 110, 1] Mensch sey. Als der 110. Psalm: ‘Der HERR hat
gesagt zu meinem Herrn, [31] setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde
lege zu deinem Fusschemel’. [32] Was kan heissen: zu meiner rechten sitzen,
anders, denn Gotte gleich sitzen? [33] das ist: in Gottes ewigem Reich sitzen,
Denn er sitzet jm nicht zun Heubten, [34] noch zun Fues-[Bl. G 4]sen, weder
hoeher noch nidriger. Sondern zur Rechten [35] jm gleich, das der Himel eben so
wol sein Stuel, und die Erde sein Fusbanck [36] [Matth. 28, 18] ist, wie er
spricht Matth. ultimo: ‘Mir ist gegeben alle Gewalt in Himel und [37] [Mark.
16, 19] Erden’, Und Marci ultimo: ‘Er ist auffgenomen gen Himel und sitzt zur
[38] [Matth. 22, 43ff.] rechten Hand Gottes’, Und da er Matth. 21. die
Phariseer fraget: ‘Jst Christus
[Seite 51]
[1] Davids
Son, wie nennet er jn denn im Geist (das ist: der Geist redet durch [2] jn)
seinen Herrn, da er spricht: Der HERR hat gesagt zu meinem Herrn, [3] setze
dich zu meiner Rechten? Kundten sie jm nichts antworten’.
[4] Sie
konnen auch heutes tages bis in Ewigkeit nicht drauff antworten, [5] Sie
lestern wol seer, allein zu wider uns Christen, mit ungeschickter boshafftiger
[6] geucherey1 auch wider jr eigen alten Rabinen und Lerer, davon magstu [7]
Liram2 daselbs lesen. Wir haben aber das Newe Testament, welchs sich nicht [8]
allein reimet mit diesem Psalmen, und der Psalm jm ehnlich ist, daran [9] wir
Christen (wie nu offt gesagt) gnug haben, das Alte Testament auff unsern [10]
verstand zu zihen3, und kan uns nicht feilen4, Sondern alle ander verstand [11]
mus feilen, So ist Christus selbs da, mit seinen Aposteln, die zeugen und [12]
zeigen uns diesen verstand mit reichen worten und wercken, Und ist dieser [13]
Psalm auch der oerter einer, da die drey Personen unterschiedlich5 in einer
[14] Gottheit verkundigt sind, welchs allein der Propheten und Christen
verstand [15] ist, durch den Heiligen geist gegeben. Juden, Mahmet, vernunfft
sollen hie [16] [Ps. 110, 1] von nichts wissen, Da ist der Vater, der spricht:
‘Setze dich zu meiner Rechten’, [17] Und ist Davids Son Christus, zu dem er
solchs spricht.
[18] Nu ist
der Vater nicht Christus oder Davids Son, Und Christus ist nicht [19] der
Vater, und sol doch dem Vater zur Rechten Hand gleich sitzen, einerley [20]
Reich, Gewalt, Ehre und alles haben, Denn Gott leidet keinen gleichen, der [21]
neben jm in gleicher Gewalt und Ehre sitze, Darumb mus Christus, Davids [22]
Son, rechter und mit dem Vater ein Einiger Gott sein, der jm gleich sitze, [23]
Sintemal nicht mehr denn ein Einiger Gott sein mus, wie das erste Gebot [24]
[2. Mose 20, 3] sagt: ‘Du solt kein ander Goetter neben mir haben’. So ist der
Heilige Geist [25] auch da, als der rechte einige Gott, der durch David und
alle Propheten mit [26] uns Menschen redet, und alle warheit von der Gottheit
uns offenbaret und [27] [2. Sam. 23, 2] leret, Wie David spricht: ‘der Geist
des HERRN hat durch mich geredt’, Und
[Seite 52]
[1] [Matth.
22, 43] Christus selbs Matth. 22.: ‘Wie nennet David durch den geist Christum
seinen [2] HErrn, so er sein Son ist?’ Freilich, on den Geist wuerde ers weder
nennen [3] noch [Bl. H 1] kennen, wie Christus sein Son und HERR were. Der
Heilige [4] geist aber ist nicht Christus, der Son, noch der Vater, Und kan
doch kein [5] ander Gott sein. Also schleusst sichs gewaltiglich1, das ein
einiger Gott, und [6] doch unterschiedlich drey Personen sind, Vater, Son,
Heiliger geist von ewigkeit [7] in Ewigkeit.
[8] [1.
Chron. 17, 16] Hie moecht jemand bewegen2, Warumb David spricht: ‘Was bin ich?
[9] [1. Chron. 17, 17] Was ist mein Haus?’ Jtem: ‘Du hast mich angesehen, wie
einen Menschen, [10] der in der hoehe Gott der HERR ist?’ Hat doch Gott nicht
zu jm gesagt: [11] ‘Du solt mein Son sein, Jch wil dich in mein Ewiges Reich
setzen?’ [12] [1. Chron. 17, 13f.] Sondern so sagt er: ‘Dein Son sol mein Son
sein, denselben wil ich in mein [13] Ewiges Reich setzen’. Wie endert denn
David die wort Gottes, und deutet [14] sie auff sich, als sey Er der Mensch,
der in der hoehe Gott der HERR ist? [15] Wolan, David ist der Vater dieses Sons
(wie du hoerest) und aus seinem [16] Hause, und von seinem Fleisch und Blut sol
er komen, Nu ists also in der [17] Natur, das sich ein Vater der Herrligkeit
seines Sons ia3 so hoch und wol [18] hoeher frewet, denn der Son selbs, dem er
alle Ehre und Gut goennet, und [19] viel mehr denn jm selbs. Widerumb der Hohn
und Schmach, dem Son angelegt4, [20] viel hoeher jn verdreusst, denn so es jm
selbs widder fuere, Darumb [21] rhumet sich nicht allein David, Sondern auch
sein gantzes Haus (wie er spricht: [22] [1. Chron. 17, 16] ‘Was ist mein
Haus?’) der herrligkeit, das aus jrem Fleisch und Blut ein [23] solcher Son
komen sol, der zur Rechten hand Gottes sitzen werde.
[24] Also
lieset man in den Historien5, das ein Vater, den sie Chilo nennen, [25] fur
freuden gestorben sey, da er gehoeret, das sein Son den sieg behalten hatte
[26] in Olimpijs, Und eine Roemerin6, da sie nicht anders wuste, jr Son were im
[27] Kriege mit andern von Hannibal bey Cannas erschlagen, Und er Plotzlich
[28] gesund heimkompt, Jn dem blick7, da sie jn ansihet, fellt sie fur freuden
dahin [29] und stirbet. Also8 ist David hie so voller freuden und geists, das
er schier [30] nicht weis, wie und was er reden sol, Und nimpt sich seines
Sons, seines [31] Fleischs und Bluts ehre nicht anders an9, denn als were sie
jm selbs geschehen.
[32] Zu dem,
so steckt solcher Son Davids noch zur zeit in seinem Fleisch [33] und Blut. Und
ist nichts davon furhanden, denn er selbs David in seiner [34] Person, und mit
seinem Fleisch und Blut, Daher kunfftig der Son komen [35] solt. Denn diese
geschicht und wort sind geschehen zeitlich, ehe den Nathan [36] [Luk. 3, 31]
Davids Son (von welches Schnur10 Christus komen [Bl. H ij] ist Luce 3.) geborn
[Seite 53]
[ 16 einen
AB]
[1] ward, Ja
seine Mutter Bathsaba war noch nicht Davids Weib worden, Sondern [2] noch Urias
weib, ein gute zeit fur dem fall und Ehebruch. Darumb [3] ists nicht eine
unformliche1 Rede von einem Vater, Wenn er von seines Sons [4] herrligkeit Gott
Lobet und dancket, mit diesen oder der gleichen worten: Ah, [5] du lieber Gott,
was bin ich? Wo fur sihestu mich doch an? das du mich so [6] hoch ehrest, und
aus meinem Fleisch und Blut einen solchen Herren machest? [7] Jch bins ia, des
die ehre und freude ist, Denn es ist ia mein Fleisch und [8] Blut, das noch
jtzt in mir und an mir ist, kuenfftig sol geboren werden.
[9] Daher
wird auch unser HERR Christus offt in den Propheten mit dem [10] [Hos. 3, 5]
namen seines Vaters David genennet, Hosea 3.: ‘Darnach werden sich die [11]
Kinder Jsrael bekeren, und den HERRN jren Gott und David jren Koenig [12]
suchen, Und den HERREN und seine gnade ehren, in der letzten zeit’. Hie [13]
heisst David unser HERR Christus, und wird in gleiche ehre mit Gott gesetzt, [14]
und HERR genennet, den sie suchen und ehren werden. Es ist einerley suchen,
[15] damit sie Gott und jren Koenig suchen und ehren sollen, gleich wie wir mit
[16] einerley Glauben den Vater und Son ehren, Nicht mit einem andern Glauben
[17] den Vater, und mit einem andern den Son ehren. Und ist hie die dritte
Person, [18] der Heilige geist, der solchs durch Hosea mundlich redet, und uns
gleuben leret.
[19] [Hes.
34, 23f.] Jtem, Ezech. 34.: ‘Jch wil jnen einen Einigen Hirten erwecken, der
sie [20] weiden sol, nemlich meinen Knecht David, Der wird sie weiden und jr
Hirte [21] sein, Jch wil jr Gott sein, und mein Knecht David wird Furst unter
jnen [22] [Jes. 52, 13] sein’. Hie heisst Christus David und Gottes Knecht, wie
er auch Jsaie 53. [23] [Phil. 2, 7] ‘Gottes Knecht’ heisst, und viel orten
mehr. Dazu Paulus Philip. 2. Macht [24] einen Knecht aus jm, der jnen doch jmer
und jmer einen rechten Gott Predigt, [25] [Phil. 2, 5ff.] da er spricht: ‘Ein
jglicher sey gesinnet, wie Jhesus Christus, Welcher, ob er [26] wol in
Goettlicher gestalt war, hielt ers nicht fur einen Raub, Gotte gleich [27]
sein, Sondern eussert sich selbs und nam Knechtlich gestalt an &c..’ Las
uns [28] den Apostel fragen, wie er so ungeschickt mag reden, Jst Christus Gott
gleich, [29] wie kan er ein Knecht und in Knechts gestalt sein? Jst er ein
Knecht, wie [30] kan er Gotte gleich und in Gottes gestalt sein? Aber wir
Christen verstehen [31] und wissen solches alles wol, Aber die Juden verstocken
sich mit diesem spruch [32] Ezechiel getrost2, und wollen gewis sein, jhres
sinnes (ich wolt sagen) wahnsinnes, [33] Die las faren.
[34] [Jer.
30, 8f.] [Bl. H iij] Jtem Jeremia 30.: ‘Zu der zeit, spricht der HERR, wil ich
das [35] Joch von deinem halse zu brechen, und deine Bande zu reissen, Und
sollen nicht [36] mehr drinnen den frembden (oder wie frembde) dienen, Sondern
werden dienen [37] dem HERRN jrem Gott, und jrem Koenige David, den ich jnen
erwecken wil’. [38] Hie heisst Christus auch David, wie die Juden, alte und
newe, diesen spruch
[Seite 54]
[1] muessen
von Messia verstehen, On das sie das Joch und die Bande nicht recht [2]
verstehen, wollen das gefengnis zu Babylon draus machen1, Aber die gantzen [3]
drey Capitel nach ein ander Reden starck von der Erloesung, so Messia thun [4]
sol, das ist vom Tod und Sunden, so das Gesetz auff uns treibet2, davon [5]
Juden und Vernunfft nichts wissen, Es ist ein verstand fur die Christen, und
[6] was Christlich gewest ist, von anfang der welt &c..
[7] Gleich
wol macht Jeremia mit diesem spruch diesen seinen Koenig David [8] zum rechten
Gott, da er Gott und diesen David zu samen setzt, in einerley [9] dienst und
ehre, die jm das volck Jsrael thun solle, Denn wo dieser David [10] nicht
rechter Gott were, wuerde jn Gott nicht neben sich setzen und sprechen: [11]
[Jer. 30, 9] ‘Sie sollen dienen jrem Gott und jrem Koenige David’, Denn es
heisst: ‘du [12] solt keinem andern Gotte dienen, Sondern den HERRN, deinen
Gott, soltu [13] [5. Mose 6, 13f.; 10, 20] furchten und jm allein dienen’,
Deutero. 6. und 10. Und stimmen die wort [14] [1. Chron. 17, 14] Jeremia mit
dem spruch 1. Paral. 17.: ‘Jch wil deinen Son in mein Ewiges [15] [1. Chron.
17, 17] Reich setzen’, der ein Mensch ist, und zu gleich droben uberwerts3 ‘in
der hoehe [16] Gott der HERR’ ist, der mit dem Vater gleich geehret und jm4
gleich gedienet [17] wird, Hie bey mus der Heilige geist die dritte Person
sein, der solchs durch [18] Jeremia redet, und uns leret, das wirs gleuben und
verstehen, Und ist ein [19] Einiger Gott, neben dem wir keinen andern Gott
ehren noch dienen.
[20] [1.
Chron. 17, 11ff.] Hie mit solts nu wol gnug sein von dem Text 1. Paral. 17.
Darauff [21] sich Davids Letzten wort gruenden, Nemlich, das Christus sey Gott
und Mensch [22] von David geborn, das wir nu wol moechten wider zu den letzten
worten [23] Davids uns machen, die selben zu enden, darinnen er Christum seinen
Son [24] [1. Chron. 17, 17] bekennet und rhumet fur seinen Gott, nach dem
spruch: ‘Du hast mich angesehen [25] wie einen Menschen, qui superne vel in
supernis, vel in excelsis est [26] Dominus Deus. Der hoch droben oder in der
hoehe Gott der HERR ist’. [27] Denn das unser Latinischer Text in Vocativo
sagt: Domine Deus, gibt keinen [28] [2. Sam. 7, 19 (Vulg.)] verstand, so wenig,
als 2. Reg. 7.: ‘Ista est Lex [Bl. H4] Adam, Domine Deus’. [29] Das besser
were: ‘Ista est lex vel forma hominis, Domini Dei, seu qui sit, [30] Dominus
Deus &c..’ Davon jtzt gnug gesagt. Aber weil die Materia so gut [31] ist,
und leider wir der geringest hauffe mit den Propheten und Aposteln sind, [32]
die sich umb den Christum, den Gecreutzigten David und ewigen Gott annemen5,
[33] wollen wir, ehe wir die letzten Wort Davids letzen6, und ans ende [34]
bringen, weiter davon reden, zu stercken uns in unserm Glauben, zu verdries7
[35] allen Teuffeln, Juden, Mahmetisten, Papisten, und was diesem Son David
[36] feind ist.
[Seite 55]
[1] Und
Erstlich wollen wir Mosen, den heubtbrun, Quelle, Vater und Meister [2] aller
Propheten fur uns nemen, versuchen, ob er sich wolle lassen einen Christen [3]
machen, und uns beystehen, weil Christus selbs jnen1 Teuffet, Joh. 5 und [4]
[Joh. 5, 46] spricht: ‘Moses hat von mir geschrieben’. Hat er von jm
geschrieben, so hat [5] er freilich2 von jm auch geweissagt, gepredigt und
befohlen allen Propheten [6] nach jm, von Christo zu Schreiben und zu Predigen,
wie sie mit allem vleis [7] gethan, also das auch alle Juden, jung und allt,
wissen zu sagen, das ein [8] Messia hat komen sollen, Aber Mose ist jnen
begraben, das sie nicht wissen [9] koennen, wo er ligt. Darumb wollen wir zween
trewe gewisse Legaten oder [10] Bottschafft ausrichten3 und abfertigen, die
jnen suchen, finden, auffwecken und [11] herbringen sollen, Die heissen
Johannes Evangelista und Paulus Apostolus, [12] Was gilts, Sie werden treffen
und nicht feylen, Doch das du nicht vergessest, [13] was ich droben gesagt
habe. Jch wolte dis mal das furnemen, Wo der [14] Ebreische text sich gerne
gibt4 und reimet mit dem Newen Testament, das [15] solchs sey und sein solle
der einige rechte verstand der schrifft. Alles ander, [16] was Juden, Ebreisten
und wer sie sind, nach jrer zestipten5 und zemarterten6, [17] gezwungen
Grammatica, da wider plaudern, sol uns gewislich eitel luegen sein.
[18] [Joh. 1,
1 –3] Wolan S. Johannes fehet sein Euangelion also an: ‘Jm anfang war [19] das
WORT, Und das WORT war bey Gott, Und Gott war das WORT [20] Dasselbige war im
anfange bey Gott, Alle ding sind durch dasselbige gemacht,, [21] und on
dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist’. Dis sind S. Johannis, [22]
oder viel mehr des Heiligen geists rede, der alle ding lebendig macht, Nu las
[23] sehen, ob er Mosen hie mit finden, und von Todten aufferwecken koenne.
Denn [24] Moses hoeret seer leise7 und kompt frey8 daher und spricht: Hie bin
ich, Denn [25] eben wie du Johannes vom Wort redest, So hab ich auch [Bl. J 1]
geredt und [26] rede noch also, Und du nimpst mir die wort aus meinem Munde.
Denn also [27] hab ich auch geschrieben im anfang meines Buches, vom anfang der
Creatur: [28] [1. Mose 1, 3; 6; 9; 11; 1] ‘Gott sprach, Es werde liecht, und es
ward liecht, Gott sprach, Es werde eine [29] feste zwisschen den Wassern, Gott
sprach, Es samle sich das wasser unter dem [30] Himel an sondere oerter, das
man das Trocken sehe, Gott sprach, Es lasse die [31] Erde auffgehen Gras und
Kraut, Gott sprach, Es werden Liechter an der festen [32] und scheiden Tag und
Nacht’, und so fortan.
[33] Hie
stimmet Mose mit Johanne uberein, das im anfang der Creatur ein [34] Wort sey
gewest, durch welchs Gott alles gesprochen, das ist, geschaffen und [35]
gemacht hat. Und Mose Lisbet9 oder stammelt hie nicht, Sind auch nicht [36]
tunckel, ungewisse Rede, Die Grammatica ist auch gewis, Das, Wo ein Sprecher
[37] ist, da ist ein Logos, Wort oder Rede. Ob nu die Jueden, Ketzer, Mahmet jr
[38] eigen deutung hie ertreumen, dem Christlichen Glauben zu wider, da fragen
[Seite 56]
[ 30 herr A]
[1] wir
nichts nach, Wir haben den Text und Grammatica Moses fur uns, der [2] stehet
duerre1 und klar da, das im anfang und ausser allen Creaturn habe [3] Gott gesprochen,
und sey ein Wort da, durch welchs Gott alles spricht, wie [4] [Joh. 1, 3] uns
Sanct Johannes schreibet Joh. 1. Welchs Euangelion die lieben Veter, [5]
Hilarius, Augustinus, Cirillus &c.. reichlich und gewaltiglich haben
gehandelt2, [6] das nicht not ist, davon jtzt weiter zu schreiben, jre Buecher
sind fur handen, [7] Gnug ists dis mal, das wir selbs hie sehen und hoeren, wie
Mose ungezwungen [8] und ungedeutet3 von sich selbs so gleich und eben4 mit
Johanne sich reimet5, [9] das es auch die blinde vernunfft nicht leugnen kan,
Sondern nach der gewissen [10] Grammatica bekennen mus, das sie beide einerley
weise6 und rede fueren vom [11] Wort, durch welchs Gott im anfang alles
geschaffen und gemacht hat.
[12] Denn sie
wollen alle beide, Mose und Johannes, anzeigen, wo mit, und [13] durch welch
werckzeug, oder woraus Gott solch gros werck, die gantze Welt, [14] gemacht
habe. Aber, Da ist kein Ruestzeug, kein Holtz noch Stein, Lauter [15] nichts 7
ist da, daraus die Welt geschaffen ist, Sondern allein durchs Wort [16] ist
alles gemacht, Das Wort aber ist nicht gemacht, Sondern es ist bey Gott [17]
[1. Mose 1, 3] im anfang, da er alles machet, wie Mose hie saget: ‘Gott sprach,
es werde’ [18] dis und das &c.. Durchs Wort (sagt er) ists alles worden. Nu
kan ausser der [19] Creatur bey Gott nichts sein, das nicht Gott selber ist,
Darum mus [Bl. J ij] das [20] Wort Gott selber sein, so gros und mechtig als
Gott selbs, weil alle ding [21] durch dasselbige gemacht wird, Und kan doch
nicht die Person sein, die das [22] Wort spricht, Es mus der Sprecher und das
Wort zweierley sein, Widerumb [23] mussens nicht zween Goetter sein, weil nicht
mehr denn ein Einiger, Rechter, [24] Warhafftiger Gott ist, Und sein mus, ein
Einiger Schepffer Himels und der [25] Erden, nicht zween oder drey Schepffer
oder Goetter. Also zeuget Mose mit [26] Sanct Johanne, das Gott und das Wort
gewislich zwo unterschiedliche Personen, [27] und gleich wol alle beide ein
Einiger Schepffer und Gott sind, in dem [28] einigen Goettlichen wesen unzertrennet.
[29] Also hat
David Mosen gelesen und verstanden, da er spricht Psal. 34.: [30] [Ps. 33, 6]
‘Der Himel ist durchs Wort des HERRN gemacht, und alle sein heer durch [31] den
Geist seines Mundes’. Gemacht ist der Himel, und alles das drinnen [32] und
dran ist (spricht er), Lieber, woraus? Aus nichts, Durch was? Durch [33] sein
Wort und durch den Geist seines Mundes. Redet hie nicht David auch [34] gleich,
wie Mose, und wil auch schier mit gleicher rede sagen? Gott sprach, [35] Es
werde der Himel, und es ward der Himel, Jst aber der Himel mit allem, [36] das
drinnen ist, durch Gottes sprechen oder Wort worden und gemacht, So
[Seite 57]
[1] ist on
zweivel die Erde mit allem, das drinnen, auch durch dasselbige Wort [2] worden
und gemacht. Nu ist das Wort nicht der Himel noch Erden, noch [3] etwas, das
drinnen oder mit den selben durchs Wort gemacht ist. Darumb mus [4] es Gott
selber sein, und doch ia1 ein ander Person von2 dem sprecher, der [5] durchs
Wort alles macht, in einigem unzertrennetem wesen Goettlicher gewalt, [6] macht
und wirckung. Haben wir aber das Wort, so wollen wir die dritte [7] [Ps. 33, 6]
Person wol finden, da David hie sagt: ‘Und durch den Geist seines Mundes, [8]
alle sein heer’.
[9] Er sagt
nur ein mal: ‘Gemacht’, ‘Der Himel ist durchs Wort des HERRR [10] Gemacht, und
alle sein heer durch den Mund seines Geistes’. Drey Personen [11] nennet er
unterschiedlich, nemlich, Den HERREN, Sein WORT, Und seinen [12] Geist, und
setzt doch nicht mehr denn Einen Mecher, on alle unterscheid. Gemacht [13] ists
alles, von Wem? Von Einem Mecher, der ist der HERR, WORT, [14] Geist, Nicht
macht der HERR sein eigen Werck besonders, Das Wort machet [15] nicht sein
eigen Werck besonders, Der Geist macht nicht sein eigen Werck besonders, [16]
Es sind alle drey unterschiedliche Personen, ein Einiger Mecher eines [17]
jglichen [Bl. J iij] wercks, Und ein jglich werck ist aller drey Personen, als
[18] eines Einigen Mechers oder Meisters werck, Denn wie der HERR den Himel
[19] machet, So macht das Wort auch den selben und keinen andern Himel, So [20]
macht der Heilige geist auch den selben, und keinen andern Himel. Ein Einiger
[21] ist, ders macht, und ein Einiges Werck ist, das alle drey Personen machen.
[22] Widerumb, Wie der HERR machet alle heer des Himels durch seinen geist [23]
[Ps. 33, 6] (wie der Text da stehet: ‘Durch den Geist des HERRN ist alles heer
des [24] Himels gemacht’), So macht der Geist dasselbe, und kein ander heer des
Himels, [25] So machet auch das Wort dasselbe, und kein ander heer des Himels.
[26] Drumb
ist hie einem Christen wol zu mercken, das er, wie Athanasius [27] singet in
seinem Simbolo, nicht die Person in eine Person menge, oder das [28] einige
Goettliche Wesen in drey Personen teile oder trenne.3 Denn wo ich einer [29]
jglichen Person, von aussen in der Creaturn, ein sonderlich werck gebe, da die
[30] andern zwo nicht mit zu thun haben solten, So habe ich die einige Gottheit
[31] zertrennet und drey Goetter oder Schepffer gemachet, Das ist falsch.
Widerumb, [32] Wo ich einer jglichen Person, in wendig4 der Gottheit oder
ausser und uber [33] der Creatur, nicht ein sonderlich unterscheid gebe, die
den andern zweien nicht [34] gebuert, So habe ich die Personen in eine Person
gemenget, Das ist auch [35] falsch. Hie her gehoert die Regel S. Augustini:
Opera Trinitatis ad Extra [36] sunt indivisa.5 Die Werck, so von Gott
auswendig4 der Gottheit gemacht, [37] sind nicht zeteilen, Das ist, man sol die
Personen nicht teilen in die Werck
[Seite 58]
[1] einer
jglicher von aussen jr unterschiedlich Werck zu eigen1, Sondern die Person [2]
sol man inwendig der Gottheit unterscheiden, und doch allen dreyen auswendig
[3] ein jglich Werck on unterscheid zu eigen.
[4] Als, das
ich Exempel gebe, Der Vater ist mein und dein Gott und [5] Schepffer, der mich
und dich gemacht hat, Eben dasselbe Werck, das ich und [6] du sind, hat auch
der Son gemacht, ist gleich so wol mein und dein Gott [7] und Schepffer, als
der Vater. Also der Heilige Geist hat eben das selbige [8] Werck, das ich und
du sind, gemacht, und ist mein und dein Gott und Schepffer, [9] gleich so wol
als der Vater und Son. Noch sinds nicht drey Goetter oder [10] Schepffer,
Sondern ein Einiger Gott und Schepffer, unser aller beide. Hie [11] mit diesem
Glauben verware ich mich fur der Ketzerey Arij2, und seines gleichen, [12] das
ich das Einige Goettliche wesen [Bl. J 4] nicht zertrenne in drey Goetter oder
[13] Schepffer, sondern behalte im rechten Christlichen Glauben, nicht mehr,
denn [14] den Einigen Gott und Schepffer aller Creaturn.
[15]
Widerumb, wenn ich nu uber und ausser der Schepffung oder Creatur [16] gehe, in
das inwendige unbegreiffliche wesen Goettlicher natur, so finde ich, wie [17]
mich die Schrifft leret (denn vernunfft ist hie nichts), das der Vater ein
ander [18] unterschiedliche Person ist von dem Sone in der einigen
unzertrenneten ewigen [19] Gottheit. Sein unterscheid ist, das er Vater ist,
Und die Gottheit nicht vom [20] Sone noch von jemand hat. Der Son ein
unterschiedliche Persone ist vom [21] Vater in derselben einigen Vaterlichen
Gottheit, Sein unterscheid ist, das er [22] Son ist, und die Gottheit nicht von
sich selbs, noch von jemand, sondern [23] allein vom Vater hat, als ewiglich
vom Vater geborn. Der Heilige geist ein [24] unterschiedliche Person ist vom
Vater und Sone, in der selbigen einigen Gottheit, [25] Sein unterscheid ist,
das er der Heilige geist ist, der vom Vater und [26] Son zu gleich ausgehet
ewiglich, Und die Gottheit nicht von sich selbes noch [27] von jemand hat,
sondern beide vom Vater und Sone zu gleich und das alles [28] von ewigkeit in
ewigkeit. Hie mit diesem Glauben verware ich mich fur der [29] Ketzerey
Sabellij3 und seines gleichen, fur Juden, Mahmet, und wer sie mehr [30] sind,
die klueger sind, denn Gott selbs, und menge die Person nicht in eine Einige
[31] Person, Sondern behalte in rechtem Christlichen Glauben drey
unterschiedliche [32] Personen in dem einigen Goettlichen ewigen wesen, die
doch alle drey gegen uns [33] und die Creaturn, ein Einiger Gott, Schepffer und
Wircker ist aller dinge.
[34] Dis
alles ist villeicht uns Deudschen scharff4 oder subtil, und solt billicher [35]
in den Schulen5 bleiben, Aber weil der Teuffel den schwantz reget6, in dieser
[36] letzten zeit, als wolt er gerne allerley Ketzerey wider auffwecken, Und
die Welt [37] on das Luestern und Toll worden ist, newes zu hoeren, und
uberdrussig der
[Seite 59]
[ 13 helilige
A1]
[1] [2. Tim.
4, 3] heilsamen lere (wie Sanct Paulus weissagt), damit dem Teuffel die Thuer
[2] auffgesperret sind, hinein zu fueren, was er wil, So ists nutz und not, das
[3] doch ettliche, beide Leien und Gelerten, sonderlich Pfarrherrn, Predigere
und [4] Schulmeistere, von solchen noetigen Artickeln unsers Glaubens auch
lernen [5] dencken und Deudsch reden, Wem es aber zu schweer ist, der bleibe
mit den [6] Kindern bey dem Catechismo und Bete wider den Teuffel und seine
Ketzerey, [7] wider Juden und Mahmet, damit er nicht gefueret werde in
anfechtung, Darumb [8] weil wir drauff komen sind, wollen wir [Bl. K 1] denen,
so es gerne haben, [9] mehr gleichnis geben von dem Artikel, das die Einige
Gottheit nicht zertrennet, [10] noch die Personen in ein ander gemenget werden
sollen, unsern Glauben zu [11] stercken und zu bekennen.
[12] Am
Jordan, da Sanct Johannes den HERRN teuffet, thet sich der [13] Himel auff, und
fur der heilige Geist hernider leiblich in einer Tauben gestalt, [14] [Luk. 3,
22] Und des Vaters stim ward gehoert: ‘Dis ist mein lieber Son, an dem ich
wolgefallen [15] habe’, Luce 3. Hie ist die Taube eine Creatur, welche nicht
allein [16] der heilige Geist geschaffen hat, Sondern auch der Vater und Son,
wie gesagt, [17] das opera trinitatis ad extra sunt indivisa. Was Creatur ist,
das hat Gott [18] Vater, Son und Heiliger geist, zu gleich als ein Einiger Gott
gemacht, Noch [19] heisst die Taube allein der Heilige geist, oder, wie Lucas
sagt, ist allein der [20] Heilige geist hernider gefaren in der Tauben gestalt,
Und wuerde in keinen [21] weg1 der Christliche Glaube leiden2, das du woltest
sagen von der Tauben, [22] Das ist Gott der Vater, oder das ist Gott der Son,
Sondern must sagen, [23] das ist Gott der Heilige geist, ob wol Gott der Vater,
Son und Heiliger [24] geist ein Einiger Gott ist, das du gantz recht sagest von
der Tauben, das ist [25] Gott, und ist kein ander Gott mehr, und doch unrecht
sagest, das ist Gott der [26] Vater oder Gott der Son, Sondern must sagen, das
ist Gott der Heilige Geist.
[27] Also ist
da die Stimme, so da spricht: ‘Dis ist mein lieber Son &c..’ [28] Eine
Creatur, die nicht allein der Vater geschaffen hat, Sondern auch der Son [29]
und Heiliger geist, wie gesagt opera trinitatis, das ausser der Gottheit alle
[30] Creaturen zu gleich sind, von allen dreyen Personen, als von einem Einigen
[31] Gotte geschaffen, und gegen der Creatur alle drey Personen ein Einiger
Gott [32] ist. Und widerumb die Creatur gegen die drey Personen einerley und
nicht [33] dreierley Werck sind, Noch heisst und ist die selbige Stimme allein
des Vaters, [34] Und kanst, als ein Christ, hie von der stimme nicht sagen, Das
ist Gott der [35] Heilige Geist, oder das ist Gott der Son, Sondern must sagen,
das ist Gott [36] der Vater, ob wol Gott der Heilige geist, und Gott der Son,
und Gott der [37] Vater ein Einiger Gott ist, Das du gantz recht sagest von der
stimme, das [38] ist Gott, und ist kein ander Gott mehr, Doch unrecht sagest,
das ist Gott der [39] Son, oder Gott der Heilige geist, Sondern must sagen, Das
ist Gott der Vater.
[Seite 60]
[1] Gleich
dem ist zu reden von der Menschheit Christi, die ist an sich selbs [2] eine
rechte [Bl. K ij] Creatur, geschaffen zu gleich vom Vater, Son und Heiligem [3]
geist, Und ist nicht zu leiden im glauben, das der Vater allein, oder der Son
[4] allein, oder der Heilige geist allein diese Creatur oder Menscheit
geschaffen [5] habe, Sondern ist ein Opus indivisum trinitatis, Ein werck,
welchs alle drey [6] Personen, als ein Einiger Gott und Schepffer einerley
wercks geschaffen hat, [7] [Luk. 1, 35] wie der Engel Gabriel zu der Jungfrawen
Maria saget, Luce 1.: ‘Der Heilige [8] geist wird uber dich komen, und die
Krafft des Allerhoehesten wird dich uberschatten’: [9] Nicht allein ist der
Heilige geist da uber dir (spricht er), Sondern [10] auch der Allerhoehest, das
ist, der Vater wird dich uberschatten, mit seiner [11] krafft, das ist, durch
seinen Son oder Wort, Auch so1 sol, ‘das in dir Geborn [12] wird’, des
allerhoehesten Son sein und heissen, das also die gantze Dreifaltigkeit [13]
als ein Einiger Schepffer hie ist, und das Einige Werck, die Menscheit,
geschaffen [14] und gemacht hat, und doch die Person des Sons allein damit
vereiniget [15] und Mensch worden, nicht der Vater noch Heiliger geist.
[16] Und
kanst von diesem Menschen nicht sagen, das ist Gott der Vater, oder [17] das
ist Gott der Heilige geist, Sondern must sagen, das ist Gott der Son, [18] Ob
wol Gott der Vater, Son und Heiliger geist ein Einiger Gott ist, Das [19] du
gantz recht sagest von dem Menschen, das ist Gott und ist kein ander Gott [20]
mehr, doch unrecht sagest, Das ist Gott der Vater oder Gott der Heilige geist,
[21] Sondern must sagen, das ist Gott der Son, wie Sanct Paulus Col. 2. saget:
[22] [Kol. 2, 9] ‘Denn in Christo wonet die gantze fulle der Gottheit’, Und ist
doch damit der [23] Vater und Heiliger geist der selben Gottheit nicht
beraubet, Sondern mit [24] dem Son und Menschen Christo ein Einiger Gott.
Hieraus sihestu, wie die [25] drey Goettlichen Personen unterschiedlich
inwendig der Gottheit zu gleuben, und [26] nicht in eine Person zu mengen sind,
Und doch das Goettliche Einige wesen [27] nicht zu trennen, oder drey Goetter
zu machen, Sondern eusserlich gegen die [28] Creatur ein Einiger Schepffer sey,
so gar2 einig, das auch die Creatur, so [29] die Personen unterschiedlich an
sich nemen, aller drey Personen, als Einiges [30] Gottes einerley werck sind.
[31] Solch
hoch ding ettlicher massen zu begreiffen, geben die Doctores, sonderlich [32]
Bona ventura3 ein grob gleichnis. Als wenn drey Jungfrawen, einer unter [33]
sich4, ein Kleid anzoegen, Da sie alle drey das Kleid angriffen und der dritten
[34] anzoegen, und die dritte selbs auch mit gleich zu griffe, Da zihen alle
[Bl. K iij] drey [35] das Kleid der dritten an, Und wird doch allein die dritte
mit dem Kleide angezogen [36] und nicht die andern zwo, Also sol man hie
verstehen, das alle drey [37] Personen, als ein Einiger Gott die einige
Menscheit geschaffen und mit dem [38] Sone vereiniget habe, in seine Person,
das allein der Son Mensch sey, und
[Seite 61]
[1] nicht der
Vater, noch Heiliger geist. Eben so sol man auch verstehen die [2] Taube, so
des Heiligen geists Person an sich nimpt1, und die stimme, so des [3] [Apg. 2,
2f.] Vaters Person an sich nimpt. Jtem die feurigen Zungen am Pfingstage, [4]
darin des Heiligen geists Persone offenbart wird. Jtem der Wind, Und was [5]
man mehr vom Heiligen geist Predigt, das er thu in der Christenheit oder [6]
Heiligen Schrifft.
[7] Hie fragt
sichs billich, Warumb sprechen wir denn, oder viel mehr, [8] warumb leret uns
denn die Schrifft also sagen? Jch Gleube an Gott Vater [9] Schepffer Himels und
der Erden, und nicht auch den Son Schepffer nennen. [10] Jtem an Jhesum
Christum, der entfangen ist vom Heiligen geist. Jtem, das [11] der Heilige
geist Lebendig mache, und durch die Propheten geredt habe. Hie [12] werden ia
Eusserlich den Personen jr besondere unterschiedliche werck zu geeigent, [13]
wie sie selbs unterschieden sind. Dis ist einfeltigen Christen villeicht auch
zu [14] scharff, die mügen bey jrem einfeltigen Glauben bleiben, das Gott
Vater, Son [15] und Heiliger geist ein Gott sey &c.. Doch mus man in der
Christenheit hie [16] von reden, und lernen verstehen, dem Teuffel und seinen
Ketzern wider zu [17] stehen. Erstlich ists gewis, das Gott wil von uns erkand
sein hie im Glauben, [18] dort ewiglich im schawen, wie er sey ein Einiger Gott
und doch drey Personen, [19] [Joh. 17, 3] das ist unser ewiges Leben, Joh. 17.
Hie zu hat er uns sein Wort [20] und die heilige Schrifft gegeben, mit grossen
wunder zeichen und wercken bestettiget, [21] das wir drinnen lernen sollen,
Denn solten wir jn also erkennen, [22] muste ers warlich uns leren und sich
gegen uns offenbaren und erscheinen, [23] Von uns selber wuerden wir nicht in
Himel steigen2, und finden, was Gott [24] sey, oder wie sein Goettlich wesen
gethan ist. Nu hie zu braucht er sichtbarlichen [25] seiner Creatur, wie die
Schrifft uns leret, auff das wirs ergreiffen muegen, [26] Denn unsichtbar
Creatur bewegen unser sinnen nicht.
[27] Dem nach
mustu nu die Creatur zweierley weise ansehen. Auffs erst, als [28] eine Creatur
oder werck an sich selbs, absolute, so und von Gott geschaffen oder [29]
gemacht. Auff diese weise sind alle Creatur Gottes, das ist, aller drey
Personen [30] gleich Einerley werck, on [Bl. K 4] allen unterscheid, wie gesagt
ist, Denn sie geben [31] uns nach solcher weise kein unterschiedliche offenbarung
der drey Personen, weil [32] sie alle gleich einerley werck sind der drey
Personen, als des einigen Gottes. Zum [33] andern mal, mustu sie ansehen, nicht
an jr selbs absolute, sondern relative, [34] Nach jrem brauch, wie Gott der
selben braucht gegen uns. Hie nimpt Gott [35] sein geschepff, das alle drey
Personen geschaffen, als ein Einiger Gott, hat, [36] und braucht derselben, zum
bilde oder form gestalt, darin er sich offenbaret [37] und erscheinet. Hie
werden unterschiedliche bilder, gestalt, oder offenbarung [38] der drey
unterschiedlichen Personen, Also braucht er der Tauben, das [39] sie sol ein
bilde oder offenbarung sein, darin sich der Heilige geist offenbart, [40] Und
ist ein unterschiedlich3 bilde, das nicht den Vater noch Son uns zeiget,
[Seite 62]
[1] Sondern
allein den Heiligen geist unterschiedlich, Denn der Vater, Son und [2] Heiliger
geist wil, das die Taube sol unterschiedlich uns allein die Person [3] des
Heiligen geists zeigen und offenbaren, damit wir gewis werden, das Gottes [4]
einiges wesen gewislich drey unterschiedliche Personen seien von ewigkeit.
Darumb [5] [Luk. 3, 22] spricht Lucas 3.: ‘Der Heilige geist fur hernider in
leiblicher gestalt, wie [6] eine Taube’.
[7] Eben so
reden wir von dem Son, das er uns ist offenbart in der Menscheit, [8] [Phil. 2,
7] oder wie Sanct Paulus redet, ‘in Knechtlicher gestalt, geberdet1 wie ein
ander [9] Mensch’, Und diese gestalt oder Menscheit ist nicht des Vaters oder
Heiligen [10] geists bilde oder offenbarung, ob sie wol beide, des Vaters, Sons
und Heiligen [11] geists gleiche einerley Creatur ist, Sondern ist
unterschiedlich eine gestalt und [12] offenbarung allein des Sons, Denn so
hatts Gott, das ist, dem Vater, Sone [13] und Heiligem geist gefallen, Das der
Son, durch diese gestalt oder form der [14] Menscheit, unter den Menschen
offenbart und erkand wuerde als eine unterschiedliche [15] Person, vom Vater
und Heiligem geist, in einem ewigen Einigen [16] wesen Goettlicher natur. Dem
gleich sol man vom Vater reden, das er uns [17] offenbart ist, in der stimme,
Diese gestalt oder forme ist nicht des Sons oder [18] Heiligen geists form oder
offenbarung, Sondern allein des Vaters, Der in [19] solcher unterschiedlichen
form hat uns wollen bekand werden, als ein unterschiedliche [20] Person vom Son
und Heiligem geist, in einem unzertrenneten Goettlichen [21] wesen.
[22] Nim dir
auch aus der Grammatica ein grob Exempel, Wenn der Priester [23] teuffet, oder
Absolvirt, und spricht, Jm namen des Vaters, und des Sons, [24] und Heiligen
geists. [Bl. L 1] Diese wort allesampt sind Gottes geschepff und [25] werck in
unserm munde (so wol als wir selbs und was wir haben), Und ist [26] keines
unterschiedlich, des Vaters allein, oder des Sons allein, oder des Heiligen
[27] geists allein, Sondern aller dreyer Person, des Einigen Gottes einerley
geschepff, [28] Aber nach der deutung oder offenbarung mustu nicht sagen, das
dis Wort ‘des [29] Vaters’ bedeute alle drey Personen, Sondern unterschiedlich
allein den Vater, [30] Das wort ‘des Sons’ unterschiedlich allein den Son, Das
wort ‘des Heiligen [31] geists’ unterschiedlich allein den Heiligen geist, in
einer Einigen Gottheit, die [32] uns durch solche wort oder deutung offenbart
wird, das drey unterschiedliche [33] Personen sind, in der einigen Gottheit,
Denn er nicht spricht, Jn den Namen, [34] als vieler, oder als hette ein
igliche Person einen sonderlichen namen und [35] wesen, Sondern im namen
(spricht er) als in einem namen eines wesens, und [36] doch drey
unterschiedliche Personen.
[37] Also sihestu,
das die Creatur zweierley weise anzusehen ist, ut Res et [38] signum, das sie
ettwas fur sich selbs ist, von Gott geschaffen, Und auch gebraucht [39] wird
etwas anders zu zeigen oder zu leren, das sie selbs nicht ist. [40] Der Rauch
ist ein Res, ein ding fur sich selbs, und doch auch ein zeichen eines
[Seite 63]
[1] andern
dinges, das er nicht ist, Sondern zeiget und offenbaret dasselbe, nemlich, [2]
das Feur. Davon schreibet Sanct Augustinus viel de doctrina Christiana1, [3]
Aber hie ists in dieser hohen sachen ettwas mehr, Denn die Menschheit Christi
[4] ist nicht ein schlecht zeichen oder ledige2 gestalt, gleich wie die Taube
auch nicht [5] ein ledige gestalt, und die stimme nicht ein ledige gestalt oder
bilde, Sondern [6] die Menscheit, darin Gottes Son unterschiedlich offenbart
wird, ist voll, und [7] mit Gott in eine Person vereiniget, die ewig sitzen
wird zur rechten Gottes [8] [1. Chron. 17, 12] in seinem Reich, wie droben
David verheissen ist, 1. Paral. 17. Die Taube ist [9] eine gestalt vom Heiligen
geist, eine zeit lang angenomen sich zu offenbaren, [10] nicht mit jm in eine
Person vereiniget ewiglich, sondern wider verlassen, wie [11] die Engel
Menschen gestalt an nemen, darinnen erscheinen und wider verlassen. [12] Also
ists auch gethan3 mit der stim des Vaters, Denn da ist keine verheissung, [13]
das so solt ewiglich bleiben, Sondern ist eine zeitliche offenbarung.
[14] Wenn wir
nu im Kinder Glauben4 sprechen: Jch gleube an Gott den [15] Vater allmechtigen,
Schepffer Himels und der Erden, ist nicht die meinung, [16] das allein die
Person des Vaters solt allmechtig Schepffer und Vater sein, [17] Sondern der
Son ist eben so wol [Bl. L ij] allmechtig, schepffer und Vater, [18] Der
Heilige geist auch so wol, allmechtig, schepffer und Vater, und doch nicht [19]
drey allmechtige Schepffer, Veter, sondern ein Einiger, allmechtiger Schepffer,
[20] Vater, Himels und der Erden, und unser aller. Gleich, wie der Vater unser
[21] Heiland und Erloeser, Der Son unser Heiland und Erloeser, Der Heilige geist
[22] unser Heiland und Erloeser, und doch nicht drey Heilande noch Erloeser
sind, [23] sondern ein Einiger Heiland und Erloeser ist. Gleich wie der Vater
unser [24] Gott, der Son unser Gott, der Heilige geist unser Gott, doch nicht
drey [25] Goetter, sondern ein Einiger Gott ist, Also Heiliget der Heilige
geist die [26] Christenheit, der Vater auch, der Son auch, und sind doch nicht
drey Heiliger [27] oder Heiligmacher, sondern ein Einiger Heiligmacher &c..
Opera trinitatis ad [28] extra sunt indivisa.
[29] Es ist
aber alles geredt darumb, das wir unterschiedlich drey Personen [30] in der
Einigen Gottheit gleuben und erkennen, Und ia nicht die Person mengen, [31]
noch das wesen trennen. Die unterschied des Vaters (wie gehort) ist, das er
[32] die Gottheit von niemand hat, sondern sie von ewigkeit, durch die ewige
geburt [33] dem Son gegeben hat, Darumb ist der Son Gott und schepffer gleich
dem [34] Vater, Aber das hat er alles vom Vater, nicht widerumb der Vater vom
[35] Son, Denn das der Vater Gott und schepffer ist, das hat er nicht vom Son,
[36] sondern das der Son Gott und Schepffer ist, das hat er vom Vater, Also
[37] hat der Vater oder Son vom Heiligen geist nicht, das er Gott und Schepffer
[38] ist, Sondern das der Heilige geist Gott und Schepffer ist, das hat er vom
[39] Vater und Sone, Also stehet nu das wort Gott Allmechtig, Schepffer, bey
[Seite 64]
[ 33 ansehen
A2]
[1] dem Vater
und nicht bey dem Son und Heiligem geist, zu mercken die unterscheid [2] des
Vaters, vom Son und Heiligem geist in der Gottheit. Widerumb [3] die
unterscheid des Sons vom Vater und Heiligem geist, des Heiligen geists [4] vom
Vater und Sone, nemlich, das der Vater ist der ursprung oder quelle [5] (so
mans so nennen solt, wie die Veter thun) der Gottheit, Von welchem sie [6] der
Son hat, und der Heilige geist vom Son und Vater in ewigkeit, und [7] nicht
widerumb.
[8] Uber
solche innerliche der Personen unterscheid ist nu die eusserliche unterscheid,
[9] da der Son und Heiliger geist innen offenbart ist, Der Son in der [10]
Menscheit, denn der Son ist allein Mensch worden, vom heiligen Geist empfangen,
[11] von Maria der Jungfrawen geborn, fur uns gelidden, gestorben &c.. wie
der [12] Glaube weiter leret, doch das gleich wol [Bl. L iij] recht heisst,
Gott ist fur uns [13] gestorben, denn der Son ist Gott, und ist kein ander Gott
mehr, Sondern [14] mehr Personen in der selben Gottheit. Der Heilige geist ist
allein unterschiedlich [15] offenbart, in den feurigen Zungen, gaben,
mancherley sprachen und [16] wunderzeichen &c.. Ob wol die Menscheit von
allen dreien Personen gemacht, [17] und die feurigen Zungen, die gaben des
Heiligen geists, aller dreier Personen [18] geschepff und werck sind, wie nu
gnugsam auff dis mal gesagt ist. Man hat [19] hie von koestliche Buecher, Sanct
Augustini, Hilarij, Cirilli1, Und ist solcher [20] artickel im Bapstum und bey
den Schultheologen rein blieben, das wir mit [21] jnen darueber keinen zanck
haben.2
[22] Hie
bekoemern sich ettliche, ob sie die Person des Vaters nennen, wenn [23] sie
beten, Vater unser, oder das Goettliche Wesen, Wunder ists nicht, das einem
[24] Menschen in diesem uber und uberwunderlichen unbegreifflichen artickel
wunderliche [25] gedancken einfallen, der zu weilen einer mislinget, oder ein
wort misret, [26] Aber wo der grund des Glaubens fest bleibet, werden uns
solche splitter, [27] spenlin oder strohalmen nicht schaden, Der grund aber des
Glaubens (wie [28] gehoert) ist, das du gleubest, Es sind drey Personen in der
Einigen Gottheit, [29] Und ein jgliche Person ist derselbige einige volkomener
Gott, das also die [30] Person nicht gemenget, das wesen nicht zertrennet
werde, Sondern unterschied [31] der Personen und Einigkeit des wesens bleibe,
Denn das ists, des sich die [32] [1. Petri 1, 12] Engel in ewigkeit nicht sat koennen
(wie Sanct Petrus sagt) sehen und wundern, [33] Und daruber ewig selig sind,
Und wo sie es zu ende aussehen kundten, wurde [34] jr seligkeit auch aus sein,
und ein ende haben, wie wir auch solchs sehen [35] [Joh. 17, 3] werden und
dadurch ewig selig sein, wie der HERR spricht, Joh. 17.: ‘Das [36] ist das
Ewige leben, das sie dich und, den du gesand hast, Jhesum Christum [37]
erkennen’. Jn des mus der Glaube sich am Wort halten, Vernunfft kan [38] nichts
hie thun, denn sprechen, Es sey unmueglich und wider sich selbes, das [39] drey
Person, ein jgliche volkomener Gott, und doch nicht mehr denn ein Einiger
[Seite 65]
[1] Gott sey,
und allein der Son Mensch sey, Wer aber den Vater und Son hat, [2] dem wird der
Heilige geist wol bekand werden, vom Vater und Son.
[3] So hastu
droben gehoeret, das der Vater ist unser aller Gott und Vater, [4] der Son ist
unser aller Gott und Vater, der Heilige geist ist unser aller Gott [5] und
Vater, Und ist doch nicht mehr, denn ein Einiger Gott unser Vater, Denn [6] das
wesen ist unzertrennet, [Bl. L 4] drumb welche Person du Nennest, so hastu [7]
den rechten Einigen Gott in dreien Personen genent, Weil ein jgliche Person [8]
der selbige Einige volkoemlicher Gott ist, und kanst hierin nicht jrren noch
feilen, [9] Denn Jhesus Christus ist kein ander Gott, oder Vater, oder
Schepffer, denn [10] der Vater und Heiliger geist ist, ob er gleich ein ander
Person ist, Eben so ist [11] der Vater und Heiliger geist auch, Dem nach ists
nicht allein falsch, Sondern [12] auch ummueglich und nichtig, das du die
Person des Vaters, als die unterschiedliche [13] Person, woltest Vater nennen,
und nicht den Son und Heiligen [14] geist zu gleich mit Vater nennen, Denn das
hiesse das Goettliche wesen zetrennet, [15] und den Son und Heiligen geist aus
geschlossen, Das ist nichts, Denn nach [16] solcher weise der Personlichen
Vaterschafft hat der Vater nicht mehr denn einen [17] Son, und der Son nicht
mehr denn einen Vater, Solcher Vater ist er dir nicht, [18] und du nicht
solcher sein Son, Sondern das ist der Einige Son vom Vater [19] [Ps. 2, 7] in
ewigkeit, wie der Psal. 2. spricht: ‘Der HERR sprach zur mir, Du bist [20] mein
Son, Heute hab ich dich geborn’, Aber du bist nach deinem alter dreissig, [21]
viertzig, funfftzig jar, so lange du geschaffen und getaufft bist gewesen, ein
zeitlicher [22] Son, aller dreier Person, Eines Gottes.
[23] Quia
opera trinitatis ad extra sunt indivisa, Sic Cultus Trinitatis ab [24] extra
est indivisus, Was Gott gegen die Creatur thut, das thun alle drey [25] Personen
on unterscheid, Denn es ist ein Einig Goettlich wesen aller dreier [26]
Personen, Und was wir oder die Creatur gegen eine jgliche Person thun, das [27]
thun wir gegen dem Einigen Gott und allen dreien Personen on unterscheid, [28]
Denn er ist gegen uns ein Einiger Gott, und in sich selbs drey Personen [29]
[Joh. 14, 9f.] unterschiedlich, Wie der HERR Christus selbs spricht Joh. 15.:
‘Philippe, Wer [30] mich sihet, der sihet den Vater, Wie sprichstu denn, zeige
uns den Vater? [31] [Joh. 5, 23] gleubstu nicht, das ich im Vater bin, und der
Vater in mir?’ Joh. 5.: ‘Sie [32] [Joh. 10, 30] sollen den Son eheren, gleich
wie den Vater’, Joh. 10.: ‘Jch und der Vater [33] sind Eines’, das sprechen
wir, Ein ding, Ein Wesen, Ein Gott, Ein HERR. [34] [Joh. 10, 31; Joh. 5, 17f.]
Hie ‘huben die Juden steine auff, und wolten jn steinigen’, Joh. 5.: ‘Mein [35]
Vater wirckt oder schafft bis her, Und ich wircke auch, Darumb trachten die
[36] Juden viel mehr jn zu Toedten, das er nicht allein den Sabbath brach,
Sondern [37] sagt auch, Gott sey sein Vater, Und machet sich selbs Gotte gleich
&c..’
[38] Davon
wil ich jtzt auffhoeren, Denn ich hatte willen ein Buch zu Schreiben, [39] So
[Bl. M 1] bin ich ins Predigen komen, Lies das Euangelion Johannis, das [40]
leret uns solchs alles reichlich, Nu wir haben Mosen, das er mit Sanct [41]
Johannes stimmet, Es sey ein Wort im anfang gewest, durch welchs alles [42]
gemachet ist, Und das solch Wort nicht konne eine Creatur oder gemacht sein,
[Seite 66]
[1] und doch
etwas anders oder ein ander Person sein, denn Gott, des solch Wort [2] ist,
Denn weil es nicht gemacht ist, Sondern alle ding durch dasselbige gemacht [3]
sind, mus es Gott Schepffer sein aller Creatur, Nach dem es gewis ist, das [4]
ausser der Creatur, die gemacht ist, Nichts sein kan, denn Gott, der sie macht,
[5] Und doch das Wort, der Gott und Schepffer, durch den alles gemacht ist, ein
[6] anders ist von dem Sprecher, oder der solch Wort spricht, Hie mit ist nu
[7] Moses unser zeuge, und ein Christ worden, leret eben, das wir Christen
leren, [8] Nemlich, das Gott ein Wort habe im anfang, durch welches alles
gemachet ist, [9] gleich wie Johannes schreibet.
[10] Nu lasst
uns den andern Legaten, S. Paulus, auch kurtzlich hoeren, wie [11] [Kol. 1, 15
–17] er Mose gruesset und ruffet, Col. 1. Redet er von unserm HERRN Jhesu
Christo [12] also: ‘Welcher ist das Ebenbilde des unsichtbarn Gottes, der
Erstgeborne vor [13] allen Creaturn, Denn durch jn ist alles geschaffen, das im
Himel und auff [14] Erden ist, das sichtbare und unsichtbare, beide die
Thronen, und Herrschafften, [15] und Furstenthume, und Oberkeiten, Es ist alles
durch jn und zu jm geschaffen, [16] und er ist vor allen, und es bestehet alles
in jm’. Diese wort koennen nicht [17] von Christo nach der Menscheit geredt
sein, das ist gewis, Denn er ist nicht [18] Mensch gewest, vor allen Creaturen,
sondern sind hewr 1. 5. 43. jar, das er [19] Mensch worden ist, Und ist fur war
ein gewaltiger klarer spruch, das Christus [20] ein Ewiger Gott, Schepffer
Himels und Erden sey, Und noch heutiges Tages, [21] und jmer fort alles durch
jn bestehe, erhalten oder gemacht werde, auch alles, [22] was hoch ist im Himel
und Erden, Engel und Geister, sichtbar und unsichtbar. [23] [Joh. 1, 3] Hierin
stimmet er mit Johanni gleich, da er spricht: ‘Alles ist durch jn gemacht, [24]
und on jn ist nichts gemacht, was gemacht ist’. Hoeret nu Mose, und [25]
bekennet die Wort Johannis, So hoeret und bekennet er gewislich auch diese wort
[26] Pauli, Und spricht, Ja, mein lieber Paule, Eben wie du und Johannes
sagest, [27] [1. Mose 1, 3; 6 usw.] so habe ich auch geschrieben, das alle ding
sind durchs Wort geschaffen, Gen. j.
[28] [1. Kor.
10, 4] Weiter spricht Paulus j. Corin. 10.: ‘Sie truncken von dem geistlichen
[29] fels, der mit jnen zoch, Der fels aber war Christus’, Jst [Bl. M ij]
Christus [30] zur selbigen zeit gewest, der mit den Kindern Jsrael gezogen ist,
und von dem [31] sie geistlich getruncken, und geistlich getaufft sind, das
ist, mit uns einerley [32] glauben an den zukunfftigen Christum, der uns nu
erschienen ist, gehabt, So [33] mus Christus rechter ewiger Gott sein, Denn an
die Engel kan man nicht [34] Gleuben, welchs Gotte allein gebuert, Auch sie
nicht unser geistliche speise sein [35] [1. Kor. 10, 9] koennen, Gott mus selber
sein. Jtem daselbs j. Corin. 10. spricht er: ‘Lasst [36] uns Christum nicht
versuchen, wie jhener etliche versuchten, und wurden von [37] dem Schlangen
umbbracht’. Was wil hie werden? Schreibt doch Mose allenthalben, [38] Es sei
der HERR Jehova, der rechte Einige Gott, den die Kinder [39] [2. Mose 17, 2]
Jsrael versuchten, Exo. 17.: ‘Warumb versucht jr den HERRN’? Num. 14. [40] [4.
Mose 14, 22] spricht der HERR: ‘Sie haben mich wol zehen mal versuchet’, Jsts
der HERR, [41] wie Mose schreibet, wie kans Christus sein, wie Paulus schreibt?
Nu mussen [42] sie beide recht schreiben, Denn der Heilige geist ist nicht
wider sich selbs.
[Seite 67]
[ 10 anff A1
31 Es] Er A1]
[1] Hieraus
folget gewaltiglich1 und unwidersprechlich, das der Gott, der das [2] Volck
Jsrael aus Egypten und durchs rote Meer gefuret, in der wusten durch [3] die
Wolckseule und Feurseule geleitet, mit Himelbrot geneeret und alle die [4]
wunder gethan, so Moses in seinen Buechern beschreibet, Jtem der sie ins land
[5] Canaan bracht, und drinnen Koenige und Priesterthum und alles gegeben hat,
[6] sey eben der Gott und kein ander, denn Jhesus von Nasareth, Marien der [7]
Jungfrawen Son, den wir Christen unsern Gott und Herren nennen, den die [8]
Jueden gecreutziget haben, und noch heutes Tages lestern und fluchen, Wie [9]
[Jes. 8, 21] Jsaia 8. sagt: ‘Sie werden in jrer angst fluchen jrem Koenige und
jrem Gotte’. [10] Jtem, Er ists, der auff dem Berge Sinai Mose die zehen Gebott
gibt und [11] [2. Mose 20, 2f.] spricht: ‘Jch der HERR bin dein Gott, der dich
aus Egypten gefuret hat, Du [12] solt fur mir kein ander Goetter haben’, Ja
Jhesus Nasarenus, am Creutz fuer [13] uns gestorben, ist der Gott, der in dem
Ersten Gebot spricht: ‘Jch der HERR [14] bin dein Gott’. Wenn solchs die Juden
und Mahmet hoeren solten, wie solten [15] sie Toben? Dennoch ists wahr und mus
wahr bleiben ewiglich, und sol [16] ewiglich da fuer Zittern und Brennen, wers
nicht gleubet.
[17] Denn da
stehet Mose klar und spricht, das durch den spruch, oder durch [18] [Ps. 33, 6]
das Wort Gottes sey alles geschaffen, Und David Psal. 54.: ‘Der Himel ist [19]
durch Gottes Wort gemacht’. Jst der Himel durchs Wort gemacht, so ist auch [20]
alle ander Creatur dadurch gemacht, Denn wer eine Creatur machet, [Bl. M iij]
der [21] macht sie alle, Wer sie nicht alle macht, der wird keine machen
koennen, Und [22] stimmet also Mose und David mit Johanne und Paulo, die auch
beide mit [23] jnen gleich sagen, Alle ding sind durchs Wort, oder durch
Christum geschaffen [24] und gemacht. Jst nu alles durch jn gemacht, und on jn
ist nichts gemacht, [25] wie der text aller vier, Mose, David, Johannis und
Pauli, da stehen, So [26] mus, unter dem, das sie ALLES heissen, begriffen und
nicht ausgeschlossen [27] sein die ausfurt aus Egypten, und was mehr in dem
Volck Jsrael geschehen [28] ist, Ja alles, was allenthalben von anfang der
Creaturn geschehen ist, noch [29] jmer geschicht und hinfort geschehen wird,
Denn es sind grosse Wichtige wort, [30] [1. Mose 1, 3] da sie sagen, Alles ist
durch jn gemacht, und wie Mose redet: ‘Gott sprach, [31] Es werde, und es ward
also’. Ob nu Mose nicht nennet den Son oder [32] Christum, nach der Grammatica,
So nennet und bekennet er doch den spruch [33] oder wort, durch welchs alles
gemacht ist, damit er anzeigt, das in Gott Ein [34] ander ist, der do spricht,
und ein ander, der das Wort ist, und doch ein einiger [35] Schepffer aller
Creaturn ist, Denn es muste dem newen Testament auch ettwas [36] furbehalten
sein, darin der Vater, und der Son, und der Heilige geist klerlicher [37]
genennet wurde, Welche im alten, Gott der sprecher, Das Wort und der geist [38]
des HERRN genennet ist.
[39] Darumb
hilfft die Jueden, Tuercken, Ketzer nichts, da sie seer grosse andacht
[Seite 68]
[1] fur
geben1, und rhuemen wider uns Christen, wie sie gleuben an den Einigen [2]
Gott, Schepffer Himels und der Erden, Nennen jn auch Vater mit grossem [3]
ernst, Und ist doch nichts, denn eitel vergebliche unnuetze Wort, Darin sie den
[4] Namen Gottes unnuetzlich fueren2 und misbrauchen, wider das ander Gebot,
[5] [Joh. 8, 54f.] wie Christus spricht Joh. 8. zu den Jueden: ‘Es ist mein
Vater, der ehret mich, [6] Welchen jr sprechet, Er sey ewer Gott, und kennet jn
nicht’. Furwar das [7] reimet sich seer ubel, den Vater Gott nennen, und nicht
wissen, Wer er ist. [8] Denn so du soltest einen solchen grossen Heiligen,
Juden, Turcken, Ketzer, [9] fragen, ob er auch gleubet, das der selbige einige
Gott, Schepffer Himels und [10] der Erden, (des namen sie so andechtig rhuemen
und jn Vater nennen, wie [11] wol alles felschlich) auch ein Vater sey, und
einen Son habe, ausser der Creatur [12] in der Gottheit, So wurde er fur
grosser heiligkeit erschrecken und solchs fur [13] eine grewliche lesterunge
halten. Fragestu weiter, ob der selbige einige Gott, [14] Schepffer, Vater (den
sie also nennen mit jrem Luegen maul) auch ein Son sey, [15] und einen Vater
habe in der Gottheit, Da wurde er fur grosser [Bl. M 4] andacht3 [16] die ohren
zustopffen, die zeene zubeissen und sorgen, die Erde mochte dich und [17] jn verschlingen.
Fragestu weiter, ob der selbige Einige Gott, Schepffer, Vater [18] (wie sie
rhumen) auch ein Heiliger geist sey, und habe den Vater und Son, [19] von
welchen er sein Goettlich wesen habe, Da wurde der allerheiligest man [20] von
dir lauffen, als werestu der ergeste Teuffel aus der Hellen heraus.
[21] Hie
sihestu, das sie nicht wissen, was Gott ist, und wenn sie jn nennen [22] Gott,
Schepffer, Vater, wissen sie nicht, was sie sagen, Denn wo Gott nicht [23] sol
sein ein solcher Gott, (wie uns die schrifft leret) der ein Naturlicher Vater
[24] ist, einen naturlichen Son, und beide einen naturlichen Heiligen geist
haben, [25] in dem einigen Goettlichen wesen, da ist Gott nichts, und gar kein
Gott. Darumb [26] haben sie keinen Gott, on das sie Gottes namen mit sunden und
schanden [27] misbrauchen, und ertichten jnen einen eigen Gott und Schepffer,
der jr Vater, [28] und sie seine Kinder sein sollen, nemen jm seine naturliche
Vaterschafft, seinen [29] naturlichen einigen Son und den naturlichen Heiligen
geist, das ist, die gantze [30] rechte Gottheit, und geben jm dafur jren
nichtigen Trawm und Luegen, von [31] Gott, Schepffer, Vater, Ja solchen
heiligen Namen Gottes geben sie jrem [32] Trawm und Luegen, das ist, dem
Teuffel, der selbe ist jr Gott und Vater, ein [33] [Joh. 8, 44] Vater aller
Luegen, Wollen gleich wol die liebsten Kindlin und grossesten [34] Heiligen
sein.
[35] Denn es
ist beschlossen, und also hat sich Gott selbs uns offenbaret, das [36] er sey
ein Einiger Gott, Schepffer und Vater Himels und der Erden, Und [37] der
selbige Einige Gott, Schepffer und Vater aller Welt, sey ein naturlicher [38]
Vater eines Einigen Sons in der Gottheit, Und derselbige einige Gott, [39]
Schepffer und Vater aller Welt, sey ein Einiger naturlicher Son des Vaters
[Seite 69]
[1] in der
Gottheit, Und der selbige einige Gott, Schepffer und Vater aller Welt, [2] sey
ein Heiliger geist, vom Vater und Sone in der Gottheit, Denn die drey [3]
unterschiedliche Personen sind ein Einiger Gott, Schepffer und Vater aller [4]
welt, Und ein igliche Person ist der selbige voellige einige Gott, Schepffer
und [5] Vater aller Welt, Und wenn du Jhesum Christum anruffest und sprichst, O
[6] mein lieber HERR Gott, mein Schepffer und Vater Jhesu Christe, du einiger
[7] ewiger Gott, darffestu nicht sorgen, das der Vater und Heiliger geist drumb
[8] zurne, Sondern erkennen, das welche Person du anruffest, gleich alle drey
[9] Personen und den Einigen Gott anruffest, Denn du kanst keine Person on die
[10] andern anruffen, Sinte-[Bl. N 1] mal da ist ein einiges unzertrennets
Goettliches [11] wesen, in allen und in einer jglichen Personen. Widerumb
kanstu keine Person [12] in sonderheit verleugnen, Es sind alle drey und der
einige Gott, gantz und [13] [1. Joh. 2, 23] gar verleugnet, wie 1. Joh. 2.
sagt: ‘Wer den Son verleugnet, der hat auch [14] den Vater nicht’.
[15] Ja sage
ich, Unrecht ists nicht, Sondern wolgethan, Wenn du Jhesum [16] Christum also
anruffest, gleich wie die Kirche singet, auch vom heiligen Geist: [17] Veni
pater pauperum, Kum du Vater der Elenden1, Doch ists feiner, das [18] man die
ordnung der Person halte und nicht verachte, wie die Apostel thun, [19] und die
Kirche nach jrem exempel thut, Da sie die Person des Vaters im anruffen [20]
oder gebet nennen, wie im Vater unser &c.. Denn er ist der ursprung [21]
oder brun (wie mans nennen kan) der Gottheit im Son und Heiligem geist, [22]
Und kan der Son (wenn der Vater genennet ist) nicht abgesondert, Sondern [23]
mus zu gleich mit genennet und gemeint sein, Also auch der Heilige geist mus
[24] mit dem Vater und Son genennet und gemeinet sein, Weil kein Person ausser
[25] der ander ein sonderlicher Gott sein kan. Also redet Sanct Paulus und
Sanct [26] [2. Kor. 1, 3; 1. Petri 1, 3] Petrus: ‘Gelobet sey Gott der Vater
unsers HERRN Jhesu Christi, der Vater [27] aller gnaden’, Und er selbs im
Euangelio jmer den Vater vorzeucht und jm [28] [Joh. 5, 23] alles zu schreibet,
und doch sagt: ‘Sie sollen den Son ehren wie den Vater’, [29] [Joh. 16, 15]
Jtem: ‘Alles, was der Vater hat, ist mein’, On das der Vater die erst Person
[30] ist, von dem es der Son hat, und nicht widerumb, Das aber ettliche sunde
[31] unterschiedlich wider den Vater, wider den Son, und in den Heiligen geist
[32] geschehen, gehoeret zur offenbarung der Personen, nicht zur trennung des
wesens, [33] davon droben ein wenig und anderswo das und mehres gnugsam
gehandelt ist.
[34] Wie
wollen wir aber hie thun?2 Da S. Johannes weiter schreibet von [35] [Joh. 1,
14] dem Wort Und spricht: ‘Das Wort ist Fleisch worden’, Das wird sich ia3 [36]
[1. Mose 1, 3] mit dem Wort nicht reimen4, davon Mose schreibt: ‘Gott sprach,
es werde [37] [Ps. 33, 6] Liecht’, oder da David von sagt: ‘Der Himel ist
durchs Wort des HERRN [38] [2. Mose 20, 4] gemacht’. So gebeut Moses oder das
Wort selbs (wie wir gleuben) auff dem
[Seite 70]
[ 31 an] am
A1]
[1] [5. Mose
5, 8] Verge Sinai, Man ‘solle jm kein bilde noch gleichnis machen, weder im
Himel [2] noch auff Erden’, Und Johannes macht nicht ein bilde, Sondern eine
Creatur [3] und Menschen draus und spricht: ‘Das Wort ist mensch worden’,
Dasselb thut [4] [Röm. 1, 3; Gal. 4, 4] Paulus auch und spricht, er sey Davids
Son oder samen, von einem Weibs-[Bl. N ij] [5] bilde geborn, Darumb mus Mose
von einem andern Wort reden, durch [6] welchs alles geschaffen ist, Durch einen
Menschen, der selbs ein geschepff ist, kan [7] nichts geschaffen werden. Auch
ist Paulus und Johannes wider sich selbs, das [8] sie jn zum Menschen machen,
und doch sagen, Es sey alles durch jnen geschaffen.
[9] Last uns
versuchen, Ob Mose wolle sich finden lassen, das er auch solchs [10] [1. Mose
3, 15] sage. Gen. 3. schreibt er also, das Gott zur Schlangen sprach: ‘Jch wil
feindschafft [11] setzen zwisschen dir und dem Weibe, zwisschen deinem samen
und jrem [12] samen, der selbe sol dir den Kopff zu tretten, und du wirst jn in
die fersen [13] stechen’. Offenbar ists, das Gott hie nicht redet von gemeiner
Schlange, die [14] im grase oder wasser leufft und junge Froessche frisst,
Sondern von der Schlangen, [15] die zu der zeit ein schon thier gewest, Und
einen hohen geist bey sich gehabt, [16] der nicht allein hat reden konnen,
sondern auch von hohen Gottlichen sachen [17] und geboten disputirn, als hette
ers im Himel gelernt, welches keiner Creatur, [18] on den Engeln und Menschen, gegeben
ist, Und thut da durch solchen schaden, [19] das er den Menschen fellet in die
sunde und in den ewigen tod durch den [20] schonsten schein1 des Goettlichen
namens, Das ist nicht ein schlecht alber schlengelin, [21] das froesschlin
frisset, Sondern die gantzen Welt verschlinget, Es ist der leidige [22] Teuffel
in der schlangen, der den Tod in die Welt durch die sunde bracht hat, [23] Von
diesem Todschleger und sunden Meister2 und Welt fresser redet Gott, das [24] jm
sol sein Kopff zu tretten werden, das ist, seine macht, der Tod und sunde [25]
sollen zerstoeret, das leben und gerechtigkeit sollen wider bracht werden.
[26] Und das
sol thun Des Weibes same, Und wie er durch ein Weib, das [27] vom Man on Weib
komen ist, den Menschen gefellet hat, So sol jn der same, [28] der vom Weibe on
man komen wird, widerumb fellen. Dieser same des [29] Weibes wird muessen ein
Mensch und Son sein, Denn in der schrifft heisst [30] Menschen Same die Frucht,
so ein Son eines Menschen ist (wie man weis), [31] Und ist das gar ein
sonderlichs an diesem ort, das dis Kind oder Mensch [32] eines Weibes Same
heisst, Sonst heisst allenthalben Same des Mans oder [33] Vaters Same, als
Abrahams Same, Davids Same, und so fort durch und [34] durch im Mose und
Propheten heisst same des Mans same, das Mose an [35] [Luk. 1, 34; Matth. 1,
18ff.] diesem ort eben laut, wie Lucas und Mattheus, das dis Weib solle eine
Jungfraw [36] sein, die on Man eine mutter werden solle jres eigens allein
selbs [37] samen3, Und weil solchs sich mit [Bl. N iij] dem Newen Testament
reimet, [38] sollen wir Christen nach furgenomer4 regel weder Jueden noch
Teuffel keinen [39] andern verstand gestatten.
[Seite 71]
[1] Summa,
dieser Weibes same sol ein Mensch sein, das ist gewis, Daruber [2] mus er
warlich auch Gott sein, oder Mose wird ein abgoettisscher Teuffels [3] Prophet
sein, Denn er gibt diesem samen die macht, die allein Gott und keiner [4]
Creaturn geburt, nemlich das er solle den Tod und Todschleger, sunde und [5]
Gottes zorn weg thun, gerechtigkeit und leben wider bringen. Lieber1, das [6]
wird kein Engel, noch alle Engel zu samen nicht thun, Es mus ein hoeher, [7]
mechtiger Man sein, denn alle Engel und alle Creaturn sind, Ein verdampter
abgoettischer [8] Prophet (sage ich noch einst2) mus Mose sein, so er solch
werck, den Tod [9] und sunde erwuergen, und uberwunden lebendig und gerecht
machen, Einem Weibs [10] samen gibt, der eine blosse Creatur und nicht selbs
der Einige Gott ist, der allein [11] [Joh. 1, 4] lebendig machen kan, Wie
Johan. j. Vom Wort sagt: ‘Jn jm war das leben’.
[12] Es mus
ia auch die vernunfft selbs bekennen, das wer den Tod kan untertretten3, [13]
der kan auch das leben wider geben, Wer sunde kan untertretten, [14] der kan
gerechtigkeit wider geben, Sintemal Tod wegnemen nichts anders ist, [15] denn
das leben wider geben, Sunde weg nemen nichts anders ist, denn [16]
gerechtigkeit wider geben, davon die Schlange (der Teuffel in der Schlangen)
[17] Adam und Heva sampt allen jren nach komen und Menschen Kindern boeslich4
[18] bracht hat, und durch seine luegen in die Suende und Tod gefellet hat, wie
der [19] [1. Mose 2, 16f.; 3, 4f.] text klar da stehet: ‘Du solt nicht Essen
vom Baum, oder Du must Sterben’, [20] Da wider sagt der Lugener und Moerder:
‘jr mugt wol davon Essen, und [21] werdet nicht sterben, Sondern Gotte gleich
werden, und alles wissen’, Das ist [22] (wie droben gesagt) alles von sunden
und Tod geredt, so die Schlange gestifftet [23] und angericht hat. Darumb mus
das untertretten der schlangen nichts anders [24] sein, denn sein Werck und
macht zerstoeren, wie Paulus redet, das Christus [25] [2. Tim. 1, 10] den Tod
zerstoeret hat und das Leben ans Liecht bracht, 2. Timo. j. Was [26] Juden,
Mahmet und andere hie suddeln5 mit jren glosen, achten wir nichts, [27] Mose stimmet
hie mit dem Newen Testament, das ist uns gnug.
[28] Solchen
verstand, das der Weibes same muesse Gott sein, der dem Teuffel [29] den Kopff
zu tretten sol, hat auch Adam und Heva gehabt, Denn Gen. 4, da [30] Heva Kain
[Bl. N 4] geborn hatte, dachte sie vieleicht, Weil das der erste geborne [31]
Mensch auff Erden were, Er wurde der beste sein, und meinet, er solt [32] der
Same des Weibes sein, sie aber die mutter oder das weib, Darumb spricht [33]
[1. Mose 4, 1] sie: ‘Jch habe den Man den HERRN’, Als wolt sie sagen, das wird
der [34] Man der HERR sein, davon Gott geredt hat, des Weibes same &c..
Nennet [35] das Kind einen Man und HERREN oder Gott, Denn hie stehet der grosse
und [36] eigen name Gottes, Jehova, der nichts anders bedeutet, denn allein
Gott selbs [37] in seiner Natur oder Wesen, Und, Jsch6, welchs, wo es allein
stehet on ein [38] Weib, heisst es nicht schlecht7 ein Mansbilde, wie alle
Menner sind, sondern [39] ein ausbund8 und furnemlichen9 Man, Wie wir deudschen
auch sagen, das
[Seite 72]
[ 27 sames
AB]
[1] ist ein
Man, das wil ein Man werden. Also wil Heva hie, Jch habe einen [2] Son geborn,
der wird ein Man werden, Ja er ist der Man Gott selbs, ders [3] thun sol, und
die Schlangen zetretten, wie Gott uns geredt hat, Wie ists [4] mueglich? Wie
solts jr einfallen? von jrem Kinde also zu reden, Jch habe [5] den Man, den
HERRN, wo sie nicht den spruch also verstanden hette, das [6] des Weibes same
muste Gott sein, ders thun solte, Was Gott geredt hatte?
[7] Sie wirds
auch nicht allein so verstanden haben, Sondern Adam wird [8] mit jr lange zuvor
davon geredt und diesen spruch unternander wol geubt [9] und sich getroestet
haben wider die Suende und Tod, so durch diesen samen solt [10] weg genomen,
dafur die verloren unschuld und leben wider bracht werden, [11] sonst weren sie
verzweivelt, So ist auch Gottes wille noch weise nicht, das [12] sein
eusserlich Wort, (wie dis ist) solle vergeblich geredt und von niemand [13]
[Jes. 55, 11] verstanden werden, wie er spricht, Jsaia 55.: ‘Mein Wort sol nicht
leer wider [14] zu mir komen, sondern ausrichten, dazu ichs sende’. Nu waren
hie allein zwey [15] Menschen, Adam und Heva, die es verstehen kundten, Darumb
haben sie es [16] mussen fruchtbarlich, seliglich und recht verstanden haben,
allerding1, wie wirs [17] Christen und zuvor alle Propheten verstanden haben.
[18] Darin
feilet die liebe Elende mutter Heva, das sie wehnet, Sie sey das [19] Weib,
weil kein ander Weib auff Erden ist, denn sie allein, Und fur grosser [20]
begirde und verlangen hoffet sie, jr Son solle der same, der man Jehova sein,
[21] Das ist zu fruee und zu seer geeilet, Aber ist nicht drumb zu verdencken,
das [22] sie der Sunden und Tods, das ist, des Teuffels gern bald los were.
Gott [23] aber hatte nicht zu jr gesagt, Dein same solls thun, Auch nicht zu
Adam, [24] Deines Weibes same sols sein, Sondern lieset allen beiden jren guten
Text2, [25] [Bl. O 1] den alle menschen Kinder noch fuelen bis an der Welt
ende. Zur [26] schlangen aber keret er sich und spricht, Jch wil dir widerumb einen
Kopfftretter [27] schaffen, der sol eines Weibes samens sein, wil dich
hohmuetigen, mechtigen, [28] boesen geist durch eines menschen Son fellen, das
widerumb alle Menschen [29] uber dich lauffen und mit fuessen tretten sollen,
wie du jtzt Adam und Heva [30] unter dich getretten hast, Das hat gethan, thut
noch und wils jmer fort thun [31] unser lieber HERR Jhesus Christus, mit Gott
dem Vater Ein Jehova, Amen.
[32] Hie
moecht jemand sagen, Wie gehets zu, das solchs kein Christen noch [33] Jude an
diesem ort gesehen hat? Denn die Dolmetscher alle machens anders, [34] der
Latinische also3: Jch habe einen Menschen bekomen durch Got, Die andern [35]
Ebreisten also4: Jch habe den Man kriegt von dem HERRN. Da frage ich
[Seite 73]
[1] jtzt
nicht nach, Jch habe droben offt bedinget1, Jch wolle dis mal keinen [2]
Meister haben, Sondern meine meinung im Dolmetschung anzeigen, Gefellts [3]
niemand, so ists gnug, das doch mir allein gefellt. Das Ebreische wortlin [4]
‘Eth’ heisst, Den oder die, und ist ein artickel accusativi, wie das alle
Grammatici [5] [1. Mose 1, 1] bekennen mussen, als da Mose im Ersten Capitel
spricht: ‘Jm anfang [6] schuff Gott Eth Himel und Eth Erden’, das heisst
Deutsch: ‘den Himel und die [7] [1. Mose 4, 1f.] Erden’, Und jmer so fort, in
dem und folgenden Capitel, als: ‘Adam erkennet [8] Eth Heva, sein Weib, Heva
gebar Eth Cain’, Jtem weiter gebar sie Eth Habel, [9] [1. Mose 5, 3 u. 6]
seinen Bruder, Jtem Adam zeuget Eth Seth, Seth zeuget Eth Enos, und so [10]
fort an. Eben der weise nach spricht hie Heva, da sie Cain geborn hatte2: [11]
[1. Mose 4, 1] ‘Canithi Jsch Eth Jehova’, Jch hab den Man Kriegt, den HERRN,
Denn [12] sie hoffet (wie gesagt), Cain solle der same sein, der von Gott
verheissen war, [13] der Schlangen den Kopff zu tretten.
[14] Und ich
weis furwar, wenn die ergesten Juden, die Christum gecreutzigt [15] haben, oder
noch erger weren, als die so jn noch jtzt gern viel grewlicher [16] creutzigen
wolten, wie man saget von denen, so in Hungern zu Ofen newlich, [17] sampt den
Turcken, eine Katze gecreutziget und umbgetragen haben, zu hohn [18] und spott
Gott unserm HERRN Jhesu Christo, mit viel schendlichen lester [19] worten,
Solche boese gifftige Gottes und katzen Creutziger3, Wenn sie gleuben [20]
kundten, oder musten (on glauben) die warheit der sprachen sonst4 bekennen,
[21] So wuerden sie also sagen, Ja jr verfluchten Goym, wenn das wahr were,
[22] das des Weibes same Gott und Mensch were, So [Bl. O ij] wusten wir selbs
[23] wol, das der text sich aus der massen5 fein drauff reimet, da Heva
spricht: [24] [1. Mose 4, 1] ‘Jch hab den Man kriegt, den Jehova’, und bekennen
frey, das die sprache gern6 [25] und fein gibt, das dieser Son der Man und Gott
der HERR were, Was man [26] aber anders hie deutet, als, Jch habe den Man krieget
durch den HERREN, [27] oder von dem HERRN, oder mit dem HERRN, das ist
genoetiget, gezwungen, [28] unartig7 ding und nicht die rechte art und natur
der sprache, kans auch niemand [29] anders beweisen. Ja auff die weise musten
die boesen leute bekennen, [30] Aber nu sie nicht leiden koennen, das Gott
Mensch sey geborn von einem [31] Weibs bilde, mus dieser text und die gantze
schrifft unrecht haben, oder von [32] jnen eine ander nasen machen lassen.8
[33] Eben
also musten auch alle ander Ebreisten bekennen, wenn sie denn text [34] recht
ansehen und hielten, das dieser Weibs samen Jehova, das ist Gott und [35]
Mensch were, Denn das dis wortlin ‘Eth’ heisse den oder die, und ein Nota
[Seite 74]
[ 30
Sardapalum AB]
[1]
accusativi sey, das ist uberweiset1, uberzeuget, bekand von allen Ebreisten,
[2] Juden und Christen in allen grammaticken, Das es aber auch solt heissen,
[3] Ad, de vel Cum2, Von oder mit oder durch, das ist noch unbeweiset und sol
[4] wol unbeweiset bleiben, Denn auff die Exempel, die sie fueren aus Rabi
Kimhi3, [5] oder aus der schrifft, kan man leichtlich sagen, das die Ebreische
sprache noch [6] nie wider recht auff komen ist, Und die Juden nicht wissen
koennen Virtutem [7] omnium vocabulor⌈um, sicut res ostendit. Viel
weniger wissen sie vim Phrasis, [8] figurarum et ideotismorum, Sondern sie
zweiveln, Equivocirn4, tappen und [9] suchen, wie ein ungelerter organist die
claves oder orgelpfeiffen sucht5, und [10] fragt, bistus, bistus.
[11] Denn,
wie der Latinischen sprachen lerer schreiben, ists gar viel ein ander [12]
ding, Latinisch reden, und Grammatisch reden, Also ists auch gar viel ein [13]
ander ding, Ebreisch reden und Grammatisch reden, Grammatisch muegen sie [14]
reden, doch seer unfertig6, Aber Ebreisch rein, gut und fertig reden, ist nu
[15] mehr nicht muglich. Es lernet ein jderman gar viel besser Deudsch oder
ander [16] sprachen aus der mundlichen rede, im Hause, auff dem marckt und in
der [17] Predigt, denn aus den Buechern, Die buchstaben sind todte woerter, die
mundliche [18] rede sind lebendige woerter, die geben sich nicht so eigentlich
und gut in [19] die schrifft, als sie der Geist oder Seele des Menschen durch
den mund gibt, [20] Wie Sanct Hieron⌈ymus Von Demosthene und
Eschine schreibt in prologo [21] und von Livio7: Ha= [Bl. O iij] bet nescio
quid latentis energiae viva Vox. [22] Sonderlich taug das nichts, Da sie
furgeben, ‘Eth’ muge heissen, De, A, Ab, [23] das ist, Von, als, Jch hab den
Man kriegt vom HERRN, Denn die Exempel, [24] [1. Mose 44, 4; 2. Mose 9, 29]
Gen. 44. Exo. 9. Egressi Eth urbe und der gleichen, thuns nicht, denn man [25]
sagt recht wol, Egressus urbem, Edificavit lapides in altare8, oder appositive.
[26] [1. Mose
5, 22; 6, 9] Das aber auch Mose schreibt, Gen. 5 und 6.: ‘Henoch ambulavit Eth
[27] Deum, Noha ambulavit Eth Deum’, das deuten sie: Henoch und Noha wandelten
[28] mit Gott, Das taug nicht, und laut9 auch nicht, Wohin haben sie mit [29]
Gott gewandelt? gegen morgen oder gegen abend? Es soll heissen, Ambulavit [30]
Deum, in accusativo, Wie die Latinischen auch so reden, Vixit Sardanapalum,
[Seite 75]
[ 24 1534 A]
[1] Qui
Curios simulant et bachanalia vivunt1, Exuit patrem, Sic Nohe ambulavit [2]
Deum, id est, divinam viam, duxit vitam divinam, Gessit et fecit opus Dei. [3]
[Gal. 1, 10; 2, 20] So redet auch S. Paulus Gal. j.: ‘An suadeo Deum, vel
homines’, id est, [4] [Röm. 6, 10] an doceo divina vel humana, ibidem, Quod
vivo, Rom. 6. Quod vivit, vivit [5] [1. Petri 4, 2] Deo, idem j. Pet. 4. Das
und alles mehr befelh ich den Ebreisten, als Gen. 32.: [6] [1. Mose 39, 2] ‘Der
Herr war Eth Joseph’, mit Joseph. Hie mussen wir Deudschen wol so [7] sagen,
Aber es gibt den Accusativum nicht wol, Und ist doch Accusativi nota [8] in
Ebreo, das sols auch bleiben. Das sey gnug von dem spruch, da Heva, [9] oder
viel mehr Mose, mit dem Newen Testament stimmet, das dieser same des [10]
Weibes Jehova sey, und von jr und Mose also verstanden, Sonst hetten sie [11]
es beide wol anders reden koennen.
[12] Hie her
gehoert auch der spruch Mosi, Gen. 22, da Gott Abraham mit [13] [1. Mose 22,
18] einem Eide verheisst und spricht: ‘Jn deinem Samen sollen alle Goym
(Heiden) [14] auff erden gesegnet werden’, Hie stehet das wort ‘Goym’, damit uns
die jtzigen [15] Jueden (sind sie anders Jueden) schmehen und fluchen eben
darumb, das wir [16] uns dieses segens rhumen, Denn Gott Abraham verheisset und
spricht, alle [17] Goym sollen gesegenet werden in deinem Samen, Sie aber, die
Beschnitten [18] heiligen, wollen, das wir Heiden sollen verflucht, und alleine
sie der same [19] Abrahe sein, Aber weil sie den Heiden fluchen, und ein
solcher same sind, durch [20] welchen alle Heiden verflucht werden, Jsts
offenbar, das sie nicht Abrahams [21] Samen Sondern des Teuffels Samen sind,
Denn Gott ists, des urteil recht und [22] gewis ist, Der [Bl. O 4] spricht, Das
Abrahams same solle den Heiden nicht fluchen, [23] wie sie thun, Sondern alle
Heiden sollen in jm gesegenet werden, Wie denn bis [24] her nu bey 1543 jaren
geschehen, und noch bis in ewigkeit geschehen wird.
[25] Nu
dieser segen ist nicht ein Menschlicher segen, da man mit worten [26] segenet,
oder guten morgen oder abend wundscht, Denn anders vermag der [27] Mensch nicht
segenen. Äuch ists nicht ein Teuffelisscher segen, da mit die [28] Zeuberinnen
die Kinder, Viehe und der gleichen segenen, das es solle gedeien [29] und fur
ungluck behuetet werden, Auch nicht ein Judisscher segen, der durchs [30]
Schamhaperes2 und jre Zeuberey mit buchstaben und figuren oder Gottes [31]
Namen tetragrammaton3 sol krefftig sein und wunder thun, Wie der Tuercken [32]
segen, auch des Teuffels segen und abgoetterey ist, da sie sich mit Brieven4
[33] und Worten segenen im streit, wider eisen und alle woffen. Ja es ist auch
[34] nicht ein Bepstlicher segen, der das Wasser und Wachs bezaubert, das sie
Weywasser [35] und Agnus Dei5 werden und viel tugent6, uber jr naturliche
tugent, [36] kriegen sollen und helffen, Sondern es ist ein Goettlicher Segen,
den Gott [37] allein geben kan und wil, Solcher segen ist nicht ein blos ledig
wort, das [38] uns guten morgen gibt oder wundscht, und nichts draus folget,
Sondern gibt
[Seite 76]
[1] und
schaffet alles das es spricht, Als Gen. j. Segenet Gott alle Thier und [2] [1.
Mose 1, 22] Menschen und sprach: ‘Pru Urbu’1, ‘Seid fruchtbar und mehret euch’,
Da [3] bleibs nicht bey dem blossen wort, sondern folget draus das werck,
nemlich [4] das Thier und Menschen fruchtbar wurden und sich mehreten, bis sie
die [5] Wellt erfulleten, Und solcher segen stehet und gehet noch jtzt, bis an
der Welt [6] ende, Denn durch solchen sind wir, was wir sind und haben, an
leib, seele, [7] gut und allem, was da ist oder wird.
[8] Also ist
dieser Goettlicher segen, in Abrahams samen verheissen, auch ein [9]
thattlicher, wircklicher, lebendiger segen, der da schaffet, was er saget oder
[10] segenet, Denn er ist verheissen und gegeben wider den fluch, darein uns
die [11] Schlange gefellet hat, durch Adams ungehorsam und Sunde, Und ist
hiemit [12] die verheissung von des Weibes Samen vernewet, und sol nu Abrahams
Samen [13] heissen, wie er weiter hernach Davids samen und zu letzt der
Jungfrawen samen [14] worden ist, Darumb heisst hie Segen in dem samen Abraham
eben so viel, [15] [1. Mose 3, 15] als droben. Der same des Weibes sol der
Schlangen den Kopff zu tretten, [16] das ist, er sol die Suende und den Tod weg
nemen, und unschuld und leben [17] wider bringen, Denn Sund und Tod ist der
fluch, [Bl. P 1] darunter wir [18] liggen musten ewiglich, wo wir nicht durch
diesen Samen widerumb gesegenet, [19] das ist Lebendig und Gerecht, Heilig und
Selig gemacht wuerden, Ja also [20] werden wir in diesem Samen Abrahe
gesegenet, Ja des segens rhuemen wir [21] uns Goijm, und nemen uns sein an,
durch den Glauben, Sind seer hoffertig, [22] stoltz und prechtig wider den
Teuffel, seine gewalt, Tod und Sunde und alles, [23] was des mehr ist, Singen
und sagen also, Jn dem samen Abraham, David [24] und Marie, des weibes, haben
wir vergebung der sunden, abwasschung der [25] sunde, erloesung von der sunde,
erloesung vom Tod und allem ubel, Denn er [26] [1. Kor. 1, 30] ist uns von Gott
gemacht, j. Corin. j. Unser gerechtigkeit, unser weisheit, [27] unser
erloesung, unser heiligung, unser segen, unser trost, leben und freude in [28]
ewigkeit, Das sey Gott gelobet in ewigkeit, Amen.
[29] Sol nu
dieser same Abraham solchen starcken, thatlichen segen geben und [30] schaffen
unter den Heiden, So wird er nicht muessen2 ein lauter Mensch sein, [31] der
nicht mehr koenne, denn guten morgen zu uns sagen, welches alle [32] Menschen
koennen, Sondern mus der rechte, naturliche, einiger Gott sein, der [33]
solchen segen gewaltiglich in der Hand habe, Denn Sunde und Tod auffheben, [34]
Gerechtigkeit und Leben geben sind nicht Menschen noch Engel werck, Sondern
[35] allein der einigen ewigen Goettlicher maiestet, Schepffers Himels und der
Erden. [36] Widerumb sol er Abrahams samen, das ist sein Kind und Son sein, So
mus [37] er nicht eitel lauter Gott sein, Sondern ein rechter naturlicher
Mensch, vom [38] Fleisch und blut Abraham, das ist, Er mus zu gleich Gott und
Mensch sein [39] in einer Person. Weiter, weil er nicht die Person ist, die zu
Abraham von [40] [1. Mose 22, 18] dem Samen oder dieser Person spricht: ‘in
deinem samen sollen alle Heiden
[Seite 77]
[1] gesegenet
sein’, So mus er ein ander unterschiedliche Person sein, Denn der [2] zu
Abraham spricht: ‘Jn deinem samen’ &c.. ist nicht Abrahams samen, Sondern
[3] redet als von einem andern, der Abrahams samen solle sein, Daraus [4]
schleusst sich1 die unterschied der zwo Personen, und bleibt doch der einige
unzertrennete [5] Gott in seinem einigen Goettlichen wesen. Hie bey findet sich
die [6] dritte Person zu gleich, der solchs, durch Mosen oder Engel, muendlich
ausspricht [7] von diesen zwo Personen, wie droben gesagt ist, Das dem Heiligen
geist zugemessen [8] wird das aussprechen des muendlichen worts, darinnen er
uns unterschiedlich2 [9] offenbart wird, gleich wie die Menscheit des Sons
unterschiedlich [10] und eigen3 offenbarung ist.
[11] Bey uns
Christen schleusst sichs noch [Bl. P ij] weiter heraus4, das dieses [12] samens
Abraham Mutter musse eine Jungfraw sein, die jn on suende vom [13] Heiligen
geiste empfangen und geberen solte, Denn wo er von einem Man [14] empfangen
solt werden (wie andere Adams Kinder), so muste er in sunden [15] selbs auch
empfangen werden, wie der 51. Psalm klagt von allen Menschen: [16] [Ps. 51, 7]
‘Sihe, in sunden bin ich empfangen’ &c.. Der weise nach wurde er selbs
eines [17] andern samen bedurffen, in welchem er muste gesegenet, das ist, von
Sunden [18] und Tod erloeset werden, Und wuerde uns kein segen sein noch geben
koennen. [19] Aber von diesem spruch haben wir Sanct Paulum einen reichen
Prediger, [20] [Röm. 3 u. 4; Gal. 3] Sonderlich zun Roemern und Galatern, da er
Abrahams und Davids samen [21] auff diese weise meisterlich leret, das nicht
not ist dis mal uns Christen weiter [22] davon zu handeln, Denn es ist unser
teglich Brod und stetige Predigt, lesen [23] und singen.
[24] Nu sihe,
ob Mose nicht ein guter Christ sey, der so trefflich lieblich [25] stimmet mit
S. Paulo und dem gantzen newen Testament, Solten die fluch [26] [z. B. 4. Mose
14, 10] Juden5 und Teuffels samen solchen Ketzer nicht steinigen, wie sie in
der wuesten [27] offt thun wolten? Solt der jr Prophet und meister sein? O, er
ist nicht [28] werd, mit solcher Ketzerey, das ein beschnitten heilige jn solt
mit seinen allerheiligesten [29] Ohren nennen hoeren, Sein name mus mit den
verfluchten Goijm, [30] denen er solchen herrlichen, seligen segen verkundigt,
verflucht sein, wie wol [31] er sie nicht ausschleust, mit dem wort, alle
Goijm, Denn auch das Volck [32] Jsrael offt Goi in der schrifft genennet wird,
Sondern sie schliessen sich selbs [33] [Ps. 109, 17f.] aus, wie David von jnen
weissagt, Psal. 19: ‘Er wil des Segens nicht, so [34] wird er auch fern von jm
bleiben, Er wil den fluch haben, der wird jm auch [35] komen, Und zeucht den
fluch an wie ein hembd (das nehest kleid am leibe) [36] und ist in sein
inwendiges gangen, wie wasser (durch blut und fleisch) und [37] wie oele in
seine gebeine’ (durch marck und beine). Wir Christen verstehen [38] [Joh. 5,
46] nu wol das wort Christi, Joh. 5.: ‘Wenn jr Mose gleubtet, So gleubtet [39]
jr auch mir, Denn von mir hat er geschrieben’, Freilich geschrieben, durch sein
[Seite 78]
[ 9 guldes]
so AB 18 tenfeln A1 B 30 HEGRN A1]
[1] gantzes
Buch, wo er von Gott redet und von Messia. Jtem das wort, Joh. 8.: [2] [Joh. 8,
56] ‘Abraham, ewer Vater, ward fro, das er meinen Tag sehen solt, Und er sahe [3]
jn und frewet sich’, Wo sahe er jnen?1 Jn diesem spruch, da er hoeret, wie [4]
sein same solle Gott und Mensch sein, der alle Heiden segenen, von Suenden [5]
und Tod erloesen, ewiglich, Lebendig, Heilig und selig machen solt, gleich wie
[6] [1. Chron. 17, 16ff.] droben David, j. Paral. 17. Eben die selbige freunde
hatte, da jm der selbe [7] Son auch verheissen ward.
[8] [Bl. P
iij] Noch einen spruch wollen wir aus Mose hoeren, Exo. 33. Da [9] Gott uber
das Volck erzuernet war, umb des guldes2 Kalbes willen, und [10] schlecht nicht
mit dem Volck zihen, noch sein sich annemen, sondern Mose alles [11] befalh,
und einen Engel jm zu ordenen wolte, wolt mit dem Volck nicht [12] [2. Mose 33,
18 –20] mehr reden, Sondern redet allein mit Mose, der sprach: ‘Las mich deine
herrligkeit [13] sehen, Der HERR antwortet, JCH WJL fur deinem angesicht fuer
[14] uber lassen gehen alle mein gutes3, UND JCH WJL PREDJGER in des [15] HERRN
namen fuer dir, Und wil gnedig sein, Wem ich gnedig bin, Und [16] mich
erbarmen, Wes ich mich erbarme, Und sprach, Mein angesicht kanstu nicht [17]
sehen, Denn es kan kein Mensch mich sehen und lebendig bleiben’. Sihe mir [18]
diesen text an, ungeacht, was Raben4 oder Juden hierin teufeln, ob er sich [19]
auch nach der unverfelschten art der sprachen mit dem newen Testament reime.
[20] Hie antwort der HERR Mosi, da er seine herrligkeit zu sehen begerd, und
[21] spricht, Es koenne nicht sein, Aber gleichwol verheisst er Mosi, Er wolle
alle [22] sein gut fur jm uber gehen lassen, das ist, Eine Person, der Vater,
der von [23] seinem Son (der alle sein gut ist, durch welchen er alles gemacht
hat) redet, [24] den sol Mose (das ist) sein regiment und Volck Jsrael sehen,
nicht in der [25] herrlickeit, Sondern in einem ubergange, hie in zeitlichem
leben. Denn Mose [26] ist in diesen geschichten und gesichten nicht der geborne
Mose von seinem Vater [27] Amran, ein Privatus Mose, Sondern der beruffen
Prophet und Heubt des [28] Volcks Jsrael, dem er das Gesetz gibt.
[29] [2. Mose
33, 19] Flux drauff spricht ein ander Person: ‘Und ich wil Predigen fur dir im
[30] namen des HERRN’. Hie hoerestu, das der HERR wil Predigen fur Mose, [31]
das ist, fur dem Volck Jsrael im namen des HERREN. Was ist das5 gesagt: [32]
‘Jch HERR wil Predigen im namen des HERRN’? Mussens nicht zwo [33]
unterschiedliche Personen sein? Ein HERR, der do Prediget, Und ein HERR, [34]
in des namen der HERR Predigt. Nu mus dieser Prediger, der ein HERR, [35]
gewislich ein Mensch werden, sol er fur Mose und Jsrael Predigen, Denn [36] das
Predigampt hat Gott den Menschen, als Propheten und Aposteln befolhen, [37]
durch welche er sein wort uns verkundigt, Was aber die Predigt sein sol in [38]
[2. Mose 33, 19] des HERRN namen, folget: ‘Jch wil gnedig sein, wem ich gnedig
bin, Und
[Seite 79]
[ 21 Est A1]
[1] mich
erbarmen, wes ich mich erbarme’, Das ist, Jch wil nicht Predigen, wie [2] du
Mose Predigen must, Denn du must Predigen das Gesetze, also: Jch gebiete [3]
dir heute, das [Bl. P 4] du dis und das thust und haltest, Wo nicht, so sol [4]
dirs nicht wol gehen, Jch wil aber also Predigen, das fur Gott dem HERRN [5]
kein Mensch durchs gesetze from oder gerecht sey, Denn keiner hellts, wie ers
[6] sol und schuldig ist zu halten, Darumb macht deine Predigt eitel elende
leute, [7] zeiget jn an jre Suende, fur welcher sie nicht koennen das Gesetz
halten, Darumb [8] [2. Kor. 3, 6 u. 9; Gal. 3, 19] es Sanct Paulus nennet, Ein
Sunden ampt, und Todes ampt, 2. Cor. 3. Gal. 1.
[9] Aber
meine Prediget im Namen des HERRN heisst also, der HERR wils [10] selber thun,
und sol eigen verdienst und gerechtigkeit nichts gelten, Sondern [11] wers
haben wird, der wirds allein aus gnaden und barmhertigkeit haben, [12] Wer
gnade und barmhertzigkeit on verdienst sucht, der sols haben, Das heisst: [13]
[2. Mose 33, 19] ‘Wem ich gnedig bin, dem bin ich gnedig’, Nicht heissts also,
Wer das Gesetze [14] hat, oder verdienst rhuemet, dem bin ich gnedig, Sondern
der meiner Gnaden [15] sich rhuemet, des gnediger Gott bin ich. Das also dieser
spruch furnemlich1 [16] stracks und gewaltig2 gehet nicht wider die elenden
sunder, die vom Gesetze [17] gefangen sind, Sondern wider den halstarrigen,
eisern, ehernen stoltz eigener [18] gerechtickeit, Sihe, das heisst im namen
des HERREN Gepredigt, Das ist, [19] Gott wil das thun, das Christus Predigt,
Der Predigt aber eitel Gnade, und [20] [Joh. 7, 19; Joh. 8, 24] spricht, Joh.
5.: ‘Ewer keiner hellt das Gesetze’, Und Joh. 7.: ‘Wenn jr nicht [21] gleubt,
das jchs bin (das ist, das ich der Jehova, der Erst, der Gott selbs sey), [22]
[Joh. 1, 17] So must jr in ewern sunden sterben’, Joh. 1.: ‘Das Gesetz ist
durch Mosen [23] gegeben, Aber die gnade und warheit ist durch Jhesum Christum
geschehen’.
[24] Nu halt
solche meinung des texts Mosi an disem ort gegen das Newe [25] Testament und
sage mir, ob sie sich nicht mit dem selben gar fein, ungezwungen [26] und gar
gerne reime, das man kein wort, mit seltzamen glosen3, wider seine [27]
naturliche deutung noetigen noch martern darff, Sondern, wie sie lauten in [28]
der Ebreischen sprache, so stimmen sie mit unserm Christlichen glauben, der
[29] uns leret im newen Testament, das Jhesus Christus Jehova Gott und Mensch
[30] [Röm. 15, 8] sey, Und des Volcks Jsrael Prediger gewest ist, wie Sanct
Paulus jn Rom. 15. [31] nennet, ‘Minister Circumcisionis’4, Einen Prediger des
beschnitten Volckes Jsrael, [32] [Matth. 15, 24] Und er selbs Matth. 15. sagt:
‘Jch bin nicht gesand, denn zu den verlornen [33] [Matth. 10, 5] Schaffen
Jsrael’, Verbot auch den Aposteln, sie solten unter die Heiden nicht [34] [2.
Mose 33, 19] gehen, Und hie zu Mose spricht er: ‘Jch wil fur dir Predigen’, als
solt5 er [35] sagen, Jch wil Person-[Bl. Q 1]lich allein in deinem Volck, und
des beschnitten [36] Jsraels Prediger sein, Sonderlich der Elenden, welche du
mit dem Gesetze gedemutigt [37] [Jes. 61, 1] hast, wie Jsa. 60. sagt: ‘Er hat
mich gesand, das Euangelion zu [38] Predigen den Elenden’. Also ist das
Euangelion nicht anders, denn das [39] Wort Christi, Gottes Sons, darin er uns
eitel Gnade und Barmhertzigkeit
[Seite 80]
[ 33 dem] den
B]
[1] Predigt,
in Gott des Vaters namen, der jn dazu gesand hat, und alles selbs [2] durch jn
in uns thut.
[3] Das ist
der Ubergang fur Mose und seinem Volck, darin er uns erkand, [4] und alle
Gottes gute uns erzeiget ist, und doch seines Goettlichen wesens herrligkeit
[5] nicht blos gesehen ist noch wird, Denn das gehoeret nicht in dis Leben, [6]
Sondern, wenn wir gestorben sind, als denn wirds geschehen, wie er spricht: [7]
[2. Mose 33, 20] ‘kein Lebendig mensch wird mich sehen’. Hie mit ist nicht
versagt, das Gott [8] kein mensch nimer mehr sehen werde. Ja es ist viel mehr
damit die Aufferstehung [9] der Todten zugesagt, da wir jn sehen werden, Allein
ists gesagt von [10] diesem leben: ‘Kein Mensch (spricht er) wird mich sehen
und leben’, Das ist, [11] Sehen mag mich wol der Mensch, Aber leben mus er
nicht, Mus zuvor sterben, [12] und in ein ander leben komen, Da sols jm
unversagt sein, Da wird er verstehen, [13] das ich jm gnedig sey, dem ich
gnedig gewest bin, Und das ich jm gar [14] nicht gnedig gewest sey, weder umb
seiner gerechtigkeit noch umb der werck des [15] gesetzs willen.
[16] Wol weis
ich, das dis Ebreische wort ‘Kara’1 Predigen, kan auch heissen, [17] ruffen,
nennen, lesen, wie auch Lyra und Burgensis zeugen2, darnach es einen [18]
Buchstaben anders und anders3 umb sich hat, Aber wie es hie stehet mit dem [19]
[1. Mose 4, 26; 12, 8; 13, 4] woertlin ‘Jn’ heissts gemeiniglich Predigen, Gen.
4. 12. 13. Und ob das gleich [20] die Rabinen oder zenckissche Ebreisten nicht
an nemen, Da ligt mir nicht macht [21] an4 Mir ist gnug daran, wie ich offt
gesagt, wenn sich Mose wort, nach [22] guter art der Ebreischen sprache, so
fein und gerne abloeset5 und gibt von der [23] Rabinen genoetigeter deutung zum
newen Testament, das jderman sagen mus [24] (wer der sprachen kuendig ist, ob
er schon nicht ein Christen were): Wolan, [25] wenn der Christen glaube recht
ist, So hat warlich Mose mit diesen worten [26] jren verstand6 gehabt, Denn die
wort reimen sich doch nirgent so fein und [27] gewis als zum newen Testament.
Und auff solche weise wolt ich gerne die [28] gantze Ebreische Bibel den Jueden
nemen von jren schendlichen, lesterlichen [29] glosen, Aber es ist nicht eines
mannes erbeit, Es ist gnug, andern, die gelerter [30] sind denn ich, ein exempel
[Bl. Q ij] oder meinen guten willen erzeigt, das sie [31] es mehr und besser
machen.
[32] [2. Mose
33, 21 –23] Das aber folget an diesem ort: ‘Und der HERR sprach zu Mose, Sihe,
[33] es ist ein raum bey mir, da soltu auff dem felsen stehen, Und wenn meine
[34] Herrligkeit wird fur ubergehen, wil ich dich in die fels klufft thun, und
meine
[Seite 81]
[ 24 auch A1]
[1] hand uber
dir halten, bis ich fur ubergehe, Und wenn ich meine hand von [2] dir thu,
wirstu mein hindersts sehen1 Aber mein angesicht kan man nicht [3] sehen’. Hie
reden auch zwo Personen Jehova, Eine spricht: ‘Wenn meine [4] Herrligkeit wird
fur uber gehen’, Dis ist die Person des Vaters, der vom [5] ubergang2 seiner
Herrligkeit, das ist, seines Sons redet, Und Er selbs der Son [6] spricht, Er
sey es, der fur uber gehe. Das ist alles von Christo, Gott und [7] Menschen,
hie auff Erden gegangen, gesagt, wie droben gehoert ist. Das ander, [8] [2.
Mose 33, 21] da er spricht: ‘Es ist ein raum bey mir’, und was er von dem
Felsen und [9] seiner hand uber Mose redet, bis er fur uber gehe, Verstehe ich
also, Das [10] [1. Kor. 10, 4] Gott, umb des kunfftigen felses Christi willen,
das Volck des gesetzs oder Jsrael [11] dennoch geschutzt und erhalten hat,
unter seiner gedult, weil sie das gesetze [12] [Röm. 3, 25] nicht halten
kundten, auff welche weise Paulus Rom. 3. redet, Das die Suende, [13] so unter
dem gesetze bleib, unter Goettlicher gedult, zu dieser zeit sey vergeben, [14]
da Christus komen ist, mit seinem ubergang &c.. Aber nach diesem ubergange
[15] hat Gott die hand solcher gedult und schutz des felsen weg thun, Denn das
[16] gesetz ist aus und erfullet, durffen keiner gedult noch schutzes des
kuenftigen [17] Christi, Ja verdampt ist der, so Christum noch kuenfftig
gleubet, und mit Mose [18] im felsen unter Gottes hand noch stehen wil, Der
fels und hand ist weg, Wir [19] haben den HERRN und seinen ubergang, bis auff
welchen der schutz und gedult [20] Gottes weren solte, Wir sehen nu jm nach,
was er gemacht hat fur uns, das ist, [21] was sein hinderst ist, Was er uns
hinder sich gelassen hat, Nemlich, das er Gott [22] und Mensch furuns Gestorben
und Aufferstanden ist, Und moechte also die Menscheit [23] sein rucken oder
hinderst heissen, darin wir jn erkennen in diesem leben, bis wir [24] dort hin
komen, da wir sein angesicht und herrligkeit auch sehen werden.
[25] Eben zu
solchem Prediger macht Mose den HERREN im folgenden Capitel 34.: [26] ‘Und der
HERR (Jhesus Christus) fur her nidder in einer Wolcken und trat [27] [2. Mose
34, 5 –7] bey jn (Mose) daselbs, Und Predigt im namen des HERRN, Und der HERR
[28] gieng fur jm uber und rieff (Predigt): HERR, HERR, Gott, Barmhertzig und
[29] Gnedig, Gedueltig und grosser gute und warhafftig, Der seine [Bl. Q iij]
gute [30] hellt in tausent Geliede, der do vergibt sunde, missethat und
ubertrettung, fur [31] welchem niemand unschuldig ist, der da heimsucht die
missethat der Veter, uber [32] die Kinder und kinds Kinder, bis ins dritte und
vierde Gelied’. Es ist hie [33] die Latinische Bibel zu mal3 falsch, wers auch
gethan hat, Die setzt Mosen, [34] da HERR stehen sol4, Hat vieleicht solchen
Meister unbillich gedaucht, das [35] HERR vom HERREN Predigen oder ruffen solt,
Welches besser Mosi anstunde. [36] Burgensis gefellet mir auch wol, der hellt,
das der text also stehe im Ebreischen5:
[Seite 82]
[1] ‘Und der
HERR gieng fur jm uber und rieff (oder Predigt) den HERRN [2] HERRN Gott, den
Barmhertzigen, den Gnedigen’, in accusativo, oder wie [3] wirs deudsch sagen,
Er Predigt von dem HERRN HERRN Gott, Doch ists [4] und bleibt einerley meinung,
Denn es gleich viel ist im Deudschen, Den [5] HERREN und von dem HERRN
Predigen.
[6] Wolan,
das ist ja auch ein Heller text, das der HERR ein Prediger ist, [7] Und Predigt
im namen des HERREN, Da sind zween HERRN genennet, Und [8] doch nicht zween
Gotter noch HERRN sind, Ja der HERR (spricht er) Prediget [9] von dem HERRN,
von dem HERRN, von dem Gott, da stehet HERR zweimal [10] und Gott da bey, der
sind drey, noch mussens nicht drey Goetter sein. [11] Es ist droben gesagt, was
da heisst, der HERR Predigt im namen des HERRN, [12] Nemlich, das Jhesus
Christus sey dieser Prediger, Gott und Mensch, der im [13] namen seines Vaters,
vom Vater gesand, und von seinem Vater Mosi, das [14] ist, dem Volck Mosi
gepredigt hat, von eitel Gnade und Barmhertzigkeit, das [15] niemand durchs
Gesetz, weil es niemand hellt, kan gerecht werden, Eben die [16] selbige
Predigt thut er hie auch mit andern worten, da er spricht: Der HERR [17] trit
bey Mosen und Predigt. Warumb tritt er bey Mose, und nicht uber jm [18] oder
fern von jm? Die zwey Predig ampt, Gesetz und Evangelion, mussen [19] bey
einander sein, ob wol die geschefft ungleich sind, Denn Mose Predigt von [20]
Sunden und Toedtet dadurch, Christus Predigt von Gnaden und macht Lebendig [21]
dadurch, Doch kan Gnade nichts schaffen, wo durchs Gesetz nicht zuvor die [22]
Sunde offenbart und erkand ist, Der HERR Christus spricht selbs, Matth. 11.,
[23] [Matth. 11, 5] Er Predige den Elenden das Euangelion, und den verlornen
schaffen Jsrael, [24] das ist, die sich durchs Gesetz verloren fulen.
[25] Was
Predigt nu der HERR bey Mose und fur Mose, Er Predigt (spricht [26] er) vom
HERRN HERRN Gott, Gnedigem und [Bl. Q 4] Barmhertzigen &c.. [27] Das ist,
das drey Personen ein Gott sind, fur welchem nichts gilt, eigen verdienst [28]
aus dem Gesetze, die do gar nichts fur jm, und in der warheit auch [29] nichts
sind, Sondern eitel Gnade und Barmhertzigkeit, Guete und Trewe, der [30] die
Sunde, ubertrettung, missethat vergibt, und niemand unschuldig fur jm [31] ist.
Wiltu nu Gott halten und nennen bey seinem rechten Namen, wie hie [32]
geschrieben stehet, das er ein Vergeber der Sunden, Gnedig und Barmhertzig,
[33] und niemand fur jm unschuldig sey, So mustu nicht viel rhumens fur jm [34]
machen, du seiest Mose, Johannes oder wer du wilt, Sondern must mit Sanct [35]
[Röm. 3, 23] Paulo Rom. 3. sagen: ‘Alle welt ist fur Gott schuldig, und mangeln
des [36] rhumens an Gott’, oder das sie nicht sagen thueren, sie seien
unschuldig und [37] gerecht fur Gott, Wo anders, So werden sie dem letzten
stuck unterworffen [38] [2. Mose 34, 7] bleiben, da er spricht: ‘Er sucht heim
die missethat der Veter, bis ins vierde [39] [Mark. 16, 16] Gelied’, wie
Christus auch spricht: ‘Wer nicht Gleubt, wird verdampt’.
[Seite 83]
[1] Und ist
zu mercken, das hie nicht stehet, wie im ersten Gebot, Ex. 20.: [2] [2. Mose
20, 6] ‘der Barmhertzigkeit bis in tausent Gelied, denen, die mich lieben und
[3] [2. Mose 34, 7] halten meine Gebot’, Sondern dafur stehet: ‘Es ist niemand
unschuldig fur [4] jm’, das ist, niemand liebet jn, noch hellt seine Gebot, on
die allein, so kein [5] verdienst rhumen, Sondern Gott, gnedig und barmhertzig,
und einen vergeber [6] der Sunden gleuben und nennen, Sich selbs aber schuldig
bekennen und beten [7] [Matth. 6, 12] im Vater unser: ‘Vergib uns unser schuld,
als wir vergeben unsern schuldigern’. [8] Das heisst ia nichts anders, denn
eitel gnade gepredigt, nicht was wir thun [9] sollen, wie die zehen Gebot
foddern, und nicht geschicht, Sondern was Gott [10] mit gnaden an uns thun wil
und gethan hat, wie das newe Testament uns [11] leret und zeuget. Da haben wir
nu den Prediger, der sich Mose offenbart [12] und weissagt, was er im newen
Testament Predigen wolte, und wie er dazu [13] mal geweissagt hat bey Mose,
also sehen wirs im newen Testament erfullet, [14] Nemlich, das niemand durch
eigen gerechtigkeit, Sondern allein durch Gottes [15] gnade, die uns durch
diesen Prediger, seinen lieben Son, gepredigt ist, sol gerecht [16] und selig
sein.
[17] [2. Mose
34, 8ff.] Das nu hie weiter folget, wie Mose bittet, das der HERR ia mit zihen
[18] wolle und sie nicht lassen, Und der HERR drauff antwortet, Er wolle mit
[19] zihen, grosse wunder thun &c.., Da ist er widder versuenet mit dem
Volck, vernewet [20] den bund und schreibet andere tafel, und fasset in der
summa kurtz des [21] [Bl. R 1] alten Testaments gebot und Gottesdienst, wie sie
leben und thun [22] sollen, Aber von der Gnade und vergebung, wie droben,
stehet hie nichts. [23] Und ist die meinung, Mose hat nu die troestliche
verheissung des newen Testaments, [24] da der HERR selber predigen und regiren
wil, Nu bittet er, weil jm [25] dis Volck befolhen ist, zu leren und zu
regiren, bis auffs newe Testament, Der [26] [2. Mose 34, 9] HERR wolle bey und
mit jm sein, Denn, was sol ich machen? ‘Es ist ein [27] halstarrig boese
Volck’, Wo du nicht mit uns bist, und die sunde vergibst und [28] gedueltiglich
tregest, bis du selber komest, und prediger der Gnaden werdest, So [29] sind
wir alle stunde1 verloren, Wir mussen deine Gottliche gedult und schutz [30] in
diesem Regiment haben, da wir dein Gesetz predigen sollen, und doch nicht [31]
[2. Mose 33, 22] halten werden, Und ist Eben das, das im 33. Cap. von dem
schutz und hand [32] Gottes in der Felsenklufft gesagt ist.
[33] [2. Mose
34, 10f.] Denn Gott antwortet und spricht: Wolan, ich wils thun, und ‘wil einen
[34] Bund machen mit DEJNEM gantzen Volck und Wunder thun, der gleichen [35]
nicht geschehen sind im gantzen lande und unter allen Heiden, Und das gantze [36]
Volck, unter welchem du bist, sol sehen das Werck des HERRN, wie wuenderlich
[37] es ist, das ich mit dir thun wil, Sihe zu und halt, was ich Dir Heute
gebiete [38] [2. Mose 34, 11] &c..’ Dis ist alles vom alten Testament und
Moses volck geredt, wie [39] auch folget von dem ausstossen der Amoriter,
Cananiter, Hetthiter &c.., welchs [40] im alten Testament geschehen ist,
Und mit vleis meidet er das wort: MEin
[Seite 84]
[ 30
kueufftigen A1]
[1] volck,
Sondern1 nennets Mose volck, Dein volck, und unter welchem du bist, [2] Doch
wil ich, wie ich verheissen habe, meine Hand uber jm halten, im felsen [3]
schuetzen, dazu grosse Wunder thun, die nie geschehen sind, unter allen Heiden.
[4] Und war ists: Lies das alte Testament durch und durch, So wirstu sehen, [5]
wie manche grosse Wunder Gott in diesem Volck gethan hat, von Mose an [6] bis
auff Christum, obs wol nicht sein Volck, das ist, nicht der Gnaden, sondern [7]
des Gesetzs volck ist, ausgenomen die, so Mose verstanden und auff Christum [8]
jre hoffnung gesetzt haben, Der ander hauffe ist eitel Werckheiligen und
halstarrige, [9] rhumrettige2 Gesetz treiber3 gewest.
[10] Mercke
aber, wie der Text klar gibt, das der HERR, so mit Mose redet, [11] ist Jhesus
Christus, der kuenfftige Prediger des newen Testaments, Denn er [12] [2. Mose
34, 10] hie auch unterschiedlich redet von sich und vom Vater, Da er spricht:
‘Alle [13] dein Volck sol sehen das Wunderwerck des HERRN, das ich thun wil’,
Sihe, [14] Es ist des HERRN Wunderwerck, davon er jtzt redet, Und er wils
gleichwol4 [15] [Joh. 5, 19] [Bl. R ij] thun, was der HERR thut, Gleich wie er
Joh. 5. auch redet: ‘Was [16] [Joh. 5, 17] der Vater thut, das thut auch der
Son’, Jtem: ‘Mein Vater wircket bisher, [17] [Joh. 5, 21] und ich wircke auch’,
Jtem: ‘Wie der Vater die Todten aufferweckt und Lebendig [18] macht, also auch
der Son macht Lebendig, welche er wil’. Das heisst ja5, [19] Johannem mit Mose,
und Mosen mit Johanne gleich stimmen6, und sich fast [20] mit einerley wort
reimen.7 Hie sind ja8 unterschiedlich zwo Personen, Vater [21] und Son (wie
Johannes sagt) und der HERR, der vom HERRN redet, und [22] des HERRN
wunderwerck thut (wie Mose sagt), Und ist doch einerley, nicht [23] zweierley
oder anderley werck, Darumb mus es auch nicht mehr, denn ein [24] Einiger HERR
und Gott sein.
[25] Jtem, So
redet weiter am selben ort der HERR mit Mose und spricht: [26] [2. Mose 34, 23]
‘Drey mal des jars sol ein jglich Kneblin erscheinen fur dem HErrscher, dem
[27] HERRN Gott Jsrael’. Hie redet abermal der HERR vom Herrscher HERRN [28]
Gott Jsrael, Denn es sind nicht Mosi wort, Sondern des HERRN, der mit [29] Mose
redet, und jm das alte Testament befilhet, das er schutzen und mit gedult [30]
tragen wil bis auff seinen kuenfftigen eigen Ubergang, wie droben gnug [31] gesagt
ist. Ob nu die Raben und Jueden dis alles anders deuten und unsern [32]
verstand9 verachten, Das ist recht, Gottes feind sol Gottes wort nicht sehen,
[33] Was sie aber hie uber diesen Text speien10, ist nicht werd, das eine Saw
oder [34] Esel lesen solt, wenn sie gleich lesen kundten. Moses angesicht hat
Horner11
[Seite 85]
[ 9 Truecken
A1 19 Mosi A1 25 sezten A1]
[1] [2. Kor.
3, 7] und glentzet zu Helle, das sie nicht drein sehen koennen, Wir aber haben
Mosen, [2] das seine wort ungezwungen, natuerlicher art der sprachen, so
hertzlich und [3] lieblich fein stimmen mit dem newen Testament. Und ob er wol
mus das [4] halstarrige boese Volck seiner zeit regiren jm alten Testament, So
weissagt er [5] doch daneben gewaltiglich von Jhesu Christo, unserm HErrn, das
er ein warhafftiger [6] Mensch und mit dem Vater und Heiligem geist in
unterschiedlicher [7] person ein Einiger warhafftiger Gott sey, der alles thut,
was der HERR thut. [8] Das ist uns gnug, wollen gern narren und ungelert
heissen in der Schrifft [9] und den Jueden und Tuercken jre hohe weisheit in
jrem Schlaurauffen lande1 [10] lassen.
[11] Wolan,
gleube ein jder fur sich, was er wil: Jch gleube und weis fur [12] war, das ich
und alle Christen Mosen fur uns haben, Und das er ein rechter [13] Christen, ja
ein Lerer der Christen ist. Schadet nicht, das er dazu mal noch [14] in der
Kappen2 steckt, und im alten Testament gekleidet daher gehet, als sey [15] er
[Bl. R iij] nicht ein Christ, Gleich wie ein fromer Muench, als S. Bernhard3,
[16] daher gehet, als ein Muench, Aber doch in seinem glauben ein rechter [17]
ernstlicher Christen ist, der nicht auff seine Kappen noch Orden wie der ander
[18] hauffe bawet, pochet und trotzet, Sondern allein auff die gnade Jhesu
Christi, [19] wie er selbs offt zeuget. Also lesst Mose den andern hauffen sich
des Gesetzes [20] und Beschneittung rhuemen, gehet jmer mit in solcher Kappen,
Aber sein hertz, [21] glauben und bekentnis ist Jhesus Christus, Gottes Son
&c.. Haben wir nu [22] Mosen, das ist, den Meister und obersten, So werden
seine Juenger die Propheten [23] mit hauffen jm nach zu uns fallen, Denn sie
nichts anders gleuben, [24] bekennen und leren, weder4 Mose jr Preceptor thut.
Aber wo wollen wir sie [25] setzen, die lieben Geste? Dis Buechlein ist zu
enge, kan sie nicht alle hierein [26] setzen, so Mose nicht gantz hierein komen
kan.
[27] Also
wollen wir thun, Wir wollen zu jnen gehen und mit jnen Essen, [28] Sie haben
die Kuchen und Keller besser bestellet, denn wir, und konnen uns vol [29] auff
fursetzen und herrlich speisen, Das ist: Ein jeder neme die Propheten fur [30]
sich, lese mit vleis drinnen und mercke, wo der HERR Jehova, Jhesus Christus,
[31] unterschiedlich redet, oder wo von jm geredt wird. Denn du hast nu
gehoert, [32] das ers sey, der mit Mose auff dem Berge Sinai redet, Mosen und
das Volck [33] furet und Wunder thut, Und ob er wol nicht allein ist, ders
thut, sondern [34] der Vater und Heiliger geist mit jm alles und einerley werck
thun, So offenbart [35] er sich gleich wol mit solchem reden und thun, das er
sey ein unterschiedliche [36] Person vom Vater in dem Einigen Goettlichen
wesen, Und zwar, wer so
[Seite 86]
[ 25/26
unterschielich A1 36 HERRE AB wohl falsch]
[1] viel
verstehet in der Schrifft (welchs nicht ein jder achtet), das er mercken [2]
kan, wo die Person eine von der andern redet, als weren mehr denn eine da, [3]
der hat balde ersehen die unterscheid, welchs des Vaters oder des Sons person
[4] ist, Hastu aber die unterscheid des Vaters und des Sons, so ist des Heilgen
[5] [Ps. 2, 7f.] geists person gleich auch unterschiedlich mit da, als Psal. 2:
‘Der HERR sprach [6] zu mir, Du bist mein Son, heute habe ich dich gezeuget’,
Und hie im Mose [7] [2. Mose 33, 19; 1. Mose 19, 24] Exo. 33: ‘Der HERR predigt
im namen des HERRN’, Genesis 11.: ‘Und der [8] HERR lies Regenen schwefel und
feur vom HERRN’. Hie sihestu flux, das [9] der HERR, der Regenen lesst, der Son
ist, Vom HERRN, das ist, vom Vater, [10] [Hos. 1, 7] Denn der Son ist vom Vater
und nicht widerumb.1 Hosee j.: ‘So spricht der [11] HERR, Jch wil mich erbarmen
des Hauses Juda und jn helffen durch den [12] [Bl. R 4] HERRN, jren Got, und
nicht durch Schwert und Bogen &c..’ Zephonia 3. [13] [Zeph. 3, 9] Spricht
der HERR: ‘Jch wil den Voelckern zukeren ein Rein Lippen, das sie [14] alle
ruffen oder Predigen sollen jm namen des HERRN und jm dienen mit einerley [15]
[Ps. 45, 8 u. 12] Schuldern’. Psal. 45: ‘Darumb hat dich, Gott, dein Gott
gesalbet mit [16] freuden Ole, Und der Koenig wird lust an deiner schoene
haben, Denn er ist [17] [Jer. 23, 5f.] dein Gott, und du solt jn anbeten’.
Jeremie 23.: ‘Zu der zeit wil ich David [18] ein gerecht gewechs erwecken, Und
das wird sein name sein, das man jn nennen [19] wird HERR, der unser
Gerechtigkeit ist’.
[20] Wo aber
die Person nicht unterschiedlich sich mit reden offenbart, Das es [21] scheinet
keine mehr denn Eine person sein, Da magestu die Regel halten, droben [22]
geben, das du nicht unrecht thust, wo du den namen Jehova deutest auff unsern
[23] HERRN, Jhesum Christum, Gottes Son, Des nim ein fein Exempel Jsaie 50.:
[24] [Jes. 50, 1] ‘So spricht der HERR, Wo ist der Scheidebriff ewr Mutter,
damit ich sie gelassen [25] habe?’ Hie heisst HERR die person des Sons, ob er
wol nicht unterschiedlich [26] von seiner Person redet, wie das Lyra und andere
auch auslegen, [27] Und hat mir fur vielen Jaren wolgefallen, das Lyra so frey
heraus feret2: ‘So [28] spricht der HERR’, das ist Jhesus Christus. Doch wenn
man nach diesem stueck [29] das gantze Capitel lieset (denn Esaia redet hie
kein wort, sondern alles der [30] HERR), so findet sichs, das die Person des
Sons, Jhesus Christus, hie redet, [31] nicht allein nach der Gottheit, Sondern
auch noch der Menscheit, Denn er [32] [Jes. 50, 6f.] spricht: ‘Meinen Ruecken
hab ich dar gehalten denen, die mich schlugen, und [33] meine Wangen denen, die
mich raufften, und mein Angesicht verbarg ich nicht [34] fur schmach und
speichel, denn der HErr HERR hilfft mir &c..’ Lies das [35] gantze Capitel,
so findestu, das Gott der HERR ist, der do leidet, und vom [36] HErrn HERRN
huelffe hat, Das ist, Christus ist war3 Gott und Mensch.
[37] Solch
exempel, da kein hell unterscheid der Person ist, nimpt die Epistel [38] [Hebr.
1, 6; (Ps. 97, 7)] Ebre. j. Und spricht aus dem 97. Psalm: ‘Da er ein fueret
den Erstgebornen
[Seite 87]
[ 18
vnterschiediich A1]
[1] in die
Welt, spricht er, Und es sollen jn anbeten alle Engel Gottes’, Hie sihet [2]
man kein sonderlich zeichen, das solcher Psalm von Jhesu Christo, Gottes Son,
[3] [Ps. 97, 1] zu verstehen sey, on das er im anfang spricht: ‘Der HERR ist
Koenig worden, [4] des frewet sich das Erdreich’, Welchs doch ein Juede oder
geistloser Mensch nicht [5] wuerde von Christo lassen gesagt sein, Aber der
Geist bekennet, das keine person [6] [Ps. 2, 6] Koenig worden ist, [Bl. S 1] denn
der Son, wie der Psal. 2 zeuget: ‘Jch habe [7] [1. Chron. 17, 14] meinen Koenig
eingesetzt auff meinen heiligen Berg Zion’. 1. Para. 17.: ‘Jch [8] wil jn in
mein Koenigreich setzen ewiglich’. Das er aber rechter Gott sey, zeuget [9]
[Ps. 97, 7] dieser Psalm, und spricht: ‘Alle Engel Gottes sollen jn anbeten’,
Ebreisch also: [10] ‘Bettet jn an, alle Goetter’. Goetter kan hie nicht Gott
heissen, der nicht viel, [11] sondern allein ein Einiger Gott ist, darumb
deutet ers: Engel, Der ist aber [12] Gott, den sie anbeten, Jhesus Christus,
Gottes Son. Darumb thun die nicht [13] unrecht, so diesen Psalm von Christo
verstehen, wie die Epistel thut, ob sie [14] gleich nicht sehen die unterscheid
der Person.
[15] [Hebr.
1, 10f.; (Ps. 102, 2f.)] Jtem, da die selbe Epistel aus dem Psalm 102. fueret:
‘Du hast im anfang [16] die Erden gegruendet, und die Himel sind deiner Hende
werck, Sie werden [17] vergehen, Aber du bleibest’ &c.. Hie findet die
vernunfft auch kein zeichen, das [18] dis solle von Jhesu Christo unterschiedlich
geredt und verstanden sein, wie die [19] Epistel sagt, und hette wol andere
heller sprueche im Psalter funden. Aber, Er [20] gibt uns (acht ich) solch
Exempel, Das wir Christum in der schrifft suchen [21] sollen, weil er gewislich
Gott und Schepffer ist, mit dem Vater und Heiligem [22] geist, das niemand
daran unrecht thun kan, wer von jm sagt, Er sey es, der [23] Himel und Erden
geschaffen hat, Aber doch sollen wir vleissig suchen die unterschiedliche [24]
offenbarung der Person des Sons, und die wort ansehen, die seine [25] Person
unterschiedlich geben und offenbaren, Wers nicht besser hat, der neme [26] [1.
Chron. 17, 12] dises an, Das Gott David verheissen hat, 1. Para. 17., Das sein
Son Messia [27] solle Gott ein Haus bawen und ewig drinnen Herr und Koenig
sein, davon [28] viel Psalmen gemacht sind. Von solchem Haus und baw weissagt
dieser Psalm [29] auch und bittet Engstlich, das er komen wolle und Zion bawen.
Das kan [30] nicht vom leiblich Zion gesagt sein, Welchs dazumal gebawet da
stund, welchs [31] auch nicht das Gottes haus noch Zion war, das Davids Son
bawen solt, und [32] Koenig drinnen sein. So haben wir droben gehoert, das
dieser Bawherr und [33] Hausherr musse Gott sein, und doch Davids Son, Darumb
fueret die Epistel [34] diesen Psalmen recht auff die Person Jhesu Christi, der
wol ist Ein Gott [35] und Schepffer mit Gott dem Vater und Heiligem geist, Aber
mit dem Bawen [36] Gottes Hauses und Koenigreich unterschiedlich ein ander
person, denn der Vater, [37] offenbart wird. So ist auch das ein
unterschiedlich zeichen, das Christus, Gottes [38] Son, der Same Abraham ist,
durch welchen alle Heiden sollen gesegenet werden, [39] [1. Mose 22, 18; 49,
10] und jm gehorchen, Gen. 22. 49.: ‘Dem Silo [Bl. S ij] werden die Heiden
gehorchen’, [40] [Ps. 2, 8] Und Psal. 2: ‘Heissche von mir, so wil ich dir die
Heiden zum Erbe
[Seite 88]
[1] geben’.
Von solchem Reich unter den Heiden redet dieser Psalm auch, und malet [2] damit
die Person des Sons &c..
[3] Summa, Es
ist Ein Gott, Ein HERR, Eine Goettliche Maiestet, Natur [4] und wesen, aller
drey Personen, Aber Es offenbart sich zu weilen die Person [5] des Vaters, Zu
weilen des Sons, Zu weilen des Heiligen geists, Welche sich [6] nu offenbart,
So ists der Einige Gott in drey Personen, Auff das wir die [7] Gottliche
Maiestet recht erkennen, und nicht wie Jueden, Ketzer, Mahmet, blindfeld [8]
einhin1 gleuben, als sey Gott nichts mehr, denn ein Einige Person, Das [9] wil
Gott nicht haben, Sondern wil erkand sein, wie er sich uns offenbart, [10] Und sonderlich
ists Gott zu thun umb die offenbarung und erkentnis seines [11] Sons, durch die
gantze Schrifft, Alts und Newen Testaments, Alles gehets [12] auff den Son,
Denn die Schrifft ist gegeben umb des Messia, oder Weibs [13] samens willen,
der alles wider zu recht bringen sol, was die Schlange verderbt [14] hat,
Suende, Tod, Zorn weg nemen, Unschuld, Leben, Paradis und Himelreich [15] wider
bringen. Und gleich wie der fal Adam ist geschehen, das er sich unterschiedlich
[16] an den Son sties2, und doch damit zu gleich wider alle drey Person, [17]
als Einigen Gott, suendigt, Also hat Gott widerumb seinen Son allein und [18]
unterschiedlich lassen Mensch werden, das Adam durch den Son unterschiedlich,
[19] an welchen er sich gestossen und gefallen war, wider auffgericht wuerde,
und [20] doch solch auffrichtung oder erloesung aller dreier Personen einerley,
als des [21] Einigen Gottes werck ist.
[22] Denn da
die Schlange, der Teuffel, Adam fellen wolt, hetzet er jn wider [23] [1. Mose
3, 5] den Son, unterschiedlich, da er sprach: ‘Jr werdet Gotte gleich werden’.
Das [24] war dem Son Gottes zu nahe3, Und wolten beide, der Teuffel und Adam,
[25] den Son entsetzen4 seiner ehren, Denn allein der Son ist gleich, oder ‘das
[26] [Kol. 1, 15] Ebenbilde des unsichbarn Gottes’, Col. 1. Und ‘das Ebenbilde
seines Goettlichen [27] [Hebr. 1, 3] wesens’, der dem Vater gleich ist in einer
Gottheit, Ebre. 1. Und der [28] Teuffel hatte zuvor den selben fal im Himel
gethan und gelernt mit seinen [29] Engeln eben an dem selben Ebenbilde, dem Son
Gottes. Er lies jm nicht [30] gnuegen, das er das aller schoenest bilde Gottes
unter allen Engeln war (doch [31] nicht geborn von Ewigkeit sondern anfenglich5
geschaffen), Sondern wolt auch [32] das inwendige natuerliche Gottes Ebenbilde
sein, dem Son gleich, wie die Veter [33] [Jes. 14, 12ff.] den spruch Jsaia. 14.
unter des Koe-[Bl. S iij] nigs zu Babel namen auslegen: [34] ‘Wie bistu
gefallen, du schoener Morgenstern, der du sprachest in deinem hertzen: [35] Jch
wil in den Himel und gleich sein dem höhesten Gott?’ Darumb ist [36] die Person
des Sons unterschiedlich offenbart und Mensch worden, das wir [37] an jm durch
seine Menscheit wider auffstunden, die wir uns an seiner Gottheit [38]
gestossen hatten6 und gefallen waren. Also ist nu die gantze Schrifft, [39] wie
gesagt, alles Eitel Christus, Gottes und Marien Son, Alles ists zu thun
[Seite 89]
[ 12 Entyches
AB so immer, in der lat. Übersetzung 1550 richtig Eutyches, handschriftlich
auch in einem Exemplar von B korrigiert 31 sterbilchen A1]
[1] umb den
selben Son, das wir jn unterschiedlich erkennen, und also den Vater [2] und den
Heiligengeist, Einen Gott ewiglich sehen muegen, Wer den Son hat, [3] dem
stehet die Schrifft offen, und je grosser und grosser sein glaube an Christum
[4] wird, je heller die schrifft jm scheinet.
[5] WENn du
nu gleubest und verstehest, das Christus sey warhafftiger Gott [6] und Mensche,
wie die Schrifft uns leret, So sihe darnach zu, und lerne weiter [7] gewis
werden, das du die Person Christi nicht trennest, noch die zwo natur [8] oder
das Goettlich und Menschlich wesen nicht mengest in ein wesen, Sondern [9] die
natur hie unterscheidest und die Person einig behaltest, Denn hie haben [10]
sich auch viel Kluegelinge gestossen, das sie entweder Gotheit und Menscheit,
[11] eine natur, oder aber zwo Personen haben machen wollen, wie Nestorius und
[12] Eutyches mit jren gleichen1, Die Jueden aber und Tuercken trefflich2 hohes
und [13] uber hohes geistes hie sind und uns Christen fur grosse narren halten,
Jst er [14] Gott (sprechen sie), wie kan er als ein Mensch sterben? Denn Gott
ist unsterblich, [15] Jst er Mensche, wie kan er Gottes Son sein? Denn Gott hat
kein [16] Weib. Hie gehets, wie man spricht: Geld hat ehre, sprach der frosch
und [17] sas auff einem Heller.3 Hie leren uns die hoch, hoch, noch hoeher und
aller [18] hoehest verstendigen Leute, die Tuercken, Jueden, Das Gott nicht
sterben kan, [19] und kein Eheweib habe, Wie wolten oder kundten wir armen
Christen solch [20] hoch ding jmer mehr4 wissen, wens uns tollen Gensen und
Endten5 nicht [21] solche uberaus uberhohe meister zeigten, das Gott kein Weib
habe, und nicht [22] sterben konde? Es were nicht wunder, das, wo ein Juede
oder Tuercke gehet, [23] das die Erden unter jm fur solchem hohem geist so froelich
wuerde, das sie mit [24] jm uber den Himel spruengen, Und der Himel des
gleichen fur solcher grosser [25] weisheit mit Sternen, Sonnen und Monden
herunter fiele, den Jueden, Türcken [26] zun fuessen, oder in abgrund der
Hellen, Denn es ist fur war ein unbegreiffliche [27] weisheit, das Gott kein
Weib hat, noch sterben [Bl. S 4] konne, Oh Herr [28] Gott, da wissen die
Christen nichts von, Wer wolte Gotte eine Amme bestellen? [29] Wo wolt er eine
Kindermagd kriegen? Wer wolt jn begraben? [30] Wer wolt jm zur Hochzeit
pfeiffen und tantzen? Wer wolt jm Seelmessen [31] noch halten? Ey pfu die
Christen, das sie einen sterblichen Gott anbeten, und [32] einen Ehelichen man
draus machen, Selig, Selig sind Mahmet und Rabinen, [33] die uns viel bessers
leren, Ey pfu dich unsinnigen Mahmet, soltu ein Prophet [34] heissen, der du
solch ein grober tolpel und Esel bist.
[35] Wolan,
Diese elenden narren las faren und sich klug duencken, bis sie es [36] gnug
haben, Du aber halt fest am Christlichen Glauben, der uns durch die
[Seite 90]
[ 4
unterschiedliche A2 B 6 die A2 B]
[1] Schrifft
leret, Das Jhesus Christus sey warhafftiger Gott und Gottes Son, [2] Dazu auch
warhafftiger Mensch, Davids und Marien Son, Doch nicht zweene [3] Soene, zweene
Menner oder zwo Personen, Sondern ein Einiger Son, und [4] Einige Person aus
und in zwo unterschiedlichen naturn, der Gottheit und [5] Menscheit, Denn
gleich, wie droben in dem Artikel von der Gottheit du dich [6] hueten must, das
du die drey Personen nicht mengest jn eine Person, noch das [7] wesen oder
natur trennest in drey Goetter, Sondern drey unterschiedliche Personen [8] in
einem Goettlichen wesen haltest, Also mustu dich widerumb hie [9] hueten, das
du die Einige Person nicht teilest oder trennest in zwo Personen, [10] Oder die
zwo naturn in eine Natur mengest, Sondern zwo unterschiedliche [11] naturn in
einer Einigen Personen haltest, Und gleich, wie die zwo naturn [12] sich in
Eine Person vereinigen, also vereinigen sich auch die namen Beider [13] naturn
in den namen der einigen Person, Welches man heisst zu latin [14] Communicatio
idiomatum vel proprietatum1, Als: Der Mensch heisst und ist [15] geborn von der
Jungfrawen Marien und von den Jueden gecreutziget, Den [16] selben namen sol
man auch Gottes Son geben, Und sagen: Gott ist geborn [17] von Maria und
gecreutziget von den Jueden, Denn Gott und Mensch ist Eine [18] Person und
nicht zween Soene, einer Gottes, der ander Marien, Sondern ist [19] ein Einiger
Son Gottes und Marien.
[20] Wenn du
nu woltest sagen, wie Nestorius, Gott oder Jhesus, Gottes Son, [21] sey nicht
geborn von Marien, noch gecrutzigt von den Jueden, Sondern allein [22] der
Mensch Marien Son, Sihe, da machstu zwo Personen, und trennest die [23] einige
Person, das ein ander [Bl. T 1] Person sey, die geboren und gecreutziget [24]
ist, Und ein andere Person sey, die nicht geboren noch gecreutzigt ist, Und
wird [25] also Ein jgliche natur fur sich selbs eine sonderliche Person und
zweene [26] unterschiedliche Soene, Welchs ist eben so viel, als das Gott sey nicht
Mensch [27] worden, Sondern Gott bleibe fur sich selbst ein abgesonderte Person
von dem [28] Menschen, Und der Mensch fur sich selbs ein abgesonderte Person
von Gott. [29] [Joh. 1, 14] Das taug nicht, Das leidet die Schrifft nicht, die
da spricht, Johan j.: ‘Und [30] [Luk. 1, 35] das Wort ist Fleisch worden’, Luc.
j.: ‘Das in dir geborn wird, sol heissen [31] des aller Hoehesten Gottes Son’,
Und der Kinderglaube2 spricht: Jch gleube an [32] Jhesum Christ, Gottes Son,
der empfangen ist vom Heiligen geist, geboren [33] von Marien der Jungfrawen
&c.. Spricht nicht, Das Gottes Son ein ander [34] sey, Sondern der selbige,
der von Marien geborn und jr Son wird.
[35]
Widerumb, wenn du woltest sagen, wie Eutyches, Das der Mensch Jhesus, [36]
Marien Son, sey nicht Schepffer Himels und der Erden, oder sey nicht Gottes
[37] Son, den man Anbeten solle, Wie auch newlich ein toller geist3 grosse
grumpen [38] fur gab4, Wie ferlich5 wir Christen lebeten, das wir eine Creatur
fur Gott
[Seite 91]
[ 15
Scherifft A 31 vernnnfft A]
[1]
anbettten. Der unsinnige narr keine schirfft noch Buecher lieset, Sondern aus
[2] seinem eigen tollen Kopffe von solchen Hohen sachen treumet und ein
selbwachssender1 [3] meister kluegel ist. Sihe, Hie wird die Person abermal
zertrennet, [4] und zwo Personen aus einer gemacht, Nestorius trennet die
Personen [5] also, das er die Menscheit von der Gottheit reisst und eine
jgliche Natur eine [6] sondern Person macht, das allein der Mensch besonders
gecreutzigt sey, Eutyches [7] widerumb reisset die Gottheit von der Menschheit
also, das er auch ein jgliche [8] Natur zur sonderlichen Person macht, das Gott
solle angebetet werden, als [9] von der Menscheit abgesondert, Aber die
Schrifft und der Glaube sprechen [10] also: Wenn wir den Menschen von Marien
geborn anbeten, So beten wir [11] nicht einen abgesonderten Menschen an, der
fur sich selbs, on Gott, und ausser [12] Gott, eine sonderliche eigen Person
sey, Sondern wir Beten den Einigen rechten [13] Gott an, der mit dem Vater und
Heiligem geist ein Einiger Gott, Und mit [14] der Menscheit ein Einige Person
ist.
[15] Wer nu
solchen verstand nicht hat, der mus in der Schrifft jrre werden, [16] Und kan
sich nirgent drein schicken, Denn in der Schrifft Heisst Messia Gottes [17]
[Jes. 42, 1] knecht, Jsaie 42.: ‘Sihe, das ist mein Knecht, an dem ich [Bl. T
ij] wolgefallen [18] [Jes. 52, 13] habe’, Und am 53.: ‘Sihe, mein Knecht wird
klueglich faren’, Ja er heisst ‘ein [19] [Ps. 22, 7] Wurm und nicht ein
Mensch’, Psal. 22. Und das wol grewlicher ist, Er [20] [Ps. 41, 5] heisst ein
armer suender, Psal. 41.: ‘Jch sprach, HERR, sey mir gnedig, heile [21] [Ps.
69, 6] meine Seele, Denn ich habe dir gesundigt’, Psal. 69: ‘Gott, du weissest
meine [22] [Ps. 69, 10] torheit, und meine schulde seind dir nicht verborgen’,
Jtem: ‘die schmahe2 der, [23] [Ps. 40, 13] die dich schmehen, fallen auf mich’,
Psal. 40.: ‘Es hat mich leiden on zal umbgeben, [24] Mich haben meine sunde
ergriffen, das ich nicht sehen kan, Jr ist mehr, [25] denn har auff meinem
heubt, Und mein hertz hat mich verlassen.’ Hie schreiet [26] Vernunfft, Juede
und Mahmet uber uns Christen: Wie kan solchs von Gott [27] verstanden werden,
Wie kan Gott ein Knecht sein? Wie kan er ein elender [28] sunder sein? Hilff
Gott, welch unsinnige, tolle, ungehewer leute sind wir [29] Christen fur
solchen hohen, weisen, heiligen menschen, die keine Creatur anbeten, [30]
sondern allein den Einigen Gott.
[31] War
ists, Die vernunfft findet solchs nicht in jrer Bibel, das ist im [32]
Rauchloch3, oder im Schlauraffen lande.3 So findens die Jueden in jrer Bibel
[33] auch nicht, das ist, im Thalmud, unter dem Sewpirtzel4, da sie jr Scham
[34] haperes jnnen studirn5, So findets Mahmet in seiner Bibel auch nicht, das
ist, [35] im Hurnbette, denn darin hat er am meisten studirt, wie er sich
rhuemet, der
[Seite 92]
[ 1 strecke A
16 eingen B (für eignen) 25 Hoehen AB]
[1]
schendliche unflat1, das im Gott (der Teuffel) so viel stercke seines leibes
gegeben [2] habe, das im viertzig Weiber nicht gnug sein muegen zu bette. Ja eben,
[3] wie er studirt hat in der selben Bibel, im Hurnfleisch, so reucht und
schmeckt [4] auch sein keusches buch, der Alcoran. Er hat den geist seiner
Prophetie am [5] rechten ort, im Venus berge2, gesucht und gefunden, Wer nu in
solchen Buechern [6] studirt, was ists wunder, das der nichts wisse von Gott
noch Messia, so sie [7] auch nicht wissen, was sie reden oder thun?
[8] Wir
Christen wissen (Gott lob und danck in Ewigkeit), das Messia ist [9] Gottes
Einiger ewiger Son, den er gesand hat in die Welt, unser sunde auff [10] sich
zu nemen, fur uns zu sterben und den Tod fur uns zu uberwinden. Wie [11] [Jes.
53, 6] Jsaia 53. klerlich sagt: ‘Wir giengen alle jrre, Gott aber hat unser
aller [12] sunde auff jn gelegt, Und er hat sein leben zum schuld opffer gegeben
&c..’ [13] Daher singen und rhuemen wir mit allen freuden, Das Gottes Son,
der rechte [14] Einige Gott, mit dem Vater und Heiligem geist, sey fur uns
Mensch, Ein knecht, [15] Ein sunder, Ein wurm worden, Gott sey gestorben, Gott
trage unser sunde [16] am Creutz, in seinem eigen leibe, Gott hat uns Erloeset
[Bl. T iij] durch sein [17] eigen blut, Denn Gott und Mensch ist eine Person,
Was der Mensch hie thut, [18] leidet und redet, das thut, leidet und redet
Gott. Und was Gott thut und [19] redet, das thut und redet der Mensch, Welcher
ist einerley3 Son Gottes und [20] Marien in einer unzertrenneten person und zwo
unterschiedlichen Naturn. Der [21] Teuffel und sein hurnwirt und hurnieger4
Mahmet Und seine Schamhaperisten, [22] die Jueden, muegen sich hieran ergern,
lestern, fluchen (wers nicht lassen kan). [23] Aber allesampt sollen sie in
abgrund der Hellen ewiglich dafuer zittern, zeenklappen [24] und heulen, Da
nicht lang (ob Gott wil) hin gehoeren sol5, Amen.
[25] Hie wil
ich auffhoeren dis mal, von diesen Hoehen6 Artikeln zu reden, aus [26] dem
Alten Testament, Denn ich hoffe, Es sollen hiemit gnug Vermanet sein, [27]
unser Ebreisten, das sie das Alte Testament sollen den Rabinen nemen, wo [28]
sie jmer konnen, unangesehen7 jre deutung, glosen oder Grammatiken, Weil [29]
die Rabinen selbs unternander offt hierin nicht wissen, wo sie daheimen sind8,
[30] und die Vocabula und Sententz gerne Equivocirn9 auff jren tollen verstand,
[31] da doch der Buchstabe gerne10 mit dem newen Testament sich reimet, Und
gewis [32] ist, das Jhesus Christus der HERR uber alles ist, dem die Schrifft
sol zeugnis [33] geben, als die allein umb seinen willen gegeben ist. Aus dem
Newen Testament [34] hab ich dis mal nicht viel wollen fueren, Weil darinnen
solchs alles
[Seite 93]
[ 31 noch AB]
[1] klerlich
(darumb es die Jueden auch nicht annemen) uberzeuget1 ist, nu bey [2] 1500
jaren, und sonderlich im Euangelio Johannis, da schier uber das ander [3] wort2
(wie man spricht) Jhesus wird Gott und Mensch in einer person gepredigt. [4]
Der selbe Johannes, sampt andern Aposteln, Evangelisten, und viel [5] tausent
jrer Juenger, sind auch Jueden oder Jsrael und Abrahams samen gewest [6] nach
dem gebluet, so wol und viel reiner und gewisser, denn diese jtzige [7] Jueden
oder Jsrael sind, Die Niemand weis, Wer sie sind, oder woher sie [8] komen.
[9] Wollen
wir nu den Jueden oder Jsrael gleuben, So gleuben wir billicher [10] diesen
Jueden und Jsrael, welche nu bey 1500. jaren, offentlich in aller Welt, [11]
durch jr Euangelion die Kirchen regirt, Teuffel, Tod und Suende uberwunden,
[12] die Schrifft der Propheten aus gelegt, jmer fur und fur durch jre Juenger
[13] wunder gethan haben. Billicher, sage ich, gleuben wir solchen rechten
bekandten [14] Jueden und Jsraeliten, denn das wir solten gleuben den falschen
unbekandten [15] Jueden oder Jsraeliten, die diese 1500. jar kein wunder [Bl. T
4] gethan, kein [16] Schrifft der Propheten ausgelegt, alles verkeret und im
liecht offentlich nichts [17] gethan, Sondern in jrem winckel meuchlinges wie
die Kinder der finsternis, [18] das ist des Teuffels, eitel lestern, fluchen,
morden und liegen wider die rechten [19] Jueden und Jsrael (das ist, wider die
Apostel und Propheten) geuebet haben, [20] und noch ueben teglich, damit sie
uber weiset3, das sie nicht Jsrael, noch [21] Abrahams samen, Sondern gifftige,
Teufelissche feinde sind, des rechten Jsraels [22] und Abrahams kinder, dazu
der Heiligen schrifft diebe, reuber und verkerer. [23] Darumb man als von
offentlichen dieben wider nemen sol die Schrifft, wo [24] es die Grammatica
gerne gibt4 und sich mit dem Newen Testament reimet, [25] wie die Aposteln uns
Exempel reichlich gnug geben.
[26] Wil also
wider zu den Letzten Worten Davids komen, wie ichs Buechlin [27] anfieng, und
das Krentzlin mit dem ende und anfang zu samen binden5, Denn [28] ich gnug
herumb geschweifft habe. Andere konnens und werdens (hoff ich) [29] besser
machen und den HERRN Christum in dem Alten Ebreischen Testament [30] vleissig
suchen, Denn er lesst sich gern drinnen finden, sonderlich in dem Psalter [31]
und Jsaia. Versuchs nach der Regel, droben gegeben, so wirstu mir wol [32]
gleuben und Gotte dancken. Nu Jch hab dis Buchlin also angefangen, das [33]
Davids Letzte Wort sollen Verdolmetscht und verstanden werden, nach Christlichem
[34] verstand, auff diese weise.
[Seite 94]
[ 37
esserlichen A]
[1] [2. Sam.
23, 1 –3] ‘Es sprach David, der Son Jsai, Es sprach der man, der von dem [2]
Messia des Gottes Jacob versichert ist, Lieblich mit Psalmen Jsrael, [3] Der
geist des HERRN hat durch mich gered, und seine Rede ist durch [4] meine zunge
geschehen, Es hat der Gott Jsrael zu mir gesprochen, [5] Der Hort Jsrael hat
gered, der gerechte Herrscher unter den Menschen, [6] der Herrscher in der
furcht Gottes.’
[7] Drey
redener sind hie (wie droben gesaget)1, Der Geist des HERRN, Der [8] Gott
Jsrael, Der Hort Jsrael, Und ist doch ein Einiger Redener, Aber [9] bey dem
dritten, das ist, bey dem Hort Jsrael, stehet [Bl. V 1] Der Herrscher [10]
unter den Menschen, Der Herrscher in der furcht Gottes, Dieser Herrscher ist
[11] Messia, wie auch der Caldeische Text gibt.2 Nu hangets im Ebreischen an
[12] einander, Nemlich der Hort Jsrael, der gerechte Herrscher, der Herrscher
in [13] der furcht Gottes. Gewis ists aber, das ‘ZUR Jsrael’3 der Hort Jsrael
heisse [14] und sey Gott selbs. Und ist doch auch Messia der Mensch und
Herrscher in [15] der furcht Gottes. Herrscher ist hie Ebreisch ‘Moschel’4, das
heisst nicht HERR, [16] wie Gott HERR heisst, Sondern wie Menschen Herrn sind
und Herrschen. [17] Und wo Gott also genennet wird, magstu kuenlich Jhesum
Christum da selbs [18] [Richt. 8, 23] verstehen, als da Gedeon spricht: ‘Jch
wil nicht ewr Herr sein, und mein Son [19] sol auch nicht ewr Herr sein,
Sondern der HERR sol ewr Herr sein’, Psal. 22.: [20] [Ps. 22, 29] ‘Der HERR hat
ein Reich, und er Herrschet unter den Heiden’, Psal. 58.: [21] [Ps. 59, 14]
‘Der Gott Jacob ist Herrscher in aller welt’. Also redet auch Psal. 8 von [22]
[Ps. 8, 7] Christo: ‘Du wirst jn zum Herrscher machen uber deiner hende werck,
Alles [23] [2. Sam. 23, 3] hastu unter seine fuesse gethan’, Das ist eben so
viel, als hie David saget, Er [24] sey der Hort Jsrael (das ist Gott) und
gerechter Herrscher (das ist Mensch) [25] uber alles, was Gott gemacht hat, das
heisst Gotte gleich sein und doch auch [26] Mensche sein.
[27] Er
nennet jn Einen gerechten Herrscher, Das ist nicht von Weltlicher, [28]
zeitlicher gerechtigkeit gered, davon David sonst einen5 schoenen Psalm gemacht
[29] [Ps. 101, 1] hat, Nemlich den 83.: ‘Von Gnade und Recht wil ich singen’,
Sondern von [30] der Ewigen gerechtigkeit, die Messia in die welt bracht, uns
von sunden erloeset [31] und gerecht gemacht hat, Denn (wie folget) redet er
von dem ewigen Bunde, [32] so Gott mit Davids Hause gestifftet hat, wie es
Jsaias auch verstehet am [33] [Jes. 55, 3] 55. Ca.: ‘Jch wil euch die gnade,
David verheissen, trewlich halten’, und [34] [Ps. 89, 3] Psal. 89.: ‘Es wird
ein Ewige gnade gebawet werden, Und du wirst deine [35] warheit trewlich halten
im Himel’, Hie zu ist Weltliche gerechtigkeit viel zu [36] geringe, Welche, wo
sie am besten stehet (das selden geschicht), schwerlich den [37] eusserlichen
frieden erhellt, dem Mord, Raub, Ehebruch, Diebstal &c.. wehret,
[Seite 95]
[ 25 Folget
f. B]
[1] Denn
damit ist man noch nirgent fur Gotte gerecht, ob er sie wol zeitlich [2] und
herrlich belohnet, mit Reichthumb, Ehre, Gewalt, Gluecke &c.., welchs fur
[3] Gotte schlechte, geringe, vergengliche parteken1 sind, die er auch seinen
Feinden [4] reichlicher gibt, weder seinen lieben Kindern, welche einen bessern
lohn zu [5] hoffen haben, davon die Welt nichts weis.
[6] Darumb
ist der Rabinen und jrer nach folger verstand2 nichts, da sie [7] meinen, Es
sey [Bl. V ij] von David gesagt, das er solle gerecht sein, und Gottfuerchtig
[8] leben, weil er ein Koenig und Herrscher gesetzt sey. Nein, Es ist ein [9]
ander man, dieser Herrscher in gerechtigkeit und Gottes furcht. David hat [10]
durch sein regiment nicht einen einigen Menschen gerecht und Gottfuerchtig
gemacht, [11] [Röm. 3, 20] Sich selbs auch nicht, Mose mit seinem Gesetz auch
nicht, Rom. 3., [12] Sondern sind alle gerecht und Gottfurchtig gemacht durch
diesen Herrscher [13] [Sach. 9, 9] Messia und Hort Jsrael, Jhesum Christum, wie
auch Zacharia. 9. sagt: ‘Frewe [14] dich, du Tochter Zion, Sihe, dein Koenig
komet dir sanfftmuetig, Ein gerechter [15] [1. Kor. 1, 30] und Heiland, und
reitet auff einem Esel &c..’ Und Paulus. j. Corinth. j.: ‘Er [16] ist uns
von Gott gemacht zur weisheit, gerechtigkeit, heiligung und erloesung, [17]
[Jer. 9, 22f.] auff das, wer sich ruehmet (wie geschrieben stehet), der sol
sich des HERRn [18] ruehmen’, und nicht unser eigen gerechtigkeit, weisheit
&c.. Denn das ist seine [19] Herrschafft, darumb ist er zum HErrn gesetzt,
das er solche werck sol unter [20] den Menschen thun, sie gerecht machen, und
wider zu Gottes furcht, unschuld [21] und gehorsam bringen, davon wir im
Paradis gefallen sind, durch der Schlangen [22] list. Von dieser gerechtigkeit
und Gottes furcht ist hie nicht not zu reden, Es [23] ist unser teglich
predigt, wie wir in Christo allein aus lauter gnaden gerecht [24] und selig
werden.
[25] Folget:
[26] [2. Sam. 23, 4] ‘Und, wie das Liecht des Morgens, wenn die Sonne
auffgehet, [27] Des Morgens on wolcken, da vom glantz nach dem Regen das [28]
gras aus der Erden wechst.’
[29] Er
vergleicht die Herrschafft, oder das Reich Messia, der die gerechtigkeit [30]
und Gottes furcht sol wider bringen und auff richten, dem schoenen lieblichen
[31] wesen des Lentzen. Denn der Winter, weil die Sonne weg von uns [32]
zeucht, die Erden mit frost, Eis, schnee &c.. zuschleusst, das alle Beume
kael3, [33] alles gewechs mat werden, und nichts grunet noch bluehet, noch
frucht bringet, [34] und als eine todte welt anzusehen ist, Wenn aber gegen Sommer
die liebe [35] Sonne wider zu uns nahet, so thut sich die Erden auff, grunet,
bluehet, reucht [36] alles schon4, wird alles newe, und die welt gleich wider
lebendig und froelich. [37] Denn alle Menschen, auch die Heiden, den Lentzen
fur das lustigst teil des
[Seite 96]
[ 3 Mosi A1]
[1] jars
yalten, wie Virgilius schreibt1: Tunc formosissimus Annus, Und helts [2] dafur,
das die Welt im Lentzen hab angefangen, Welchs [Bl. V iij] mit der [3] Heiligen
schrifft stimmet, Denn Mose den Aprill zum ersten Monden des jars [4] setzet.2
Also ist die Herrschafft nnd das Reich der gnaden auch eine froeliche, [5]
lustige3 zeit, da rinnen Messia uns gerecht und Gottfuerchtig macht, das wir
[6] gruenen, bluehen, wol riechen, wachssen und fruchbar werden, Denn er ist
die [7] [Mal. 3, 20] Sonne der gerechtigkeit, die wider zu uns nahet, Wie
Malachi sagt: ‘Es sol [8] euch, die jr meinen Namen furchtet, die Sonne der
gerechtigkeit auff gehen, [9] und Heil unter seinen fittichen’, Darumb er auch
hat wollen leiblich im Lentzen [10] oder April, inn der luestigen zeit, von den
todten Aufferstehen und seine Herrschafft [11] anfahen, ob er wol im Winter
geborn, das ist, umb unser willen unter [12] die sunde, allerley jamer und tod
Adams sich gegeben, und also den harten [13] Winter uber 33. jar ausgestanden
hat.4
[14] Denn
gleich, wie der Prophet David hie durch den Lentzen bedeut5 die [15] seligen
zeit der gnaden, so durch Messia, seinen Son, uns scheinet, Also gibt [16] er
damit zu verstehen, das durch den winter das widerspiel6, Nemlich die zeit [17]
der ungnaden unter der Erbsunde, die wir durch Adams fall haben, bedeutet7 sey,
[18] Und hat Gott also in seiner Creatur uns zum ewigen gedechtnis bis an den
[19] Jungsten tag (da andere Jar, Erden und Himel sein werden) fur gebildet
[20] die sunde und gnade, das sie uns teglich und jerlich durch den Winter und
[21] Sommer fur gepredigt werden, wenn wir ohren zu hoeren und augen zu sehen
[22] hetten. Solcher geistlicher deutung nach ist Adam im schoenen Lentzen
erstlich [23] gewest (da er auch leiblich im Lentzen im anfang des iars
geschaffen ist), Bald [24] aber durch die sunde den geistlichen Winter uber
sich bracht hat, Welchen [25] Christus, die liebe sonne, widerumb vertrieben
und den Lentzen angefangen. [26] Und gehet nu also, Wer im Lentzen lebt, der
stirbet nimer mehr, Wer im [27] [Mark. 16, 16] Winter stirbt, der lebt nimer
mehr, das ist, ‘wer Gleubt und Getaufft wird, [28] der wird selig, Wer nicht
gleubt, wird verdampt’. Denn diesem entgehet die [29] Sonne, jenem gehet die
Sonne auff, von welcher David hie weissagt.
[30] Nicht
allein das vom Winter und Sommer meinet David, Sondern viel [31] mehr und
neher8 dieses geheimnis, Das Messia Herrschafft nicht solle sein wie [32] Moses
Herrschafft, Moses Herrschafft ist des gesetzes Herrschafft, welchs nicht [33]
allein die sunde nicht weg nimpt, sondern auch mehret, das ist, offenbart sie,
[34] wie gros und grewlich sie sey, und strafft sie, dadurch der mensch
erschreckt [35] und (so zu reden) Gottes gericht und seinem gesetze feind wird,
durch welchs [36] er in seiner [Bl. V 4] sunde verdampt und getoedet wird, wie
S. Paulus hie [37] [Röm. 3; Gal. 3] von herrlich disputirt zun Roemern und
Galatern, Das ist der berg Sinai, [38] darauff es donnert, blitzet, regent,
erdenbebet9, als wolt Himel und Erden
[Seite 97]
[ 5 wieder A]
[1]
eingehen.1 Und die Sonne viel tieffer hinder den finstern wolcken verborgen [2]
ist, obs wol in der zeit des Lentzens ist, denn im Winter, da es zu weilen [3]
helle scheinet, aber doch der Sonnen krafft zu ferne von uns ist. Denn die [4]
Heiden, so on gesetz in den unbekandten sunden des winters leben, viel sicherer
[5] sind, weder2 Gottes volck, das auch zur zeit des Lentzen des gesetzes
donnern [6] und blitzen leiden mus, Denn wo die Sonne Christus nicht helle
leucht, da ist [7] auch der Lentze nicht lustig3, Sondern Mose machts mit des
gesetzes donner [8] alles erschreckt und gantz toedlich4, Also sind die Wetter
am Himel auch ewige [9] Propheten, das uns zu weilen auch das gesetz ubereilet5
im gewissen, die wir [10] doch in der zeit der gnaden sind.
[11] [2. Sam.
23, 3] Aber hie zu Messia zeiten (spricht David) wenn der ‘ZUR Jsrael’ selbs
[12] Herrschen wird, mit Gnaden uns gerecht und selig zu machen, wirts so
lieblich [13] sein, als die besten zeit6 im Lentzen, da es vor tages einen
lieblichen warmen [14] regen gethan hat (das ist, das troestlich Euangelion
gepredigt ist), Und flux [15] drauff die Sonne Christus auffgehet in unserm
hertzen durch rechten glauben [16] on des Mose wolcken und donner und blitzen,
da wechsts, gruenets, bluehets [17] alles nach, und ist der tag freuden reich
und frieden reich, des gleichen das [18] gantze iar nicht hat. Denn hie heists
Winter, Wolcken, Donner, sunde, tod [19] und alles schrecken7 uber wunden, und
einen schoenen froelichen Ostertag gehalten [20] bis in ewigkeit, Sihe, das
heist David seines Sons Messia Herrschafft gleich [21] sein einem tage im
Lentzen, da es frue geregent, darauff die Sonne auffgehet [22] auffs aller
lieblichst und machte gruen, bluehend, riechend und alles lebendig und [23]
froelich, Frage dich selber drumb, obs nicht die beste und froelichst zeit im
jar sey.
[24] Folget:
[25] [2. Sam. 23, 5] ‘Denn mein Haus ist nicht also bey Gotte, Denn er hat mir
einen [26] Bund gesetzt, der ewig und
alles wol geordent und gehalten [27] wird.’
[28] [1.
Chron. 17, 11f.] Droben8 ist gesagt aus 1. Pal.9 17. Das diese wort: ‘Mein haus
ist nicht [29] also bey Gott’ solle so viel heissen: Ach was bin [Bl. X 1] ich?
Was ist [30] mein Haus gegen Gott? Es ist ia nicht ein solch Haus, das bey Gott
solcher [31] unaussprechlichen ehren wirdig sey, von welchem Messia der ‘ZUR
Jsrael’, [32] Gottes Son, der gerechte Herrscher unter den menschen, sol geborn
werden. [33] Und fellt heimit David herunter10 in grosse demut und verwundern,
das von [34] seinem Fleisch und Blut solch grosse ding komen sollen. Das ander
stueck vom
[Seite 98]
[1] Ewigen
Bunde und Hause Davids hab ich in dem buechlin von den Jueden1 [2] zimlich gnug
gehandelt und damit andern ursachen gegeben, weiter und besser [3] zu handeln.
Die folgend zwey wort, ‘Arucha’ und ‘Schemura’2, Wol geordent [4] und gehalten,
Sind mit vleis gesetzt zur lere und trost, Denn so du ansihest [5] die
Historien, wird dich duencken, Gott habe seines Bundes vergessen und den [6]
nicht gehalten, So gar wuest unordig und seltzam gehets zu in Davids Hause [7]
und nach komen. Noch ists bis auff Messia nicht allein gehalten, Sondern [8]
ist alles in seiner ordnung wol und fein blieben, wider alle Teuffel und [9]
menschen. Und hats niemand koennen endern noch dempffen, Sondern habens [10]
muessen lassen gehen und stehen, ein Scepter Juda, wie es verheissen ist, bis
[11] auff Messia
[12] Aber
nach Messia ist sein Reich, die Kirche, eusserlich anzusehen, viel wuester [13]
und unordiger, das kein zurissener, Elender, nichtiger Regiment oder
Herrschafft [14] ist, denn die Christliche Kirche, Christi Herrschafft, Hie zu
reissens und [15] wuestens mit Feur, Wasser, Schwert und aller macht die
Tyrannen. Hie zu [16] wuelen und verderbens die Rottengeister und Ketzerey. So3
machens die falschen [17] Christen mit jrem boesen leben auch also, als sey
kein schendlicher ungeordenter [18] Herrschafft auff erden. Und diese alle
erbeiten dahin, oder viel mehr der boese [19] geist durch sie, das Christi
Herrschafft solle nichts oder je4 ein Elend unordig [20] ding sein. Und Summa,
Christus stellet sich, als hab er seiner Herrschafft [21] vergessen und sey
nirgent heime5, das hie weder ‘Arucha’ noch ‘Schemura’ [22] von der vernunfft
gesehen wird. Noch6 heisst sie ‘Arucha becol’ und ‘Schemura’, [23] alles wol
geordent und gehalten. Ob wirs nicht sehen, So sihet ers, der da [24] [Hohel.
8, 12; Matth. 28, 20] spricht, Can. Ult.: ‘Mein Weinberg ist fur mir’, Matth.
Ult.: ‘Sihe, Jch bin [25] [Joh. 16, 33] bey euch bis an der welt ende.’ Joh.
16.: ‘Seid getrost, ich hab die welt [26] uberwunden.’ Gleich wol sehen wir,
das jmer blieben ist, und bleibt ein volck, [27] das den namen Christi ehret,
Sein Wort, Tauffe, Sacrament, Schluessel und [28] geist hat, auch wider alle
pforten der Hellen.
[29] [Bl. X
ij] Folget: [30] [2. Sam. 23, 5] ‘Denn alle mein Heil und Thun ist, das nichts
wechst’.
[31] Er wil
sagen, ich bin auch ein Koenig und Herr, fur allen Koenigen von [32] Gott
geordent. Habe viel Kriege gefurt, gros glueck, sieg und heil gehabt, [33]
durch Gottes huelffe und wunderthat, Auch viel gethan im Regiment, wol [34]
regirt, das Reich wol angericht7 und gestellet, das recht gehand habt, Drueber
[35] auch viel erlidden, Aber solch mein Reich, viel mehr aller Koenige auff
erden [36] Reich, gegen dieser Herrschafft meins Sons Messia, des ‘ZUR Jsrael’,
ists [37] nichts, denn ein duerrer zweig, der nie kein mal gewachsen oder
gegrunet, zu
[Seite 99]
[ 12 stuende
AB wohl Druckf. 15 Planctia A 16 egentlich A 32 Geremia A]
[1] rechen
ist, Denn ich, und kein Koenig, hat den sieg wider den Tod, Suende, [2] Helle,
Teuffel und Welt erobert, So hat auch unser keiner das gethan in [3] seinem
regiment, das er die leute Gerecht, Gottfuerchtig und ewig selig machte. [4]
Wir sind arme, duerfftige, duerre Herrn in unserm regiment, Aber mein Son [5]
Messia, der ‘ZUR Jsrael’, das ist der man, Der hat den Sieg uber Suende, Tod,
[6] Teuffel, Helle, Welt und alles erhalten, Der hat ein Regiment, Das heisst
ein [7] regiment1, darinnen er das thut und anrichtet, das er alle die seinen
ewiglich [8] gerecht und selig macht, Das heisst gegruenet, gebluehet,
fruchtbar sein, und das [9] nimer mehr verdorren kan.
[10] Jch habe
das wort ‘Hephetz’2 verdeudscht Thun, nach dem exempel Salomo, [11] [Pred. 3,
1] Eccle. 3.: ‘Ein iglichs hat seine zeit, Und alles furnemen (das ist, Thun)
hat [12] seine stuende’, Denn so redet man deudsch, Du must ia etwas furnemen,
das du nicht [13] muessig gehest, Sondern etwas Thuest, da mit du dich neerest,
Also heisst Thun [14] allerley stand, darin sich einer ubet in diesem leben,
Und die Philosophi heissens [15] auch Placita Proposita, Jnstituta, Darumb, das
einem dis, dem anderm das [16] gefellet, zu thun, oder fur zunemen, denn
Hephetz heisst eigentlich, Ein gefallen [17] oder willen, lust, neigung zu
einem ding haben. Denn wer nicht willen dazu [18] hat, der thuts nicht oder
thuts, das wol so gut als ungethan were.
[19] [2. Sam.
23, 6. u 7] ‘Aber Belial sind allesampt, wie die ausgeworffen disteln, die [20]
man nicht mit henden fassen kan, Sondern wer sie angreiffen [21] sol, mus eisen
und spies [Bl. X iij] stangen in der hand haben, Und [22] werden mit feur
verbrand werden in der wonung’.
[23] Hje
weissagt er von den Jueden, die solchen HERRN und Messia nicht [24] wuerden
annemen, Und nennet sie ‘Blijaal’ oder, wie wirs gewonet, [25] ‘Belial’, das
heisst auff deudsch Unnuetz oder schedlich, Nach dem eusserlichen [26] Regiment
heisst mans Unnuetze, boese buben, die gern schaden thun, Aber David [27] redet
hie im geist vom Reich Christi. Da hats diese weise, das die, so dem Reich [28]
Christi feind sind, als Jueden, Ketzer, Heiden fur die aller nuetzisten
gehalten [29] werden, Denn auch nach itzt die Jueden, Mahmet, Bapst,
Rottengeister sich duencken [30] lassen, Sie thun eitel Gottes dienst dran, Wo
sie den Rechten Christen schaden [31] thun koennen, Diese wollen nicht
‘Blijaal’ heissen, Sondern allein die aller nuetzesten [32] [Jer. 23, 32] sein,
Also sagt Jeremia 23. Von den falschen Propheten: ‘Sie sind mit jrem [33]
nuetzen kein nutz diesem volck’, das ist: sind die schedlichsten, eben da sie
die [34] nuetzesten sein wollen, Summa die Christen sind ‘Belial’ und Teuffels
kinder, [35] Diese aber sind allein Gottes kinder, Was sie thun, das ist recht,
Bis sie Gott [36] ausstoesset und mit feur seines zorns verbrend, wie wir an
den jtzigen Jueden [37] sehen, Welch ein grewliches feur Goettlichs zorns uber
sie komen ist.
[Seite 100]
[ 3 die
generans A 5 assondern A]
[1] Er
vergleicht sie den disteln im korn auff dem felde, welche meines achten [2]
[Matth. 13, 25] Christus, der HERR, Matth. 13. ‘Zizania’1 nennet, welchs wir
unkraut verdeudscht [3] haben. S. Ambrosius in Hexa. spricht: Ex tritici semine
degenerans [4] in proprium genus2, das heissen wir Trespen.3 Aber Christus
redet von einem [5] ergern, das man in der Erndte aussondert vom getreide und
mit feur verbrennet, [6] und schier mit David einerley wort braucht, der seine
Disteln auch [7] aussondert und mit feur verbrennet, Darumb wird ‘Zizania’ hie
sein, das David [8] ‘Kotz’ heisst, die grossen, boesen, stachlichen diesteln,
oder die andern diesteln, so unser [9] bawern Toll graet4 heissen, die man mit
sensen, sicheln und harcken oder spies [10] holtz aussondert in der Erndte,
Denn mit Henden kan sie alle beide niemand angreiffen, [11] und dienen nirgend
hin, denn ins feur. Aber Trespen braucht man [12] fur das Vihe, Also sind die
verstockten Jueden solch boese, stachliche disteln und [13] Toll graete, das
sie mit keiner wolthat noch wunder Gottes zubekeren gewest [14] und noch sind,
Sondern durch der Roemer Eisen und spisse ausgestossen und [15] mit jrer Stad
in jrer eigen wonung verbrand, auch mit leiblichem feur, Uber [16] das brennen
sie noch itzt, in jn selber, wo sie im [Bl. X 4] Elende5 sind, mit [17]
geistlichem feur Goettlichs zorns. Also hat David diesem volck seine
verstoerung [18] und endlich verderben verkuendigt, darumb das sie diesen
Koenig nicht haben [19] [Luk. 19, 41ff.; Dan. 9, 4ff.; Sach. 14, 1ff.] wolten,
wie der HERR Luce 19. auch davon weissagt, Und Daniel 9. Zacha. 14.
[20] Hie mit
wil ich die Letzten wort Davids verdeudscht und ausgelegt haben, [21] nach
meinem eigen sinn. Gott gebe, das unser Theoligen getrost Ebreisch [22]
studirn, Und die Bibel uns wider heim holen von den mutwilligen dieben, [23]
und alles besser machen, denn ichs gemacht habe, Das ist, das sie den Rabinen
[24] sich nicht gefangen geben in jre gemarterte Grammatica und falsche
auslegung, [25] damit wir den lieben HERRN und Heiland hell und klar in der
schrifft finden [26] und erkennen, Dem sey Lob und Ehr sampt dem Vater und
Heiligem Geist [27] in Ewigkeit, Amen.
[Seite 101]
Die Fürstlich
Stolbergische Bibliothek in Wernigerode besitzt ein Exemplar des folgenden Druckes
mit Randbemerkungen von Luthers Hand:
“APOPHTHE ||
GMATVM OPVS CVM || primis frugiferum, uigilanter ab ipso recognitum || autore,
č Gręco codice correctis aliquot || locis, in quibus interpres Dio-||genis
Laėrtij fe-||fellerat. || (Blättchen) || DESIDERIO ERASMO || ROT. AVTORE. ||
(Druckerzeichen) || SEB. GRYPHIVS EXCVDE-||BAT LVGDVNI, || ANNO || 1541. ||”
609ff. 80 + Index.1
Der Druck
steckt mit dem angebundenen unten zu erwähnenden Hertelschen Programm in einem
deutschen Renaissanceeinband2: Holzdeckel, überzogen mit weißem gebleichtem
Schweinsleder, in das Blindpressungen eingedrückt sind; die metallenen
Schließen sind abgefallen. Mittelfeld des Vorder- und Hintereinbanddeckels sind
mit Ornamenten ausgefüllt, die großenteils mit der Buchbinderrolle, z. T. auch
mit kleinen Stempeln hergestellt sind. Auf drei Querleisten des Vorderdruckes
liest man in schwarzen Buchstaben: “MARTINVS || LVTHER || APOPHTE ||”, auf zwei
Querleisten des Hinterdeckels: “ANNO || 1543. ||”. Die nur mit der
Buchbinderrolle eingepreßte Umrahmung des Mittelfeldes zeigt in öfterer
Wiederholung die Porträtköpfe Luthers, Melanchthons, Erasmus' und Huttens. Der
Jnnenseite des Vorderdeckels aufgeklebt ist das als Exlibris dienende Wappen
des Grafen Christian Ernst zu Stolberg3, der den Band bald nach 1754 erworben
haben wird. Darunter steht von dessen Hand ein Jnhaltsverzeichnis des Bandes:
1. Erasmi (Desid: Roterodami) Apothegmatum [!] opus Lugduni 1541. 2. Hertel
(Chr. Frid.) Diatribe ...” Auf der Vorderseite des Schmutzblatts steht von
einer anderen späteren Hand ein Zitat aus den Apophthegmata fol. 204 (Diogenes
als Weiberhasser), und darunter, von einer 3. Hand, folgendes: “Anno 1546 d. 18
Febr. ist der seelige Luther9 Morgens um 3 Uhr [korrigiert für: Abends um 10
Uhr] sanfft und seelig gestorben.
[Seite 102]
Hat also
dieses Buch 3 Jahr in Händen gehabt, und ist 63 Jahr 3 Monathe und 10
[korrigiert für: 20 Tagel]1 alt geworden. D. Just9 Jonas hat ihm die Leichen
Predigt in Eisleben gehalten über 1 Thessal: IV. 13 –18”2 Auf der Rückseite des
Schmutzblatts hat Paul Luther, der Arzt, der Sohn des Reformators3, der also
den Band geerbt hat4, folgendes geschrieben:
εἰς
τό τρέφειν
πώγωνα
δοκεῖ
σοφίαν
περιποιεῖν
ὁ
τράγος εὐπώγων
εὔστολός
εστι Πλάτων
τό
μηδέν γάρ ἄγαν,
ἄγαν με τέρπει
παῦλος
λϋτήρ
Auf dem
Titelblatt endlich steht rechts vom Titel die erste Glosse von der Hand Martin
Luthers: “ Liber Odiorum in Christum & suos plenu•s Vn•ice querens vt nulla
religio & omnis religio sint idem.” Dazu hat ein späterer Leser bemerkt:
“manu sua scripsit verba haec B. Lutherus. miratus sum primum, quo fundamento
impietatis huius accusare potuerit Erasmum; at cum verba Erasmi in
[Seite 103]
colloquio
convivium Religiosum legissem: vix mihi tempero, quin dicam: Sancte Socrates,
ora pro nobis. et paulo post: ipse mihi saepe non tempero, quin bene ominer
sanctae animae Maronis et Flacci, tunc calculo meo Lutheri sententiam
comprobare non dubitavi.’
Wir drucken
nun die Randbemerkungen Luthers zu dem Texte des Erasmus unter Angabe des Zusammenhangs
ab. Sie zeigen, wie dem Reformator je länger je mehr an dem Charakter des
Erasmus nur die Schattenseiten entgegentraten — “Erasmus ist ihm ein Epikureer,
ein Weltkind, er ist der wiederaufgelebte Spötter Lucian, ein Mann, der Gott
und Religion verspottet, ein Mann ohne feste religiöse überzeugung, ein
Verwüster der Religion, eine verächtliche Persönlichkeit; er hat nur verba sine
re, Worte ohne Jnhalt” — und wie die innere Abneigung, die er bei der
Einheitlichkeit und Geschlossenheit, rücksichtslosen Offenheit, ungestümen
Leidenschaftlichkeit, dröhnenden Gewaltsamkeit seiner Natur gegen jenes
komplizierte und schillernde, weltkluge, diplomatische, gedämpfte Art empfinden
mußte, ihn dazu trieb, auch in harmlosen Äußerungen des großen Gelehrten Unrat
zu wittern.1
Zuerst hat in
den Jahren 1753 und 1754 der damalige Besitzer des Buches, der Pastor zum
heiligen Geist und Rektor des Martineums zu Halberstadt M. Christian Friedrich
Hertel in zwei lateinischen Schulprogrammen über unsern Band gehandelt. Das
erste derselben ist hinten angebunden und trägt den Titel: “Diatribe prior, qua
de Desiderii Erasmi Roterodami apophthegmatum opere, in primis de huius ipsius
exemplari, quod beatissimus vir D. Martinus Lutherus olim possedit cuique is
ipse commemorabilia adscripsit non nulla, quaedam disserit, qui singularis
huius libri iam possessor est, M. Christianus Fridericus Hertel. Halberstadii
typis Fridericianis”. Die Diatribe posterior hat denselben Titel. Doch hat sich
Hertel mehr in allgemeinen Betrachtungen ergangen als die Glossen vollständig
und genau wiederzugeben und recht zu würdigen. Nachdem dann der Band in die
Wernigeröder Bibliothek übergegangen war, hat ihn G. Kawerau wieder
aufgestöbert und in der Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches
Leben 10 (1889), S. 599ff. gründlich besprochen. Vgl. auch noch Ed. Jacobs,
Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 2 (1905),
S. 236f.
Das
Widmungsschreiben an den späteren Herzog Wilhelm V. von Cleve-Jülich-Berg2 vom 26.
Februar 1531 hat Luther zu zwei Glossen veranlaßt. Erasmus rechtfertigt sich,
daß er eine Sentenzen- und Anekdotensammlung aus den alten Philosophen und
Historikern veranstaltet habe, da nur wenige dazu imstande sein und Lust dazu
haben möchten, deren Schriften im Zusammenhange zu lesen. Jnsbesondere brauche
ein Fürst nicht zu wissen, ‘quae disputantur ab illis de finibus bonorum ac
malorum, maiore subtilitate quam fructu. Conveniunt haec illorum instituto, qui
de honesto per omnem vitam nihil aliud quam disputant’. Dazu bemerkt Luther:
‘Sola apophthegmata statim p̱ oīa3 früctificant’ (p. 2). Und
[Seite 104]
zu dem
Schlußsatz: ‘Desinam, si verbum addidero: dum in his versaris, memento te non
Christianorum, sed Ethnicorum apophthegmata legere, videliect ut legas cum
iudicio’ bemerkt er: ‘Qu̧1 Christiani nihil sunt ad illos’ (p. 12).
Jm 2. Buche
erwähnt Erasmus unter der überschrift ‘Prisca Lacedaemoniorum instituta’, daß
die Spartaner Knechte, Hunde, Pferde, landwirtschaftliches Gerät als
Kommuneigentum betrachteten und sich gegenseitig ohne weiteres zur Verfügung
stellten, und versteigt sich zu der Äußerung: “Diceres hos germane Christianos,
si pro Lycurgo Christum nacti fuissent legum latorem’. Dazu Luther: ‘Ecce
odīǖ in Christǖ’ (p. 126).
Weiterhin erzählt
Erasmus unter der überschrift: ‘Apophthegmata Lacaenarum’ von einer
Spartanerin, die ihren Sohn, der sich im Kriege so betragen hatte, daß er einer
solchen Mutter unwürdig schien, bei dessen Rückkehr nach Hause getötet hätte.
Zu dem dazu am Rande stehenden ‘Fortiter’ bemerkt Luther: ‘ füriose’ (p. 133).
Ferner
erzählt Erasmus: ‘Virgo quaedam clanculum corrupta foetum extinxit tam interim
patiens dolorum, ut nullam ederet vocem, adeo ut parturiens et patrem et alios,
qui aderant, falleret. Nam magnitudinem cruciatus turpitudo cum honestate
coniuncta superavit’. Zu dem Anfang der Geschichte bemerkt Luther: ‘Etiā
laēene sunt Impudicȩ & homicide Has tu excusas titulo fortitudinis’, und zum
Schluß: ‘Turpitudo cüm honestate o Erasme’ (p. 137).
Die nächste
Geschichte lautet: ‘Alia quum venderetur, interrogata, quid sciret: Fidelis,
inquit, esse’. Dazu Luther skeptisch: ‘Et hoc verüm tu credis’ (p. 138).
Jn dem
folgenden Abschnitte ‘Apophthegmata Chilonis Laconis’ berichtet Erasmus von
ihm, daß er in hohem Alter gesagt hätte, er sei sich keiner Tat bewußt, die er
bereuen müßte, eine ausgenommen, daß er, als er einmal als Schiedsrichter
beigezogen war, um zwischen zwei Freunden einen Streit zu beenden, und er
nichts gegen die Gesetze tun wollte, den einen Freund überredet hätte, anderen
die Entscheidung zu übertragen. ‘Hoc pacto et legem servavit et amicum’.
Erasmus ruft zum Schluß aus: ‘Quid illa sanctius anima, qui per omnem vitam,
quae illi longa contigit, hoc tantum criminis admisit!’ Diese überschwenglichkeit
kritisiert Luther: ‘Ergo nec Chr̂9 sanctus nec vllus homo Dei’
(p. 140).
Auf derselben
Seite schreibt Erasmus: ‘Atque haec est praecipua pars boni consultoris
dispicere non solum, quid per se optimum sit, sed quid pro temporum ratione
possit obtineri’. Luther fügt hinzu: ‘ vt Christi religio sit nihil’.
Weiterhin
wiederholt Erasmus den Ausspruch des Chilon: ‘Praeterea sic esse contemnendam
mortem, et nihilosecius curam habeas incolumitatis’, und fügt von sich aus
hinzu: ‘Non enim est fortitudinis, sed amentiae, semet temere in vitae discrimen
conicere.’ Luther bemerkt dazu: ‘hic laconē recte pingit sui ipsius
homicidam’ (p. 143). Er will Erasmus auf den Widerspruch aufmerksam machen, in
den er sich damit zu seinen früheren Lobpreisungen spartanischer Tapferkeit
setzt, wenn er z. B. p. 70 uneingeschränkt den Grundsatz der Spartaner gelobt
hat: ‘fugere ignominiosum est Spartae ac damnosum, contra manentem aut mori aut
vincere honestissimum’.
Jm 4. Buche
erzählt Erasmus von Phocion, daß er einmal in Athen eine Rede gehalten, die ihm
allseitigen Beifall eingetragen habe. Da hätte er sich verwundert
[Seite 105]
an seine
Freunde mit der Frage gewandt: ‘Num mali quippiam dixi imprudens?’ Luther setzt
ein ‘Nota’ bei (p. 278).
Ferner: als
die Mazedonier in Attika einfielen und die Küste verwüsteten, habe Phocion die
Jungmannschaft gegen sie ins Feld geführt. ‘Quorum multis ad ipsum
concurrentibus hortantibusque, ut colle quodam occupato ibi collocaret
exercitum: O Hercules, inquit, quam multos video duces, milites vero
perpaucos!’ Hier äußert Luther ausnahmsweise einmal durch ein ‘pülchre’ (p.
280) sein Wohlgefallen.
Unter der
Überschrift: ‘Demosthenes orator’ erzählt Erasmus weiter: ‘Fertur aliquando
Corinthum navigasse Demosthenem illectum fama nobilissimi scorti Laidis, ut et
ipse famoso amore potiretur. At quum illa pro nocte stipularetur drachmarum
decem milia, deterritus magnitudine precii, mutavit sententiam, dicens: οὐκ
ἀγοράζω
τοσούτου μετανοῆσαι.’
Luther rechnet sich den Preis in ‘1250 fʃ.’1 um (p. 297). Auf derselben Seite bemerkt Erasmus zur
Erzählung von einem Advokatenkniff: ‘Candide’. Luther korrigiert: ‘Sapienter,
ingeniose’.
Jm 6. Buche
(Apophthegmata varie mixta) hat sich Luther auf Wiederholung von Stichwörtern
beschränkt: ‘occīdat modo imperet’ (p. 399), ‘vectigal e lotio’ (p. 403)*,
‘Vibius Crispus’ (p. 404)*. Caracalla wird als ‘incestus’ (p. 412)*
charakterisiirt. Zur Geschichte vom Selbstmord der Lucretia verweist Luther mit
‘489 infra’ (p. 436)* auf eine Erwähnung dieser Geschichte, die sich unten auf
der genannten Seite findet. Dunkel ist eine Glosse Luthers zu folgender
Geschichte: ‘Huic simillimum est, quod de Tito patre narrat Suetonius, quum
scurram multa in alios iacientem provocasset, ut in se quoque diceret aliquid:
Dicam, inquit, ubi ventrem exonerare desieris, alludens ad formam Caesaris, qui
faciem habebat nitentis’. Hier übersetzt Luther zunächst den von Erasmus
gebrauchten Euphemismus ‘nitentis’ durch ein ‘cacātis’ in seine gröbere
und deutlichere Sprache. Ferner aber hat er zu ‘scurram’ den Namen seines
ehemaligen Wittenberger Kollegen ‘Tülichi9’ beigeschrieben (p. 448). Liebte
Tulich2 ähnliche Scherze?
Jm 7. und 8.
Buche werden wieder Stichwörter notiert: ‘Cynicū matrimoniū’ (p.
534)*, ‘satagere’ (p. 566)*, ‘Ocricülari9’ (p. 578)*, ‘Vxor Cȩca
Maritus surdus’ (p. 608).3 Nur zu zwei Anekdoten von Kaiser Titus werden
inhaltlich bedeutsame Glossen hinzugefügt. Zwei entlarvte Verschworene redet
der Kaiser an: ‘Videtisne principatum fato dari frustraque tentari facinus
potiundi spe vel amittendi metu?’ Dazu Luther: ‘Non semp Nec tentandus De9’.
Titus verschont ferner seinen Bruder Domitian, der ihm nachstellt. Erasmus
meint: ‘Haud temere in Christiano reperias tantum mansuetudinis’. Luther
bemerkt zu ‘Christiano’ ironisch: ‘Nec sancto paulo Ap̄lo’
(p. 575).
Auf der
letzten Seite der Druckschrift hat sich Luther zwei Stellen herausgeschrieben:
[Seite 106]
608
Alphonsśs1
In
tranquillitate viŭere posse:
dixit:
coniŭges, si
maritŭs
esset sŭrdŭs
vxor vero cȩca
548
pyrrho
[daneben Korrektur: Homericū2]
οἱήπερ
φύλλων γενεή
τοίηδε
καὶ ἀνδρῶν
Die Glosse p.
98: ‘haec autem sunt impia Dicta’, die Kawerau S. 601 Luther zuschreibt, ist
nicht von Luthers Hand, sondern von derselben, von der auch die beiden anderen
Randbemerkungen auf dieser Seite stammen. Dieselbe Hand hat auch die Glosse p.
483: ‘hoc est apud Athenaeum’ geschrieben, betreffs deren Kawerau S. 603
schwankt, ob sie von Luther oder einem späteren Besitzer des Buches herrühre.
An und für sich könnte ja Luther (ebensogut wie Melanchthon) des Athenäus
Deipnosophisten3 gelesen haben. Einige Glossen, betreffs deren ich glaube, daß
sie von Luther — mit anderer Hand- und Federhaltung als gewöhnlich —
geschrieben sind, ich meiner Sache aber doch nicht sicher bin, habe ich oben
mit einem * versehen.
[Seite 107]
[Einleitung]
Nach des
Jacobus de Voragine ‘Legenda aurea’ war im Mittelalter die verbreitetste
Legendensammlung die ‘Vitae patrum’ betitelte. Sie geht im Kern auf Hieronymus
zurück, enthält die wunderüberladenen Lebensbeschreibungen von etwa 30 heiligen
Einsiedlern, wurde besonders von den Predigern ausgeschlachtet und ist im
ausgehenden Mittelalter lateinisch und deutsch in mindestens 18 Ausgaben im
Druck erschienen.1 Luther urteilte einmal im Jahre 1540 über dieses Buch: “Es
ist wenig gutts drinnen. Es ist ein lauter kloster lob et contra articulum
iustificationis. Zu zeitten laufft eine gute historia mit.’2 Öfters hat er
daraus zitiert, bald ablehnend, bald beistimmend, 1544 sagte er einmal: “Es ist
ein eigene plag von dem Teuffel, das wir kein legendam sanctorum rein haben;
sein die schendlichsten lugen darinnen, das es ein wunder ist. Und ist ein
schwere arbeit, legendas sanctorum zu corrigirn.”3 Auf Luthers dringendes
Bitten übernahm Georg Major die Aufgabe, die ‘Vitas patrum’ von den törichtsten
und abgeschmacktesten Märchen zu reinigen und neu herauszugeben4, und in der
Vorrede, die Luther beigab, wiederholen sich die Äußerungen, die wir soeben aus
seinem Munde wiedergegeben haben. Während Luthers Vorrede undatiert ist, ist
die gleich darauf folgende Vorrede Majors unterschrieben: ‘Wittemberga Calendis
Ianuarij Anno 1544’. Zu Neujahr 1544 oder Weihnachten 15435 ist der
umfangreiche Oktavdruck bei Peter Seitz erschienen.
[Seite 108]
Ausgabe:
“VITĘ
PA-||TRVM, IN V-||sum ministrorum verbi, || quo ad eius fieri po-|| tuit
repurgatę. || Per GEORGIVM || MAIOREM. || CVM PRĘFATIONE || D. DOCTORIS ||
MARTINI LVTHERI. || VVitembergę. || 1544. ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite
bedruckt. 352 Blätter in Oktav (= Bogen A und B –Z und a –x; 8 unbezifferte
Blätter und Blatt 1. bis 323. und 21 unbezifferte Blätter), Blatt g 2a und die
letzte Seite (= Blatt x 8b) leer.
Am Ende (Blatt x 8a Z. 11): “IMPRESSVM VVIT-| TEMBERGAE PER || PETRVM
SEITZ. || ANNO 1544. ||”
Die Seitenüberschrift auf Blatt C 6a
lautet in einigen Exemplaren “MONCHI” in anderen richtig “MONACHI”.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9465), Dresden, München H., Rostock, Stuttgart, Zwickau; London. —
Erl.-Frankf.: Opp. lat. var. arg. VII, 568.
Spätere
Ausgaben mit Luthers Vorrede:
1a.
Witebergae, Vitus Creutzer, 1559. Jn Oktav.
1b. Dieselbe
Ausgabe; die Jahreszahl ist in 1560 geändert, und zwar entweder nur auf dem
Titelblatt oder nur am Ende oder an beiden Stellen. Jn Oktav.
2.
Witebergae, Vitus Creutzer, 1562. Jn Oktav.
3.
Witebergae, Haeredes Laurentii Schwenck, 1578. Jn Oktav.
Deutsche
Übersetzung mit Luthers Vorrede in späterer Ausgabe:
u. d. T.:
Georg Maior, Vitae patrum Das ist: Das Leben der Altvaeter, verteutschet Durch
M. Sebastianum Schwan. Lübeck, Laurentz Albrecht 1604. Jn Quart.
Jn den
Gesamtausgaben: (lateinisch): [Erlangen-] Frankfurt a. M.: Opp. lat. var. arg.
VII, 568 –572; (deutsch): Walch1 14, 384 –391; Walch2 14, 402 –407.
[Seite 109]
[1] [Bl. A
1b] D. Martinus Luther pio lectori salutem.
1544
[2] Inter
cetera Satanici furoris opera hoc non minimum est, [3] quod historias seu quas
vocant Legendas Sanctorum quam [4] plurimas aboleverit Et, quas extare passus
est (haud [5] dubie non volens), ita corruperit fabulis stultis et impijs [6]
mendacijs, ut veri multo sint similiores et utiliores gentium [7] quaedam
fabulae. Tantum est odium Serpentis contra [8] [1. Mose 3, 15] semen mulieris
et Ecclesiam Christi, ut etiam post [9] mortem persequatur memoriam Sanctorum,
ne vel eorum egregia dicta et [10] facta viventibus salutari exemplo vel
consolationi esse possent. Hinc illud [11] mali venit, ut nec Apostolorum
historias, quas maxime oportuit, fideles et [12] puras habeamus, nisi quantum
ex Luca, Eusebio et alijs quibusdam relictum [13] est. Cetera desiderantur et
optantur frustra.
[14] Nam et
in ipsa Urbe Roma nescitur, ubi sint Apostolorum Petri et Pauli [15] capita et
corpora cum integris suis historijs, Etsi Pontifices quotannis [16] ostentent
populis duo lignea et factitia capita Petri et [Bl. A 2] Pauli, Quae [17]
sinunt et credi volunt vulgo esse ipsa nativa Crania Petri et Pauli,1 Et [18]
super eo Altari, ubi condita sunt, consecrant Episcoporum pallia iactantes [19]
desuper capitibus Apostolorum ea mitti, ut Decretales loquuntur, incredibili
[20] perfidia et insanissima mentiendi libidine orbem fallentes ad gloriam et
honorem [21] [Joh. 8, 44] Diaboli patris mendaciorum, cuius sunt ministri. Idem
faciunt cum [22] fallaci illa Veronicae tabula, Quam cum sciant esse nihil et
inanem, tamen [23] magna pompa ostentant pro imagine salvatoris impressa
sudario (ut vocant), [24] Sed pannis ita velatam, ut nemo quicquam videre
possit, nec ipsi, qui ostentant. [25] Quis enim videat id, quod nihil est? Sed
quid multa? Ipsa quondam [26] Urbs tempore martyrum sanctissima et totius
Ecclesiae locus unus in [27] orbe terrarum omnium praeclariss[imus], post, ut
et nunc, est impudentissimis [28] mendacijs et stultissimis fabulis
conniventibus scilicet Pontificibus impijs [29] et sceleratis unus omnium
refertissimus per omnes angulos Et plane Sentina [30] omnium turpitudinum et
vitiorum, sicut impletum est Diaboli tam dirum [31] [Jer. 7, 11; Matth. 21, 13]
votum, in quod semper hiavit, ut ex optima Ecclesia sibi faceret Satanicam [32]
speluncam Latronum horrendissimam et sterquilinium prorsus inexpurgabile.
[33] Quod si
Romam ausus est tam fede conspurcare permittente ira dei, [34] nostra
ingratitudine cogente, quam Christus maximo Spiritus sui impetu [35] [Ps. 109,
6 vg.] purgavit, sicut scriptum est: ‘Conquassabit caput terrarum multarum’
Psalm. 109, [36] Quid, rogo, in alijs Partibus orbis (quantum potuit furor
eius) nobis purum
[Seite 110]
[1] et
syncerum relinqueret? Hinc mundus plenus est impietate, Idololatria, [2]
cultibus, fabulis et legendis sanctorum, missis prophanis, et quis omnia
scandala [3] numeret? Ipsam vide scripturam et Sacramenta Dei, quot generibus
[4] et speciebus haeresium et errorum tentavit prorsus perdere? nec hodie in
[5] hac re minus furit quam antea semper. Ea malitia quoque imprimis appetivit
[6] hunc Librum celeberrimum, quem ‘Vitas patrum’ appellat orbis totus [7]
Ecclesiae.
[8] Sed hic
prius referam ipsius S. Hieronymi sententiam, quae est in Epistola [9] eius ad
Ctesiphontem contra Pelagianos.1 ‘Evagrius, inquit, ponticus [10] Hyperborita,
qui scribit ad virgines, scribit ad Monachos, edidit Librum et [11] sententias
περὶ ἀπαθείας, quam
nos impassibilitatem vel imperturbationem [12] possumus dicere, quando nunquam
animus ullo perturbationis vitio commovetur [13] et (ut simpliciter dicam) vel
saxum vel Deus est. Huius Libros per [14] orientem Graecos et interpretante
discipulo eius Ruffino Latinos plerique in [15] occidente lectitant. Qui Librum
quoque scripsit quasi de Monachis multosque [16] in eo enumerat, qui nunquam
fuerunt et quos fuisse scribit Origenistas [17] et ab Episcopo damnatos esse
non dubium est, Ammonium videlicet et [18] Eusebium et Euthimium et ipsum
Evagrium, Or2 quoque et Isidorum et [19] multos alios, quos enumerare tedium
est. Et iuxta illud Lucretij3:
[20]
[Bl. A 3] Ac
veluti pueris absynthia tetra medentes [21]
Cum dare
conantur, prius oras pocula circum [22]
Contingunt
dulci mellis flavoque liquore,
[23] Ita ille
unum Iohannem in ipsius Libri principio posuit, quem et Catholicum [24] et
sanctum fuisse non dubium est, ut per illius occasionem ceteros [25] (quos
posuerat) Haereticos Ecclesiae introduceret’ etc. Reliqua tu ipse lege, [26]
Lector, dura certe de Ruffino et Eusebio Caesariensi, si vera est narratio.
[27] His
verbis videtur S. Hieronymus hunc Librum nominare et plane velut [28] digito
monstrare. Qui si tempore illo sic fuit corruptus et confusus Liber, [29] quid
et quantum putas post illa tempora accesserit fabularum et mendatiorum? [30]
Qualia illa sunt de Marino, Euphrosyna, Simone super Columna4 et similia [31]
multa, quae partim Poetica sunt, quibus vaniloqui homines Stoicas illas [32]
Apathias voluerunt in Ecclesia superatas videri, quas tamen nullus Stoicus [33]
unquam vidit neque sensit, partim prorsus impudentissima figmenta, quibus [34]
irrisa est Ecclesia in suis veris miraculis.
[35] Sed id
observandum est in verbis S. Hieronymi, qui damnat in isto [36] genere
Monachorum tantum eos, qui Pelagiani et Origenistae fuerunt. Et [37] cum negari
non possit multos fuisse eiusdem nominis, quorum alij Haeretici, [38] alij
Orthodoxi fuerint, fit ista confusio, ut nescias, quis, qualis fuerit. Nam
[Seite 111]
[1] si
universum Monachorum genus (ut illo tempore fuit) damnes, ipsum [2] S.
Hieronymum imprimis damnabis, qui non solum laudavit plus nimio hoc [3] vitae
genus, ut vides in Antonio, Paulo, Hilarione, Malcho, Sed ipse quoque [4]
factus est urbe relicta Monachus satis periculoso exemplo multorum.
[5] Fuit
istius seculi mos, si mos vocari potest tantus furor Sathanae, ut [6] [1. Tim.
4, 3] inciperent magno impetu agere, quod Paulus praedixit 1. Timoth. 4:
‘Prohibentium [7] nubere et cibis abstinere’ etc. Quasi nulli possent esse
Christiani, [8] nisi coelibes essent et Stoicis dogmatibus satisfacerent, ita
ut etiam ipsius [9] Hieronymi Libri opus habeant acris iudicij Lectore, ubi
nuptijs iniquissimus [10] est et secundas, si licuisset, prostibulis
comparasset. Sed revocavit et correxit [11] eum postea Episcoporum fidelium
ministerium, qui Pelagianos et Origenis [12] errores (quem prius non
dubitaverat scribere Magistrum Ecclesiarum [13] post Apostolos) damnaverunt.
[14] Quae cum
ita se habeant, ut liber iste ‘Vitas patrum’ opus habeat [15] severiore
censura, postquam sunt omnia fanda, nefanda malo permixta furore, [16] ut
nescias, quae Ruffini, quae Hieronymi vel aliorum, deinde quae Hieronymi [17]
certa sunt, quo spiritu haec vel illa scripserit, Impuli et vix perpuli
precibus [18] D. Georgium Maiorem, ut hoc onus seligendi et purgandi omnia
susciperet [19] haud dubie molestissimum. Sunt enim in eo Libro, ut et in
Hieronymo, [20] [Matth. 14, 20] multa egregie dicta et facta, quae ut fragmenta
Euangelicae mensae colligere [21] oportet et non abijcere cum istis sordibus,
quas alij imprudentes [Bl. A 4] miscuerunt, [22] velut illae dirae volucres
apud Vergilium dapes Aeneae fedaverunt.1
[23] Non est
autem difficile internoscere et discernere, utri sint probandi. [24] Pelagiani
enim et Origenistae urgent Stoicas Apathias et nesciunt quas perfectiones [25]
vitae. Qua in re etiam Augustino fecerunt negocium. Ceterum de [26] gratia,
fide, remissione peccatorum et veris magnalibus Dei, quo etiam infans, [27] ut
Isaias2 dicit, vincit mortem, peccatum, infernum, satis modeste susurrant [28]
et leniter, ne dicam in totum silent, suas autem Stoicas Apathias ambabus [29]
buccis inflant. Contra Orthodoxi media et recta via incedentes nec peccatis
[30] indulgent nec perfectiones sibi arrogant, sed peccatoribus, poenitentibus
et [31] credentibus remissionem peccatorum, gratiam, vitam et salutem tribuunt.
Quae [32] opera, ut sunt ipsius Dei et Christi Domini nostri, ita sunt
abscondita sapientibus [33] istis et intelligentibus. Quis est enim inter eos,
qui videat parvulum [34] baptisatum esse Dominum et victorem peccati, mortis et
Diaboli? Sed obliti [35] iamdudum sui Baptismatis eundem invadunt hostem suis
proprijs viribus [36] superandum, id est Diabolum, peccatum, mortem, quem
debebant agnoscere [37] victum eis esse in suo Baptismate, id est, in Christo
semine mulieris. Haec [38] esto Regula, quae fuit et erit in secula, Deo laus
et gloria, Amen.
[Seite 112]
[Einleitung]
Je älter
Spalatin wurde, desto verdüsterter wurde seine Stimmung. Zuletzt verfiel er in
Schwermut, weil er einen Ehefall nach dem Urteil der Wittenberger Autoritäten
nicht richtig entschieden hatte. Luther, Amsdorf und Melanchthon trösteten
ihn.1 Der Kurfürst sandte ihm seinen Leibarzt Ratzeberger. Umsonst: Lebenskraft
und Lebenslust waren in ihm erloschen, er siechte dahin.
Vorher hatte
Spalatin zur Selbsthilfe gegriffen, hatte sich selbst zu trösten gesucht, indem
er aus der Heiligenlegende und der Kirchengeschichte Beispiele und Sentenzen
sammelte, die geeignet waren, das wankende Gottvertrauen zu festigen und vor
Kleinmut und Verzagtheit zu bewahren. Jm März 1544 erschien diese Sammlung bei
Nikolaus Schirlentz in Wittenberg im Druck.2 Bl. A ija – A 5b finden wir die
unten folgende empfehlende Vorrede Luthers vom 8. März 15443, Bl. A 6a – A 8b
einen für die Öffentlichkeit bestimmten Brief Spalatins an Luther vom 25.
Dezember 1543.4 Wir entnehmen ihm, daß Spalatin sich die Exempelsammlung des Hermann
Bonnus zum Muster genommen hat, die unter dem Titel: ‘Farrago praecipuorum
exemplorum de Apostolis, Martyribus, Episcopis et Sanctis Patribus veteris
Ecclesiae’ 1539 in Schwäbisch-Hall erschienen war5, und daß er von Luther
angeregt worden war. Schon am 23. November 1543 hatte sich Luther bereit
erklärt, Spalatins Manuskript in Druck zu geben, sobald dieser an einer vom
Mönchsleben handelnden Stelle eine kleine Änderung vorgenommen haben würde6,
und am 10. Dezember hatte er diese Erklärung wiederholt und hinzugefügt, daß er
eine Vorrede voranstellen wolle.7
[Seite 113]
Ausgabe:
“MAGNI||FICE
CONSOLATO-||ria exempla, & sententię, ex || Vitis & Passionibus
San-||ctorium & aliorum sum || morum Virorum, breuis || sime collectę,
Opera. || GEOR. SPALATINI. || Cum pręfatione D. || Mart. Luth. || VITEBERGĘ.
1544. ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite bedruckt. 88 unbezifferte Blätter
in Oktav (= Bogen A –L), die zwei letzten Blätter (= L 7 L 8) leer. Am Ende
(Blatt L 6b Z. 9): “EX OFFICINA || Typographica Nicolai || Schirlent. Anno
salu-||tis nostrę, millesimo || quingentesimo, qua-||dragesimoquarto. || mense
vero || Martio. ||”
Luthers Vorrede steht auf Blatt A 2a – A
5b.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9468), Dresden, Hamburg, München H., Rostock, Zwickau (3 Ex.). —
Erlangen-Frankfurt: Opp. lat. var. arg. VII, S. 566.
Jn den
Gesamtausgaben: (lateinisch) Erlangen-Frankfurt: Opp. lat. var. arg. VII, 565
–568; de Wette 5, 635 –637; (deutsch): Leipzig 22, Anhang 135f.; Walch1 14, 391
–394; Walch2 14, 408 –411. Ferner lateinisch bei Seckendorf, Commentarius de
Lutheranismo (1692), Lib. III Sect. 30 § 118 p. 518 und ebenda in der Ausgabe
von 1694, deutsch in dess. Historie des Lutherthums (1714), Sp. 2318 –2320.
[1] [Bl. A ij]
Venerabili in Domino Fratri
[2] Magistro
Georgio Spalatino Pastori Aldenburgensis
[3] Ecclesiae
Et Superattendenti suae Diocesis Ecclesiarum
[4] in Misna
Fidelissimo et Sincerissimo.
1544
[5] Gratiam
& Pacem in Christo Deo & Salvatore nostro. Placet [6] mihi institutum
tuum, mi Spalatine, nec dubito, quin DEO [7] ipsi placeat et omnibus, qui DEVM
querunt, quo collegisti [8] Sanctorum Dei dicta & facta puriora. Pertinent
enim haec [9] [Ps. 62, 12 vg.] ipsa non solum ad obstruendum os loquentium
iniqua contra [10] nos & obtrectantium nobis, quasi novas haereses vel, ubi
[11] mitius volunt loqui videri, novas opiniones & dogmata seramus, [12]
Verum etiam ad confirmandas nostras conscientias tot testimoniorum & [13]
exemplorum Veterum nube eruditas, qui eadem nobiscum senserunt, dixerunt, [14]
fecerunt & tulerunt.
[Seite 114]
[1] [Bl. A
iij] Nam etsi unicuique sufficere debet sua fides in verbum DEI, [2] [Matth.
16, 18] ut contra portas inferorum etiam sibi soli in acie standum sit, Tamen,
ut est [3] [Matth. 26, 41] iuxta spiritum promptum caro infirma, non levi aut
parvo momento movetur [4] pius animus, si viderit tot secula, tot exempla, tot
excellentes homines ante [5] & circa se similes sibi fuisse & similia
semper facta esse per illos, qualia [6] nos ex Scripturis didicimus &
experientia quotidiana cognoscimus in nobis.
[7] Multa
sunt quidem in sanctis hominibus, sicut & in nobis, quae dixerunt & [8]
[Röm. 7, 15ff.] fecerunt secundum tyrannidem & legem peccati, Ro. vij:
‘Quod volo bonum, [9] non facio, Quod nolo malum, hoc facio. Itaque non ego id
facio, sed, [10] quod habitat in me peccatum’ etc. Taceo mendacia, quae sunt in
eorum [11] Historias per impios Diaboli ministros seminata. Tamen, cum ventum
est [12] ad agonem et confessionem, videmus, quam pure & constanter fidem
suam [13] testentur.
[14] Quid
potuit Ambrosius magis pie & fortius dicere, cum in agone suo [15]
novissimo contra peccatum, mortem, iram Dei & infernum hanc vocem con- [16]
[Bl. A iiij]fidentissime edidit ad circumstantes Sacerdotes: ‘Non sic vixi,
[17] ut me pudeat inter vos vivere. Nec mori timeo, quia bonum Dominum [18]
habemus.’1
[19] Quam
vocem S. Augustinus in suo quoque agone mirifice commendavit, [20] ut refert
Possidonius in eius legenda2, Et ipse quoque Augustinus sese hac [21] voce sua
ipsius solabatur3 contra conscientiam (quae est mortis saevissimum [22]
ministerium): ‘Turbabor4 (inquit), sed non perturbabor, Vulnerum Domini [23]
recordabor’. Quis non videt sanctissimos Viros talibus verbis testari fidem
[24] in Christum, nudam quidem & solam, sed firmam & victricem mortis
& [25] peccati? Nam et si vitam & opera sua iudicent coram hominibus
irreprehensibilia [26] esse (sicut decet & oportet), Tamen coram Deo
nituntur sola [27] [Hohel. 2, 14; Jer. 48, 28] misericordia & bonitate
eius, tacitis meritis. Et in vulneribus Christi [28] [1. Kor. 10, 4] sicut
columba illa in foraminibus petrae (Petra autem est Christus) volunt [29]
inveniri.
[30] Recte
itaque & utiliter facimus, si Sanctorum dicta & facta primum a [31] [2.
Tim. 2, 15; Röm. 12, 6] mendacijs alienis purgemus, deinde recte secantes
prudenter ad regulam seu [32] [1. Thess. 5, 21] analogiam fidei probemus, sicut
docet Apostolus: ‘Omnia probate, quod bo- [33] [Bl. A 5]num est, tenete’. Qua
admonitione quid opus fuit, si Sanctorum
[Seite 115]
[1] dicta
& facta omnia sine iudicio pro articulis fidei essent habenda? Non fuit [2]
eorum vocatio aequalis Apostolorum & Prophetarum vocationi. Sancti fuerunt,
[3] [Matth. 26, 41] sed homines & quorum spiritus promptus patiebatur
carnem non modo infirmam, [4] sed et repugnantem.
[5] Ubi ergo
spiritu dominante loquuntur et operantur, sunt eorum verba & [6] [Joh. 6,
12] opera colligenda ceu fragmenta Euangelica, ut quae Dominus Christus in [7]
eis operatus sit, et vere sint Christi ipsius opera. Ubi vero carne adversante
[8] loquuntur et operantur, damnandi sane non sunt, sed excusandi vel tolerandi
[9] pro nostra certissima consolatione, qui videmus Sanctos Dei nobis infirmis
[10] similes fuisse et suam unumquenque in carne ista peccati circumtulisse
infirmitatem. [11] Hac causa volui tuum librum, MI SPALATINE, invulgari, Sed
[12] tu deinceps tibi a laudibus meis tam grandibus (dicerem, nisi esset mihi
tuus [13] candor notus falsis) temperabis. Scio me esse nihil. In Domino bene
Vale. [14] [Röm. 7, 24] Et ora pro me, ut feliciter migrem ex corpore mortis
huius et carne peccati [15] huius. Amen. 8. Martij 1544.
MARTINVS
LVTHER.
[Seite 116]
[Einleitung]
Jn der Vogtei
Mühlhausen regten sich trotz aller Verfolgungen die Wiedertäufer immer wieder.
Jnfolge der Strenge, mit der der von Herzog Georg von Sachsen scharfgemachte
Rat in den Jahren 1537 und 1538 gegen sie einschritt, zogen sie wohl zeitweilig
sich zurück, wagten sich jedoch gleich wieder hervor, als nach dem Tode Herzog
Georgs und nach dem Regierungsantritt seines reformatorisch gesinnten Bruders
Heinrich im September 1541 erst die Vogtei und ein Jahr darauf auch die Stadt
Mühlhausen die lutherische Lehre annahm. Justus Menius, der seit September 1542
im Auftrage der Schutzfürsten die Neuordnung des Mühlhäuser Kirchen-und
Schulwesens durchzuführen und zu überwachen hatte, wurde sofort auf das
Wiederauftauchen der Ketzer aufmerksam, berichtete darüber an Kurfürst Johann
Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, war aber vor allem
selbst bestrebt, der wiederaufwuchernden Ketzerei in Mühlhausen und Umgebung
entgegenzutreten. Um den Mühlhäuser Rat zu energischem Einschreiten
anzutreiben, widmete er ihm unter dem 3. April 1544 ein von fanatischem Hasse
gegen die Ketzer durchtränktes Buch: “Von dem Geist der Wiedertäufer”, in dem
er deren Lehre und Tun und Treiben als den Gipfelpunkt aller Gottlosigkeit und
als für Staat und Kirche höchst gefährlich und alle Zucht und Ordnung
verwüstend hinstellte. Luthers Vorrede ist deshalb interessant, weil er wieder
Münzerianer und Zwinglianer zusammenwirft und sein ceterum censeo wiederholt,
“das Wiederteufferund Schwermergeist ein Geist ist”.1
Ausgabe:
“Von dem
Geist || der Widerteuffer. || Justus Menius. || Mit einer Vorrede. || D. Mart.
Luth. || Wittemberg. || M D XLIIII. ||” Mit Titeleinfassung (A. Götze: Nr. 103;
J. Luther: Tafel 25). Titelrückseite leer. 76 unbezifferte Blätter in Quart (=
Bogen A –T). Am Ende (Blatt T4b Z. 15): “Gedruckt zu Wittem || berg, Durch
Nickel Schirlentz || M D XLIIII. ||”
[Seite 117]
Luthers Vorrede steht auf Bl. A 2a –A 3b.
Druckunterschiede auf Blatt B 3a berühren
den Text der Vorrede Luthers nicht.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9472), Dresden, Frankfurt a. M., Hamburg, Heidelberg, Jena, Königsberg
U., Lindau, München H., Münster U., Rostock, Stuttgart (unvollständig),
Wernigerode, Wittenberg, Wolfenbüttel, Zwickau (3 Ex.); London. — Erl. Ausg.
63, 381; P. Bahlmann, Die Wiedertäufer zu Münster, Zeitschr. f. vaterl. Gesch.
u. Altertumskunde Westfalens Bd. 51 (1893), S. 157, im Sonderdruck (Münster
1894), S. 39.
Jn den
Gesamtausgaben: Wittenberg 2 (1548), 377a –411b; Jena 8 (1558), 222b –223b;
Altenburg 8, 363f.; Leipzig 21, 450f.; Walch1 20, 2192 –2195; Walch2 20, 1760
–1763; Erlangen-Frankfurt 63, 381 –383.
[1] [Bl. A
ij] Vorrede. Martinus Luther D.
1544
[2] Es ist
ein sprichwort: Die Welt wil betrogen sein.1 Solch sprichwort [3] erferet man
teglich, und sonderlich im Kirchen regiment. [4] Da gehets also zu: Wenn gleich
die Warheit so rein und hell wird [5] gepredigt und so gewaltiglich beweiset,
Das, wenn eine Kue vernunfft [6] hette, wuerde sie es greiffen oder tappen konnen,
Noch [7] sind die Menschen so verduestert, das sie es nicht allein nicht hoeren
wollen, [8] sondern auch gerne und fursetzlich da wider toben.
[9] Aus dem
kan und mus man mercken, das die Menschliche vernunfft von [10] jr selbs allein
solchs nicht thue, Sondern der boese Geist helffe dazu und zeige [11] sich
hierin, was fur einen grossen gehorsam er habe in der Welt, Weil er [12] diese
hohe, edle, feine Creatur so gar gewaltiglich regiert, wohin er wil, wie [13]
[Eph. 2, 2] S. Paulus sagt Ephe. ij: ‘Der Furst dieser welt hat sein werck in
den Kindern [14] [2. Kor. 4, 4] des unglaubens’, Und ij. Cor. iiij: ‘Bey
welchen der Gott dieser welt der Ungleubigen [15] sinn verblendet hat, das sie
nicht sehen das helle liecht des Euangelij [16] von der klarheit Christi’.
[17] Nu ist
in diesem buchlin Er Justi Menij der Widerteuffer ketzerey so gewaltig [18]
widerlegt, on was er und andere vorhin da wider geschrieben haben2, [19] das
(wie ich gesagt), wenn eine Kue vernunfft hette, muste sie sagen, Es were [20]
ja die warheit und kundte nichts anders sein. So ists ja auch gut rein Deudsch,
[21] das man nicht sagen kan, Es sey nicht deudlich noch verstendlich gnug
geredt,
[Seite 118]
[1] gleich
wie sie und die Sacraments Feinde so schendlich Deudsch reden, das nicht [2]
allein jr Theologia, Sondern auch jre Rede nicht wol zuverstehen ist. Denn [3]
Gott schickts zu unser zeit also, das der Teuffel mus nicht gut Deudsch reden,
[4] wie Carlstad und Zwingel musten reden, das mirs grosse erbeit war, jre rede
[5] zuverstehen.
[6] Und ist
die warheit, das Widerteuffer und Schwermergeist ein Geist ist. [7] Denn ob sie
sich wol eusserlich stellen, als seien sie nicht eines Geists, wie [8] der
Zwingel und die seinen sich stelleten, als weren sie der Widerteuffer feind [9]
in etlichen artickeln, Aber doch in der Tauffe und Sacrament gantz und gar [10]
ein Geist in beiden war, Denn sie alle beide lereten die grosse [Bl. A iij]
kunst, [11] nemlich, Das in der Tauffe schlecht wasser sey, Und im Sacrament
schlecht [12] brod und wein sey.
[13] Und
summa: Wie dis Buchlin saget: Kein jrthum noch ketzerey ist allein. [14] Wo der
Teuffel einen Fus einsetzt, da gehet er hinach mit dem gantzen Leibe.1 [15] Wer
zulesst, das Tauffe eitel wasser sey, Der mus zulassen, das Sacrament [16]
eitel brod und wein sey, und so fort an. Wenn diese Erbsunde geschehen und [17]
dieser apffel gefressen ist, mus man sich als denn mit solchen Feigenblettern
[18] schmuecken: Wie kan wasser die Seele waschen? Wie kan Brod und Wein [19]
Christus Leib und Blut sein? Sihestu nicht, das er im Himel sitzt? Wie [20] kan
ein boeser Mensch Furst oder Herr sein? Wie kan ein boese Weib eins [21]
heiligen Mans Eheweib sein?
[22] Wolan,
wir wehren, so viel wir konnen, nach unserm Befehl und Ampt. [23] Und ist unser
wehren nicht umbsonst, Hat auch diese gewisse hoffnung, das [24] doch zuletzt
solche Luegengeister mussen untergehen und die warheit bleiben, wie [25] [Jes.
40, 8; Ps. 1, 4] Esaie xl. sagt: ‘Gottes wort bleibt ewig’, und Psal. j: ‘Die
Gottlosen bleiben [26] nicht, Sondern werden verstrewet wie die sprew vom
winde’, Wie die Exempel [27] zeugen der Ketzer von anfang der Kirchen, Auch
itzt der Ketzer aller ketzer [28] [Matth. 24, 15] abominatio in loco sancto,
Der gehets auch dahin nach seinem stuendlin, On [29] das wir zu unser zeit
halstarrige Rotten haben mussen, die uns uben und [30] plagen, wie unser
Vorfarn von Ketzern zu jrer zeit, Und die Propheten zu [31] jrer zeit von
falschen Propheten geplagt sind. Denn die welt mus und wil [32] betrogen sein,
Und die Auserwelten mussen versucht, probirt und durchleutert [33] werden,
Alles Gott zu lob und ehre in ewigkeit. AMEN.
[Seite 119]
[Einleitung]
Das Marburger
Gespräch hatte zur Abfassung von Artikeln geführt, “der man sich verglichen”.
Aber im Artikel vom Sakrament “bliebs stecken”. Da war ausdrücklich anerkannt,
daß man über die Frage, “ob der wahre Leib und Blut Christi leiblich im Brot
und Wein seien, dieser Zeit sich nicht verglichen habe”, zugleich aber
zugestanden und versprochen, daß “ein Teil gegen den anderen christliche Liebe,
so fern jedes Gewissen immer leiden könne, erzeigen, und beide Teile Gott den
Allmächtigen fleißig bitten sollten, daß er durch seinen Geist den rechten
Verstand bestätigen wolle” (Unsre Ausg. Bd. 303, 170).
Es war der
Erfolg dieser Verhandlungen, daß nach dem eifrigen Schriftenwechsel der letzten
Jahre der literarische Streit über das Abendmahl über zehn Jahre ruhte, und daß
nach der auf dem Reichstag in Augsburg angebahnten Annäherung es mit den
Oberdeutschen am 29. Mai 1536 in der Wittenberger Konkordie zu einer
Verständigung kam; ja zeitweise hatte es den Anschein, als wäre auch mit den
Schweizern eine Verständigung möglich; am günstigsten stand's im Frühling 1538,
so daß am 6. Mai Luther an Herzog Albrecht von Preußen schreiben konnte: “Mit
den Schweizern, so bisher mit uns des Sakraments halben uneins gewest, ists auf
guter Bahn ... dem Gräuel zu Rom zu Verdrieß, denn dieselben sind solcher neuen
Zeitung hart erschrocken” (Erl. Ausg. 55, 200f.; Enders 11, 357f.); und auf der
anderen Seite sprach Heinrich Bullinger in Zürich Luther gegenüber die Hoffnung
aus, daß eine amicitia mutua et nunquam rumpenda sie verbinden würde (Enders
11, 342).
Aber diese
Hoffnungen waren eine Selbsttäuschung gewesen. Von 1538 an verschärfte sich
wieder das Verhältnis, und die Jahre 1544 und 1545 brachten noch einen heftigen
Nachhall des alten Streites. Jm Jahre 1544 erschien Luthers hierunter
abgedrucktes “Kurzes Bekenntnis vom heiligen Sakrament”, und im folgenden Jahre
antworteten darauf die Schweizer mit der von Bullinger verfaßten
Verteidigungsschrift: “Warhaffte Bekanntnuß der dieneren der kirchen zu Zürych”
(s. im bibliographischen Verzeichnis FGH).
Den letzten
Anlaß zu Luthers Schrift hatten freilich nicht die Schweizer geboten. Einmal
hatte Kaspar Schwenckfeld Luther gereizt. Als Schwenckfeld in einem äußerlich
höflichen, ja ehrerbietigen Brief ihm vorgeworfen, daß er über ihn nicht
gerecht geurteilt hätte (s. Enders 15, 243ff.), hatte Luther mit einem
[Seite 120]
offenen,
seinem Boten mitgegebenen, leidenschaftlich groben Zettel ihm geantwortet
(Enders 15, 276), und Schwenckfeld hatte diesen Zettel abschriftlich
verbreitet. Durch einen Freund war eine Abschrift wieder an Luther gelangt; und
dieser unbekannte Freund, auf den unsere Schrift nur noch einmal wieder Bezug
nimmt, ist es, an den Luther sein “Kurzes Bekenntnis” gerichtet hat.
Es war seine
tiefe Abneigung, mit Schwenckfeld auch nur zusammen genannt zu werden, die
Luther so heftig gegen ihn auftreten ließ. Aber ebenso wünschte er auch jeden
Schein zu vermeiden, als hätte er mit den anderen Ketzern Gemeinschaft. Und
damit hing der andere Vorfall zusammen, der Luther Anlaß zu seiner Schrift
geworden ist. Die Geistlichen in Eperies und in den benachbarten Orten im
ungarischen Komitat Saros hatten Luther geschrieben, daß Matthias Biró Dévay1
sich der Abendmahlslehre der Schweizer zugewandt habe, hatten dabei wohl — ihr
Brief ist verloren — ihrer Verwunderung Ausdruck gegeben, daß ein ehemaliger
Wittenberger Student, der dort in Ansehen stände, sich als Sakramentierer
erwiesen, und hatten im Zusammenhang damit gefragt, was es für eine Bewandtnis
damit habe, daß man die Elevation der Hostie in Wittenberg habe abgeschafft,
worauf wir nachher noch näher einzugehen haben. Jhnen erwidert Luther am 21.
April 1544, daß es ihm schwer falle zu glauben, was sie über Dévay schrieben;
wenn er aber Sakramentierer geworden, so habe er's in Wittenberg jedenfalls
nicht gelernt, denn sie kämpften gegen die Lehren der Sakramentierer öffentlich
und privatim; auch daß sie die Elevation abgeschafft, hätte nichts mit einer
etwaigen Lehrveränderung in Wittenberg zu tun, sondern sei in christlicher
Freiheit geschehen; und wenn er nicht verrückt würde, so würde er niemals mit
den Feinden des Sakraments etwas zu schaffen haben; der Teufel, der wohl wisse,
daß er öffentlich nicht zu besiegen sei, versuche es nun im geheimen und wolle
das Wort der Wahrheit in seinem Namen verdrehn. So sehe er sich gezwungen, nach
so vielen Bekenntnissen seiner Abendmahlslehre noch ein neues herauszugeben; er
werde es aber tun baldigst und eiligst (Enders 16, 6): die erste ausdrückliche
Erwähnung unserer Schrift.
Ganz anders
als jener erste in unserer Schrift namhaft gemachte Anlaß hatte also dieser
zweite ihren eigentlichen Grund berührt. Denn vor allem wollte Luther noch
einmal mit den Schweizern gründlich abrechnen, von ihnen sich scheiden und auch
anderen gegenüber von ihnen geschieden sein; wollte das Mißtrauen zum Ausdruck bringen,
das im Grunde die ganzen Jahre hindurch ihn erfüllt hatte, und über das er nur
zeitweise sich hatte hinwegtäuschen lassen. So rückt er denn den Schweizern
vor, wodurch sie in den vergangenen Jahren den zu Marburg vereinbarten Frieden
gestört hätten; vor allem entrüstet er sich über Zwinglis nach seinem Tode von
Bullinger 1536 herausgegebene Schrift: “Christianae fidei Expositio”, in der
Zwingli ganz und gar als Heide sich zeige. Sie war erschienen, gerade als es
zum Abschluß der Wittenberger Konkordie kommen sollte, und hatte Luther damals
dieserhalben wenig Trost und Hoffnung gegeben, zumal gleichzeitig auch Briefe
Zwinglis und Oekolampadius' erschienen, von Butzer bevorwortet, in denen
manches Luther verletzte (Enders 10, 334f.; Finsler, Zwingli-Bibliographie
[Seite 121]
S. 72, 105).
Was Luther damals befürchtet hatte, das spricht er nunmehr aus: daß nämlich in
Marburg die Schweizer alles mit falschem Munde geredet hätten; nicht in einem
einzigen Artikel seien sie zu jenen getreten, vielmehr hätte Zwingli in vielen
guten Artikeln ihnen nachgegeben, aber er hätte sie damit getäuscht. Die
Warnungen, die Gott ihnen hätte zuteil werden lassen, seien vergeblich gewesen:
vergeblich, daß Gott sie gestraft mit Uneinigkeit, vergeblich die Schriften,
die sie eines Besseren hätten belehren wollen; vergeblich sei auch die dritte
Warnung verlaufen, daß Gott Zwingli und Oekolampadius eines jähen Todes hätte
sterben lassen. Deshalb sei nun alle seine Hoffnung auf ihre Besserung dahin;
er könne nicht einmal mehr für sie beten. Sie wollten sein nicht, so wolle er
auch ihrer nicht; sie hätten nichts von ihm — des danke er Gott; er hätte aber
auch nichts von ihnen — des lobe er Gott; so solle hinfahren, was nicht bleiben
wolle! —
Aber auch
Luther hatte manches getan, was den Schweizern mit der Vereinbarung von Marburg
nicht übereinzustimmen schien. Jn ihrer Erwiderungsschrift halten sie Luther
sein Sündenregister vor, indem sie aufzählen, wie unfreundlich Luther nach dem
Vertrage von Marburg gehandelt habe (Bl. 25b ff.): Albrecht von Brandenburg
habe er vermahnt (im Februar 1532), sie und ihre Lehre zu meiden und sie nicht
im Lande zu dulden (Unsre Ausg. Bd. 303, 541ff.); in ihrer Schrift, die sie
darauf an Albrecht geschrieben, hätten sie nicht Böses mit Bösem vergolten,
hätten vielmehr geschrieben, daß sie Luthers Ehre und Namen keineswegs
schmälern noch verkleinern wollten, daß sie anerkennten, daß Gott vielen und
großen Nutzen durch ihn in aller Welt geschaffen habe; nur möchten sie ihn
erinnern, daß er doch auch ein Mensch sei und daß er auch irren möge; deshalb
solle er seine Mitarbeiter am Werke Gottes nicht so gar verachten. Luther aber
habe im folgenden Jahre einen Brief an die von Frankfurt a/Main gerichtet, in
dem er über die Maßen heftig schelte und wüte; unter anderem spräche er, wer
von seinem Seelsorger wisse, daß er Zwinglisch lehre, der solle ihn meiden (a.
a. O. S. 561, 12ff.). Jn seiner Schrift “Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe”
(1534) aber habe er ausgesprochen, daß Oekolampadius durch feurige Pfeile und
Spieße des Teufels plötzlich gestorben sei (Unsre Ausg. Bd. 38, 197, 17ff.),
während doch in offenem Druck sei ausgegangen: “Das Ende und der Tod
Oekolampadii, beschrieben durch Simonem Grynaeum”, der alles, das er von des
Oekolampadius seligem Abscheiden schreibe, selbst gesehen und gehört habe. Jhre
gebührende Antwort auf diese scharfen Schriften Luthers habe Capito verhindert,
indem er sie auf die Konkordie vertröstet habe. Aber dabei seien sie abermals
enttäuscht worden. Luther habe gefürchtet, daß er mit Schwärmern möchte
zusammen genannt werden; da hießen sie aber Luther fröhlich und sicher ruhig
sein, denn sein Name hätte unter ihnen nie so übrig viel gegolten, doch hätten
sie ihn daneben nicht verachtet. So hätten sie auch die Konkordie nicht abgelehnt;
vielmehr hätten sie, nachdem Luther am 1. Dezember 1537 ihnen entgegenkommend
geschrieben, daß, wenn sie einander nicht so ganz verständen, sie doch
gegeneinander freundlich sein wollten, ihm am 4. Mai 1538 im gleichen Sinne
geantwortet (Erl. Ausg. 55, 190, Nr. 563; Enders 11, 294; 352ff.) und hätten
forthin zu Luther und den Seinen sich nur des Friedens und der Einigkeit
versehen. Aber Luther habe auch nach der Konkordie sich unfreundlich gehalten.
Jn seiner Schrift “Von den Konziliis und Kirchen” (1539) habe er Zwingli einen
Nestorianer genannt (Unsre Ausg. Bd. 50, 591, 10ff.);
[Seite 122]
nicht in
einem offenen Schreiben, sondern in einem besonders freundlichen Brief hätten
sie ihm das vorgehalten (30. August 1539: Enders 12, 241); Luther hätte nicht
darauf geantwortet, hätte vielmehr im “Gebet wider den Türken” Zwingli unter
die Täufer und Aufrührer gerechnet (Unsre Ausg. Bd. 51, 587, 26ff.); in der
Auslegung der Genesis hätte er aufs neue sie unter die Schwärmer gezählt, die
von der Wahrheit seien abgefallen (Unsre Ausg. Bd. 42, 247, 5ff.), und in einem
Brief an Christoph Froschauer vom 31. August 1543 (Enders 15, 219), “an dessen
Gedicht man wohl spüren mögen, daß Luther nicht gewollt, daß er heimlich und
verborgen bliebe, sondern daß er ihnen vorkäme und gezeigt würde”, habe er
ihnen allen die Freundschaft gekündigt.1
So sprach
denn Luthers scharfe Schrift nur offen aus, was man insgeheim schon hüben und
drüben wußte, daß die Vermittelungsversuche der Konkordie gescheitert waren,
und daß man einander doch nicht traute, und brachte Klarheit in unklare
Verhältnisse.
Schon im
Januar 1543 hatte Luther überlegt, ob er über die Elevation etwas
veröffentlichen solle; er hatte damals aber sich dagegen entschieden: er hätte
keine Hoffnung, daß man in allen Kirchen immer mehr eine Zeremonie gebrauchen
werde; würde man sie in Wittenberg einführen, so folgten die anderen doch nicht
und wollten von ihnen ungemeistert sein (Enders 15, 86). Damals hatte die
Abstellung der Elevation in Wittenberg durch Bugenhagen (seit 25. Juni 1542)
weithin große Aufregung hervorgerufen; längst war Bugenhagen damit umgegangen,
und Luther hatte ihm nicht entgegen sein wollen (Enders 14, 280f.), obgleich er
persönlich die Elevation lieber beibehalten hätte (Kroker, Luthers Tischreden
Nr. 652 = U. A. Tischr. 5 Nr. 5665); aber anderwärts führte man die Abstellung
auf Luther zurück, vermutete viel mehr dahinter, als nur eine Änderung der
Zeremonie und elendete Luther unablässig mit Anfragen, so daß er förmlich
verärgert am 10. November 1542 an Spalatin schreibt: De elevatione sacramenti
facias, quod libuerit; ego in rebus istis neutris nolo poni ullum laqueum; sic
scribo, scripsi, scripturus sum omnibus, qui me quotidie ista quaestione
fatigant (Enders 15, 10; vgl. Corp. Ref. V, 20).
Als aber die
Anfragen nicht aufhörten, und man gerade in dem oben erwähnten Brief der
Geistlichen um Eperies, der der Hauptanlaß zu unserer Schrift geworden ist, in
der Abstellung der Elevation wieder eine Verleugnung der bisherigen Lehre vom
Abendmahl (negationem doctrinae de sacramento) sah, da änderte Luther seine
Ansicht vom Januar 1543 und legte zum Schluß unserer Schrift eingehend dar, wie
die Abstellung der Elevation aufzufassen sei: ganz in demselben Sinne, wie er
wiederholt brieflich Auskunft gegeben, zuletzt an Herzog Albrecht von Preußen
und Antonius Lauterbach (17. Februar bzw. 2. April 1543: Enders 15, 110f. 131),
daß nämlich solche Zeremonien nicht unsere Herren, sondern daß wir solcher
Zeremonien Herren sein möchten.
Am 21. April
1544 hat Luther, wie wir sehen, zu unserer Schrift endgültig sich entschlossen;
am 8. August lagen drei Bogen geschrieben vor (Arch. für Ref.-
[Seite 123]
Geschichte
XIII, 164); am 30. September 1544 war das “Kurze Bekenntnis” gedruckt (Corp.
Ref. V, 488, vgl. 484).
Libellus
editus multo adhuc moderatius scriptus, quam sperabatur, schrieb am 7. Oktober
1544 Cruciger aus Wittenberg an Veit Dietrich (a. a. O. 497). Man atmete auf,
daß die Schrift wenigstens die der Konkordie Angeschlossenen nicht verletzte
und namentlich keinen Streit ins eigenste Lager trug. Man hatte in dieser
Hinsicht die größesten Sorgen gehegt. Noch vor einem Monat hatte Cruciger
Dietrich von einer Bekenntnisformel geschrieben, die Luther vorbereite, und die
alle unterschreiben müßten; wer nicht unterschreibe, würde nicht in Wittenberg
bleiben können (a. a. O. 476). Dabei hatte er vor allem an Melanchthon gedacht,
der sich auch schon darauf eingerichtet hatte, Wittenberg zu verlassen, und der
aufs bestimmteste erwartet hatte, daß das kommende Buch mit ihm ins Gericht
gehen würde (a. a. O. 462; 473f.). Er hatte mit Butzer den Entwurf der
“Kölnischen Reformation” (im Auszuge bei Richter, Kirchenordnungen II, 30ff.)
abgefaßt, der von dem Erzbischof an Kurfürst Johann Friedrich zur Prüfung übersandt,
von diesem Amsdorf zur Begutachtung übergeben und dann mit Amsdorfs Gutachten
Ende Juli oder Anfang August in Luthers Hände gelangt war (Corp. Ref. V, 459).
Jn einem Schreiben an den Kanzler Gregorius Brück hatte sich dieser recht
ungünstig über den Entwurf ausgesprochen: er treibe langes Geschwätz von
Nutzen, Früchten und Ehre des Sakraments, aber von der Substanz mümmele er, daß
man nicht vernehmen solle, was er davon halte, ganz wie die Schwärmer täten
(Enders 16, 59). Gleichzeitig machte Luther ohne sonst erkennbare Ursache in
den Predigten Ausfälle gegen die Sakramentierer (Unsre Ausg. Bd. 49, 529ff.).
Er errege neuen Krieg, schrieb deshalb Melanchthon besorgt am 11. August an
Dietrich; ängstlich begleitete er Luthers Schritte, vor allem seine Reise nach
Zeitz, wo er sich mit Amsdorf treffen wollte, gewiß um mit ihm die “Kölnische
Reformation” zu besprechen, und am 28. August sprach Melanchthon ganz bestimmt
Butzer gegenüber von Luther aus: rursus tonare coepit vehementissime
περὶ δείπνου
κυριακοῦ et scripsit atrocem librum,
in quo ego et tu sugillamur (Corp. Ref. V, 461f. 462f. 474).
Butzer hatte
daraufhin einen äußerst höflichen Brief an Luther geschrieben, der ihn auf die
Gefahren aufmerksam machte, die ein neuer Sakramentsstreit mit sich bringen würde
(Enders 16, 81f.); aber dieser Brief, den Melanchthon eigentlich an Luther
hatte geben sollen, den er aber nicht zu übergeben gewagt, und der dann durch
Brück an den Kurfürsten gelangt und von diesem Luther übermittelt worden war,
kam zu spät, um Luthers Schrift noch verhindern zu können (a. a. O. 83; 88f.);
er hätte sie aber auch nicht verhindert, wenn er früher gekommen wäre.
Die wahre
Sorge Butzers bei seinem Schreiben konnte Luther auch gar nicht verstehen, denn
weder er noch Melanchthon waren durch das “Kurze Bekenntnis” betroffen. Luther
hatte, was er vor mehr denn Jahresfrist an die evangelischen Brüder in Venedig,
Vicenza und Treviso geschrieben, daß in Basel, Straßburg und Ulm bei den
Predigern gesunde Lehre herrsche, wenn auch im Volk der alte Sauerteig noch
nicht ganz ausgetilgt sei, und daß Butzer mit Melanchthon vereint in Köln
wirke, was dafür bürge, daß auch jener für rein zu achten sei (Enders 15, 167),
trotz aller Zwischenfälle dennoch festgehalten und hatte vor allem in seinem
Vertrauen zu Melanchthon sich nicht erschüttern lassen. Am 12. November
[Seite 124]
1544 schrieb
er den Jtalienern in ganz ähnlichem Sinne, indem er ein Mißtrauen gegen
Melanchthon für ebenso töricht erklärte wie etwa ein Mißtrauen gegen ihn
selbst: Quin si forte audieritis D. Philippum vel Lutherum consensisse
sacramentariorum furori, propter Deum nolite credere (Enders 16, 109).
Melanchthons Erklärung wegen der “Kölner Reformation”, daß rechtes Verständnis
des Wortes und rechter Brauch der Sakramente darin gelehrt würde (a. a. O. 46),
hatte ihm genügt, und die Auswanderungsgedanken, die Melanchthon auch am 10.
Oktober noch bewegten (Corp. Ref. V, 499), waren gänzlich unnötig.
Das “Kurze
Bekenntnis” richtete sich gegen die Züricher und ihren Anhang; ihnen gegenüber
wünschte Luther klare Scheidung, damit solche Briefe, wie der aus Ungarn, nicht
mehr möglich seien. Deshalb hatte Luther auch bei unserer Schrift, wie
Hieronymus Besold an Dietrich am 8. August 1544 schreibt, täglich die Bücher
zur Hand, die er ehemals gegen die Sakramentierer geschrieben (Arch. für
Reformationsgesch. a. a. O.), vor allem “Wider die himmlischen Propheten”, den
“Sermon vom Sakrament”, “Daß diese Worte Christi ‘Das ist mein Leib’ noch feste
stehn” und das (Große) “Bekenntnis” (Unsre Ausg. Bd. 18, 37ff.; Bd. 19, 474ff.;
Bd. 23, 38ff.; Bd. 26, 241ff.), deren Spuren uns in unserer Schrift wiederholt
begegnen (s. die Fußnoten). Besold schreibt auch, daß Luther Sorge trüge, daß
diese Schriften ins Lateinische übersetzt würden, damit sie in die Hände der
Jtaliener und Franzosen — wir mögen hinzufügen: und der des Deutschen
unkundigen Ungarn — kämen. Diese Bemerkung kann sich aber nur beziehen auf die
Schrift “Daß diese Worte .. noch feste stehn”, von der Jonas zwar gleich nach
Erscheinen eine lateinische Übersetzung in Angriff genommen haben soll, die
dann aber erst 1559 erschien (Unsre Ausg. Bd. 23, 45 u. 49), und auf “Wider die
himmlischen Propheten’; von den anderen beiden Schriften lagen 1544 schon
lateinische Übersetzungen vor: vom “Sermon” schon die im “Sermo elegantissimus”
von 1527 bei Johann Secerius in Hagenau (Unsre Ausg. Bd. 19, 469 u. 479), vom
“Großen Bekenntnis” eine Übersetzung von 1539 (Unsre Ausg. Bd. 26, 255). Unklar
bleibt, weshalb Luther, wenn es ihm auf derartige Verbreitung seiner
Abendmahlschriften ankam, nicht vor allem von unserer Schrift eine lateinische
Übersetzung betrieben hat.
Jn Zürich
wußte man schon seit September, daß eine neue Abendmahlsschrift Luthers
bevorstände (Corp. Ref. V, 475). Jn seiner Ungeduld bittet Bullinger schon am
10. Oktober den Ambrosius Blaurer, ihm sobald wie möglich ein Exemplar der
Schrift zu besorgen (Schieß, Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas
Blaurer II, 308). Von vorneherein ist man offenbar auch entschlossen gewesen zu
antworten; es wird darüber schon verhandelt, noch ehe man sichere Kunde hat,
daß die Schrift wirklich vorliegt (a. a. O. 315). Erst am 31. Oktober kann
Blaurer melden, daß die Schrift herausgekommen sein solle, am 7. November hat
er durch den Prediger Johannes Jung in Konstanz, der die Schrift bei einem
Wittenberger in Ulm gesehen, die erste Nachricht von ihrem Jnhalt und gibt
Bullinger davon Kenntnis (a. a. O. 317). Am 3. Dezember hat Bullinger die
Schrift noch nicht in der Hand (Bindseil, Ph. Melanchthonis epistolae, iudicia
.. quae in Corp. Ref. desiderantur, S. 207); argwöhnisch fürchtet er, daß man
sie ihm verheimliche (Schieß II, 321); Mitte Dezember erhält er sie durch
Ambrosius Blaurer, der sie durch Frecht in Ulm erhalten, aber nur unter der
Bedingung, daß er sie zurücksende,
[Seite 125]
da nur wenige
Exemplare vorhanden seien; erst am 25. Dezember bekommt er durch Blaurers
Vermittelung ein eigenes Exemplar vom Bürgermeister Welser in Konstanz (a. a.
O. 325. 333). Geflissentlich sammelt Bullinger die ungünstigen Urteile über das
“Kurze Bekenntnis”: nicht nur der Kurfürst von Sachsen, auch andere Fürsten,
und die Besten in den Städten seien unwillig darüber (a. a. O. 344); besonders
aufgebracht sei Ulrich von Württemberg; auch Muskulus hätte sich ungünstig ausgesprochen.
Andererseits war auch bekannt, daß manche Lutheraner sich nicht genugtun
könnten, den neuen Elias und seine bittere Strenge zu loben (a. a. O. 338.
342).
Sobald ihm
bekannt geworden war, daß er Luthers Schrift nicht mehr hatte zurückhalten können,
hatte Butzer darauf hingearbeitet, nun wenigstens eine Gegenschrift der
Schweizer zu verhindern, und Melanchthon hatte ihn darin kräftig unterstützt;
Butzer schrieb ausführliche, das Für und Wider gründlich darlegende (a. a. O.
310. 321. 326f. 327 Anm. 1. 327ff., vgl. 342), Melanchthon flehentliche und
tränenreiche Briefe, die einer dem anderen abschriftlich mitteilte (a. a. O.
308. 315. 318; Bindseil 206). Bullinger ging Melanchthons Sorge so zu Herzen,
daß er ihm in Zürich eine sichere Zufluchtsstätte anbot; aber ihre Unschuld
müßten sie schützen, ihren Glauben freudig bekennen und gegen die Angriffe sich
verteidigen; bitter beklagte er sich über Luther, der vor allem ihnen, gegen
die er geschrieben, ein Exemplar seiner Schrift hätte senden müssen; das wäre
vornehm und ehrlich gewesen (Bindseil 207f.). Blaurer wußte längst, daß eine
Antwortschrift beschlossene Sache sei; aber von Butzer wiederholt darum
angegangen (Schieß II, 321. 326f. 341), hat er immer wieder zur Mäßigung und
Vorsicht ermahnt; gleich, als er Luthers Schrift an Bullinger sendet, rät er,
nicht an Luther selbst zu schreiben, sondern an die Kirchen; gegen Ende
Dezember gibt er zu überlegen, ob die Antwort nicht eine zweifache sein könnte,
eine kürzere für den einfachen, leicht überdrüssigen Leser, und eine
ausführlichere; Anfang Januar 1545 bittet Butzer ihn, doch dahin zu wirken, daß
Bullinger Zwingli nicht auch darin verteidige, daß er Numa, Herkules und die
Scipionen mit den Patriarchen, Propheten und Aposteln im Himmel vereinigt habe;
am 17. Februar erwartet Blaurer die Gegenschrift mit Sehnsucht und hofft, daß
sie so sein würde, wie sie der Schweizer würdig wäre, nicht wie Luther sie
verdient hätte (a. a. O. 325. 332. 341. 347).
Am 27.
Februar ist die Gegenschrift der Schweizer schon beinahe gedruckt (Schieß,
Bullingers Korrespondenz mit den Graubündenern I, 73); am 11. März hat Blaurer
sie schon fast vollständig in Händen; am 16. März 1545 erhält er die letzten
Blätter; die Schrift scheint ihn nicht recht befriedigt zu haben; er meint, sie
sei recht lang geraten, und verleiht merkwürdigerweise die viel erwartete
Schrift an einen Freund, ehe er sie noch recht gelesen hat (Schieß,
Briefwechses II, 351f.).
Nach
Wittenberg gelangte die Schrift von der Ostermesse 1545 in zwei Exemplaren
durch den Buchführer Kilian Krumpfuß. Ein Exemplar erwarb der Studiosus Johann
Wilhelm Reiffenstein, dem es im Auftrage des Kurfürsten von Doktor Matthaeus
Ratzeberger wieder abgefordert wurde (Neudecker, Handschriftl. Geschichte
Ratzebergers S. 123). Von diesem Exemplar wird auch Luther Kenntnis bekommen
haben, denn schon, bevor das vom Landgrafen von Hessen am 16. April nach
Wittenberg geschickte Exemplar noch abgesandt war, erwähnt Luther die
Gegenschrift der Schweizer am 14. April gegen Amsdorf (Enders 16, 206).
[Seite 126]
Die Schrift
druckt am Ende Luthers “Kurzes Bekenntnis” ab. Sie zerfällt in drei Teile,
einen geschichtlichen, einen dogmatischen und einen apologetischen. Die Vorrede
sagt darüber:
“Zum ersten,
diewyl D. Luther das Colloquium oder Gespraech, zů Martpurg vor xv. jaren
gehalten, so vilfaltig und gefarlich zů nachteil und verkleinerung unserer
predigeren und leereren anzücht: darnebend so ernstlich bittet und vermanet, ob
yemants durch das gschrey deß vertrags zů Martburg oder sunst gehoert oder
beredt waere, das Luther mit uns eins sye, der soelle doch soelichs nit glouben
&c.., woellend wir etwas anzeigung thůn, zu ersten von dem Gespraech
zů Martburg, demnach von dem handel der Concordi oder einigkeit: uß
welchem allem ungezwyflet der Laeser verston wirt, daß der handel an jm selbs
wider die unsern nienen so grüwlich ist, als jn aber Luther machet: das ouch
wir uns fridens geflissen habind, Luther aber one not und aller der unseren und
unser verschulden ein so ergerlich schelten und boese unrůw anrichtet,
zů deren er uns mit gewalt herfür zücht, die wir vil lieber růw haben
woeltind. Demnach diewyl er unsere vorfaren und uns wüssentliche halßstarrige
und unbůßfertige kaetzer schilt, die falsche und gifftige leer den kirchen
fürtragind und fromme kirchen jaemerlich verfuerind, ja kein stuck deß
Christenlichen gloubens recht glaubind: insonderheit aber von dem heiligen
Sacrament deß lybs und blůts Christi lugenhafftige lesterliche und
unchristenliche leer, die Gottes wort und alter Christenlicher kirchen leer
zewider sye, fuerind, tribind unnd schirmind, so woellind wir unsere leer unnd
unseren glouben gemeinklich und in einer kurtzen summ, ouch von dem Nachtmal
unsers Herren Jesu Christi, fry, warhafftig, kurtz unnd klarlich bekennen und
erzellen: und mit Gottes hilff klarlich darthůn und bewysen, das unsere
leer und glauben Christenlich und recht, nit kaetzerisch noch falsch, ja daß sy
uß dem wort Gottes genommen und heiliger alter Christenlichen kirchen leer
glych und gemaeß sye. Dargegen woellend wir erwysen, daß Luthers meinung und
leer vom Sacrament dem selben wort Gottes und heiliger Christenlicher uralten
kirchen leer ungemaeß und jren selbs zewider ist. Und das woellend wir nit
darumb thůn, daß uns so not unnd gaach sye Luthern laetz zestellen, oder
daß wir ein besonderen lust habind Luthern zewidersprechen, sonder vil mer
darumb, daß wir uß Christenlicher pflicht die warheit bekennen und fürderen
soellend, und ouch schuldig sind, und das mencklich verstande, warumb wir von
unserer leer nit wychen und Luthers leer, die so ungewüß und unbegründt ist,
annemmen koennind. Zů letst, diewyl Luther den spruch deß heiligen Pauli
an Titum anzücht und etliche warnungen, die uns (als er achtet)
unbůßfertigen vergaeblich begegnet syend, hoch ruempt unnd damit sich uns
zů kaetzeren zemachen und zeverdammen understadt, ja ouch als kaetzer
verdampt, woellend wir mit der warheit darthůn, das er sines verdammens
unnd kaetzerens wider uns gar kein rechtmaessige ursach hat: das er ouch die
unseren nie überwunden und in luginen funden, sy aber und uns
můtwilligklich mit unwarheit unchristenlich geschmaecht unnd deren dingen
gezigen hat, die er niemer mit der warheit bewysen mag.”
Sie schrieben
aus Notwehr, denn Luthers Buch sei “so voller tüflen, unchristenlicher
ußerlaesner schmaechworten, unzüchten, wuests unreins redens, zorns, schalcks,
grimme und wuetende, daß alle, die es laesend, unnd nit gar mit jm unsinnig
worden sind, sich hochlich und mit erstunen ab dem ellenden unnd unerhoerten
exempel verwunderen muessend, daß ein soelicher alter, betagter, vilgeuebter
und wolgeachter mann sich nit anders kan im zoum ryten, dann daß er so grob und
wuest heruß fallen und sich gantz und gar vor allen vernünfftigen zenüte machen
sol”.
Sie weisen
dann im ersten (geschichtlichen) Teil zuerst Luthers Angriffe hinsichtlich des
Marburger Gesprächs zurück: Sie hätten nicht nach dem Gespräch “geworben”;
Philipp von Hessen habe sie gerufen durch sein Missive: Speier, Donnerstag nach
Jubilate
[Seite 127]
1529. Auch
hätten sie nicht erst in Marburg gesagt, daß auch Leib und Blut Christi im
Abendmahl sei; Zwingli und Oekolampadius hätten beide schon vorher wiederholt
sich so ausgesprochen; auf der Berner Disputation, wo sie beide disputiert,
hätten sie gesagt: “Wir verlougnend nit in keinen waeg, daß wir essind den leyb
Christi unnd trinckind sin blůt, aber das thůnd wir geistlich durch
den glouben” (Worte Oekolampadius'; Zwinglis Werke von Schuler und Schultheß
II, 126). So hätten sich nicht die Züricher den Wittenbergern angeschlossen,
sondern sie hätten sich “beider syts glychfoermig ze syn befunden” (Bl. 7b).
Wenn Luther behaupte, einige unter ihnen entschuldigten sich damit, daß sie
Luthers Lehre mißverstanden und angenommen hätten, er lehre wie die Papisten,
so hätte diese lahme, kalte Entschuldigung niemand gebraucht; hinsichtlich
Zwinglis bedürfe das keines Beweises; Oekolampadius aber hätte in der “Antwort
auf Luthers Bekennntnis” deutlich ausgesprochen, er wisse wohl, wie bisher in
Schulen gelehrt sei (Walch, Luthers Schriften XX, 1761). Was aber das lange
ungereimte Geschwätz beträfe, das Zwingli mit Luther de locali inclusione
gehalten haben solle, so beriefen sie sich auf ihre Aufzeichnungen über das
Marburger Gespräch (Schuler und Schultheß IV, 179).
Eingehend
rechtfertigen sie dann Zwingli, zuerst wegen der von Luther hart angegriffenen
“Christianae fidei Expositio” (Bl. 9a). Das Buch sei ein “ußbundt
Christenlicher leer”, das würden alle bezeugen, die es ohne Anfechtung recht
christlich gelesen hätten; dazu sei es eine heitere Kundschaft, daß Zwingli von
den Marburger Artikeln nicht sei abgefallen, denn er bekenne und erkläre darin
die Artikel unseres heiligen christlichen Glaubens. Daß Zwinglis wilde und
wüste Art zu reden dem Buche eigen sein solle, befremde sie, denn alle, die
seine Bücher gelesen hätten, würden bezeugen, daß er in diesem wie in allen
andern Büchern Zucht gebrauche und ehrsam, gebührlich, umsichtig und
unärgerlich von den Händeln des Glaubens rede — anders als Luther, da keiner je
wüster, gröber und unziemlicher, wider christliche Zucht und Bescheidenheit
geschrieben habe, als der.
Das Buch
solle nun beweisen, daß Zwingli nicht nur ein Sakramentsfeind geblieben,
sondern auch ganz zum Heiden geworden sei (Bl. 16a). Er habe aber christlich
und ehrlich, wohl und recht von des Herrn Nachtmahl gerade in dem Buche
geschrieben, wie das die Ausführungen zeigten von der Kraft der Sakramente
(Schuler und Schultheß IV, 56ff.). Er sei auch nicht schuldig der anderen
Schmach und grausamen Lästerung, daß er nämlich ganz und gar sei zum Heiden
geworden. Es sei nicht seine Meinung, daß “nach Machometanischer gattung” ein
jeder in seinem Glauben, “wie joch der selb sye”, selig werden könne; das habe
er nie gelehrt, sondern er habe bei Numa, Sokrates und Aristides auf die
Erkenntnis und Gnade gesehn, die Gott ihnen verliehn, und habe gehofft, er
hätte ihnen seine Barmherzigkeit nicht entzogen, sondern sie ihnen noch
reichlicher mitgeteilt. Von Numa sagten doch auch die Historien, daß es mit der
Abgötterei nicht so übel gestanden, was Augustinus, Varro folgend, auch
berichte; und von Sokrates schreibe Augustinus auch nicht untröstliche Dinge
(De civ. Dei VII, 34f. VIII, 3). Die Schrift verdamme doch auch nicht alle
Heiden (Jes. 55, 10f.); vielmehr habe Gott sich vor Christi Geburt
etlichermaßen auch den Heiden geoffenbart (Röm. 1, 18ff. 2, 10ff.); es habe
auch gläubige und fromme Heiden gegeben: Melchisedek, Abimelech; unter Joseph
seien nicht wenige gläubige Ägypter gewesen, Hiob ein Jdumäer, Ruth eine Moabiterin
usw. So urteile auch Augustinus, daß nicht alle Menschen außer Jsrael verloren
seien (De civ. Dei XVIII, 47). Aber doch sei niemand unter den Heiden ohne
Christus und ohne Offenbarung oder Einsprechung Gottes selig geworden; nur aus
ihm habe Hiob sein herrliches Bekenntnis gethan: Hiob 19, 23ff.; “was koende
heiterer geredt werden von der urstende der todten!” (Bl. 20a). Naeman aus
Syrien wird Anlaß zur Erkenntnis des wahren Gottes gegeben durch ein gefangen
Töchterlein aus Jsrael
[Seite 128]
(2. Kön. 5);
Jonas hat den Heiden in Ninive gepredigt, die “wysen von Orient” sind durch
einen Stern zu Christo geführt. “So hat Gott under den Heiden durch die gantzen
welt hin und haer die warheit etlicher gestalt durch die Sibyllen geoffenbart..
under disen was die herrlicheste und verruempteste Erythrea die Chaldeierin”;
und wer da meint, die Rede von den Sibyllen sei eine Fabel, der lese
Augustinus, De civ. Dei XVIII, 23; Lactantius, Institutiones, Buch IV und VII
(vgl. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen I, 318ff.). Aber wenn auch einige
Heiden selig geworden sind, so sind doch die Sakramente damit nicht abgetan.
Taufe und Abendmahl waren damals noch nicht. Hinsichtlich der Beschneidung aber
entscheidet Paulus, daß sie in Jsrael wertvoll sei, wenn sie mit der
Beschneidung des Herzens verbunden sei, verdammt aber auch die unbeschinittenen
Heiden nicht (Röm. 2, 25ff.). “So ist es heiter und unlougenbar, daß das heil
oder saeligkeit an die Sacramenta nit angebunden ist .. und das vil frommer
Christen in wildinen hin und har one deß Herren mal saeligklich verscheiden
sind” (Bl. 22a). Augustinus sagt (Quaestio super Levit. 84), daß sie allein
innerlich durch die unsichtbare Heiligung gereinigt seien. Die Sakramente
sollen aber nicht entkräftet werden: Christus ist getauft, ob er gleich die
Vollkommenheit des Geistes gehabt hat; der Eunuch aus Äthiopien und Cornelius
sind beide getauft, obgleich jener glaubte an Christum, und dieser den heiligen
Geist empfangen hatte (Apostelgesch. 8, 37f. 10, 44ff.); die Apostel feierten
auch äußerlich des Herrn Nachtmahl. “Diewyl nun die Goettliche waarhaffte
geschrifft one verlougnung Christi, ouch one nachteil und abthůn deß worts
und der Sacramenten, die Heiden ussert Jsrael nit allencklich verdampt, sonder
jren gantz vil für heilig und saelig dargibt, hette Luther .. wol suberer und
bescheidener handlen moegen” (Bl. 23a). Denn Zwingli erläutere sich selbst: daß
er ohne die Gnade Gottes niemanden selig schätze, finde sich in: De peccato
originali Declamatio (Schuler und Schultheß III, 633f.). Luther verdamme aber
auch selbst nicht überall die Heiden; so in der Predigt über 1. Mose 20 und In
primum librum Mose Enarrationes (1528 bzw. 1544: Unsre Ausg. Bd. 24, 364,
12ff.; Bd. 42, 215, 15ff. 222, 19ff.); “warzů ist denn Luther selbs
worden”, wenn Zwingli, weil er etliche Heiden “under die saeligen gesetzt hat”,
zum Heiden geworden ist? (Bl. 24a).
Es folgt (Bl.
25b) die Darlegung, wie unfriedlich und unfreundlich Luther nach dem Vertrag zu
Marburg und nach der Konkordie gehandelt, über die wir oben (S. 121f.) schon
kurz berichtet haben. Folgendermaßen aber, schreiben sie (Bl. 32b), sei der
“Anlaß und anfang der einigkeit” zugegangen: “Deß 1536. jars, zů ußgendem
Jenner, ward uß eehafften ursachen ein versamlung der kirchen der Eydgnoschafft,
die das Evangelium angenommen und menschliche satzungen fallen lassen, gen
Basel beschriben und durch bottschafften besůcht. Vor denen sind für sich
selbs und uß begird einigkeit zepflantzen erschinen die hochgeleerten D.
Wolffgang Capito und H. Martin Bucer und habend nach der lenge fürbracht und
anzeigt, wie etliche gottliebende herren vil muey, arbeit und kostens erlitten,
in früntlicher underhandlung, Ob villicht die kirchen hoch Tütsches lands,
insonders der loblichen Eydgnoschafft, mit D. Luthern, ja mit den kirchen der
Niderlanden in der verwendten zwyspaltung deß Sacraments, welche doch mer in
worten dann im grund stuende, abgeleinet werden moechte. Die habind die sach
schon dahin gebracht, daß sich D. Martin Luther sidhar, diewyl er der Oberlaendischen
grund und ursach baß, dann jm aber vor angezeigt gewesen, vernommen, vil
vertruwter und früntlicher bewisen, und das er als ein alter, von dem anfang
des Papstthůmb angriffen und durch hilff anderer mitarbeiteren mit
Goettlichem wort umgestossen, nützid liebers, dann das by sinen zyten die
heilig Christlich Evangelisch kirch in einen einmündigen verstand gebracht
werden moechte, erlaeben woelte, vernemmen lassen: der halben jren (Capitonis
und Buceri) gantz trungenlich bitt waere, diewyl man yetzund ein bekanntnuß
unserer leer und gloubens stallte, woelte man die massigen, daß sy zů
soelicher fürgenommner Concordy dienstlich
[Seite 129]
syn moechte:
nit das sy begaertind, daß ützit der warheit abgebrochen wurde, sonder das
fürnemlich in dem artickel deß Herren Nachtmals, was spaeniger worten
underlassen und die sach unstrytig und früntlich gestelt wurde. So das
beschaech, waerind sy gůter hoffnung, die einigkeit wurde ein fürgang
haben. Und ob dann ouch in kurtzem oder langem ein versamlung Christlicher
kirchen angesaehen wurde, das dannethin die Eydgnossische kirchen jre
bottschafften ouch dahin senden woeltind.” Darauf sei von den Dienern der
eidgenössischen Kirche die “bekanntnuß der leer und glaubens uff die Concordi”
(die Confessio Helvetica prior: Müller, Bekenntnischriften der ref. Kirche S.
101ff., Art. 22, Vom Nachtmahl des Herrn, S. 107) gestellt; Ende April sei aus
Straßburg die Nachricht gekommen, daß am 14. Mai in Eisenach zum Zweck der
Konkordie eine Versammlung angesetzt sei, zu der Luther kommen würde. Der Kürze
der Zeit wegen sei sie nicht mehr zu beschicken gewesen. Capito aber und Butzer
seien von ihnen beauftragt worden, ihre Konfession dort vorzulegen. Jm Herbst
sei abermals eine Versammlung in Basel gehalten, auf der jene beiden berichtet
hätten, daß nicht in Eisenach, sondern in Wittenberg die Versammlung gewesen,
daß Luther “kein mißfaal noch unwillen ab der Eydgnossischen kirchen
Confession, zů Basel gestellt, empfangen” (Bl. 34b). Beiderseits seien in
Wittenberg Artikel vom Abendmahl gestellt, die zu unterschreiben wären. “Deß
underschrybens widertend sich die kirchen der Eydgnoschafft, Dann man nit
verston kondt, daß die Wittembergischen artickel mit der Bekanntnus, zů
Basel gestellt, im grund eins waerind, insonders in denen stucken, das in dem
ersten Wittenbergischen artickel begriffen ward: Mit dem brot und wyn wirt
warhafftig und waesenlich zůgegen dar gereicht und empfangen der lyb und
blůt deß Herren, Jtem, Das ouch den unwirdigen dar gereicht werde der lyb
und das blůt Christi, und die unwirdigen das selb empfahind, so man deß
Herren ynsatz und empfelch halt” (Bl. 35a). Darüber hätte Butzer eine lange
Erklärung gegeben, daß durch die Wittenberger Artikel der eidgenössischen
Kirche Konfession nicht geschwächt würde, daß die Menschheit Christi mitsampt
der leiblichen Himmelfahrt nicht verneint, und daß Christus allein durch das
gläubige Gemüt wahrlich begriffen und empfunden würde. “Und wie wol vilgemelte
Eydgnossische kirchen ussert dem underschryben soeliche erklaerung achtetend
der gestellten bekantnus unschaedlich und nit zewider syn, oder daß jre diener
ye anders geleert hettend: yedoch schwaererem verdacht, als ob man in den
Eydgnosischen kirchen nit ordenlich und der heiligen gschrifft gemaeß von dem
dienst deß worts und der Sacramenten hielte und larte, abzeleinen, ward ein
gschrifftliche declaration oder erlüterung von dem dienst deß worts Gottes und
der Sacramenten D. Luthern überschickt” (Enders 11, 157ff.). “Hieruff antwortet
D. Luther deß 37. jars durch einen brieff ..., wo wir hierin einandren nit so
gentzlich verstuendind, so sye yetzund das das best, das wir gegen ein anderen
früntlich syend und uns yemer gůts gen andren versaehind, biß sich das
trueb wasser setze” (a. a. O. 294 bzw. Erl. Ausg. 55, 190, Nr. 563). “Darüber
ward in dem 38. jar zů Meyen Luthern widerum von den Eydgnossischen
kirchen geantwortet (Enders 11, 352ff.), das ouch sy by den articklen deß
gloubens sampt der Confession und Declaration, hievor jm überschickt, blyben
und darin mit jm eins syn, gůter hoffnung, es werde Luthern nit zewider
syn, so man in unseren kirchen die myß und maß der gegenwürtigkeit dem volck am
verstendigisten verklaere ... Und hieruff habend wir uns fürhin anders nüt
zů Luthern und den sinen, dann fridens und einigkeit versaehen und das
aller alter span, unwill und unfrüntligkeit soelte beider syts ufgehept und
hingenommen syn” (Bl. 37a).
Der erste
Teil schließt mit der “Summa”: “Yetzund aber stellend wir alle dise handlung
von dem Martburgischen gespraech und der Concordia, sampt den vorgaenden,
mitlouffenden und nachvolgenden oder anhangenden thaaten und schryben Luthers,
darneben all unser schwygen, dulden, schryben und handlen zů bescheidner
erkanntnuß aller gloeubigen in der heiligen kirchen, ußzesprechen: welche doch,
Luther oder wir, die gloeubige
[Seite 130]
kirch
bekümmerind, beunruewegind und beschwärind: welche sich mer fridens geflissen
oder můtwillig habind woellen unrůw haben: ja welche mit gewalt die
anderen zů der gegenweer gewaltigklich getrungen, darzů ergernuß by
den einfalten angericht und wider Christenliche bescheidenheit, wider todte und
laebendige Christenlüt fraevenlich und ergerlich gehandlet habind” (Bl. 41a).
Jm zweiten
(dogmatischen) Teil wollen die Diener der Kirche zu Zürich zuerst darlegen, daß
sie allein Christen und Christi Jünger, nicht Zwinglisch, nicht Oekolampadisch
und noch viel weniger Lutherisch sind. So gründen sie sich auf die Schrift und
legen die Grundsätze ihrer Schriftauslegung dar, stellen sich auf den Boden des
apostolischen und des Nicäischen Glaubensbekenntnisses, trennen sich von allen
Ketzereien und berufen sich dabei auf die (sogenannten) Bekenntnisse des
Athanasius und des Damasus. Dann erörtern sie, ob Luthers Lehre vom Sakrament
ein Artikel des Glaubens sei, lehnen das in weitläufiger Darlegung ab und
schließen: “hoffend nun me erwisen haben, daß Luthers leer von deß Herren
Nachtmal keinen vesten grund in Gottes wort und in rechtem glouben habe, sich
selbs umbkere und nit der heiligen alten kirchen, sonder zum teil deß Bapsts
leer sye. Darumb wir bißhaer nie habend mit gůter gewüßne koennen unsere
leer verlassen und siner leer anhangen” (Bl. 111a).1
Der dritte
(apologetische) Teil soll “Luthers verdammen”, mit dem er die Schweizer “als
halßstarrige unbůßfertige kaetzer verschryt und verurteilt, erwaegen, sin
angezogne warnungen sampt anderen vermaessenen anzügen erduren und zeletst sin
unchristenlich lesteren, schenden und schmaehen mit gebürlicher verglimpffung
ableinen” (Bl. 111b).
Luther gebe
ein böses Beispiel mit seinem Verdammen, er zeige sich wie der Papst, er habe
keinen göttlichen Befehl, berufe sich auf Tit. 3, 10, müsse aber zunächst
beweisen, daß er's mit Ketzern zu tun habe. Dann wendet sich die Schrift gegen
Luthers drei Warnungen: der ersten gegenüber, daß ihre Uneinigkeit gegen sie
gezeugt, und sie sich in sieben Geister geteilt, werden einzelne dieser Geister
beurteilt: Karlstadt sei “mit friden und eeren wol gen Basel abgescheiden” und
habe, während er in Zürich gewesen, nicht anders gelehrt, als in ihrem
Bekenntnis begriffen sei. Zu Basel sei er etliche Jahre der Kirche Diener
gewesen und da abgestorben. “Da wir achtend, gemelte kirch werde jm kein boese
kundtschafft geben” (Bl. 116a). Campanus kennten sie nicht; so wüßten sie auch
nicht, was Schwenckfeld jetzt vom Abendmahl halte. Luther rechne ihn immer mit
ihnen zusammen “in ein kuchen”. Er scheine ihnen aber besser zu Luther zu
stimmen, als zu ihnen, da Luther so subtil von dem Leib Christi rede, daß er
auch durch den Grabstein und die beschlossene Tür gedrungen, und vielen kund
sei, wie Schwenckfeld schreibe und lehre von dem vergotteten Leib Christi.
“Soelchs fueget ye vil baß zů Luthers fürnemmen.” “Wyter aber woelle doch
mengklich ermaessen Luthers unbesinnte und ergerliche reden, Dann sol die
unglyche der ußlegung der gschrifft ein warnung und ein zeichen syn, das die
über ein ort vilerley ußlegungen bringend, nit ein gůte sach habind, die
gschrifft begwaltigind und verfuerer sygind, welche liebe fromme heilige
vaetter und trüwe ußleger der geschrifft werdind dann nit moegen alles deß
beschuldidet werden?” (Bl. 116b). “Uber diß alles thůt jm Luther hie in
seiner Bekenntniß nit anders, dann als ob in gmelter sin gegenwurff nie
verantwortet sye, und glych als ob, das er bringt, weiß was grosses syn soelle.
Darumb woellend wir jm yetzund Zwingly und Oecolampadij wort wider aefferen und
haer zů einer verantwortung stellen. Zwingli spricht in siner Antwort über
Luthers Bekenntniß: Wir sind ob den worten nit uneins, aber sy sind uneinser,
dann uneins” (Schuler und Schultheß II2, 100). Die Päpstler sagten, das Brot
werde in die Substanz des Leibes Christi verwandelt; Luther sage, das Brot sei
wesentliches Brot und wesentlicher Leib Christi mit einander und nenne es ein
Fleischbrot; die
[Seite 131]
vierzehn
schwäbischen Pfarrer1 sagten, er sei im Brot und unter dem Brot. Dem gegenüber
spreche Oekolampadius in dem Briefe an Zwingli, den er vor seine Antwort auf
Luthers Bekenntnis gestellt habe, ausdrücklich seine Einigkeit mit Zwingli aus
(Walch XX, 1720).
Luthers
zweite Warnung, daß er mit seinen Büchern sie auf den rechten Weg habe bringen
wollen, wird nach ihren Hauptpunkten behandelt. Der erste betrifft die
Bedeutung von Joh. 6, 63 für die Abendmahlslehre. Wenn Luther gesagt, daß er
den Spruch so gewaltig vor sich genommen, daß Zwingli seiner in seinem letzten
Büchlein nicht mehr gedacht habe, so hätte Zwingli die Erwähnung, wenn sie
unterblieben wäre, gewiß nicht unterlassen, um Luther Recht zu geben; dazu sei
sie aber auch nicht unterblieben.2 Die Gründe, die Zwingli vorgebracht, ständen
noch unbeweglich fest. Jn seiner ersten Antwort (“Daß diese Worte ... ewiglich
den alten Sinn haben werden”) habe Zwingli Luther auf seinen Widerspruch mit
seiner eigenen Bibelübersetzung hingewiesen und noch sieben Gründe für seine
Auffassung vorgebracht (Schuler und Schultheß II2, 86 f. 88f.); dann habe er
auf Luthers Erwiderung im “Großen Bekenntnis” abermals geantwortet in seiner
anderen Antwort (a. a. O. 184ff.). Aber was bedürfe es vieler Worte: “vor disem
span” habe Luther (in der Predigt über Joh. 6, 55 im Jahre 1523: Unsre Ausg.
Bd. 12, 582, 29 –33) ebenso ausgelegt wie Zwingli (Bl. 119b).
Beim zweiten
Punkt: die Himmelfahrt im Zusammenhang mit der Lehre vom Abendmahl, stellt die
Schrift zunächst fest, wie die Sache eigentlich gemeint sei: Luther wisse wohl,
wenn er es wissen wolle, daß “der span” nie darum gewesen sei, ob eitel Brot
und Wein im Nachtmahl, sondern ob das Brot und der Wein, im Nachtmahl
dargestellt, der natürliche Leib und Blut Christi leiblich seien und mündlich
von Guten und Bösen gegessen und getrunken würden. Da hätten die Schweizer
gelehrt, daß der wahre natürliche Leib dem menschlichen Leibe in allen Dingen,
ausgenommen die Sünde, gleich sei, daß auch der verklärte Leib oben im Himmel die
“Presten”, aber nicht die Eigenschaften des menschlichen Leibes abtue und
deshalb ein wahrer menschlicher Leib in der Auferstehung sein werde, vor allem
an einem Ort bleibe und nicht überall zugleich sei. Und so könne des Herrn Brot
in der Kirche allenthalben nicht der natürliche Leib Christi leiblich sein (Bl.
120b). So habe Zwingli die Sache dargelegt in seiner anderen Antwort (vgl.
Schuler und Schultheß II2, 119ff.). Auf Luthers Einwand, die Himmelfahrt habe
die Gegenwart und das leibliche Essen im ersten Abendmahl nicht gehindert, so
sei es erlogen, daß die Himmelfahrt die leibliche Gegenwart und das Essen im
heutigen Abendmahl hindere, sei zu entgegnen, daß die Jünger den Leib Christi,
der gerade vom Tisch aufstand und zu seinem Tod und Marter ging, weder leiblich
noch mündlich damals gegessen haben, sondern das Brot, das zum Gedächtnis des
hingegebenen Leibes vom Herrn gegeben war; damals saß er bei den Jüngern zu
Tisch leiblich, und die Jünger aßen ihn nicht also, sondern geistlich. Wenn
Luther sage, die Schweizer wüßten nicht, was die Rechte Gottes und gen Himmel
fahren bedeute, so heiße es bei ihm nicht anders, denn sich unsichtbar machen;
sie aber glaubten und lehrten, daß Christus mit seinem Leib gen Himmel gefahren
sei, im Himmel oben wohne leiblich, weder sichtbar noch unsichtbar mehr herab
zu uns komme, denn allein, wenn er in den Wolken kommen werde, zu richten die
Lebendigen und die Toten. So sei es ausgesprochen in der Disputation zu Bern in
der 4. Schlußrede und von Zwingli in seinen beiden Antworten (Schuler und
Schultheß II1, 153f.; II2, 71. 81f.). So habe sich abermals erfunden, daß
Luthers andere Warnung keine rechtmäßige Warnung sei (Bl. 125b).3
[Seite 132]
Die dritte
Warnung, das schreckliche Urteil Gottes, daß Zwingli erschlagen, und daß man
die Schlacht verloren, hielten alle Gläubigen bei ihnen für eine treue Warnung
Gottes, aber nicht so, daß Gott sie ihres Glaubens halben, der in seinem ewigen
Wort gegründet sei, sondern ihres Tuns wegen gestraft habe. Jn diesem Sinne sei
auch schon dem Bischof von Wien, Johann Faber, von etlichen von ihnen auf
ähnliche Verunglimpfungen Antwort geworden (vgl. Staehelin, Zwingli II, 509).
Die fünftausend Mann, von denen Luther schreibe, die gefallen sein sollten,
gingen auf Carions Chronik1 zurück, aber in Wahrheit seien es nicht so viele
Hundert gewesen, wie Luther tausend zähle freilich immer noch zuviel. Das
Verlegen der Straßen1 sei in einem offenen Druck erklärt: “damit Luthers
fürtrag langist laetz gestelt ist”. So solle Luther über Zwingli nicht richten;
wenn er nie Gutes auf Erden getan, doch seine Sünden bei seinem letzten
Abscheiden bereut hätte, dürfe Luther dann ihn so verdammen, wie er täte? oder
ob er bei seinem Ende gewesen sei, daß er bezeugen könne, daß Zwingli ohne Reue
und Glauben abgeschieden? die bei seinem Abscheiden gewesen, gäben Zeugnis von
einem guten christlichen Ende. Und so nun nicht zu leugnen sei, daß Zwingli
große Gaben von Gott gehabt, von Jugend auf treu und fromm in der Kirche Gottes
gearbeitet und viel Nutzen geschaffen, damit er dem Teufel und Antichristen
viel Abbruch getan, warum man dann nicht guter Hoffnung sein solle, daß er
durch die Barmherzigkeit Gottes zu Gnaden aufgenommen sei? Was Luther noch
damit sagen wolle, daß die Schweizer mit Bücherschreiben und großer Arbeit bei
der Kirche sich trösteten; das sei alles verloren und ver gebens? Sie trösteten
sich niemandes, denn allein der Gnade Gottes. Doch seien keine-Ketzer noch
Juden gefunden in allen Historien, die mehr denn die frommen Christen
gearbeitet hätten. Damit seien die Warnungen Luthers abgetan (Bl. 130a).
Zum Schluß
wenden sie sich gegen Luthers Lästern und Schänden. Sein Buch, das “Kurze
Bekenntnis”, sei hinsichtlich der Schriftgründe und rechtmäßiger Ursachen
allerdings zu kurz, aber “übelredens, schmaehens und schendens halb nun vil ze
lang und groß”. Die heiligen Propheten und Apostel hätten auch gescholten,
hätten aber Maß darin gehalten. Luther stände es übel an; andere aber ahmten es
nach; Luther, der Deutschen Prophet und Apostel, täte es auch. Sie seien noch
nie von Luther der Lästerung und Lügen überwunden, hätten stets die Wahrheit
dargetan und sie noch nie gefälscht. Gerne lebten sie mit allen in Frieden,
auch wegen der Worte im Abendmahl, wie Zwingli geschrieben (Ad Germaniae
principes: Schuler und Schultheß IV, 37). Luther aber hätte sie schwer
verletzt: hätte gesagt, sie hätten ein “yngetüflet, übertüflet und durchtüflet
lesterlich hertz und lugenmaul” (vgl. Corp. Ref. V, 497); nie seien sie sonst
“hochmuetige geister” gescholten. Luther nenne sich selbst den deutschen
Propheten, wolle niemanden neben sich gelten lassen; Gott habe Großes durch ihn
gewirkt, aber er überhebe sich. “Sacramentschender” wären sie nicht; längst sei
das zurückgewiesen in Oekolampadius' schon erwähntem Brief an Zwingli (Walch
XX, 1721), von Zwingli in seiner ersten Antwort und An Germaniae principes
(Schuler und Schultheß II2, 28; IV, 35. 36. 32). Auch “Brotfraesser und
wynsuffer, Seelenmoerder und Seelenfraesser” ließen sie sich nicht nennen. Daß
aber Luther nicht mehr für sie beten wolle, das verzeihe ihm Gott (Bl. 139a).
[Seite 133]
Zuletzt
kommen sie noch auf die Elevation. Sie hätten sie gleich abgestellt. Luther
hätte vor zwanzig Jahren, ehe er verbittert war, auch geschrieben, man solle
sich hüten, die Ketzer zu schelten, die den einfältigen Brauch Christi hielten
(De abroganda missa mit der deutschen Übersetzung: Unsre Ausg. Bd. 8, 435,
2ff.; 510, 1ff.); und dabei möge es bleiben; alles, das von Gott weder geboten
noch verboten sei, solle frei in der Kirche “gewalt syn” (Bl. 140b).
Zu schweigen
wäre ihnen nicht möglich gewesen, so eröffnen sie den “Beschluß” (Bl. 141b);
denn dann hätten sie das Ärgernis, das Luther durch sein wüstes Schreiben
angerichtet, gestärkt. Sie hätten auch nicht Luthers wegen geschrieben, sondern
wegen anderer gläubiger Menschen in der Kirche, sie der Wahrheit zuliebe zu
berichten. Luther wolle ja ihre Bücher nicht mehr lesen. Würde er dieses Buch
aber doch lesen und es freundlich und aus der Schrift beantworten, so würden sie
ihm dankbar sein; würde er schweigen oder durch seine Jünger antworten lassen,
so solle die Sache schon jetzt dem rechten Richter übergeben sein. Die aber dem
untergehenden Papsttum gerne zu Hilfe kämen, die dürften sich dieses Streits
nicht freuen, denn Gott lenke alles zum Besten. Zwar Einigkeit in Gott gefalle
Gott über alles. Sie sähen deshalb alle als Brüder an, die in den Hauptpunkten
des Bekenntnisses mit ihnen eins seien, und hofften, daß sie darin viel
Zustimmung fänden. Gott wolle allen Dienern seiner Kirche Gnade verleihen, daß
sie das Wort der Wahrheit recht zuschnitten und handelten (2. Tim. 2, 15), auf
daß alle Gläubigen in gutem Frieden bleiben und auf der rechten Straße der
Wahrheit wandeln möchten.
Luther ist
von Anfang an schwankend gewesen, ob er die Schrift beantworten solle oder
nicht (Enders 16, 206).1 Zunächst wird er sich ernstlich mit dem Gedanken
getragen haben, irgendeine Erwiderung ins Werk zu setzen: die Gerüchte, die
darüber umliefen, sind gewiß nicht unbegründet gewesen. Melanchthon schreibt
schon am 17. April 1545, Luther plane ein προβούλευμα,
das die Meinung der Gegner als Teufelswerk erweise, und sie alle sollten es
unterschreiben; solch hartes Wort werde er nicht mit unterschreiben können und
werde dann sehen müssen, wo er bleibe; den Zürichern aber macht er vor allem
zum Vorwurf, daß sie auch den Heiden den Platz in der Kirche hätten sichern
wollen und daß sie damit solche Verwirrung angerichtet; da hätten sie lieber
nicht antworten sollen (Bindseil S. 220f.). Ähnlich äußert sich um dieselbe
Zeit Cruciger, doch hat nach ihm Luther eine eigentliche Antwort nicht
beabsichtigt und hat nur Anathematismen aufstellen und mit den Unterschriften
der Seinigen versehen wollen (Kolde, Analecta S. 413). Der Kurfürst dagegen
meint am 26. April, daß Luther ein Buch gegen die Sakramentierer schreibe
(Enders 16, 212), und in Zürich erzählt im Mai ein eben aus Wittenberg
Zurückgekehrter, daß Luther eine Antwort vorbereite, kurz, ähnlich seinem
letzten Buch (Schieß, Briefwechsel II, 365f.).
Am 8. Mai ist
Luther indessen schon entschlossen, den Schweizern eine Antwort nicht zu geben,
sondern sie beiläufig abzutun (Enders 16, 227). Butzer schreibt am 15. Juli,
daß auf seine Veranlassung Philipp von Hessen Luther von seinen anfänglichen
Plänen abgebracht hätte; wenn er sie ausgeführt hätte, so wäre dadurch ein
neues Ärgernis hervorgerufen worden. Kein guter Gedanke der Züricher sei es
gewesen, Luther unter gemeinsamem Namen anzugreifen; das hätte Luther
veranlaßt, Ähnliches zu planen (Schieß a. a. O. 373).
[Seite 134]
Die
beiläufige Antwort erteilte Luther dann in den Gegenthesen gegen die Löwener
Theologen im August 1545. Hier heißt es in der 16. These, daß im Heiligen
Abendmahl Leib und Blut Christi vere et re ipsa vorhanden sind und ausgeteilt
und von Würdigen und Unwürdigen empfangen werden; und noch deutlicher schließt
die 28. These die Zwinglianer und alle Sakramentierer, die leugnen, daß Leib
und Blut Christi ore carnali im Heiligen Abendmahl genossen werden, von der
Kirche aus (var. arg. IV, 487f.). Das sind die letzten Sätze, die Luther vom
Abendmahl veröffentlicht hat.
Recht
zufrieden war er indessen doch nicht, daß er nicht gründlicher mit den Gegnern
ins Gericht gegangen. Am 23. September schreibt er, daß er eigentlich gegen die
Zwinglianer schreiben müsse: sed non omnibus sufficit unus (Enders 16, 293). Am
9. September hatte Melanchthon Menius gegenüber ausgesprochen, indem er ihm die
Sätze gegen die Löwener übersandte, daß Luther in Sachen des Abendmahls den
Speer noch nicht weggeworfen habe (Corp. Ref. V, 848), und in Zürich lief im
Januar 1546 schon wieder das Gerücht um, von dem freilich Blaurer in Konstanz
nichts wußte, daß Luther eine neue Schrift gegen die Schweizer geschrieben habe
(Schieß a. a. O. 408; 413).
Die deutsche
Fassung der Gegenthesen gegen die Löwener Theologen kündigt am Schluß eine
nähere Ausführung der behandelten Fragen an (Erl. Ausg. 65, 178 = vorliegender
Band s. unten). Luther hat diese noch begonnen, aber nicht vollendet.1 Hätte er
sie zu Ende geführt, so hätte er usus occasione, wie es seine Art war, wohl
nicht nur die 16. These und das adorabile sacramentum weiter ausgeführt, was
Cruciger in einem Briefe an Veit Dietrich schon bestimmt ankündigt (Corp. Ref.
V, 909), sondern hätte auch die 28. These und das Verdammungsurteil über die
Zwinglianer noch einmal eingehend begründet. Er hätte es getan in dem Sinne, in
dem er bis zuletzt beharrt hat.2 Zuletzt Ausdruck gegeben hat er ihm in seinem
Brief an Jakob Probst in Bremen vom 17. Januar 1546, wo er den 1. Psalm auf die
Sakramentierer anwendet: Beatus vir, qui non abiit in consilio
Sacramentariorum, nec stetit in via Cinglianorum, nec sedet in cathedra
Tigurinorum (Enders 17, 11), und in seiner in Halle auf dem Wege nach Eisleben
am 26. Januar gehaltenen Predigt, in der er die Sakramentschänder in der
Schweiz mit den Wiedertäufern in den Niederlanden zusammenstellt (Erl. Ausg.2
20II, 489 = Unsre Ausg. Bd. 51, 140). Und tieser, als er war, hätte der Riß
zwischen ihm und den Schweizern durch eine neue Veröffentlichung Luthers nicht
werden können.
Um so
beachtenswerter ist es, was Bullinger bei der Nachricht von Luthers Tode an
Blaurer schreibt: .. Lutherum migrasse ad dominum, id quod ad puritatem
doctrinae de eucharistia et reparandam et servandam plurimum facturum non
temere arbitratur. Ego vero melius sperare inciperem, si Bucerus quoque
vocaretur a domino; non enim vivit hodie alius, qui plus spei aperiat papistis
et de coena domini disputet obscurius quam ipse Bucerus, neque sperare possum
illum tertio iam mutaturum sententiam. Verum vincet tandem veritas ... Hoc
certum est: si Lutherus mortuus est, altius se immerget compositionibus
Bucerus,
[Seite 135]
qui hucusque
ea in re misere timuit Lutherum (Schieß a. a. O. 422f.). Er hofft, daß der
Heimgang des unversöhnlichen Feindes der reinen Lehre vom Sakrament förderlich
sei, und doch stellt er ihn, den Unbeweglichen, höher als den ständig
wechselnden Butzer. —
Luther hat zu
unsrer Schrift zunächst einen kurzen Entwurf angefertigt, von dem ein kleines
Bruchstück uns erhalten ist (s. darüber gleich: Die Handschrift). Es entspricht
den Abschnitten S. 147 –150 des Drucks, über denen es wiedergegeben ist. Der
Entwurf ist anders geordnet gewesen, als die endgültige Bearbeitung der
Schrift, mit der er im Wortlaut sich nur in der Aufzählung der sieben “heiligen
Geiste” berührt. Da er keinerlei Datierung zeigt, so fügt er der äußeren
Entstehungsgeschichte unsrer Schrift nichts hinzu.
F. Cohrs.
Die
Handschrift.
Zwei Blätter,
anscheinend dem ersten Entwurf Luthers zugehörig, sind in meinem Besitz.1 Sie
entstammen dem ehemals Rötger-Nobbeschen Sammelband, Blatt 34 und 35. Größe:
16, 5: 22 cm, alle vier Seiten beschrieben. Vgl. ThStKr. 1882 S. 157ff.;
Lutherstudien, Weimar 1917, S. 241; Unsre Ausg. Bd. 26, 251ff. — Über die
Herkunft des Bandes geben briefliche Mitteilungen Professor P. Flemmings
vielleicht einige Fingerzeige. Wie in den Lutherstudien bemerkt ist, wird er in
dem Katalog der Leyserschen Bibliothek 1728, die vom 18. Januar ab in Helmstedt
versteigert wurde, aufgeführt. Jhr Besitzer war der am 4. April 1690 zu
Wunstorf geborene und schon am 7. April 1728 verstorbene Sohn des
Generalsuperintendenten Polykarp Leyser, Dr. med. et phil., seit 1718 Professor
der Geschichte in Helmstedt und seit 1726 mit der verwitweten Tochter des Abtes
Johann Andreas Schmid2 verheiratet. Seine Bibliothek von 20 000 Bänden umfaßte
die seines Vaters und Schwiegervaters. Dieser war Schwiegersohn von Kaspar
Sagittarius in Jena (1643 –1694), der die Witwe seines Jenenser Vorgängers Bosius
geheiratet hatte, nach dem unrechtmäßigerweise die Handschriftensammlung Rörers
in Jena die Bezeichnung codices Bosiani erhalten hat. — Aus wessen Hand der
Nobbesche Band stammt, ist nicht auszumachen. Eintragungen Rörers habe ich
darin nicht gefunden. —
Luthers
Schriftzüge zeigen Alterscharakter. Sie sind groß und weitläufig, nur 21 –24
Zeilen auf der Seite. Bemerkenswert ist die Neigung, Worte durch große
Anfangsbuchstaben oder durch große Antiquaschrift hervorzuheben. Auch die
seltene Umlautsbezeichnung oe (in ‘hoene’) kommt vor. Für meine Bemerkung in
Lutherstudien S. 254, daß die Jnterpunktion Vortragszeichen gibt, findet sich
gleich zu Anfang ein Beispiel: ‘gleich wie vnser schwermer große grümpen
vorgeben / von der Christlichen liebe’.
Die vielen
Korrekturen in diesem Entwurf sind nur zum geringen Teil durch Entgleisungen
der Feder zu erklären und zeigen vielmehr Luthers unermüdetes Ringen um den
treffendsten Ausdruck.
Jn der
Wiedergabe der Handschrift bin ich nach den in Unsrer Ausg. Bibel 1, XXI f.
aufgestellten Regeln verfahren.
† E. Thiele.
[Seite 136]
Ausgaben:
A “Kurtz
bekent-||nis D. Mart. Luthers, vom || heiligen Sacra-||ment. || Gedruckt zu
Wittenberg, || Durch Hans Lufft. || M. D. XLIIII. ||” Mit Titeleinfassung (J.
Luther: Tafel 41). Titelrückseite leer. 28 unbezifferte Blätter in Quart (=
Bogen A –G), die letzte Seite (= Blatt G 4b) leer.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 7682), Hamburg, Königsberg, München H. u. U., Rostock, Wernigerode
Wittenberg, Wolfenbüttel, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 32, 396 Nr. 1.
B “Kurtz
bekentnis Doctor || Martini Luthers, || vom heiligen Sa-||crament. || Anno ||
M. D. XLiiij. ||” Titelrückseite leer. 24 unbezifferte Blätter in Quart (=
Bogen a –f), letztes Blatt (= f 4) leer.
Druck von Johannes Petrejus in Nürnberg.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 7684), Dresden, Hamburg, Heidelberg, München H. u. U., Wittenberg;
London. — Erl. Ausg. 32, 396 Nr. 2.
C “Kurtz
bekent-||nis D. Mart. Luthers, vom || heiligen Sacra-||ment. || Gedruckt zu
Wittemberg, || Durch Hans Lufft. || M. D. XLIIII. ||” Mit Titeleinfassung (J.
Luther: Tafel 41). Titelrückseite leer. 28 unbezifferte Blätter in Quart (=
Bogen A –G), die drei letzten Seiten (= Blatt G 3b G 4) leer.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth. 7681), Dresden, Göttingen
U., Hamburg, Königsberg, München H., Wernigerode, Wittenberg; London. — Fehlt
Erl. Ausg.
D “Kurtz
bekent-||nis D. Mart. Luthers, vom || heiligen Sacra-||ment. || Gedruckt zu Wittemberg,
|| Durch Hans Lufft. || 1. 5. 45. ||” Mit Titeleinfassung (J. Luther: Tafel
41). Titelrückseite leer. 28 unbezifferte Blätter in Quart (= Bogen A –G), die
drei letzten Seiten (= Blatt G 3b G 4) leer.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth.
7687), Dresden, Göttingen U., Heidelberg, Jena, Königsberg, München U.,
Wernigerode, Wolfenbüttel; Bafel, Zürich; London. — Fehlt Erl. Ausg.
E “Kurtze
bekentnis Doc-||tor Martini Luthers, || vom heiligen Sa-||crament.|| Anno || M.
D. XLv. ||” Titelrückseite leer. 24 unbezifferte Blätter in Quart (= Bogen a
–f), letztes Blatt (= f 4) leer.
Druck von Johannes Petrejus in Nürnberg.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 7689), Greifswald U., Heidelberg, München H., Wittenberg; London. — Erl.
Ausg. 32, 397 Nr. 3.
Gleichzeitiger
Abdruck in:
F “Warhaffte
Be-||kanntnuß der dieneren der || kilchen zů Zürych, was sy vß Gottes ||
wort, mit der heyligen allgemeinen Christenli||chen Kilchen gloubind vnd
leerind, in sonder||heit aber von dem Nachtmal vnsers herren Je||su Christi:
mit gebürlicher Antwort vff das vn || begründt
[Seite 137]
ergerlich
schmaehen, verdam̄en vnd || schelten D. Martin Luthers, besonders in || sinem
letsten buechlin, Kurtze bekennt || niß von dem heiligen Sacra||ment, gennant,
vß || gangen. || Rom. 10. || So du mit dinem mund bekennst Jesum den herren, ||
vnd gloubst in dinem hertzen das jn Gott vonn todten || vferweckt hat, so wirst
du saelig. Dann mit dem hertzen || gloubt man zur gerechtigkeit, mit dem mund aber
be-|| schicht die bekanntnuß zum heil. || Mit zůgethoner Kurtzer
bekenntniß || D. Mart. Luthers vom heili || gen Sacrament. ||” Titelrückseite
leer. 168 Blätter in Oktav (= Bogen A –S u. a –c; Bogen A –S = Titelblatt u.
Blatt 2 –144, Bogen a –c = 24 unbezifferte Blätter), Blatt a 1b und die drei
letzten Seiten (= Blatt c 7b c 8) leer. Blatt 144 (= S 8)b Z. 24: “Getruckt
zů Zürych by Christoffel || Froschouer im Mertzen, als man zalt || nach
der geburt Christi 1545. jar. ||”
Luthers Schrift steht auf Bogen a –c mit
dem Sondertitel (Blatt a 1a Z. 1): “Kurtz bekent-||nis D. Mart. Lu-||thers, vom
heiligen || Sacrament. ||” und am Ende (Blatt c 7a Z. 8) mit der Jahreszahl “M.
D. XLIIII. ||”
Vorhanden: Königsberg, Leipzig, München
H. (Polem. 419h), Stuttgart (nur Luthers Schrift = Bogen a –c).
G “Warhaffte
Be-||kanntnuß der dieneren der || kirchen zů Zürych, was sy vß Gottes ||
wort, mit der heiligen allgemeinen Christenli-||chen Kirchen gloubind vnd
leerind, in sonder-||heit aber von dē Nachtmal vnsers Herren Je || su
Christi: mit gebürlicher Antwort vff das vn || begründt ergerlich schmaehen,
verdam̄en vnd || schelten D. Martin Luthers, besonders in || sinem
letsten buechlin, Kurtze bekennt-||niß von dem heiligen Sacra-||ment, genannt,
vß-||gangen. || Rom. 10. || So du mit dinem mund bekennst Jesum den Herren, ||
vnnd gloubst in dinem hertzen das jn Gott vonn todten || vferweckt hat, so
wirst du saelig. Dann mit dem hertzen || gloubt man zur gerechtigkeit, mit dem
mund aber be- || schicht die bekanntnuß zum heil. || Mit zůgethoner
Kurtzer bekenntniß || D. Mart. Luthers vom hei-||ligen Sacrament. ||”
Titelrückseite leer. 168 Blätter in Oktav (= Bogen A –S u. a –c; Bogen A –S =
Titelblatt und Blatt 2 –144, Bogen a –c = 24 unbezifferte Blätter), Blatt a 1b
und die drei letzten Seiten (= Blatt c 7b c 8) leer. Blatt 144 (= S 8)b Z. 17:
“Getruckt zů Zürych by Chrystoffel || Froschower im Brachmonat, als man
zalt || nach der geburt Christi 1545. jar. ||”
Luthers Schrift steht auf Bogen a –c mit
dem Sondertitel (Blatt a 1a Z. 1): “Kurtz bekent-||nis D. Mart. Lu-||thers, vom
heiligen || Sacrament. ||” und am Ende (Blatt c 7a Z. 8) mit der Jahreszahl “M.
D. XLIIII. ||”
Vorhanden: Berlin (Dk 1130 u. 1132),
Göttingen U.
H
Beschreibung wie G bis auf folgende Abweichungen: Titel Z. 6 “dem ... Herrē”;
Z. 8 “vnnd”; Z. 21 “heili-||gen”. Ferner Blatt 144 (= S 8)b Z. 17
“Christoffel”; Z. 18 “Froschouer ... mā”.
Völlig anderer Satz wie G.
Vorhanden: Berlin (Luth. 7683; nur
Luthers Schrift = Bogen a –c), München H. (Polem. 419g).
[Seite 138]
Spätere
Drucke:
1559: Ursel,
Nicolaus Henricus.
1562:
Leipzig, Ernestus Vögelin u. d. T.: “Luther, Offentliche gemeine Bekentniß vom
Abendmal des HErrn.”
1567:
Wittenberg, Hans Lufft.
1574:
Wittenberg, Hans Lufft in drei verschiedenen Ausgaben: 1. “Luther, Kurtz
Bekentnis vom heiligen Sacrament”, 2. u. 3. “Luther, Kurtz Bekentnis vom H.
Sacrament” (vgl. Blatt A 3a Z. 1 “|| etliche zusamen”: “||zusamen”).
1589:
Laugingen, Leonhart Reinmichel.
1590: Erfurt,
Esaias Mechler.
1592:
Magdeburgk, Johan Francke u. d. T.: “Luther, Kurtz Bekentnis Vom Hochwirdigen
Sacrament”.
Jn den
Gesamtausgaben: Wittenberg 2 (1548), 247b –257b; Jena 8 (1558), 192b –202b;
Altenburg 8, 345 –355; Leipzig 21, 438 –450; Walch1 20, 2195 –2229; Walch2 20,
1764 –1791; Erlangen-Frankfurt 32, 396-425.
J. Luther.
Der ältere
der beiden Drucke von 1544 ist wohl A.1 Dagegen spricht allerdings, daß an
nicht wenigen Stellen A zu D, nicht zu C stimmt, also A die unmittelbare
Vorlage für D (1545), somit jünger scheint. Aber es sind lauter schlechtere
Formen, die in diesen Fällen A und D gegenüber C bieten. Da nun C überhaupt
etwas fahrlässig gesetzt ist, so ist auch möglich, daß die rasch hergestellte
zweite Ausgabe C Spuren der Hast erhielt, welche dann im nächsten Jahr bemerkt
und in D wieder beseitigt worden sind. Dafür spricht, daß doch auch recht oft C
als Vorlage für D erscheint, zumal in der Setzung großer Anfangsbuchstaben (die
sonst auch ein Zeichen jüngerer Entstehung sind). Vor allem ist D typographisch
ganz enge an C angeschlossen, es hat wie dies andere Typen, verwendet
Antiquaversalien, hat dieselben Absätze im Text und meist dieselben
Seitenschlüsse, die gleichen weiten Abstände und Randglossen (Zitate, Namen,
die im Text vorkommen) wie dieses. Der einzige Textfehler in C (Bl. D 1b der
gleichen) ist recht wohl aus der Benützung von A zu erklären (der gleich ||),
aber nicht umgekehrt. Endlich spricht für das höhere Alter von A vielleicht,
daß der erste Nürnberger Druck B nach A hergestellt ist: es ist wenigstens wahrscheinlich,
daß man auswärts sofort nach Erscheinen der Schrift den Nachdruck besorgte,
nicht erst nach der zweiten Auflage. Für die kritische Ausgabe ist die Frage,
ob A oder C der Urdruck sei, belanglos, da der Text in beiden nahezu völlig der
gleiche ist. Die Randglossen der Neudrucke sind bedeutungslose Jnhaltsangaben.
Auch die sprachlichen Unterschiede sind gering. Wir haben zu verzeichnen:
[Seite 139]
C, D
(Wittemberg) verglichen mit A.
Große Anfangsbuchstaben bei Hauptwörtern:
z. B. Ketzer, Schwermer, Gewissen, Predigt, Grewel, Kue, Blut CD, nur in C: die
Heiligen, nur in D Friede, Leib, ∞ gebot CD, knechte D, abendmal C.
Umlaut: u > uue: gefuert, kuendte
(auch C allein) CD, huelffen C, suende, suendigen, duenckt D, ∞ schuldig,
hube, wurden, stundlin C, sunde CD; oe > o mochstu CD.
ei > ai: gaist CD (oft in Wittenberger
Drucken auf die Schwärmer bezogen); genet > geneet D.
Unbetonte Vokale: ein lange > ein lang
CD, sündigt > suendiget D, Gotts > Gottes CD, gelernt > gelernet D.
Konsonanten, vereinfacht: teufel D,
noturfft C (notdurfft D), etliche CD, weisestu CD, ∞ tratten CD; p >
b: Marburg CD; wünschen > wuendschen CD; einigerley > einicherley CD.
Vorsilben: entpfangen > empfangen D.
Konjugation: moechtestu > mochstu CD.
Wortformen: Mahometh > Mahmeth C >
Machmeth D (auch einmal C).
Die
Nürnberger Drucke B und E sind textlich der Vorlage A treu geblieben,
sprachlich nur wenig, besonders in der ersten Hälfte, oberdeutsch gefärbt. Die
eigentlichen Besonderheiten (Scheidung von ei und ai, i und ie, u und ů, ü
und ue, a und ā (o) sind so gut wie ganz vermieden; E ist mehr oberdeutsch
als B.
B und E
(Nürnberg) verglichen mit A.
I. Vokale: 1) Umlaut: e > a arbeiten
BE, > oe schoepffer BE (E auch schopffer); oe>o horet; ue > u kundte,
stucklich, schmucken, ungluck E, stucke, Lugen E, dunckel, wunschen E, schuldig
E, hube, wust, grusset E, rhumen, rhuemen E, ∞ fuer E, fuenfftzehen E; eu
> au geglaubt (nur am Anfang).
[2] a > o
wohn E; o > u kuenig, ∞ versoenen; ei > ai berait (einmal); ie >
frid, vil (fast immer), getrib, verglichen; sogar verdris E; h als Längezeichen
ohn, aber Ebrecher E; u > ů zů (selten), > ue guet, gebruetet,
sogar luegen E (= lügen).
[3]
unbetontes e fällt in Gnad, frid, hoerstu E, wers E; ∞ siegelen, meher E,
gestecket.
II. Konsonanten: 1) p > b Babst E
∞ Gepet E; d > t Abentmal E, dt > d kunden E, -s > -ß.
[2]
Doppelkonsonanten vereinfacht: alzu, Got, Götlich, Gotheit; ss > s in
Bischoff, beschmeist; ∞ brieffe, will, Vatter, betten, botten, gebotten,
bekommen, unnd, nimmer, villeicht.
III. Vor- und Nachsilben: gelauben
(einmal); -iglich > igklich, lausichte > lausiche.
[Seite 140]
IV.
Konjugation: bleib > blieb (Präteritum), ertichten > ertichteten E,
woellen, schoelten > schelten.
V.
Einzelformen: verteufft > vertiefft, befelch, scherpffn, yetz, dann.
Die Zürcher
Nachdrucke F, G und H gehen auf A zurück; F steht dem Urdruck näher als G, ist
also älter. Der Text ist in FG mit ungewöhnlicher Sorgfalt ohne alle Abweichung
abgedruckt, auch die Wortformen sind für einen Zürcher Druck ganz auffallend
gut bewahrt. Verhältnismäßig selten sind (aus Versehen) in F Zürcher Formen
untergelaufen, etwas öfter in G; wie wir ja öfter bemerken, daß bei Neudrucken
Wittenberger Vorlagen ängstlicher nachgebildet wurden als solche aus dem
eigenen Sprachgebiet. Wir verzeichnen:
I. Vokale: 1) e > ae bisweilen in
waere FG, so auch bisweilen waelt F, waere FG, saelig FG, waer = quis; e > a
gearbeitet FG, ue>u unschuldig G.
[2] au >
ou gloube, ouch, getoufft in G häufiger als in F; u > o vor G; o > u
selten sun G; kuenig FG; ļ>ue gwuessen G, e > ee keeren, leer G, ie >
i dise, villeicht G, u > ů selten G, ü und ue kaum versucht zu
scheiden; ey > i daby FG;
[3]
unbetontes e fehlt Glock, die unendlich G; -eln > -len Articklen, Apostlen
G.
II. Konsonanten: scharpffe FG; -s > -ß
FG; d > dt wirdt G.
Verdopplung in kommen, vatter FG, nammen
(= nomen) G, unns G, Arrianer G, jrrthum G, ∞ felt FG.
III. Nachsilbe: -nis > -nus G,
Vorsilbe: ge > g gwuessen G, un- > um- ummueglich G, einmal auch ∞
FG.
IV. Konjugation: sie entschueldigetend
FG, sie hettend G, gebackenen > gebackten.
V. Einzelformen: verdamnen > verdammen
G.
† O. Brenner.
[Seite 141]
Kurzes
Bekenntnis vom heiligen Sakrament.
1544
[1] [Bl. A
ij] Gnade und friede im HErrn. Mein lieber Freund1, [2] das Schwenckfeld meinen
Brieff2 hin und wider [3] ausbreitet und mir ubel nach redet sampt seinen [4]
Eutychern und Sacramentsschendern3, mus ich daher [5] gleuben, das jr so eben
die abschrifft desselben Brieves [6] bekomen mir zuschickt. Und ist mir lieb,
das er solchen [7] Brieff zu seinen ehren und glimpff4 und zu meinem [8]
unglimpff und schanden aus breitet. Denn darumb [9] hab ich auch denselben
nicht wollen zusiegeln, sondern [10] offen lassen, auch nicht jm selber,
sondern seinem Boten zuschreiben5 noch [11] seinen namen ehren. Denn solch
verdampt Lestermaul sol (ob Gott wil) nicht [12] werd bey mir sein6, das ich
einen Buchstaben jm zuschreiben7 oder mit jm [13] reden noch jn sehen oder
hoeren wolt. Jst mir auch eben so viel8, wenn er [14] oder seine verfluchte
Rotte der Schwermer, Zwingler und dergleichen, mich [15] loben oder schelten,
als wenn mich Jueden, Tuercken, Bapst oder gleich9 alle [16] Teuffel schoelten
oder lobeten.
[17] DEnn
ich, als der ich nu auff der Gruben gehe10, wil dis zeugnis und [18] diesen
rhum mit mir fur meins lieben HErrn und Heilands Jhesu Christi [19] richtstuel
bringen, das ich die Schwermer und Sacraments feinde, Carlstad, [20] Zwingel,
Ecolampad, Stenckefeld und jre Juenger zu Zuerich und wo sie sind, [21] mit
gantzem ernst verdampt und gemidden habe, nach seinem befelh, Tit. iij.: [22]
[Tit. 3, 10f.] ‘Einen Ketzer soltu meiden, wenn er einst11 oder zwey12 vermanet
ist, Und [23] wisse, das ein solcher verkeret13 ist und suendigt, als der
schlecht14 wil verdampt [24] sein.’ Sie sind offt gnug, auch ernstlich gnug,
vermanet von mir und [25] vielen andern, die Buecher sind am tage.15 Und gehet
noch teglich unser aller [26] predigt wider jre lesterliche und luegenhafftige
Ketzerey, welchs sie wol wissen.
[Seite 142]
[ 3
Bůchern A 17 Margburg A]
[1] Derhalben
michs gleich1 nicht wenig befrembdet und mir gedancken macht, [2] das
Schwenckfeld so koerre2 und kuene ist worden, sich mit Schrifften [3] und
Buechern an mich zu machen, weil er weis oder ja3 wissen solt, das er [4] mein
unversueneter Feind ist.
[5] Erstlich
in dieser sachen des Heiligen Sacraments, welchs er in der [6] Schlesien4 zu
eitel Brot und Wein gemacht, so viel tausent Seelen verfueret, [7] [Spr. 2, 14]
dafur kein Busse gethan, Sondern, wie Salomo sagt: Exultat in rebus pessi- [8]
[Bl. A iij]mis, als hette er wol getan, Und doch gedenckt, der Luther muesse
[9] seiner Brieve und Buecher fro werden.5 Denn daraus solte wol ein solcher
[10] wahn erwachsen, als were der Luther mit dem Schwenckfeld und den Schwermern
[11] gut eins und hette alles widder ruffen, nemen und geben einander Brieve
[12] und Buecher als gute Freunde etc.6
[13] Zwar mir
ist wol auch zuvor offt angezeigt, als solten sich die Schwermer [14] rhuemen,
Jch were mit jnen eines, welchs ich nicht hab wollen gleuben, [15] weil es
keiner oeffentlich von sich hat wollen schreiben. Aber mit dieser weise [16]
solt mir wol der glaube in die hende komen7, ehe ichs mich versehe.
[17] Es ist
war, Funffzehen jar sind es, das zu Marburg Zwingel und [18] Ecolampad und wir
etliche zusamen kamen8 und uns vertrugen9 in [19] vielen artickeln, die gantz
Christlich sind, wie der gedruckt Zedel zeuget.10 [20] Aber im artickel vom
Sacrament bleibs stecken11, also das wir sonst solten [21] gute Freunde sein, damit
das scharffe schreiben gegenander rugen moechte, Ob [22] Gott mit der zeit
durch unser Gebet wolt hierin auch eintrechtigen verstand12 [23] geben, Und ich
zimliche hoffnung hatte, weil der Zwingel und die seinen so [24] viel guter
Artickel13 nachgaben, Es solte mit der zeit der einige14 Artickel sich [25]
auch finden.15 Und ward also zwisschen uns eine stille mit schreiben
widernander [26] etliche jar.
[27] Jndes
ward der Zwingel jemerlich zu felde von jenem teil16 der Papisten [28]
erschlagen17, und Ecolompad, viel zu schwach, solchen unfal zu tragen, drueber
[29] fur leide auch starb.18 Welches mir auch selbs zwo nacht solch hertzleid
thet, [30] das ich leicht auch hette muegen bleiben19, Denn ich guter hoffnung
war jrer
[Seite 143]
[ 22 geberin
C]
[1]
besserunge1, und doch fur jre Seele mich auffs hoehest bekuemmern muste, weil
[2] sie noch im jrthum verteufft2 also3 in sunden untergiengen.
[3] Aber nach
des Zwingels tode gieng ein Buechlin aus, welchs er solt hart4 [4] fur seinem
Ende gemacht haben, mit namen: Christianae fidei expositio [5] ad Christianum
Regem etc. Solchs solt ein Ausbund sein uber5 alle [6] seine vorige Buecher.6
Und das es sein eigen, des Zwingels, sein muste, gab [7] die art seiner wilden
wuesten rede und seine vorige meinung.
[8] [Bl. A 4]
Solchs Buechlins7 erschrack ich seer, nicht umb meinet willen, [9] sondern umb
seinet willen, Denn weil er nach unserm vertrag8 zu Marburg [10] solches hat
muegen schreiben, Jsts gewis, das er alles zu Marburg gegen uns [11] mit
falschem hertzen und munde gehandelt hat, und muste9 (wie auch noch) [12] an
seiner Seelen seligkeit verzweiveln, wo er in solchem sinn10 gestorben ist,
[13] Ungeacht, das jn seine Juenger und Nachkomen zum Heiligen und Marterer
[14] machten, Ah HErr Gott des Heiligen und des Marterers.11
[15] Denn in
diesem Buechlin bleibt er nicht allein ein Feind des heiligen [16] Sacraments,
sondern wird auch gantz und gar zum Heiden. So fein hat er [17] sich gebessert
meiner hoffnung nach.12 Das kanstu dabey mercken: Unter [18] andern worten
redet er denselben Koenig also an13: “Du wirst dort sehen in [19] einerley14
Geselschafft alle heilige, frome, weise, manliche, ehrliche15 Leute, den [20]
Erloeseten und Erloeser Adam, Habel, Henoch, Noah, Abraham, Jsaac, Jacob, [21]
Juda, Mosen, Josua, Gideon, Samuel, Pinhen, Eliam, Eliseum, auch Jsaiam [22]
und die Jungfraw, Gottes gebererin16, davon er hat geweissagt, David, Ezechiam,
[23] Josiam, den Teuffer, Petrum, Paulum. Herculem, Theseum, Socratem,
Aristidem, [24] Antigonum, Numam, Camillum, Catones, Scipiones und deine
Vorfaren [25] alle, die im glauben sind verstorben etc.”
[26] DJs
stehet in seinem Buechlin, welchs (wie gesagt) sol das guelden17 und [27] aller
beste Buechlin sein, hart fur seinem Ende gemacht. Sage nu, wer ein [28]
Christen sein wil, Was darff man der Tauffe, Sacrament, Christus, des [29]
Evangelij oder der Propheten und heiliger Schrifft, wenn solche gottlose
Heiden, [30] Socrates, Aristides, Ja der grewliche Numa, der zu Rom alle
Abgoetterey erst [31] gestifft hat, durchs Teuffels offenbarung, wie S.
Augustinus de civitate Dei [32] schreibt18, Und Scipio der Epicurus, selig und
heilig sind mit den Patriarchen,
[Seite 144]
[ 3 anderst
C]
[1] Propheten
und Aposteln im Himel, so sie doch nichts von Gott, Schrifft, [2] Euangelio,
Christo, Tauffe, Sacrament oder Christlichem glauben gewust haben? [3] Was kan
ein solcher Schreiber, Prediger und Lerer anders gleuben von dem [4]
Christlichen glauben, denn das er sey allerley glauben gleich1, Und koenne ein
[5] jglicher in seinem glauben selig werden, auch ein Abgoettischer und
Epicurer [6] als Numa und Scipio?
[7] [Bl. B 1]
Weil nu in diesem Buechlin Zwingel nicht allein vom Marpurgischem [8] vertrag
(Ja denselbigen mit ernst nicht gemeinet)2 abgefallen, Sondern [9] viel erger
und gar zum Heiden worden ist, Und doch die Schwermer seine Gesellen [10] solch
Buechlin (darin auch viel mehr grewel stehen) loben und ehren, [11] Hab ich
auch alle meine hoffnung von jrer besserung faren lassen, Und sie so [12] gar
aus der acht gelassen3, das ich auch nicht habe wollen wider solch Buechlin
[13] schreiben, noch mehr fur sie beten, Weil ich gesehen, das alle meine
vorige [14] schrifften und vermanung, dazu meine Christliche liebe und trewe,
zu Marburg [15] erzeigt, so ubel angelegt4 und so schendlich verloren sein
musten.
[16] Wo nu
aus solchs vertrags geschrey5 oder sonst6 jemand gehoert7 oder [17] beredt8
were, Das ichs mit den Schwermern hielte, und9 der Sachen [18] eins weren10,
Den bitte ich lauterlich11 umb Gottes willen, wolte [19] das ja keines weges
gleuben.12 Da behuete mich Gott fur, wie er bis her [20] gethan, das ich mit
meinem namen solte wissentlich den allergeringsten Artickel [21] der Schwermer
decken13 oder stercken. Denn auch zu Marpurg wir nicht in [22] einem einigen
Artickel zu jnen traten14, Sondern sie begaben sich zu uns15 [23] in allen
Artickeln, on16 des Sacraments artickel (wie der Zedel gedruckt weiset), [24]
welcher (wie gesagt) bleib stecken auff hoffnung, Er solte auch endlich17
folgen, [25] Aber wie diese hoffnung geraten ist, hastu jtzt gehoeret.
[26] Viel
lieber, sage ich, wolt ich mich hundert mal lassen zureissen oder verbrennen,
[27] ehe ich wolte mit Stenckefeld, Zwingel, Carlstad, Ecolampad, und [28] wer
sie mehr sind, die leidigen Schwermer, eins sinnes oder willens sein, oder [29]
in jre Lere bewilligen.18
[30] Denn ich
dencke noch wol19, stehet auch noch in jren Buechern, wie gar [31] uberaus
schendlich sie uns mit unserm lieben HErrn und Heiland lesterten, [32] hiessen
jn einen gebacken Gott, einen broetern Gott, einen weinern Gott, ein [33]
gebrotenen Gott, etc.20 Uns hiessen sie Fleischfresser21, Blutseuffer,
Anthropophagos,
[Seite 145]
[1]
Capernaiten1, Thyestas etc. Da sie doch wusten, das sie dem [2] HERRN und uns
mutwilliglich2, uberaus lesterlich3 unrecht theten und [3] schendliche Luegen
uber uns ertichten, Welchs ja ein gewis zeichen war, das kein [4] guter Geist
in jnen sein kundte. Noch liessen wirs in Mar-[Bl. Bij]purg alles [5] faren4
und hin gehen Jn der hoffnung, sie wolten und wuerden sich gantz [6] bessern.
[7] Denn das
wusten sie seer wol, das wir solches nie geleret noch gegleubt [8] hatten, on
das5 sie, zu jrem rhum und uns zur schande, fur dem Poebel gern [9] den wahn
gemacht hetten6, als weren wir solche tolle, unsinnige, rasende Leute, [10] die
Christum im Sacrament Localiter7 hielten8, und stuecklich9 zufressen10, wie
[11] die Wolffe ein schaff, und blut soeffen wie ein kue das wasser. Wol wusten
sie [12] (sage ich), das sie hierin uns mit offenberlichen11, unverschampten
Luegen Fleischfresser [13] und Blutseuffer hiessen, aus des Teuffels getrieb.12
Denn auch die Papisten [14] solches nie geleret hatten13, wie sie auch wol
wusten, on das14 sie uns mit [15] dem namen ‘Papisten’ auch wolten wehethun15,
die heiligen geistlichen Leute.
[16] Denn so
hat man unter dem Bapstum geleret, wie auch wir behalten und [17] noch so
leren, als die rechte alte Christliche Kirche von 1500. jaren her [18] helt
(Denn der Bapst hat das Sacrament nicht gestifftet noch funden, [19] welchs die
Schwermer auch selbs zeugen muessen, wie fast16 sie es Papistisch [20] machen
wollen) Wenn du vom Altar das brot empfehest, So reissestu nicht ein [21] arm
vom Leibe des HErrn oder beissest jm die nasen oder einen finger ab, [22]
Sondern du empfehest den gantzen Leib des HErrn, Der ander, so dir folget, [23]
auch den selben gantzen leib. So der dritte und tausent nach tausent fur und
[24] fur.17 Des gleichen wenn du den Kelch oder Wein trinckest, so trinckestu
nicht [25] ein tropffen bluts aus seinem finger oder fusse, Sondern trinckest
sein gantzes [26] Blut, Also auch, der dir folget, bis in tausent mal tausent,
Wie die wort [27] [1. Kor. 11, 24] Christi klerlich lauten: ‘Nemet, esset, das
ist mein Leib.’ Er spricht nicht: [28] Petre, da friss du meinen finger,
Andrea, friss du meine nasen, Johannes, [29] friss du meine ohren etc. Sondern:
‘es ist mein Leib, den nemet und esset’ [30] etc. Ein jglicher fur sich
unzerstuecket.
[31] Nein,
Gott lob, solche grobe18 Toelpel sind wir, die heilige Kirche unter [32] dem
Bapstum auch, nicht, wie uns der boese Geist durch die Schwermer gern [33]
hette zu hohem verdries19 und unglimpff20 dem volck mit solchen verzweivelten
[34] Luegen eingebildet21, jre Ketzerey zu schmuecken.22 Denn sie wusten, das
jr maul
[Seite 146]
[ 4 absumiter
AC]
[1] hierin
ein Luegenmaul were, auch daher, weil sie die [Bl. B iij] Messen vom [2]
‘heiligen Warleichnam’1 (wie mans hies) on zweivel offt selbs gesungen und [3]
gelesen hatten, darin unter viel andern klerlich stehet2: Sumit unus, sumunt
[4] mille, quantum iste, tantum ille, nec sumptus absumitur. Darumb wusten sie
[5] wol, das wir keine Fleischfresser, Blutseuffer, Thyeste, Caperniten noch
Localisten [6] weren. Und unser Gott kein gebacken Gott, weinern Gott etc. sein
[7] kundten. Noch musten wir solche jre mutwillige3, erkandte4 lesterung
hoeren, [8] und wers nicht lassen wil, bey jnen noch also lestert, denn sie
lesens in jren [9] Buechern.
[10] Noch
liessen wirs (wie gesagt) alles hingehen zu Marpurg, Damit wir ja [11] reichlich
Christliche liebe erzeigten. Denn (hilff Gott)5 wie musten wir [12] hoeren, Das
wir keine Christliche liebe hetten6, die Diener Christi verachten, [13] die
Kirchen betruebten7 und verwirreten etc. Und waren keine Suender auff [14]
Erden denn wir allein, Und keine Heiligen im Himel denn die Schwermer [15]
allein, Bey denen war eitel fewer der liebe, bey uns eitel Eiss der
unbarmhertzigkeit, [16] Denn wir waren Fleischfresser, Sie waren eitel, rein,
pur, lauter8 [17] der Gaist9 selbs.
[18] Was hat
aber uns nu solche uberfluessige10 liebe und demut geholffen? on [19] das11 da
durch alles ist erger worden, und unser gute hoffnung jemerlich gefeilet12 [20]
hat. Denn Liebe wird und mus betrogen werden, weil sie ‘alles gleubt [21] [1.
Kor. 13, 4] und trawet. j. Corinth. xiij. Aber glauben kan nicht feilen, denn
Gott leuget [22] [1. Sam. 15, 29] nicht, wie der Mensch thut, j. Reg. xv.
[23] Wie
solte und kuendte ich nu auff mein arm gewissen laden solche ungeschwungen13
[24] Lesterung der unbusfertigen Schwermer und Lesterer? [25] Wie ich doch thun
mueste, wo ich mich mit jnen einliesse mit Buechern, [26] schrifften oder
worten, wie mir jtzt der Stenckefeld anmutet.14
[27] [2. Joh.
10f.] S. Johannes sagt ij. Joh.: ‘So jemand kompt und bringt diese Lere nicht,
[28] den nemet nicht zu hause15 und gruesset jn nicht, Und wer jn gruesset, der
macht [29] sich teilhafftig seiner boesen werck.’ Hie hoerestu, wer der Man
sey, der mich [30] heisst die Schwermer weder hoeren noch sehen, sondern meiden
und verdammen, [31] [Tit. 3, 10] Wie ich droben aus S. Paulo Tit. iij. auch
gesagt: ‘Einen Ketzer soltu meiden, [32] wenn er einst oder zwier vermanet
ist.’
[Seite 147a]
[Handschrift]
[[Druck]]
147b
[1] Hs] [Bl.
1a] gab grossen glauben / heiligkeit / liebe vnd leiden fur.1 Sum̄a /
Er wolt [2] Ein grosser Merterer sein gleich wie vnser schwermer grosse grümpen
fur [3] geben2 / von der Christlichen liebe. Schelten auch den verdampten
Luther / das [4] er so stoltz vnd hart sey . gantz vnd gar on liebe / das er
vmb solchs geringen [5] artickels willen / da nichts angelegen vnd ⌈der⌉ vnnotig ist (wie yhre
Meister [6] Zwingel . Ecolampad vnd Sten̂ckefeld 〈leren〉 ⌈schwermen⌉/) die Christliche [rh] [7]
zertrenne / Der kirchen Einigkeit zerreisse〈n〉 / Die Diener Christi • Ja die heiligen [8] diener Christi •
vnehre vnd hoene • Das heisst den splitter yns bruders auge [9] richten / das
sie yhre balcken da mit schmucken3 • Die mücken seygen4 vnd Camel [10]
verschlingen / Ja das sie theten wider mich / das hiessen [c aus heissen] sich
von [11] mir gethone wider sie / Was ich von yhnen leiden muste / das rhumeten
sie / [12] als musten sie es von mir leiden
[13] Wolan5
ich kan nichts dazu • mǔs sie lassen rhumen vnd heilig sein. [14] Jch wil ⌈gern⌉ ein armer sunder sein • so
fern das mein 〈Gott vnd [rh]〉 [15] ⌈Lieber Gott vnd⌉ HERR Jhesus Christus von
mir ein Lugener gestrafft / noch [16] [Ps. 51, 6] ynn seinen worten gemeistert
werde. Wie der p̄s̄. 51 • spricht [Bl. 1b] Dir [17] ⌈allein⌉ bin ich ein sunder / auff
das du recht habest ynn deinen worten vnd [18] vberwindest vnd heilig 〈seyest〉 ⌈bleibest⌉ / wenn dich die schwermer
vnd stenkefelder [19] richten vnd meistern. Vnd bitte dem nach / Gott den vater
aller gnaden
[Seite 148a]
[[Druck]]
148b
[1] Hs] vnd
Barmhertzigkeit | das er die guten leüte / 〈wo sie
sind〉 ⌈vnd arm volck⌉ [2] ynn Schweitzern 〈oder〉 ⌈vnd⌉ Schlesien / oder wo sie sind / gnediglich ein mal [3]
erlosen [c aus erlose] ⌈wolle⌉ von der Schwermer [c aus Schwermern] / Carlstad [4] /
Zwingel / Ecolampad Stenckefeld vnd yhrer gesellen / verdampten lere • [5] vnd ⌈dafur⌉ recht schaffene 〈pr〉 lerer geben / Amen 〈Denn Sie wurden〉 Denn [6] wie gesagt / mit
den 〈selben Sc〉 Lerern wil ich nichts zu
thun haben • weil [7] es alles vmbsonst ist / Meine bucher wider sie
geschrieben [vider sie geschrieben [8] rh] sind am tage / vnd ist die warheit
[die warheit rh] von ⌈mir⌉ reichlich [9] vnd gewaltiglich gnug beweiset / wer anders
begerd recht zu gleuben / das keines [10] zancks noch disputirns mehr darff
[11] Vber [V
c aus S] solchen meinen trewen vleis • hat sich Gott ⌈selbs⌉ [12] mit starcker
vermanūg gegen sie [gegen sie rh] wol erzeiget das sie yhren yrthum [13]
[c aus yrrthum] / wol hetten greiffen1 mugen Denn flux ym [14] anfang / Lies
Gott den Sacramentsschendergeist sich ynn sieben geister [Bl. 2a] [15]
widernander sich teilen / daran sie mercken kondten / das nicht ein guter geist
[16] sein muste2 / der einerle˙3 le˙ rh] Text / so manchfeltiglich 〈vnd vngleich leret〉 [17] ⌈handelt⌉
[Seite 149a]
[[Druck]]
149b
[1] Hs] Der
Erste
[2] Carlstad
/ machte den Text / nach seinem tollen kopffe also Jhesus [3] nam das brot
danckt vnd brachs vnd gabs seinen Jungern vnd sprach [c aus [4] spracht] / Nemet
/ [vnd] Esset / 〈das〉 Das ist mein Leib der fur
euch gegeben [5] wird &c. / Solch DAS solt nicht auffs brot zeigen • so der
HERR [c aus herr] [6] nam vnd gab • Sondern auff seinen sichtbarn 〈lei〉 vnd 〈vnb〉 vber tisch sitzenden [7]
leib • das 〈der〉 die meinübar;g 〈sey〉 [were]. Nemet vnd esset.
Hie sitzt mein leib / [8] der fur euch gegeben 〈wid〉 wird &c. Dauon [ich] gnugsam ym andern buch [9] wider
die hymlischen p̱pheten geschrieben habe
[10] Der
ander
[11] Zwingel
dem gefiel solchs nicht / vnd sein geist bracht ein ander [c aus anders] [12]
müscher1 ynn den text. Nemlich also Nemet Vnd Esset. Das < 〈IST〉 [13] bedeüt> ⌈IST⌉ mein leib &c. Dieser
[Dieser c aus Der] lest • das wortlin • DAS [14] auffs brot zeigen vnd wils so
haben [vnd wils rh] / wider Carlstads geist / [15] Aber das • wortlin IST [rh]
sol 〈h〉 bedeutet / heissen auff
diese meinūg2 / Das [16] ⌈brod⌉ BEDEVTET [r] meinen leib / der fur euch rʃ
[17] [Bl. 2b]
Der dritte
[18]
Ecolampad macht den text also • Nemet vnd esset. Das ist mein LEIB. rʃ [19] dieser lesst die zwe˙ wort (• 〈Das ist〉 DAS vnd IST3 stehen /
welche Carlstadt [20] vnd Zwingel hatten verendert / Aber das wort LEIB • sol ⌈nicht⌉ heissen
[Seite 150a]
[[Druck]]
150b
[1] Hs] leib
sondern ⌈leib sondern rh] Leibs zeichen • das die meinūg sey.
Das ist [2] meins Leibs zeichen
[3] Der
Vierde / funffte / vnd Sechste
[4]
Swenckfeld • der lies sich duncken / sein stanck were der beste ym felde1 /
Denn [5] er kam von sich selbs / vnberuffen / dazu ⌈seer⌉ vngelert. aber vol hohes
geistes • [6] Vnd bracht ein newe vnerhorete regel ynn die Theologia (wie
solchem ⌈hohen⌉ [7] geist wol anstund) das
war diese
[8] Regüla
noüa Spiritus sacerrimj
[9] Man [c
aus Mans] müs diese wort • (Das ist mein Leib) aüs den augen [10] thun2 / vnd
zuuor auff den geistlichen verstand3 dencken / darnach die wort [11] recht
ordenen Da hastu den rechten Meister / den freyen hohesten geist Mercke [12] nü
das wol / Wenn dich ein text hindert4
[Seite 147b]
[Druck]
[[Handschrift]]
147a
[20] Dr] Und
wens per impossibile war were, und [Bl. B 4] sie recht hetten, das [21] eitel
brot und wein im Abendmal were, solt man darumb so heraus [22] toben und
donnern wider uns, mit solchen scheuslichen1 lesterungen [23] ‘gebacken Gott’,
‘broetern Gott’ etc? Solten sie nicht der Heiligen wort Christi [24] (welche
wir nicht ertichtet haben): ‘Das ist mein Leib’ verschonen, darin er je2 [25]
klerlich das dargereicht Brot seinen Leib nennet. Also moechten sie auch jnen3
[26] einen tuechern oder getuecherten, eingewirckten, eingeneten Gott lestern,
weil er [27] in Rock und Kleider, geneet und gewirckt, gangen ist. Jtem einen
wesserigen [28] Gott, weil er im Jordan getaufft ward, einen eingewolckten
Gott, weil er in [29] wolcken gen Himel fuhr.
[30] Jch
hette jren Gott der weise nach4 auch wol wissen zu nennen, wolts [31] auch noch
wol thun, wo ich des namen Gottes nicht schonete, und jnen auch [32] jren
rechten namen geben, das sie nicht schlecht5 Brotfresser und Weinseuffer, [33]
sondern Seelfresser und Seelmoerder weren. Und sie ein eingeteuffelt, durch
[34] teuffelt, uberteuffelt, lesterlich hertz und Luegenmaul hetten, Und wolt
damit [35] die warheit gesagt haben, weil es nicht kan widersprochen werden,
das sie mit
[Seite 148b]
[[Handschrift]]
148a
[18] Dr]
solchen jren Lesterungen unverschampt1 gelogen haben, wider jr eigen Gewissen,
[19] und noch nicht buessen, Ja sich in jrer bosheit rhuemen.
[20] Wolan es
sol und kan niemand von den Christen fur die Schwermer [21] beten noch sich jr
annemen. Sie sind dahin gegeben2, und ‘sundigen [22] [1. Joh. 5, 16] zum tode’
(wie S. Johannes sagt). Von den Meistern rede ich, dem [23] armen volck, so
unter jnen ist, helffe der liebe HErr Christus von solchen [24] Seelmoerdern.
Sie sind (sage ich) hoch und offt gnug vermanet, sie wollen [25] mein nicht3,
so wil ich jr auch nicht. Sie haben nichts von mir (rhuemen sie) [26] des danck
ich Gott. So4 habe ich viel weniger von jnen, des sey Gott gelobt, [27] Las
jmer hin faren, was nicht bleiben wil5, Es wird sich finden6, hat sichs [28] nicht
bereit allzu seer gefunden.
[29] ERstlich
wurden sie gewarnet flugs im anfang von dem heiligen Geist, [30] da sie wol in
sieben Geister sich teileten uber dem Text, jmer einer anderst [31] denn der
ander.7
[Seite 149b]
[[Handschrift]]
149a
[21] Dr] Der
erst, Carlstad1, machte den Text also: ‘Das ist mein Leib’ Solt so [22] viel
heissen: Hie sitzt mein leib. Und der text solt also stehen: Er nam [23] [Bl. C
1] das Brot, danckt und brachs, und gabs seinen Juengern und sprach: [24] Hie
sitzt mein Leib, der fur euch gegeben wird.
[25] O dis
war so gewis, das nicht allein der heilige Geist sondern der himelische [26]
Vater selbs hatte es jm offenbaret, Davon ich wider die himlischen Propheten2
[27] hab gnug geschrieben.
[28] Der
ander, Zwingel3, sagt, solchs were nicht recht gemacht, unangesehen, [29] das4
der himelisch Vater selbs hatte offenbart. [Bl. C 1] Und machte [30] den Text
durch seinen andern heiligen Geist also: ‘Nemet, esset, Das bedeut [31] meinen
Leib, der fur euch gegeben wird.’ ‘Jst’ muste hie bedeutet heissen.
[32] Der,
dritte, Ecolampad5, brachte den dritten heiligen Gaist herfur, der [33] machte
den Text abermal anders, nemlich also: ‘Nemet, esset, das ist [34] meins Leibes
zeichen.’
[Seite 150b]
[[Handschrift]]
150a
[13] Dr] Der
vierde, Stenckefeld1, Lies sich duencken, sein stanck were Thesem2 in [14]
aller welt, bracht aus dem vierden heiligen Geist diese Regel: Man [15] mus
diese wort ‘Das ist mein leib’ aus den augen thun3, denn sie hindern [16] den
geistlichen verstand.4 Diese Regel mustu wol mercken, wiltu ein Theologus [17]
werden, nemlich, Wo die hellen Wort Gottes deinen verstand hindern, [18] das du
einen andern suchest, der dir gefalle, und denn sagest, Es sey der heilige [19]
Geist, darnach die wort ordenest und deutest, wie dichs gut duenckt.
[20] ALs hie5
mustu zuvor den hohen geistlichen verstand fassen, das Brot [21] brot sey, Wein
wein sey, welchs kein Papist noch Luther jemals verstanden [22] hat, auch kein
Becker noch Kretzmaier.6 Und demnach den Text also machen, [23] das hinderst zu
foerderst setzen, nemlich: ‘Nemet hin und esset, Mein Leib, der [24] fur euch
gegeben wird, ist das’ (vernim7: eine geistliche speise). Da hastus, [25] Gehe
nu hin und sage, das Stenckefeld nicht den heiligen Geist habe, weit uber [26]
die drey heilige Geister Carlstads, Zwingels und Ecolampads.
[27] Der
fuenffte heiliger Geist8, Etliche seines geschmeisses9 und unzifers, [28]
machens also: ‘Nemet, esset, was fur euch gegeben wird, das ist mein Leib.’
[29] Der
sechste heiliger Geist10 machts also: ‘Nemet hin, esset, Das ist mein [30]
Leib, zum ge-[Bl. C ij]dechtnis.’ Solt so viel sein: ‘Nemet, esset, Das ist
[31] meines Leibs gedechtnis (nominativum corpus, per genitivum corporis
exponendo), [32] der fur euch gegeben etc.
[Seite 151]
[1] Der
siebend heiliger Geist, Joh. Campanus1, machts also: ‘Nemet hin, [2] esset, Das
ist mein Leib’, corpus scilicet paneum, Solt so viel heissen: [3] Das brot, so
ich euch gebe, ist ein Leib oder coerper fur sich selbs, nicht mein [4]
lebendiger natuerlicher leib, Sondern ein todter, lebloser Leib, wie stein und
[5] holtz ein Leib ist. Aber weil es meine creatur ist, so ists auch mein Leib,
[6] den ich geschaffen habe.
[7] Dis ist
der allerhoehest heiliger Geist, wider und uber die andern alle, [8] On das2 er
dem Becker die ehre nimpt, der dennoch3 auch etwas am brot gemacht [9] hat, Und
Gott nicht das brot, sondern das korn zum brot schafft.