D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe.
30. Band. Zweite Abteilung

 

 

D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. 30. Band. Zweite Abteilung

 

 

Weimar

Hermann Böhlaus Nachfolger 1909

 

 

 

 

Vorwort.

[Seite iii]

Die Schriften der Jahre 1529 und 1530 bilden für die Herausgabe noch einmal eine besonders schwierige Etappe. Zu der großen Anzahl der Stücke kommt eine Überlieferung, die auch vielfach die Handschriften-Originale bietet, und dies teilweise in einer von der gedruckten so abweichenden Form, dass eine Parallelwiedergabe nicht möglich war, wie z. B. bei der Schrift ‘Von den Schlüsseln’, oder der handschriftliche Teil verlangte, wie es bei der ‘Vermahnung’ geschehen ist, eine besondere Untersuchung für sich, oder es galt, eine Reihe zum Teil verstreuter Bruchstücke erneut richtig zu bestimmen und den verschiedenen Schriften zuzuweisen, wie es Koffmane bei den Stücken ‘De iustificatione’, ‘De potestate leges ferendi’ &c.. scharfsichtig getan hat. Auch der bibliographische Teil bot infolge einer vielfach komplizierten Druckgeschichte mannigfache Schwierigkeiten. Viele Hände mussten tätig sein, um diesen Band unter Dach zu bringen, sie mussten auch gelegentlich ineinander arbeiten, so daß die Grenzen der einzelnen Tätigkeit manchmal etwas gegeneinander zerfließen.

 

Die hier vorliegende zweite Abteilung der Schriften der Jahre 1529/30 erscheint vor der ersten, welche u. a. die Katechismen und die an das Marburger Religionsgespräch sich anschließenden Publikationen bringen soll, weil grade jetzt im 30. Band der Zeitschrift für Kirchengeschichte erschienene einschneidende Forschungen H. von Schuberts über die Schwabacher und Marburger Artikel usw. noch mitverwertet werden sollten. Die erste Schrift des vorliegenden Bandes, ‘Von heimlichen und gestohlenen Briefen’, gehört dem Streit Luthers mit dem Herzog Georg von Sachsen an. Die Arbeit der Herausgabe ist — ebenso wie bei den Schriften ‘Vom Kriege wider die Türken’ und

 

 

 

[Seite iv]

 

‘Heerpredigt wider den Türken’ — so zwischen F. Cohrs und A. Goetze verteilt, daß die Einleitung in jedem Falle von Cohrs, das Übrige einschließlich der Bibliographie von Goetze herrührt (vgl. auch Nachträge S. 711), nur gelegentlich (S. 20 ff.) hat hier J. Luther bibliographisch beigesteuert. Bei den folgenden drei Schriften, der ‘Vorrede zu Justus Menius’ Oeconomia christiana’, der ‘Vorrede zu Melanchthons Auslegung des Kolosserbriefes, deutsch von J. Jonas’ und der ‘Vorrede zu Venatorius’ Tröstlicher Unterricht für den sterbenden Menschen’ stammen die historischen Einleitungen und die Texte, ebenso Vorarbeiten zur Bibliographie und zu den Lesarten von O. Albrecht, die weitere Bearbeitung der Bibliographie von A. Goetze her, dieser hat zugleich die germanistische Bearbeitung der Vorreden zum Kolosserbrief und zu Venatorius besorgt, während die germanistische Bearbeitung der Oeconomia von O. Brenner geliefert ist.

 

Die folgenden Schriften sind zunächst sämtlich von O. Clemen bearbeitet, die Bibliographien rühren von J. her, den O. Clemen, ebenso wie bei der ‘Vermanung’ O. Brenner, gelegentlich unterstützte. O. Brenner hat dann auch den germanistischen Verarbeitungen wiederum seine bewährte Kraft geliehen und im übrigen durch den Band hindurch die Texte seiner Durchsicht unterzogen; bei den ‘Schlüsseln’ rührt von ihm auch der gesamte Text her, während O. Clemen die Einleitung und einen Teil der sprachlichen Anmerkungen verfaßt, sowie die Korrektur des handschriftlichen Teiles nach dem Originale an Ort und Stelle in Nürnberg (die dortige Stadtbibliothek versendet Lutherhandschriften leider nicht mehr) gelesen hat. Die Herausgabe des ‘Sendbriefs vom Dolmetschen’ verdanken wir Oberlehrer Lic. F. Herrmann-Darmstadt, welcher somit zum ersten Male in die Reihen der Mitarbeiter an der Lutherausgabe eintritt; die Bibliographie stammt auch hier von J. Luther. Einer Reihe von Entwürfen Luthers, deren Einzelbedeutung Berbig bei seiner Veröffentlichung nicht voll erkannt hat, wies Koffmane ihre richtigen und wichtigen Plätze zu (De iustificatione &c..); hierbei hat Clemen die Berbigschen Abdrucke nach der Handschrift neu verglichen, einiges von Koffmane Bezeichnete neu abgeschrieben und dann noch bei der Herausgabe der ‘Sprüche, mit denen sich Luther getröstet’, deren eigentlichen Charakter als einer Kompilation aus Luthers Briefen bis ins einzelne nachgewiesen.

 

Nicht in diesem Bande aufgenommen sind die ‘vier öffentlichen Notbriefe’ in Sachen des Hornungschen Ehezwistes; denn wenn auch Luther mit der Drucklegung dieser Briefe die Sache an die Öffentlichkeit brachte, so sind die Briefe dennoch um des mehr persönlichen Anstriches der ganzen Angelegenheit willen und darum, weil die ‘öffentlichen’ Briefe schlecht von der andern

 

 

 

[Seite v]

 

privaten Korrespondenz in dieser Sache zu trennen sind, zur Herausgabe unter die ‘Briefe’ verwiesen worden. Dann beschäftigte sich Luther 1530 auf der Coburg neben dem Psalter und den Propheten eine Zeitlang mit Vorliebe auch mit den Fabeln Esopi. Da er aber diese Arbeit wieder liegen ließ und 1538 noch einmal an sie heranging — freilich wieder ohne abzuschließen —, erschien es mißlich, die hierher gehörigen Arbeiten Luthers auseinanderzureißen, und so soll die Arbeit an den Äsopischen Fabeln erst in dem Bande der Schriften 1538 im Zusammenhange gewürdigt werden. Die Psalmenbearbeitungen jener ganzen Jahre werden in einem gesonderten Bande gegeben. Die Ratschläge (z. B. vom 6. März 1530 an den Kurfürsten von Sachsen) und Bedenken (z. B. auf den Reichstag zu Augsburg gestellt, schon bei Enders als Nr. 1613) gehören ebenfalls zu den Briefen; Anderes wie ‘das siebenzehend Capitel Johannis gepredigt und ausgelegt durch D. Mar. Luther’ (Crucigers Bearbeitung) nebst einer Vorrede Luthers ist schon in Unsrer Ausgabe Bd. 28, 38. 70 ff. unter den Predigten erledigt. Der Entwurf, der unter dem Titel ‘Feine christliche Gedanken der alten heiligen Väter und Lehrer der Kirche, von D. M. L. angezogen, daß ein Christ das Kreuz, so ihm von Gott aufgelegt ist, mit Geduld tragen soll 1530’ ist ebenfalls schon in Unsrer Ausg. Bd. 32, 545 ff. als Anhang zu den Predigten 1530 abgedruckt. Schließlich gehört die Vorrede Luthers zu Huberinus’ ‘Vom Zorn und der Güte Gottes’ nicht, wie man bisher annahm, ins Jahr 1529, sondern wahrscheinlich erst ins Jahr 1534 und wird in dem betreffenden Bande von O. Albrecht und A. Goetze herausgegeben werden.

 

Eine kurze Bemerkung erfordert die Wiedergabe der Schrift ‘Das 38. und 39. Kapitel Hesekiel vom Gog’. Zunächst ist sie ja ein Bestandteil der Bibelübersetzung und folgerichtig ist somit das handschriftliche Original unter Luthers eigenen Niederschriften zur Bibelübersetzung in Unsrer Ausgabe, Die deutsche Bibel Bd. 2, 149 –153 abgedruckt (der Band wird im Herbst erscheinen). Dann aber hat dieser Abschnitt, wie die damals erfolgte besondere Drucklegung, die Vorrede und die Randglossen beweisen, doch auch durchaus als selbständige Flugschrift zu gelten, erwachsen aus den politischen Verhältnissen des Jahres 1530, und dazu bestimmt, der damaligen Christenheit durch den Nachweis, daß die gefürchteten Türken schließlich einem göttlichen Strafgericht erliegen werden, Trost und Aufrichtung zu gewähren. Um dieses ganz besonderen, selbständigen Zweckes willen haben wir trotz jener Wiedergabe des handschriftlichen Teiles in Bibel Bd. 2 hier auf die nochmalige Wiedergabe des kurzen handschriftlichen Stückes, wie eine solche ja auch sonst üblich ist, nicht verzichtet. Es wurde hier natürlich auf den Abdruck in Bibel Bd. 2 besondere Rücksicht genommen.

 

 

 

[Seite vi]

 

In dem ‘Briefe an den Cardinalerzbischof von Mainz’ mußte von der gewöhnlichen Blattbezeichnung abgewichen werden. Da wo die Zahlbezeichnung eines Blattes im Originale fehlt, haben wir unsrer Übung gemäß stets arabische Ziffern eingesetzt, im übrigen die Ziffernbezeichnung des Originales beibehalten (also Bl. B 1, Bl. 4, dagegen Bl. Bij, Bl. iij &c..). Nun aber sind schon im Originaldruck des ‘Briefes an den Cardinalerzbischof’ für die Blattbezeichnung arabische Ziffern benutzt; es mußte daher diese Bezeichnung herübergenommen und die unbezeichnet gebliebenen Blätter anders charakterisiert werden, und zwar wurden jetzt deren Zahlen in Klammern gegeben, also Bl. B (1), B (4); dagegen Bl. B 2, B 3.

 

Bezüglich des Nachweises der Stellen, an denen sich die einzelnen Schriften später noch abgedruckt finden (in Gesamtausgaben &c..), ist zu bemerken, daß von jetzt an auch die zweite Auflage von Walch (D. M. Luthers Sämmtliche Schriften, herausgegeben von J. G. Walch. Aufs neue herausgegeben im Auftrage des Ministeriums der Deutschen evangelisch-lutherischen Synode von Missouri, Ohio und anderen Staaten. St. Louis, Mo.; Zwickau, Schriften-Verein i. K. 1880 –1904, 22 Bde.) stetig mitberücksichtigt werden soll.

 

Die Kollation des Druckes C der ‘Vorrede zu Amos’ hat, da die Königliche Bibliothek in Berlin infolge des Umzugs geschlossen war, A. Goetze nach dem Freiburger Exemplar freundlichst besorgt; bei dem Lesen der Korrekturen wurde ich von Dr. Rudolf Pechel unterstützt.

 

 

 

Berlin, April 1909.

Karl Drescher.

 

 

 

[Seite vii]

 

Inhalt.

 

 

[Seite vii]

 

Seite

 

Vorwort III

 

1. Von heimlichen und gestohlenen Briefen 1529, herausgegeben von F. Cohrs und A. Goetze 1

 

2. Vorrede zu “An die hochgeborne, Fürstin Frau Sibylla, Herzogin zu Sachsen, Oeconomia Christiana, das ist von christlicher Haushaltung, Justi Menii” 1529, herausgegeben von O. Albrecht, O. Brenner und A. Goetze 49

 

3. Vorrede zu “Die Epistel S. Pauli zun Colossern durch Philippum Melanchthon zum andern Mal ausgelegt, verdeutscht durch Justum Jonam” 1529, herausgegeben von O. Albrecht und A. Goetze 64

 

4. Vorrede zu “Ein kurz Unterricht, den sterbenden Merschen ganz tröstlich und seliglich furzuhalten” von Thomas Venatorius 1529, herausgegeben von O. Albrecht und A. Goetze 70

 

5. Vom Kriege wider die Türken 1529, herausgegeben von F. Cohrs und A. Goetze 81

 

6. Heerpredigt wider den Türken 1529, herausgegeben von F. Cohrs und A. Goetze 149

 

7. Vorwort zu dem Libellus de ritu et moribus Turcorum 1530, herausgegeben von O. Clemen 198

 

8. Vorrede zu Menius, Der Wiedertäufer Lehre 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 209

 

9. Vorrede zu Spenglers Auszug aus den päpstlichen Rechten 1530, herausgegeben von O. Clemen 215

 

10. Das 38. und 39. Capitel Hesekiel vom Gog 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 220

 

11. Vermahnung an die Geistlichen, versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg, Anno 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 237

 

12. Glossen zum Dekalog 1530, herausgegeben von O. Clemen 357

 

[Seite viii]

 

13. Widerruf vom Fegefeuer 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 360

 

14. Brief an den Kardinal Erzbischof zu Mainz 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 391

 

15. Propositiones adversus totam synagogam Sathanae et universas portas inferorum (Artikel wider die ganze Satansschule und alle Pforten der Hölle) 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 413

 

16. Von den Schlüsseln 1530, herausgegeben von O. Brenner und O. Clemen 428

 

17. Eine Predigt, daß man Kinder zur Schulen halten solle 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 508

 

18. Vermahnung zum Sakrament des Leibes und Blutes Christi 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 589

 

19. Sendbrief vom Dolmetschen 1530, herausgegeben von F. Herrmann und O. Brenner 627

 

20. Vorwort zu In prophetam Amos Iohannis Brentii expositio 1530, herausgegeben von O. Clemen 647

 

21. De Iustificatione 1530, herausgegeben von G. Kossmane 652

 

22. De potestate leges ferendi in ecclesia 1530, herausgegeben von G. Kossmane 676

 

23. Weitere Entwürfe Luthers 1530, herausgegeben von G. Kossmane

 

     1. Zu “Vermanung zum Sacrament &c..” 691

 

     2. Von Fürbitte der Heiligen 694

 

     3. Sermon am Tage Matthäi 694

 

     4. περ τς μουσικς 695

 

24. Etliche tröstliche Vermanungen in sachen das heilige göttliche Wort betreffend (Sprüche mit denen sich Luther getröstet hat) 1530, herausgegeben von O. Clemen 697

 

25. Nachträge und Berichtigungen 711

 

 

 

[Seite 1]

 

Haupttext

 

Von heimlichen und gestohlenen Briefen.

 

[Einleitung]

 

 

[Seite 1]

 

Der Streit Luthers mit dem Herzog Georg von Sachsen in den Jahren 1528 und 1529, dem unsre Schrift als wichtigstes Dokument angehört, bildet ein erbittertes Nachspiel zu den Packschen Händeln.

 

Es ist jetzt wohl allgemein anerkannt, daß das von dem herzoglich sächsischen Kanzleiverweser Otto von Pack dem Landgrafen Philipp von Hessen übergebene Schriftstück, das die Grundzüge des angeblich von König Ferdinand, den Herzögen von Bayern und Sachsen, den Kurfürsten von Mainz und Brandenburg, dem Erzbischof von Salzburg und den Bischöfen von Würzburg und Bamberg zur ganzlichen Vernichtung der lutherischen Ketzerei am 15. Mai 1527 zu Breslau geschlossenen Bündnisses enthielt, eine dreiste Fälschung Packs darstellte.1 Wir schenken also dem

 

 

 

[Seite 2]

 

Schreiben Georgs von Sachsen an Philipp vom 21. Mai 1528, in dem sich jener gegen die von seinem gröblich getäuschten Schwiegersohn wider ihn erhobenen Vorwürfe verwahrt, vollen Glauben und verstehen trotz mancherlei Abstoßendem in seinem Wesen doch die Entrüstung des Herzogs, daß trotz seiner Verwahrung Luther den Verdacht gegen ihn aufrecht erhielt.1

 

Luther hatte sich nämlich nicht überzeugen können, daß die ganze Sache auf Täuschung beruhe. Und sein Mißtrauen ist auch wohl begreiflich. Das Dessauer Bündnis war zu dem Zweck geschlossen worden, die “verdammte lutherische Sekte” auszurotten2, und der Mainzer Ratschlag hatte denselben Zweck verfolgt (Unsre Ausg. Bd. 19, 252 ff.). Dazu waren gerade in letzter Zeit katholischerseits mehrere Gewalttaten an Evangelischen geschehen. Am 23. April 1527 war im Spessart der Prediger Georg Winkler aus Halle a. S., der dort angefangen hatte das Evangelium zu predigen und das Abendmahl unter beiden Gestalten auszuteilen, meuchlerisch überfallen und umgebracht worden, und nicht ohne Grund wurde dem Erzbischof Albrecht von Mainz oder doch seinen Leuten diese Tat schuld gegeben (a. a. O. 23, 309 ff.). Am 16. August 1527 hatte der Herzog Wilhelm von Bayern in Schärding den Leonhard Kaiser wegen lutherischer Ketzerei verbrennen lassen (a. a. O. 443 ff.), und seiner Hinrichtung waren noch mehrere andere gefolgt. Und des Kurfürsten Joachim von Brandenburg feindlichen Sinn hatte Luther aus dem Hornungschen Handel3 gerade kürzlich kennen gelernt. So war er nur zu geneigt, die also belasteten oder doch verdächtigten Fürsten auch des von Pack ihnen angedichteten Bündnisses für fähig zu halten.

 

Zu keinem aber versah er sich mehr alles Bösen, als zum Herzog Georg, der ihm kurzweg der Feind des Evangeliums war. Überall, wo er etwas von Unterdrückung seiner Lehre hörte, war er geneigt, irgendwie Georg von Sachsen dahinter zu wittern. Dieser Verdacht stand ihm allmählich fest wie ein Glaubenssatz, von dem er geradezu nicht lassen wollte.

 

Er hatte freilich auch den Haß Georgs in reichem Maße erfahren. Schon im Jahre 1520 kannte er ihn als seinen erbittertsten Gegner, durch die Hartmut von Cronbergsche Briefaffäre (Unsre Ausg. Bd. 102, 42 ff.) war die Feindschaft noch mehr verschärft, durch das Luther abgerungene Versöhnungsschreiben, auf das der Herzog schnöde abweisend geantwortet hatte, war sie zu einer unversöhnlichen geworden. In letzter Zeit aber hatte Georg Luther mehrfach aufs neue gereizt. Zu der von Hieronymus Emser im August 1527 herausgegebenen Übersetzung des Neuen Testaments hatte er eine Vorrede voll heftigster Schmähungen gegen Luther und seine Bibelübersetzung geschrieben und erst vor wenigen Monaten hatte er an die Herren von Einsiedel, die teils unter kursächsischer, teils unter seiner Lehnshoheit standen,

 

 

 

[Seite 3]

 

den Befehl ergehen lassen, sie sollten ihre ketzerischen Prediger durch “christliche Priester” ersetzen, sollten auch selbst der römischen Kirche sich unterwerfen und Absolution von ihrem Bischof erbitten, andernfalls aber ihre Güter verkaufen und das Land räumen.1

 

So macht sich denn gerade in dieser Zeit Luthers Erbitterung wiederholt in kräftigster Weise Luft. Am 28. Dezember 1527 schreibt er von Georg an Spalatin: Nondum sunt iniquitates istius Amalec completae, complebuntur autem suo tempore; am 24. Januar 1528 trägt er Bedenken, Georg überhaupt noch göttlicher Erleuchtung für wert zu halten, und bittet Gott, daß er durch den Schrecken vor jenes Tyrannei doch dem Evangelium Freunde zuführen möge; auch am 22. Februar nennt er ihn kurzweg den Tyrannen, der Satans Eingebungen folge. Ja, wie er unbedenklich für den Mainzer Ratschlag in erster Linie Georg verantwortlich gemacht hatte, so scheute er sich auch jetzt nicht, gerade ihn den Urheber des vermeintlichen Breslauer Bündnisses zu nennen.2

 

So hatte er denn auch für den rechtfertigenden Brief Georgs vom 21. Mai 1528 nur ablehnenden Hohn. Gleichzeitig äußert er sich über ihn in einem Schreiben an Johann Heß in Breslau und in ganz ähnlicher, nur fast noch schärferer Weise in einem Brief an Wenzeslaus Link in Nürnberg vom 21. Juni 1528.3 Der letztere wurde die Veranlassung zu dem Streit, der unsre Schrift hervorrief. Er lautet in den in Betracht kommenden Worten:

 

... Foedus istud Principum impiorum, quod ipsi negant, vides, quantos motus moverit. Sed ego Ducis Georgii frigidissimam excusationem fere pro confessione interpretor. Sed negent, excusent, fingant, ego sciens scio, non esse foedus istud merum nihil aut chimaeram, licet monstrum sit monstrosum satis. Deinde orbis novit, illos animo, facto, edicto, studio pertinacissimo, hactenus talia publice tentasse et fecisse, et adhuc facere. Extinctum enim volunt Evangelium, quod negare nemo potest. Sed quid haec ad te, qui absque dubio certus de his omnibus es? Tantum ut scias, neque nos istis credere impiis, licet pacem offeramus, optemus, demus. Deus confundet4 istum μωρότατον μωρόν, qui sicut Moab plus audet

 

 

 

[Seite 4]

 

quam possit, et non secundum vires suas superbit, sicut semper fecit. Orabimus contra istos homicidas, atque hactenus sit eis indultum. Si denuo aliquid moliti fuerint, orabimus Deum, deinde monebimus Principes, ut absque misericordia perdantur, quandoquidem sanguisugae insatiabiles quiescere nolunt, nisi Germaniam sanguine madere sentiant. .....

 

Auf bisher unaufgeklärte Weise geriet eine Abschrift dieses Briefes in Georgs Hände. Link war dabei nicht ohne Schuld: er hatte den Brief mehrfach gezeigt, freilich seiner Ansicht nach nur “etlichen gutherzigen frommem Herren und Freunden, und doch wenigen, als denen er in mehrerem vertraute”. Christoph Scheurl, den man später in Wittenberg für den Verräter ansah, schreibt an Georg selbst so entrüstet über die Angelegenheit, daß man den Verdacht gegen ihn fallen lassen muß. Er bezichtigte wiederum Wilibald Pirkheimer, der Johann Cochläus, dem Geheimsekretär des Herzogs, die Abschrift zugestellt haben sollte. Aber Pirkheimer erklärt in einer dem Rat von Nürnberg überreichten Beschwerdeschrift, daß er Luthers Brief nie gesehen, geschweige denn abgeschrieben und verschickt habe. Georg behauptet, ohne alle sein Zutun sei der Brief ihm zugekommen; “viele, die er, wo nötig, wohl vorstellen könne, hätten das Original gesehen und gelesen”, — so daß die Sachlage gänzlich undurchsichtig ist.1

 

Georg war ohnehin aufgebracht über die Flucht der Herzogin Ursula von Münsterberg, seiner nahen Anverwandten, aus dem Kloster in Freiberg; er hatte außerdem kürzlich in Luthers Schrift: “Bericht an einen guten Freund, von beider Gestalt des Sakraments, auf Bischofs zu Meißen Mandat” dessen Bemerkung von “verräterischen Anschlägen und Bündnissen” der Feinde, “derer sie sich darnach selbst schämen müßten, wie der Anschlag zu Mainz auch geschehen sei” (Erl. Ausg. 30, 378) — voll Ärger gelesen; so empörte der Brief ihn aufs äußerste.

 

Am 28. Oktober 1528 schickte er an Luther ein in hochfahrendem Ton gehaltenes Schreiben ohne Überschrift und Unterschrift, legte eine Kopie seiner aus Nürnberg erhaltenen Abschrift bei und fragte, ob Luther “solche Schrift, nach Laut der inliegenden, Linken zugefertigt”.

 

Umgehend, am 31. Oktober, erwiderte Luther mit dem nachher im Eingang unsrer Schrift von ihm abgedruckten Brief, der, äußerlich ehrerbietig gehalten, doch dem Herzog den gegen ihn angeschlagenen Ton verweist, ihm alte Sünden vorhält und ihm rät, wessen solche Schrift sei, bei denen zu erkunden, so solche Zettel hätten zugerichtet und gereicht, welche mehr, denn Luther, Fürstl. Gnaden verwandt und zugetan.

 

Durch diese Antwort nur noch mehr gereizt, wandte sich Georg Beschwerde führend an den Kurfürsten. Gleichzeitig aber sandte er seinen Sekretär Thomas von der Heide nach Nürnberg, um wo möglich des Originals des Lutherschen Briefes habhaft zu werden. Am 13. November traf dieser in Nürnberg ein und erlangte mit Hilfe Scheurls, dem Link Luthers Brief, ohne zu ahnen, wozu er dienen sollte, ausgehändigt hatte, wenigstens noch eine zweite sorgfältige Abschrift. Aber Georg war damit nicht zufrieden; noch einmal wandte er sich brieflich an

 

 

 

[Seite 5]

 

Scheurl, ob er “das Original zu seinen Händen bringen und ihm zuschicken möchte, und ob er gleich hundert oder zweihundert Gulden daraufsetzen sollte”, und richtet gleichzeitig ein ähnliches Schreiben auch an den Rat von Nürnberg. Doch erlangte er das Original nicht: wahrscheinlich hatte Link den Brief, als er hörte, wozu er mißbraucht worden war, eiligst verbrannt.

 

Jnzwischen hatte der Kurfürst von Luther einen Brief eingefordert, den er Georg einsenden könnte; schon am 25. November hatte Luther dem Befehl Folge geleistet. Sein Brief war der kurfürstlichen Kanzlei aber noch nicht höflich genug; er wurde von Brück noch geglättet und dann von Luther noch einmal abgeschrieben. So ging er um den 14. oder 15. Dezember an Georg ab, der am 11. Dezember sich schon erkundigt hatte, ob man ihm nicht bald antworten würde.

 

Er hatte aber seinem Zorn auch noch auf wirksamere Weise Ausdruck gegeben. Schon am 29. November hatte er Philipp von Hessen mitgeteilt, nachdem Luthers Bosheit durch eine neue Kopie seines Briefes aus Nürnberg sich ihm bestätigt habe, sei er entschlossen, nicht dazu zu schweigen, sondern alles in einer Schrift aufzudecken und sich zu verantworten. Diese Schrift:

 

 

 

“Welcher gestalt wir Georg von || gots gnaden Hertzog zu Sachssen || Landtgraff in Duringen vnd Marg || graff zu Meyssen von Martino Luther, des getich||ten Buendtnues halben inn schriefften vn-||erfindtlich angegeben, Vnd || darauff vnnßere || antwort. || ||” Rückseite des Titelblatts leer, 10 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Dreßden durch || Wolffgang Stoeckel. ||” und darauf noch eine Korrektur.

Vorhanden in Berlin (Flugschriften 1528, 12a), Hamburg, Königsberg U.1

lag am 19. Dezember schon in 8000 Exemplaren gedruckt vor.

 

Sie hebt an:

 

“Wiewol wir hiebevorn, als wir anfengklichen des getichten Buendtnues halben, So wider die hochgepornen Fuersten, vnnßere freundtliche lieben Vedtern, Oheim vnd Sohne, hern Johansen Hertzogen zu Sachssen Churfürsten etc. vnd hern Philipsen Landtgraven zu Hessen etc. solt sein auffgericht beschuldigt, vns der antwort haben vornehmen vnd inn Drugk bringen, auch kegen dem vorgestelten desselbigen Buendtnues ansager Otten Pack also vorantwortten vnd vnsere vnschuldt an tag bringen lassen. Das kein bidermann mit aynigem glaubwirdigem schein vns wirdet auch mit dem allerwenigisten haben ader wissen zutzumessen, das wir yemals von dem vorhaben, davon das ertichte Buendtnues thut melden, gerathschlaget adder gehandelt. Wollen geschweigen, das wir daruff etwas solten in ein Nottel vorfassen lassen, adder sunst aynige wissenschafft darumb haben. Derhalben wir auch nicht vnbillichen von mennigklich aller vordacht, betzichtung und nachrede, auch ferner vorantworttung solten vberig sein. Ydoch weil Martin Luther vns solchs nicht hat moegen aus seinem gefaßten neyde vortragen, noch die warheit vnßerer

 

 

 

[Seite 6]

 

offentlichen vnschuldt erkennen, Sonder solch geticht Buendtnues vnd daruff vornemlich vns hin vnd wider in seinen schrifften thut antzihen vnd in die leuthe zubilden Vnd wir vormercken, das diesem mann one allen vnderscheidt vnd auff sehen seins vorgebens von vielen glauben vnd zufall gegeben wirdet, So erfordert vnnßere nottorfft, solchs nicht stilleschweigende zu vbergehen noch vnvorantwort zulassen, Sondern mennigklich antzuzaigen, mit was bestande vnd grunde sich Luther in solchem seinem vorgeben gehalten.”

 

Offenbar will schon der Titel den Eindruck erwecken, als ob Georg wiederholt in gedruckten Schriften von Luther verdächtigt sei, und diese Täuschung wird durch den Eingang des Büchleins noch verstärkt. Aber wenigstens insofern rechtfertigt sich der Ausdruck “Schriften”, als Georg schlauerweise nicht gleich mit dem Brief an Link beginnt, sondern aus einer Druckschrift Luthers wirklich eine Stelle anzuführen weiß, die auf das Bündnis anspielt, aus dem schon genannten “Bericht” nämlich “von beider Gestalt des Sakraments”. Zwar erwähnt diese Schrift das Bündnis nur ganz nebenbei und nicht einmal deutlich, nennt auch den Herzog überhaupt nicht, aber als öffentliche Kundgebung bot sie für Georgs eigentliche Absicht doch eine geeignete Handhabe dar. Und er tut denn auch zunächst, als sei ihm an ihr besonders gelegen.

 

Anfänglich, sagt er, seien ihm jene oben erwähnten Worte vorgekommen, in denen Luther, wie jeder merken könne, das gedichtete Bündnis ansteche. Er habe sich zwar anfangs ihrer nicht angenommen, auf daß nicht Luther sagen möchte, er habe mit ihnen jenes Bündnis gar nicht gemeint; jetzt aber sei vor wenigen Tagen eine lateinische Schrift an ihn gelangt, so Luther gegen Nürnberg an Wenzeslaus Link getan, die nicht nur das Bündnis, sondern auch seine ausgegangene Entschuldigung deutlich nenne und sie samt seiner Person “etwas heftig angreife”. Und nun ist er bei seinem Brief, den er gewiß nicht ohne Grund als “lateinische Schrift” 1 bezeichnet, um ihn nun nicht wieder zu verlassen, sondern von Wort zu Wort durchzuhecheln.

 

Zuvor aber bietet er ihn dem Leser dar, im Originaltext sowohl, wie in deutscher Übersetzung, fügt auch die schon zwischen ihm und Luther aus Anlaß des Briefes gewechselte Korrespondenz hinzu und gibt Nachricht, wie er durch Nachfrage bei dem Nürnberger Rat die Authentizität des Briefes erst habe feststellen müssen,

 

Dann beginnt er, eine allerkälteste nenne Luther seine Entschuldigung und sage, er lege sie aus fast als ein Bekenntnis. Sie habe aber den “Ansager solchen Gedichts” herausgebracht; Luthers und Packs Worte sollten nur erst einmal wirklich Zeugen ihrer Behauptungen beibringen, aber sie seien wahrhaft kalt und lügenhaftig. Zwar habe sich Pack anfangs auf Heinrich den Jüngeren von Braunschweig

 

 

 

[Seite 7]

 

berufen wollen, der eine Kopie des Vertrages bei Georg solle gesehen haben1, habe aber nachher, als man ihn um diese Berufung befragt, einfach schweigen müssen. So sei Luther selbst der allerkälteste Lügner; der Geist, dessen er sich rühme, sei nicht der Geist, der Lüge für Lüge und Wahrheit für Wahrheit erkenne, sondern das Widerspiel. Darum hätte er auch Georgs wahrhaftige Entschuldigung nicht in ihrer Wahrheit erkannt. Erfülle ihn der Geist der Wahrheit, so hätte er die mancherlei Zeichen der Unwahrheit an dem erdichteten Vertrage wahrgenommen; die Rechte, und zuvörderst die geistlichen Rechte, hätten es ihm klar angezeigt.2 Aber er hätte ja die geistlichen Rechte verbrannt, so möchte wohl sein, “daß ihm die Gnade dieser Erkenntnis nicht unbillig entzogen”.3

 

So dürfe denn Luther aus Eingebung seines Geistes schreiben — jetzt verschmilzt Georg Luthers Äußerungen in dem “Bericht von beider Gestalt” mit Worten seines Briefes —, man habe wider seine Fürsten das Bündnis gesucht und müsse sich dessen nun schämen, und man leugne, entschuldige oder dichte es, so wisse er doch wissentlich, daß das Bündnis nicht eitel Nichts, noch eine Chimäre sei. Er begründe doch seine Kenntnis, indem er anzeige, was er selbst gesehen oder gehört, oder indem er mindestens zwei unverdächtige Zeugen beibringe! Freilich er möge wohl selbst dabei gewesen sein, als man solches Gedicht gemacht, habe vielleicht auch selbst dabei geholfen4; so möge er allerdings wohl wissentlich wissen. Von diesem Verdachte würde er ihn nicht eher loslassen, bis er bezwingende Ursachen seines Schreibens aufzeige oder bis er seine Lügen öffentlich widerriefe.

 

 

 

[Seite 8]

 

Da das aber nicht von ihm geschähe, so wisse ers auch nicht wärmer zu machen, denn er in seiner Entschuldigung getan, und müsse sagen und schreiben, daß “der abtrünnige Mönch ihn anlüge als ein verzweifelter, ehrloser, meineidiger Bösewicht”, wie solches die Entschuldigung, die bei Luther die allerkälteste heiße, jeglichem, der ihn nicht ohne Widerrede vom Verdacht befreie, zumesse und Schuld gebe.1 Bei Gott, es solle nicht gefunden werden, der das Gedicht bestätige und glaubwürdig mache, daß je etwas daran gewesen. Und da Luther selbst es ein wunderlich Wunder nenne, so hätte ihm wohl gebührt, “sich gründlich darauf zu erfahren”, statt einer solchen öffentlichen Lüge mit seiner wissentlichen Wissenschaft ein falsches, unerfindliches Zeugnis zu geben.

 

Freilich er unterstünde sich ja mit einer ganz unbegründeten Ursache seine Behauptung zu bekräftigen. Die Welt wisse ja, sage er, daß die in dem erdichteten Bündnis genannten Fürsten solche Dinge öffentlich mit dem Gemüte, mit der Tat, dem Gebot und allem Fleiß bisher getan hätten und noch täten. Solle Talia hier etwas bedeuten, davon auch das Bündnis sage, so sei es eben so erlogen, wie das Bündnis selbst, denn niemand in der ganzen Welt könne ihn bezichtigen, daß er gegen den Kurfürsten und den Landgrafen sich auch nur im geringsten unfreundlichen Willens und Gemüts erzeigt habe. Wolle aber Luther darauf hindeuten, daß er die lutherische Sekte in seinem Lande nicht habe einreißen lassen, so sei das ein ‘kindische Einführung’; er habe schon oft gesagt, weshalb er Luthers verführerische Lehre nicht für das rechte Evangelium achten könne. Meine indessen Luther das Evangelium Christi, so sei, daß ers gerne wolle vertilgt sehen, eben so glaubwürdig, wie die Beschuldigung wegen des erdichteten Bündnisses. Er solle doch endlich einmal aufhören mit seinem Vorwurf, er habe dem Evangelium widersagt! Aber mit den griechischen Worten, die er seiner Schrift eingemischt, schmähe er ihn aufs neue als den närrischsten Narren und wolle — Georg hat hier seine irrtümliche Übersetzung der betreffenden Worte: “Got schende den aller närrischten narren” im Auge, von der wir noch weiter hören werden —, daß Gott ihn um seiner Kühnheit und seines Stolzes willen, darin er ihn Moab2 vergleiche, schänden solle. Er habe sich nie sonderlicher Weisheit gerühmt, aber zu der Torheit werde ihn Luther, wills Gott, denn doch nicht bringen, daß er Lügen solle für Wahrheit halten. So fechte ihn denn auch wenig an, daß er seines Gebetes sich fast rühme und darauf poche, hätte es nach seinem Willen sollen zugehen, so müßte sein Fluchen, Schelten und Beten bisher gar viel mehr Kraft und scheinbarliche Wirkung bewiesen haben. Er schelte ihn und die anderen Fürsten auch Totschläger und unersättliche Blutsauger, die in deutschen Landen gerne ein Blutvergießen sehen wollten; keiner aber denke daran, als er selbst, der die Fürsten vermahnen wolle, sie ohne alle Barmherzigkeit zu verjagen. Wer diese Fürsten seien, wisse er selbst am besten; hoffentlich lernten sie ihn einstens kennen und “seiner Lügen baß wahrnemen”!

 

 

 

[Seite 9]

 

Damit spricht Georg zum Schluß deutlich aus, was er in seiner Schrift schon wiederholt angedeutet. Er will nicht nur von dem in Luthers Brief ausgesprochenen Verdacht sich reinigen, er will zugleich, und zwar vor allem seine Standesgenossen, vor Martin Luther warnen. Deshalb benutzt er jede Gelegenheit, sein Evangelium zu verdächtigen. Gleich, daß Luther auf seine Anfrage sich nicht unumwunden als Schreiber des Briefes angegeben, erklärt er eines ehrliebenden Mannes, der da vermeine evangelisch zu sein, nicht für würdig; die Lehre Christi lege uns auf, stracks ja oder nein zu sagen; so solle aus Luthers Verhalten genugsam zu spüren sein, was Gutes man sich zu einem solchen habe zu versehen. Wenn er Luther einen Lügner schilt, so vergißt er nicht hinzuzufügen, daß er durch solche öffentliche Lügen ihm noch viel mehr Ursache gebe, auf seiner vorigen Meinung von Luthers Lehre gänzlich zu beharren und zu bleiben. Bei Luthers Drohung, an die Fürsten sich wenden zu wollen, bemerkt er, daran sei abermals das friedliche Evangelium Christi bei ihm nicht zu spüren, sondern vielmehr, daß ihn nach Blut und Verderben verlange; übrigens müsse er auf sein Gebet sich doch nicht allzuviel verlassen.

 

Auch gegen andere Schriften Luthers führt er dabei gelegentliche Seitenhiebe. So hat er eine Äußerung Luthers in der ihm zugekommenen Schrift “Wider den mordischen Ratschlag der Mainzischen Pfafferei” im Auge, wenn er höhnisch ausruft, er habe bisher aus der heiligen Schrift nicht erfahren, daß Christus, “einen alßo offentlichen und vorsetzlichen luegener zu seinem Aposteln gebraucht und durch yhn das Evangelium hette lassen vorkuendigen” (vgl. Unsre Ausg. Bd. 19, 261, 22 ff.); und das Nachwort zu “Frau Ursulen, Herzogin zu Münsterberg, Ursachen des verlassenen Klosters zu Freiberg” liegt ihm im Sinne, wenn er höhnt, nachdem Luther sich jetzt habe lassen hören, er wolle Ecclesiasticam historiam schreiben von den Wunderwercken, so in seinem Evangelio geschähen, so möge er seine Lügen wohl mit darein setzen; sie würden sie fast wohl zieren (vgl. Erl. Ausg. 65, 168). Jndem er aber feststellt, daß Luthers Geist ihn seine wahrhaftige Entschuldigung als eine Lüge und ein Bekenntnis des Bündnisses hätte ansehen lassen, ruft er den Argwohn wach, daß er “viel dergleichen lügenhaftige Deutung in der heiligen Schrift, zuvoraus dem armen einfältigen Mann würde beigebracht und eingebildet haben”.

 

Offenbar wird damit an die Erlebnisse im Bauernkriege erinnert; sie werden wiederkehren, wenn man Luther gewähren läßt. Deshalb noch einmal der ausdrücklich Hinweis, daß Luther nicht allein in der “lateinischen Schrift” an Link ihn verdächtigt, sondern daß er “dem gemeinen Mann die zuvor angezeigten Worte anderer Weise beigebracht.” So soll man auf der Hut sein! zu allen und jedem Fürsten sei er ungezweifelter Zuversicht, daß “sie sich einen solchen verlogenen Mann zu ungebührlichem Vornehmen nicht reizen noch verführen lassen werden”. Die Schrift schließt:

 

“Wir wollen abgotwill dartzu vnßerthalben nicht vrsach geben, Sondern vns kegen menniglich alßo zuvorhalten wissen, das es vns sal allenthalben vnvorweißlich sein vnd mit der warheit zuvorantwortten. Vnd langt demnach an menniglich vnd ein yedern nach seinem Stande vnßer dienstlich freuntlich bitt, Gnedigs gesinnen vnd gueetlich beger, sie wollen Martino Luthern in dem, das er von uns des getichten Buendtnues halben geschrieben,

 

 

 

[Seite 10]

 

kein stat noch glauben geben, Sondern uns derwegen aller vordacht vorwissen. Auch den Luther darvor achten, darvor einer billich geacht vnd gehalten wirdet, der einem solchen offentlichen getichte mit vorpfendung seiner wissentlichen wissenschafft, one allen grundt vnd bestendige vrsach ein solch luegenhafftigk getzeugnues gegeben und von sich geschrieben. Das wollen wir vmb ein yedern, wie sichs gepuerth willigk vnd freuntlich vordienen In gnaden und allem gutthen vorgleichen vnd erkennen.”

 

Gleich unter dem frischen Eindruck der Lektüre dieser Schrift schrieb Luther seine Entgegnung: “Von heimlichen und gestohlenen Briefen”. Er hatte, noch bevor die Drucklegung beendet war, von Georgs Vorhaben Kunde erhalten, und von der gedruckten Schrift wurde ihm gleich heimlich ein Exemplar übersandt. Schon vor Ende Dezember hatte er seine Gegenschrift beendet, und zur Neujahrsmesse 1529 wurde sie gemeinsam mit Georgs Schrift im Buchhandel ausgegeben. Privatim freilich hatte Georg seine “Verantwortung”, damit sie öffentlich angeschlagen würde, schon in alle Lande versandt: an den Rat von Nürnberg und den Landgrafen von Hessen, den König Ferdinand, den Erzbischof von Mainz, den Markgrafen von Brandenburg, die Bischöfe von Salzburg, Würzburg und Bamberg, die Herzöge von Bayern, den schwäbischen Bund, die Stadt Ulm, die Fugger in Augsburg, die sie nachdrucken ließen, um sie weiter unter die Leute zu bringen.

 

Gleich am 19. Dezember wurde sie auch dem Kurfürsten von Sachsen zugefertigt. Luther scheint nicht gleich erfahren zu haben, daß sie schon am Hofe in Weimar eingetroffen war, denn am 31. Dezember noch tröstet er seinen Herrn wegen des “närrischen und wütigen Büchleins, das Herzog Georg seines Briefes halben auf den bevorstehenden Markt würde auslassen”, gerade als wenn es zu der großen Mühe und Sorge des Kurfürsten, von der Luther gehört, und die wohl zum größesten Teil auf Rechnung der Schrift zu setzen war, noch etwas hinzubringen würde. Gleichzeitig bereitete er den Kurfürsten auf das Erscheinen seines eigenen Buches vor.1

 

Auf diese Antwort würde Georg wohl erst recht toben. Aber der Kurfürst möge gegen seinen Teufel Luthers halben unbewegt sein und unerschrocken, wie denn der Herr Christus seines Herrn Herz und Mut schon stärken und trösten würde. Er möge Luthers Person nur getrost und frisch zu Recht bieten, denn er wolle seinen Hals lieber daran setzen, denn daß der Kurfürst seinethalben sollte “in einiges Haarbreits Fahr stehen”. Der Kurfürst wolle ja nichts anderes, denn Friede, Ruhe und Stille, Herzog Georg aber leide nicht allein keine Geduld, sondern als ein unruhiger Teufel suche er nichts anderes, denn Unfrieden, Krieg, Mord, Schaden und Unglück, nur um den Ruhm davon zu bringen, er habe das Evangelium gedämpft.

 

Ganz ähnlich lassen sich die etwa gleichzeitigen Briefe Luthers an Amsdorf und Link aus.2 Und unsre Schrift ist der Hauptsache nach nur eine weitere Ausführung dieser Gedanken. Nur hier und da berührt sie die einzelnen von Georg angeführten Punkte; nicht im geringsten kümmert sie sich darum, daß der Herzog den “Bericht von beider Gestalt” zur eigentlichen Unterlage seiner Anschuldigungen

 

 

 

[Seite 11]

 

macht, sondern ganz ihrem Titel entsprechend klagt sie vor allem mit voller Wucht Georg an, daß er widerrechtlich einen Brief sich angeeignet, der ihm nicht gehöre, und daß er ihn dann, wie er wohl gemocht hätte, nicht heimlich behalten, sondern an die Öffentlichkeit gezerrt habe. Wer also Gottes Gebot verachte, der sei wahrlich der größeste Narr über alle Narren — so hält sie das “μωρότατον μωρόν” des Briefes aufrecht. Fast erst am Schluß kommt sie auf das Bündnis zu sprechen. Mit einer gewissen Schadenfreude verweilt sie bei dem schon erwähnten Fehler in der Übersetzung des Briefes: “Deus confundet” stehe da — die Eselsköpfe in Georgs Kanzlei, denn er selbst würde es ja nicht übersetzt haben, hätten aber übertragen, als stände: “confundat”. So hätten der Teufel und ein Bube sich zusammengetan, Luther aufzuhängen, daß er fluche. Zum Schluß bittet Luther um Frieden und will, wie ers dem Kurfürsten geschrieben, zu rechtmäßigen Verhandlungen vor einem Schiedsgericht sich stellen. Unter die Klänge des Friedens freilich mischen sich dann wieder Kampfesrufe des Zorns, die verraten, daß Luther im Grunde seines Herzens einen Ausgleich nicht für möglich hält. Auch die der Schrift beigegebene gebetsweise Auslegung des siebenten Psalms ist solchen Zwiespalts voll. Zu fest steht es Luther, daß Georg der Feind des Evangeliums ist.

 

Der Streit geht denn auch weiter. Gleich nachdem er Luthers Schrift in die Hand bekommen, die wieder, wie ehemals die Schrift “Wider den Ratschlag der Mainzischen Pfafferei” (vgl. Unsre Ausg. 19, 225) durch einen kurfürstlichen Kammerdiener dem Diener in der Dresdener Silberkammer sollte zugeschickt sein, muß Georg sich an die Abfassung einer neuen Erwiderung gemacht haben. Am 13. Januar 1529 ist schon abgeschlossen und am 22. Januar liegt bereits gedruckt vor:

 

 

 

‘Ayn Kurtzer bericht, So || wir Georg von gotes gna||den Hertzog zů Sachssen, Landgraff in Dü||ringen, vnnd Marggraff zů Meyssen, Auff || etlich New rasend luginen, die Mar-||tin Luther in ainem truck wider vn-||ser Entschuldigung, der gedich||ten Bündtnüs halben, || hat lassen außgeen, || zůthůn verur-||sachet. || || M. D. XXIX. ||’ Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Zů || vrkund mit vnserm auffgetruckten Secret || besigelt vñ geben zů Dreßden Freytags || nach Fabiani vnnd Sebastia-||ni. Anno domini || M. D. XXIX.||”

Druck von Alexander Weissenhorn in Augsburg.

Vorhanden in Berlin (Dg 2338), Freiburg i. Br. U.

Zeigte schon Georgs erste Schrift die Tendenz, Luther als Volksverführer und Aufrührer hinzustellen, so diese noch deutlicher. Gleich, was Georg als Hauptanlaß dieser zweiten Schrift anführt, ist dafür ein Beweis. Wohl sei Luther, in seiner Bosheit verstockt, vor Zorn ganz wahnsinnig und rasend und wisse nicht, was er tue, und jedem ehrliebenden und rechtsinnigen Menschen sei es gewiß, daß Luther des gedichteten Bündnisses halben ihn beschwert und lügenhaftig angegeben. Aber der arme einfältige Mann sei in dem Wahn befangen, daß alles, was Luther vorgebe, Evangelium sei und heilige Schrift, weil “sie allewege seines unnützen langweiligen Geschwätzes Deckmantel sein müßten”. So sei Georg verursacht und habe es im besten nicht wohl gewußt zu unterlassen, Luthers rasende Unwahrheit weiter an den Tag zu bringen.

 

 

 

[Seite 12]

 

Dann tritt wieder deutlich Georgs Appell an seine Standesgenossen zutage. Offenbar will er sie daran erinnern, daß Luther selbst dem Volke angehört, wenn er fortfährt, Luther wolle mit seiner Schrift nur dem gemeinen Mann einbilden, man dürfe sich nicht nach dem Dichter und Schreiber erkundigen, wenn einem eine Schmach- oder andere verdrießliche Schrift vorkame. Unter dem Adel erfahre man das auch eines schlechten Worts halben. Und wer da nicht Rechenschaft fordere, werde nicht für fast ehrwürdig gehalten. So habe denn, obwohl Luther ihm vorwürfe, er habe mit Pochen oder sonst ungebührlich nachgefragt (s. o. S. 4), der Kurfürst von Sachsen auch nicht ob solcher Suchung einigen Mißfallen oder Beschwerung gehabt. Er habe vielmehr Luther befohlen die Wahrheit zu sagen, aber Luther habe auch seinen Befehl verachtet, woraus man nicht vermerken könne, daß er sich gegen seine weltliche Obrigkeit, die ihm von Gott gegeben, des Gehorsams mit der Tat befleißige, dessen er sich mit vielen hochtrabenden Worten berühme. Luther gehe nur darauf aus den gemeinen Mann glauben zu machen, daß er mit seinem Vetter in Feindschaft lebe, um ihm so zu aufrührerischem Vornehmen Ursache zu geben. Und zum Zeichen, daß auch der Rat von Nürnberg ihm gewillfahrt hat, druckt Georg das auf dessen Erfordern von Wenzeslaus Link an den Rat gerichtete und ihm übersandte Verantwortungsschreiben ab.

 

Nicht ohne Berechtigung hält er Luther vor, daß er gegen seinen Vorwurf, er habe auch in dem gedruckten Büchlein das erdichtete Bündnis mit fast hässigen Worten angestochen, sich gar nicht gerechtfertigt habe; das sei allein genug, alle seine Raserei und Sophisterei zu Schanden zu machen. Aber im Grunde geht Georg doch nur wenig auf diesen Punkt ein; nur ganz beiläufig erwähnt er ihn später noch einmal. Das bestätigt, daß die erste Schrift ihn doch nur scheinbar zum eigentlichen Ausgangspunkt genommen.

 

Um so mehr bemüht sich der Herzog, vom Vorwurf der Dieberei sich zu reinigen, der ihn mehr getroffen hat, als er zugeben will. Doch sind seine Ausführungen nur schwächlich. Er wirft Luther sophistische Lügen vor, aber im Grunde treibt er selbst Sophistereien, wenn er sagt, sobald er ihn an Link gesandt, sei der Brief nicht mehr Luthers Eigentum gewesen; selbst wenn er das Original des Briefes hätte, so sei das noch nicht Diebstahl, es müsse ihm erst nachgewiesen werden, daß er diebischerweise es sich angemaßt. Es fechte wenig an, daß Link sage, der Brief sei ohne sein Wissen und Wollen abkopiert; vor allem müsse, wer einen der Dieberei bezichtige, solches beweislich machen. Er schließt wieder mit dem alten Vorwurf, Luther mißbrauche die Gebote zu seinem Schänden, Lästern und Fluchen, dem gemeinen Mann Brillen damit aufzusetzen.

 

Und dabei übertrete er selbst die Gebote, das fünfte und das achte. So leitet Georg wieder zu der Bündnis-Frage über, zugleich auf Luthers Vorwurf eingehend, daß er einen heimlichen Brief veröffentlicht hat. Er wisse wissentlich, habe Luther gesagt, und damit habe er ihn verleumdet; keinem Biedermann gebühre, der Wissenschaft ohne gegründete Ursache sich zu rühmen. Er habe nicht heimlich etwas von ihm gedacht, denn wenn einer etwas spräche, seien es keine Gedanken mehr, und wenn es vor viele Leute komme, so wie Luthers Brief an Link, so sei es nicht mehr heimlich. Luther solle an die Brief-Affäre mit Hartmut von Cronberg denken. Wenn dieser Brief jetzt noch länger umgetragen wäre, so wäre er ebenso in Druck gekommen, wie der damalige. Und dann sage jemand, wenn er

 

 

 

[Seite 13]

 

einen Brief doch selbst von sich gegeben, man habe ihn ihm gestohlen. Diese Lüge möge Luther zu den anderen Smaragden, Rubinen, Diamanten und Saphiren aufsetzen. Wenn er mit dem Schmuck vor den Richter käme, der da Lügen nicht leiden, noch ungestraft lassen könne, so solle er wollen, er wäre nie geboren.

 

Den Übersetzungsfehler (s. o. S. 3. 11) läßt Georg auch nicht unerwähnt. Er selbst habe den Brief verdeutscht, denn von Gnaden Gottes könne er solch Latein wohl noch verdolmetschen. Und er habe richtig übersetzt, denn in der andern Kopie, so ihm sein Geschickter von Nürnberg mitgebracht, stehe confundat; im Druck sei allein der eine Buchstabe versehen. Und so müsse Luther wohl eben derselbige Bube sein (s. o. S. 11), durch den ihm der Teufel solchen Fluch zugefügt hätte. Und Luther fluche doch auch nachher nicht minder. Wenn aber confundet stehe, so sei das auch nicht gerade eines evangelischen Propheten würdig. Übrigens wolle Luther seine Prophezei heimlich geschrieben haben und wolle mit solcher Heimlichkeit doch die Prophezei nachher wahr machen. Und solche Schrift solle nicht aufrührerisch sein für den gemeinen Mann (dabei läßt Georg wohl wieder, wie schon einmal in seiner ersten Gegenschrift, Luthers “Bericht” und den Brief in eins zusammenfallen?), denn wenn sie von den Fürsten sollten verderbt werden, so würde das doch wohl nicht ohne Aufruhr abgehen!

 

Nur mit einer wegwerfenden Bemerkung erwähnt die Schrift Luthers Erbieten zu einem Schiedsgericht. Wohl aber weist sie Luther wegen seiner Berufung auf den Speierer Abschied zurecht. Er sei kein Regierer und habe keinen Stand im Reiche; so solle er billig sich solchen Abschieds anzunehmen sich zu enthalten wissen, und solle nicht unerfindlich sagen, daß das kaiserliche Edikt gegen ihn befristet sei. Auch sei der Abschied kein Dekret, wozu er ihn mache. Daß er aber den Apostaten, Ketzern und Abtrünnigen vom Gehorsam der christlichen Kirche die Zinse und Güter in seinen Landen verboten1, das lasse ihm nicht nur der Abschied, sondern auch das kaiserliche Edikt und alle gemeinen Rechte nach. Luther indessen gehe, wie mit diesem Abschied, so auch mit der heiligen Schrift und anderem verkehrlich um.

 

Endlich widmet er auch Luthers Ausspruch, er sei sein Feind, eine Entgegnung. Das sei nicht wahr! Er habe Luther seinerzeit geschrieben — er weist damit auf seinen Brief vom 28. Dezember 15252 hin —, daß er um das, so er zuvor wider seine Person begangen, nichts Arges gedächte gegen ihn zu begehn; was er aber wider den Kaiser geübt, wolle ihm hintanzustellen nicht gebühren. Und so stehe sein Gemüt noch. Wolle er wirklich als Feind sich gebahren, so sollte Luther wohl zu Wittenberg kaum vor ihm sicher sein, denn noch viele wisse er seiner Freunde und getreuen Untertanen, denen seine Schmach und Lästerung leid sei, die ohne Zweifel ihr Leib und Gut an ihn wagten, wenn Georg es ihnen gestattete und sich ebenso gegen Luther halten wollte, wie Luther gegen ihn, mit Schelten, Verfluchen und anderem. Wie das freilich der Lehre Christi gemäß, das gäbe er männiglich zu ermessen. Daß er Luthers falsche Lehre nicht annähme und ihr entgegen sei, daraus mache er kein Hehl und wisse das mit Ehren und Seligkeit wohl zu verantworten. Er schließt:

 

 

 

[Seite 14]

 

“Und wöllen disen bericht auffs kürtzest wider sein lang unnutz ungestüm geschwetz yetz abermals angezaygt haben, und damit von seiner vilfaltigen offentlichen lügen und fürnemlich der gedichten Bündtnus halben protestirn und bezeugen, er schreib nun, was er wölle von der Vorrede des Neuen Testaments oder unserer gegeben dreyjerigen antwort, darinnen er auß seinem neyd und eyffer, so er wider uns tregt, yhe nit underlassen kan uns und die unsern mit unwarhait zůlestern und schenden, So befindt doch meniglich Ernliebender, dz es von ainem erlognen pronnen herfleußt, der mit lugen also vergifft, das kain rechte warhait herauß geschöpfft mag werden. Und seind nicht bedacht uns fürter seiner lügen anzuouml;nemen, noch seiner flüch, prophecey und ander Teuffelsgespenst fast zů bekümmern. Dann wa sie außgehen, da gehen sie wider ein. Und seind des gewiß, das die ewig warhait dem lügner nit stadt gibt, wöllens also seiner allmechtigkait befelhen und uns an unserm Recht zůgepürlicher zeyt und gelegenhait genügen lassen, mit fleyß freundtlich bittend und begerend, ir wöllet disem unserm warhafftigem bericht, und dem das sich im grund also helt und befindet, stadt und glauben geben, Das seind wir umb ain yeden seinem stand und gebür nach willig und freuntlichen zů verdienen und in gnaden und allem gůtten zů vergleichen und unvergessen zů halten genaigt.”

 

Gleich nachdem der Herzog sienen “Kurzen Bericht” handschriftlich abgeschlossen hatte, sandte er ihn samt Luthers Schrift, aufs neue Beschwerde führend, an den Kurfürsten. In Weimar war man wenig erbaut von diesem neuen Ansinnen. Fast eine Woche land mußten die Räte auf Antwort warten. Dann wurde ihnen der Bescheid, den Brief an Link habe Luther schon vor den zwischen den Fürsten geschlossenen Verträgen geschrieben, er sei also jetzt nicht mehr zu berücksichtigen. Georg hätte mit seinem Ausschreiben und Druck dermaßen nicht eilen und die Sache schwieriger machen sollen. Mit besonderer Betonung werden die Worte: “so ich doch sein feind nicht bin” (S. 37, 31) aus Luthers Schrift herausgegriffen: sie wolle der Kurfürst sich unverzüglich von Luther erklären und an ihn und die Wittenberger Drucker ein Verbot ergehen lassen, den Herzog noch jemand anders zu schmähen, wie schon sein seliger Bruder früher ernstlich verboten hätte. Leider drucke man anderwärts auch Unfriedliches.

 

Ungesäumt erließ der Kurfürst an Luther ein entsprechendes Schreiben1: er solle hinfüro nichts drucken lassen, Georg oder andere Fürsten und Personen belangend, es sei senn dem Kurfürsten zuvor zugeschickt und von ihm zu drucken gewilligt — und gab auch dem Amtmann und dem Rat in Wittenberg Auftrag, die Buchdrucker zur Beobachtung dieses Befehls anzuhalten. Aber Georg war mit der kurfürstlichen Antwort und diesen Maßnahmen nicht zufrieden. Am 24. Januar sandte er dem Kurfürsten den “Kurzen Bericht” gedruckt und machte, dem Ausgangsgedanken seiner ersten Schrift entsprechend, geltend, daß Luther auch noch nach den Verträgen in dem “Bericht von beider Gestalt des Sakraments, aufs Bischofs zu Meißen Mandat” wegen des erdichteten Bündnisses ihn geschmäht habe. Der Kurfürst erwiderte ausweichend — am 28. Januar —, ihm sei gar nicht lieb, daß Luther

 

 

 

[Seite 15]

 

sich mit Georg eingelassen; er gedenke, noch an den Handel mit Hartmut von Cronberg. Georg habe hier wieder geeilt; hätte er das nicht getan, so wäre der Kurfürst verschont geblieben, nun sei die Sache schwer beizulegen. Nie habe er, wie schon sein Bruder nicht, sich Luthers angenommen, daher hätte Georg ihn gar nicht in diese Dinge hineinziehen sollen. Der “Kurze Bericht” könne ungehindert angeschlagen werden.

 

Georg las aus dieser Antwort heraus, daß der Kurfürst noch immer wegen des erdichteten Bündnisses ihn in Verdacht habe, und antwortete am 19. Februar aufs neue, er habe zu solchem Verdacht dem Kurfürsten gewiß keinen Anlaß gegeben. Was für Luther gesagt werde, achte er nicht für genugsam. Kurz nach den ersten Verträgen sei Luthers Schreiben an Link ausgegangen und die Schrift “aufs Bischofs zu meißen Mandat” beweise klar, daß Luther sich den Vertrag nicht habe anfechten lassen. Aber der Kurfürst war der Sache müde. Er erwiderte umgehend — am 22. Februar —, er wolle nicht weiter mit ihm disputieren oder sich in einige weitere Rede einlassen; wolle Georg seine Suchungen und des Kurfürsten Antwort vor Unparteiische kommen lasse, so trage er dessen keine Scheu. Übrigens habe er alles in freundlicher Meinung gesagt und getan.

 

Damit war Georg an dieselbe Entscheidung gewiesen, zu der auch Luther in unsrer Schrift sich bereit erklärt hatte (s. o. S. 13), nur daß der Vorschlag im Munde des Fürsten gewichtiger klang, als in dem des Untertanen; er elendete den Kurfürsten nicht mehr mit neuen Zuschriften. —

 

Luther erhielt während dieses Schriftenwechsels, Ende Januar, einen Brief von dem Anstifter des ganzen Unheils, von Otto von Pack, der sich sehr erfreut über seine Schrift äußerte und dabei betonte, bald werde er die volle und klare Wahrheit sehen über seine Unschuld. Natürlich bestärkte das Luther im Bewußtsein seines Rechts, bekräftigte ihm aufs neue Georgs Schuld und Unlauterkeit und ließ mit um so größerer Freude ihn Amsdorf danken (12. Februar), der auch zu seiner Schrift ihm zustimmend geschrieben. Sein Brief zeigt, daß er im übrigen nicht viel Zustimmung fand; sie verdammten ihn alle, schreibt er, und hielten Georg für unschuldig, nicht bedenkend das Unrecht, das dieser ihm getan. Übrigens habe er sich bereden lassen, Georg nicht mehr zu antworten, zumal auch jener ausgesprochen, daß er ihn in Ruhe lassen wolle.1

 

Und Luther hat sich bezwungen und hat, den Bitten seiner Freunde nachgebend, nach Justus Jonas’ Urteil “der christlichen Liebe und der öffentlichen Ruhe ein Opfer gebracht”. Wie ein Brief an Link den Streit veranlaßt, so hat uns auch ein Brief an ihn die letzte bedeutsame Äußerung Luthers aus dieser Zeit aufbewahrt; auf jenen verhängnisvollen Brief anspielend, schreibt er ihm am 7. März, er habe gelernt, seinen Moab zu verachten.

 

Und noch mehr als Georg traf Luthers Verachtung dessen Geheimsekretär, Johann Cochläus. Auch er äußerte in mehreren seiner Schriften sich zum Streit, ja widmete mit Georgs zweiter Schrift gleichzeitig ihm auch eine eigene Schrift. Aber nicht einmal Luthers Briefe nehmen auf seine Auslassungen irgendwie Bezug; möglicherweise hat Luther von ihnen überhaupt keine Kenntnis genommen.

 

 

 

[Seite 16]

 

Die erste Schrift des Cochläus, die den Streit erwähnt, ist die Anfang Januar 1529 vollendete:

 

“Vortedigūg Bischoff- || lichs Mandats zu Meissen, wi- || der Martin Luthers scheltwordte || Doctor Johan. Cocleus. || Jm M. CCCCC. || XXIX. Jar. ||” 24 Blätter in Quart. Letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Leiptzigk / Nickel Schmidt. || Ym iar. 1529. ||”

Vorhanden: Berlin Königl. Bibl.

Vgl. Martin Spahn, Johannes Cochlaeus (Berlin 1898) S. 351 Nr. 59

die Gegenschrift gegen Luthers “Bericht von beider Gestalt des Sacraments”. In ihr deutet auch Cochläus die schon von Georg gebrandmarkten Worte (Erl. Ausg. 30, 378) auf das “erdichte Berbundnis” und spricht noch deutlicher, als Georg, die Verdächtigung aus, zu der auch jener sich einmal hinreißen läßt, daß Luther es sei, der die Lüge von dem Bündnis ersonnen. Viele möchten denken, schreibt er, die Hummeln, so Doktor Pack unter die Leute gebracht, kämen aus Luthers Bienenstock.

 

Noch im Juli 1529 äußert er sich in demselben Sinne in der Vorrede zum:

 

 

 

“FASCICVLVS || CALVMNIARVM, SANNARVM ET || ILLVSIONVM MARTINI LVTHERI, || In Episcopos & Clericos, ex vno eius libel- || lo Teuthonico, cōtra Episcopi Misnen- || sis Mandatum aedito, collectarum, || per Iohannem Cochlaeum, || Ad Episcopum || Roffensem. | ........ || M. D. XXIX. Lipsiȩ. ||” 112 Blätter in Oktav. Letztes Blatt leer. Am Ende: “VALENTINVS SCHVMAN || Lypsiae, sub Illustrissimo, & vere Ca- || tholico Principe Georgio. &c.. An- || no Dñi post Millesimū Quingen- || tesimo vigesimo nono, Ad laudē || Dei, & Salutē piorum, || excudebat. || ..... ||”

Vorhanden: Neisse Katholische Pfarrbibliothek. Spahn S. 352 Nr. 68.

Hier ist ihm Luther sive autor sive conscius figmenti, und er begründet das hier ebenso, wie wirs oben von Georg gehört, Luther habe geschrieben se scientem scire foedus illud non esse omnino nihil aut Chymeram. Er scheut sich auch nicht, ganz unzweideutig von Luthers Brief wie von einer öffentlichen Schrift zu sprechen, wie vielleicht versteckt auch schon Georgs Absicht war. Nachdem er die Worte des Briefes angeführt, fährt er fort: Cum ergo videat se apud eruditos latine nichil proficere, ad Idiotas et populares suos conversus omnia teutonice agit, tanta quiden importunitate et malicia, ut vel doctissimos amarulentia sua defatigare, nequitiis et calumniis absterrere ac taedio enecare possit.

 

Zwischen der “Vortedigung” und dem “Fasciculus” liegt die Schrift, die ausdrücklich auf den Streit Georgs mit Luther gemünzt ist und auch direkt gegen unsre Schrift eine Gegenschrift darstellt:

 

 

 

“rVie verkerlich || widder den dur- || chleuchtigen Hochgebornen || Fuersten vnd herrn, herrn Ge || orgen, Hertzogen zu Sachs- || sen etc. Martin Luther den si || benden Psalm verdewtzscht, || vnd gemißbraucht, durch do || ctorem Joannem Cocleum || scheinbarlich angetzaigt. M. D. xxix. ||” Mit Titeleinfassung. 26 Blätter in Quart. Letzte Seite leer.

Druck von Wolfgang Stöckel in Dresden.

Vorhanden: Berlin Königl. Bibl. Spahn S. 351 Nr. 60.

 

 

 

[Seite 17]

 

Die Schrift ist den beiden Söhnen Georgs, den Herzögen Johann und Friedrich von Sachsen, gewidmet, da ihre Fürstliche Gnaden grosßes Mißfallen — nicht unbillig! — und Beschwernis — nicht Wunder! — trügen über das Schmähbüchlein, so von Martin Luther wider Georg von Sachsen sei ausgegangen. Auch sie spricht offen den Verdacht aus, der “wittenbergische Papst” habe den heimlichen Brief geschrieben in der Absicht, Link solle ihn offenbar machen. In manchen Stücken berührt sie sich eng mit Georgs “Kurzem Bericht”, nur sagt sie alles, was jener noch verschleiert, ganz unverblümt. So macht sie ohne Rückhalt Luther für den Bauernkrieg verantwortlich. Wie der “Kurze Bericht” weist auch sie Luthers Urteile über das Wormser Edikt und den Abschied von Speier zurück (s. S. 13), verspottet sein Apostolat (S. 11) und erhebt den Vorwurf, daß Luther nur Feindschaft zwischen die Vettern von Sachsen hätte säen wollen. Übrigens kümmere Georg sich nicht um sein Schelten, ebensowenig wie einst der König von England, der Luther auch mit seinem Schelten habe abgeführt. Höhnisch verspottet sie Luthers gegen Georg gerichteten Bannspruch (S. 3) und erwidert in spöttischer Weise auf seine “Erbietung zum Rechten”, er habe ja schon vor sieben Jahren zu Worms zur Disputation sich ihm dargestellt1 und sei dessen noch erbötig. Vor allem aber beschäftigt die Schrift, ihrem Titel entsprechend, sich mit Luthers siebentem Psalm. Luther poche und trotze feindlich darauf, daß er sein Gebet sein solle; aber ebensoviel besorgten sie sich vor seinem Gebet “als vor genspfeiffen”, denn unerhörlich sei es aus mehr als einer Ursache, vor allem aber, weil Luther den Psalm mannigfaltig gefäalscht mit Ab- und Zutum und mit verkehrter Auslegung. So werde der Zorn und das Urteil Gottes, so in diesem Psalm gemeldet, über seinen Hals zuletzt eigenlich ausgehen. Mit großer Breite, die den Verfasser bald selbst ermüdet, so daß er beim fünften Verse schon abbricht, und mit einem großen Aufwand von Gelehrsamkeit werden dann die sogenannten Fälschungen aufgezählt. Ganz deutlich ist dabei der eigentliche Grund Rache dafür, daß Luther die falsche Übersetzung von confundet nachgewiesen (S. 3. 11. 13); das hatte in Dresden doch sehr verschnupft. Nicht nur die Kirchenväter werden angeführt, auch auf Luthers eigene Psalmenauslegung, die Operationes von 1519, wird zurückgegriffen, um Widersprüche mit ihr nachzuweisen; sie habe Luther geschrieben, ehe denn er als Ketzer sei verdammt worden, nachdem er aber als ein abgeschnitten Glied in verkehrten Sinn gegeben und des Papstes und gemeiner christlicher Kirchen öffentlicher Feind geworden, lege er sich auf alle böse List, Tücke und Fündlein, die Schrift zu verkehren, der Kirche zu trotzen und ihre Gelehrten zu vexieren. Die “Fälschungen” berühren nach solchem Verdammungsurteil dann freilich höchst merkwürdig. Wenn Luther statt: “Herr, mein Gott, in dich habe ich gehofft”, das Cochläus will, übersetzt: “Auf dich traue ich, Herr, mein Gott”, so wird ihm vorgeworfen, daß er die Worte verkehrt und aus dem Präteritum ein Präsens gemacht habe. Bei seiner Übersetzung des fünften Verses (S. 44, 29 ff.) wird bemerkt, er sei nicht Häretiker und eigenwillig, sondern auch unchristlich und unevangelisch.2 Die Hinzufügung von “ohne Ursach” in demselben Verse wird

 

 

 

[Seite 18]

 

straßenräuberisch genannt. Jnteressanter, als diese Einzelheiten, sind Cochläus' Darlegungen über seine Grundsätze, die Bibel zu übersetzen. Kein anderer Text oder Dolmetschung soll ihn zu glauben verbinden, als diese allein, so von gemeiner christlicher Kirchen sind bewährt oder angenommen. Wohl will er die “herrlichen und kunstreichen Gezünge Griechisch und Hebräisch” nicht verworfen haben, wollte vielmehr, daß alle Priester Griechisch und Hebräisch verstünden, jedoch in solchem Maß, daß sie ihren Verstand gefangen machten zum Dienst Christi und bereit wären allen Ungehorsam zu strafen; und wo sie in hebräischen und griechischen Büchern den Text irgend anders befünden, denn die Kirche im Latein hätte und brauchte, daß sie nicht sobald auf eigenen Sinn platzten und gemeinen Text der Kirche verachteten, wie Luther, seine Gesellen und Schwärmer täten. Sonst würde man nie Friede und Einigkeit in der Kirche haben. Luther habe ja auch selbst eingestanden, daß er sich zu viel unterwunden, sonderlich das Alte Testament zu verdeutschen (vgl. Erl. Ausg. 63, 23); um so weniger sei seinem Verstande und Dolmetschung zu vertrauen.

 

“Herzog Georgen Gebet auf den siebenten Psalm, aus dem lateinischen Text”, eine Nachahmung des Lutherschen, macht den Schluß dieser Ausführungen. Die “Schlußrede” des Buches aber erinnert noch einmal wieder deutlichst an Georgs eigene Schrift. Sie wendet sich vor allem an den gemeinen Mann und wünscht, daß er zur rechten Einsicht käme. Weshalb denn wohl Christus und sein heiliger Geist die Christenheit so viele hundert Jahre in Jrrsal und unechtem Glauben gelassen haben sollte? Luther sei wahrhaftig nicht allein gelehrt, ob er sich schon über die anderen berühme. Man sähe nicht, was er auf so viele Bücher, die zu Latein wider ihn geschrieben, geantwortet habe. Es müsse nicht recht zugehen, daß er jetzt so viele Jahre allein Deutsch schriebe. Der Geist Gottes sei nicht unbeständig, lügenhaft, aufrührerisch und lästermäulisch. Wer vor Gott am jüngsten Gericht bestehen wolle, der solle wohl bedenken, ob er einem Menschen mehr anhangen wolle, denn der gemeinen Christenheit! Würde man dann sich ziehen auf die Schrift, so möchte Gott saget, daß sie die Christenheit je und je gehabt, weshalb denn der einige Mensch Luther sie besser verstehen und auslegen solle, denn alle Lehrer und Konzilien; — was man darauf dann antworten wolle?

 

“O ewiger Gott, gib gnad und erbarm dich des armen einfeltigen volcks (welchs der Muench durch neyd und haß listiglich mit spiegelfechten

 

 

 

[Seite 19]

 

und fuertzug der schrifft in falschen wahn gebracht und eingenommen hat) das yhm die schueeppen von augen abfallen, auff das es mit uns ersehen moege, wie der trotzig Muench so offt, ßo ferr und weyt, in der schrifft geirret und des rechten zyls gefaelet habe, auff das es nicht ewiglich mit ym verloren werde, Amen.”

 

Mit diesem Gebete schließt die Schrift. Hätte man solches von Gott ernstlich und einmütig vor sechs, sieben oder acht Jahren gebeten, so wäre es vielleicht nimmermehr dazu gekommen, daß Luther so viel tausend arme Leute und erschlagene Bauern dem Teufel mit Leib und Seele hätte mögen übergeben und so unbarmherzig verdammen! —

 

Lazarus Spengler urteilte über diese Schrift des Cochläus, daß sie vielen Ruhms, Lobs oder Danks nicht würdig, auch zu nichts besser sei, denn daß man das gute verderbte Papier billiger an anderen Orten, denn für christliche verständige Leute gebrauchen sollte.1

 

Ganz hielt Georg von Sachsen sein Versprechen, forthin zu schweigen, nicht. Wenn er auch nichts Neues unternahm, so gab er doch einige Aktenstücke des Streits, gesammelt in lateinischer Übersetzung, heraus in den “Epistolae aliquot”.2 Sie enthalten Luthers Brief an Georg vom 21. Dezember 1525 und dessen Antwort, des Landgrafen Brief, in dem er seinen Schwiegervater der Teilnahme an dem Bündnis bezichtigt und Georgs Verantwortung, die Schrift: “Welcher Gestalt...”, unsre Schrift, den “Kurzen Bericht...” und Cochläus’ eben behandelte Schrift. Letzterer war nicht der Übersetzer.

 

Durch diese Publikation wurde erst recht die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf den Streit gelenkt. Und auch Erasmus wurde durch das Buch veranlaßt sich zur Sache zu äußern. Er schrieb an Georg, höchst ungern habe er seinen und Luthers Namen auf einer Seite vereinigt gesehen, und an Melanchthon, er könne nicht sagen, wie sehr ihm Luther mißfiele, da er um nichts und wieder nichts Herzog Georg in eine Diebstahlstragödie verstricke.

 

Einige Jahre später ließ auch Luther sich verleiten, noch einmal auf den Streit zurückzugreifen. Es war, als in den Jahren 1532 und 1533 Georg den Einwohnern von Leipzig und Oschatz verbot, in den kursächsischen Grenzorten den evangelischen Gottesdienst zu besuchen und dort das Abendmahl unter beiden Gestalten zu empfangen, und wie der Leipziger Goldschmied Dominikus Holtzt bei Luther anfragte, ob man nicht um des Gehorsams willen gegen die Obrigkeit dem Abendmahlsgenuß unter einer Gestalt sich anbequemen müsse. Luther verneinte das in einem Briefe vom 11. April für alle, die des göttlichen Willens des Sakraments wegen gewiß seien. Sein Brief wurde dem Leipziger Rat und durch ihn dem Herzog Georg bekannt. Und nun beschwerte sich dieser beim Kurfürsten Johann Friedrich, daß Luther seine Untertanen zum Aufruhr verführe. Dagegen verwahrte sich Luther in seiner “Verantwortung des aufgelegten Aufruhrs”, in deren Einleitung er Georg an unsre Schrift erinnerte, in der ers ihm wohl deutlich und greiflich genug gesagt, daß er seine heimlichen Briefe soll unverworren lassen (Erl. Ausg. 31, 229).

 

 

 

[Seite 20]

 

Eine scharfe Antwort aus Dresden, auf die Luther schon, bevor sie im Buchhandel veröffentlicht wurde, in seiner “Kleinen Antwort auf Herzog Georgen nächstes Buch” (Erl. Ausg. 31, 269 ff.) antworten konnte, war die Folge:

 

 

 

“Hertzog Georgens zu Sachssen || Ehrlich vnd grundtliche ent-||schuldigung, wider Martin || Luthers Auffrueerisch vnd verlo-||genne, Brieff vnd Verant-||wortung. || || Zu Dreszden || M. D. XXXiij. || Eins mans red, ein halbe rede || Drumb soll man sie verhörn bede. || [Das sächsische Wappen] || [Leiste] ||”. Titelrückseite bedruckt. 50 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zu Dresden durch Wolffgang Stoeckel, || vnd volendet den Sechsten tag Septembris 1533. ||”

Vorhanden: Berlin (Cu 1617). — Nachgedruckt von Michael Blum in Leipzig, 1533: Berlin (Cu 1616), Göttingen U., Königsberg U.

Cochläus hatte die Schrift im Auftrage seines Fürsten geschrieben. Und sie ging auch noch einmal auf unsern Streit ein, um Luther in fünf Punkten sein Unrecht und Georgs Unschuld nachzuweisen. Was sie Neues beibringt, ist eigentlich nur, daß sie nachzuweisen sucht, daß das Packsche Bündnis, selbst wenn es bestanden hätte, doch nicht für aufrührerisch wäre zu achten gewesen, hätte

 

(Bl. E iijb) “vilmehr ein Christlich und gepuerlicher gehorsam zuheissen, und hette vilweniger die gstalt eins auffrurs, dann die verbuendnuessen, so hyn und wider, on, ja wider Kay. Ma. wissen und willen, sind aus eignem durst und frevel zusam geblasen, den Luther oder Zwinglium oder andre newe Rottenfuerer in yhrer verdampten lere wider Bapst, Kaiser und gemeine Christenheit zustercken und mit wehrlicher hand zu verteidingen, dadurch dann der blutdurstig Muench ye lenger ye mehr halsstarrig und muttwillig wirdt alles zuschreiben und unter den pöfel auszubreitten, was zu auffrur dienlich, und sein blutgirig hertz erdencken mag.”

 

Vgl. J. Köstlin, Martin Luther, sein Leben und seine Schriften, 5. Aufl., fortgesetzt von G. Kawerau, II, Berlin 1903, S. 111 ff. 303 ff.; v. Bezold, Gesch. der deutschen Reformation, S. 589 ff.; Hilar Schwarz, Landgraf Philipp von Hessen und die Packschen Händel (Historische Studien, 13. Heft), Leipzig 1884, bes. S. 139 ff.; M. Spahn, Johannes Cochläus, Berlin 1898; J. R. Seidemann, Erläuterungen zur Reformationsgeschichte, Dresden 1844, S. 129 ff.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A1 “Von heim||lichē vnd gestolen || brieffen, Sampt einem || Psalm ausgelegt, || widder Hertzog || Georgen zu || Sachsen. || Mart. Luth. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 22 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedrueckt zu Wittemberg, durch || Hans Lufft. 1. 5. 2. 9 ||” [Kein Punkt hinter der “9”.]

Lesarten: Blatt A 2a Zeile 10 “furst hertzog”, A 2b 7 f. “schwe||re”, B 1a 11 “muste”, B 1b 15 “widder”, C 1a 16 f. “bringest, || vnd wirst”, D 1b 10 “ich auch wol”, D 2a 2 v u. “Darumb”, D 4a 5 “gepot”, E 1a 8 “auff yhn spielen”, 11 “Got”, 17 “George”, 19 “streben, toben”, 24 f. “vnher-||than”, E 1b 1 f. “re, || de”.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5351a), Gotha, München H., Nürnberg St., Wolfenbüttel.

 

 

 

[Seite 21]

 

B Beschreibung wie A.

Lesarten wie A, aber E 1a 8 “mit yhn spielen”, 11 “Got”, 17 “G.”, 19 “streben, Sie toben”, 24 f. “vnher- || than”, E 1b 1 f. “re, || de”.

Vorhanden: München H.; Kopenhagen, London.

 

C Beschreibung wie A.

Lesarten: A 2a 10 “fuerst Hertzog”, A 2b 7 f. “schwe- || re”, B 1a 11 “mueste”, B 1b 15 “wider”, C 1a 16 f. “bringest, un̄ || wirst”, D 1b 10 “ich wol auch”, D 2a 2 v. u. “Darmb”, D 4a 5 “gebot”, E 1a 8 “mit yhn spielen”, 11 “Got”, 17 “G.”, 19 “streben, Sie toedten”, 24 f. “vnter- || than”, E 1b 1 f. “re- || de”.

Ferner: B 1a 1 “durch” (unverstümmelt), B 1b 1 “selbs wol” (ohne Fliege zwischen beiden Wörtern), C 1a 9 “bekendnis”, C 1b 2 “fulen”, D 1a 3 “muest”, D 1b 5 “freilich”, E 1a 11 “Got”, F 1a 14 “stortzen”, F 1b 2 “wundsch”.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5351a bis), Königsberg U., München H. u. U., Wernigerode, Zwickau.

 

D Beschreibung wie A, aber in der Jahreszahl am Schluß auch ein Punkt hinter der “9”: “1. 5. 2. 9.”

Lesarten: B 1a 1 “durch” (im Abdruck verstümmelt), B 1b 1 “selbs | wol” (mit Fliege zwischen beiden Wörtern), C 1a 9 “bekentnis”, C 1b 2 “fuelen”, D 1a 3 “must”, D 1b 5 “freylich”, E 1a 11 “Gott”, F 1a 14 “stoertzen”, F 1b 2 “wuendsch”.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5351), Stuttgart L., Zwickau; Basel U. — Erl. Ausg. 31, 2 Nr. 1.

 

E “Von heimlichen vnnd || gestolen brieffen, Sampt ei- || nem Psalm ausgelegt, widder Hertzog || Georgen zu Sachsen. || Mart. Luth. || M. D. XXIX. ||” Titelrückseite leer. 18 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Bogen D hat nur zwei Blätter. Druck wohl von Hans Weiß in Wittenberg.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Arnstadt, Berlin, Heidelberg, München H. und U., Straßburg; London. — Erl. Ausg. 31, 2 Nr. 2.

 

Niederdeutsch:

 

 

F “Van hemely- || cken vnde ge- || stolen breuen, Sampt ei- || nem Psalm vthgelecht || wedder Herhogen [so] || Georgen tho || Sassen. || Martinus Luther. || M· D. XXIX. ||” Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in Oktav.

Druck von Josef Klug in Wittenberg. Vorhanden in Berlin.

 

Spätere Drucke:

 

 

G Ausgabe von Dieterich Hermann Kemmerich, Jena, bey J. F. Ritter 1731. Oktav.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Breslau St., Dresden, Erfurt Minist., Greifswald, Hamburg, Jena, Leipzig U., Marburg, München U.

 

H Ausgabe von D. Friedrich Luecke. Bonn, bei Eduard Weber, 1819.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin, Göttingen, Straßburg, Wolfenbüttel.

 

 

 

[Seite 22]

 

I Eine lateinische Übersetzung ist enthalten in der von Cochläus veranstalteten Sammlung:

“Epistolae atq; libel- || li aliquot, cōtinentes controuer- || siam, quæ inter Nobilem & Illustrem Princi- || pem D. Georgium Saxoniæ Ducem etc̄. & || M. Lutherum partim publicȩ religionis || caussa, partim priuatarū quarundā || iniuriarum nomine versata est, || de mandato eiusdem Ducis || Georgij iam recēs e ger- || manico in latinum || traducti, Quorū || capita sequēs || pagina in- || dicabit, || Lipsiæ, Anno post Christum natum, || M. D. XXIX. ||” Titelrückseite bedruckt. 88 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Excusum Lypsiæ, per Circumspectū virum || Melchiorem Lottherū, Sub Illustriss. || & vere Catholico pioq; Principe || Georgio Duce Saxoniȩ etc̄. || ad Dei Optimi Maxi- || mi gloriā et Chri- || stianorū sa- || lutem. ||” Nach diesen A –Y signierten 88 Blättern wurde noch ein Bogen a (4 Blätter, letztes Blatt leer) ausgegeben, der auf Blatt a 1ab den Brief Luthers an Linck “Dominica post Barnabæ. D. M. XXVIII.” und auf Blatt a 2a –a 3b “Errata” für das ganze Bnch enthält.

Die Schrift: “De priuatis et furto surreptis literis vna cum Psalmo quodam enarrato cōtra Georgium Ducem Saxoniæ” steht auf Bl. G3b –M3b. Vorhanden z. B. in der Knaakeschen Slg., Dresden, München H. (mit Bogen a), Nürnberg G. M., das (unaufgeschnittene) Knaakesche Exemplar trägt auf dem Titelblatt die Widmung: “Pro Dnō Vilibaldo Pirckheimer.”

Von den Gesamtausgaben ist die Schrift aufgenommen in Wittenberg 9 (1557), 291b –300b; Jena 4 (1556), 562a –573a; Altenburg 4, 628 –638; Leipzig 22, 5 –16; Walch 19, 621 –654; Walch 2 19, 518 –545; Erlangen 31, 1 –30. Der Brief an Herzog Georg nochmals Erl. Ausg. 54, 48 f. und sonst.

 

Zu den Drucken A –D ist folgendes zu bemerken:

 

Während des Druckes von A wurde auf Bl. E 1a folgendes im Satz geändert: Z. 8 “auff yhn spielen” (A) in das richtigere “mit yhn spielen” (B), Z. 19 zum bessern Verständnis statt “toben” (A) eingesetzt “Sie toben” (B) und, um den Raum für dieses eingeschobene “Sie” auszusparen, in Z. 17 “George” (A) in “G.” geändert. So entstand B.

 

Noch während Bogen E in der neuen Gestalt (B) ausgedruckt wurde, machte sich das Bedürfnis einer größeren Auflage geltend. Zu dieser waren außer dem Satz von Bogen E (B) noch Teile des Satzes von Bogen C und D vorhanden: von Bogen C noch die volle Widerdruckseite (Bl. C 1b C 2a C 3b C 4a), von Bogen D noch die volle Schöndruckseite (Bl. D 1a D 2b D 3a D 4b) und von der Widerdruckseite Bl. D 3b ganz, Bl. D 1b D 2a zum Teil. Alles übrige, also Bogen A und B, ferner die Schöndruckseite von Bogen C (d. i. Bl. C 1a C 2b C 3a C 4b), von der Widerdruckseite des Bogen D Bl. D 4a ganz und Bl. D 1b D 2a zum Teil wurden neu gesetzt. Die Lesarten dieses neuen Satzes s. o. bei C, Absatz 1. Gleichzeitig wurden auf Bogen E Bl. E 1a Zeile 19 statt “toben” das richtige “toedten” eingesetzt, sowie die beiden Druckfehler E 1a 24 f. “vnher- || than” in “vnter- || than” und E 1b 1 f. “re, || de” in “re- || de” verbessert. So entstand C.

 

 

 

[Seite 23]

 

Bald darauf wurde ein völliger Neudruck veranstaltet, der sich aufs engste an C anschloß und äußerlich von A nur durch den Punkt am Ende der Schlußschrift “1. 5. 2. 9.”, im Jnnern durch die bei D gegebenen Lesarten unterscheidet. — E stimmk mit 25, 9 stoltzem, 12 herrn, 43, 15 Sie toben zu B. — Als Übersetzung dieser Fassung ergibt sich F mit 25, 9 stoltem, 43, 15 Se douen, 25, 2 frede, 29, 16 H. G. Das Niederdeutsch dieses Textes ist nicht einwandfrei, die Übersetzung ist sehr getreu, manche Änderung im kleinen ist gewiß nicht beabsichtigt, sondern Druckfehler, nur im Text des 7. Psalms geht F gelegentlich eigene Wege. — G gibt sich in seiner Vorrede als neue Ausgabe eines Wittenberger Drucks von 1529; mit 37, 8 setzen, 43, 27 siebend Gepot stimmt G allein zu D, von dem es ein (außer in orthographischen Einzelheiten) getreuer Abdruck ist. — H stimmt mit 43, 15 zu streben, toben, morden allein zu A, dessen Text es in sprachlich modernisierter Form bietet. — I bietet den Text des 7. Psalmen in deutscher Fassung und stimmt darin mit 46, 31 verterben allein zu D. Die Übersetzung ist durch viele kleine Druckfehler entstellt, sie hat, wie die verzeichneten Lesarten lehren, der Sprache Luthers nicht entfernt in alle Höhen und Tiefen folgen können. Daß der Übersetzer den Ausdruck habe mildern wollen, wenn er 26, 14 vber die schnaussen zu hawen mit eiusmodi responso excipere, 29, 34 angefaren mit excepisse, 31, 17 uberrumpelt mit interpellat wiedergibt, ist darum nicht anzunehmen, vielmehr klingt Luthers Rede im lateinischen Text noch kecker und herausfordernder als im deutschen, vgl. 25, 5 arguor, 25, 9 insolenter, 30, 29 Sepe numero, 31, 31 nisi quod ad ipsius fatiat stomachum, 42, 2 quam grauissime possit, 44, 36 pontificis Tyrannidem. Ob die Auslassung von 34, 29/30 odder zum wenigsten befristet, und 41, 35 zween aus H. Georgens fuerstenthum aus Flüchtigkeit oder aus der, dann freilich an Fälschung streifenden Absicht zu verschärfen entsprungen ist, wird sich nicht entscheiden lassen. Daß die Übersetzung aus dem gegnerischen Lager stammt, ist ohnehin gewiß.

 

Wir geben die Abweichungen der Drucke BCD erschöpfend, die von EF, soweit sie Wortlaut und grammatische Form betreffen, die von I, soweit sie den Sinn des Lutherschen Textes berühren. G und H waren als nach Luthers Tode erschienen zu übergehen.

 

Über die sprachlichen Abweichungen von E läßt sich zusammenfassend folgendes sagen: Bezeichnung des Umlauts ist eingeführt in beichtueter 34, 6; vngleublich 38, 11; moecht (Conj.) (5), koempt (2), boerne(t) (2), groesser 30, 13, foerderlich 31, 26, schoenes 32, 26, troetzlich 36, 15, troetzig 36, 22, boesewicht 40, 9, roeren 42, 20, stoeltzer 42, 22, moerden 43, 15, froemkeit 45, 36; Nuermberg (7), Fuerst (2), daruemb (24), Druemb 35, 11, widderuemb (8), waruemb (2), (vn)schueldig (3), entschueldigung(e) (4), (ent)schueldigen (2), guelden (3), buendnis (13), schmuecken 27, 25, betuengen 31, 8, wuerde(n) (2), duenckt 35, 35, furmuenden 36, 28, geruest 46, 32, unglueck 47, 4; stuenden 30, 24, fuelen 34, 13, kluegelern 36, 10, fueren und seinen Formen (6), muessen u. s. F. (9).

 

Bezeichnung des Umlauts wird entfernt in bosheit (2), Oberkeit 40, 11; kurtze 25, 18, vermutet 27, 7, gedruckt 33, 25.

 

 

 

[Seite 24]

 

Sonstiges zum Vokalismus: 1. ie > i in briffe (2), disem 41, 10; i > ie in yederman (2), friede 41, 24, blutuergiessen 44, 15.

 

2. u wird zu o siebenmal in from u. s. F., zu oe sechsmal in foerchten u. s. F. Je einmal wird o zu u in gunst 44, 2 und zu ue in stuertzt 47, 33.

 

3. Unbetontes e wird viermal zu i in nehister u. s. F.; wird insgesamt zwölfmal zugesetzt in genug, verdreusset, verdeudschet, kurtze, habe, alleine, wercke; elfmal entfernt in Gnad, geringsten, welchs, narrn, handeln, Georg, brieff, ein, ehr, allein.

 

Zum Konsonantismus ist zu bemerken: 1. Fortis tritt ein in gepot (19), gepet (5), geperen 47, 2, geporn 47, 9; bekentnis 33, 33, begert 36, 22.

 

2. Lenis tritt ein in Babst(um) (3), geboten 45, 9.

 

3. Doppelkonsonant wird eingeführt in Grobbel(t) (2), zeddeln 25, 23, odder (6), widder (2), foddern 46, 8, hirrschen 32, 8, Sachssen (8), fusseissen 31, 9, weissest 44, 12, leutte (6), Gott (2), huette 35, 11, geradten 38, 3, Wentzel 29, 15.

 

4. Doppelkonsonant wird vereinfacht je zweimal in last und oder, desgleichen in fodert 31, 13, wider 37, 8.

 

5. Dehnungs-h wird beseitigt in vorrede 36, 5 und siebenmal in Formen von nemen, eingeführt in auffrhuerischen 33, 6 und viermal in Formen von rathen (verrhaten 31, 5/6); verreth > verrhet 47, 21, befelhen > befehlen (6).

 

6. Statt -gkeit tritt achtmal -ickeit, statt -thum zweimal -thumb ein.

 

 

 

[Seite 25]

 

[Von heimlichen und gestohlenen Briefen] 1529

 

 

 

[Seite 25]

 

 

[Bl. A ij] Martinus Luther allen frumen Christen

Gnad und friede ynn Christo.

Es ist itzt newlich ein buchlin unter Hertzog Georgen zu Sachsen namen ausgangen, darynn ich werde angegriffen eines brieffs halben, so ich sol haben geschrieben an den wirdigen hochgelerten Doctor Wencelaus Linck, prediger zu Nurmberg. Und ist war, das mich des selbigen brieffs halben genanter furst hertzog Georg schrifftlich ersucht hat und (wie sein gedruecktes buechlin zeigt) gleich mit stoltzem pochen und trotzen solches gefoddert, Darauff ich geantwortet wie folget:

 

 

 

Dem durchleuchtigen, hachgebornen fuersten und herrn,

herrn Georgen, hertzogen zu Sachsen, Laudgraven ynn Dueringen

und Marggraven zu Meissen, meinem gnedigen herrn.

Gnade und friede ynn Christo. Jch hab E. F. G. schrifft empfangen, darynn E. F. G. von mir begert einer zeddel odder abschrifft halben antwort, ob ich solcher schrifft mir bewust sey, Und solchs als mueste ich gleich dem geringesten verpflichten odder gefangenen hie zu gewarten sitzen. Darauff ist mein kuertz antwort: Nachdem E. F. G. wol weis meine hohe gedult, so ich bis her getragen habe uber die vorrede auffs newe testament des Emsers und auff die antwort meiner hertzlichen demuetigen schrifft begegnet, Also wil ich noch dismal auch gedult haben uber diesem stuecke, angesehen E. F. G. grosse und schwere anfechtungen, Und bitte gantz demuetig, E. F. G. wolten mich mit solchen zedeln odder abschrifften unversucht lassen. Es wird sich on zweivel E. F. G. bey denen, so solche zeddel haben zugericht und gereicht (auch wol on des Luthers zuthun) wol wissen zu erkunden, wes solche schrifft sey, welche E. F. G. mehr denn ich verwand odder zugethan. Nichts herters wil ich auff dis mal widder solche frume leute geschrieben haben. Denn zu erbarmen und zu bitten fur E. F. G. anfechtung were ich Christlich geneigt, wo es E. F. G. leyden kuendte. Hie mit Gott befolhen, Amen. Zu Wittemberg, Sonnabends des letzten Octobris 1. 5. 2. 8.

 

 

 

E. F. G.

Williger Martinus Luther.

 

[ 2 freide E 3 itzt fehlt F 5 sol] arguor I 7 furst] fuerst CD fehlt I 8 George CD        ersucht] besocht F me cōvenerit I 9 stoltzen CD        tā nō superbe, insolenter, ac minaciter a me rn̄sum flagitarit I        und fehlt F        gefodddert A        geanwortet CD 10 wie] wo hir na F 11 durhleuchtigen A 12 herrn] herr CD 16 ob ich] efft ock F        schrifft ] schaedulae I 19 bisher] wente sueslange F 21 uber diesem stuecke] hoc, Quod mihi nunc obijcit7 I 22 anfechtungen] anfechtinge F tētationē I 23 affschriffte F 24 subornarūt, & exhibuerūt I 26 subditi & obstricti I 29 Sonnabends fehlt I]

 

 

 

[Seite 26]

 Und hette warlich auch gehoffet, Er solte sich an solcher guetiger, demuetiger antwort lassen benuegen. Weil er aber nicht rugen kan und seiner boesen anfechtung schlechts nichts widderstehen wil, bitte ich gantz freundlich, ein iglichs frumes hertz wolte mich nicht verdencken, ob ich meine notturfft rede, sondern ansehen meine not, dahin mich der [Bl. A iij] unruegige man dringet und treibet. Denn das weis Gott, das ich hertzog Georgens gerne verschonet hette, nicht alleine seiner eigen ruge und friedens halben, sondern auch des gantzen loeblichen hauses zu Sachsen. Darumb hab ich auch bis her auff die schendliche, unchristliche vorrede des newen testaments, darnach auff sein unfuerstlich und ungeschickte antwort auff mein hertzlich demuetigs schreiben nichts geantwortet, sondern mit hoher gedult ynn mich gefressen, das nicht bey unsern nachkomen dem loeblichen hause zu Sachsen ein schimpff bliebe. Eben so hette ich auch auff die nehesten ersuchung meines brieffs halben yhm wol mit einer solchen antwort uber die schnaussen1 zu hawen gewust, das yhm die lust solcher suchung solt gebuesset worden sein, wo ich nicht seiner hette wollen verschonen.

 

Wolan, die schuld ist nicht mein: Ein iglicher sihet, das2 Hertzog George so haben wil, So las her gehen, Gott wallts. Erstlich klagt er, das ich nicht habe richtig wollen antworten, Ja odder Nein sagen, so er doch nichts, denn die warheit gesucht habe &c.. Da antworte ich: Was er fur not oder recht hat solche warheit zuerforschen, wil ich hernach wol anzeigen. Jch weis aber noch heutiges tages nicht anders, denn (so ich glimpfflich und guetig antwort auff solchs forschen solt geben) das mir gebuert widder Ja noch Nein zu sagen, Welchs seine vernunfft, so sie ausser der anfechtung were, sich wol selbs hette wissen zu berichten. Denn sintemal dis eine heimliche schrifft sein sol an eine einige person geschrieben, nicht durch den druck offentllich ausgangen noch unter viel leute geschicket (wie er mich mit der unwarheit zeihet) und ich den heubtbrieff noch desselbigen abschrifft bey mir nicht habe noch hatte, wie solt mirs angestanden haben, ia wie wolt mein gewissen bestanden sein, wo ich Ja odder Nein hette geschlossen yn solcher sachen, da ich selbs widder Ja noch Nein gewis war noch schliessen kundte? Denn wo ich des brieffes verleugnet und Nein gesagt hette, mocht man mich villeicht mit der handschrifft und siegel uberzeuget haben, Hette ich aber Ja dazu gesagt Und der brieff durch viel

 

 

[ 1 warlich fehlt I 3 schlecht CD 8 bisher] wente heer [und so immer] F 10 antwort] epistolā I 11 Sed eam iniuriā summa animi patiētia deuoraui I 13/14 potuissem equidē illum eiusmodi responso excipere I 14 schnaussen] schnutten F 16 Wolan] Sed quid fatias? I 17 So las her gehen] permittantur igit~ vela ventis I        walts CD 19 odder CD 20 tho erfoerderen F 22 gebuert] gehoert [und so immer] F 26 zeihet] beschueldiget F 26/27 heubtbrieff] autographum F 29 geschlossen] P̱nuntiassem I 30 schliessen] P̱nuntiare I        kuendte CD 31 moecht CD        mich] sick F]

 

 

 

[Seite 27]

hende gelauffen, da zubesorgen er mocht gebessert odder geendert sein (wie es denn wol auch meinen gedrueckten buechern geschicht) so were ich abermal fein angelauffen. Darumb hab ichs glimpfflich zu handeln fur das beste angesehen, so ich yhn zu den frumen leuten weisete, die yhm solche schrifft hetten gereicht und zugericht, bey welchen es yhm fuerstlicher und vernuenfftiger angestanden were und er auch schuldig war zu erkunden Und nicht von mir foddern, des er keinen fug noch recht hatte zu foddern, dazu auch billich sich vermuetet haben solt, das er ein unmueglich ding (schweige des unbillichen) von mir foddern wuerde.

 

Nu aber mein guetiger glimpff umb sonst ist und sol und mus pochens gelten, so sage ich itzt, ich wolt zehen gulden darumb geben, das Hertzog George meine handschrifft und siegel bekomen hette, so wolten wir ein feines spiel fur dieser fastnacht haben angericht. Aber was sol ich nu [Bl. A4] thun? der heubtbrieff ist nicht da (hoere ich sagen) Und der unruegige man feret heraus, gruendet sich auff solche schrifft, welcher doch widder ich noch er selbs gewis ist noch gewis sein kan, deutet und tregt den selbigen spielen1 , sich damit zu schmuecken und mich damit zu schenden und zuverunglimpffen. Wie gar fein und loeblich hette es einem klugen fuersten angestanden, das er nicht so leichtfertiglich heraus fure mit ungewissen schrifften, sondern sich also bedacht: Der brieff ist ungewis und eines heimlichen brieffes abschrifft, las yhn faren, Was kanstu daraus machen?

 

Jch weis treffliche leute, so bis her Hertzog Georgen des fuerstlichen bundnis odder auffrhurs gantz unschueldig gehalten, itzt anfahen zu zweivelen und mit argwahn werden angefochten, Darumb, das er so engstlich und genaw sich sucht zu schmucken, auch unnoetiger unbillicher weise. Und wenns nicht verboten were nach argwahn zu urteilen, were mir fast auch also, Denn schueldiger gewissen art ist neben andern auch diese, das sie mit allzu vleissigem und allzu hohen unnoetigem entschueldigen sich selbs zu verrhaten pflegen, Da her auch das sprichwort2 kompt so man von solchen entschüldigern spricht: ‘Ey

 

 

[ 1 moecht CD        gebessert] additū I 6 schueldig CD 7 fug] orsake F 11 sage ich] P̱fiteor equidē ingenue I 13 fastnacht] Vastelauende F bachanalia I 14 heubtbrieff] autographon I 16 ludendi, quod aiunt, causa circūgestare I 17 populiq; inuidiae obijciat I 18 klugen] wysen F 19 fuere CD        schriffen A 20 las yhn faren] Quin igit~ eas negligis? I 23 buendnis CD 24 argem wahn F 25 schmuecken CD 26 verpotē CD 29 von] vor F]

 

 

 

[Seite 28]

 wie weis bornet er sich, Ey borne dich nicht zu helle.’ Froeliche sicher gewissen lassens bey einfeltiger und noetiger entschueldigung bleiben, Aber das las ich Got befolhen sein, Der wirds wol finden. Verdacht und argwahn, dazu sein selbs gewissen, las ich machen was sie machen.

 

So denn nu Hertzog George solche abschrifft dafur helt yn seinem synn und sie durch den druck als die meine aus lesset, So wil ich der sachen thun [Matth. 12, 37] nach der lere Christi, da er spricht ym Euangelio: Ex verbis tuis iustificaberis, [Luk. 19, 22] et ex verbis tuis condemnaberis, Und abermal: Ex ore tuo iudico te, serve nequam. Dem nach, so neme ich mich dieses brieffes hinfurt an als des meinen, Doch mit solcher mas und unterscheid, das ich mein gewissen wil bewaret haben, als das fur Gott nicht kan gewis sein, das solcher brieff mein sey, weil der heubtbrieff nicht fur handen ist, Sondern auff Hertzog Georgens dunckel und wahn gruende ich mich, Das, weil er dafur helt, Er sey mein, so nenne und neme ich yhn fur den meinen an und nicht weiter, Denn es sol dieser handel nicht auff meinem gewissen noch bekentnis, sondern auff Hertzog Georgens duenckel und wahn gegruendet sein.

 

Hieraus folget nu, so dieser brieff nach Hertzog Georgens meinung mein ist, das freilich genanter Hertzog George dafur halten sol und mus, Er hab das meine bey sich wider meinen wissen und willen, und sol und mus billich ein gewissen haben male fidei. Denn wer hat hertzog Georgen die macht gegeben, das er frembdes gut bey sich hellt widder wissen und willen des, so der herr dazu ist? Ja, wer hat yhm die macht gegeben, solch frembd gut nicht allein bey sich zu halten (welchs noch zu leiden were) sondern auch damit zu handeln und gebaren mit frevel und gewalt als mit dem seinen nach allem mutwillen, zu unuberwindlichem schaden und nachteil seines herrn odder besitzers? Denn er lesst diesen gestolen, geraubten und gefangen brieffe [Bl. B 1] durch den druck ausgehen, mich damit zu unterdrucken und sich zu erheben. Jch mus ein gleichnis geben, das ers verstehe.

 

Wenn ich einen brieff hette aus Hertzog Georgen Cantzeley bekomen widder seinen wissen und willen, und handelte damit widder sein ehre und glimpff, wie solte yhm das so hertzlich gefallen? Und wenn er mir viel gnaden gestattet, so mocht er mir solchen brieff villeicht heimlich lassen, aber damit oder nichts drauff handeln. Den kopff muste ich sonst verlieren, wenn der hals gleich eitel eisen und stal were. Odder wenn ich tausent gulden einem kauffman ynne hette widder seinen wissen und willen, und bekennet dasselbige nicht allein, sondern pochet und trotzet darauff, yhn damit ynn grund zuverderben — Las hie Hertzog Georgen selbs urteilen, was ein solcher wol

 

 

[ 3 archwahn F 10 mas] masse CD 12 heubtbrieff] autographū I      duenckel CD opinione I 17 nu fehlt F 18 habe CD 19 meinen] meinē A mynen F 21 helt CD 33 mueste CD 34 yseren vnde stael were F weren AE 35 ynne hette] vorhelde F 36 yhn] fortunas eius I]

 

 

 

[Seite 29]

verdienet hette. Ja, brieffe sind nicht gueter? Lieber, Wie wenn es sich begebe,  das mir odder dir an eim brieffe mehr denn an tausent gulden gelegen were?  Solt nicht solcher brieff so werd und lieb sein als tausent gulden? Dieb ist  ein dieb, er sey gelt dieb odder brieffe dieb.

 

Nu stehe ich, Doctor Martinus Luther auff Hertzog Georgen duenckel  und gewissen, ruffe und klage offentlich fur aller welt, Das der selbige Hertzog  George meinen brieff ynne hat widder meinen wissen und willen (welches ich  dennoch wol leiden mocht, wenn er ia so grosse lust hat zu heimlichen frembden  brieffen) dazu damit offentlich und frevelich gebaret seines willens zu unterdruecken  mein glimpff und ehre. Denn er kan sich des leichtlich selbs wol  bereden, das Doctor Luther von Gottes gnaden wol so viel deudschs und  lateinisch schreiben kan, wo er wolte Hertzog Georgen seiner brieffe einen zukomen  lassen, das er die uberschrifft wuerde und kuendte an Hertzog Georgen  stellen und dem selbigen solchen brieff zu eigen, macht geben zu haben und  offentlich zu gebrauchen und nicht dafur einem andern (als D. Wencel Lincken)  zu schreiben odder zu fertigen. Denn H. G. bekennet selbs ynn seinen schrifften,  Solcher brieff sey Wencelao Lincken und nicht Hertzog Georgen zu geschrieben.  Das mus ich also verstehen, als spreche er: ‘Jch, Hertzog George habe Martinus  Luthers brieff, der mir nicht gehoert noch gebuert1, widder seinen wissen und  willen, sondern gehoert Wencelao Lincken, und handele doch offentlich damit  widder sie beide.’ Ey danck habt, lieber herr.

 

Hie sihe nu den rechten richter Jhesum Christum, und was ein mensch  thut, so yn anfechtungen ligt und widder Christum tobet. Hie findet sichs,  das meine zornigen iunckern, so die Christlichen kirchen schuetzen und die ketzer  vertreiben, den glawben verteidingen, wenn sie lange fechten und pochen also  herunter fallen und daumeln, das not were, man furet sie zur schulen und  [2. Mose 20, 15, Röm. 9, 33] leret sie die zehen gebot, da Gott spricht ‘Du solt nicht stelen’. Das heisst  (mein ich) sein angelauffen an den fels des ergernis. Wo sind hie die hochgelerten  des rechts und der schrifft gewesen, die yhrem herrn (wie sie fur  yhren reichen sold zu thun schuldig sind) hetten geraten, sich anders ynn dieser  sachen [Bl. B ij] zu halten Und lassen yhn ynn solchen schimpff fallen?

 

Also solte aber Hertzog George gethan haben, wenn er fuerstlich und  weislich hette wollen thun: Die gesellen, so yhm diesen meinen brieff brachten  und reitzten widder mich, solt er mit fuerstlichem ernst angefaren haben und  gesagt: ‘Was bringt yhr daher? Wo fur haltet yhr mich? Woltet yhr mich

 

 

[ 1 gueter] pecuniae I 5 Doctor fehlt I 16 H. G.] Hertzog George E 19 wider CD 20 openbar F 21 beyde CD        Ey] J F 23 Christum] deo I 24 Iunckeros [und so stets] I        Christlichen fehlt I 25 vertreyben CD        verteydingen CD 26 tumelen F        fueret CD 28 fein fehlt I 31 schimpff] ioculare malū I 33 Die gesellen ] bonos illos viros I 34 haben angefaren E excepisse I]

 

 

 

[Seite 30]

 so yn einen schimpff furen, das ich mit frembden brieffen umbgehe, darauff  handeln und narren solt? Wenn ichs gleich umb des Muenchs willen nicht  wolt lassen, so wolt ich doch umb Gottes willen mit solchen brieffen unverworren  sein, weil er gepeut, Man sol nicht stelen noch gestolen gut ynne  haben.’ Das were eine fuerstliche und adeliche tugent gewest, Davon Salomon  [Spr. Sal. 20, 8] spricht: Ein furst, der auff dem stuel des rechten sitzt, vertreibet alles unrecht  mit seinem anblick.

 

Odder wenn er ia so lustern sein wolt mit frembden heimlichen brieffen  umbzugehen, solt er die selbigen heimlich bey sich behalten und nicht offentlich  erfur thun und darauff handeln, Denn was heimlich ist, sol man heimlich  lassen bleiben, bis yhm befolhen werde odder recht gewinne, dasselbige offenbar  zu machen. Es ist gar gros unterscheid unter einem heimlichen und offentlichem,  unter einem frembden und eigenen brieffe, Ja kein grosser brieffefelscher  ist auff erden, denn wer einen heimlichen brieff widder wissen und willen  seines herrn offenbar odder einen frembden zu eigen machet: Der verfelschet  nicht vier odder funff wort darynnen, sondern den gantzen brieff, das es hinfurt  nicht mehr der selbige brieff ist, noch heissen noch sein kan, weil damit  die gestalt und art des gantzen brieffes und die meinung des schreibers aller  dinge verkeret und geendert ist, Und wird yhm das seine mit gewalt genomen  und offentlich geraubt und zu schanden gemacht, wie auch die keiserlichen  rechte leren.1

 

Darumb schreibt auch S. Hieronymus2 von solchen heimlichen brieffen,  die yhm auch gestolen waren, das sie fur nichtige brieffe zu halten sind, Und  ob schon auch lesterwort drynnen stunden (spricht er) sollens dennoch nicht fur  lesterwort an zunemen sein. Und was sind heimliche rede und brieffe anders,  denn eitel blosse gedancken, die noch nicht an tag komen sind, dazu villeicht  an tag auch nicht komen sollen? Lieber, es gehoeren klueger leute zu heimlichen  [1. Sam. 22, 9; 26, 1, Ps. 52, 2; 54, 2] brieffen, denn Hertzog George ist mit seinen Zibitern und Doegitern. Mir  sind auch wol etwa heimliche brieffe meiner feinde, beide mit siegel und handschrifft

 

 

[ 1 fueren CD        vt literas cōtrectem alienas I 4 gebeut CD 6 fuerst CD 18 gestalt und art] ratio, & genius I 19 ding CD 24 darynnen stuenden CD        sollen es ABCD scholde ydt F 26 an den dach F        dartho ock F 27 an den dach F        Lieber fehlt I 29 etwa] vortiden F Sepe numero I]

 

 

 

[Seite 31]

zu komen, Damit ich yhn wol hett wollen die welt zu enge machen1,  wenn ich Hertzog Georgen exempel wolt gefolget haben. Aber ich lies sie  heimlich bleiben und verachtet sie oder zureis sie, on das ich die warnung  guter freunde an nam. Jch schreibe auch heimliche brieffe, Aber allzeit mit  der bedacht, das sie der teuffel (so mir ynn alle wege nachstellet) moecht verraten  und offenbaren. Darumb behalte ich mir einen hinderhalt, wenn sie  ia geoffenbaret wuerden, damit ich den teuffel auffs narrenseyl fure2, das er  sich selbs yn seiner klugheit betungen3 mus. Es heisst: Huett dich fur des  Luthers heimlichen brieffen, sie sticken vol [Bl. B iij] fuseissen und stricke, Wers  nicht glewbt, der versuchs.

 

Aber was thut mein lieber herr Hertzog George? Er nimpt nicht allein  mein heimliche gestolene brieffe an, die yhm nicht gepueren zu haben, welches  ich noch leiden kuende, Sondern poltert und stoltzet daher und foddert sie von  mir selbs und wil bey mir ein herr uber meine heimliche brieffe sein, so er  doch nicht eins hellers werd uber mich leiblich herrscht, gerade als hette er  recht und macht zusehens zu rauben das meine und mich zu zwingen, ynn  solch sein reubisch foddern zu willigen. Dran nicht benueget, uberrumpelt er  den loeblichen frumen Kuerfuersten zu Sachsen, wil durch den selbigen schier als  durch seinen armen knecht sein reubisch foddern an mir ausrichten, als sesse  der Kuerfuerst da zur froen und dienst, das er Hertzog Georgen meine gestolen  brieffe foddern und rauben helffen muste. Und das des frevelen ubermuts ia  keine masse sey, feret er uber die feinen herrn des Rats zu Nurmberg auch  fast schier als ein keiser uber seine armen unterthanen, grobbelt, sucht  und foddert die handschrifft durch sie von Doctor Wencelao Lincken, so doch  widder Nurmberg noch Wencelaus seine unterthan sind, schweige denn, das  sie solten seinen ausgeschickten dieben und reubern forderlich zu sein sich  schueldig erkennen.

 

[Jes. 16, 6] Wo wil doch der unruegige man zu letzt hinaus mit solchem Moabitisschen  stoltz und hohmut, der sich unterwindet so gewaltig zu sein auff erden, das  niemand (auch seiner feinde keiner) heimlich von yhm reden, schreiben odder  gedencken solle, es gefalle yhm denn? Ja das muste man yhm bestellen, bald,

 

 

[ 1 eo illos adigere potuissem, Vt quo se gētiū verterēt, nescituri fuissent I 3/4 discerpebā, admonitionē tn̄ bonorū amicorū accipiebam I 4/5 mit bedacht F 5 allen F 7/8 vt in sua ipsius sapiētia cōstrictus teneat.~ I 8 betungen] beschiten F 9 heimlichen fehlt E        fuseisen CD 11 lieber fehlt I 14/15 cum in me ne latū quidē vnguem imperiū obtineat I 15 hellers] scherues F 17 uberrumpelt] interpellat I 19 utgrichten F 21 mueste CD 23 grouelt [und dementsprechend immer] F 25 vnterhan A 31 es gefalle yhm denn] nisi quod ad ip̄ius fatiat stomachū I        mueste CD]

 

 

 

[Seite 32]

noch fur essens. Jch weis wol, das er Hertzog zu Sachsen, Landgrave ynn  Dueringen und Marggrave zu Meissen ist Und fur war, Gott hat yhm ein  fein land und schoene herrschafft gegeben und doch leider, wie Salomon sagt,  [P ed. 5, 18] Jst yhm nicht gegeben, das ers mit genuege und ruge seines hertzen brauchen  kuende. Das er aber Hertzog uber frembde brieffe, Landgrave uber heimliche  rede und Marggrave uber gedancken solt sein, das werde ich, ob Gott wil,  dis iar nicht glewben noch leiden. Und ob er so grob und thuerstig sein wolt,  das er durch den Kuerfuersten als durch mittel odder knecht uber mich hirschen  wolt, so wil ichs aber nicht haben noch bewilligen, Denn ich wil Hertzog  Georgen nicht zum herrn haben odder billichen, ehe denn Gott yhn mir zum  herrn macht und setzt. Er ist mein abgesagter feind, des sol er sich gegen  mir auch halten, also wil ich auch sein gewarten, wie wol ich sein feind nicht  bin, sondern auch hertzlich und demuetiglich gnade gesucht und gebeten habe  und alles gut gewuendscht. Hat er nu etwas widder mich, So sol mein landsfuerst  richter setzen Und er mit seinen hochgelerten verklage mich auffs scherffest  und beste er kan. Werde ich mich nicht verantworten, so bitte ich umb keine  gnade. Aber ich rathe es yhm nicht, Ja das fuelet er auch wol, das er mit  recht nicht viel gewinnen wurde, darumb wil er mit frevel und gewalt zu  mir einbrechen.

 

Und was wolt H. G. daraus machen, Wenn [Bl. B 4] ich noch heute  odder morgen heimlich mit eim guten freunde redet oder zu yhm schriebe, wie  ich H. Georgen entschueldigung fur nichts hielte, sondern dechte schlechts, er  were des furgenomen fuersten auffrhurs schueldig, und alle stueck anzeiget von  wort zu wort, wie sie yhm gestolen brieffe stehen? Was wolt er mir von  rechts wegen darumb thun? Jch hette (spreche sein Doeg) seine ehre und  glimpff geschendet — Wo da, mein schones lieb? Der brieff were ia heimlich,  Die rede were heimlich, Die gedancken weren heimlich. De occultis non  iudicat Ecclesia, multo minus iudicat de eisdem Magistratus. Wie kan denn  sein ehre und glimpff genomen werden, so kein offentliche rede, schrifft, zeuge  odder urteil gehabt mag werden? Odder sol man die hofeschrantzen zu Dresen  noch leren, was da heisse ehre und glimpff nehmen? Sie sollen mir heimliche  sachen ungericht lassen und des keinen danck dazu haben.1 Ja ich hette  gleich wol heimlich meinem nehesten damit affterredet: Ey lieber, da lasse  Gott und mein gewissen richter sein, ob ich wol odder ubel dran thu, Da  gebuert dir nichts zu wissen noch zu richten. Machte aber Hertzog George

 

 

[ 1 noch] nach E 3 leyder CD 6 gedancken] secretarū cogitationū I        ob Gott wil fehlt I 7 leyden CD 8 ein middel F 12 gewarten] warnemen F 15 hochgelerten] doctis I 16 beste] disertissime I 18 wuerde CD 20 H. G.] Hertzog George E 22 H.] Hertzog E 23 schueldig] nō expertem I        stuecke anzeigt CD 26 schoenes CD        Quo id tandē pacto lepidū meum capitulum? I 29 keine CD 30 Centauri Dresdensis aulae I 31 noch] nach E 32 nec vllā interim gr̄am a me ineant I 33 meinen E        Ey lieber fehlt I        Ey] J F]

 

 

 

[Seite 33]

[1. Mos. 38, 23] solche heimliche brieffe offenbar, so spreche ich: Er habes yhm, Er schendet sich  selbs damit und lasse mich ungeschendet mit seinem offenbaren.

 

Ja wie, wenn ich gleich yn offentlicher schrifft hette durch den druck  lassen ausgehen, das ich H. Georgen fur einen grossen narren hielte und unangesehen  seine entschuldigung dennoch als meinem feinde nicht gleubete, das  er an dem auffruerisschem bundnis unschuldig were: Was were yhm denn?  Wo mit wolt er mich zwingen, das ich yhm glewben mueste? Sonderlich so  er nicht ein Gott uber mein hertz noch herr uber meine zungen und feddern,  sondern mein feind ist? Es mueste mir ein seltzams newes recht sein, da mich  mein feind yhm zu glewben zwingen moechte. Wie mus ich thun, da er so  schendlich ynn der vorrede des newen Testaments und ynn seiner antwort auff  mich lestert, mehr zur ewiger schande dem loeblichen hause zu Sachsen denn  mir? Were ich sein oberherr, Er wuerde es villeicht lassen, Aber nu er mein  feind ist, mus ichs von yhm leyden. Aber hie, da ich yhm nicht glewbe, wil  er zuernen und toben, darumb das er denckt, er sey mein herr, ia des Kuerfuersten  herr dazu, Und kan sich nicht besynnen, das er nicht herr, sondern  feind sey und nicht solt herrlicher sondern feindlicher masse und gestalt hierynn  handeln.

 

Wolan, es sey davon gnug, wir wollen zur sachen greiffen und endlich  schliessen: Jst der brieff an D. Wencelaum nicht mein, so ists ein ertichter,  falscher, erlogener brieff, der mir on schaden sein sol. Jst er aber mein, wie  ich droben auff Hertzog Georgen bekentnis und that hab angenomen, So ist  an Hertzog Georgen mein ernstlich foddern von meinen wegen, Aber von  Gottes wegen sein ernstes gestrenges gebot, das er genanten brieff sampt allen  exemplaren, so davon abgeschrieben odder gedrueckt sind, bey einer todsunde und  verlust Goettlicher gnaden und seiner seligkeit mir oder D. Wencelao widder  heimstelle, als ein gestolen [Bl. C 1] und geraubt gut seinem rechten herrn und  besitzern, und also mit thetlicher voller erstattung den brieff widder heimlich  mache und dahin lege, da er yhn genohmen hat. Denn da stehet Gottes  gebot: Du solt nicht stelen, Welchem H. G. ia so wol unterthan sein mus  als andere menschen. Und er weis ia wol, das er solchen brieff als unser  gelt und gut widder unser wissen und willen ynne hat, lauts seiner eigen  bekendnis und dieser meiner offentlichen schrifft. Daneben auch uns beiden  erstattung thu unser beraubten ehre und glimpff und ander schadens und  nachteil, so uns durch yhn aus solcher unsers brieffes frevelicher offenbarung  entstanden ist, Und uns solchs wie eim Christen gebuert umb vergebung abbitte,

 

 

[ 1 so spreche ich fehlt I 4 H.] Hertzog E 5 entschueldigung CD 6 auffruerischem CD        buendnis CD 11 vorrhede CD 12 ewigen E 15 er fehlt F        zoernen CD 17 hertlicker F 25 exemplaren] exempla I        und fehlt F 26 odder CD        Wencelaum AF 25/26 tho hus stelle F 27/28 veris dn̄is ac possessoribus I 33 bekentnis D        beyden D]

 

 

 

[Seite 34]

[Matth. 5, 23] Matthei. 5: Wenn du dein opffer zum altar bringest und wirst daselbs  ynnen &c..

 

Mit solcher lasst wollen wir Hertzog Georgen gewissen beschweret haben:  Nicht wir, die keine gewalt uber yhn haben, sondern Gottes gebot (wie alle  welt weis) zwingt und foddert solches von Hertzog Georgen. Wird er das  verachten, so sehe er zu wen er verachtet. Und die pfarher odder beichtvater  muegen sich auch wol fursehen, das sie yhn nicht absoluiern noch das Sacrament  reichen, auff das sie nicht teilhafftig sich machen solcher sunden widder Gottes  gebot, Er selbs auch nicht bete noch opffere, Er habe denn zuvor dem gebot  [Matth. 5, 23] Gottes und dem Euangelio Matth. 5. itzt angezeigt gnug gethan. Wir wollen  entschueldigt sein, wir habens angezeigt und das unser gethan. Wird sie es  helffen, das wir ketzer odder geringe geachtet sind, das sol yhr gewissen mit  der zeit wol fulen, Und die erfarung sols klar machen, welchs teils bann  odder excommunicatio am stercksten sey: Obs der sey, der Gottes gebok fellet  und dadurch treibet, odder die, so menschen trewme on Gottes wort fellen.  Denn wir sind auch unter dem wort Nehester begriffen, das wissen wir.

 

Des gleichen wollen wir beschweret, das ist solch Gottes gebot angezeigt  haben allen seinen Rethen und dienern, so zu solchem brieffe geraten, geholffen  und gedienet haben, Und vermanen sie, das sie keinen schertz hieraus machen.  Denn ob wir wol keine oeberkeit noch gewalt uber sie haben, so zeigen wir  doch als die nehesten den an, der uber sie ist und solchs von yhn foddert  durch sein gebot, das da sagt: Du solt nicht stelen, Aus welches gebots krafft  wir unsern gestolen brieff widder foddern. Sie muegen auch zu sehen, das sie  nicht sich betriegen lassen durch unnuetze kleffer, die villeicht sagen wuerden,  Man koenne einem verdampten ketzer nicht unrecht thun. Denn ob schon ich  ein verdampter ketzer were, so wil Gottes gebot unverdampt sein, So ist auch  Doctor Wencelaus noch nicht mit namen verdampt odder verurteilet, welchem  dieser brieff furnemlich zustehet. Auch so bin ich auff dem Reichstage zu  Speyr durch ein offentlichs Keiserlichs Reichs Decret widderumb befreihet odder  zum wenigsten befristet, das man mich nicht kan einen ketzer schelten, weil  daselbs beschlossen ist von allen eintrechtiglich, das ein iglicher solle und muege  glewben, wie ers wisse gegen Gott und Keiserlicher Maiestet zuverantwor-  [Bl. C ij]ten; Und ich billich daraus als die ungehorsamen dem Reich und auffrhuerischen  beklagen mocht alle die, so mich einen ketzer schelten. Hat das  gebot zu Worms gegolten, da ich verdampt ward on bewilligung der besten  und hoehesten stende des Reichs, warumb solt mir denn das gebot zu Speyr

 

 

[ 1 Matth. viij. I 2 ynnen] indechtich F 3 wolden F 4 gewalt] ius I 6 pfarher] Kerckhere F 10 woellen CD 13 fuelen D        sols] solckes F 13/14 bann odder fehlt I 14 sterckesten D 19 vermanen] edicimus I        schertz]        schimp        [und so weiterhin]        F 20 oeberkeit] ius I 27 Doctor] D. E 29/30 odder bis befristet fehlt I 33/34 auffrhuerische E 34 moechte D]

 

 

 

[Seite 35]

nicht auch gelten, Welchs eintrechtlich durch alle stende des Reichs beschlossen  und angenohmen ist?

 

Darumb, sage ich, muegen sie sich wol fur sehen und furchten fur dem  gepot Gottes ‘Du solt nicht stelen’, Denn ich bin itzt auch fur der welt kein  ketzer. Das aber etliche fuersten und Bisschoffe widder solch des Reichs zu  Speyr ausgangen Decret toben und die leute gleich wol zwingen yhres gefallens  zu glewben, geschicht darumb, das sie heute odder morgen, wenn yhre stunde  kompt, on alle barmhertzigkeit zu grund gehen, als die nicht allein widder  Gottes wort und gebot getobet, sondern auch widder weltlicher oeberkeit gebot  und yhr eigen geluebde als die ungehorsamen und auffrhuerischen moerder  gehandelt haben. Drumb huete dich fur yhrem exempel.

 

Eben also entbieten und vermanen wir auch allen drueckern, setzern,  Correctorn und was mit solchem brieffe yn der drueckerey umbgehet, dazu allen  buchfuerern, keuffern und wer solche exemplar zu handen kriegt odder lieset,  das sie alle sampt und ein iglicher gewarnet wissen sollen, das sie unsern  gestolen brieff bey sich haben widder unser wissen und willen, darumb sie sich  hueten muegen und sich gegen gestolen gut halten, wie sie yhr gewissen leret,  auff das sie nicht mit Hertzog Georgen sunden beschmeisst und seiner schuld  teilhafftig werden. Denn da stehet das gebot: Du solt nicht stelen. Und  wolten solche unser trewe vermanung gutwillig annehmen, Denn wir uns  hie mit keiner gewalt odder oeberkeit uber yemands anmassen, Uns lege auch  unserthalben nichts daran, das solcher gestolen brieff bey yederman were, Aber  aus bruederlicher Christlicher pflicht thun wir diese vermanung, eines iglichen  gewissen so viel an uns ist trewlich fur sunden und Gottes zorn zu warnen,  Denn uns nicht lieb, ia nicht zu leyden ist, das unserthalben yemand sich solt  mit frembden sunden gegen Gott verwickeln, Es ist der eigen sunden schon  zu viel.

 

Solch antwort wil ich, wie oben gesagt, gegruendet haben auff Hertzog  Georgen bekentnis, als were der brieff mein, Wie wol ichs ungerne gethan  habe. Denn ich lieber gesehen hette, das Hertzog George yhm hette lassen  benuegen an der ersten guetigen antwort, Darynnen ich genugsam anzeigt, Er  solt mich unversucht lassen mit solchem brieffe Und das er Mein herr nicht  were. Aber er hats nicht wollen annehmen noch verstehen, so hart ist er mit  der anfechtungen, mich zu dempffen und zu schenden behafft gewest. Und mich  dunkt, das ich dennoch hiemit meinen Adam gantz hab ym zawm gehalten  und glimpfflich gnug widder Hertzog Georgen, meinen feind, gehandelt. Denn  wo ich meine handschrifft und siegel gewislich hette von Hertzog Georgen wissen

 

 

[ 1 eintrechtiglich E 3 Quare non temere est, quod ... iubeo I 4 gebot D 5 Fuersten D 6 und fehlt E 12 setzern] cōpositoribus I 21 oeberkeit] ius I 22 yderman D 23 Christlicher fehlt F 26 suende F 29 bekendnis D 33 woellen D 34 anfechtungen] tentatione illa, vl’ potius libidine I 35 duenckt CD]

 

 

 

[Seite 36]

[Bl. C iij] zu foddern und nicht auff eine ungewisse abschrifft handeln mussen,  were zu besorgen gewest, ich wuerde yhm die sporen anderst gerinckt1 und yhn  gelernt haben, wie er solt nach frembden brieffen grobeln und darauff trotzen.

 

Zu dem so habe ich mich auch enthalten und enthalte mich noch zu  antworten auff die vorrhede des newen testaments und auff seine antwort  mir gethan, ob ich mit gedult kuende etwas erlangen bey dem angefochten  unruegigen man. Denn wo er fort faren und den schlaffenden hund nicht mit  frieden lassen wird, so moechts warlich ein mal geschehen, das ich dem fass den  boden ausstiesse und eins mit dem andern bezalete. Jch wil dem Hertzog  Georgen sampt allen seinen klugelern zu recht und kunst mans gnug sein, wie  bis her geschehen von Gottes gnaden, dazu wird mir mein Gott und Herr  Jhesus Christus helffen, wie er uns verheisset und spricht: Jch wil euch  mund und weisheit geben, der nicht widderstehen sollen alle ewer widderwertige.

 

Denn ich wil Hertzog Georgen nicht leyden noch haben zum recht sprecher,  so wenig als ich yhn zum herrn haben odder leyden wil, wie er doch trotzlich  sichs beides vermisset und unterwindet. Das recht sol er suchen bey meinem  uberherrn und nicht also daher trotzen und poltern: Jch Hertzog George habe  den Luther und Lincken geurteilet und unrecht funden, Darumb hencke du  Kuerfuerst odder Stad Nurmberg und sey mein hencker und knecht, greiff sie an  und gebeute yhn, was ich dir befelhe. Nicht das er solche wort furet, Aber  mit der that stellet er sich gleich als wolt er gerne also reden. Denn was  ists anders, wenn er so trotzig schreibt und begerd vom Kuerfuersten und vom  Rath zu Nurmberg, auch von mir selbs, wir sollen yhm den brieff zustellen,  bekennen und furchten &c.. denn so viel gesagt: Thut was ich euch heisse, das  recht wil ich euch leren und darffs nicht bey euch suchen noch holen?

 

Der loebliche Kuerfuerst zu Sachsen ist von Gottes gnaden noch wol so  klug, hat auch noch wol so viel verstendige leute bey sich, das er Hertzog  Georgen zum furmunden odder zum recht sprecher sein land und leute zu  regieren nicht bedarff. So ist ein Erbar Rath zu Nurmberg so beruffen von  Gottes gnaden mit weisheit und gerechtigkeit2, das Hertzog George yhr meister

 

 

[ 2 gerinckt] gespannen F ne calcaria illi, quod aiunt, aliter cōstricturus I 3 geleret F 6 gedult] hac animi lenitate ac patiētia I 8 warlich fehlt F 9 et veteres iniurias simul cū nouis retaliarē. I 10 kluegelern D sciolis I        kunst] doctrina I 12 verheisst CD 13 weddersakere F 15 odber AB odder CD 16 sich beydes CD 18 dencke du ABCDEF fehlt I 23 scholden F 25 suchen noch holen] petam I 28 furmuenden D 29/30 tacita floret sapiētiae iustitiaeq; laude I]

 

 

 

[Seite 37]

 nicht sein sol. Und ich Luther wils, ob Gott wil, yhm und seinen klueglingen  [Ps. 119, 98 ff.] noch wol drey iar zu raten geben, Denn Gottes gebot (spricht David) macht  mich klueger uber alle meine meister, uber alle weisen und uber alle alten,  So mus widderumb von noeten das folgen: Wer Gottes gepot veracht und  uberferet, das der musse der groessest narr sein uber alle narren, das kan mir  nicht feylen, das weis ich furwar.

 

Und wenn denn gleich der Teuffel selbs mit alle seinen engeln solchen  meinen brieff widder mich setzten, welcher doch alle ding kan zum ergesten  machen, wolt ich dennoch sein ynn Christo erwarten und sehen, was er mir  damit thun wolt. [Bl. C4] Denn wie wol der brieff meinen gedancken fast  ehnlich ist, das mich selber duenckt er sey mein, Doch ich ym gewissen (wie  gesagt) nicht gewis sein kan, weil ich meine handschrifft nicht habe, So ists  dennoch kein verrheterscher brieff, denn nichts von auffrhur, verrheterey, wuetterey  odder der gleichen boeses furnehmen darynnen gehandelt wird, daraus man  ursache haben kuende, widder mich zu handeln, sondern allein wird Hertzog  George darynnen heimlich geurteilet, was ich von yhm als meinem feinde fur  Gott und ym gewissen halte.

 

Nu sol mir Hertzog George die freiheit lassen, das ich yhn heimlich  urteile mit gedancken, schrifften, reden, wie ichs fur Gott weis zu verantworten  und sols keinen danck dazu haben. Grobelt er aber darnach hinder meinen  wissen und willen und lesst mirs abstelen und findet als denn, das yhm  verdreusst, so hab ers yhm und ein gut iar dazu, Und lasse den Kuerfuersten,  die zu Nurmberg und mich mit seinem stoltz und pochen und meistern zu  frieden. Was gehet yhn not an? odder wer hats yhm befolhen, solches zu  ergrobbeln und zu stelen? Er sol yhm benuegen lassen, das ich offentlich fur  der welt sein verschone.

 

Und wer wil mich des verdencken, das ich von Hertzog Georgen als von  meinem aller gifftigsten, bittersten, hoffertigsten feinde boeses gedencke, rede odder  schreibe? wie wol ich allzuviel guts ymerdar von yhm rede, so er doch auch  von mir nichts denn das ergeste gedenckt, redet und schreibet, beide heimlich  und offentlich, so ich doch sein feind nicht bin? Und er solt mich zwingen  kein boeses von yhm heimlich zu reden odder zu schreiben? Wenn er solt alles  ergrobbeln und erfaren, was heimlich von yhm geredt, geschrieben und gedacht  wird, Ja was ich alleine gehoert und gelesen habe, ich meine ia, Es solt yhm  der kuetzel und lust, heimliche brieffe und rede zu ergrobbeln, gebuesset werden.  Jch bin fro das ich nicht alles erfare, was man offentlich widder mich redet  und schreibet, schweige das ich suchen odder wuendschen solt, was man heimlich  von mir handelt. Das sey davon genug.

 

 

[ 4 gebot D 8 setzen D 11 mein] merae I 12 weil] quam diu I 16 heimlich] priuatim et secreto I 20 sols] solckes F        ac ne gratiam quidē eo nomine vllam a me inibit. I 34 gehort CD 37 heimlich] priuatim et secreto I]

 

 

 

[Seite 38]

 Von dem fuerstlichen bundnis odder auffrhur, des er sich nu zum dritten  mal entschueldigt, sage ich also: Jch achte mich fur der einen, die solch bundnis  zu glewben gewehret und fur nichtig zu halten geraten haben. Und ich duerfft  umb einen finger wetten, mein wehren hette mehr gethan, denn noch heutiges  tages thun alle drey entschuldigung Hertzog Georgens. Und wenn ich nichts  anders gehabt hette, das mich bewogen hette solch bundnis fur nichtig zu  halten, denn Hertzog Georgens alle drey entschuldigunge, wolt ich warlich  darauff nichts gebawet haben, Ja ich wolt meinen rock darumb geben, das  ich so gewis were, das Hertzog George selbst fur Gott ynn seinem gewissen  glewbte, das solch bundnis aller ding nichtig und ertichtet were.

 

Nicht das ich Hertzog Georgens entschueldigung wolt fur unglaublich  gehalten haben, Denn [Bl. D1] ich bin fro, das solche entschueldigunge heraus  komen sind, wenn sie gleich Hertzog George selbs fur falsch und erticht hielte.  Es muest ia kein guts ynn des hertzen sein, der solch bundnis nicht lieber  wolte fur nichts und falsch, denn fur warhafftig und gewis halten und  glewben, so es yhm zu solchem glawben nur komen kan, wie denn durch solche  entschuldigung yederman wol und fueglich dazu kompt.

 

Es ist aber ein woertlin, das heisst Aber, das hat den bauch vol mancher  seltzamer glosen. Solches Aber macht, das du und ich mussen zu weilen nicht  glewben noch wissen, das wir doch glewben und wissen, Widderumb glewben  und wissen, das wir doch nicht glewben noch wissen. Darumb ist noch itzt  mein rath und bitte, Yederman wolte solch bundnis fur nichtig halten, als  das freylich mit keiner offentlichen beweisunge bisher ist beybracht, und Gott  helffen trewlich bitten, das hinfurt ewiglich also nichtig bleibe, welches warlich  mein hertzlich gebet und wundsch ist gewesen und noch ist. Denn was kuende  grewlichers auff erden der Teuffel anrichten, denn so dieser bund fur warhafftig  und gewis solt gehalten werden? Da were der bauren auffrhur ein  lauter schertz und spiel gewest gegen diesem fuersten auffrhur. Wir wollen  auch hoffen, Gott werde solchs gebet gnediglich erhoeren und solch bundnis  nichts lassen sein und bleiben.

 

Aber das ich darumb solt gezwungen sein, von Hertzog Georgen odder  etlichen andern zu glewben, das sie heimlich unschueldig weren, so ich dawidder  grosse ursachen und grund hette, das wird mich niemand bereden. Denn  gedancken sind zolfrey1, Und mag wol bey mir selbs und guten freunden

 

 

[ 1 buendnis D 2 buendnis D 3 geholden geraden hefft F        haben] hat ABCDE 5 entschueldigung CD 6 buendnis D        nichtig] nicht D 7 entschueldigunge CD 10 buendnis D 11 entschuldigung D        vngeloeuich F 13 hielte] sciret I 14 must D        buendnis D 17 entschueldigung D 19 glosen] interp̄tationibus I 21 doch] noch F        noch] vnd E 22 buendnis D 25 wuendsch D 29 buendnis D]

 

 

 

[Seite 39]

 heimlich also reden: Es hat freilich an Hertzog Georgen und dieses .N. guten  willen nicht gemangelt aus der und dieser ursachen, welche ich nicht erzele,  Denn ich kan offentlich nicht reden von heimlichen sachen.

 

Also kan ich auch wol heimlich dencken und reden: Hertzog Georgens  entschueldigung ist aus der massen kalt, faul und lose, wie ich sie denn noch  heutiges tages alle drey kalt, faul und lose heimlich halte. Jch rede itzt fur  mich alleine und heimlich von heimlichem glawben meines gewissen, damit  niemand offentlich verpoten odder gesagt wird, was er glewben sol odder  muege. Ja, offentlich ists billich und recht, das man glewbe und halte, Es  sey seine entschueldigung eitel hitze, krafft und ernst, dazu ich yederman vermane  und bitte, wie droben gesagt.

 

Summa: offentlich halte und weis ich, das Hertzog George meiner lere  todfeind ist, das bekennet er mit freuden und wil des ehre und rhum haben,  wie er denn hat. So weis ich fur mich, das meine lere Gottes wort und  Euangelion ist, das leucket er und ist auch gehalten fur der welt also wie er  leucket. Draus mus folgen, das er nichts guts von mir gedenckt und ich  mich widderumb keines guts zu yhm versehen kan, Sondern mus glewben,  wo ers thun kuendte, wie er denn auch [Bl. Dij] rhuemet ynn seiner antwort,  das er mich mit meiner lere ausrottet sampt allen, die daran hangen und  glewben, wie auch die that und werck zum teil beweisen am tage. Aber Gott  sey lob, das ers nicht thun kan noch volbringen wird, was er ym synn hat.

 

So er denn ynn meinem gewissen wider Gottes wort tobet, So mus  ich heimlich glewben, das er widder Gott selbs und seinen Christum tobet.  Tobet er widder Gott selbs, so mus ich heimlich glewben, Er sey mit dem  teuffel besessen, Jst er mit dem teuffel besessen, so mus ich heimlich glewben,  das er das ergeste ym synn habe. Solchs rede ich itzt heimlich von heimlichem  glawben meines gewissens, der offentlich nicht not ist zu beweisen odder andern  zu glewben, auff das Hertzog George nicht abermal zu grobeln und meine  heimliche rede zu stelen ursache habe. Denn aus diesem allen folget nicht,  das Hertzog George sey zu schuldigen des bundnis halben odder das solchs  bundnis etwas sey, sondern allein, wie ich fur mich heimlich glewbe und weis,  das am guten willen noch heutiges tages nicht mangelt, wie wol solchs auch  bey mir selbs noch nicht die rechten knoten sind, die mich des bundnis heimlich  zu glewben bewegen. Ob ich hie recht glewbe odder unrecht, stehet keinem  menschen zu zu urteilen, sondern Gott alleine, der die hertzen und nieren  [Ps. 7, 10] forschet und pruefet, Psalm. vij.

 

 

[ 4 ich wol auch C 5 lose] absurda I 6 lose] absurdas I        heimlich] privatim I 7 gewissens E 13 tod feind D 15 & mundi quoq; iuditiū cum illius negatione atq; sententia cōuenit I 20 zum teil] satis I 22 Cum igitur cōsciētia mea mihi dictet, illum ... seuire I        widder D 30 schueldigen D        buendnis D 31 buendnis D 33 knoten] ratiōes I        buendnis D]

 

 

 

[Seite 40]

 Darumb verwundert mich der leute kuenheit odder viel mehr blindheit,  das sie solchen vermeineten meinen brieff auslassen, ehe denn sie gewis sind,  das er mein ist, Dazu noch toerichter handelen, das sie yhn dar geben als  einen offentlichen ausgegangen brieff, so sie doch daneben selbs bekennen, Er  sey heimlich an D. Wencel geschrieben. Es solt ynn einer fuerstlichen Cantzley  nicht ein solcher Esel Cantzler sein, der heimliche brieffe ausgelassene brieffe  nennete. Aber der wuetige, unruegige rachgyrige hass und neid treibt und iagt  sie, das sie widder sehen noch hoeren. Denn das mich Hertzog George schilt  einen verzweiveleten, ehrlosen, meyneidigen bosewicht, da spreche ich Deo gratias  zu: Das sollen meine Schmaragden, Rubin und Demand sein, damit mich  fuersten sollen schmuecken fur die ehre, so weltliche oeberkeit aus dem Euangelio  hat. Denn weil Hertzog George meine lere fur ketzerey helt, kan ich yhn  meinethalben des wol entschuldigt haben, Christus aber wirds wol finden.

 

Das ist mir aber nicht zu leyden, weil ich mich des gestolen brieffes  angenomen habe, das sie das stuecke ‘Deus confundet Morotaton Moron’ also  verdeudschen ‘Gott schende den aller nerrichten narren’ Wie wol die groben  Eselskoepffe, wer sie auch sind, schier nichts wol verdeudscht haben, so ist doch  dis stuecke nicht allein ubel, sondern auch schelcklich verdeudscht, Denn ich halts  nicht, das Hertzog George selbs verdeudscht habe. Das mus mir ein iglicher  deudscher zeugen, Das ynn deudscher sprache dis ein fluch ist, wenn ich sage  ‘Got schende’, und als ich achte der aller grewlichst fluch, so ynn deudscher  sprache ist. Darumb hat [Bl. Diij] der Teuffel und ein bube zu samen gethan,  mich fur der welt an zugeben, als hette ich Hertzog Georgen auffs aller ergeste  geflucht, damit er alle meine lere von weltlicher oeberkeit zu nichte machte, so  er doch wol weis, das kein Doctor fast sint der Apostel zeit so herrlich von  der Maiestet odder weltlichen oeberkeit geleret und geschrieben hat als ich.

 

Denn ob Hertzog George wol mein feind ist, doch weil er ynn der  Maiestet sitzt, habe ich freilich nie ym synn gehabt, widder yhm noch einiger  oeberkeit zu fluchen, Sondern ich weis, das man sie segenen und fur sie betten  sol, sie duerffens auch wol. Jch wolt dem Teuffel selbs nicht also fluchen.  [2. Mos. 20, 5] Des Bapsts werck ists gewest, koenige und fuersten zu verfluchen bis yns dritte,  [1. Petr. 2, 13. 18] siebend, neunde gelied, wie .1. Pet. 2. von yhm gesagt ist: Jch habe sie viel  mehr durch mein Euangelion von solchem und allem fluch erlediget und zu  ehren gesetzt, Nicht ich, sondern Gottes wort durch mich und meine gehuelffen.  Das ich sie aber straffe und urteile umbs unrecht odder Gottlos wesen, das  thut auch Gottes wort und ich meines ampts wegen.

 

 

[ 1 Darmb C 7 vnrigige D        rachgyriger ABCD 9 boesewicht D 11 weltliche oeberkeit] ipsi omnesq; reliq̱ ciuiles magistratus I 13 entschueldigt D 14 brieffs D 15 stuecke ] membrū I 16 narrischen F 18 schelcklich] infideliter & maligne I 21/22 in vniuersa nostra lingua I 23 aller fehlt F 28 nie] newerle F 30 sol] so D 34 gehuelffe D 35 umbs] vmme F]

 

 

 

[Seite 41]

 Confundere heisst pudefacere, Confundi pudefieri, Das ist: Confundere  heisst zu schanden odder zu nicht machen, Confundi mit schanden bestehen  [Röm. 10, 11] odder zu schanden werden, Als Rom. 10: Wer an yhn glewbet, der wird nicht  mit schanden bestehen. Darumb hoere, du Eselskoff zu Dresen ynn der  Cantzley: Confundet non est optativi vel imprecantis, sed indicativi predicentis,  Confundet legis et transfers Confundat. Also soltestu es recht und wol verdeudscht  haben: Gott wird den grossen narren zu schanden machen. Wiltu  wissen wie? Nemlich also, Das Hertzog George nerrisch thut, das er sich  widder mich und mein wort legt, drumb auch Got anfehet mit yhm, das er  sich uber diesem brieffe selbs zu schanden macht, fellet ynn einen offentlichen  diebstal, dazu lesst den brieff ausgehen, des er ungewis und widder siegel  noch handschrifft hat Und der massen widder mich schreibt, das er bey vernuenfftigen  leuten yhm selbs grossen abfall, verachtung und verdacht zuricht.  Dazu hastu villeicht yhm geholffen und geraten, So habt auch beide was yhr  daran gewinnet.

 

Endlich ist noch mein unterthenige bitte an Hertzog Georgen und allen  seinen anhang, sie wolten ein mal auffhoeren und unser lere mit frieden lassen,  sonderlich weil sie wissen das uns zugelassen ist auffm Speyrischen reichstag  zu glewben, wie wirs trawen gegen Gott und keiserlicher Maiestet zuverantworten,  und wolten sich selbs nicht uber und widder solchs des gantzen Reichs  Decret setzen, So wollen wir (wie wir bisher gethan) widderumb ynn aller  stille und friede yhn dienen, hertzlich fur sie gegen Gott bitten, helffen, raten,  tragen und heben nach alle unserm vermuegen. Begeren wir doch nicht mehr,  denn fride und stille zu sein, wie es denn Gott lob ym Kuerfuerstenthum fein  stille mit lere und leben gehet. Wir bitten, sage ich, noch eins umb Gottes  willen, das sie [Bl. D4] wolten unser lieben gnedigen herrn sein, ists mueglich  zu erbitten. Und zum warzeichen meines ernstes wil ich H. G. und allen  mitgenossen hie mit hertzlich vergeben und yhn der last, so ich droben durch  Gottes gepot auff yhn bezeuget hab, entnomen und mich selbs fur Gott damit  beladen haben umb deste sicherer erwerbung willen der gnaden Gottes, Und  sol alles schlecht und absein, vergessen und ausgetilget, was mir durch diesen  brieff zu leyde geschehen ist.

 

Jst das nicht gnug, Wolan so las das recht gehen. Mein gnediger  herr setze gen Aldenburg odder Eilenburg zween aus dem Kuerfuerstenthum,  zween aus H. Georgens fuerstenthum, zween aus der Pfaltz, zween aus der

 

 

[ 3 schanden fehlt F 4 Eselskopff D 5 predicentis] precantis F 9 anfehet] incipit cōfundere I 11 lett he den F 12 handschrifft] Archetypon I 12/13 apud Cordatos viros I 16 meine D 22 Gott] se F 23 heben] boeren F subleuabimus I 26 si quis p̄cibus locus est I 28 mitgenossen] q̱ in eadem sunt causa I 29 gebot C 34 gen] tho F 35 zween aus H. Georgens fuerstenthum fehlt I        H.] Hertzog E]

 

 

 

[Seite 42]

 Marck, zween aus dem Stifft Mentz odder wie viel man wil, Und Hertzog  George lasse mich auffs beste verklagen, so er ymer kan: Jch wil leiden mein  recht, Was sol ich mehr thun? Nicht das ich mich zu solchem recht erbiete  meiner heimlichen brieffe odder reden halben, Denn die selbigen wil ich ym  heimlichen gericht Gottes lassen und von aller welt unverklagt und ungericht,  sondern frey, doch heimlicher weise zugebrauchen haben, Wie wol (wo es sein  kuendte odder mueste) der selbigen auch nicht schew hette, fur offentlichen gerichte  komen zu lassen. Aber weil es nicht not ist noch zymet, wil ich niemand  damit zu recht bemuehet und von Hertzog Georgen und yderman derselbigen  halben unangefochten und unbekuemmert sein. Des und kein anders.

 

Hat aber uber solchs Hertzog George etwas widder mich, sol yhm solch  recht offen stehen, Denn wie gesagt: ich wil Hertzog Georgen widder zum  richter, rechtsprecher, meister noch herrn haben, sondern zum feinde, anklager  und widdersacher. Hertzog Johans der Kuerfuerst ist mein herr und Keiser  Karol, Der selbige Hertzog Johans ist von Gottes gnaden fuerstens genug, Hertzog  Georgen und yderman rechts zu pflegen uber seine unterthane, weiter gestehe  ich keinem einige hirschafft auff erden uber mich dis iar. Wollen sie aber  solcher gnade und recht nicht, so las sie meine ungnedige herrn bleiben und  zuernen, bis die grawen roecke vergehen. Und muegen wol beyde zapffen und  roren yhrer gonst und gnaden abhawen und das fas und born alleine behalten,  Gott gebe es werde essig odder laur1 draus, gilt mir gleich viel.

 

Denn ich sehe wol, yhe mehr man sich demuetiget und flehet, yhe stoltzer  und troetziger sie werden2, Und lassen sich duencken, man demuetige sich und  gebe darumb so gute wort, das man sich zu tod fur yhn furchten solle und  nirgent fur yhn zu bleiben wisse. Nein lieben zornigen iunckern, man gibt  euch darumb so gute wort, das man hoffet, der teuffel so euch reitet, solle  weichen und Ein gut wort solle eine gute stat finden, Und geschicht euch zu  gut, ob man euch kuendte fur sunden behueten und ewren schaden verkomen3,  den yhr nicht sehen kuend noch wolt. Man weis fast wol, das yhr die welt

 

 

 

[ 1 Marck] ditione Marchionis Ioachimi I 1/2 Hertzog George] H. G. E 2 auffs beste] quam grauissime possit I 8 zu fehlt F 9 bemoeden F        Hertzog Georgen] H. G. E 13 rechtsprecher] patronū I 15/16 Hertzog Georgen] H. G. E 16 weiter] voerder F 17 herrschafft E 19 rocke D        dum vestes caesij coloris in usu esse desierint I 19/21 Und muegen bis viel fehlt I 21 laur] lur F        daraus E 28 schaden] exitiū I]

 

 

 

[Seite 43]

 nicht so rohe fressen werdet als yhrs gedenckt. Es sind ihenseit des bergs  auch leute, So ist Christus auch noch koenig und herr auff erden, [Bl. E1] ob  er sich gleich schwach stellet. Aber huet dich fur yhm, Denn es heisst warlich:  ‘Huett dich fur kan nicht’ und: ‘stille wasser sind tieff, Die rausschende wasser  sind nicht grawsam’.1 Weil sie denn mit mir wollen spielen des sprichworts  ‘Wer da fleugt den iagt man’2, Und deuten meine demut eine flucht, so mueste  ich widderumb mit Christo aufferstehen und des sprichworts auff yhn spielen  ‘Wenn man eim bawrn flehet, so wechst yhm der bauch’.3

 

Jsts nicht der leidige teuffel, der yhm nicht benuegen lesst, das er auch  Got ist auff erden, sondern wil alleine Gott sein und den rechten Gott schlecht  nichts lassen gelten? Da stehet das Decret des gantzen Reichs zu Speyr  beschlossen, das ein iglicher muege glewben, wie ers gegen Gott und keiserlicher  Maiestet vertrawet zuverantworten, Welchem H. George und seine gesellen nicht  alleine zu widder leben und streben, sondern wollen auch uns und yederman  zwingen dawidder zu streben, toben, morden, veriagen, verfolgen, rauben und  verbieten zinse und gueter, die sie nicht gestifft noch recht dazu haben: Noch  sol man sie nicht auffrhuerisch, ungehorsam noch moerdisch schelten, Faren daher  als weren sie uber das gantze Reich, niemand unterthan: ‘Jch, Juncker aller  Junckern bin allein herr und fuerst uber alle fuersten deudsches landes, uber  das gantze Reich und alle seine gebot und ordenung, Oben aus und nirgent  an. Mich sol man furchten, Mir allein gehorsam sein. Was ich wil das  sol recht sein, trotz wer anders dencke odder rede’. Lieber, wo solt solcher  [Jes. 16, 6] auffgeblasener Moab zuletzt hinaus, denn das er gen hymel auch fure ynn  Gottes stuel und ampt, fienge an heimliche rede und brieffe und gedancken zu  forschen, richten und straffen? Und wil yn solchem allen dazu noch gerhuemet  und geehret, gefurcht und angebettet sein, gnad Juncker.

 

Darumb wil ich hinfurt also thun: Erstlich wil ich das siebende gebot  Gottes, davon droben gesagt, auff hertzog Georgen und seiner hofeschrantzen

 

 

 

[ 1 so fehlt F        rohe] crudeliter I 4 Caue eū q̱ in spetiē imbecillis est I 5 grawsam] metuēda I 6 einen flock F 7 auff] mit BCEF 8 flehet] biddet [und so immer] F 13 George] G. BCDE 14 yderman BCD 15 toben] Sie toben BE        Sie toedten CD Se douen F 18 nemandes F        vnherthan AB 20 summa petens, & nusq; impingens I 23 gen] na F 24 fange F 26 gnad Juncker] clemens dne I 27 siebend gepot D 28 Hertzog Georgen] H. G. E        aulicorū ipsius centaurorū I]

 

 

 

[Seite 44]

 gewissen lassen bleiben mit aller lasst und band, so es mit sich bringet, angesehen  das nichts helffen wil widder demut noch flehen, widder gonst noch  gnade, widder gute wort noch freundlich erbieten, widder billigkeit noch recht.  [4. Mos. 16, 15] So wil ich auch, wie Mose widder seinen Korah thet, mein gebet, so ich  bisher fur sie gethan, widder sie wenden. Triffts H. Georgen so hab ers  yhm, Er ist genugsam gewarnet, Und auff das er nicht abermal diebe ausschicken  musse, die solch mein gebet heimlich ergrobbeln und stelen, wil ichs  yhm hiemit offentlich darthun, Und sol nemlich sein der siebende Psalm,  welcher laut also:

 

[Bl. Eij] dich traw ich, Herre mein Gott, hilff mir von  allen meinen verfolgern und errette mich.

 

[2. Sam. 16 7 f.] Ja lieber Herr Jhesu Christe, du weisest es, das gleich wie der bube  Semei dem frumen David schuld gab und flucht yhm als einem bluthunde,  der das koenigreich dem Saul hette genohmen, also schelten mich itzt boese  meuler auch, als hette ich durch secten auffrhur, blutvergissen, dem Bapst  sein reich zu schanden gemacht. Wie sol ich thun? yhr ist zu viel, Jch weis  kein rath noch huelffe, on allein bey dir. Darumb trawe ich auff dich: hilff  mir, mein Herr und mein Gott, von solchen tyrannen und verfolgern, die  wol wissen das sie mich felschlich beliegen und selbs eitel bluthunde und  moerder sind,

 

Das sie nicht wie lewen meine seele erhasschen und zureissen,  weil kein erretter da ist.

 

Sie habens warlich ym synn, lieber Herr, und grymmen wie die lewen  widder mich. Keine sache light yhn so hart an als der Luther: wenn sie den  zurissen hette, so weren sie selig. Hie hilfft kein demuetigen noch ehrbieten,  kein flehen noch beten, sondern eitel lewen grym und wueeten, eitel wuergen  und schaden ist da.

 

HERR, hab ich solches gethan und ist unrecht ynn meinen  henden, Hab ich boeses vergolten die mir fridlich waren oder meine  feinde on ursache ausgezogen, So verfolge mein feind meine seele  und erhassche sie und zurtrette mein leben yn die erden und lege  meine ehre ynn den staub.

 

Ja mein Herr und Got, Jst meine lere auffrhuerisch und rottisch odder  ketzerisch, wie sie sagen, und habe nicht viel mehr die rechte einigkeit des  glaubens und der liebe geleret und die oeberkeit und friede mehr gepreiset,  denn sie alle sampt, Hab ich auch dem Bapstum mutwilliglich und nicht durch

 

 

[ 1 und band fehlt I 3 gut D        noh D 5 Georgen] G. E        habe D 7 muesse D 10 traw ich, Herre] HERE truwe ick F 11 redde F 12 lieber fehlt I 13 Simei D 21 sie] he F        lewen] ein louwe F        ergrype, vnde thoryte F 22 redder F 28 Here myn Godt F gethan fehlt I 29 boeses] hoeses D        den de frede mit my hadden F        oder] odder D ader F 31 ergrype F        in de erde myn leuent F 35 geleret] longe accuratius docui I 36 Bapstum] pontificis Tyrannidē I        mutwilliglich] dedita opera I]

 

 

 

[Seite 45]

 yhr selbs treiben und hetzen yhr tyranney geschwecht und ausgezogen, so sey  du richter und straffe mich on gnade, lasse meine feinde zu ehren und mich  zu schanden werden, yhr ding empor yn [Bl. F1] den hymel und meine lere  ynn abgrund der hellen fallen. Jst aber der keines und meine lere ist fur  dir recht und gefellig, Und doch sie nicht wollen auffhoeren, zu wueeten und  zu toben:

 

So stehe auff, HERR, ynn deinem zorn Und hebe dich uber  den grym meiner feinde Und erwecke mir das gericht, das du  gepoten hast.

 

Es ist bisher gnade gnug gewest, sie wollen derselbigen schlechts nicht.  Wolan, so las doch sehen, ob dein zorn hoeher und mechtiger sey denn yhr  grym, las sie an lauffen und sich stossen, das sie stortzen und portzeln, Und  bestettige damit das gericht und ampt des worts, das du mir befolhen und  mich dazu beruffen hast. Denn du weist, das ich mich selbs zu solchem ampt  und werck widder den Bapst und meine feinde nicht eingedrungen noch dasselb  gesucht habe, sondern du hast mich hinein bracht uber und widder meine  gedancken und wissen durch yhr unruegiges toben und blutduerstiges wueeten.

 

Und las sich die gemeine der leute umb dich her samlen Und  umb der selbigen willen kom widder empor.

 

Jst doch mein hertzlich bitte und wundsch, mein vleissigs leren und  schreiben nicht anders denn dahin gericht, das der elende hauffe deines volcks,  so durch menschen trewme und secten so iemerlich zurtrennet und zuriagt und  wie ein herd schaff zuscheucht und verirret waren, widderumb zu dir versamlet  und von den rotten allenthalben zu dir bekeret wurden, ynn dem einigen  glawben und geist dich erkenneten als yhren einigen hirten und meister und  Bisschoff yhrer seelen. Umb welcher willen ich auch noch bitte, du wollest  dich und dein wort erhoehen und erhalten durch unser ampt, auff das sie bey  dir und umb dich ynn solchem einigem glawben bleiben muegen. Denn ich ia  nicht gesucht habe, das sie an mir hangen solten odder ich ehrlich und hoch  worden, sondern zu dir hab ich sie geweiset und an dich gehenget, das du hoch  und empor, herrlich und loeblich unter yhn sein soltest.

 

Der HERR richtet das volck.

 

Du bist allein richter, meister, lerer, prediger ym volck, wir aber sind  nur dein wergzeug, wir pflantzen und begissen, du gibst das gedeien.

 

Richte mich, Herr, nach mei[Bl. Fij]ner gerechtigkeit und  fromkeit.

 

 

[ 3 empor] erhoege F 7 So fehlt F 7/8 erheff grimmicheit F 10 schlecht D 12 stoertzen D        portzeln] polteren F 14 Denn du weist] scio em̄ I        du] nu F        weisst D 18 gemeine] vorsammelinge F 19 kum vmme der sueluen willen wedder vp F 20 wuendsch D 23 thoschuchtert F        veryrret D 24 wuerden D 31 empor] ouersick F 34 gedeyen D]

 

 

 

[Seite 46]

 Wiewol ich fur dir ein armer sunder bin, der dein gericht nicht leyden  kan, so weis ich doch, das ich widder meine feinde recht habe und frum bin.  Denn mein lere ist recht und unstrefflich, So thu ich auch am leben yhn kein  leid, sondern alles gut, Denn ich suche friede, ich bitte fur sie, lere sie, Aber  sie wollen nicht und verdammen beide meine lere und leben. Darumb bitte  ich umbs recht, richte, urteil und beweise, das sie mir unrecht thun, beide am  leben und an der lere. Amen.

 

Las der Gotlosen bosheit ein ende werden und fodere die  gerechten, Denn du, gerechter Gott, prufest hertzen und nieren.

 

Wollen sie nicht auff hoeren, so schaffe, das sie mussen auffhoeren mit  yhrem wueeten und verfolgen Und bestettige unser lere und thun, welchs da  recht ist durch dein wort und geist Und decke auss und mache zu schanden yhr  falsches leren und leben. Denn du weisst, das yhr hertz und nieren voller  bueberey und schalckeit ist, ob sie wol von aussen sich schmuecken mit allerley  heucheley und gutem schein, bey dem armen man glimpff und zufall zu finden.  Solches alles wirstu thun, das weis ich, Denn

 

Mein schild ist bey Gott, der den auffrichtigen von hertzen  hilfft.

 

Jch weis, das du mich verteidingen wirst und unser lere beschirmen,  und solten die tyrannen bersten und tol werden. Denn unser Gott hilfft den  auffrichtigen von hertzen und nicht den falschhertzigen und schalcksheiligen, Denn

 

Got ist ein rechter richter und ein gott der teglich drewet.

 

Ja freilich ein rechter richter fur uns armen unschueldigen, die sein wort  rein einfeltiglich haben, das wir von der tyrannen wueeten erloeset werden,  Widderumb auch ein Gott der teglich drewet solchen wueeterichen, die widder  sein wort und widder die seinen on unterlas toben. Er drewet noch und ist  langmuetig uber sie, ob sie sich bekeren wolten und yhn furchten. Wo nicht,  so wird ers yhn warlich nicht schencken Und dazu nicht seumen, Denn

 

Wil man sich nicht bekeren, hat er sein schwerd gewetzt und  seinen bogen gespannet und zielet. [Bl. Fiij] Und hat toedlich geschos  darauff gelegt, Seine pfeile hat er zugericht zu verderben.

 

Er ist bald gerust und wil itzt widder sie streiten und sie mit schwerd  und pfeilen, allerley plagen, verderben zum tode. O das die tyrannen und  schalcksheiligen dis glewben kuenden. Aber da wird nicht aus, Sie mussen,  sollen und wollens erfaren. Doch wir glewbens und sinds gewis und sprechen  Amen dazu, Denn sie wollens nicht anders haben.

 

 

[ 2 recht habe] bonā causam tueri I 3 meine D 8 boesheit D        fordere I 9 rechtuerdigen F        rechtuerdige F        pruefest D 12/13 er falssche lere F 25 wueeterichen] Tyrannis I 26 die seinen] ministros suos I 27 sich bekeren] resipiscere I        willen F 29 hat] so hefft F 30/31 vpgelecht doedtlike geschuette F 31 verterben D 32 swerden F 34 Sed nihil ē remedij I]

 

 

 

[Seite 47]

 Sihe, der hats boese ym synn, mit ungluck gehet er schwanger.  Aber er sol einen feil geberen.

 

Das ist uns zu trost gesagt: Hie haben wir gewis und sind sicher, das  die tyrannen muegen wol viel boeser tueck und bundnis furnemen, ungluck und  schaden zu thun uns, die wir an Gottes wort halten. Aber sie sollens nicht  hinaus furen wie bisher offt geschehen ist, es sey denn, das Gott liege, welches  unmueglich ist, Sondern das ende yhrs tobens und furnemens sol heissen feil:  Sie haben gefeilet, Es hat yhn gefeilet, den zornigen Junckern, Einen feil  haben sie geborn, Feyl sol die frucht heissen yhres zornigen synnes. Und  nicht allein das, Sondern auff das sie auch schaden zum spot und spot zum  schaden haben, sol yhr zorn und boesheit uber yhn selbs ausgehen und was  sie widder uns dencken und furnemen, sol auff sie selbs, ia auff yhren kopff  fallen, wie folget:

 

Er hat eine gruben gegraben und ausgefurt und fellet yns  loch, das er gemacht hat. Sein ungluck wird uber seinen eigen  kopff komen und sein frevel auff seinen scheitel fallen. Amen,  Amen.

 

So sols gehen, des sollen wir hoffen, das wollen wir auch glewben  und bitten: Das sie unglueck und frevel widder uns dencken und furhaben,  muegen sie wol heimlich villeicht halten, Aber dieser vers ist unser kundschaffer1  und verreth uns auch yhr hertz und mund, schweige denn yhr brieffe  und siegel. Denn dieser vers ist auch bey yhn ynn yhren kamern und rathstuben,  sihet und hoeret alles was sie handelen, darnach, wenn wir yhn lesen,  so redet er mit uns durch ein lang rohr und vermeldet uns heimlich, was  sie machen, das wirs wissen und erfaren und uns mit gebet widder sie ruesten,  ehe sie es gewar werden. Und also gehet denn yhr ding zuruck, wie sie bisher  offt befunden haben und kla [Bl. F4]gen auch, das widder den Luther so viel  anschlege gehabt sind und alle zu nicht worden. Ja warumb lassen sie diesen  vers nicht aus yhrem rath und hielten yhr hertz und mund heimlicher? Ja  wie koennen sie auch? Des loben wir Gott unsern Herrn und singen froelich:

 

Jch dancke dem HERRN umb seiner gerechtigkeit willen Und  lobe den namen des HERRN des aller hoehesten. Amen, Amen.

 

Er richtet recht und stortzt beyde tyrannen und schalcksheiligen, Hilfft  aber uns aus yhrem frevel und boesheit. Des sey yhm gedanckt, lob und  ehre gesagt ynn ewigkeit, Amen.

 

 

[ 1 gehet] ys F 2 he wert oeuerst einen feyl teelen F 4 buendnis D 6 fueren D 6/7 welches unmueglich ist fehlt I 8 den zornigen Junckern fehlt I 9 zornigen synnes] cordiū illorū I 14 gruben] kulen F 14/15 vthgebracht vnde ys in dat hol geuallen F 15 uber] wedder vp F        eigen fehlt F 20/21 explorator ac index I 29 radt, helden F 32 hoehesten] hoechsten E]

 

 

 

[Seite 48]

 Diesen Psalm wil ich widder Hertzog Georgen gebettet und gesetzt haben  sampt allen seinen brieffs dieben und anhengern, wo sie sich nicht bessern.  Bitte daneben alle meine freunde, wolten mir helffen den selbigen beten und  einmuetiglich Amen sprechen, Und sich troesten der herrlichen verheissungen, so  drinnen stehen fur uns widder sie. Lasst doch sehen, was der teuffel  sampt seinen wueterichen und buben koenne ausrichten. Der friede ist ia bey  uns, Sie aber wollen nicht friede haben, Wolan, so haben sie unruge und  was dieser Psalm drewet. AMEN.

 

 

 

 

FJNJS.

 

 

[ 2 nicht fehlt E 3 wolten] wollen D willen F 4 eindrechtichlick F        sich troesten] cōscientiā suam cōsolentur, & cōfirment I        hertlicken F 6 koennen F        bey] mit E]

 

 

 

[Seite 49]

 

Vorrede zu “An die hochgeborne Fürstin Frau Sibylla, Herzogin zu Sachsen, Oeconomia Christiana, das ist von christlicher Haushaltung, Justi Menii.” 1529.

 

[Einleitung]

 

[Seite 49]

 

Bereits im Jahre 1527 hatte Luther zwei Streitschriften des Justus Menius, der damals Pfarrer in Erfurt war, durch empfehlende Vorworte eingeleitet (Unsre Ausg. Bd. 23, S. 13 ff. 321 ff.). Jnzwischen hatte Menius, sicher mit Luthers Billigung1, aus den immer unerquicklicher gewordenen Erfurter Verhältnissen sich gelöst und war mit Vergünstigung des Kurfürsten Johann im August 1528 zunächst nach Gotha übergesiedelt, wo er als Privatlehrer, Schriftsteller und neben Mykonius als Visitator wirkte; aber schon im Frühjahr 1529 wurde er nach Eisenach berufen, wo er 18 Jahre lang als Pfarrer und Superintendent tätig gewesen ist.

 

Seine Oeconomia christiana hat er noch in Gotha vollendet, wie das Datum des einleitenden Briefes “Gotha am .8. tage Martij 1529” beweist.2 Er widmete dies Werk der jungen Herzogin Sibylla zu Sachsen, die seit September 1526 mit dem Kurprinzen Johann Friedrich vermählt war. Es ist ein geistreicher, gewandt geschriebener ethischer Traktat, der im Gegensatz zur Lehre der römischen Kirche und der Wiedertäufer die reformatorischen Grundsätze von der Heiligkeit des Ehestandes und von

 

 

 

[Seite 50]

 

den sittlichen Pflichten im Bereich des häuslichen Lebens eindrucksvoll vertritt1, worüber ja Luther selbst wiederholt und auch gerade damals, ungefähr zur selben Zeit, im Traubüchlein und in der Haustafel des Kleinen Katechismus sich ausgesprochen hat. G. L. Schmidt, der Biograph des Menius, urteilt Bd. 1, S. 82 über die Oeconomia christiana folgendermaßen: “Evangelische Lauterkeit, feine Beobachtung des täglichen Lebens und gründliche Kenntnis der griechischen Literatur, insbesondere der griechischen Philosophie, vereinigen sich hier, um ein schönes harmonisches Ganzes in ansprechendster Form hervorzubringen; das Buch ist auf praktischem Gebiet dasselbe, wie das in demselben Jahre erschienene des Thomas Venatorius [de virtute christiana] auf theoretischem.”2 Als kleine Vorarbeit dazu hatte Menius auf Anregung des Amtmanns von der Thann im Jahr zuvor veröffentlicht: “Erynnerung || was denen, so || sich ynn Ehestand be-|| geben, zu bedenck-|| en sey. || Just. Menius || Wittemberg. || 1528. ||” (14 Bl. in 4 0, Druck von N. Schirlentz, vorh. z. B. in Berlin), in der Vorrede dazu bescheiden seine Arbeit als einen Auszug aus den schon vorhandenen trefflichen Büchern, namentlich Luthers, bezeichnend. Jm Vergleich hierzu ist seine Oeconomia christiana selbständiger und reichhaltiger. Dasselbe Thema hat er später in seiner Auslegung des 128. Psalms vom Jahre 1550 noch einmal behandelt (vgl. Schmidt a. a. O. I, 87; II 301). Unverkennbar wies ihn seine Gabe und Neigung überhaupt zu solcher praktischkirchlichen und ethisch gearteten Schriftstellerei, deren Wichtigkeit ihm seine Erfahrungen als Visitator bestätigt haben mögen.

 

Luther hatte seine Freude an dem Buch, er lobte es in seinem Vorwort als “kunstreich, fein, christlich, nützlich, tröstlich”. Besonders gefielen ihm darin einige Ausführungen im 5. Kapitel, wo den zu einsamer Keuschheit nicht begabten Hagestolzen die Notwendigkeit des Ehestandes eingeschärft ist, und im 9. Kapitel, wo den nachlässigen Eltern ans Herz gelegt wird, ihren Kindern eine gute Schulbildung zu verschaffen. Diese Ausführungen bekräftigt er, andeutend, daß er über die Pflicht, die Kinder zur Schule zu halten, demnächst eine eigene Schrift ausgehen lassen wolle. Eine sehr eigenartige Zuspitzung aber gewinnt seine Vorrede dadurch, daß sie in die Form einer Zuschrift an den Hauptmann Hans Metsch zu Wittenberg gekleidet ist. In nicht mißzuverstehenden Worten tadelt Luther hier den vornehmen, einflußreichen Mann wegen seines ärgerlichen, unzüchtigen Lebenswandels und

 

 

 

[Seite 51]

 

mahnt ihn, den Eintritt in die Ehe als seine Pflicht anzuerkennen. Wahrscheinlich hielt er sich zu solcher kühnen, bei der gesellschaftlichen Sitte der damaligen Zeit doch nicht unerhörten, öffentlichen Vermahnung um so mehr verpflichtet, da Metsch grade damals als Visitator des sächsischen Kurkreises tätig gewesen war (vgl. z. B. Burkhardt a. a. O. S. 28, de Wette-Seidemann 6, 97 f., Enders 7, 39 f.), und es einen peinlichen Eindruck machen mußte, wenn ein Mann von so bedenklicher sittlicher Beschaffenheit in leitender Stellung an einem Werk mitarbeitete, das den sittlich-religiösen Zustand des Volkes bessern sollte. Jedenfalls ist dieser Widmungsbrief Luthers, der mit einem Anflug von Humor sehr ernst gemeinte Mahnungen ausspricht, ein anschauliches Beispiel seiner von aller Menschenfurcht freien und eindringlichen Seelsorge an einem hochgestellten Manne. Es ist bekannt, daß Luther später noch schärfer gegen denselben auftreten mußte (vgl. Köstlin-Kawerau, M. Luther5 II, S. 438 ff.; 675 Anm. zu S. 439).

 

Wenn nun Luther hier an Metsch schreibt, er habe sich unterwunden, dies Buch mit seinem Namen und Vorrede zu besudeln “vnd mit der selbigen euch des ein exemplar zu schencken”, so darf man daraus nicht etwa schließen, daß der Urdruck ohne Luthers Anteil ausgegangen ist, obwohl tatsächlich ein seiner Vorrede ermangelnder Wittenberger Druck — aber nur vom Jahre 1543 — vorliegt. In jenem Satz will er wohl nur sagen, daß das (von Anfang an mit seinem Vorwort gedruckte) Buch dem Metsch zuerst nicht von anderer Hand, sondern von ihm selbst, der die Verantwortuug für die Vorrede trägt, überreicht werden solle. Der nähere Zusammenhang jener Worte Luthers (man beachte besonders die voranstehende Behauptung, das Büchlein “wäre” wohl wert, ohne seinen Namen auszugehen), ferner der Umstand, daß in der uns bekannten ältesten Ausgabe nicht der Anfang des Textes des Menius, sondern sogleich Luthers Vorrede die Signatur A trägt, spricht dafür, daß sie von Anfang an mitgedruckt worden ist.

 

Allerdings ist Luther diesmal nicht in dem Sinne Herausgeber, wie er es bei den beiden Schriften des Menius vom Jahre 1527 gewesen war, wo er das ausdrücklich hervorhob (Unsre Ausg. Bd. 23, S. 16, Z. 26 f. vgl. S. 15, Z. 6 f.; S. 322, Z. 18 f.). In diesem Zusammenhange ist auch die Formulierung des Titelblattes “Mit einer schoenen Vorrhede D. Martini Luther” zu beachten, eine Ausdrucksweise, die natürlich nicht von ihm, sondern von Menius oder vom Drucker herrührt.

 

Schon am 23. April 1529 lag laut Rörers Zeugnis das Buch gedruckt vor (Buchwald, Zur Wittenberger Stadt u. Univ.-Gesch. S. 59 Nr. 63). Da Menius sein Manuskript nach dem 8. März nach Wittenberg abgesandt hat, so ist Luthers Vorwort zwischen Mitte März und Mitte April 1529 verfaßt worden. Falls der erste Druck von Stüchs in Nürnberg gefertigt sein sollte — eine gewisse Möglichkeit liegt vor, s. u. —, wäre anzunehmen, daß die Veröffentlichung in Wittenberg in Rücksicht auf den Stadthauptmann zunächst auf Schwierigkeiten stieß. Aus Roths Briefwechsel (vgl. Buchwald, Roth, S. 87 Nr. 220, S. 89 Nr. 228, S. 94 Nr. 241, S. 102 Nr. 275, S. 104 Nr. 283) ist ersichtlich, daß das Buch rasch vergriffen war und lebhaft begehrt wurde. Seine weite Verbreitung verdankt es sicher nicht nur seinem Hauptinhalt, sondern auch der Vorrede des Reformators. Unter den Zeitgenossen hat besonders Matthesius es wiederholt gelobt (vgl. Schmidt a. a. O. I, S. 87. Lösche, Matthesius I, 503; II, 94. Unschuld. Nachr. 1710, S. 15).

 

 

 

[Seite 52]

 

Vgl. Köstlin-Kawerau, M. Luther5 II, 158. 644. Kolde, M. Luther II, 321. De Wette-Seidemann, Luthers Briefe Bd. 6, 559 f.; Enders Bd. 7, S. 73. Zur Herzogin Sibylla: G. Mentz, Johann Friedrich der Großmütige I (1903), S. 22 ff.

 

O. Albrecht.

 

Ausgaben.

 

 

A “An die hoch- || geborne Furstin, || fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia Chri- || stiana, das ist, von Christ- || licher haushaltung || Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorrede || D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 54 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Hans Lufft. || Jm Jare, || M. D. XXIX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg., Arnstadt, Aschaffenburg, Berlin (Luther 9176), Dessau, Erlangen, Göttingen, Halle Mar., Hamburg, Heidelberg (2), Königsberg U., Leipzig U., Marburg, Nürnberg St., Rostock, Sommerhausen, Straßburg, Stuttgart, Wittenberg, Wolfenbüttel (2), Worms, Zittau St., Bibliotheca Lindesiana, London.

 

B “An die hoch-|| geborne Furstin, || fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia Chri-|| stiana, das ist, von Christ-|| licher haushaltung || Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorrhede || D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXIX ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 52 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg, || durch Hans Lufft. || Jm Jare, || M. D. XXIX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg., Berlin (Luther 9177), Breslau St., Dessau, Greifswald, Heidelberg, München H. und U., Straßburg, Stuttgart, Wolfenbüttel, Utrecht. — Erl. Ausg. 63, 277.

 

C “An die hochge-|| borne Fürstin, fraw Si-||billa Hertzogin zů Sachsen || Oeconomia Christiana, dz || ist, von Christlicher hauß- || haltūg Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorred || D. Martini Luther. || M. D. xxix. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 44 Blätter in Quart.

Druck von Silvan Otmar in Augsburg.

Vorhanden: Knaakesche Slg., Dresden, Frankfurt St., Hamburg, München H., Stuttgart, Wolfenbüttel, Zürich St.

 

D “An die hoch || geborne Fürstin || Fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia Christi || ana, das ist, von Christlicher || Haußhaltung Justi || Menij. || Mit einer schoenen Vorrhede || D. Martini Luther. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 88 Blätter in Oktav, die zwei letzten Blätter leer. Am Ende (Blatt L 6a): “Gedruckt zu Nu-||remberg durch Fryderich || en Peypus, aus verlegung || des Ersamen mans Leon || hard zu der Aych buch || fuerer zu Nurem || berg. || M. D. XXIX. ||” Blatt L 6b: Druckerzeichen.

Vorhanden in Berlin (Luth. 5502).

 

E1 “An die hoch ge-||borne Fürstin, fraw Si- || billa Hertzogin zů Sachsen, Oeconomia Christiana, das ist || von Christlicher haußhal || tung Justi

 

 

 

[Seite 53]

 

Menii. || Mit einer schoenē Vor- || rede, D. Martini Luther. || Wittembeg (so!). ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 60 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zů Nuerenberg durch || Johannem Stuechs. 1529. ||”

Vorhanden in Eßlingen, Halle Wais., München H.

 

E2 “An die Hochge- || borne Fürstin, fraw Si- || billa Hertzogin zů Sachsen, || Oeconomia Christiana, das || ist, von Christlicher hauß- || haltung, Justi Menij. || Mit einer schoenē Vor-|| rhede, D. Martini Luther. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 64 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zů Nuernberg bey || Johann Stüchs. || M. D. XXX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg., Berlin, Gotha, Lübeck, München H. u. U., Basel, Zürich St.

 

F “An die hoch-||geborne Furstin, || fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia || Christiana, das ist, || von Christlicher || haushaltung, || Justi Menij. | Mit einer schoenen Voerrhede, || D. Martini Luther. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 56 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedrueckt zu Wittembergk durch || Hans Weis. M. D. xxx. ||”

Vorhanden: Gotha, Königsberg U., Nürnberg G. M., Zwickau.

 

Ga “An die hochge-|| borne Fuerstin, || fraw Sibilla Hertzogin || zu Sachsen, Oeconomia Chri-||stiana, das ist, von Christ-||licher haußhaltung, || Justi Menij. || Mit einer schoenen vorrhe-||de D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. xxx iij. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 86 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedrueckt zu Nuerenberg, durch || Jeronymum Formschneider. || Jm jare 1533. ||”

Vorhanden: München H.

 

Gb wie Ga, doch Z. 9 des Titels “Martini”.

Vorhanden: Knaakesche Slg., Weimar.

 

H “An die Hoch-||geborne Für || stin, fraw Sibilla Her || tzogin zu Sachsen, || Oeconomia || Christiana, das ist, || von Christlicher haushaltung || Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorrhede. || D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXXIII. ||” Titelrückseite bedruckt. 64 Blätter in Oktav, die fünf letzten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wit-||temberg, durch || Hans Lufft. || M. D. XXXIII. ||”

Vorhanden: München H., Rostock, Straßburg, Zürich St.

 

I “Vom Ehfriden, Ein || Guldin Kleynot, Keyser Sig- || munden zůgeschickt. || Frawen Beuelch, be || neben außlegung des XXXI. Ca. der || Sprüche Salomonis. || Christliche Hauszhal || tung Justi Menij. || Taegliche uebung eins || Christlichen Haußuatters mitt || seinem Haußgesind. || Zu Francfurt,

 

 

 

[Seite 54]

 

Bei Christian Egenolff. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 114 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “M. D. XXXV. || Jm Augstmonat. ||”

Vorhanden: Berlin, Wolfenbüttel, Zwickau.

 

K “An die Hochge || borne Fur- || stin, Fraw Sibilla || Hertzogin zu Sachssen, || Oeconomia || Christiana, das ist, || von Christlicher Haushalt- || tung Justi Menij. || Mit einer schönen Vorrede, || D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXXV. ||”. Titelrückseite leer. 64 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wit-||temberg, durch || Hans Lufft. || M. D. XXXVI. ||”

Vorhanden: Berlin (Luther 9180), Erlangen, Halle Wais., London.

Hiermit wohl identisch der von v. d. Hardt, Autogr. Lutheri II 195 erwähnte Druck:

 

 

 

“Oeconomia Christiana, Von Christlicher Haußhaltung Justi Menii. An Fr. Sibylla, Hertzogin zu Sachsen. Mit einer schönen Vorrede D. Martini Luther. an Hans Metsch, Hauptmann zu Wittenberg. 1535.”

 

La “Vom Ehfriden, Ein || Guldin Kleynot, Keyser || Sigmunden zů || geschickt. || Frawen Beuelch, be-|| neben außlegung des XXXI. Cap. der Sprüche Sa || lomonis. || Christliche Hausz || tung [so!] Justi Menij. || Taegliche uebung ei-|| nes Christlichen Hauß-|| uatters mit seinem || Haußgsind. || ¶ Zu Franckfurt bei Christian Egenolph ||” Titelrückseite leer. 123 Blätter in Oktav. Am Ende: “M. D. XXXVIII. || Jm Hewmonat. ||”

Vorhanden: Königsberg U.

 

Lb wie La, doch Z. 5 des Titels “Befelch”.

Vorhanden: Wernigerode.

 

Niederdeutsche Übersetzung.

 

 

M “An de hoch-|| gebarne Voerstinnen, frou || we Sibilla Hertoginnen || tho Sassen, Oeconomia || Christiana, dat ys, van || Christliker hußholdinge, || Justi Menij. || Mit einer schoenen Voerrede || D. Martini Luther. || Wittemberge. || M D. XXIX ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 56 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruecket dorch Hynrick Ottinger. 1529. ||”

Vorhanden: Berlin (Da 10 151), Breslau U., Celle, Göttingen, Hamburg, Helmstedt, Rostock, Wolfenbüttel. — Unschuldige Nachrichten auf das Jahr 1710 S. 14.

 

Dänische Übersetzung.

 

 

N “Iusti Menii Oeconomia Christiana, d. h. Eine christliche Haushaltung, wie Jeder mit Gottesfurcht das, was ihm nach seinem Beruf obliegt, besorgen soll. Übersetzt von Johann Tausen, Prediger in Kopenhagen.” Rostock 1538.

 

 

 

[Seite 55]

 

Vorhanden: Kopenhagen U. (unvollst., nur die ersten Blätter sind erhalten). So nach Ludw. Schmitt S. I., Johann Tausen oder der dänische Luther. Köln 1894 S. 65. Die vollständige Ausgabe scheint noch vorgelegen zu haben Albertus Bartholinus († 1663) De scriptis Danorum S. 90 und Unsch. Nachr. auf das Jahr 1710 S. 15.

 

Ausgaben ohne Luthers Vorrede.

 

 

“An die Hochge||borne Fur-||stin, Fraw Sibilla || Hertzogin zu Sachssen, || Oeconomia || Christiana, das ist, || von Christlicher Haushal- || tung, Justi Menij. || Wittemberg. || M. D. XLIII. ||” Titelrückseite leer. 60 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wit-||temberg, durch || Hans Lufft. ||”

Vorhanden: Königsberg U., München U., Wittenberg, Zwickau. — Unsch. Nachr. auf das Jahr 1710 S. 15.

In den Gesamtausgaben findet sich die Vorrede Luthers: Wittenberg 9 (1557), 552a –553a; Jena 4 (1556), 504b –506a und 8 (1558), 210a –212a; Altenburg 4, 557 –558; Leipzig 22 Anhang, 92 –93; Walch 14, 258 –263; Walch2 14, 288 –293; Erlangen 54, 117 –121 und besser 63, 277 –282; de Wette, Luthers Briefe 3, 534 –537.

 

Unserm Abdruck legen wir A zugrunde und geben die Lesarten der Nachdrucke, soweit sie nicht in der zusammenfassenden Übersicht enthalten sind.

 

Von den erhaltenen Drucken ist wahrschinlich A (Wittenberg) der Urdruck. Doch ist es auffällig, daß in A mehrere vorwiegend oberdeutsche Formen sich finden (im Texte des Menius sie sein, obrikeit, onmechtig, berechnen), daß ein anderer Wittenberger Druck (F) sicher auf einen Nürnberger Druck (E2) zurückgeht. Es sei daran erinnert, daß um 1529 Luther öfter Schriften bei Stüchs in Nürnberg drucken ließ (z. B. die Schrifft vom Dolmetschen). Es wäre nicht unmöglich, daß E1 der Urdruck ist. Die Abhängigkeitsverhältnisse wären dann  doch bleiben auch bei dieser Annahme einige Übereinstimmungen in den Lesarten (daß z. B. ost nur E1 und I zusammen gehen) unerklärlich.

 

Wir halten uns deshalb an die nächstliegende Aufftellung, wie sie in unseren Siglen zum Ausdruck gelangt, nämlich den Stammbaum

 

 

 

[Seite 56]

 

B (Wittenberg) mit A verglichen.

 

I. Vokale: o > oe oeberkeit (in A mit O geschr.); u > ue schueldig, mueste, ∞ nutz; o > u frume. — unbetontes e zugefügt in Gnade, ich halte, verehelichen, beseitigt in allzumal (< alle-).

 

II. yderman > yederman.

 

C (Augsburg) verglichen mit A.

 

I. Vokale. 1) Umlaut e > a verlasset, o > oe hoeher, ∞ stossest; u > ü (ue) Fürstin, für, fürwar, sünde, über, muesse, ∞ bůchlin, stůnde; eu > au hauptman.

 

2) o > u Künig, i > e weder; alte Längen in fründ, by, vff; i und ie, u und ů, ü und ue geschieden, ai nur in hailand; ü > i stirmen.

 

3) unechtes h beseitigt in vest (< vhest), geen, ee, stee, wee, meer, eeren, jre, jm, in, ruemen.

 

4) unbetontes e fällt sehr oft: sag ich, verstand (Dat.), boeß (Plur.), solch (Plur.), leut, stett, freßling (Plur.), ein (una), dasselbig, witz, straff, hell (Subst.), ursach, beid, gerad, streng, gesell; eins, nutzs; bauern > bawren.

 

II. Konsonanten: b > p hauptman; t > d, dt under, radtschlag; d > dt, t statt (urbs), stett.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: oder, fůter, in.

 

III. nis > nuß.

 

IV. Deklination: einem sonderlichen > sonderlichem, ∞ deinem schentlichem > schentlichen, jr jungen > junge.

 

Konjugation: Umlaut fehlt in lasset, stossest; wollen > woellen, sind > seind.

 

V. Wortformen: sondern > sonder, nicht > nich (einmal) > nit, ytz > yetzt, deste > dester, denn wenn > dann wann, auff > uff, hierinne > hierjnnen, dazu > darzů, fur > vor, dennoch > dennocht; yderman > jederman, solch > solich, welch > woelch, yglich > yegklich; Just > Justus, pfennig > pfenning; vergifftige > vergiffte; vleissiger > vleissiglicher.

 

VI. Wortwahl: welch ein > was f|ür ein.

 

D (Nürnberg, Peypus) ist im Text A sehr nahe geblieben, in den Formen aber sehr stark oberdeutsch; hier mit A verglichen.

 

I. Vokale. 1) Umlaut e > oe empoeren; o > oe oeberkeyt, boeßheyt; u > ü, ue fuer, Fuerstin, sünde, sündlich, muessen, muest; ∞ stunde, wurde, kunde, sturmen, gelustet, gutduncken.

 

2) o > u sundern (Konjunction); ue (= üe) und ü, u und ue (= ů) nicht immer geschieden; i und ie im ganzen geschieden, doch dinst.

 

3) h fehlt in vest, ruemen, selten in geen.

 

4) unbetontes e fällt in den Pluralen etlich, Koenig, ander, solch, grewlich usw., Tuerck, hett, ursach, dem ehestand, ein streng; ∞ zu letzte, duncket, hilffet, thuen, herren.

 

 

 

[Seite 57]

 

II. Konsonanten: t > d notdurfft, b > p plintzling; Doppelkonsonant oft vereinfacht: wider, oder, fodern, besundeln, treflich, schryft, Got, hern, fueter, <check> vonn, erdenn u. ä., woll, Goettlich; Pfarherrs > Pfarrhers.

 

III. Nachsilben: lin > lein (meist).

 

IV. Deklination: in offentlichem schendlichem leben > in offentlichen, schendlichen l.

 

Konjugation: Umlaut fehlt in stunde, wurde, kunde; wollen > woellen.

 

V. Wortformen: dester, nit; yederman, soelch; pfennig > pfenning.

 

E1 u. E2 (Nürnberg) verglichen mit B. E1 bleibt der Vorlage noch getreuer; wo nicht anders bemerkt gelten die Formen für beide Drucke. In den Lesarten greist E auf B zurück.

 

I. Vokale. 1) Umlaut e > ae raethe E2, o > oeberkeyt, hoeher; oeffentlich E1; u > ue stueck, für E2, Fürst, sündigen E2, sündtlich E2, muesse E2, mueste E2, kuenstreich E1, juenge E1; ∞ wuerden > wurden E2, schuldig E2; eu > au haubtman.

 

2) o > u frumme, wilküre, i > e weder; i und ie, ei und ai, u und ů, ü und ue geschieden nur in E2.

 

3) unechtes h beseitigt in vest E2, ∞ vorrhede E2.

 

4) unbetontes e beseitigt in hab, gnad, hoff E2, laut E2, gerad, hoch (< hohe, E2); schlechts E2, diss, weisstu (< weissestu), allzumal, gelert; ∞ herren, freunde (Vok. Sing. E2), thiere, jre, ich halte, darinne, hierinne, ein ordenliche (Neutr.).

 

II. Konsonanten: d > dt, t freundt, wirdt E2, p > b gebeut E2.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: fůter, oder E2, wider, weder, besudeln E2, goetlich E2; ∞ frumme E2, gebotten E2.

 

III. Vor- und Nachsilben: gnug > genueg E2, nis > nueß E2, -gklich (E2).

 

IV. Deklination: zur sorgen > sorge, der bauer (Plur.) > bawrn, dis > dises; jhn > ihnen E2.

 

Konjugation: wollen, wolte > woellen, woelte E2.

 

V. Wortformen, wie bei C: sonder E2, dester E2, dann E2, yetzt E2, nun, darneben E2, darzu E2, daran, dennoch > dannocht; yederman, yegklich E2; denken > gedencken (E2 mehrmals), foddern > fürdern E2, pfarher > pfarrer E2, pfennig > pfenning E2; christlich > christenlich E2; fleissiglicher (Adv.) > vleissiger E2.

 

VI. Wortwahl: walts > walt sein.

 

F (Wittenberg) vergl. mit E2.

 

I. Vokale. 1) Umlaut o > oe roeck (Sing.); u > ue Fuerstin, muessen, ∞ gunstig, nutz, duncken, Turcke, gelustet, tuchtig.

 

 

 

[Seite 58]

 

2) u > o woerme, wilkore; für ů meist ue.

 

3) unechtes h vertauscht in tůhest, weggefallen in aůffruerisch, neu in vorrhede.

 

4) unbetontes e abgefallen: freundt, hauff, ∞ verehelichen, gibet.

 

II. Konsonanten: d > t stat, dt > tt stette, t > th rath; p > b gebotten; g > ck junckfraw, wegk.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: sudeln, wider, oder, in, Got, den, ∞ gebotten.

 

III. Vor- und Nachsilben: lin > lein, nueß > nus, iglich > igklich.

 

IV. Konjugation: zu ziehen (Jnf.) > ziehet (Druckf.?), solle > soelle.

 

V. Wortformen: dannocht > dannoch; fürdern (foddern A) > fordern; ferckel > freckel (mundartl. z. B. in Hessen).

 

G (Nürnberg) verglichen mit B.

 

I. Vokale. 1) Umlaut o > oe oeberkeit, u > ue Fuerstin, suendigen, fuer, fuersten, kuenstreich; ∞ bůchlin, nutze; eu > au haubtman.

 

2) o > u frumme, kummen, sun; i und ie, u und ů gesondert, ů auch für ue.

 

3) h beseitigt in geen, mer.

 

4) unbetontes e angefügt in Gnade, ich halte; verehelichen, ∞ alzumal.

 

II. Konsonanten. Doppelkonsonant vereinfacht: alzumal, wider, ∞ kummen.

 

III. Konjugation: woellen (o), kuennen (oe).

 

IV. Wortformen: dester, nit, yetzt und itzt; yglich > yedlich; pfenning; vleissiger > vleissiglicher (wie C).

 

I, L (Frankfurt) verglichen mit E1. Daß I auf E1 beruht, beweisen die Lesarten deutlich; die Sprachformen sind aber viel mehr oberdeutsch als in D, weshalb wohl ein oberdeutsches (Augsburger?) Zwischenglied anzunehmen ist. L ist ein fast buchstabengetreuer Abdruck von I; wo nicht anders bemerkt, gelten die Formen für IL.

 

I. Vokale. 1) Umlaut a > ae widdersaecher, e > ae klaerlich, haerter, schaetz, aeltern; oe > o stossest; u > ü, ue über, sünd, sündigen, sündtlich, mueß, muessen, mueste; ∞ gelustet, nutz, kunstreich.

 

2) u > o koente, o > u Künig, sun, sunder L; i > ü würt (L seltener); i und ie, u und ů, ü und ue geschieden wie in E.

 

3) h fällt in jre, In, mer I, eelich, eebruch, eer, vest; weh > whe I; L auch eestand.

 

4) unbetontes e fällt fast durchweg, auch in vorred, freůnd, hoff, sol, hell, gesell, straff, ein, dasselbig, bild, eer, witz, streng; im Plural: etlich, leut, freßling, Stett, im Jnnern: ewigs, verlest, schlechts, nichts (auch ∞), Gotts, gifftigsten, ∞ freunde (Vok. Sing. I), jre (suos), hilffet I, unseren; vertauscht in ewers eigne I.

 

 

 

[Seite 59]

 

II. Konsonanten: d > dt verstandt, sündtlich I; t > d under; t > th rath; dt > tt Stett; b > p Haupt, ∞ gebeut.

 

Doppelkonsonant: neu in nimmer.

 

III. Vor- und Nachsilben: gnug > genůg; genad L; lin > lein, nis > nus, nueß.

 

IV. Deklination: einen > ein; seinem, deinem > seim, deim; der seelsorgen > seelsorge, seim geistlichem > geistlichen, deinem schendlichem > schendlichen; alle den > allen den, die helle > hellen.

 

Konjugation: stoessest > stossest, zeuchstu > zeuhest du, ebenso hast du, bist du, woellen (< o), koenten (< ue); seind in L seltener als sind.

 

V. Wortformen: uff, sonder, nit, dester, dann, ietz, jetzt, (jetzundt L), aber dannocht > dennoch, darzů, vor; iederman, ieglich, solliche I, welich I; pfenning; foddern > fürdern, bedarff > darff, rechen > rechnen.

 

VI. Wortwahl: welch ein > wie ein.

 

H, K (Wittenberg) verglichen mit B. Die Lufftschen Neuauflagen bleiben dem Druck B sehr nahe, K geht in Änderungen fast nirgends über H hinaus; wo nicht besonders vor (;) bemerkt, gelten die Formen für diese beiden Drucke.

 

I. Vokale. 1) o > oe oeffentlich, hoeher; K auch oerdentlich; u > ue kuenstreich, Fuerstin, duenckt, stueck, schueldig, die juengen, K auch Fuersten, buchdruecker, muesse.

 

2) i> e wedder; o > u frume.

 

3) unbetontes e neu in: gnade H; ich halte, nichtes; K auch zeuchest; ∞ alzumal.

 

4) h fällt in jm, In, jre.

 

II. Konsonanten: th > t Rete, t > dt radtschlag, t > d notdurfft K, g > k junckfraw, g > ch tuechtich.

 

Doppelkonsonant vereinfacht in alzumal; K auch oder; ∞ Goettlich; H widder.

 

III. genug > gnug K.

 

IV. Deklination: jn > jnen; K wuermen > wuermern; einem sonderlichen > sonderlichem H.

 

Konjugation: wollen > woellen.

 

V. Wortformen: yderman > jederman; ordenlich > ordentlich H, oerdentlich K.

 

 

 

[Seite 60]

 

[Bl. A ij] Dem gestrengen und vhesten Haus Metsch,  heubtman zu Wittemberg,  meinem guenstigen herrn und guten freunde.

 

1529

 Gnad und friede yn Christo sampt krefftigem vollem verstande  dieses buechlins. Gestrenger vhester lieber herr und freund.  Wie wol dis buechlin fast1 wirdig were on meinen namen und  einiger zuschrifft2 aus zu gehen (nicht allein des halben, das  an yhm selbs ein kunstreich fein Christlich nuetzlich troestlich  buechlin ist, sondern auch das er der loeblichen hochgebornen Furstin unser  gnedigen frawen Sibilla Hertzogin zu Sachsen &c.. zugeschrieben), hab ich michs  doch auch mit meinem namen und vorrede zu besuddeln unterwunden und  mit der selbigen euch des ein exemplar zu schencken, nicht allein den buchdruckern  damit zu dienen (Welche zu weilen pflegen unter meinem namen und  zeugnis yhre buechlin deste bas zu vertreiben, etliche felschlich, etliche redlich),  sondern auch yderman, der sein begeret und mein zeugnis achtet, zu nutze, auff  das er dis buechlin deste lieber habe und vleissiglicher lerne, Allermeist aber,  euch gantz trewlich damit zu vermanen. Denn mich dunckt, der meister Er  Just menius hab darynnen ewres hertzen ein gros stuck wol getroffen und  ewer notturfft (wie wol blintzling3) fein und eben abgemalet, das ich hoffe,  Gott solle gnade verleyhen, das yhr auch ein mal diesem buechlin ein bilde  und exempel geben werdet, Amen.

 

Denn ich halt, das dis buechlin auch unsern widdersachern selbs musse  gefallen (ob sie wol nichts wollen der unsern yhn gefallen lassen), Weil  hierynn nichts des yhren angegriffen, sondern einfeltiglich und klerlich allein  der ehestand gelobet und gepreiset wird. Wie viel mehr sol es uns und den  unsern wol gefallen, die wir Gottes wort und werck erkennen und rhuemen?  Fur war solch und der gleichen buechlin sind nicht allein trefflich nuetz, sondern  auch hoch von noeten zu lesen und behalten, darumb das gar viel odder fast  der meiste hauffe, ob sie wol den ehestand fur recht und Goetlich halten, doch  nicht von noeten odder gepoten halten, gleich wie man die iungfrawschafft fur  ein recht und Goetlich ding, aber doch nicht von noeten noch gepoten hellt.  Also gehen sie lass und sicher dahin, dencken nicht, das sie Gottes gepot  zwinget und noetiget zum ehestande, gerade als weren sie frey und stuende ynn  yhrem gutduencken und freyen willen, sich zu verehlichen wenn sie wollen odder  nymer mehr, bleiben gleich wol daneben ynn offentlichem erkandtem sundlichem  leben, troesten sich der letzten stunde, darynn sie denn buessen wollen, wenn sie

 

 

 

[Seite 60]

[Vorbemerkungen]

[ 6 meinē D meinem BG 7 das es DEFIL 32 gedencken E2F 35 gleich fehlt E2F]

 

 

 

[Seite 61]

 nicht mehr sundigen kœnnen und sie nicht die sunde verlassen sondern die  sunde sie verlesset.

 

Solchen, sage ich, ist dis buechlin von nœten zu haben und zu lesen, auff  das sie wissen: gleich wie hohe not und hart gepot ist, da Gott spricht ‘Du  solt nicht toedten, Du solt nicht ehebrechen’, eben so hoch not und hart gepot,  ia viel hoher not und herter gepot ists: Du solt ehelich sein, du solt ein  [1. Mose 1, 27; 2, 24] weib haben, du solt einen man haben.1 Denn da stehet Gottes wort: Gott schuff  den menschen, ein menlin und frewlin, und sprach: [Bl. Aiij] Sie sollen ein leib  sein, Der man wird vater und mutter lassen und an seinem weibe hangen.  Solche wort Gottes sind nicht ynn unser frey wilkoere gestellet, wie die iungfrawschafft  und einsame keuscheit, sondern es mus und sol also sein, wie sie  lauten: Man und weib sind geschaffen, das sie sollen ein leib sein und an  einander hangen und bleiben. Solch gepot mus man mit predigen und solchen  buechern treiben, und den ledigen personen, so zur einsamen keuscheit nicht  begnadet sind, das gewissen damit beschweren, noetigen und plagen, bis sie  hinan mussen und zu letzt sagen: Sols sein, mus es sein, kans nicht anders  sein, so walts Gott und sey gewaget.

 

Uber diese sind etliche andere, die meynen, Es sey gnug, das sie ehelich  werden odder seyen, dencken nicht weiter denn ‘hette ich ein weib, hette ich  einen man’, odder wenn sie hoch komen, dencken sie nach gut und ehre, wie  sie reich werden, hoch her faren und den kindern gros gut erben, fragen nichts  nach der kinder zucht, und wie itzt etliche sagen ‘Wenn mein son so viel lernet,  das er den pfennig gewinne, ist er geleret gnug’, Und wil itzt niemand kinder  anders ziehen denn auff witzte und kunst zur narung, dencken schlechtes nicht  anders, denn das sie frey seyen und stehe yn yhrem wilkoere die kinder zu  ziehen wie sie es geluestet, gerade als were kein Gott der yhn anders gepoten  hette, sondern sie selbs sind Gott und herrn uber yhre kinder. Wenn aber  ein strenge ordenlich regiment ynn der welt were und wuerden solche schedliche  boese leute funden, das sie sich nicht bessern wolten und yhre kinder anders  ziehen, so solt die Oberkeit solche allzumal an leib und gut straffen odder  zur welt aus iagen. Denn solche leute sind die aller gifftigesten und schedlichsten  menschen auff erden, das auch widder Tuercke noch Tatter so schedlich  sein koennen.2

 

 

[ 5 eben] ein IL een E1        hohe E2F 7 da] so C do D 17 walts] walt sein E1IL 23 gewinne] gewinnet C 24 nicht] nichts C 25 stehe] stehen E1I stehet HK 27 herr E1IL 32 Türcken E1IL        Tattern E1IL]

 

 

 

[Seite 62]

 Ursache ist die: so viel an yhn ist, thun sie nichts anders, denn das  beide geistlich und weltlich stand untergehe und beide haushalten und kinder  zucht verderbe, und bleiben eitel wilde thier und sew ynn der welt die zu  nichts nuetze sind denn zu fressen und sauffen. Da mercke da bey: wenn man  nicht kinder zeucht zur lere und kunst1, sonder eitel freslinge und sewferckel  machet, die allein nach dem futter trachten, wo wil man pfarher, prediger  und ander personen zum wort Gottes, zum kirchen ampt, zur seelen sorgen  und Gottes dienst nemen? Wo wollen koenige, fursten nnd herrn, stedte und  lender nemen Cantzler, rethe, schreiber, amptleute? Jst doch kein dorff so  klein, das eins schreibers emperen kuende, wir wolten denn allezumal so leben  lernen, das wir mit den leuten ynn der welt nicht umbgehen musten, bey  welchen kunst und schrifft2 ym brauch und ehren ist. Was wolt das fur  eine wueste grewliche welt werden? Da muste ia beide geistlich, weltlich,  ehelich, heuslich stand zu boden3 gehen und ein lauter sewstal aus der welt  werden. Wer hilfft aber dazu? Wer ist schuldig an solchem grewel, denn  eben solche grewliche, schedliche, gifftige Eltern, so wol kinder haben die sie zu  Gottes dienst ziehen kuenden, und ziehen sie allein zum bauch dienst? Weh  uber meh und aber weh alle den selbigen.

 

Solchen boesen wuermen odder unachtsamen Eltern und eheleuten ist dis  buechlin hoch von noeten zu lesen odder zu hoeren, auff das sie lernen, was  Gott yhn gepeut und was sie Gott an yhren kindern schuldig sind. Nein  lieber geselle, Hastu ein kind das zur [Bl. A iiij] lere geschickt ist, so bistu nicht  frey dasselbige auff zu ziehen wie dichs geluestet, stehet auch nicht yn deinem  wilkoere damit zu faren wie du wilt, sondern du must darauff sehen, das du  Gott schuldig bist seine beide regiment zu foddern und yhm darynn zu dienen.  Got bedarff eines pfarherrs, predigers, schulmeisters yn seinem geistlichem reich,  Und du kanst yhm den selbigen geben und thust es nicht. Sihe da raubestu  nicht einen rock dem armen, sondern viel tausent seelen aus dem reich Gottes  und stoessest sie ynn die helle so viel an dir ist, Denn du nimpst die person  weg die dazu tuechtig were solchen seelen zu helffen. Widderumb zeuchstu dein  kind, das ein seel sorger werden kan, da gibstu nicht einen rock, stifftest auch  nicht ein kloster odder kirchen, du thust wol ein groessers, du gibst einen  heiland und Gottes diener der viel tausent seelen zum hymel helffen kan.  Was ligt dran, das sie nicht alle geraten? Es geraten dennoch etliche, was

 

 

[ 2 untergehen E1I 3 verderben DE1IL 4 Da ACI] Das BEFGHKL 13 mueste BDEFGHIKL muesten C 18 allen E1IL 21 Nein] Mein4 BEFGHIKL 26 bedarff] darff E1IL 30 solche D 31 das es E1IL]

 

 

 

[Seite 63]

 weissestu, obs1 dein son sein wird? Bistu doch nicht werd mit alle deinem  gut, das du eine stunde zu solchem Goetlichen stifft2 und grossem Gottes dienst  helffen soltest, und kanst dein leben lang dazu helffen. Nu thustu aber das  widerspiel, nicht eine stunde, sondern dein leben lang. Das heisset freylich  recht die stifft, kloester und kirchen stuermen und rauben, das der auffrhuerischen  bawer stuermen kaum ein schimpff3 und vorspiel zu rechen ist. Sage mir,  welche helle kan tieff und heis gnug sein zu solcher deiner schedlichen bosheit?  O welche eine straffe wird auch uber uns komen umb solcher missethat  willen.

 

Also auch ym weltlichen regiment kanstu deinem herrn odder stad mit  der kinder zucht mehr dienen, denn das du yhm schloesser und stedte bawetest  und aller welt schetze samletest. Denn was hilfft solches alles, wenn man  nicht gelerte, weise, frome leute hat? Jch wil geschweigen, was zeitliches  nutzes und ewiges lohns du davon hast fur Gott und der welt, das dein kind  auch hiemit besser erneeret wird denn nach deinem schendlichem, schedlichem,  sewischen ratschlag und furnemen. Davon ich ein ander mal weiter und mit  einem sonderlichen buechlin4 vermanen wil, so Gott gibt, widder solche schendliche,  schedliche, verdampte eltern, welche nicht eltern, sondern schedliche sewe  und vergifftige thier sind, die yhr eygen iungen selbs fressen. Jtzt sey es  genug zu einer vermanung dis Christlich buechlin mit vleis einem iglichen  hausvater zu lesen, der fur Gott und der welt seliglich hie und dort bestehen  wil. Dazu gebe Gott seine gnade, AMEN.

 

 

 

[ 1 allem C 3 soltest] solst E1IL 8 welche] was für C wie ein E1IL        auch fehlt C 11 yhm] jn G 13 zeitliche F zeitlichen E2 19 vergiffte C 21 hausnater A]

 

 

 

[Seite 64]

 

Vorrede zu “Die Epistel S. Pauli zun Colossern durch Philippum Melanchthon zum andern Mal ausgelegt, verdeutscht durch Justum Jonam”. 1529.

 

[Einleitung]

 

[Seite 64]

 

Die wohl im Jahr 1526 gehaltenen Vorlesungen Melanchthons über den Kolosserbrief sind erstmalig lateinisch mit einem Widmungsbrief an Alexander Drachstadt unter dem Titel Scholia in Epistolam Pauli ad Colossenses &c.. bei Johann Secer in Hagenau im August und September 1527 gedruckt worden.1 Bereits im Oktober 1527 wünschte Joseph Klug in Wittenberg eine deutsche Abersetzung dieses Werkes herauszugeben; Georg Rörer aber, den er darum bat, lehnte wegen Arbeitsüberhäufung ab.2 Doch erschien noch im selben Jahr eine übrigens recht unbeholfene Verdeutschung eines Ungenannten bei Joh. Loersfeld in Marburg: “Ausle-|| gunge der || Epist. S. Pauli zu || den Colossern, durch || Philips Melanch. || Marpurg. || M. D. XXVII. ||”3 Diese ist im Corp. Ref. XV, 1221 nicht erwähnt; die aber dort unter Nr. 2 angeführte (“Auslegung der Epistel an die Kolosser durch Philipp Mel., gedeutscht durch Johann Agricola Eysleben. Wittenberg 1527. 8.”), die das größte Jnteresse beanspruchen würde, scheint eine bloße Fiktion zu sein.4

 

 

 

[Seite 65]

 

Die von Secer verschuldeten Nachlässigkeiten des ersten lateinischen Drucks hatten Melanchthons Unwillen erregt, worüber er sich beiläufig im Brief an seinen Diener Johannes am 2. November 1528 (C. R. I, Sp. 1007) äußerte; gleichzeitig beauftragte er diesen, duos libellos Colossensium, quos jussi ligari istinc abiens, ihm aus Wittenberg nach Thüringen, wo er als Visitator weilte, nachzuschicken. Offenbar meinte er damit Exemplare der neuen, inzwischen bei Joseph Klug in Wittenberg gedruckten Ausgabe, deren baldiges Erscheinen Rörer an Roth am 6. September 1528 ankündigen konnte: Colossensium epistula per Philip. nostrum enarrata sub incudem revocata est, ad suturas nundinas (d. h. zur Zeit der bevorstehenden Leipziger Michaelismesse) locupletior in lucem prodibit (Buchwald, Roth S. 73 Nr. 176). Es ist darunter die im Corp. Ref. XV Sp. 1221 unter Nr. 3 verzeichnete Ausgabe zu verstehen:

 

 

 

“SCHO-||LIA IN EPISTO-||LAM PAULI || ad Colossenses, re-|| cognita ab || autore. || PHIL. MELANCH. || 1528. ||” Mit Titeleinfassung. Auf der Titelrückseite ein Bild (Paulus den Brief durch Phoebe [?] absendend). 108 Blätter in Oktav. Am Ende: “FINIS. || IMPRESSUM VVITTEN- || BERGAE PER IO-||SEPHUM KLUGK. ||”

Vorhanden z. B. in Berlin (Bt 8528), Weimar (die 2 letzten Blätter fehlen), Bretten.

Diese zweite, bereicherte Auflage1 hat der Übersetzung des Justus Jonas, wie ja auch deren Titel andeutet, zugrunde gelegen; fraglich könnte etwa noch

 

 

 

[Seite 66]

 

sein, ob Jonas diesen Klugschen Originaldruck oder den davon im folgenden Jahre durch Secer in Hagenau veranstalteten Nachdruck1 benutzte; wahrscheinlich war doch der Wittenberger Druck, der ihm ja an Ort und Stelle zugänglich war, seine Vorlage. Dann aber besteht die Möglichkeit, daß er die Übersetzung schon Ende 1528 fertigte und mit Luthers Vorrede bereits Anfang 1529 ausgehen ließ. Genaueres über den Zeitpunkt des Erscheinens der Schrift läßt sich nicht sagen, da anderweite Nachrichten darüber unbekannt sind und der Jnhalt sowohl von Luthers Vorrede2 als von Jonas' Nachwort keine sicheren Handhaben für eine nähere Datierung bietet.

 

In dem Nachwort “dem leser” (neu gedruckt bei Kawerau, Jonas' Briefwechsel I, 139 f.) macht Jonas darauf aufmerksam, daß er mit Melanchthons Billigung den lateinischen Text nicht wörtlich, sondern bei sorgfältiger Wahrung

 

 

 

[Seite 67]

 

des ursprünglichen Sinnes frei übersetzt habe. Ob Melanchthon, der später einmal bei andrer Gelegenheit (C. R. IV, 834) über Jonas' Übersetzungskunst klagt, damit ganz einverstanden war, erfahren wir nicht.

 

Jedenfalls hatte Luther große Freude an der nicht von ihm, sondern von Jonas veranstalteten1 Veröffentlichung, wie er dies in seiner Vorrede mit lebhaften Worten ausspricht. Darin ist die oft zitierte anschauliche Charakteristik seiner eigenen reformatorischen Wirksamkeit im Unterschied von der Melanchthons2 besonders beachtenswert, ferner aber auch die Tatsache, daß er von etwaigen Lehreigentümlichkeiten Melanchthons betreffs Wertung der Willensfreiheit3 keinerlei Andeutungen gemacht, sondern der Arbeit seines Freundes uneingeschränktes Lob gespendet hat. Gewiß sollte diese begeisterte Anerkennung wieder dazu dienen, dem Melanchthon das Beharren bei den theologischen Vorlesungen zur Pflicht zu machen4, während dieser doch selbst in seiner der ersten Ausgabe vorgesetzten Dedikationsepistel an Drachstadt 1527 über seine Arbeit sehr bescheiden urteilte: certe in tractandis sacris literis nunquam ingenij laudem captavi.

 

Vgl. noch Köstlin-Kawerau, Martin Luther5 II, S. 158 f. Enders, Luthers Briefwechsel Bd. 7, S. 212. Kawerau, Justus Jonas' Briefwechsel II, S. XXII ff. Art. “Melanchthon” in der P. R. E.3 Bd. 12, S. 528 Z. 40 ff., S. 540 Z. 13 f.

 

 

 

[Seite 68]

 

(nicht genau). Hartfelder, Melanchthon als Praeceptor Germaniae in den MGP. VII, S. 290 f. 586 ff.

 

 

 

Ausgabe:

 

 

A “Die Epi -||stel S. Pauli zun || Colossern durch Philip||pum Melanchton ym la -||tein zum andern mal || ausgelegt. || Verdeudscht durch Justum || Jonam mit einer schoenen vor||rhede Martini Luther || an die deudschen || leser. || Gedruckt. || 1529 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 100 Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Hat gedruckt Michael Lotter. 1529.”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin (Luth. 9171 und Bt 8525), Breslau U., Dresden, Eisleben (Andreas), Erlangen, Halle Mar., Halle Wais., Hamburg, Heidelberg, München U., Nürnberg GM., Prag U., Sommershausen, Straßburg, Weimar, Wolfenbüttel, Würzburg U., Zwickau.

In den Gesamtausgaben steht Luthers Vorwort: Eisleben 1 (1564), 481 b –482a; Altenburg 4, 702 –703; Leipzig 12, 86 –87; Walch 14, 199 –201, vgl. 19 f.; Walch2 14, 176 –177; Erlangen Opp. var. arg. VII, 492 –493.

 

Wir drucken den Text nach A.

 

O. Albrecht.

 

 

 

Vorrhede Martin Luther.

 

1529

 

 

 

[Seite 68]

Du habt yhr aber mal ein feines nuetzlichs buch, mein lieben  freunde, nemlich S. Paulus Epistel zu den Colossern mit  Magistri Philippi Melanchtons anweysung und underricht,  darynn gar sein kurtz und doch deutlich und reichlich gefasset  ist, was ein Christliche lere und leben sey, das wol dis buechlin  ein gros buch und widderumb dis buch ein klein buechlein heissen mag, und  ein yeder bey sich ym busem als seinen Christlichen schatz teglich zu uben  tragen kan. Jch hab zwar.1 selbs solche Magistri Philipps buecher lieber denn  die meinen, sehe auch lieber die selben beyde ym lateinischen und deudschen  auff dem platz denn die meinen.

 

Jch bin dazu geboren, das ich mit den rotten und teuffeln mus kriegen  und zu felde ligen, darumb meiner buecher viel stuermisch und kriegisch sind.  Jch mus die kloetze und stemme ausrotten, dornen und hecken weg hawen, die  pfuetzen ausfullen und bin der grobe waldrechter, der die ban brechen und  zurichten mus. Aber M. Philipps feret seuberlich und still daher, bawet und  pflantzet, sehet und begeust mit lust, nach dem Gott yhm hat gegeben seine

 

 

 

[Seite 69]

 

gaben reichlich. O der seligen Zeit, so unser verdampte undanckbarkeit solchs  uns erkennen lest, welch ein schatz solt es aller welt gewesen sein fur zwentzig  iaren, wo man ein solch buch hette muegen haben. Aber ytzt ists leider dahin  [4. Mose 11, 4 –6] komen, das die Jueden des hymelbrods sind uberdruessig worden, wollen zippeln  und knoblauch ynn Egypten essen, Ja (das noch erger ist) perlin muessen wir  [Matth. 7, 6] fur die hunde und heiligthumb fur die sew werffen, die uns dafur zu reissen  und beissen. Wolan kompts ein mal widder, das uns das wort genomen  wird, so werden wir auch umb sonst ruffen ym iamer, wie unser vorfaren  haben gethan, und uns niemand erhoeren.

 

Doch wird dis buechlin, ob Gott wil, wol komen, da es ehre und lob, lieb  und danck finden wird, denn ein gut wort find eine gute stet1 und Gotts  wort feret nicht umb sonst aus, kompt auch nicht leer widder, wie wir des  [Jes. 55, 11] ynn der schrifft verheissung und trost haben: den selbigen stillen frumen hertzen  sol dis buechlin befolhen sein, die sollen yhr paradis drynn haben und yhren  lieben HERRN Christum drynnen angezeigt und furgestellet finden als den  [1. Mose 2, 9] rechten bawn des lebens, An welchem sie on allen verdrus sich nicht satt essen  konnen, sondern yhe lenger yhe lieber2 sol es heissen, yhe mehr yhe luestiger  zu essen, das sie der Egyptischen zippeln und knoblauch nicht gedencken, Auch mit  [4. Mose 21, 21 ff.] den Amoritern und Cananitern3 nicht kriegen noch sich schlahen mussen, sondern  yhr land und gut mit frieden und rugen besitzen und gebrauchen, Gott zu  lob und ehren ynn Christo Jhesu unserm Herrn und heylande, welchem sey  danck gesagt ynn ewigkeit fur alle seine reiche grundlose guete an uns erzeigt.  AMEN.

 

 

 

[Seite 70]

 

Vorrede zu der Schrift “Ein kurz Unterricht den sterbenden Menschen ganz tröstlich und seliglich furzuhalten” von Thomas Venatorius. 1529.

 

[Einleitung]

 

[Seite 70]

 

Zu den Trostschriften fuer Sterbende, die im Jahre 1527 erschienen 1 , gehört auch des Thomas Venatorius Kurzer Unterricht. Der Verfasser, seit 1523 in Nürnberg “Krankenprediger bei dem neuen Spital” 2 , schrieb diese kleine, offenbar aus seiner besonderen seelsorgerlichen Erfahrung herausgewachsene, kernige Erbauungsschrift in der Form eines Briefes an seinen Amtsgenossen Hartung Goerrell nieder. Die ältesten Drucke, die noch nicht Luthers Vorrede hatten, erschienen in Nürnberg; folgender scheint der Urdruck gewesen zu sein:

 

 

 

α “Ein kurtz || vnderricht den || sterbenden menschen gantz || troestlich, geschriben an Hartun-|| gum Goerell, diener der ar-|| men zů Nuernberg im || Newen Spital. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 4 Blätter in Quart. Am Ende: “M. D. XX vij. ||”

Druck von Friedrich Peypus in Nürnberg.

Vorhanden in Berlin (Cu 6565), Muenchen H. St., Nürnberg St., Weimar; London.

Vgl. Kuczyński, Thesaurus libellorum Nr. 2691. Erl. Ausg. 63, 284 f. Bl. A 1 b beginnt: “Thomas Venatorius Hartun- || go Goerell, Gnad vnd frid von Gott || dem vatter &c.. ||”

Als ein Abdruck dieser Vorlage erscheint:

 

 

 

β “Eyn kurtz || vnderricht den ster|| benden menschen gantz || troestlich, geschribē an || Hartungū Goerell || diener der armē || zu Nuermberg || im Newen || Spital. || 1527 ||” Mit Titeleinfassung. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite leer.

 

 

 

[Seite 71]

 

Druck von Jobst Gutknecht in Nürnberg.

Vorhanden in Bamberg, Dresden, Munchen HSt.

Bl. A2a beginnt: “Thomas Venatorius || Hartungo Goerell, Gnad vnd frid || von Gott dem vatter &c.. ||”

Der Druck ist typographisch besser ausgeglichen als der vorige, mit A5a 20 “kumbt” bietet er eine Verschlechterung gegen “kum̄” α; A6b 26 hat er für das richtige “kanstu” von α keinen Platz auf der Zeile und druckt “kanst”; A7a2 “pein” und Glosse dazu “Peyn” sind der Versuch einer sprachlichen Glättung gegen “poen (Poen)” in α.

Wenn Luther schreibt (s. u. S. 79, Z. 17 f.): “es haben auch unser widdersacher dis buchlin selbst lassen drucken vnd ausgebreit ehe denn wir”, so hatte er dabei vielleicht folgenden Dresdener Nachdruck im Auge:

 

 

 

γ “Ein kurtz vn||derricht den || Sterbenden men||schen gantz || tröst||lich vnd se||licklich fuertzuhal||ten an yrem letzten ende. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Dreßden durch || Wolffgang Stoeckel || 1527. ||”

Vorhanden in Breslau St. und U., Hamburg.

Daß ein Katholischer Drucker die Schrift verbreitete, erklärt sich wohl daraus, daß die evangelische Stellung des Verfassers, der sich übrigens auf dem Titelblatt nicht ganannt hatte, damals noch unbekannt war. Möglich, daß Luther noch andere derartige Nachdrucke kannte, die verschollen sind. Wann er das Büchlein kennen lernte, und ob er durch den Verfasser oder durch jemand anders gebeten worden ist, es mit einem empfehlenden Vorwort neu herauszugeben, wissen wir nicht. In der Vorrede deutet er nur an, daß er es “gedruckt bekommen” und, um es in seiner guten Eigenart nicht etwa zu verderben, daran gar nichts geändert habe.

 

Die erste Erwähnung des Wittenberger Druckes mit Luthers Vorrede finden wir wohl in einem gegen Ende Junii 1529 anzusetzenden Briefe Rörers (Buchwald, Roth, S. 89 Nr. 228, wegen der Datierung vgl. noch Buchwald, Z. Wittenb. Stadtgesch. S. 61 Nr. 67): Habes hic 2 Sapientiae exemplaria 13 , .... Venatorii II 3 . An eine andere Veröffentlichung des Venatorius, etwa an sein berühmtes Werk De virtute christiana 1529, kann nicht gedacht werden, teils weil Rörer doch nur Erscheinungen des Wittenberger Buchdrucks aufzählt, während De virtute christiana in Nürnberg gedruckt ist, teils wegen der Preisangabe: 2 Exemplare kosteten 3 ; das paßt nicht auf die letztgenannte umfänglichere Schrift, wohl aber auf den Kurzen Unterricht. Also Ende Juni wurde das Büchlein, wie es scheint als Neuigkeit, versandt, Luthers Vorrede dürfte kurz vorher verfaßt sein.

 

Allerdings behauptet v. Dommer, Die ältesten Drucke aus Marburg, S. 29: “für Luthers Vorwort zum Venatorius steht das Jahr 1529 nicht fest”. Aber er kannte den Wittenberger Urdruck vom Jahre 1529 (s. u. A) und die angezogene Briefnotiz Rörers noch nicht; seine beiläufige Anzweiflung des Ursprungsjahres innerhalb der bibliographischen Untersuchung des Odenbachschen Sammelwerkes (s. u. die Bibliographie) ist wohl verständlich, aber nicht zutreffend. Vielmehr ist die herkömmliche Annahme, daß Luthers Vorrede aus dem Jahre 1529 stammt, richtig.

 

 

 

[Seite 72]

 

Sicher hat Luthers Empfehlung dazu beigetragen, daß die kleine Erbauungsschrift des Nürnberger Predigers bei den Evangelischen weite Verbreitung fand. Sogar Spalatin veröffentlichte einen Auszug daraus, aber ohne Luthers Vorwort, der mehrfach gedruckt1 wurde, einzeln wohl nur in der folgenden Ausgabe:

 

 

 

δ “Troestung ynn || tods noeten, des meh-||rern teils aus Thome Venatorij || buechlein, durch Georgium || Spalatinum gezogen . || ... 1531.” Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in Oktav. Am Ende: “Gedruckt yn der Churfuerstlichen Stad || Zwickaw, durch Wolffgang Mey-||erbegk. ym iar 1531.”

Vorhanden in Zwickau.

Mehrfach ist dagegen Venatorius in dieser Form in Sammelwerke eingegangen, vgl. außer den späteren Ausgaben von Johann Odenbchs “Trostbüchlein für die Sterbenden. An die Hochgeborene Fürstin Frau Elisabeth, Pfaltzgräfin usw.” (s. u. die Drucke GHIKL) namentlich:

 

 

 

ε “Ein schoener || Sermon, von || dem Wort, Zeich-||en vnd Sa-||crament. || Nicolaus Amssdorff. || Witeberg. || M. D. XXXIII. ||” Mit Titeleinfassung. 24 Blätter in Oktav. Letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Georgen Rhaw. ||” Hier unsre Schrift Bl. B 3a ff.

Vorhanden in Zwickau.

 

ζ “Ein schoe-||ner Sermon, || von dem Wort, Zei-||chen vnd Sa-||crament. || Nico. Amsdorff || Wittemberg. || M. D. XXXV. ||” Mit Titeleinfassung. 32 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-|| berg durch Georgen || Rhaw.” Hierin unsre Schrift Bl. B7 aff.

Vorhanden in Zeitz (St. Michael), Zwickau.

Das eben genannte Sammelwerk Johann Odenbachs ist auch an der Verbreitung von Luthers Vorrede stark beteiligt. Diese erscheint hier gelegentlich kombiniert mit Spalatins Auszug aus Venatorius, gelegentlich durch andere Bestandteile der Sammlung weit von ihrem Texte getrennt. Nur wenige Ausgaben des Odenbach enthalten beides, Luthers Vorrede und Venatorius nicht, nämlich die folgenden:

 

 

 

η “Eiñ trostbuch-||lin fur die sterbēden, an die || hochgeborne Christliche Fuerstin Frau-|| we Elizabeth Pfaltzgraffin bey Rhein || Hertzogin yn Beyern, Graffin zu Vel- || dentz, Landtgraffin zu Hessen, durch || Johan̄ Odenbach predicanten zu Mo || scheln vnter Landßberg, aus hei||liger Goettlicher Schrifft || auffs kurtzst vnd trost-||lichst zu gericht. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer, am Ende: “Getruckt zu Marpurg. || M. D. XXX. ||”

Druck von Franciscus Rhode.

Vorhanden in Dresden.

 

θ “Eyn trost büch-||lein für die Sterbenden, || an die hochgeborne Crist||liche fürstin frauwe Elizabeth || Pfaltzgraeffin bey Rhein Hertz||ogin in Beyern graeffin zů Vel-||dentz Landtgraeffin zů Hessen || durch Johan̄ Odenbach

 

 

 

[Seite 73]

 

Predi-||cantē zů Moscheln vnd’ Landß||berg auß heyliger Goettlicher|| schrifft auffs kürtzst vn̄trost||lichst zů gericht. Anno. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 16 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Getruckt zů Straßburg bey Hans || Preyßen. Jm jar. 1530. ||”

Vorhanden in Fürstenau im Odenwald.

 

ι “Ein trostbuechlein || für die Sterbendē, durch || Johan̄ Odenbach Pre-|| dicantē zů moscheln vn-||der Landßberg auß hei-||liger Goetlicher schrifft|| auffs kürtzst vnnd || trostlichst zů || gericht. || M D XXXII. ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite bedruckt. 16 Blätter in Oktav, letzte Seite leer, am Ende: “Getruckt zů Sraßburg [so] bey Hans || Preyßen. Jm jar. M. D. xxxij. ||”

Vorhanden in Basel.

 

Χ “Ein Trostbuechlein || für die Sterbenden, durch || Johan̄ Odenbach, Predican- ||ten zů Moscheln, vnd’ Land||sperg, auß heyliger Goettli-||cher Schrifft, auffs || kürtzst vnd trost-||lichest zů-||gericht. || * || ¶ Getruckt zů Straßburg, bey || Jacob Froelich. Jm Jar, || M. D. XLVI. ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer, am Ende: “Getruckt zů Strasz-||burg, bey Jacob Froelich, || Jm Jar, M. D. XLVI. ||”

Vorhanden in Bamberg.

Wir geben nun die Reihe der Ausgaben, die Luthers Vorrede enthalten, in ihrer zeitlichen Folge. Voran stehen die Einzeldrucke.

 

 

 

Aa “Ein kurtz vn||terricht den Ster-||benden menschen || gantz troestlich vnd selig-||lich furzuhalten an yh||rem letzten ende, || mit einer Vorre||de D. Mart. || Luther. || Wittembeg. [so] || 1529. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 12 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt durch Jo-||seph Klugk. ||”

Bl. A2b Z. 4 “vnnuetzen”; Z. 22/23 “dem es offenbar ist, das alle Papisten || auff einen hauffen, mit alle yhrer ||”; A3a 17 “buchlim”.

Vorhanden in Dresden, Gotha.

 

Ab wie Aa, nur Z. 10 des Titels “Wittemberg”, A2b 4 “vnnutzen”.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin, Gotha, Rostock, Wittenberg L., Wolfenbüttel (2 Ex., das eine unvollständig), Zwickau.

 

Ac wie Ab, doch A2b 4 “vnnuetzen”; 22/23 “dem es offenbar ist, das alle Papi-||sten auff einen hauffen, mit alle yhrer ||”; A3a 17 “buchlin”. Jm Jnnern neuer Satz.

Vorhanden in Eisleben (Andreasturmbibl.), Zwickau.

 

B “Ein Kurtz vnter||richt den Sterbendenn || menschen gantz troestlich vn̄ se||liglich fürzůhalten an jrem letz || ten ende, mit einer Vorre||de D. Mart. Luth. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 8 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zů Nuerenberg || durch Hans Stuechssen. ||”

Vorhanden in Berlin (Luth. 5502, 1), München H. und U., Nürnberg GM., Sommershausen, Wittenberg, Zürich St. — Vgl. Weller Nr. 1646 und 1647.

 

 

 

[Seite 74]

 

C “Ein kurtzer vnderricht || den sterbendē menschen, gantz || troestlich vnd seligklich für zů halten || an irem letsten ende. || Mitt einer Vorrede D. Martin Luthers || in welcher er diß buechlin || hoch lobt. || M. D. xxix. ||” Titelrückseite bedruckt. 8 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer.

Druck von Andreas Cratander in Basel. — Vorhanden in Basel (2).

 

D “Ein Troest-||büchlin fur die || sterbenden. || An die Hochgeborne || Fuerstin, Fraw Elizabeth, Pfaltz-||grefin bey Rhein, Hertzogin jn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreuin || zu Hessen. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter in Oktav, das 20. fälschlich “Oiiij” gezeichnet.

Druck von Georg Rhaw zwischen 1529 und 1535. Als Herausgeber nennt sich Johan. Odenbach in der Widmung. Unsre Schrift auf Bl. C6b bis C8b beginnt: “Ein ander vn-||terricht, den Sterben-||den menschen gantz troestlich vnd || seliglich furzuhalten ... mit einer Vor-||rhede D. Mart. || Luthers. ||”1

Vorhanden in Hamburg, Nürnberg GM, Wernigerode.

 

E “Ein Trost-||buchlin fur die || sterbenden. || An die Hochgeborne Fuer-||stin, Fraw Elizabet, Pfaltzgref-||fin bey Rhein, Hertzogin jnn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreuin || zu Hessen. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung. 48 Blätter in Oktav, letzte Seite leer.

Druck von Georg Rhaw. Unsre Shrift auf Bl. C6b bis D8b, am Ende von Luthers Vorrede Holzschnittleiste mit den Köpfen Karls V. und Kurfürst Johann Friedrichs, so daß E frühestens im August 1532 gedruckt ist.

Vorhanden in Zwickau.

 

F “Ein Trost-||Büchlin fur die || sterbenden. || An die Hochgeborne || Fuerstin, Fraw Elizabet, Pfaltz- || greffin bey Rhein, Hertzogin jnn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreffin || zu Hessen. || Wittemberg. || 1535 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 48 Blätter in Oktav.

Druck von Georg Rhaw. Unsre Schrift auf Bl. C6b bis D8b.

Vorhanden in Berlin (Cx 92, 2), Danzig St., Königsberg U., Münschen H., Nürnberg St., Weimar, Zeitz, Zwickau (2); Bibliotheca Lindesiana.

 

G “Ein Trost-||Büchlin fur die || Sterbenden. || An die Hochgeborne || Fuerstin, Fraw Elizabet, Pfaltz-||greffin bei Rhein, Hertzogin jnn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreffin || zu Hessen. || Wittenberg. || 1537 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 88 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-||berg durch Georgen || Rhaw. ||”

Luthers Vorrede auf Bl. D6b bis D8b, Venatorius in Spalatins Auszug Bl. I3a bis I7b.

Vorhanden in Berlin (Es 1362).

 

H “Ein Trost||Büchlin fur die || Sterbenden. || An die hochgebor-||ne Fuerstin, Fraw Elizabet, || Pfaltzgreffin bey Rhein, Her-||tzogin jnn Beiern, Greffin || zu Veldentz, Landgref-||fin zu Hessen. || Wittemberg. || 1538. ||” Mit Titeleinfassung. 96 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-||berg durch Georgen || Rhaw. ||”

Luthers Vorrede Bl. D6b bis D8b, aus Venatorius nur Spalatins Auszug Bl. I3a bis I7b.

Vorhanden in Fürstenau im Odenwald.

 

 

 

[Seite 75]

 

I “[rot] Eyn Trostbuech-||[schwarz]lein fuer die ster-||benden. || [r.] An die Hochgeborne Fuer-||stin, Fraw Elizabet, Pfaltzgrefin || [schw.] bey Rhein, Hertzogin in Beyern, || Grefin zů Veldentz, Land-||grefin zů Hessen. || [r.] 1541. ||” Titelrückseite leer. 72 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Getruckt zů Franckfurt am || Meyn, bei Cyriaco Ja-||cobi zům Bart. || M. D. xlj. ||”

Luthers Vorrede auf Bl. C6b bis C8a, Venatorius in Spalatins Auszug Bl. G1b bis G4b.

Vorhanden in Berlin (Es 1364). — Vgl. Rotermund, Fortsetzung zu Jöcher 5, 926 (1816).

 

K “Ein Trost || Büchlin fur die || Sterbenden. || An die hochgebor-||ne Fuerstin, Fraw Elisabet, || Pfaltzgreffin bey Rhein, Her-||tzogin jnn Beiern, Greffin|| zu Veldentz, Landgref-||fin zu Hessen. || Wittemberg. || 1542 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 96 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-||berg durch Georgen || Rhaw. ||”

Luthers Vorrede Bl. D 6b bis D 8b, aus Venatorius nur Spalatins Auszug Bl. I3a bis I 7b.

Vorhanden in Berlin (Es 1365), Nürnberg St., Basel. — Vgl. Rotermund 5, 926.

 

L “Ain Trost- || buechlin, für die || Sterbenden. || An die Hochgepor-||ne Fürstin, fraw Elisa-||beth, Pfaltzgraefin bey || Rein, Hertzogin in Baiern, || Graefin zu Veldentz, Land-||graefin zu Hessen, &c.. || 1543 ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite bedruckt. 56 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer.

Wohl ein Augsburger Druck. Odenbach nennt sich in der Vorrede als Herausgeber. Luthers Vorrede Bl. C4b bis C6a, Venatorius in Spalatins Auszug E3b bis E6b.

Vorhanden in München H.

Die nach Luthers Tod erschienenen Ausgaben von Odenbachs Trostbüchlein sind notwendig ohne kritischen Wert für Luthers Vorrede und hier nur kurz zu erwähnen. Es sind:

 

 

 

M “Leipzig, durch Jacobum Berwald, Wonhafftig in der Nickelstrassen. 1552.” Vorhanden in München HSt.

 

N “Gedrueckt zu Nueremberg, durch Georg Merckel. Wonhafft auff dem Newen baw, bey der Kalckhuetten. 1555.”

Vorhanden in Müchen HSt.

 

O “Zürich, bei Christoph Froschauer. 1561.”

Vorhanden in Basel.

 

P “Ein Trost-|| buechlin fur die Ster || benden. || [verzierte Blume] || Jtzundt in diesen gefehr- || lichen zeiten allen fromen || Christen, fehr nuetzlich || vnd troestlich || zu le-||sen. ||” Mit Titeleinfassung, 32 Blätter in Oktav, darauf neuer Titel: “Ein ander vn-||terricht, den Sterbenden || Menschen, gantz troestlich || vnd seliglich fuerzuhal-||ten, anjrem letz-||ten ende. || [verzierte Blume] || Mit einer Vorrede, || D. Mart. Luth. ||  ||” 24 Blätter in Oktav.

Vorhanden in München U.

 

Q Eine Ausgabe von Odenbachs Trostbüchlein, die nach Rotermunds Fortsetzung und Ergänzungen zu Jöcher 5, 926 (1816) Paulus von Rode in Leipzig 1739 besorgt haben soll, scheint verschollen zu sein. Nicht bei Heinsius, Allg. Buecherlexikon 1700 –1810 (1812).

 

 

 

[Seite 76]

 

Handschriften.

 

 

a Die Jenaer Handschrift Bos. q. 24s. ein Sammelband von Abschriften Lutherscher Briefe, Gutachten, Vorreden usw. von verschiedenen Händen des 16. Jahrhunderts aus dem Nachlaß Rörers († 1557), enthält auf der Rückseite des Titelblatts und dem folgenden noch ungezählten, Blatte die “Vorrede D. M. L. vber das Büchlin Thomä Venatorii, Vnterricht den sterbenden «Menschen gantz trostlich»”, die drei letzten Worte nachträglich über der Zeile. 3 Seiten in Quart.

 

b Dieselbe Handschrift enthält auf Bl. 237a, 237b und 238c von einer zweiten alten Hand die Abschrift nochmals, am Rande ist nachträglich die Überschrift beigefügt: “Vorrede D. M. L. auff den kurtzen Vnterricht Tho. Venatorii sterbenden Menschen gantz tröstlich furzuhalten an irem letzten ende 1529.” 3 Seiten in Quart.

Von den Gesamtausgaben der Werke Luthers enthält die Vorrede: Eisleben 1 (1564), 481b –482a; Altenburg 4, 703 –704; Leipzig 22, Anhang 94 –95; Walch 14, 264 –266; Walch2 14, 294 –297; Erlangen 63, 284 –287.

 

Die Abhängigkeit der Drucke voneinander bietet keinerlei Schwierigkeiten. A stimmt mit A 8b 18 kom, B ijb 19 kanstu zu α gegen β, während es die sprachliche Glättung B ijb 22 pein < poen selbständig von β vorgenommen haben kann. Doch springt A sehr frei mit Text und Glossen um, fals es α zur unmittelbaren Vorlage gehabt hat. Nicht immer sind seine Änderungen glücklich, so gleich A iiijb: “Die weil nu nicht Christlich ist, vmb die verstorbnen fast oder vnchristlicher weise traurigkeit zutragen” statt “vntroestlicher”, so daß schwerlich Luther selbst den Text redigiert haben wird, zumal er ja seine Treue gegen den alten Druck betont. Ac meidet die Druckfehler 79, 15/16 vberschwenlichen, 80, 5 buchlim von Aab und ist ein Abdruck der Erstausgabe, die es aufs treuste nachzubilden sucht. Offenbar hatte Klug die Auflage von vornherein zu klein bemessen und wollte nachträglich möglichst vielen seiner Käufer die ‘Originalausgabe’ verschaffen. B steht in den acht Fällen, in denen sich Aab und Ac trennen, fünfmal zu, dreimal gegen Ac, so daß es ein Nachdruck von diesem sein wird. C teilt mit B alle dessen Sonderlesarten, so 79, 7 gnadenreiche, 79, 13 schendtlichen, 79, 22 aller und entfernt sich mit 79, 4.6 verdurb über B hinaus von Ac, so daß es Vorlage keines andern Druckes sein kann.

 

DEFGHK sind sechs bei Rhaw rasch aufeinanderfolgende rechtmäßige Auflagen von Odenbachs Trostbüchlein. D teilt nur zufällig mit BC einige naheliegende Sonderlesarten wie 79, 16 behuete, geht aber in allem Wesentlichen, z. B. 79, 7 gnadreichen, 79, 13 schedlichen mit A gegen BC. In den ach Kleinigkeiten, die Ab von Ac trennen, geht D fünfmal mit Ab, dreimal mit Ac, so daß es Abdruck von Ab sein wird. E stimmt mit 80, 6 wuste aufs nächste zu D und nur zu diesem, geht mit 79, 10 darein, 80, 14 Christenlichen weiter von Ab ab als dieses und ist damit Vorlage keines andern. F stimmt mit 79, 9 solchen zu D, entfernt sich mit 79, 7 gnadenreichen, 80, 13 liebe weiter als dieses von Ab. G teilt die markanten Lesarten von F 79, 7 gnadenreichen, 80, 13 liebe und entfernt sich mit 80, 14 auch fehlt über F hinaus von D.

 

 

 

[Seite 77]

 

H geht in dieser mit G, entfernt sich mit 79, 13 buechern wieter von F als G. Diese einzige charakteristische Lesart von H teilt K mit ihm. K ist ein seiten-, meist auch zeilentreuer Abdruck von H und unterscheidet sich von ihm fast nur durch 79, 12 jtz, 79, 15 schir, 79, 17 buechlin. Das Zusammentreffen von HK mit BC 79, 22 aller, C 80, 10 klueglin ist ein naheliegender Zufall.

 

Erst spät hat sich der Nachdruck Odenbachs bemächtigt, ein guter Raub scheint er nicht gewesen zu sein. I teilt 79, 13 buechern mit HK, ist notorisch älter als K, entfernt sich mit 80, 4 nichts weiter von G als H, ist also Nachdruck von H. L stimmt in 79, 13 buechern, 80, 10 kluëglin, 80, 14 auch fehlt zu HIK; I wird als Vorlage ausgeschlossen durch 80, 4 nit, zwischen H und K ist keine sichere Entscheidung möglich, doch spricht die chronoligische Wahrscheinlichkeit für K.

 

Demnach stammen L aus K, I und K aus H, H aus G, G aus F, E und F aus D, C aus B, B aus Ac, Ac und D aus Ab, alle aber mittelbar oder unmittelbar aus Aa.

 

Die Unterschiede zwischen den Drucken sind zu gering, um die Handschriften mit Sicherheit in ihren Stammbaum einzuorden. Sicher ist, daß a und b Abschriften aus Drucken sind, nicht ihrerseits als Vorlage von Drucken kritischen Wert beanspruchen können.

 

Wir geben demnach den Text der Vorrede nach Aa und verzeichnen darunter die Abweichungen der Drucke B bis L und der Handschriften ab, soweit sie sich nicht zusammenfassend hier charakterisieren lassen.

 

In den jüngeren Drucken erscheint das Gebiet des Umlauts mannigfach erweitert, selten eingeschränkt. Bezeichnung des Umlauts führen ein: in widersaecher 79, 17, C, glaeuben 79, 24 I; woellen u. s. F. (5) BCDEFGHIK (6) L, (zů)stoeren u. s. F. (2) BCDEFGHIKL, koennen 80, 17, koerblin 79, 9 CDEFGHIKL, koempt 80, 10 E; für (2) FGHK (3) L (4) BCI, stueck(en) (1) B (2) DEFGHIK, druemb (1) F, daruemb (1) HK (2) DE, natuerliche 80, 8/9, stürtzen 80, 22 BCDEFGHIKL, jünger 79, 3 CDE FGHIKL, vnnuetzen 79, 13 AcCDEFGHIKL, fünff (2) BCFGHIKL, druecken u. s. F. (2), drueber 80, 10 DEFGHIK wuenderlich 79, 8 FGHK, übrig u. s. F. (2), über (1) C; buecher (3) BCDEFGIL (2) HK, buechlein (-lin) (5), muessen 79, 19 BCDEFGHIKL, vberkluegen 80, 8 DEFGHIK, ueben 80, 15 C. Bezeichnung des Umlauts beseitigen in Formen von boss (2) Ac, nutzlich 79, 11 AcBCL, vnnutzem 79, 11 AcB, abenteurliche 80, 22, glauben 79, 24 BCL, schlafft 80, 21, stuck 80, 16 CL.

 

Jm Gebiet des übrigen Vokalismus gehen die verschiedenen Drucke weiter auseinander. ai für altes ei führt nur L ein in ain u. s. F. (7), kain 79, 20, klain 79, 23, hailig u. s. F. (5), -hait, -kait (6), laider 79, 12, -gaister- (3), aigen 80, 1, maister 80, 10, baide 80, 13. — A hat altes uo und u nicht geschieden, schreibt vielmehr zwanzigmal u in gut u. s. F. (5), zu (8), thun (2), klug u. s. F. (2), buche 80, 3, sucht (2). Eine Scheidung streben BCIL an, und zwar setzt B 15 ů in gůt, zů, thůn ein, läßt aber 5 falsche u stehen. C ersetzt 18 falsche u durch ů, 2 zu- durch zer-. I läßt 1 gut, 1 klug, 7 zu, L die 8 zu stehen, im übrigen setzen beide ů ein. — Dieselben vier Drucke regulieren die Scheidung von i und ie: A hat falsches i in itzt (2), falsches ie in Formen

 

 

 

[Seite 78]

 

von dies (2) und viel 80, 19. BC berichtigen alle 5 Fälle, I übersieht den letzten, L berichtigt alle, führt aber darüber hinaus y ein in sy (7). — Unbetontes e wird ganz selten zugesetzt (s. die Lesarten), dagegen von BCFGHIKL gern beseitigt, inlautend in vbrig 79, 7 FGHIKL, verderbte 80, 8, beraubte 80, 9 CL, lestrer 80, 11 C; viel öfter auslautend: (ich) hab (2) B (3) CL, leer (2) D (1) L, boeß (1) DI, poeß (2) L, gern 80, 1 BCL, buch (bůch) dat. sing. 80, 3 BCFGIL, je einmal in vorred, maß, sein, stuck, griff, eer CL, speiß, recht, wer, wüst, nem̄, freünd C, nam (4), woell (3), all (2) C, ebenteurlich 80, 22 GHK, kirch 80, 22 L.

 

Zum Konsonantismus sind nur drei Arten von Änderungen zu erwähnen, Einsetzung von Fortis statt Lenis, Vereinfachung von dd und Beseitigung des graphischen h. Gern wird ß statt s eingesetzt: hieß 79, 3, diß u. s. F. (6) BCIL, weißheyt 79, 16, auß (vß) 79, 18 BCI, speiß 79, 7 C, boeß (1) I (2) C. L Führt ss ein in dass (3), dess (1), poess (2). Tenuis statt Media setzen ein in trucken u. s. F. (3) CL, in procken (2), poes u. s. F. (3) L, Media statt Tenius in doll u. s. F. (4) L. dd bietet A in widdersacher 79, 17, widder 79, 25, odder (3); suddeler 80, 11. Es wird von BCGIL stets vereinfacht, von D in oder 79, 12, widersacher 79, 17, von HK hier und in sudeler, von F stets außer in suddeler. Dehnungs-h der Vorlage beseitigen stets außer in thun (thůn) (2) BCL, in jm (3) FGH (2) I (1) K, jre (r) (4) FG (2) HK (3) I. Silbentrennendes h beseitigen BCL stets, wo es nur graphische Bedeutung hat, also in Formen von gehen (2), stehen (3) und in ehe 79, 18; wo es historisch berechtigt ist, in geschehen 80, 11 und sehen 80, 21 bleibt es: der Nürnberger, Baseler und Augsburger Drucker haben dieses h von dem vorigen unterschieden, es also noch gehört.

 

Jm Gebiet der Wortformen ist die einzige durchgreifende Änderung, daß das Suffix -lin zu -lein wird, einmal in CK, zweimal in FGH, sechsmal in B. Außerdem gestatten sich nur die oberdeutschen Nachdrucke ein paar Abweichungen: sondern > sonder (1) B (5) L, > sunder (5) C, nicht > nit (5) C (13) L, auff > vff (2) C, denn > dann (7), wenn > wann (4) L.

 

Die beiden Handschriften gehen in sprachlichen Dingen gelegentlich eigene Wege.

 

Bezeichnung des Umlauts führen ein in wöllen u. s. F. (3) a (4) b, können 80, 17, zustören 80, 23 ab, sölcher u. s. F. (3), körblin 79, 9 b; Jünger 79, 3, vnnützen 79, 13, drücken 79, 17, natürliche 80, 8.9, drüber 80, 10, stücken 80, 20 ab, für (2) a (3) b, gedrückt 80, 7 a, wünderlich 79, 8, stürtzen 80, 22 b; büchern (3), büchlin (5), müssen 79, 19 ab, vberklügen 80, 8, sücht 80, 17 a. Bezeichnung des Umlauts unterläßt a in abentheurliche 80, 22, glauben 79, 24, vermogen 79, 22. — Unbetontes e beseitigt a in vbrig 79, 7, speis 79, 7, b in stück 80, 16. — dd vereinfachen ab in oder (3), a in widersacher 79, 17. — Dehnungs-h beseitigen ab in im (3), ir (2), irer (2). — Die einzige Abweichung im Gebiete der Wortformen ist Sondern > sonder (2) a.

 

Vgl. noch Köstlin-Kawerau, M. Luther5 II, 158. 644. Kolde in den Beiträgen zur bayer. Kirchengesch. Bd. 13, S. 115 ff.

 

 

 

[Seite 79]

 

Vorrhede Marti. Luther.

 

1529

 Christus unser Herr, da er funff tausent man mit funff gersten  brod gespeiset hatte, hies er seine iunger die ubrigen brocken  [Joh. 6, 12] samlen das nichts umbkeme, Johan. 6. Dem selbigen befelh  nach hab ich auch wollen dis buchlin auff heben, das nicht  umbkeme. Welchs freylich auch der guten brocken eine ist, so  uberig ist von der gnadreichen speise des heiligen Euangelij, damit Gott der  Vater aller gnaden und barmhertzigkeit itzt die wellt so reichlich und wunderlich  speiset. Und habe zu solcher brocken dis korblin geflochten, nemlich diese vorrede,  darinn es gefasset und behalten wurde.

 

Und ist sein auch wol werd, Denn es ein nuetzlich buchlin ist, das nicht  mit narren werck odder unnuetzem geschwetz umbgehet, wie itzt leider der  unnutzen schedlichen bucher und schreiber die wellt vol ist, sondern von der  rechten notsachen und heubtstuecke handelt, welche die Schwermergeister und  tollen heiligen schier gar vertunkelt haben mit yhrer grossen uberschwenglichen  weisheit und klugheit, da uns Gott fur behuete.

 

Denn es haben auch unser widdersacher dis buchlin selbst lassen drucken  und ausgebreit ehe denn wir1, damit sie bekennen, das freilich nichts boeses,  sondern eitel guts drinnen sey, das sie selbs loben und ehren mussen. Nu  ist ia kein Papistissche lere, sondern die rechte Lutherissche (wie sie es nennen)  drinne. Nach dem2 es offenbar ist, das alle Papisten auff einen hauffen  mit alle yhrer kunst nicht vermoegen ein solchs buchlin zu machen, es sey wie  klein es wolle, Denn sie haben solchen verstand nicht.

 

Und wil wol gleuben: wo mein name odder sonst ein bekanter Lutherisscher  name drauff gestanden were, sie hettens widder gedruckt noch gelesen,

 

 

 

[Seite 79]

 

[ 2 do L        gerstin L 3 brodt B brot CGHIK prot L Brod über der Zeile b        hatte] het B hett CL 4 umbkeme] verdurb C        Joan. vj. C Jo. 6. F Joha. 6. G fehlt a        befelch BC befehl EGHKa 6 umbkeme] verdurb C 7 gnadenreiche BC gnadenreichen FGHIKLa heiligen über der Zeile a 8 genaden B 9 solchen DEFGHIKL 9/10 vorrhede DE Vorrhede FGHK 10 darein E        wuerde BDEFGHIK wirt C würde ab 11 werdt CIL        ist nicht b 12 vnnuetzen I        jtz K 13 schendlichen B schendlichen C schaedlichen I schoedlichen L        buechern HIKL 14 heubtstucke Ac haubtstucke B haubtstuckē C haeubt stuecke I hauptstuck L        Schwermergeister und fehlt C 15 schir K        verdunckelt C 15/16 vberschwenlichen Aab überschwencklichē C vberschwencklichen L 16 fur] vor CL        behuete BCDEF GHIK behuet L behüte ab 17 selbs BCLa 18 ausgebreit Ac vß gebreit C außgebraitt L        freylich Aca 19 gutes ab        darinnen L        selbst E        Nun BCL 20 ists, verbessert in ist a        Papistische ab        Lutherische ab 21 darinnen L 22 aller BCHIKL        solichs B sollichs C        sein I 23 verstandt C 24 wa CL        sunst C        bekandter b 24 /25 Lutherischer ab 25 darauff BC darauf L        hetten es L        weder CFGHIKLab]

 

 

 

[Seite 80]

 wie denn offtmals sie auch meine eigen bucher gelobt und gerne gelesen  haben, wenn mein name davon gerissen ist.1 Also ein boess ding ist mein  name: wenn er auff eim buche stehet, so ists boese, es sey wie gut es wolle,  Wenn er nicht drauff stehet, so ists gut, es sey wie boese es wolle.

 

Jch habe auch gar nichts zu diesem buchlin thun nocht endern wollen  (welchs ich auch nicht wol wueste zuthun), Sondern hab es lassen ynn seiner  masse und gestallt gantz und gar bleiben, wie ichs gedruckt bekomen habe, auff  das ichs nicht etwa verderbete und mit meinem uberklugen yhm seine naturliche  krafft und safft neme odder den geschmack beraubete, wie gemeiniglich  guten buchern geschicht, wenn meister kluegling druber kompt, wie denn meinem  newen Testament auch geschehen ist, das der lesterer und suddeler ynn Meissen  fur das seine hat aus lassen gehen.2

 

Bitte der halben alle lieben freunde, beide prediger und hoerer, wolten  sich auch also vleissigen und dis heubtstueck der Christlichen lere, nemlich den  glauben, helffen treiben und uben. Denn die tollen heiligen, Papisten und  Rotten geister, verstehen warlich nicht, was dis stuecke ist, drumb treiben sie  es auch nicht, konnen auch nicht. Und der teuffel sucht durch alle yhr tolle  heiligkeit und geisterey nicht schlecht3 yhr tolle heiligkeit auff zurichten, sondern  viel mehr dis heubtstuck, das yhm den kopff zutritt und sein reich zustoret,  zu vertilgen. Es ligt yhm fur war an andern stucken nicht so hart. Darumb  lasst uns wacker sein und fur sehen. Er schlefft nicht, Er sucht und treibt  ebenteurliche griffe, den glauben und damit die rechte kirche zu sturtzen und  zustoren. Christus unser Herr sey mit uns und verlasse uns nicht. Welchem  sey lob, ehre und danck ynn ewigkeit, AMEN.

 

 

 

[ 1 bueche || er E 2 daruō C        bös ab 3 auff ein buch a        ainem L        ist es poeß L        gute a 4 nicht] nichts I        druff C darauf IL        ist es L 5 buchlim Aab        aenndern L 6 wuste DE wußte L        habe a        in ab 7 gastalt B        beleiben L        überkummen C bekommen verbessert in bekommen b 8 etwan C 9 gemainklich L 10 beschicht C        klueglin CHIKL        darueber BCL        kombt BL kumpt C 11 neüwen C        ist über der Zeile b        sudler BCL 12 aus fehlt BC        am Rande: Hieronymus Emser a 13 liebe FGHIKL        beide über der Zeile a 14 auch fehlt GHIKL        haubtstueck B haubtstuck Ca Haeuptstuecke I hauptstuck L        Christenliche E 16 darumb BCLb daruemb E drümb a 17 künnen BC        jre CFGHIL yhre D jhre EK 18 gesterey E        jre FGHIKL 19 haubtstueck B haubtstuck Ca heubtstueck DEFGHK Haeuptstueck I hauptstuck L heubtstück b        zertrit C zertritt L        zerstoeret CL zurstöret ab 20 mir im a 21 schlaefft l        teybt B 22 abenteurlich I        vn̄ die rechte kirch damit C 23 zů zerstoerē C]

 

 

 

[Seite 81]

 

Vom Kriege wider die Türken.

 

[Einleitung]

 

[Seite 81]

 

Seit Jahrhunderten war das deutsche Volk daran gewöhnt, aus dem fernen Osten schreckliche Feinde kommen zu sehen. Die Ungarn hatte einst Otto I. durch den Sieg auf dem Lechfelde zurückgeschlagen; dann waren sie selbst Christen geworden und schienen nun im Osten ein festes Bollwerk zu sein. Dann hatten die Mongolen das Reich gefährdet. Und neuerdings waren immer drohender die “Ungläubigen” angestürmt, gegen die die Christenheit einst zum Angriffskriege ausgezogen, die aber jetzt längst ihrerseits Angreifer geworden, die Türken.

 

Seit der Eroberung Konstantinopels hatten sie nach wohlerwogenem Plan ein Gebiet nach dem andern im Südosten Europas sich zu Füßen gelegt; Serbien, Bosnien, Albanien waren schon in ihrer Gewalt. Wohl hatte unter Bajesid II. der stete Siegeszug eine Zeitlang stillgestanden, aber nur um unter Selim I. aufs neue zu beginnen, um so heftiger, seit diesen nach der Eroberung Ägyptens (1517) die Würde des Khalifen zierte, die Krieg und Sieg für Allah ihm zur heiligsten Aufgabe machte. Mit Recht bebte man bei dem Gedanken, daß er, nachdem er im Orient Triumphe über Triumphe gefeiert, nun nach Westen vordringen würde; da starb er plötzlich im Jahre 1520. Aber vergebens war die Hoffnung, daß sein Nachfolger Soliman II., dem der Ruf eines Weichlings vorherging, zufrieden mit dem Erbe seiner Väter nicht weiter auf Eroberungen sinnen würde. Nicht umsonst trägt er in der Geschichte den Beinamen: der Prächtige. Von Franz I. von Frankreich noch gegen den mit den Habsburgern verschwägerten König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn aufgehetzt, drang er unverzüglich in dessen Gebiet ein, eroberte 1521 Belgrad, besiegte Ludwig, der 1526 bei Mohacz fiel, und hatte nun freien Zug auf Wien.

 

Zwar wandte er zunächst, nachdem er die Hauptstadt des ungarischen Reiches in Flammen hatte aufgehen lassen, sich zurück. Aber jeder Einsichtige wußte, daß er das nur tat, seine Kräfte zu neuem entscheidenden Vorgehen zu sammeln; um so mehr, als unter den beiden Bewerbern um die ungarische Krone Johann Zapolya vor Ferdinand von Österreich vor seinen Augen Gnade gefunden hatte, Ferdinand also gewiß sein mußte, daß Soliman alles daran setzen würde, ihn unschädlich zu machen. Durch eine Gesandtschaft suchte er den drohenden Sturm zu beschwichtigen; zwei kaiserliche Räte ordnete er ab nach Konstantinopel, “Frieden und gute Nachbarschaft” anzubieten. Sie erhielten den bedeutsamen Bescheid, der Großherr gedenke nächstens in Person bei dem König in Österreich einzutreffen. Dann wurden sie gar als Kundschafter von den Venetianern verdächtigt und mehrere Monate in

 

 

 

[Seite 82]

 

Haft gehalten. So währte es lange, bis sie die erschreckende Antwort ihrem Herrn ausrichten konnten, und bange harrte man in Wien und in Deutschland im Sommer 1528 ihrer Rückkehr.

 

So standen die Dinge, als eben um diese Zeit Luther die Feder ansetzte zu seiner ersten Türkenschrift: Vom Kriege wider die Türken.

 

Zahlreiche literarische Erscheinungen hatte die Türkengefahr schon hervorgerufen.1 Einige der ersten, von denen wir wissen, beschäftigen sich mit dem Geschick der Johanniter auf Rhodos. Auch als der Türke schon weit nach Westen vorgedrungen war, war dieses immer noch ein nicht zu unterschätzender Stützpunkt christlicher Macht im Osten. Mehrfach griffen die Türken es an, und mehrfach wurde ihr Ansturm zurückgeschlagen. Ein Kanzler der Rhodiser, Wilhelm Caoursin, beschrieb die siegreiche Verteidigung der Jnsel gegen Muhamed II. vom Mai bis Juli 1480. In Gestalt einer Flugschrift:

 

 

 

“Der vermaledigsten vnfromen Türggē anschläg vnd fürnemen wider die heiligen cristenheit.” (Am Ende: Straßburg, Barth. Kistler. 1502. — Weller, Rep. typ. Nr. 247)

wurde seine “Descriptio obsidionis Rhodii urbis” auch in Deutschland verbreitet. Jm Jahre 1510 ging abermals die Kunde von einem Siege der Rhodiser aus; voll Freude las man die:

 

 

 

“Neüw Mercklich thatt || wider die vngleübigen. || Wie von dem Hochwirgen Fürsten herren Eme||rich Damboyße großmayster zu Rhodis Sant Jo-||hans ordens die Ritterbruder da selbst widder die vn||gleübigen zustreytten abgefertigt gesiget, vnd mitt || sonder gnad gottes treffenlich ere jngelegt habenn” (Ohne Ort und Jahr. — A. a. O. Nr. 621).

Aber wenig mehr als ein Jahrzehnt später war Rhodos gefallen. Und nun erzählte:

 

 

 

“Ain Sendbrief Wie || sych der Turckisch kayßer So grausamlich für || die stat Rodis belegert, vnd gewonnen hat, Vnd || von anfang biß zum end, Auch wie sich die from̄en Her||en vnd Ritter zu Rodis gehalten hond, gar erschrock-||enlich zu leeßen allen ständen der Christenhait. || Außgangen von Venedig. Jm Jar M D XXi.” (Unter der Vorrede: “Actum Jm jar M D XXiij.” — A. a. O. Nr. 2656, vgl. auch 2657 –2664.)

Die zahlreichen Drucke verraten, welchen Schrecken diese Kunde in der Christenheit verbreitete.

 

Und manche andern Nachrichten hatten diesen Schrecken verbreitet. So hörte man schon 1516 aus weitester Ferne, aber bedrohlich genug:

 

 

 

“... alle || geschicht so sich in Leuantt oder gen auff gang der Sū-||nen in Orient zwischen dem grossen Thürcken vn̄ dem || Soldan zu Allchayro vnnd dem Soffi begeben hat. || vnnd verlauffen ist wie sich hienach geschriben findt || ernstlichen . wie der Türck hat mit hörs krafft ein ge-||nōmen ain Stat genant Allepo vnnd ain Stat Da-||masco genant. Vnd darnach die hailig Stat Jheru-||salem mit sampt der aller vorgeschribnen Stet. Landt||schafft vnd zugehörung vnd wie der groß Türck hat || wöllen meß hören in dem

 

 

 

[Seite 83]

 

hailigen Grab zu Jherusalē || vnsers herren Jhesu Christi.” (Ohne Ort und Jahr. — A. a. O. Nr. 1034; vgl. auch 1035.)

Düstere Weissagungen wurden verbreitet, daß gleiches Schicksal wie dem Osten binnen kurzem auch dem Westen bevorstünde; 1518 ging aus:

 

 

 

“Eyn auszug etlicher || Practica vnd Propheceeyn. Sibille. || Brigitte, Cirilli, Joachim des Abts, Methodij, vn̄ bruder Rein-||hartz, wirt weren noch etliche jar, vn̄ sagt vō wunderlichē dingen” (Großes Titelbild. 8 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Ohne Ort und Jahr. Vorhanden in München H.1).

Darin hieß es als Reinhards Offenbarung (auf Bl. B2b), daß bald würde kommen der letzte Türke, ein Nachkomme der Hagar, mit seinen Scharen der Hagarener; die würden

 

 

 

“nit heuser bauen, sunder als wilde leuet durch streychen die grossen wiesteney, wonend in gezelden, und leben von rauben und was in werden mag, und unter den Christen gen der mitternacht und dem nidergang werden sie in yebung des grimß ubertretten alle grausamigkeyt der wilden thirt, und die gutten und senfftmütigen Christen werden von inen verstreut.”

Und aus des Methodius2 Weissagung war hinzugefügt:

 

 

 

“Es ist zukunfftig dz noch einmall die Agareni gesamelt in teuschen landen außgeen von der wuestung und erobern den kreys des erdtrichs im landt des Mondes durch acht Jar lang .. Si werden Stet und Kuenigreych umbkeren, an den heyligen stetten werden sie die prister toedten und bey den weybern schlaffen, auß den kelchen und andern heyligen gefeß werden sie trincken und bey den grebern der heyligen werden sie irt viech thun binden zu schalckheyt den Christen, und darnach werden sie bey Coelen alle erschlagen, und wirt kein christenlicher Fuerst darbey sein, allein der unüberwindlich Furst und Kunig von Hispania ..”

Und in:

 

 

 

“Eyn Dyalogus Do||ctor Joseph Grūenpeck von Burck||hausen: do des Türckischen Kay-||ser Astronimus Disputiert mit || des Egiptischen Soldans obristem radte, ainem || verlaugneten Christen von dem glauben der || Christen vn̄ von dem glauben des Machu-||meten. Nachmals von dē vierundzwein||tzigisten jar, wie es mit dē wassern, krie||gen, Pestilentz, hunger, vnd andern || erschrecklichen plagen gen sol. An || den Großmechtigistē fuersten || herren herren Karolen Roe||mischen Kayser. || Cum gratia et privilegio imperato. ||” (18 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zue Landßhut, mit Kayserlichen freyhaiten || begnadet vnnd volendet, am zwelfften tag || Februarij, durch Johan̄ Weys||senburger. Anno. 1522. ||” Vorhanden in München H.)

wurde der Wandel der Gestirne, der die Geschicke der Menschen und Völker lenke, als den Türken überaus günstig beschrieben.

 

 

 

[Seite 84]

 

Da war denn auch eine Nachricht geeignet Furcht zu verbreiten, die noch aus der Zeit stammte, da der Fall von Rhodos noch nicht bekannt war, und die nun, nachdem er bekannt geworden, allerlei dunkle halbsichere Angaben machte über eine Gesandtschaft des Türken nach Frankreich, über seine Pläne gegen Jtalien, gegen Ungarn und Österreich:

 

 

 

“Haimliche anschleg || vnnd fürnemung des Türckischen || Kaysers (wan̄ er Rodis eroberte) || wider die Cristen vnd Cristliche || Lender &c.. Vnnd anders mer || durch die gefangen Türckn̄ || so von Moeran gen Goertz || gefurt, Neülich bekant || vnnd geoffenbart || worden &c.. || 1523. ||” (4 Blätter in Quart. Letzte Seite leer. Ohne Ort. Vorhanden in München H.1)

Jmmer wieder erscholl der Ruf gegen den andringenden Feind. Schon 1503 hatte die “Teurliche und lobliche sant Jorgen geselschaft” einen Anschlag eines Türkenzuges ausgehen lassen (Weller, Rep. typ. Nr. 251); 1518 erschien ein eingehender, in zahlreichen Drucken verbreiteter Plan, wie Geistliche und Weltliche Leib und Leben, Hab und Gut einsetzen sollten, wie man leicht ein großes Heer und große Summen aufbringen könne, wenn man nur zusammenhielte und die Fürsten des Reichs nur einig wären:

 

 

 

“Das ist ein anschlag || eins zugs wider die Türcken. Vnd || alle die wider den Christen-||lichen glauben sindt. ||” (4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Ohne Ort und Jahr. Vorhanden in München H.2)

Jm Jahre 1522 wurde dieser Anschlag erneuert und an die gesamte Christenheit gerichtet:

 

 

 

“Ain anschlag wie man dem Türckē || widerstand thuen mag vnd durch gantz christenhait baide || von gaistlichē vn̄ weltlichē stant geleyche bürde getragē || würde on beschwerniß mit ordenung der müntz gar || schoen zuelesen yetz new gedruckt. An̄o. M.DXXij || [Titelbild] ||” (8 Blätter in Quart. Letzte Seite leer. Ohne Ort. Vorhanden in München H.).

1523 aber ging mit ausdrücklicher Bezugnahme auf den Fall von Rhodos ein seltsamer, gereimter Aufruf aus:

 

 

 

“[rot:] Anzeigung ze eroberen || [schwarz:] die Türchy, vn̄ erloesung der Christenheit. Auch || wie die Jnsel Mahumeta, durch die ordenslüt || deß küngreichs Wolfarie erobert ist. Daby alle || staend Tütscher nation soellen ein vnderwysung || naemen. [rot:] Jn omnem terrā exiuit sonus eorū. || [Eine Reihe Noten] || Sti sūt san cti qui p testamē || to dei sua corpora tradiderūt et in sanguine agni lauerunt stolas || suas. Tradiderūt corpora sua ppter deū ad supplicia & meru. &c.. || [Titelbild] ||” (16 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Ohne Ort und Jahr. Vorhanden in München H.),

eine Legende von einem siegreichen Zug der Ordensleute des aus Eberlin bekannten Königreichs Wolfaria gegen die Türken, den deutschen Ordensleuten zur Nachahmung vorgehalten, daß sie vor allem berufen seien, zum Schutz der Christenheit das Schwert zu ergreifen und so ihres hohen Berufes eingedenk zu sein. Zum Schluß freilich wendet sich die Schrift mit eindringlicher Mahnung an die deutschen Fürsten:

 

 

 

[Seite 85]

 

“Jr fürsten yn dem Roemschen rych,

     Durch got so lond erbarmen üch,

Die groß trübsal teutscher nation,

     Die allenthalben thůt uffston.’

 

 

 

Sie zeigt sich damit den Schriften einiger Humanisten verwandt, die in der Form rhetorischer Leistungen ähnliche Ermahnungen hatten ausgehen lassen. Ende Juni 1518 erschien:

 

 

 

“ORATIO || TRANQVLI PAR || THENII ANDRO||NICI DALMA||TAE CONT||RA THVR||CAS AD G||ERMAN||OS HA || BIT || Ar || ||” (10 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “In officina excusoria Iohannis Miller || Augustae Vindelicorum. Sexto || Kalendas Iunias An-||no salutifero. M. || D. XVIII. ||” Vorhanden in München H.1).

Und mit einem Vorwort an Konrad Peutinger kam im gleichen Jahre, im Druck beendigt am 20. September, heraus:

 

 

 

“RICH-||ARDI BARTOLINI PE-||rusini Oratio, ad Imp. Caes. || Maximilianū Aug. ac po-||tentis. Germania Prin||cipes, de expeditione || contra Turcas su||scipienda. || CVM PRIVILE-||GIO || IMPERIALI. ||” (12 Blätter in Quart. Die letzten drei Seiten leer. Am Ende: “In excusoria Sigismundi Grim̄ Medici, & Marci || Vuirsung officina Augustae Vindelico || Anno salutis. M. D. XVIII. duo-||decimo Kalen̄. Octobres.||” Vorhanden in München H.2)

Neben mutigen Kampfesrufen wurden aber auch Stimmen resignierter Verzagtheit laut, die geradezu anrieten, dem Türken sich zu ergeben, und die von seinem segensreichen Regiment alles mögliche zu rühmen wußten. Wenn man sich ihm nur nicht widersetze, so würde man an ihm einem milden Herrscher finden. Gegen solche feige Ratschläge wandten sich einige Flugschriften, die mit ihren Mitteilungen über die Türken, ihre Grausamkeiten gegen die Besiegten, ihre Falschheit und Hinterlist den Haß gegen den Feind zu schüren trachteten. Schon aus der Zeit vor Rhodos’ Fall stammt das vielgelesene:

 

 

 

“Türckenbiechlin || Ain Nutzlich Gesprech oder || Vnderrede etlicher personen, Zů besserung || Christlicher ordenung vn̄ lebens, || gedichtet. Jn die schweren || leüff diser vnser zeyt || dienstlich. || ¶ Das Türcken büechlin bin ich frey genant || Vnd beger den Christen werden bekant || Domit Sie sich zů besserung keren || Vnd dester bas des Türcken erweren. ||” (22 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Geendet im Mayen als || man zalt, Nach Christi geburt, || Tausent Fünffhundert || zwayntzig vnnd || zway jar. ||” Vorhanden in München H.3)

Jn Form eines Gesprächs zwischen einem Einsiedler, einem Ungarn, einem Türcken und einem Zigeuner werden hier die politischen Verhältnisse und die ganze Zeitlage, die abzustellenden Mißbräuche, die notwendige Besserung der Sitten und die erforderlichen Maßnahmen durchgesprochen und zum Schluß bis ins einzelne gehende Vorschläge für einem Türkenkrieg gemacht. Der Einsiedler will vor allem dem

 

 

 

[Seite 86]

 

deutschen Volk das Gewissen schärfen, der Ungar politisiert und sagt die Wahrheit über die türkischen Pläne und türkisches Wesen, der Türke aber sucht anfangs für seinen Herrn und seine Volksgenossen Stimmung zu machen und wird darin von dem Zigeuner unterstützt, der auf diese Weise als türkischer Zwischenträger und Spion den Lesern verdächtigt wird. Als der Türke und der Zigeuner der beiden anderen ansichtig werden, will letzterer sie zuerst berauben, aber der Türke belehrt ihn:

 

 

 

“Halt an dich, wir woellen jr verschonen und gůte wort mitteylen, wie mein Keyser, als er das vorder jar Kriechisch weyssenburg belegert, den Christen in gemein hat geben lassen, Nemlich wie sein Maiestat nit komme sie zů verderben, sonder allein jren herren, den Künig von Hungern, als seinen feind zů sůchen. Sein maiestat woelle ja auch alle proviandt, so sie jrem kriegßvolck zů fieren werden, wol bezalen, und fry stracks gleyt zů und ab zů reysen geben. ZJG. Jst das war? Lieber, es befrembdt mich, das sein Maiestat gegen den Christenhundten sich also gnedigklich erzeigt hat. TUR. Laß dich das nit wundern. Dann es ist mit Rat seiner weysen beschehen, domit ein gerůcht under den Cristen leüten erschell und außgebreit werd, wie sein maiestat gegen den Cristen nit so hart und Tyrannisch sey, als bey denen von jme offt gesagt würdet. ZJG. Nun merck ich warumb du disen zweyen guetlich zů sprechen wilt. Jch laß mir es auch gefallen. TUR. Mein herr Keyser hat den Cristen auch lassen zů sagen, wo jre lan-[A 3] de durch jn eroebert werden, woelle er jn fast gůt recht und gemein friden erhalten, statlicher, dann jre Cristliche regenten vil jar bißher gethon, und yeden bey seynem glauben bleiben lassen. ZJG. Vermeinstu auch, ob solche zůsag jnen müge gehalten werden, die weil wir beide wissen, das in den landen unsers Keysers meer nach gunst der gewaltigen und weniger nach gleich und rechter billigkeit geurteylt würdet, dan in keinen Cristenlanden. TUR. Das solt du den Cristen nit sagen. Dann wer voegel fahen will, můß zum ersten nit mit brigeln under sie werffen. Schweig, ich will den zweien weyter zůsprechen. Hoert jr Cristen, wo es eüch geliebt, das wir disen tag under einander sicherung zů sagen, so het mein gesell, der Landtfarer oder Zigeüner, und ich villerley mit eüch zů reden .....”

Unmittelbar vor der Schlacht bei Mohacz warnt vor dem Jrrtum, als ob der Türke gar nicht so schlimm sei, mit ernstlichen Worten eine Flugschrift, die als direktes Zeugnis eines Mannes sich gibt, der türkische Art am eigenen Leibe erfahren, ein:

 

 

 

“Außzug eynes || Briefes, wie eyner so in der Tuer||ckey wonhafft, seynem freuend || in dise land geschriben vnd an-||gezeygt, was das Türckisch re-|| giment vn̄ wesen sey, vnd || wie er es mit den landē || so er erobert, zůhal- ||ten pflegt, kurtz||lich in teuetsch || sprach || ge-||pracht, || nuetzlich di-||ser zeyt zů wissen. || W. D. XXvj. ||” Mit Titeleinfassung. 4 Blätter in Quart. Ohne Ort. Vorhanden in München H.1)

Der Schluß des Briefes ist bezeichnend genug:

 

“Des alles hab ich dir als meynem lieben vettern auff deyn einfeltig beger unanzeygt nit woellen lassen, du wuerst villeycht in kurtz unsers thůns, sol

 

 

 

[Seite 87]

 

anders unsers keysers zug für sich gehn, mer denn jch hie hab anzeygt, wissens empfahen. Gott wolt, das ich mit sicherheyt meyns leybs, meyns weybs und kinder mit der zeyt widerumb in Teuetschland kumen und alda ein Christ sein moecht, es gieng mir gleich am gůt und sunst, wie es moecht, allein das die seel erhalten wurd, Und darumb bitt jch Gott alle tag von hertzen, und gar offt mit grossem weynen, dz er mich auß disem elend woel erledigen, Das hab jch dir nit verhalten woellen, wolt nicht die gantzen welt nemen, das dise meyn prieff in des Türcken hend kemen..... Datum Andernopel am ersten tag des monats Mertzen. Jm M. D. XX vj. jar.”

 

Die unglückliche Schlacht bei Mohacz ließ die Warnrufe nur noch lauter erschallen.1 Bald genug trugen “neue Zeitunge”2 die furchtbare Kunde in alle Lande. Mit Bildern geziert, die die Grausamkeit der Türken den Lesern auch vor Augen führten, ging eine eingehende Beschreibung aus, wie der Feind in dem eroberten Lande gehaust:

 

 

 

“Hernach volgt des Blůt||hundts, der sych nennedt ein Türckischen || Keiser, gethaten, so er vnd die seinen, nach eroberūg || der schlacht, auff den xxviij. tag Augusti nechstuer || gangē geschehē, an vnsern mitbruedern der Vngrischē || lantschafften gātz vnmēschlich tribē hat, vn̄ noch teglichs tůt. || [Holzschnitt] ||” (4 Blätter in Quart, letzte Seite leer; auf der vorletzten Seite ein Holzschnitt. Ohne Ort. Auf S. A3b: “.. Außgangn̄ den . xxx. tag des || Monats Septembris. || ....” Vorhanden in München H.)

Darin heißts: “Er zeucht im land allenthalb hin und wider, dann es ist der merer tayl des Adels in der schlacht bey Künigklicher Maistatt beliben, und yederman erschrocken, verprennen das gemain volck vast. Auch was sye der Jungen weiber und meydlin erwischen, treiben sye jren můttwillen mit, schenckts einer dem andern. Wann sy sych dann dero genueten, so schlahen sy inen die koepf ab, Es kan also yemerlich und ellend nit antzeigt werden, es wirt noch vil hündtischer und thirannischer gehandelt.”

 

Und zum Schluß: “Darauff woelt jr Brueder und Schwestger solichs übel mer dann vihische und Adam menschliche gethaten zů hertzen fassen, und das alles betrachten. Auch unsern seligmacher, erloeser und schoepffer bitten und ansuchen, das er uns sein Goetliche gnad, vertzeyhung unsers übels und sunden, woelle verleyhen, und verner vor dem blůthund verhueten, und uns allen eyn ainigs wesen und frid, den wir zůhaben bedürffen, mittailen. Amen.”

 

Besonders laut und eindringlich erhob der hochbetagte Johann Spießhammer (Cuspinianus) in Wien seine Stimme, der als kaiserlicher Rat häufig auf Gesandtschaften in Ungarn geweilt hatte und dem deshalb das Geschick des unglücklichen Landes besonders zu Herzen ging:

 

 

 

[Seite 88]

 

ORATIO PRO: || TREPTICA IOANNIS CVSPINIANI AD SACRI || Ro. Imp. Principes & proceres, ut bellum suscipiant contra || Turcum cum descriptione conflictus, nuper in Hunga-||ria facti, quo perijt Rex Hungariae LVDOVICVS. || Et qua uia Turcus SOLOMET ad Budam || usq; peruenerit ex Alba graeca, Cum enu||meratione clara dotium, quibus à || natura dotata est Hungaria, || cü insertione multarum || rerū annotatu dignis||simarum. Lege le||ctor & iudi-||ca in quam || miseriā || ho-||die Christia-||nitas est coniecta. || [Vignette] ||” (16 Blütter in Quart. Ohne Jahr. Am Ende: “Excusum Viennae Austriae, per || Ioannem Singrenium. || [Schlußvignette, darin: VNITAS]||” Vorhanden in München H.)

Betend faft schließt Cuspinianus:

 

“Ut possit Christianitas aliquando universa extinctis omnibus et sopitis discordiis Christo Deo Opt. Max. unum constituere ovile, in quo laudetur nomen eius, glorificetur et sincere colatur. Id quod universus populus Christianus pius expetit et desiderat. Ad quod nos iuvet Deus ille trinus, immortalis et immensus, qui suam gratiam divinam nobis celitus ubertim subministret et largiatur, Amen. Sed more nostro hoc claudamus Tetrasticho:

 

Haec si non moveant rationes, ite repente

     Turco ultro dantes oppida, regna, lacus.

Accipite inque domos vestras, nati quoque et uxor

     Serviat aeternum, hoste vidente, nefas.”

 

 

 

Volksdichter und Humanisten vereinigen sich, auch in Lied und Dichterwort das Volk zum Kampfe aufzurufen. Kaspar Ursinus wendet sich an die deutschen Fürsten und mahnt am Ende von Cuspinians “Oratio”

 

“Qualia maiorum cineras Germanaque virtus

     Marsque pater vobis dicere verba velint.

Quales credibile est nequicquam effundere questus

     Plurima Turcaicis oppida capta viris,

Quaeque fuit facies accensae flebilis urbis,

     Quaeque fuit foedae nuper imago fugae...

Parva haec enumerat vobis oratio, sane

     Parva, sed ingenio magna, sed ampla fide.

Haec nisi vos docto succendet buccina cantu.

     Non aliam spes est posse ciere tubam.”

 

 

 

Und Johannes Alexander Brassikanus erinnert die Leser an die alte deutsche Tapferkeit und schließt:

 

“Una atque unica vos moveat πάντολμος νάγκη

     Germani tandem martia corda duces.”1

 

 

 

Das Volkslied aber ermutigte und mahnte:

 

     “Hailigs reich, du bist unverzagt,

der Türk hat dich noch nicht verjagt,

thůt frischlich zammen springen!

kompt uns der Turk wol in das land,

er kann uns nit entrinnen.

     /Got wel wir treulich rufen an,

er wöll uns Christen beistan thon,

daß wir gar frölich fechten;

ain gůt gsell sol beim andern stan,

das türkisch her zů prechen!”1

 

 

 

[Seite 89]

 

So verschiedenartig im einzelnen diese Literatur ist, indem die einen mehr an die sprichwörtliche Kampfesfreudigkeit, den Mut und die Tapferkeit der Deutschen sich wenden, die andern mehr Buße und Umkehr predigend auftreten, in dem einen sind sie sich gleich, sie erwarten alle das Heil von den beiden Häuptern der Christenheit, atmen alle gewissermaßen Kreuzzugsstimmung. Wohl halten sie gelegentlich auch dem Papste und den Geistlichen ihre Sünden vor. So klagt das “Türkenbüchlein”, daß die Päpste nicht immer nach der Lehre der Schrift sich gerichtet hätten:

 

“Es ist layder nit die geringst ursach unserer Christen trübsal, darin wir yetzo steen, hetten die Bepst Christo und Petro, jren rechten vorgeer, nachgevolt, da der ain sagte, Mein reich ist nit von diser welt, Jtem, Gebt dem Kaiser was jm zůgehoert &c.. Der ander, Gold und silber hab ich nit &c.. So stuende das Roemisch reich sambt der Christenhait yetz in besserer beschützung und wolfart, Aber der geytz und zeytliche ere hat jre der lestern Bäpste Conscientz, gewissen und vernunfft hochlich überwunden, dadurch wir yetzo werloß und dem Roemischen Reich etwas ungehorsamb befunden werden.”1 Und Parthenius straft die Sacerdotes:

 

“Ii, quos Salvator suos Christus appellat, qui dii gentium vocantur, qui demum Apostolis successerunt, ut sanctitate vitae omnibus anteirent, quorum partim vestigiis inhaerendo, partim praeceptis obsequendo veram ac immortalem gloriam iam diu nobis praeparatam atque per prophetas pollicitam caetera plebs consequeretur, at hi dumtaxat avaritiae, gulae, invidentiae inhiantes blandissimis ac detestandis illecebris abutuntur.”2

 

Aber sie strafen die Geistlichen nicht anders, als das ganze Volk, denn kurz zuvor rügt Parthenius die Sünden der Christen überhaupt:

 

“Iam ad certissima nostrae ruinae argumenta descendamus: nostra scelera contra nos bellum comparaverunt, nostra scelera, quaeso quid flagitiorum praetermisimus? quibus vitiis non obtemperamus? in quam infamiam non sumus devoluti?”3 Und nicht anders das “Türkenbüchlein”:

 

“Es wirdt auch not sein offentlich zu verbietten, das man sich hinfür etlicher grossen gotschwüere, auch anderer boeser gewonhait, als der Symoney, zůtrinckens, wůchers, der reichen geselschafften, Eebrecherey, Rauberey &c.. Müglichs vleiß enthalte. Dann zů straffen unser sünden lest Got obberierte beschwerung uns begegnen.” Mit hoher Befriedigung wird andrerseits aber auf die Kampfesrufe der Päpste hingewiesen. Richardus Bartholinus mahnt den Kaiser:

 

“Cape gladii ac pilei omen, quae tibi a Leone X. pontifice maximo inpraesentiarum missa sunt: altero enim te armis cuncta superaturum, altero te totius orbis coronam adepturum interpretamur.”4 Und Euspinianus ruft aus:

 

“Tempus est, o principes Imperii et proceres, tempus est, satis est somno datum. Intendit omnes vires ingenii Pius Pontifex in Mantuano conventu,

 

 

 

[Seite 90]

 

dum principes adhortaretur ad sumenda arma contra prophanam et imbellem gentem Asiaticam.”

 

Und wenn im “Türkenbüchlein” auch ein Bewußtsein dafür sich findet, daß die Leitung der Christenheit durch zwei Häupter ihr nicht gerade zuträglich gewesen, wie denn

 

“auch der Haydnisch alt weyß Aristoteles gelert, wie und warumb durch Monarchiam und regierung aines oebersten haupts alweg baß, dann durch zwai oder mer versehung des gemainen nutz geschehen kan”, so ist es doch weit davon entfernt den Papst und seinen Einfluß zu verschmähen. Vielmehr wünscht es, daß er neben dem Kaiser zum Türkenkriege aufruft:

 

“Wie wol mein Rat gering, so acht ich doch nutz sein, das obgemelte heüpter in alle Christenlandt außschriben und gebutten zu Predigen, wie dises fürnemen gegen den Türcken Gott fast gefoellig, allen Christen hoch von noetten, auch wol müglich zů thůn und nützlich sein würde” (Bl. E iiij). Nur ein Aufruf zum Türkenkriege geht früh schon in anderen Bahnen:

 

“VLRICHI || DE HVTTEN EQVITIS GERMANI || ad Principes Germaniae, vt bellum Tur||cis inuehant. Exhortatoria. || Publico Germaniae concilio apud Augustam || Vindelycorum. Anno domini. || M. D. XVIII. || MAXIMILIANO AVSTRIO || IMPERATORE. || CVM PRIVILEGIO IMPERIALI. || (Mit Titeleinfassung. 20 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “In officina excusoria Sigismundi Grim̄ Medici, & Marci || Vuyrsung. Augustȩ. An. M. D. XVIII. ||”)1

 

Hier heißts, oft genug sei das Geschrei vom Türkenkriege ein vom Papst erregter blinder Lärm gewesen. Unter dem Vorwande der Türkengefahr hätten immer wieder die Päpste sich Geld von den Deutschen geholt. Was überhaupt der Papst mit dem Kriege zu tun habe? Frieden zu predigen, nicht Krieg zu führen, habe der Redner bisher für den Beruf des Oberhauptes der Christenheit gehalten, bis er unter Julius II. belehrt worden sei, die Kirche habe an Petri Schlüsseln nicht genug, sondern müsse auch des Schwertes Pauli sich bedienen. Leo X. habe als Friedefürsten sich angekündigt; daß unter ihm nun die Kardinäle einen ausgearbeiteten Kriegsplan in die Welt schickten, sei befremdlich. Als verstünden die Deutschen nichts mehr vom Kriege, sondern müßten bei den ehrwürdigen Vätern sich Rats erholen, denen es besser anstünde für sie zu beten. Hätten sie lieber Geld geschickt, einen Teil dessen, das sie auf ihren maßlosen Hofftaat verwendeten, oder nur etwas von den Summen nachgelassen, die für Pallien und anderes ihnen zu zahlen seien. Aber ausdrücklich solle von Rom zu diesem Kriege nichts gefordert werden; es sei genug, wenn man auch sie nichts fordern lasse und Vorkehr treffe, daß sie nicht, wie sie schon mehr getan, das liebliche Unternehmen störten. Jm Grunde gönnten ja doch diese Römlinge eher den Türken, als den Deutschen einen Zuwachs an Macht. So hätten die Päpste Heinrich IV. und V., so die Hohenstaufen durch ihre Ränke von dem Zug in den Orient zurückzuhalten gesucht. Er ruft aus:

 

 

 

[Seite 91]

 

“Quare, ut libere dicam quod sentio, non minus hoc coepto bello Romam vobis quam Asiam curandam censeo; tantum abest, ut ad reverendissimorum consulta aliquid vos agere velim, a vobis omnia petenda sunt, inter vos capiendum consilium, nec illi insidiis pleni aliunde admittendi consultores!” (Böcking, Hutt. op. V S. 101 ff.).1

 

Ob Luther Huttens Schrift hat kennen gelernt, steht nicht fest; von vornherein ist es anzunehmen. Jedenfalls kann sie eine direkte Vorläuferin unserer Schrift genannt werden. Die Gedanken, die Hutten hier rein politisch ausführt, daß der Kaiser es sei, der seine Deutschen gegen den Feind zu führen habe, das hat Luther in unsrer Schrift religiös begründet und hat zugleich aufs neue die evangelische Anschauung vom Kriege zum Ausdruck gebracht, die er vorher schon in seiner Schrift an Assa von Kram dargelegt hatte: “Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können” (Unsre Ausg. Bd. 19, 616 ff.).

 

Auch einzelne der aufgeführten anderen Türkenschriften scheinen Luther bekannt geworden zu sein, wenn ein zwingender Nachweis dafür sich auch nicht führen läßt. Nicht das spricht dafür, daß mehrfach Ausführungen, wie wir sie in manchen Türkenschriften finden, uns auch bei Luther begegnen, Darlegungen über türkische Art und Sitte, Vorschläge wegen der Kriegsrüstung oder die Mahnung zur Einigkeit. Derartiges lag ja in der Natur der Sache. Aber Luther nimmt auch Bezug auf solche, die des Türken und seines Regiments begehren, und vor allem, er weiß von solchen zu sagen, die ihm Schuld am Türkenkriege gäben und auch diesen eine Frucht des Evangelii hießen. Und derartige Vorwürfe begegnen uns in einigen der genannten Schriften.

 

Die “Anzeigung ze eroberen die Türcky” hebt mit der Klage an, daß so viele Mönche aus den Klöstern liefen, dem Land zur Plage; statt dessen sollten sie lieber sich darauf besinnen ihr Kreuz auf sich zu nehmen und der Christenheit zu dienen:

 

“Die Christenheit ist gar zertraent,

     Ewangelisch sich ein jeder nent,

Und nimpts mit wärcken wenig an,

     Der glaub deß mauls jetzundts als kan.”

 

So wird gleich deutlich genug auf den tieferen Grund des beklagten Zustands hingewiesen. Mehrfach wird dann Luther mit Namen genannt, und der Schluß der Schrift, “An die fürsten im Römschen rych” gerichtet, sieht alles gegenwärtige Elend durch die Luthersche Bewegung heraufgeführt und spricht die Befürchtung aus, daß, wenn man ihr nicht steure, des deutschen Reiches Ende nahe sei:

 

 

 

[Seite 92]

 

“Darumb ir fürsten solten weren

     Und nit ein jeden lassen leren,

Dan der in der gschryfft waer gegründt,

     Die Christus Jesus hat verkündt.

Und das sy all larten glych,

     So wurd der gloub bald meren sych,

Und wurd all irrsal bald vergan,

     Der gloub Christi yn friden stan.

Wo ir aber das nit fürkummen,

     Jst zbsorgen das von eüch waerd gnummen

Der zaepter yn teüschland

     Und gaeben yn ein ander hand,

     Jm alten testament wir deß vyl hand.”

 

 

 

Die Flugschrift:

 

“Ein Sendbrieff dar || jnn angetzeigt wirt vermeinte vr || sach warumb der Türck widder || die Hungern triumphirt vn̄ ob- || gelegen hab. || Antwurt vnd verle ||gung obgemelter vrsach, durch || das rechtgeschaffen wort Gotes || vnd was oder wo dasselbig seye || einem jtzlichen Christen, zuuoran || zu disen getzeiten lustig vnd nutz-||lich zu lesen. || M D. XXVi. ||” (Mit Titeleinfassung. 10 Blätter in Quart, letze Seite leer. Am Ende: “ Gedruckt zu Dreßden durch Wolffgang || Stoeckel. ||”) untersucht in der Einkleidung eines Briefwechsels zwischen Nickel Eigenwillig in Breslau und dem Pfarrer Paul Anderbach in Redletz ausdrücklich die Frage, wer die Schuld an der Niederlage der Ungarn bei Mohacz trage. Eigenwillig sieht darin eine Strafe Gottes dafür, daß das Wort Gottes, so vorlängst unter die Bank gestoßen, durch Luther aber wieder hervorgebracht, aufgegangen und hell und klar an den Tag gegeben sei, von den Deutschen nicht allein verächtlich gehalten werde, sondern auch starken Widerstand dulde. Anderbach aber — und er vertritt die Meinung des Verfassers — erwidert ihm, eine Strafe Gottes sähe auch er in jenem Unglück, aber dafür, daß man den alten, bewährten Glauben verleugnet habe. Durch kein Mittel hätten die Väter, wenn sie uneinig geworden seien, so kräftig zu Einigkeit und Frieden sich treiben lassen, wie wenn man die Religion, christlicher Observanz, und die Satzungen der Alten angerührt und hätte umstoßen wollen:

 

“Nhun seynt wir durch betriglich geschwetz eines leichfertigen menschen, Luthers, gefallen von der Religion und haben von uns geworffen die Christliche observantz, von welcher unsere veeter mit krieges krefften nicht mochten gedrungen werden. Ach der leichfertikeit. Was trost und hoffnung mögen wir haben zu Gotte, unserm herren, des gespons, die kirche, wir so verachten und uns darvoun begeben?.... Dißem nach, glaub ich, das es der Richtsteyg sey und nechst wege, kuenfftigem ubel zu begegnen und abtzuschaffen, so wir hynlegten die zweyspeltikeit in der Religion, liessens bleyben in den zeunen un=[C 4]ser Veeter und ubergingen nicht die Grentz der alten, hetten mißfall und berauten unsere sunde, wendten uns von dem boeßen und kerten uns zu dem gutten, so worde sich Gott auch zu uns begeben, wie er denn verheischen hat...”

 

 

 

[Seite 93]

 

Das “Türckenbiechlin” sprichts [E 4b] als Lehre der Evangelischen aus, die Christen sollten sich wehren “nach lere der Ewangelien”, d. h. nach Matth. 5, 39, und weist diese Anschauung, die den Mut des Voltes lähme, zurück. Und ausdrücklich macht Johannes Cuspinianus in der “Oratio protreptica” Luther für diese verderbliche Ansicht verantworlich:

 

“Nec vos moveat, o Principes, vanissima cuiusdam assertio asserentis, Pugnare contra Turcum esse pugnare contra deum ob peccata nostra. Si hic assertor esset vicinus noster cum sua inani et stulta opinione sese delirum fateretur ingenue. Nolui te Luther nominare et tibi parcere. Sed cum in uno et altero libello, et po= [C 4] stremo ad Assam compatrem libellum effuderis, in quo plane tanquam vanissimus ostentator iterum atque iterum repetis Turcorum bellum esse stultum et a te solo ceu Propheta praevisum: Optarem tibi ut Budae vidisses in Regia urbe Tyrannum Solomet, uxorem tuam stuprari, filium aut filiam trucidari et canibus obiici, ut vidissent cuncti sanctimoniam tuam et animi constantiam, qui solus inter homines humano affectu cares, extra legem humanam positus, Saxum verius quam homo. Sed condonemus tibi longius a regionibus nostris in Wittenbergo inter potores cervisiae posito. Si hic vidissem te Prophetam solum gloriosum et vanum ostentatorem crudelia spectacula ridentem, tum assererem vera praedicasse.”

 

Suspinianus wirft hier Luther seine Ausführungen in den “Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute” von 1518 und die dadurch hervorgerufenen späteren Auslassungen über den Türkenkrieg vor. Jn der Conclusio V der “Resolutiones” hatte er zum Beweis der 5. seiner 95 Thesen:

 

“Papa non vult nec potest ullas poenas remittere praeter eas, quas arbitrio vel suo vel canonum imposuit” (Unsre Ausg. Bd. 1, S. 233) als eine Strafe, die der Papst nicht erlassen könne, auch castigatoria et flagellatio Dei angeführt und hatte dabei ausgerufen, wenn ein Priester aber dennoch solche Heimsuchung aufheben könne, so solle er doch Krieg und Aufruhr, Türken und Tartaren vertreiben, denn das müsse ein schlechter Christ sein, der nicht wüßte, daß sie Gottes Zuchtrute und Peitsche seien. Freilich jetzt träumten die meisten, und zwar die Größesten in der Kirche von nichts anderm, als vom Kriege wider die Türken. Sie wollten nämlich nicht die Missetaten und groben Sünden, sondern gegen die Zuchtrute, damit Gott die Missetat strafe, Krieg führen und wider Gott streiten, der da sage, er suche mit dieser Rute unsere Missetaten heim, deswegen weil wir sie nicht untersuchen noch abstellen wollten (Unsre Ausg. Bd. 1, S. 535).

 

Diese Worte hatten einen sehr brauchbaren Anlaß geboten, unter die durch die Bulle “Exsurge Domine” vom 15. Juni 1520 verdammten Sätze Luthers als 34. auch den aufzunehmen:

 

“Proeliari adversus Turcas est repugnare Deo visitanti iniquitates nostras” (Op. lat. var. arg. IV S. 277) und in dieser Fassung wurde die Äußerung Luther forthin untergeschoben.

 

Hutten hatte dann in seinen Anmerkungen zu Bulle auch diesen Satz in Schutz genommen und ihn mit einem höhnischen Ausfall gegen den Papst ganz

 

 

 

[Seite 94]

 

im Sinne seiner Türkenschrift begleitet (Op. I S. 61* f. und V S. 314), Luther aber hatte in der “Assertio omnium articulorum ... damnatorum” von 1520 und demnächst auch in der Ausgabe für das Volk: “Grund und Ursach aller Artikel, so ... unrechtmaäßig verdammt sind” von 1521 den Satz verteidigt.

 

Auf doppeltes Unheil weise er hin, heißts in der “Assertio”, die Richtigkeit des verdammten Satzes darzulegen, auf die stete Erfolglosigkeit aller bisherigen Beratungen gegen die Türken und auf die gewaltigen Geldopfer, die unter dem Vorwand eines Türkenkrieges schon nach Rom geschleppt worden seien. So habe Gott zur Strafe für die Sünden des Volks diesem aus Rom wildere, wütendere und habgierigere Türken gegeben, als die wahren es je sein könnten. Man solle damit beginnen mit Buße und mit Gebet sich zu rüsten, von jenem römischen Betrüger aber sollten Kaiser und Fürsten sich frei machen. Als Prophet spreche er: wenn nicht der römische Pontifex zur Ruhe gebracht würde, so sei es um die christliche Sache geschehen. Er schließt:

 

“Qui habet aures audiendi, audiat et a bello Turchico abstineat, donec Papae nomen sub caelo valet. Dixi” (Unsre Ausg. Bd. 7, 140 f.).

 

Und auf das gleiche Resultat als die eigentliche Absicht seiner Worte kommt er in “Grund und Ursach” hinaus. Nicht also habe er diesen Artikel gesetzt, daß wider den Türken überhaupt nicht zu streiten sei, wie der heilige Ketzermeister zu Rom ihm auflege, sondern nur das sei sein Rat, daß man zuvor einen gnädigen Gott sich mache, nicht einherlumpe und auf des Papstes Ablaß traue, wie man bisher die Christenheit verführt, damit man nicht beim Streit unter einem ungnädigen Gott Erfahrungen mache, wie sie Jos. 7 und Richter 20, 12 ff. geschrieben ständen. Gott wolle vor allem ein gutes Leben seiner Streiter sehen. Aber das fliehe der Past und wolle doch den Türken fressen. Deshalb gehe es denn auch so glücklich wider den Türken, daß, wo dieser bisher eine Meile gehabt, er jetzt hundert habe; und doch sähe man nicht, so ganz habe das Volk der römische Blindenführer gefangen (Unsre Ausg. Bd. 7, 442 f.).1

 

Daß diese Auslassungen selbst bei denen, die sie verstanden, nicht gerade Freudigkeit zum Kriege erweckten, vielmehr gerade dem Patrioten schmerzlich die Zerrissenheit Deutschlands vor Augen führten, liegt auf der Hand; und von wie vielen wurden Luthers Worte wohl ganz im Sinne der päpstlichen Bulle mißverstanden und dann teils gegen ihn ausgenutzt oder auch in schlecht beweisener Freundschaft für ihn vertreten.2 Um so mehr, als Luther in seinem Schlußwort zu den von ihm 1524 herausgegebenen “Zwei kaiserlichen uneinigen und widerwärtigen Geboten, den Luther betreiffend” — d. h. dem Wormser Edikt und dem Nürnberger Mandat vom 18. April 1524 — durch seine Zornesreden gegen die elenden und verblendeten Fürsten, für die man Gott solle bitten helfen, daß man ja nicht folge wider die Türken zu ziehen oder zu geben, dem Mißverständnis geradezu noch Vorschub leistete (Unsre Ausg. Bd. 15, 277).

 

 

 

[Seite 95]

 

So traten denn schon um die Zeit dieser letzten Auslassungen — im Eingang des Vorworts zu unserer Schrift heißts: “wohl vor fünf Jahren” — Luthers Freunde an ihn mit der Bitte heran, ausführlich und vollständig seine Ansicht vom Türkenkrieg dem deutschen Volke darzulegen, damit er nicht erscheine, als habe er sein Vaterland nicht lieb. Vielleicht gehörte auch der Ritter Assa von Kram zu denen, die solche Bitte an ihn richteten; jedenfalls entschuldigt sich Luther in den Schlußworten der Schrift: “Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können”, daß er nicht auch gleich vom türkischen Kriege etwas gesagt habe. Der vom ihm dafür angeführte Grund aber, daß, nachdem der Türke nach der Schlacht bei Mohacz nicht gleich weiter, sondern wieder heimgezogen sei, die Deutschen nun doch nichts mehr nach Nachrichten von Türken fragten, konnten durch ihren spöttischen Ton Joh. Cuspinianus, der die von den Türken verübten Gewalttaten in der Nähe gesehen und für die Rache an dem wilden Feinde begeistert war, wohl zu dem heftigen Ausfall auch gerade gegen das Kram gewidmete Buch veranlassen, das sonst auch strenge Katholiken angesprochen hat (Unsre Ausg. Bd. 19, 662 vgl. 617).

 

Luthers einseitiges Urteil in diesen Äußerungen will beurteilt werden aus dem Kampf, dem sein Leben galt: ihm war der vornehmste Feind immer der Papst, und wer mit diesem gemeinsame Sache machte, konnte ihm kein Verbündeter sein, auch nicht in der Feindschaft wider den Türken.

 

Um gerecht gegen Luther zu sein, muß man neben diese Aussprüche andere halten, wo er gewissermaßen sich selbst widerspricht, zu dem Kampse anfeuert, den er hier weit von sich zu weisen scheint, und den Zeitereignissen das wärmste Jnteresse entgegenbringt. Während er den in der päpstlichen Bulle ihm vorgeworfenen Satz verteidigt, da offenbart er gleichzeitig in der Schrift “An den christlichen Adel” keine andere Stellung zum Türkenkrieg als Ulrich von Hutten; wenn er hier sagt, daß das deutsche Volk selbst genug Volk zum Streite habe, wenn nur Geld vorhanden sei, das man deshalb doch nicht nach Rom geben solle (Unsre Ausg. Bd. 6, 419), so zeigt das seinen stolzen deutschen Mut, der weit entfernt ist vom Kriege abzuraten. Und während er die Schlußworte seiner Schrift an Assa von Kram schreibt, da gibt er gleichzeitig seinem Schrecken über die Ereignisse in Ungarn deutlichen Ausdruck in einem Briese an Spalatin vom 19. September 1526 (Enders 5, 393) und widmet voll Mitgefühls der Witwe des “edlen jungen Bluts”, der Königin Maria von Ungarn, “Vier tröstliche Psalmen”, darin klagend über die zornigen Fürsten und Bischöfe, die an die armen Bürger und elenden Pfarrherrn sich machten, den Türken und seines gleichen aber mit Frieden ließen (Unsre Ausg. 552 ff. bes. 604, 23 ff.).

 

Der beste Kommentar zu Luthers Stellung aber ist unsere Schrift, die zu schreiben er sich alsbald anschickte, als der Türke nun wirklich nahe kam. Ausdrücklich geht er hier von dem ihm vorgeworfenen Satz aus und zeigt damit, daß ers als eine Ehrenpflicht empfindet über seinen eigentlichen Sinn sein deutsches Volk noch aufzuklären. Auf die ganz anderen Zeitläufte weist er hin, die gewesen, als er zu jenem Satz Veranlassung gegeben. Wohl will er auch jetzt noch lehren vor allen Dingen mit rechtem Gewissen zu kriegen, aber neben dem Christianus ruft er in heller Vaterlandsliebe den Carolus an und treulos und meineidig, teilhaftig aller Greuel und Bosheit der Türken nennt er die, die des Türken und

 

 

 

[Seite 96]

 

seines Regiments Zukunft begehren. Wohl beherrscht auch unsere Schrift vor allem der Haß gegen den Papst und seine Herrschaft, aber daneben kommt das echt deutsche Empfinden in dem Ruf nach Verteidigung der hohen Güter des Vaterlandes zum deutlichten Ausdruck.

 

Deutlicher noch und lauter erklang dieser Ruf in Luthers zweiter Türkenschrift, in der “Heerpredigt wider den Türken”, die uns später beschäftigen wird.

 

Die erste Nachricht, daß Luther zu unserer Schrift den Plan gefaßt hat, lesen wir in einem Briefe von ihm an Nikolaus Hausmann vom 5. August 1528 (Enders a. a. O. 6, 315). Dem Worlaut nach scheint es, als habe dieser, der über Luthers literarische Arbeiten stets gut unterrichtet war, bisher schon von Luthers Absicht, unsere Schrift zu schreiben, gewußt und habe vielleicht Luther an sie erinnert. “Non erit (spero) inutile”, schreibt letzterer nun von seinem Vorhaben und hat dabei als Leser seines Buches gewiß vor allem auch die ungeschickten Prediger im Auge, von denen er gleich im Eingang spricht. Wohl war einige Monate zuvor gerade für sie schon im “Unterricht der Visitatorn”, den freilich Melanchthon, aber in völliger Übereinstimmung mit Luthers Gedanken verfaßt hatte, ein Abschnitt “Vom Türken” erschienen, der in kurzen Zügen die Grundgedanken unserer Schrift enthält (Erl. Ausg. 23, 53 f.), aber der Gegenstand erforderte doch noch eine eingehendere Behandlung.

 

Aber erst am 9. Oktober begann Luther die Schrift, die er nun dem Landgrafen Philipp von Hessen als einem berühmten und mächtigen Fürsten widmete, daß sie ein desto besseres Ansehn gewönne und desto fleißiger gelesen würde. Er muß sie dann schnell zu Ende geführt haben, denn noch im Oktober begann der Druck (Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchhandels XVI S. 80). Aber es waltete zunächst ein Mißgeschick über der Vollendung des Buches. Am 9. Februar 1529 hören wir noch wieder in einem Briefe Georg Majors an Baumgärtner in Nürnberg: “Lutherus parat nunc expeditionem adversus Turcam”, und am 13. Februar klärt Luther den wohl ungeduldig gewordenen Hausmann darüber auf, weshalb der Druck noch nicht weiter fortgeschritten sei: die ersten Sexternionen seien durch die Nachlässigkeit einiger Bediensteten verloren gegangen, und schwer habe es gehalten, den Gedankengang und das Konzept wiederzufinden (Enders a. a. O. 7, 53 und 54, Anm. 5). Offenbar hat Luther den Anfang der Schrift wohl noch einmal entwerfen müssen. Am 3. März aber ist der Druck im vollen Gange, am 13. März wird Hausmann auf Palmarum vertröstet; zu diesem Termin ist dann der Druck freilich doch noch nicht fertig; am Dienstag nach Ostern mußte Melanchthon, damals in Speier, die Schrift noch vergeblich sehnsüchtig erwarten; aber vom 23. April, etwa drei Wochen nach Ostern — haben wir die Nachricht, daß der Druck vollendet ist (Enders a. a. O. 7, 61 u. 70 f.; Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchh. XVI S. 89 Nr. 214 und S. 107 Nr. 279 vgl. mit Buchwald, Wittenberger Stadt- und Univ.-Geschichte S. 59 Anm. 2; Corp. Ref. 1 S. 1046).1

 

Cochläus, Luthers alter Feind, war auch jetzt schnell mit einer Gegenschrift auf dem Plan. Ende Mai schon schrieb er dazu die Vorrede, und Ende Juni schon war sie im Druck vollendet:

 

 

 

[Seite 97]

 

“DIALOGVS DE BELLO CONTRA || Turcas, in Antilogias Lutheri, per Ioannem || Cochlȩum. || XV. Contradictiones, ex duobus primis || Quaternionibus Libri Lutherici de bello, || contra Turcas. M. D. XXIX. || [Titelholzschnitt] ||” 88 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Auf der vorletzten und vorvorletzten Seite Holzschnitte. Am Ende [auf L 7 a]: “Excusum Lipsiae, in Officina Valentini Schumāni, pridie Calendas || Iulias. M. D. XXIX. Sub|| pio ac per oīa Catholico || Principe D. GEOR-||GIO Saxoniae Du-||ce. &c̄. ||”

 

Die widersprechenden Äußerungen Luthers zum Türkenkriege sinds, die Cochläus hier durchnimmt. Dem Gegner, bei dem zum falschen Verständnis noch Bosheit und Rachsucht kamen, mußten sie ein willkommener Gegenstand sein. Zunächst werden in sogenannten Gesprächen, die freilich äußerlich recht ungeschickt abgefaßt sind, Luthers verschiedene Äußerungen vorgeführt. Dabei vertritt Lutherus den Luther der “Resolutiones”, der “Assertio” usw., der gegen den Türkenkrieg spricht, Palinodus den Luther, der zum Kriege ermutigt, der Worte unsrer Schrift im Munde führt; der dritte Kollokutor ist der Orator Regis Ferdinandi. Da ihm diese Gespräche aber noch nicht genügten, so sammelt Cochläus zum Schluß aus den ersten beiden Quaternionen unfrer Schrift noch 15 Contradictiones, indem er besonders markante Sätze unsrer Schrift mit früheren Aussprüchen Luthers zusammenstellt.

 

Luther hat sich um diese Schrift nicht gekümmert.

 

Vgl. Köstlin-Kawerau, Martin Luther, sein Leben und seine Schriften, I S. 116 ff.; D. Fr. Strauß, Ulrich von Hutten, Leipzig 1871; R. Ebermann, Die Türkenfurcht, Diss. Halle a. S. 1904; Mich. Popescu, Die Stellung des Papsttums und des christlichen Abendlandes gegenüber der Türkengefahr vom Jahre 1523 bis zur Schlacht bei Mohacs. Leipziger Diss. Bukarest 1887.

 

 

 

Drucke:

 

 

A “Vom kriege || widder die || Türcken. || Mar. Luther. || M. D. XXVIII. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, vorletzte Seite leer, mitten auf der letzten nebeneinander zwei Kreise, in dem linken das Lamm mit Fahne, im rechten die Lutherrose. Am Ende von H 3b: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Hans Weiss M. D. XXIX. || Am .XVI. tag des April. ||”

Bogen B beginnt: “blut fechten, welchs yhn nicht befolen, sondern auch || verbotten ist. ||”, Vogen D: “widder yhn sehen vnd hoeren mus, Vnd reist doch so ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Bamberg, Berlin, Breslau St., Dresden, Erfurt Mart., Halle Mar., Kiel, Königsberg U., Leipzig U., München U., Nürnberg St., Wernigerode, Wittenberg Lh., Wolfenbüttel (3), Würzburg, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 31, 31 Nr. 1 (ungenau).

 

B wie A, doch sind die Vogen B und C neu gesetzt.

Bogen B beginnt: “blut fechten, welchs yhn nicht befolhen, sondern auch || verboten ist. ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Breslau U., Dessau, Gotha, Halle U., Heidelberg, Wernigerode, Wittenberg L., Wolfenbüttel; London.

 

 

 

[Seite 98]

 

C wie A, doch ist Bogen D neu gesetzt.

Bogen D beginnt: “widder yhn sehen und horen mus, Und reist doch so ||”

Vorhanden in Berlin, Göttingen, Helmstedt, München HSt.

Ausgabe A, B oder C, unbekannt welche, vorhanden in Eisleben; Amsterdam U.Sem. (2), Ithaca.

 

D “Vom Kriege wid -||der die Tür-||cken. || Martinus Luther. || Gedruckt zu Wit-||temberg. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung. Umfang und Schluß wie A.

Nur Bogen A ist neu gesetzt, alles andere wie in A.

Vorhanden in Arnstadt (2), Aschffenburg, Berlin, Bremen, Breslau U., Dessau, Erfurt Kgl., Erlangen, Gotha, Halle Wais., Hamburg, Helmstedt, Hirschberg Gymn., Marburg, Nürnberg GM., Sommershausen, Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel, Würzburg U.; London. — Erl. Ausg. 31, 31 Nr. 3.

 

E wie D, doch Bogen B und C wie in B.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin, Heidelberg, Lübeck St., Marburg, München U., Nürnberg St., Rostock, Wittenberg L., Worms Paulusmus.; London.

 

F “Vom Kriege wid-||der die Tür-||cken. || Mart. Luther. || Gedruckt zu Wit-||temberg. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung. Umfang und Schluß wie A.

Bogen D wie C, Bogen H wie A, sonst neuer Satz.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Altenburg, Dessau, Göttingen, Hannover St., Heidelberg, Helmstedt (2), Jena, Veste Koburg, Nürnberg GM., Straßburg, Weimar, Zittau St.; Bern, Petersburg. — Erl. Ausg. 31, 31 Nr. 2.

 

Ga “Vom Kriege || wider die || Türcken. || Mar. Luther. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Anno. M. D. XXIX. ||”

Druck wahrscheinlich von Gabriel Kanz in Zwickau.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Bamberg, Leipzig St., Weimar; Zürich St. — Erl. Ausg. 31, 32 Nr. 5.

Die Kehrseite des Bogens D ist im Satz verdreht worden, so daß die Seiten dieses Bogens in der falschen Reihenfolge 1. 6. 7. 4. 5. 2. 3. 8 erscheinen.

 

Gb wie Ga, doch ist Bogen D in Ordnung.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin, Freiburg U. (unvollst.) München HSt., Nürnberg St., Straßburg, Stuttgart, Wittenberg L.

 

H “Vom Kriegewy||derdie Tuercken.||Mart.Luther. || Wittemberg||M. D. XXIX.||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 36 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zů Nůrenberg durch || Johannem Stuechs || 1529 ||”

Vorhanden in Memmingen St., Wolfenbüttel, Zwickau; Basel, London. — Erl. Ausg. 31, 32 Nr. 6.

 

I “Vom Kriege, || Wider [so] den || Türcken. || Mart. Luth. || Wittemberg. || MDXLII. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 42 Blätter in Quart. Auf der letzten, sonst leeren Seite: “Gedruckt zu Wit-||temberg, durch Nickel || Schirlentz. || M.D. XLII. ||” — Erl. Ausg. 31, 32 Nr. 7.

 

 

 

[Seite 99]

 

Blatt B2a ist fälschlich gezeichnet “A ij”, Bogen K hat 6 Blätter.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Aschaffenburg, Bamberg, Berlin, Bremen, Breslau St., Celle, Danzig St., Dessau, Dresden, Eisenach, Halle Wais., Helmstedt, Jena, Leipzig St., München U., Rostock (Titelblatt fehlt), Straßburg, Weimar, Wolfenbüttel, Zwickau; London.

 

Spätere Drucke:

 

 

K “Vom Krieg wider den Tuercken, Doctor Martinus Luther. *** Anno, M. D. XXIX.  M. D. LXIII.” Am Ende: “Getruckt zů Franckfurt am Mayn, bey Georg Raben, vnd Weygand Hanen Erben. ***”

Letzter Bestandteil in: “Tuerckische Historien. Von der Tuercken Ankunfft, Regierung, Koenigen, vnd Keysern, Kriegen, Schlachten, Victorien vnd Sigen... Auß Italienischer Sprach in vnsere Teütsche verdolmetscht, durch den Hochgelahrten Heinrich Mueller, der Rechten Licentiaten, vnd freyen Kuenst Magister.....

a Franckfurt am Mayn M. D. LXIII. Teil 3, Blatt XLIX bis LXIII.

Vorhanden in Altenburg, Arnstadt, Breslau St., Darmstadt, Göttingen, Hannover Kgl., Leipzig U., Nürnberg St. (2); Basel, Salzburg.

b Franckfurt am Meyn M. D. LXV. Teil 3, Blatt XLI bis LX.

Vorhanden in Breslau U., Hannover St.

c Franckfurt am Mayn M. D. LXX. Teil 3, Blatt XXXVIII –XLVIII, 49 –55. Auf dem Titelblatt der Lutherschrift: “M. D. LXIX.” Am Ende: “Getruckt zu Franckfurt am Mayn, durch Johannem Schmidt, in verlegung Kilian Han.”

Vorhanden in Bamberg, Breslau U., die Lutherschrift als Sonderabdruck in Jena.

d Franckfurt am Mayn, M. D. LXXII. Teil 3, Blatt XXXVIII –XLVIII, 49 –55. Titel und ganzer Satz der Lutherschrift identisch mit c.

Vorhanden in Leipzig U., Rostock (2); Salzburg, Schaffhausen St.

 

L “Vom Kriege Wider den Tuercken. Doct. Mart. Luth. ANNO XXVIII. Mit einer Vorrede Doct. Georg. Maior. Wittemberg Gedruckt durch Hans Lufft. 1566.”

Vorhanden in Dresden, Helmstedt, Lübeck (beschädigt), Wolfenbüttel; Zürich St.

 

M “Kriegßbuch, Dritter Theyl. Von Schantzen vnnd Befestungen Vmb die FeldtLaeger auffzuwerffen vnd zu schlagen: Auch vom Ritter vnnd Reutter Rechten, sampt derselben Bestallung vnd FeldtOrdnung.... Leonhardt Fronsperger. Getruckt zu Franckfurt am Mayn, Jm Jar nach Christi Geburt, 1573.”

Darin Bl. CCCXXVIIIb bis CCCXLIb “Vom Krieg wider den Tuercken, Doctor Martinus Luther. Anno, M. D. XXIX.”

Vorhanden in Bamberg, Wolfenbüttel.

 

N “Buechlein Vom Krieg wider den Tuercken, Doct: Martin Luthers: Jetzt widerumb vffs New außgelassen: zur Erinnerung, das nur zween Menner wider den Tůrcken streiten sollen, Herr Christianus,

 

 

 

[Seite 100]

 

vnd Keyser Rudolphus. Ezech. 14.” Am Ende: “Erstlich Gedruckt im Jar 1528. Jetzt zum andern mahl nach gedruckt im 1593. Jar.”

Vorhanden in Wernigerode (im gleichen Sammelband mit Heerpredigt N, mit dem der Neudruck offenbar gleicher Entstehung ist).

 

O “Antitvrcica Lvtheri: Das ist, Vom Kriege, vnd Gebet wider den Tuercken, vnd von desselben Alcoran; etliche Schrifften, deß thewren und werthen Mannes Gottes, Doctoris Martini Lutheri: Darunter auch eine deß Herren Doct. Iusti Ionae: Sampt angehengten etlichen deß Herren D. Lutheri Propheceyungen, von dem kuenfftigen grossen Unglueck vber Deudschland: ...... Jn jetzigen sorglichen vnd gefehrlichen zeiten, sehr nuetzlich zu lesen vnd zugebrauchen, in Druck zusammen geordnet, durch Ioannem Rosinvm, Thumbpredigern zur Naumburgk ..... 15 Leipsig. 96. Cvm Privilegio.” Die Schrift steht auf S. 1 bis 105.

Vorhanden in Jena.

 

P “Ottomannus Theologicus, Darinnen Erstlich, Ob der Tuercke noch endlich das Roemische Reich oder Deutschland eroebern werde, oder nicht? II. Widerlegung deß Tuerckischen Alcorans. III. Unterricht vom Kriege wider den Tuercken und Heerpredigten... Eiszleben, ANNO M. DC. I.”

Jst Titelauflage von O und von Bogen A an völlig mit jenem identisch. Vorher ist Rosins Vorrede weggelassen und dafür sind ‘M. Theodosii Fabricii Disputation’ (= Punkt I und II des Titelblatts) eingefügt. Unsre Schrift steht auf S. 1 bis 105.

Vorhanden in Celle Min.

 

Q “D. Martin Luthers Buechlein wider den Tuercken. Herausgegeben von D. C. Panse. Leipzig 1826.”

 

R “D. Martin Luther's Büchlein Vom Kriege wider den Türken und Heerpredigt wider den Türken im Jahre 1529. Mit einem Vorwort von Professor D. Kahnis. Leipzig 1854.”

 

S “Martin Luther's politische Schriften. Mit einer Einleitung über Luther's Bedeutung im deutschen Nationalleben herausgegeben von Theodor Mundt. Neue Ausgabe. Leipzig 1868.”

Enthält in Band 3 S. 61 –108 einen freien Abdruck unsrer Schrift in moderner Sprachgestalt.

Die Schrift erscheint in den Gesamtausgaben: Wittenberg 2 (1548), 536a –553b, (1551) 522b –538b, (1557) 444b –458a; Jena 4 (1556), 390a –406b, (1560 und 1574) 430b –446b; Altenburg 4, 524 –541; Leipzig 22, 339 –356; Walch1 20, 2633 –2691; Walch2 20, 2108 –2155; Erlangen 31, 31 –80.

 

 

 

[Seite 101]

 

Hans Weiß hat lange an der Schrift gedruckt: Text A, auf den sich die Briefstellen bei Enders 6, 395. 7, 53 f. 61 beziehen, ist Ende Oktober 1528 schon unter der Presse und erst am 16. April 1529 abgeschlossen. Den Grund der Verzögerung gibt Luthers Brief an Hausmann vom 13. Februar 1529 (Enders 7, 53) an: De Turcico bello, spero, brevi edam libellum; esset jam dudum editus, nisi priores sexterniones intercidissent incuria famulorum, unde difficile fuit, ideam et conceptum reperire; ideo sic dilatus fuit (vgl. oben). Während des Druckes zeigte sich, daß die Auflage zu klein bemessen war. Bogen A bis D mußten darum neu gesetzt werden, etwas später auch Bogen E, F, G und Bogen A, B, C zum drittenmal. Für die ganze Auflage reichte nur Bogen H. Auch Einzelverbesserungen wurden an den im Satz stehenden Bogen nachträglich vorgenommen, die wichtigsten sind: 115, 5 bosen > boesen; 126, 26 gkaufft > gekaufft; 130, 18 rachgeyrigkeit > rachgyrigkeit; 139, 26 Christtus > Christus; 147, 22 kei-|| nnr > kei-||ner; 147, 23 ee eiglicher > ein iglicher; 147, 24 bittels > bettels.

 

DEF sind jünger als ABC, die die Jahrzahl 1528 auf dem Titel tragen. Der 1529 neugedruckte Bogen A in DE setzt Turcken für Tuercken ein, ebenso die neugedruckten Bogen B und C in B. Darum wird B jünger sein als A. Mit der vielfältigen Unterdrückung des Umlauts nähern sich die Bogen B und C in B Luthers Handschrift, aber schwerlich seinen Absichten für den Druck, auch zeigen sie sonst nur Druckfehler und Bedeutungsloses, nie die bessernde Hand des Verfassers. Ebenso verhält sich Bogen D in C zu dem entsprechenden in A; C wird darum jünger sein als A, obgleich es den Umlaut in Tuercken einführt und nicht beseitigt. C ist jünger als B, denn der neugedruckte Bogen D reicht noch für Druck F, für den B und C zum drittenmal gesetzt werden mußten. Über das relative Alter von DE läßt sich nichts sagen.

 

F ist jünger als DE, weil dafür Bogen ABCEFG erneuert sind. Vielfach geht F mit BDE zusammen, die Lesarten sind unten vollständig gebucht. Das Zusammentreffen ist aber stets zufällig; in allen entscheidenden Lesarten geht F mit AC, so bietet F 109, 20 war mit ABC gegen DE, 115, 3 gewoennen mit ACD gegen BE. Auf Bogen D, dem einzigen, in dem sich A und C unterscheiden, teilt es alle die 25 Abweichungen mit C. Mit der Jahreszahl 1529 auf seinem Titelblatt ist F nicht Vorlage, sondern neue Auflage von C.

 

G kommt als wahrscheinlich Zwickauer Druck nicht als Vorlage eines der Wittenberger in Frage, mit 108, 2 ruch, 108, 7 Fürstenn steht nicht H, der einzige, der zeitlich in Betracht käme, zwischen G und jenen. Von den 25 Abweichungen zwischen A und C teilt G 11 mit A, 14 mit C, da aber die Abweichungen von C im ganzen schwerer wiegen, dürfte G Abdruck von A sein.

 

H teilt mit F allein die Abweichung 108, 11 drynne, 109, 15 solchs fehlt u. v. a., entfernt sich mit 108, 2 ruch, 110, 2 vnd nuetzlich fehlt, 110, 4 vnd zeugnis, 110, 23/24 Rom den weg verlegt selbständig weiter von C, ist also nicht Vorlage, sondern Abdruck von F. Charakteristisch für H sind seine vielen Druckfehler, z. B. 107, 6 haban; 107, 17 schul; 107, 22 werheit; 108, 14 Tetwfels ufs.

 

I stammt mit 108, 4 meiner; 109, 4 hatte nicht aus G, mit 108, 2 Geruch nicht aus H, mit 109, 2 nicht auch aus; 114, 2 gluegseliger; 117, 17/18 manichmal; 121, 30 habe nicht aus BDE. Auf Bogen D trifft es mit CF elfmal in

 

 

 

[Seite 102]

 

dem Bestreben zusammen, die Bezeichnung des Umlauts einzuführen, in den 14 wichtigeren Differenzen stimmt I dagegen hier zu A. Ebenso ist auf den folgenden Bogen die Stellung von I zwischen A und F: mit F teilt I vielfach die Orthographie (außer Bezeichnung des Umlauts auch 130, 1 panier; 133, 17 ewre; 137, 22 regiments) und kleine Textbesserungen, die beide selbständig gewinnen konnten (129, 35 Tuercken; 130, 18 rachgirigkeit; 132, 32 glaubens; 133, 33 gesetzt), mit A die entscheidenden Lesarten: 130, 25 solle; 28 glaubens; 132, 10 zihen; 133, 20 yhrs; 24 wurdet (wuerdet I); 139, 16 S.; 142, 22 daselbst; 144, 17 flugs. Demnach ist I Neudruck von A. Bibelzitate hat I mehrfach berichtigt (110, 6. 117, 2. 123, 25. 137, 1), doch ist die Mehrzahl der sinnentstellenden Fehler von A (109, 21. 112, 17 usf.) stehen geblieben, andere (110, 24 usf.) sind in I neu hinzugekommen, so daß man an ein Mitwirken Luthers nicht denken darf. Druck K bis S sind nach Luthers Tode erschienen und textkritisch ohne Belang.

 

Die Grundlage des kritischen Textes hat danach A zu sein, die Abweichungen von B –E sind sämtlich in den Lesarten mitgeteilt, die von F –I nur soweit sie nicht sprachlicher Natur und derart sind, daß sich hier darüber zusammenfassend Bericht erstatten läßt. Allgemein ist vorauszubemerken, daß die sprachlichen Änderungen von F fast jeder Konsequenz ermangeln, höchstens die Bezeichnung des Umlauts ist einigermaßen konsequent beseitigt und ey wird in den meisten Fällen durch ei ersetzt. Auch G greift in keinem Punkte wirklich durch: stellenweise bemüht es sich, die Vorlage buchstabentreu nachzubilden, dann fällt es seitenweis in seine abweichenden Druckgewohnheiten zurück und ist dabei immer stark bestimmt durch Rücksichten auf Zeilenfüllung und -grenzen. H hat unverkennbar das Bestreben, mit den Formen fur, Turck(en), gleuben, keyn, -heyt, meynen, keyser, teyl, beyde, weyß, itzt, gebot(en), beten, gebet, rat(en), not, jhn, gehen, wird, nu, sondern aufzuräumen, vereinzelt ist aber jede dieser Formen einmal stehen geblieben und die Angabe (immer) bei für usw. demgemäß cum grano salis aufzufassen. I hat, abgesehen von den sparsamen, aber gut durchgeführten Änderungen, über die im folgenden berichtet wird, Majuskel in Substantiven fast überall eingeführt und zusammengesetzte Wörter in eins geschrieben.

 

I. Umlaut. 1) des a mit ae bezeichnet: taeglich (3) G (6) H, vaeterliche 108, 13, eyntraechtiglich (2), maechtig u. s. F. (4), laeppisch 129, 26 H.

 

2) des a mit ae bezeichnet: Baebste, Baebstlichen (3), Cardinael 110, 25, jaemerlich (4), raethe, raetlich, verraether (4), spraeche 133, 1, schlaefferig 147, 7 H.

 

3) Es führen ein Umlaut des a in laeger 114, 19 G; Reichstaege 113, 10, leybhefftige 126, 2 H; Heubtman 136, 32, gleuben u. s. F. (2) I.

 

4) des o in woellen u. s. F. (22) G (24) H (9) I, moecht(e) (7) G (9) H (5) I, Koenig(-) (6) GI (8) H, boesen 115, 5, loeblich 142, 16, hoeret 148, 14, Goettlich u. s. F. (3) GHI, moerd(en) mit Formen und Zusammensetzungen (7) G (11) H, (zu)stoeren mit Ableitungen (3) G (4) H, froelich 111, 29, Roemisch 143, 32 GH; oeberkeit (2), oerdenliche 129, 20, oeffentlicher 131, 6, wilkoere (2), noetigen 133, 5 G; poebel 107, 12, groessesten 124, 25, koennen 126, 18, soelchs 140, 6, oeberherrn 140, 22 H; zoernige 116, 26 I.

 

5) des u in Fuerst u. s. F. (8) GI (11) H, fünff(tzig) (2) G (3) H (1) I, sünde m. F. u. Abl. (23) G (22) H (9) I, für (56) G (58) H (4) I, rüsten

 

 

 

[Seite 103]

 

m. F. u. Abl. (5) GH (3) I, schuetzen (4) GH (3) I, Tuerck(en) (77) G (79) H (74) I, Tuerckisch (3) GH, Luegen (3) G (5) HI, über u. Zus. (10) G (28) H (8) I, wuerde(t) (2) G (3) H (7) I, fuerchten u. s. F. (2) G (1) H (2) I, münche 127, 6, stürmer 128, 23, vnmueglich 133, 32, spruech(e) 135, 31, fruemer 141, 19, jüngsten 148, 27 GHI, stueck u. s. F. (1) GI (2) H, hinfürt 135, 1, huelff(e) 137, 8, außgewuertzelt 143, 16 GH, kuend(te) (2) G (1) H, herueben 138, 35, gebuert 135, 23, erwuergen 138, 14, schuessel 140, 1 GI, guelden 128, 24, pluendern 133, 18, gegruendet 130, 26 HI, (be)duerfft (2), vnglück (2), abtrünnige(n) (2), abtrünnischen (1) G, übel u. s. F. (10), kuetzel 134, 29 H, schueldig m. F. u. Abl. (19), uemb in Zus. (17), Jueden (5), duencken u. s. F. (4), nachdruecken 146, 15 I.

 

6) des uo in wuest 107, 15, versuene 129, 23 GHI, fueren m. F. u. Abl. (15) GH (3) I, auffruerisch (1) GI (2) H, muessen (6) G (10) H (2) I, fuelen u. s. F. (2) G (1) HI, egueter 129, 1, geruert 133, 5 GH, muehen 138, 29 G, stünden (-et) (3), üben m. Abl. (3) H, abschlüge 146, 5/6 HI, beistuenden 147, 18 I.

 

7) Es beseitigen Umlaut des a in arbeyt(en) (1) G (2) HI, abenteue(e)r (2) GH, offenbarlich 119, 22, bekantnus 120, 35, narren 145, 26 G, lang(e)st (2), Maiestatt 146, 17 H, warlich (2) I; in glauben m. F. u. Abl. (23) GH, rauber m. F. u. Abl. (6) G (3) H, verkauffen u. s. F. (2) GH, haubt (3) G (2) H, saumet 124, 12 G, anlaufft 138, 2 H.

 

8) des o in frolich 115, 24, gottlich u. s. F. (3), konige 136, 35, Romisch 144, 2 F, oberkeyt (1) G (3) H (9) I, toben(s) (2) GHI, boßheyt (1) G, word m. Abl. (1) G (2) I, offentlich(e) (1) H (5) I, kompt 107, 9, Zollners 118, 14, oberherrn 137, 29 H, grosser 122, 13 I.

 

9) des u in darumb (6) FH (3) GI, fur (6) F (1) I, Furst u. s. F. fast stets F (4) H, Turcken und Turckey fast stets F, Turckey (1) I, Juden (3) FGH, duncken (2) FG (4) H, gelusten (2) F (1) G (3) H, Jungsten (2) F (1) H, gluck (2) F (6) G, kund(t)e 142, 9 FG, daruber 114, 8, hinfurt 114, 20, furchten 117, 4, funff 119, 32, wundschen 136, 16, erfullet 141, 3 F, wurde 108, 8, lugengeist 126, 6, schutzen 130, 13, stucken (4) G, durfftigen 115, 21, wustens 130, 9, Muntze 115, 27, zuchtigen 126, 32 I.

 

10) des uo in versunen 117, 2 FG, behuete 108, 14, furen u. s. F. (4), muts 113, 6, fulen 121, 19, schulern 122, 25, busse 129, 23 F, suche(n) (1) F (2) H, buberey 110, 17, schůlern 122, 25 H.

 

11) Ohne lautliche Bedeutung ist, daß F oft eu für eue der Vorlage einsetzt: Deudsch (land) (3), Teuffel (stets), heutiges 112, 28, freunden 116, 6, deudlich 144, 28, desgleichen daß H gern ew für eu, eů der Vorlage setzt in Crewtz, Tewfel, grewlich, dewtet, brewte, stewren.

 

II. Sonstiger Vokalismus. 1) Für altes ei wird von H gern, doch nicht regelmäßig ai, ay eingeführt: -hait (30), -kait (36), kain u. s. F. (58), allain(e) (24), hayl(and) (9), raitzen u. s. F. (15), layd(er) (6), abrayß 110, 23, maynen m. F. u. Abl. (14), Hayden(isch) (6), hayssen u. s. F. (14), gemain m. F. u. Abl. (6), zaigen (12), haym u. s. Abl. (6), schraib 109, 17, zway(en) (7), mayster(n) (3), schayden 113, 17, kayser u. s. F. (immer), (vr)tayl (10), bayde u. s. F. (18), -lay (4), bainen 117, 3, berayt

 

 

 

[Seite 104]

 

u. s. F. (5), waiß (8), arbait 121, 5, mayst 123, 22, zaichen (8), Layen 127, 7, edelstaine 128, 2, klainoten 128, 24, wainen 129, 14, aygenen 135, 17, schlayfft 144, 17, (main)ayd u. Abl. (6), doch mayneydig 138, 3.

 

2) Korrektes ie statt i führen ein in yederman(s) (4) G (8) H (9) I, ziehen (2) GI (4) H, regier(e) 122, 18 GHI, yetzt (17) H (fast stets) I, yeglicher (1) H (3) I, vergiessen 111, 9, nyergent (2), panier (2), diernen 126, 32 H. Falsche ie laufen unter in beschyerner (2), siehst 134, 12 H, Friede (2) I.

 

3) Unhistorisches ie beseitigen in ligen (1) G (2) HI, vil (fast immer) GH, villeicht (1) I, dyse (dise) u. s. F. (21) G (28) H (eyn) getriben (2), geschriben(n) (8), gelid 112, 21, zilet 118, 8, blide 140, 13, überlifern 146, 16 GH, spil m. F. u. Abl. (1) G (8) H, fryde(s) (1) G (2) H, sig m. F. u. Abl. (3) G (6) H, vihe (2) G, lyse (2), unterschydlich 111, 2, blibenn 114, 6 H. Darüber beseitigen ie in (n)ymand (2) G (1) H (3) I, liber (1) GH, pan(n)ir (8) G (2) I, vergissen 125, 16, yder 130, 8, hirynn 131, 28, krig(en) (3) G, bancketiren 134, 29 H, regirn (2) I.

 

4) Statt u führt H oft ů ein, das es gelegentlich mit ů verwechselt: zů, zůr (immer), doch ebenso regelmäßig zum, můß (immer), auffrůr (5), gůt (immer), gnůg(sam) (17), můt u. s. Zus. (6), růte(n) (7), stůnd (4), trůgen 109, 14, hůb 109, 24, wůrden (4), blůt (16), bůbe(n) (3), thůn u. s. F. (immer), růff m. Abl. (5), bůch(-) (6), půß bueß bůsse (10), wůrtzle 117, 24, schůhen (2), nůr (6), můst(en) (10), hůben 125, 1, hůrn 127, 18, rhům (2), brůder 143, 22, schůle(n) (5), tůch (3), fůg (2), versůche 136, 3, erwůrgen 138, 14, můter 140, 31.

 

I hat ue statt u in Hohenschuelen 110, 8/9, mueste(n) (6), Luether 107, 17, Rueten 120, 12, Stuende 125, 13, Schuetzherrn 130, 29, versuecht 147, 28.

 

5) u statt o führt G ein in (eyn)genumen (2), sundern (8), kumen (2), sunst (4), gesundert 112, 15, sunderlich (3), sun (2), oe statt ue in (ver)- moegen (7).

 

6) Unbetontes e wird eingeführt von G fast nur zur Zeilenfüllung oder wegen Worttrennung: geschwo-ren, Jch su-chet, jres amptes ||, gehoeret in || begi||bet, sol-ches, greif-fet, ewer ar-men, nur vereinzelt um Konsonanthäufung zu meiden: Herren (3), regieren (4), lengest, Gottes. H führt unbetontes e fünfmal, I dreimal so oft ein wie G:

 

in Mittelsilben: mordegeyst H, Kriegesleuten, allezeit, sehenen I;

 

in geschlossener Endsilbe: herren (2), regieren HI, hadderens, Pawren H, geschworen I; ewer (2) HI, fewer (1) H (2) I; welches HI, Gottes (2) H, (9) I, meines, kaines (2) H, liechtes, gutes I; geflicket, stirbet, werffet, verfüret, treybet, geraubet, entschuldiget H, hetzet, (ge)reitzet (2), lobet, krieget, bleibet I;

 

in offnem Auslaut: nach md. Weise setzt H e zu in mage, warde, fande, ware, ampte, der Babste, das hertzelayde, ein lande, hayle, den ayde, ordnunge, hertze, Herre, Türcke (2), dem Cardinale, gepete (4), rzum grunte, rathe, mit ernste; Befelhe (2), Bischoffe (2), feinde, hewbte, gemaine; solche, andere (2), unsere, etliche, ewere, ferliche, juengste,

 

 

 

[Seite 105]

 

darynne, ferne; lyse, achte ich, er habe. I setzt -e zu in handelte, ich, er habe (2), zweiuele, Gnade, Gesetze, Woelffe, liese, wuerde, Darinne, hierinne.

 

7) Unbetontes e wird beseitigt von G 100, von H 130, von I 38 mal und zwar

 

in Vorsilben: gwaltig H, gniessen I;

 

in Mittelsilben: Redner GHI, Canntzler HI, eignen GH, heydnisch, begegnen GI, raubberge, findstu, Endchrist, eignem, verkerten G, bezalte, regne, wůrtzle, luegner, verkerten (2), verkerstu H, Heuchley, hertzleyd I.

 

in geschlossner Endsilbe: erfarn, hůrn, anstehn H, bancketiern I; fewr (2) G (1) I; regiments, rhums G, hewtigs, Mahomets H, Kriegs, Mords, Koenigs, ichts, meineids I; bestettigt GH, verderbt, gehoert, meynt, außgedient, bringt, steht G, gebawt, druckt, bezeugt H, verkert, gelert (2), strafft, habt, hengt, regiert, genent I.

 

im offnen Auslaut gelegentlich gruppenweise in G: ein heydnisch vnnuetz weyse, die gantz heylig schrifft; hierher einige Faälle nach Behaghels Gesetz in GH: auffm Reychstag, in der rüstung, aus der erfarung GH, außbewt GHI, dem Koenig G, der selbig (2), erhoerung, zum Tuerckenkrieg H; vor anlautendem Vokal des folgenden Worts: im fryd, die meng, Koenig (gen.) plur., gerad, ander, wenig, gedenck etwas, gieng es, schreib ich G, soll, vergebung, zehend, gerad (2), erleucht, ler, müst, laß, nem, danckbar, Jch glaub, bueß (3), pflanntz, mayst, Er můst, fryd, etlich, gern, lieb, verker, fryd, wer, hof, hülff, layd, blůthund, König (plur.) (2), boeß, gesetz, wuerd, sag ich, geb H, Stueck, Muentz, gesetz, gering I; sonstige Dative Sing.: Gott (3) GHI, krieg (1) G (3) H, mund, weyb G; sonstige Singularformen: weltlich GHI, Tuerck (7) G (9) H (1) I, glaub (1) G (2) H, recht (2) G (1) H, sach, stück (2), gesetz, gnad, hauff, fein, sein (suam), boeß, frum G, glueck, muentz, stymm, weyl, sünd (2), leyb, stund, ewig, heylig, gestreng, goettlich, groß H; Pluralformen: Leut (2) G (5) H (1) I, spruech (2) G (1) H, stück (2) H (1) I, die hend G, erbar I, Adverbia und Pronominalformen: ein (10) G (2) H (3) I, lang GI, allain (allein) (3) HI, gern (1) G (2) H, bald GH, duenn, dest (3) G, schweer, boeß, gering H: Verbalformen: ich, er hab (5), Gott geb GH, wolt HI, er, es wer, such (2) G, ich kenn, werd (3), regier, muest, solt H , gestolen I.

 

III. Konsonantismus. 1) Fortis führen ein in ge-, verpot(en) (6) G (13) H, peten m. F. u. Abl. (3) G (immer) H, heupt (2) G (1) I, popel 107, 12, hauptman 136, 32, gepurt 143, 33 G, verpannet 108, 19/20, pitten (2), gepewt (2), außpewte (2), gepürt 115, 19, pergk 118, 21, pilde(r) (4), hewptstůcke 122, 22, verprochen 128, 11, geprasset 133, 22, pracht 133, 25, půben 136, 29, pleybte 138, 5, eynzupylden 139, 28, pawren 145, 9 H; schwert (1) G (42) H, doch mehrfach schwerd, 142, 4 schwerdt H, deutlich 144, 28 GH, Deutsch (land) u. i. F. (18), Teutschen (1) G, tewtsch(en) (18), vertewtschen 122, 1, doch Dewtsch 107, 14 H, todte 112, 3, stat 124, 26, feindt (2), vnwert 144, 26, widerstandt 145, 29 G, (vn)bekant (2), gelt

 

 

 

[Seite 106]

 

110, 23, entlich 111, 9, schentlich (8), seyt 133, 29, wirt (2), entwant 138, 25, wirdt (31), würdt (1), werdt (1), stadt 124, 26, mordt 125, 13, (bey)standt (4), handt (1), Bundt (1) H, uberweltiget 144, 23/24 I; mercklicher 146, 14, wunderwerck 146, 27 GHI, -igklich (3), gefengknis 127, 12, wegkfüren 133, 18 H. Jm Auslaut schreibt G gern ß in auß, hauß, biß, muß, H außerdem auch in ablaß, baß, laß, Roß, gewiß, fleyß, boßhait, kriegß, Laßla.

 

2) Lenis führen ein in vnbůßfertig (1) G (2) I, Babst (2) G (immer) H, Bapisten 113, 14, ambt (4) G, gebrenge 119, 1, getoedet 138, 12, verdorben 137, 4 H, gebuert 114, 23 I; schuld 114, 1, verdorben 137, 4 GI, sind 110, 2 G, sold 128, 28, Bosheit (4) I.

 

3) dd vereinfachen GHI fast immer in wider, oder, weniger konsequent in fodern, feder, haderten, nyderlag, entweder, z. B. läßt G entwedder 129, 13 stehen. Auch tt vereinfacht G gern in etliche, Got u. s. F. und Präteritalformen von haben.

 

4) Graphisches h beseitigt G gern, sowohl silbentrennendes (geen, steen, muee), als dehnendes (jr u. s. F., ere, mer, argwon, befolen), als exotisches (Jesu, ruemen). Erhalten bleibt h in Pfarher. H entfernt silbentrennendes h in ee (1), ye (7), steen (8), geen (6), dehnendes in mer (12), Mahomet(s) (3), faren (1), sowie 58 mal in den Pronominalformen in, jm, jre, jrem, jrer, yn, ym, yre, yrem, yrer; exotisches in Jesu(m) (6), ruemen (1). I entfernt silbentrennendes h in je (8), dehnendes in ebentewr (1), faren (1), denjen(ig)en (3), sowie 126 mal in den Pronominalformen jm, jr, jrs, jres, jrer, jrem, jren.

 

5) h wird eingeführt von I in auffrhůr (2), von H in auffrhůr (4); herauß (2), herfür 127, 5, herab 148, 27; Jsrahel 117, 17; lehre 109, 25, rath m. F. u. Abl. (16), noth (13), erretthet 133, 27, Loth 139, 19, forth 148, 6, befolhen 111, 28, die jhenigē 148, 13.

 

6) nn führt G gern zur Zeilenfüllung ein, z. B. lautet die letzte Zeile von Blatt A 1b: gegenn sie entschuldigenn 108, 1.

 

IV. Wortformen: sondern < sonder (17) GH, fur < for (12), < vor (2) G (23) H, nu > nun (17) G (13) H, widder < weder (4) HI, Oberkeit F, nicht < nit (54), -niß < -nuß (5), -lein (5) G, dran < daran (2) H, Euangelion < Euangelium (9), yhn < jnen (17) I.

 

 

 

[Seite 107]

 

Vom kriege widder die Türcken. 1529

 

[Seite 107]

[Vorbemerkungen]

 

[Bl. Aij] Dem Durchleuchtigen hochgebornen Fuersten und Herrn,

herrn Philipps Landgraven zu Hessen, Graben zu Katzenelbogen,

Zigenhain und Nida, meinem gnedigen Herrn.

Gnad und fride ynn Christo Jhesu unserm Herrn und Heilande.  Durchleuchtiger Hochgeborner Furst, Gnediger Herr: Es haben  mich wol fur funff iaren ettliche gebeten, zu schreiben vom  kriege widder den Tuercken und unser leute dazu vermanen  und reitzen. Und itzt, weil eben der Tuerck uns nahe koempt1,  zwingen mich solchs auch meine freunde zuvolenden, Sonderlich weil ettliche  ungeschickte Prediger bey uns Deudschen sind (als ich leider hoere), die dem  pobel einbilden, man solle und musse nicht widder die Tuercken kriegen2,  Ettliche aber auch so toll sind, das sie leren, Es zyme auch keinem Christen,  das weltlich schwerd zu furen odder zu regiern. Dazu, wie unser Deuedsch  volck ein wust wild volck ist, ia schier halb Teueffel halb Menschen sind,  begeren ettliche der Tuercken zukunfft und Regiment, Und solches yrthumbs  und bossheit ym volck wird dem Luther alles schuld gegeben und mus “die  frucht meines Euangelij” heissen, gleich wie ich auch mus der auffrur3 schuld  tragen und alles4, was itzt boeses geschicht ynn der gantzen welt, so sie es doch  wol anders wissen. Aber Gott und seinem wort zu widder stellen sie sich  als wusten sie es nicht anders und suechen ursachen, den heiligen geist und  oeffentliche bekandte warheit zu lestern, auff das sie ia die helle wol verdienen  und nymer mehr rew und vergebunge yhrer sunden erlangen.

 

Derhalben mir not sein wil von der sachen zuschreiben auch umb mein  selbs und des Euangelij willen, uns zu entschuldigen: nicht bey den lesterern  (welche solten mir nicht gut gnug sein, das ich mich mit einem wort gegen

[ 3 zů Hessen G 6 Fuerst DE 8 Turcken DEF        darzů H dar zu I 9 Turck DEF nahen H kumbt G 10 solichs G        freuende H 11 deudscheu DE 12 muesse DFE müsse H        Turcken DEF 14 wetlich H        deudsch DE Deudsch I 15 wuest DE Tewffel H 16 Turcken DEFH 19 welt] welt welt F 21 wuesten DEI        suchen DEFHI süchen G        vrsacher G 22 bekante H]

 

 

 

[Seite 108]

 sie entschuldigen wolt. Denn das Euangelion sol bey yhn stincken und ein  [2. Kor. 2, 16] geruch des todes sein zum tode, wie sie mit yhrem mutwilligen lestern verdienen),  sondern das die unschuldigen gewissen nicht weiter durch solche lester  meuler betrogen werden und argwohn von mir odder meiner lere schepffen,  odder auch dahin verfurt werden das sie gleuben, Man muesse nicht widder  die Tuercken streiten. Jch habs aber fur gut angesehen solch buechlin unter  E. F. G. als eines beruembten mechtigen Fuerstens namen aus zulassen, damit  es deste ein besser ansehen gewuenne und deste vleissiger gelesen wuerde, obs ein  mal dazu keme, das man von eym zug widder den Tuerken handeln wuerde,  die Fuersten und herrn eine gemeine erynnerunge hetten. Denn ich willens  bin1, etliche stuecke drinnen anzuzeigen, die wol zubedencken sein werden und  daran macht gelegen sein wird. Befelh hie mit E. F. G. unserm barmhertzigen  Gott ynn seine veterliche gnad und hulde, das er E. F. G. fur allem  yrthum und list des Teuffels behueete und seliglich zu regiern erleuchte und  stercke. Amen. Am neunden Octobris. 1. 5. 2 8.

 

 

 

E. F. G.

Williger Martinus

Luther.

 

 

[Bl. Aiij] Bapst Leo der zehende ynn seiner Bullen, darynn er mich verbannet,  unter andern artickeln verdammet er auch diesen das  ich gesagt hatte: Widder den Tůrcken streiten ist eben so viel als Gott widder  streben, der mit solcher ruten unser suende heimsucht.2 Aus solchem artickel  muegen genomen haben, die von mir sagen das ich weren und widder raten  solle, zustreiten widder den Tuercken. Jch bekenne noch frey das solcher artickel  mein sey und zu der zeit von mir gesetzt und verteidingt, Und wo es itzt ynn  der welt stuende wie es dazumal stund, so wolt und must ich den selbigen  noch itzt setzen und verteydingen. Es ist aber nicht fein, das man so wol  vergessen hat, wie es dazu mal stund ynn der welt und was mein grund  und ursachen war, und behelt gleich wol meine wort und zeuhet sie anderswo

 

 

[ 2 geruch] ruch H 4 oder FI mein G schoepffen H 6 Turcken DE 7 Fürstenn H 9 einem I Turcken DEF 11 drynne FH werden fehlt I 12 Befel DE 14 behuete HI 20 ander I verdamnet I 21 hette G Turcken DEF Tůrckē H 22 sunde DEF 24 Turcken DE 26 dem selbigen G 29 Vrsach I zeuchet I]

 

 

 

[Seite 109]

 hin, da solche ursachen und grund nicht ist. Wer kund mit solcher kunst  nicht auch aus dem Euangelio eitel luegen machen odder furgeben, Es were  widder sich selbs?

 

So stunds aber dazu mal: Es hatte niemand geleret noch gehoeret, wuste  auch niemand etwas von der weltlichen oeberkeit, woher sie keme, was yhr  ampt odder werck were odder wie sie Gott dienen solt. Die aller gelertesten  (wil sie nicht nennen) hielten die weltliche oeberkeit fur ein heidenisch, menschlich,  ungoetlich ding, als were es ein ferlicher stand zur seligkeit. Daher hatten  auch die Pfaffen und Muenche Koenige und Fuersten so eingetrieben und uberredet,  das sie ander werck fur sich namen Gott zu dienen, als mess hoeren,  beten, mess stifften &c.. Summa: Fuersten und herrn (so gern frum gewesen  weren) hielten yhren stand und ampt fur nichts und fur keinen Gotts dienst,  wurden rechte pfaffen und muenche, on das sie nicht platten noch kappen  trugen. Wolten sie Gott dienen, so musten sie ynn die kirchen. Solchs  muessen mir bezeugen alle herrn so dazu mal gelebt und solchs erfaren haben,  Denn mein Gnedigster herr, Hertzog1 Friderich seliger gedechtnis, ward so fro,  da ich zu erst von weltlicher Oberickeit schreib2, das er solch Buechlin lies  abschreiben3, sonderlich einbinden und seer lieb hatte, das er auch mocht sehen  was sein stand were fur Gott.

 

Also war dazumal der Bapst und die geistlichen alles ynn allen, uber  allen und durch alle wie ein Gott ynn der welt, und lag die weltliche oeberkeit  ym finstern, verdruckt und unbekand.4 Nu wolt der Bapst gleichwol  Christen sein mit seinem hauffen und gab doch fur, zu kriegen widder den  Tuercken. Uber den zwey stuecken hub sichs, denn ich erbeitet5 dazumal ynn  der lere so die Christen und gewissen betraff, hatte auch selbs noch nichts  von der weltlichen oeberkeit geschrieben, also das mich die Papisten einen  heuchler der Fuersten scholten6, weil ich allein von geistlichem stande handelt,  wie sie Christen sein musten, und nichts von dem weltlichen, gleich wie sie

 

 

[ 1 vrsache I 2 auch fehlt DE        Euangenlio F 4 do zumal H        hat G 6 gelersten GI 7 weltlichen G 11 from̄ H 13 wůrden H        noch] vnd H 15 solchs fehlt FH 16 gnedister H 17 Oberkeit DEFI Oberkeyt G oberkayt H 18 sunderlich H hete G 20 ward DE 21 durch allen ABCDEFGHI 22 vnbekant DEG 23 Christen] ein Christ G 24 Turcken DEF        stucken DE        arbaytet H 25 hett G 27 schalten H        vom Geistlichen I]

 

 

 

[Seite 110]

 mich nu auffrurisch schelten, nach dem ich von der weltlichen oeberkeit also  herlich und nuetzlich geschrieben habe, als nie kein lerer gethan hat, sint der  Apostel zeit1 (Es were denn S. Augustin): des ich mich mit gutem gewissen  und mit zeugnis der welt rhuemen mag.

 

Unter den stůcken aber Christlicher lere handelt ich auch das, da Christus  [Matth. 5,39 f.] Matthei spricht, Ein Christ solle dem ubel nicht widderstreben sondern alles  leiden, den rock dem mantel nach faren und nemen lassen, den an-[Bl. A 4]dern  backen auch herhalten &c.. Aus welchen stuecken der Bapst mit seinen hohen  schulen und kloestern hatten einen freyen rat gemacht, das nicht gepoten were  noch not zu halten einem Christen, hatten also Christus wort verkeret und  ynn aller welt felschlich geleret und die Christen betrogen. Weil sie denn  Christen, ia die besten Christen sein wolten und gleich wol widder den Tuercken  streiten, kein ubels tragen noch gewalt odder unrecht leiden, hielt ich mit  diesem spruch Christi widder, das Christen sollen dem ubel nicht widder streben  sondern alles leiden und gehen lassen, darauff satzt ich den artickel den der  Bapst Leo verdampt hat. Und thet solchs so viel deste lieber, das ich der  Roemischen bueberey den schalckdeckel neme.

 

Denn die Bepste hattens nie mit ernst ym synn, das sie widder den  Tuercken kriegen wolten, sondern brauchten des Tuerckischen krieges zum huetlin2,  darunter sie spieleten und das gelt mit ablas aus deuschen landen raubeten  so offt sie es gelustet, wie das alle welt wol wuste, aber nu auch vergessen  ist. Also verdampten sie meinem artickel nicht darumb das er dem Tuerckischen  krieg weret, sondern das er solch helekepplin3 abreis und dem geld gen Rom  die strasse legt.4 Denn wo sie mit ernst hetten wellen kriegen widder den  Tuercken, hatte der Bapst und die Cardinel wol so viel von den pallijs,  annaten und anderm unseglichem zugang, das sie solcher schinderey und  raubens ynn deudschen landen nicht bedurfft hetten. Were einfeltiger5 meynung

 

 

[ 2 und nuetzlich fehlt H        sind DEI 4 vnd zeugnis H 5 da] das G 6 Matth. FH Matthei 5. I        sprigt H        soll G 8 stucken DE Stuecken I 9 hetten G 10 hetten G 11 felchlich F 12 Turcken DEF 16 solchs vil G 18 Pepst hettens G 19 Turcken DEF Trücken H        brauchen I        Turckisschen DEF 20 deudschen F Teutschen G Tewtschē H Deudschen- || landen I 21 geluestet DEGI 22 Turckischen DEF 23 hele kepplen H 23/24 Rom den weg verlegt H 24 straffe l 25 Turcken DEFH        hat G hette H        den fehlt I 26 andern DE 27 in Deudschenlanden I]

 

 

 

[Seite 111]

 ein ernster krieg fur handen gewest, Jch hette meinen artickel wol besser  und unterschiedlich koennen eraus putzen.

 

So gefiel mir das auch nicht, das man so treib, hetzt und reitzt die  Christen und die Fursten, den Tuercken anzugreiffen und zu uberzihen, ehe  denn wir selbs uns besserten und als die rechten Christen lebeten, Welche  alle beide stueck und ein iglichs ynn sonderheit gnugsam ursach ist, allen krieg  zu widderraten. Denn das wil ich keinem heiden noch Tuercken raten, schweigedenn  eym Christen, das sie angreiffen odder krieg anfahen (welchs ist nichts  anders denn zu blut vergissen und zu verderben raten), da doch endlich kein  glueck bey ist, wie ich auch yn buechlin von kriegsleuten geschrieben habe.1 So  gelinget es auch nymer nicht wol, wenn ein bube den andern straffen und  nicht zuvor selbs frum werden wil.

 

Aber uber alles bewegte mich, das man unter Christlichem namen  widder den Tuercken zu streiten fuer nam, leret und reitzet, gerade als solte  unser volck ein heer der Christen heissen widder die Tuercken als widder  Christus feinde, Welchs ist stracks widder Christus lere und namen. Widder  [Matth. 5, 39] die lere ists, da er spricht, Christen sollen dem ubel nicht widder streben,  nicht streiten noch zancken, nicht rechen noch rechten. Widder seinen namen  ists, das ynn solchem heer villeicht kaum funff Christen sind und villeicht  erger leute fur Gott denn die Tuercken, und wollen dennoch alle den namen  Christi fueren, Welchs ist denn die aller groesseste suende, so kein Tuercke thut.  Denn es wird Christus name zu suenden und schanden gebraucht und geunehret,  Welchs denn gar sonderlich geschehe, wo der Bapst und die Bisschoffe mit ym  kriege weren, denn die selbigen wurden den namen Christi alzu hoch schenden  und unehren damit, das sie beruffen sind, mit Gotts wort und gebet widder  den teuffel zu streiten Und liessen solchen beruff und ampt anstehen und  wolten mit dem schwerd widder fleisch und [Bl. B̄ 1] blut fechten, welchs yhn  nicht befolen sondern auch verbotten ist.

 

O wie frolich solt mich Christus am Juengsten gericht empfangen, wenn  ich, als zum geistlichen Ampt gefoddert (das ich predigen und der seelen pflegen  solte) solchs hette lassen liegen und dafůr mich kriegens und weltlichs schwerds  geulissen. Und wie solt Christus dazu komen, das er odder die seinen mit  dem schwerd zu thun solt haben, kriegen und die leibe toedten, so er doch sich

 

 

[ 2 buetzen I 3 treibt DE 4 Turcken DEH 6 alle fehlt H        yedlichs G 7 Turcken DE 8 einem I        oder DE 9 vergiessen DEFH 10 krigsleuten F 12 zuuorn I        from HI 14 Turcken DE        fur DEF 15 den Tuercken H        Turckē DE 16 Wider DE 18 nocht rechten I 20 Turcken DE 21 groeste GH        sunde DEF        Turcke DE 22 namen FH        sunden DEF        und (1.) fehlt I        chanden DE 23 Bischoue I 24 wůrden H 27 wollē H        dem fehlt I        wyders H 28 befolhen BEFI befolhē H 29 froelich BEI 31 ligen FHI        dafur BEF darfuer I        weltlich F]

 

 

 

[Seite 112]

 [Joh. 3, 17] rhuemet, Er sey daruemb komen, das er die welt selig mache, nicht das er die  leute toedte? Denn sein Ampt ist mit dem Euangelio handeln und durch  seinen geist den menschen von den sunden und von dem tode zu erloesen, Ja  [Joh. 6, 15] von dieser welt zum ewigen leben helffen. Denn Johannis. 6. floch er und  [Joh. 18, 36] wolt sich nicht lassen zum koenige machen. Fur Pilato bekand er: Mein  reich ist nicht von dieser welt, Und hies auch Petrum ym garten sein schwerd [7, 8] [Matth. 26, 52] einstecken und sprach: Wer das schwerd nympt, der sol durchs schwerd umbkomen.

 

Das sage ich nicht daruemb das ich damit wolt geleret haben, das weltliche  Obirkeit nicht solt muegen Christen seyn odder ein Christ nicht mocht  das schwerd fueren und ynn weltlicher Obirkeit Gott dienen. Wolt Gott, sie  weren alle Christen odder das sonst kein Fuerst seyn mueste, er were denn  Christen: Es solt wol besser stehen denn es ytzt stehet und der Tuercke solt  nicht so mechtig worden seyn. Sondern ich wil die Ampt und beruff eigentlich  unterscheiden und gesondert haben, das ein iglicher sol darauff sehen, wo  zu er von Gott beruffen ist und dem selbigen Ampt trewlich und hertzlich,  Gott zu dienst, folge und gnug thu (wie ich davon uberfluessig anders wo,  sonderlich ym buechlin von kriegsleuten und von weltlicher Obirkeit1 geschrieben  habe). Denn so Paulus auch ynn der Kirchen, da doch eitel Christen seyn  sollen, nicht leyden wil, das ein iglicher sich des andern Ampt unter winde  [Röm. 12, 4, 1. Kor. 12, 27 ff.] Rom. 12 und .1. Corinth. 12., sondern ein iglich gelied zu seinem werck vermanet,  das nicht ein unordnung sich erhebe sondern alles fein ordenlich  zugehe: Wie viel weniger ist zu leyden die unordnung, das ein Christ sein  Ampt lasse und neme eins andern weltlich Ampt an sich, odder das ein  Bisschoff odder Pfarher sein Ampt lasse und neme eins Fuersten odder Richters  Ampt an? Und widderumb ein Fuerst neme eins Bisschoffs Ampt an sich  und lasse sein Fuersten Ampt anstehen, wie denn solche schendliche unordnung  noch heuetiges tages ym gantzen Bapstum tobet und waltet widder yhr eigen  Canones und recht.2

 

 

 

[ 1 rhoemet H 2 handlen I 4 Johan. FH Joh. I        .6.] am .6. BE        Floh I 9 darumb BEF darūb H 10 Oberkeit BEFI Oberkeyt G Oberkait H 11 Oberkeit FI Obrikeyt G oberkait H 12 muste BE 15 yedlicher G 17 thu] thun ABCDEFGI thuen H 18 sonderlich fehlt I        Oberkeit BEFI oberckeyt G Oberkait H 19 S. Paulus I        seien I 20 yedlicher G 21 Corint. BE        yedlich G 22 ordentlich I 27 schendlich F schendtliche H 28 Bapst thumb H 29 Conones H]

 

 

 

[Seite 113]

 Man frage die erfarunge, wie wol uns bis her gelungen sey mit dem  Tuercken krieg, so wir als Christen und unter Christus namen gestritten haben,  bis das wir zu letzt Rodis und schier gantz Hungern und viel vom Deudschen  land dazu verloren haben. Und auff das man spueren und greiffen mocht,  das Gott nicht bey uns sey widder die Tuercken zu streitten, hat er unsern  Fuersten nie so viel muts odder geists ynn synn gegeben, das sie ein mal mit  ernst hetten muegen vom Tuercken krieg handeln: ob wol fast viel odder schier  alle Reichstage umb solcher [Bl. B ij] sachen willen sind ausgeruffen und  gehalten worden, Es wil sich nirgend schliessen noch schicken, Das es scheinet  als spotte Gott unser Reichstage und lasse den Teueffel die selbigen hindern  und meistern, bis der Tuercke mit guter weile herzu grase1 und also Deudsch  land on muehe und on widderstand verderbe. Warumb geschicht das? freilich  daruemb, das mein artickel den Bapst Leo verdampt hat, unverdampt, sondern  krefftig bleibe.2 Und weil den selbigen die Papisten on schrifft aus mutwillen  verwerffen, mus der Tuercke sich des annemen und den selbigen mit der faust  und mit der that bestettigen. Wollen wir es nicht aus der schrifft lernen,  so mus uns der Tuerck aus der scheiden leren bis wirs erfaren mit schaden,  [Matth. 5, 39] das Christen nicht sollen kriegen noch dem ubel widder stehen: Narren mus  man mit kolben lausen.3

 

Wie viel meinstu sind wol der kriege gewest widder den Tuercken,  darynn wir nicht grossen schaden empfangen haben, wenn die Bisschoff und  geistlichen sind da bey gewest? Wie iemerlich ward der feine koenig Lasla4  zu Varna mit seinen Bisschofen vom Tuercken geschlagen, das solch ungluck

 

 

[ 2 Turcken BEF 3/4 Deudschenland I 5 Turcken BEFH 6 muts G 7 moegen H        Turcken BEH 11 Turcke BEFH 12 an můhe G 13 darumb BEFHI 15 Turcke BE Turck H 18/19 mueß mon H 20 viel] wiel BE        Turcken BEFH 21 Bischoue I 23 Bischouen I        Turcken BEFH        solich G        vnglueck BEFI vngkuck H]

 

 

 

[Seite 114]

 auch die Hungern selbs dem Cardinal Juliano1 schult gaben und drumb  erstachen. Und itzt newlich der Koenig Ludwig solt vieleicht gluegseliger gestritten  haben, wo er nicht ein Pfaffenheer odder (wie sie rhuemen) ein Christenheer  gefurt hette widder den Tuercken.2 Und wenn ich Keyser, Koenig odder Fuerst  were, ym zug widder den Tuercken wolt ich meine Bisschoff und Pfaffen vermanen,  das sie daheymen blieben, yhrs Amts mit beten, fasten, lesen, predigen  und armer leute warteten, wie sie nicht alleine die heilige schrifft, sondern  auch yhr eigen geistlich recht leret und foddert. Wo sie aber darueber als die  ungehorsamen widder Gott und yhr eigen recht wolten ia mit ym kriege seyn,  wolt ich sie mit der gewalt leren yhres Ampts warten und mich sampt meim  heer nicht also durch yhren ungehorsam ynn Gottes zorn und alle fahr setzen  lassen. Denn es solt mir unschedlicher seyn drey teueffel ym heer haben, denn  einen ungehorsamen, abtruenigen Bisschoff, der seines Ampts vergesse und eins  unbefolhens sich unter wuende. Denn es kan kein gluecke seyn bey solchen  leuten, die Gott und yhren eigen rechten widderfechten.3

 

Jch hab von feinen kriegs leuten gehoeret die da meineten, der Koenig  von Franckreich, da er fuer Pavia geschlagen und gefangen ward vom Keyser,  hab alle sein unglueck daher gehabt, das er des Bapsts odder (wie sie rhuemen)  der Kirchen volck bey sich hatte, denn nach dem dasselbige ynn sein lager kam  mit grossem geschrey ‘Ecclesia, Ecclesia: Hie Kirche, Hie Kirche’ sey hynfuert  kein glueck mehr da gewesen. Solchs sagen die kriegsleut und wissen villeicht  die ursachen nicht, das dem Bapst (als der ein Christ, ia der uberst und beste  Christen prediger seyn wil) nicht gepuert ein kirchen heer odder Christen heer  zu fueren, denn die Kirche sol nicht streitten noch mit dem schwerd fechten.  Sie hat ander feinde denn fleisch und blut, welche heissen die boesen teueffel  ynn der lufft, daruemb hat sie auch ander waffen und schwerd und ander  kriege, damit sie zu schaffen gnug hat, darff sich ynn des Keysers odder  [1. Sam. 12, 15] Fuersten kriege nicht mengen. Denn die schrifft sagt, Es solle kein glueck  da [Bl. Biij] seyn, wo man Gott ungehorsam ist.

 

 

[ 1 selbst H        schuldt H        darumb H 2 glueckseliger BEGH 4 Turcken BEF 5 Turcken BEF        Bischoue I 7 warten HI 10 mich] mit I 12 dann G 14 vnbefohlens I 19 hette G 20 hynfurt BEF hyn furt H hinfurt I 22 oeberst GH 24 kirchen G 25 andere FH 26 darumb BEFH 28 Fuersten-|kriege I]

 

 

 

[Seite 115]

 Widderumb wenn ich ein kriegs man were und sehe zu felde ein Pfaffenodder  creuetz pannier, wenns gleich ein crucifix selbs were, so wolt ich davon  lauffen als iagt mich der Teueffel. Und ob sie gleich einen sieg gewoennen  durch Gottes verhengnis, wolt ich doch der ausbeute und freuden nicht teylhafftig  seyn. Wolt es doch dem bosen eysenfresser1 Bapst Julius nicht  gelingen, welcher schier ein halber teueffel war: Er muste zu letzt Keyser  Maximiliam anruffen und den selbigen lassen des spiels walten, ungeacht ob  Julius mehr gelt, waffen und volck hatte. So meine ich ia, Es habe diesem  nehesten Bapst Clemen2 sein kriegen fast wol gelungen, welchen man doch  schier fur einen kriegs Got hielt so lange, bis er Rom mit allem gut durch  wenig und ungerust kriegs volck verlor. Es ist beschlossen3, Christus wil sie  meinen artickel leren verstehen, das Christen nicht kriegen sollen Und der verdampte  artickel mus sich also rechen, denn er ist von den Christen gesagt und  wil unverdampt, sondern4 recht und warhafftig seyn, wie wol sie sich nicht  dran keren noch das gleuben, bis das sie verstockt und unpusfertig ymer mehr  und mehr anlauffen und zu druemern gehen: da sprech ich Amen zu. Amen.

 

War ists: weil sie weltliche heerschafft und gueter haben, sollen sie  daselbst von dem Keyser und koenigen odder Fuersten thun und geben, was sich  gebuert von andern weltlichen guetern zu thun und zu geben. Ja solche gueter  der kirchen (wie sie es nennen) sollen sonderlich fur allen andern guetern dienen  und helffen zum schutz der duerfftigen und zu heyl gemeiner stende, denn da  zu sind sie gegeben und nicht dazu, das ein Bisschoff seins Ampts vergesse und  damit kriege odder streite. Wenn Keyser Karolus panier odder eins Fuersten  zu felde ist, da lauffe ein iglicher frisch und froelich unter sein panier, da er  unter geschworn ist, wie hernach weiter gesagt wird. Jst aber ein Bisschoffs,  Cardinals odder Bapsts panir da, so lauff davon und sprich: Jch kenne der  muentze nicht.5 Wenns ein betbuch were odder die heilige schrifft ynn der  kirchen gepredigt, wolt ich auch wol zu lauffen etc.

 

 

[ 3 gewuennen BE 4 freunden I 6 letzte F letze H 8 Julianus I        hette G 9 nechsten G        Clemēt GH Clemens I 11 kriegs volck] volck kriegß G 12 mein G 15 daran G 16 drůmmer H 17 wetlich H        herrschafft G 18 daselbs von G        sich] sichs I 19 guettern fehlt I        und zu geben fehlt I 20 sollen fehlt I 21 gemener A 26 odder fehlt H        Bepsts F        panier FI 28 etc. fehlt H]

 

 

 

[Seite 116]

 Ehe ich nu vermane odder reytze widder den Tuercken zu streiten, so  hoere mir doch zu umb Gottes willen, Jch wil dich zuvor leren mit rechtem  gewissen kriegen. Denn wie wol ich mocht (wo ich den Adam wolt lassen  gehen) still schweigen und zu sehen, wie mich der Tuercke widder die Tyrannen  (so das Euangelion verfolgen und mir alles leyd anlegen) rechete und sie  bezalete, so wil ich doch nicht also thun, sondern beyde freuenden und feinden  [Matth. 5, 45] dienen, das meine Sonne auch auffgehe beyde uber boese und gute, und regene  uber danckbare und undanckbare.

 

Auffs erste weil das gewis ist, das der Tuercke gar kein recht noch befelh  hat streit an zufahen und die lender anzugreiffen, die nicht sein sind, ist freylich  sein kriegen ein lauter frevel und reuberey, dadurch Gott die welt strafft,  wie er sonst manch mal durch boese buben auch zu weilen frume leute straffet.  Denn er streit nicht aus not odder sein land ym fride zu schutzen, als ein  ordenlich Obirkeit thut, sondern er suecht ander land zu rauben und zubeschedigen,  die yhm doch nichts thun odder gethan haben, wie ein [Bl. B iiij]  meer reuber odder strassen reuber. Er ist Gottes rute und des Teueffels  diener, das hat keinen zweifel.

 

Zum andern mus man wissen wer der man seyn sol, der widder den  Tuercken kriegen sol, auff das der selbige gewis sey, das ers befelh habe von  Gott und recht dran thu, nicht hineyn plumpe sich selbs zu rechen odder  sonst eine tolle meynung und ursachen habe, Auff das er, ob er schluge odder  geschlagen wurde ynn seligem stande und Goettlichem Ampt befunden werde.  Der selbigen menner sind zween und sollen auch allein zween seyn: Einer  heist Christianus1, der ander Keyser Karolus.2 Christianus sol der erst sein  mit seinem heer.

 

Denn sintemal der Tuercke ist unsers herr Gottes zornige rute und des  wuetenden Teueffels knecht, mus man zuvor fur allen dingen den Teueffel selbs  schlahen, seinen herrn, und Gotte die rute aus der hand nemen, das also  der Tuercke fur sich selbs on des Teueffels huelffe und Gottes hand ynn seiner  macht alleine funden werde. Das selbige sol nu thun Herr Christianus, das  ist der frumen heiligen lieben Christen hauffe, das sind die leute, so zu diesem  kriege gerust sind und wissen damit umbzugehen. Denn wo nicht zuvor des  Tuercken Gott (das ist der Teueffel) geschlagen wird, ist zu besorgen, der Tuercke  werde nicht so leichtlich zu schlahen sein. Nu ist der Teueffel ein geist, der

 

 

[ 1 steiten F 4 die] der I 6 beiden I        fruenden BE 7 Sonnen G 12 frome I 13 schuetzen BEF 14 Oberkeit BEFI Oberkeyt G Oberkait H        sucht BEFH 14/15 bescheddigen H 19 befehl I 21 das, ob ABCDEFGHI        schlueg H schluege I 22 Gottlichem BEF        befunde werdē G 26 Turcke BEF        des] das I 29 Turcke BEF        hilffe H 31 fromen HI 33 Turcken BEF        Turcke BEFTücke H]

 

 

 

[Seite 117]

 mit harnisch, buechsen, Ros und man nicht mag geschlagen werden, Und Gottes  [Ps. 33, 17 f.; 147, 10 f.] zorn sich damit auch nicht versuenen lest, wie geschrieben stehet Psalm . 33:  Er hat nicht lust an der stercke des Rosses noch gefallen an yemands beynen.  Der Herr hat gefallen an denen die yhn fuerchten und die auff seine guete  warten. Christliche waffen und krafft mus es thun.

 

Hie fragestu: Wer sind denn die Christen Und wo findet man sie?  Antwort: Wenig ist der selbigen, Aber doch sind sie allenthalben, ob sie  gleich duenne stehen1 und weit von einander wonen, beyde unter frumen und  boesen Fuersten. Denn es mus die Christenheit bleiben bis ans ende, wie der  artickel laut ‘Jch gleube eine heilige Christliche kirche’, Also mus man sie  aber finden. Die Pfarher und prediger sollen ein iglicher sein volck auffs  aller vleyssigst vermanen zur busse und zum gebet. Die busse sollen sie treiben  mit anzeigen unser grossen unzelichen sunde und undanckbarkeit, da durch wir  Gottes zorn und ungnade verdienet, das er uns dem Teueffel und Tuercken  billich ynn die hende gibt. Und auff das solche predigt deste stercker eingehe, mus  man die Exempel und sprueche der schrifft einfueren2, als von der sintflut, von  Sodom und Gomorren, von den kindern Jsrael und wie greulich und manich  mal Gott die welt, land und leute gestrafft hat, und wol austreichen wie es  nicht wunder3 sey, so wir wol schwerer denn ihene sundigen, ob wir auch  erger denn sie gestrafft werden.

 

Es mus werlich dieser streit an der busse angefangen seyn und muessen  unser wesen bessern odder wir werden umbsonst streiten, wie der Prophet  [Jer. 18, 7 f.] Heremias sagt am .xviij. Capittel: Jch rede gar bald widder ein volck und  widder ein Koenigreich das ichs aus wurtzele, zustore und zerstrewte. Wo aber  solches volck seine bosheit rewet da widder ich rede, So sol mich auch rewen  [Jer. 18, 9 ff.] das ubel das ich yhm gedacht zu thun. [Bl. C j] Widderumb: Bald rede ich  von eim volck und Koenigreich das ichs pflantze und erbawe. Wo es aber  boeses thut fuer meinen augen und hoeret meine stymme nicht, so sol mich

 

 

[ 1 buechschen ABCDE 2 Psalm .147. I 3 Rossz H 5 warten] hoffen I 6 fragest du H 8 fromen H 9 Fursten BEF 13 anzaigung H 14 Turcken BEF 15 predig H        dester G 16 einfuren BEF 17 manch BE manig H 23 Hieremias BEFGH        gar bald] plotzlich I 23/24 vnd Koenigreich I 24 zustoere F        zůstoere H 24/25 ichs ausrotten, zerbrechen vnd verderben wolle, Wo sichs aber bekeret, von seiner boesheit, da wider I 25 wider BE 26 Widderumb: Bald] Vnd plotzlich I 27 einem H        das ich bawen vnd pflantzen wolle, So es I 28 fur BEFI vor H        Augen, das es meiner Stimme nicht gehorchet, So sol mich auch I]

 

 

 

[Seite 118]

 rewen das gute das ich yhm geredte zuthun. Daruemb sage den von Juda  und den zu Jerusalem und sprich: Sehet ich bereite ein unglueck uber euch  und gedencke etwas widder euch. Bekere sich nu ein iglicher von seinem boesen  wesen und schigket ewer wesen und ewer thun recht etc. Diesen spruch muegen  wir uns warlich lassen gesagt sein, Denn Got denckt widder uns etwas boeses  umb unser boesheit willen und bereitet den Tuercken gewislich widder uns, wie  [Ps. 7, 13 ff.] der .7. Psalm auch sagt: Wil man sich nicht bekeren, so hat er sein schwerd  gewetzt und seinen bogen gespannen1 und zielet und hat toedlich geschos drauff  gelegt etc.

 

Hie bey mus man denn fueren auch die sprueche und Exempel der schrifft,  da sich Gott lest vernemen, wie wol yhm gefelt rechte rew odder besserung,  so die ym glauben und trawen auff sein wort geschicht, als ym Alten Testament  dere zu Ninive, der koenige David, Ahab, Manasse und der gleichen, Jm Newen  .S. Peters, des Schechers, des Zoelners ym Euangelio und so fort an. Und  wie wol ich weis, das diese meine unterricht den hochgelerten und heiligen, so  keiner busse beduerffen, lecherlich sein wird, als die es fuer schlecht und gemein  ding achten, das sie lengest an den schuhen zu rissen haben: So hab ichs doch  nicht wollen lassen umb mein und meins gleichen armer sunder willen, welche  teglich hoch beduerffen beide der busse und vermanung zur busse. Wir bleiben  [Luk. 15, 7] dennoch leider allzu faul und lass und sind noch nicht mit ihenen neun und  neuntzig gerechten so fern uber den berg komen2 als sie sich lassen duencken.

 

Darnach wenn sie also gelert und vermanet sind yhr sunde zubekennen  und sich zu bessern, sol man sie als denn auch mit hohem vleis zum gebet  vermanen und anzeigen, wie Gott solch gebet gefalle, wie ers geboten und  erhoerung verheissen hat. Und das ia niemand sein gebet verachte, odder dran  zweiffel, sondern mit festem glauben gewis sey der erhoerunge, wie das alles  ynn vielen buechlin von uns ist dargegeben. Denn wer da zweiffelt odder  auff ebenteuer3 bettet, da were besser er lies es anstehen, weil solch gebet eitel  Gottes versuchen ist und die sache nur erger macht. Darumb ich auch die  Procession als ein Heidnische unnuetze weise wolt widder raten haben, Denn

 

 

[ 1 geredte] verheissen hatte I        Darumb BEFH 1/3 So sprich nu zu denen in Juda, vnd zu den Buergern zu Jerusalem, so spricht der HERR, Sihe, Jch bereite auch ein vnglueck vber euch vnd habe gedancken wider euch, Darumb I 3 nu fehlt I 4 schicket GH        vnd bessert ewer wesen vnd thun &c.. I        vnd thun G        moegen H 6 bossheit F boßhait H        Turcken BEF 8 hat fehlt I        darauff GH 10 vnd die Exempel I 11 sich] sie G 12 die fehlt I        ym] yhm BE 14 Sant F 15 ichs weis I 17 doch fehlt H 19 der fehlt I 21 duencken lassen G 25 daran G 27 in vil G 28 ebentheur F abenttewr H        da] ja da I]

 

 

 

[Seite 119]

 es ist mehr ein geprenge und schein denn ein gebet. Eben so rede ich auch  von viel Messe halten und heiligen anruffen. Das mocht aber etwas thun,  so man, es were unter der Messe, Vesper odder nach der predigt, ynn der  Kirchen die Letaney1 sonderlich das iunge volck singen odder lesen liesse, Und  ein iglicher nicht deste weiniger daheym bey sich selbs ymer dar, zum wenigsten  ym hertzen, seufftzet zu Christo umb gnade zum bessern leben und umb huelffe  widder den Tuercken. Nicht sage ich von viel langem gevet, sondern von  offtem2 und kurtzem seufftzen mit solch eim odder zwey wort: ‘Ach hilff uns  lieber Gott Vater, Erbarm dich unser lieber Herr Jhesu Christe’ odder der  gleichen.

 

Sihe solche predigt werden wol Christen treffen und finden Und Christen  werden da seyn, die sie annemen und darnach thun —Ligt nichts dran, ob  du [Bl. Cij] sie nicht kennest. Die Tyrannen und Bisschoff mag man auch  vermanen, das sie von yhrem toeben und verfolgen widder das wort Gottes  lassen und unser gebet nicht hindern. Wo sie aber nicht ablassen, muessen  wir gleich wol unser gebet nicht nach lassen Und dahyn setzen und wagen,  das sie unsers gebets geniessen und sampt uns erhalten werden, odder wir  yhrs toebens entgelten und sampt yhn verderbet werden. Denn sie sind wol  so verkeret und verblendet, Wenn Gott glueck widder den Tuercken gebe, das  sie es yhrer heiligkeit und verdienst solten zuschreiben und widder uns rhůmen.  Widderumb Wo es ubel geriete, solten sie es freylich niemand denn uns zu  schreiben und die schuld auff uns legen, unangesen yhr schendlichs, offenberlich  sundlich, boeses wesen, das sie nicht alleine furen, sondern auch dazu verteydingen,  und nicht ein einig stueck recht leren koennen, wie man beten sol,  und wol erger denn die Turcken sind. Wolan, das mus man Gottes gericht  lassen heymkomen.3

 

Jn solcher vermanung zum gebet mus man auch der schrifft sprueche  und Exempel einfuren, darynn man findet, wie starck und mechtig zu weilen  [Jak. 5, 17] eines menschen gebet ist gewesen, als Elias gebet, Davon .S. Jacobus rhuemet  Jtem Eliseus und ander Propheten, Der Koenige David, Salomon, Assa,  [1. Mose 18, 32] Josaphat, Jesaias, Hesechias. etc. Jtem wie Gott Abraham verhies umb  Fuenff gerechter willen verschonung des lands Sodom und Gomorra etc.  [Jak. 5, 16] Denn eins gerechten gebet vermag viel (spricht S. Jacobus ynn seiner Epistel)

 

 

[ 2 anroeffen G 3 predig G 4 Litaney I        lessen I        liessen H 5 weniger FGHI 6 besserm I        hilffe H 8 Ah I 11 predig G 13 Bischoue I        man fehlt G 18 tobens BEFHI        und fehlt I 19 Turcken BEF 20 zue schryben H 22 vnangesehen GH 23 darzu G 23/24 verteydigen GH 24 einigs H 30 Koenig GH 31 Jesias ABCDEI 32 land F        landes I        Sodoma H 33 Sant F]

 

 

 

[Seite 120]

 wenn es anhelt. Und hie bey ist anzuzeigen, das sie sich fursehen und nicht  GOTT erzuernen, wo sie nicht beten wollen, und nicht ynn das urteyl fallen  [Hes. 13, 5] Ezechiel .xiij. Da Gott also spricht: Jhr habt euch nicht gegen mich gestellet  und habt euch nicht zur mauren gesetzt fur das haus Jsrael, auff das yhr  [Hes. 22, 30 f.] stundet widder den streit ym tage des HERRN. Und .xxij: Jch sucht einen  man unter yhn der eine mittelwand were und stunde widder mich fur das  land, das ichs nicht verderbete, Aber ich fand keinen. Daruemb schuettet ich  meinen zorn uber sie und verzeret sie ym fewer meines grymmes Und bezalet  sie, wie sie verdienet hatten, spricht der HERR.

 

Hieraus sihet man wol das Gott haben wil, und zuernet hefftig, wo  man sich nicht widder seinen zorn legt und yhm weret: Das heist (wie ich  droben gesagt habe) die ruten aus der hand Gottes nemen. Hie solt man  fasten, wer da fasten wolt, Hie solt man knyen, sich bucken und auff  die erden fallen, da es ernst ist. Denn was bisher ynn Stifften und  Kloestern buckens und knyens gewest ist, hat keinen ernst gehabt und ist  ein recht affen spiel1 gewest, wie es auch noch ist. Jch vermane nicht umbsonst  die Pfarhern und prediger das sie solchs ym volck wol treiben und  uben, Denn ich sehe wol das2 warlich an den predigern gantz und gar  gelegen ist, so sich das volck bessern odder beten sol. Mit dem predigen, so  man den Luther schilt und lestert und daneben busse sampt dem gebet lest  anstehen, wird wenig ausgericht sein. Wo aber Gottes wort klinget gehets  nicht on frucht abe. Aber sie muessen predigen als die den heiligen predigen,  da man [Bl. Ciij] busse und glaube gantz ausgelernet hat und etwas hoehers  schwetzem.

 

Zu solchem gebet widder den Turcken sol nu bewegen uns die grosse  not. Denn der Tuercke (wie gesagt) ist ein diener des Teuffels, der nicht  allein land und leute verderbet mit dem schwerd (Welchs wir hernach hoeren  werden) sondern auch den Christlichen glauben und unsern lieben Herrn Jhesu  Christ verwuestet. Denn wie wol ettlich sein regiment darynn loben, das er  yederman lest gleuben was man wil3, allein das er weltlich herr sein wil,  So ist doch solch lob nicht war. Denn er lest warlich die Christen oeffentlich  nicht zu samen komen Und mus auch niemand oeffentlich Christum bekennen,  noch widder den Mahometh predigen odder leren. Was ist aber das fur eine  freyheit des glaubens, da man Christum nicht predigen noch bekennen mus,  [Röm. 10, 10] so doch unser heyl ynn dem selbigen bekentnis stehet, wie Paulus sagt Ro. 10:

 

 

[ 3 am .xiij. H 4 habt fehlt H 5 Vnd am .xxij. FH 6 stnnde [so] BE 8 vertzeret I        grymmens H 9 hatten] heet der G 10 zoernet FHI 14 da] dz H 16 es fehlt G 21 gets G 26 Tnrcke [so] BEF 31 warlich fehlt H 33 Mahomet FH 35 Rom. BEFHI]

 

 

 

[Seite 121]

 ‘Mit dem munde bekennen macht selig’, Und Christus gar hart befolhen hat  sein Euangelion zu bekennen und leren?

 

Weil denn nu der glaube mus schweigen und heymlich sein unter solchem  wůsten wilden volck und ynn solchem scharffen grossen Regiment, wie kan er  zu letzt bestehen odder bleiben, So es doch muehe und erbeit hat, wenn man  gleich auffs aller trewlichst und vleissigest predigt? Darumb gehets auch also  und mus also gehen: Was aus den Christen ynn die Tuerckey gefangen oder sonst  hinein komet, fellet alles dahyn und wird aller ding Tuerckissch, das gar selten  [Joh. 6, 51] einer bleibt. Denn sie mangeln des lebendigen brodts der seelen und sehe  das frey fleischlich wesen der Tuercken und muessen sich wol also zu yhn gesellen.  Wie kan man aber mechtiger Christum verstoeren denn mit diesen zweyen  stuecken, nemlich mit gewalt und list, Mit gewalt der predigt und dem wort  weren, Mit list boese ferlich Exempel teglich fur augen stellen und zu sich  reitzen? Auff das wir nu unsern Herrn Christum, sein wort und glauben  nicht verlieren, muessen wir widder den Tuercken nicht anders bitten, denn als  widder andere feinde unser seligkeit und alles guten, gleich als widder den  Teueffel selbs.

 

Und hie solt man dem volck nu anzeigen alle das wůst leben und wesen,  das der Tuerck fueret, auff das sie die not zum gebet deste bas fuelen. Zwar  mich hat offt verdrossen und verdreust noch, das widder unser grossen herrn  noch hoch gelerten den vleis gethan haben, das man doch eigentlich und gewis  hett erfaren muegen der Tuercken wesen ynn beyderley stenden, geistlich und  weltlich1, und ist uns doch so gar nahe komen, Denn man sagt das sie auch  Stifft und Kloester haben. Es haben ettlich gar ungeschwungen luegen von  den Tuercken ertichtet, uns Deuedschen widder sie zu reitzen. Aber es durfft  der luegen nichts, Es ist der warheit allzu viel da. Jch wil meinen lieben  Christen, so viel ich der gewissen warheit weis, ettlich stueck erzelen, damit sie  deste bas bewegt und gereitzt werden uleissig und mit ernst zu beten widder  den feind Christi yhres herrn.

 

Jch habe des Mahometes Alkoran etlich stueck, welchs auff deudsch mocht  predigt- oder lerebuch2 heissen, wie [Bl. Ciiij] des Bapsts Decretal3 heist. Hab

 

 

[ 2 Euangelio H 4 wuesten BEFHI 5 lest I 6 auch fehlt H 7 die] der I        Turckey BEF        odder F 8 Turckissch BEF 10 Wessen I 11 verstueren I 12 predig G 17 Teyffel G 18 wueste FHI 19 Turcke F 22 moegen H 25 getichtet H        duerfft BE dorfft H 30 hab BE        Mahomeths I 31 predig oder lere bauch G        gepredigt H]

 

 

 

[Seite 122]

 ich zeit so mus ichs ia verdeudschen1, auff das yderman sehe welch ein faul  schendlich buch es ist2: Erstlich so lobt er wol Christum und Mariam fast  seer, als die alleine on sunde seyn, Aber doch helt er nichts mehr von yhm  denn als von eim heiligen Propheten, wie Heremias odder Jonas ist, Verleugnet  aber das er Gottes son und rechter Gott ist. Dazu helt er auch  nicht, das Christus sey der welt heyland, fur unser sunde gestorben, sondern  habe zu seiner zeit gepredigt und sein ampt ausgericht fur seinem ende, gleich  wie ein ander Prophet. Aber sich selber lobt und hebt er hoch und rhuemet,  wie er mit Gott und den Engeln geredt habe und yhm befolhen sey die welt,  nach dem Christus Ampt nu aus ist, als eins Propheten, zu seinem glauben  zu bringen und wo sie nicht wollen mit dem schwerd zu bezwingen odder  straffen, Und ist das schwerd rhuemen viel drynnen.

 

Daher halten die Tuercken viel hoeher und groesser von yhrem Mahomet  denn von Christo, Denn Christus Ampt habe ein ende Und Mahomeths Ampt  sey itzt ym schwang. Daraus kan nu ein iglicher wol mercken, das der  Mahometh ein verstoerer ist unsers Herrn Christi und seines reichs. Denn  wer die stuecke an Christo verleugket, das er Gottes son ist und fur uns  gestorben sey und noch itzt lebe und regire zur rechten Gottes: Was hat der  mehr an Christo? Da ist Vater, Son, heiliger geist, Tauffe, Sacrament,  Euangelion, glaube und alle Christliche lere und wesen dahin, Und ist an stat  Christi nichts mehr, denn Mahometh mit seiner lere von eigen wercken und  sonderlich vom schwerd: das ist das heubtstuecke des Tuerckisschen glaubens,  darynn auff einem hauffen alle grewel, alle yrthum, alle Teuffel auff einem  hauffen ligen.

 

Noch fellet die welt zu als schneyet3 es mit schuelern des Tuerckisschen  glaubens. Denn es gefelt der vernunfft aus der massen wol das Chistus  nicht Gott sey, wie die Juden auch gleuben, Und sonderlich das werck, das  man herrschen und das schwerd furen und ynn der welt oben schweben sol.  Da scheubet denn der Teuffel zu. Also ists ein glaube, zu samen geflickt aus  der Juden, Christen und Heiden glauben.4 Denn von den Christen hat er das

 

 

[ 1 welch] wie H 2 wol fehlt I 4 Hieremias FGH Jeremias I 7 endt H 13 Turcken BEF Tuerchen G        Mahomets F 17 verleugnet I 22 Turckisschen BEF 28 fueren BEI 29 ein] sein G 30 Jueden BEI]

 

 

 

[Seite 123]

 er Christum und Mariam hoch lobt, auch die Apostel und ander heiligen mehr.  Von den Juden haben sie das sie nicht wein trincken, etlich zeit des iars  fasten, sich baden wie die Nasarei und auff der erden essen, Und faren so  daher auff solchen heiligen wercken, wie unser Muenche eins teils und hoffen  das ewige leben am Juengsten tage. Denn sie gleuben dennoch die aufferstehung  der todten, das heilige volck, welchs doch wenig Papisten gleuben.

 

Welchem frumen Christlichem hertzen wolt nu nicht grawen fur solchem  feine Christi, weil wir sehen das der Tuercke keinen artickel unsers glaubens  stehen lest on den einigen von der todten aufferstehung? Da ist Christus  kein Erloeser, Heiland, Koenig, kein vergebung der sunden, kein gnad doch  heiliger geist. Und was sol ich viel sagen? Jnn dem artickel ists alles  verstoeret, das Christus unter und geringer sol sein denn Mahometh. Wer  wolt nicht lieber tod sein denn unter solchem regiment leben1, da er seines  Christus schweigen und solch lesterung und grewel [Bl. D 1] widder yhn sehen  und hoeren mus, Und reist doch so gewaltig ein, wo er ein land gewinnet,  das man sich auch williglich drein gibt. Darumb bete wer da beten kan,  das solcher grewel nicht unser herr werde und wir nicht mit solcher schrecklichen  rute des Goettlichen zorns gestrafft werden.

 

Zum andern leret des Turcken Alkoran odder glaube nicht allein den  Christlichen glauben verstoeren, sondern auch das gantz weltlich Regiment.  Denn sein Mahomet (wie gesagt ist) befilhet mit dem schwerd zu walten,  und ist das meiste und furnemest werck ynn seinem Alkoran das schwerd.  Und ist also ynn der warheit der Turck nichts denn ein rechter moerder odder  strassen reuber, wie denn auch die that fur augen beweiset. Andere Koenigreiche  [Ps. 76, 5] nennet .S. Augustinus auch grosse reuberey, Da zu der .76. Psal  nennet sie raubeberge2, Darumb das gar selten ein keyserthum ist auff komen  on raub, gewalt und unrecht, odder wird yhe zum wenigsten durch boese leute  [1. Mose 10, 9] offt mit eitel unrecht eingenomen und besessen, das auch die schrifft Gen̄. 10.  den ersten Fuersten auff erden, Nimrod, einen mechtigen ieger nennet. Aber  nie ist keins der massen mit morden und rauben auff komen und so mechtig  worden als des Turcken und noch so teglich mordet und raubet. Denn es  wird yhn ynn yhrem gesetz gebotten als ein gut Goettlich werck das sie rauben,  morden und ymer weiter umb sich fressen und verderben sollen, wie sie denn  auch thun und meinen, sie thun Got einen dienst dran. Darumb ists nicht  ein goetlich ordenliche oeberkeit wie andere, den fride zu handhaben, die frumen

 

 

[ 3 baden, und wie ABCDEFGHI 4 ein teils ABCDEFGI ein tayls H 6 welichs G 7 frommen H        Christlichen H        for solchen G 8 Turcke BEF 13 nit H 15 horen CF 17/18 Schrecklicher Rute Goettlichs zorns I 18 Gotlichen CF 24 beweysen G 25 der 68. Psalm I 26 rawbperge H        Kayserthumb H 32 Gotlich CF 33 weiter fehlt H 35 Gotlich CF        ordentlich I frommē H Fromen I]

 

 

 

[Seite 124]

 zu schuetzen und die boesen zu straffen, Sondern wie gesagt ein lauter Gotts  zorn, rute und straffe uber die ungleubige welt. Und dasselbige werck, zu  morden und rauben, gefelt on das dem fleisch wol, das1 oben schwebe, ydermans  leib und gut unter sich werffe: Wie gar viel mehr mus es gefallen,  wenn ein gebot dazu kompt, als wolle es Gott so haben und gefalle yhm  wol. Daher sind auch die bey den Turcken fur die besten gehalten, so da  vleys thun das Turckissch reich zu mehren und ymer weiter umb sich rauben  und worden.

 

Und solch stueck mus auch folgen aus dem ersten stueck. Denn Christus  [Joh. 8, 44] spricht Johan .8. Das der teuffel sey ein luegener und moerder: Mit der luegen  toedtet er die seelen, Mit dem mord den leib. Wo er nu gewinnet mit der  luegen, da feyret und seuemet er nicht, Er folget mit dem mord hinnach. Also  da den Mahometh der luegen geist besessen und der Teuffel durch seinen Alkoran  die seelen ermordet, den Christenglauben verstoeret hatte, muste er wol fort  und auch das schwerd nemen und die leibe zu morden angreiffen. Und also  ist der Turckissche glaube nicht mit predigen und wunderwerck, sondern mit  dem schwerd und morden so weit komen, Und ist yhm warlich durch Gottes  zorn gelungen, Auff das (weil alle welt zum schwerd, rauben und mord lust  hat) ein mal einer keme, der yhr mordens und raubens gnug gebe.

 

Ja gemeiniglich alle Rottengeister, wenn sie der luegengeist besessen und  vom rechten glauben verfuret hat, haben sie es nicht lassen koennen, sie sind  nach der luegen auch zum mord komen und haben sich des [Bl. D ij] schwerds  unterwunden, als zum warzeichen das sie kinder weren des Vaters aller luegen  und mordes. Also lesen wir wie die Arrianer zu moerder worden, das auch  der grossesten Bisschoff einer zu Alexandria, Lucius2 genant, die recht gleubigen  aus der stad vertreib und trat yns schiff und hielt personlich3 ein blos schwerd  ynn der hand, bis die rechtgleubigen alle eingetretten waren und weg musten.  Und viel ander moerde begiengen sie, die zarten4 heiligen Bisschoffe, schon bereit  zu der zeit, welchs nu bey zwelff hundert iaren ist.

 

Jtem was fur moerder gewest sind zu S. Augustinus zeiten die Donatisten,  zeigt der selbige heilige Vater uberfluessig ynn seinen schrifften, welchs

 

 

[ 1 schutzen CF 2 vnglaubigē H 6 Tuercken CFI Türcken H 7 Tuerckisch CF Türckisch H Tuerckissch I 10 Das] Den̄ H 11 nu] nur G 13 do H 14 hette G 16 Tuerckissche CFI Türckische H 18 mordē H 19 yhr] jn G 21 rechtem I 24 am Rande: Arianer. I        wurdē G wůrden H 26 yns] in das G 28 Bischoue I 29 zwoelff H 30/31 am Rande: Donatisten. I]

 

 

 

[Seite 125]

 auch bey eilff hundert iaren ist1: So gar zeitlich huben die geistlichen an.  Das macht: sie waren wol mit namen und larven Bisschoffe unter den  Christen, Aber weil sie von der warheit gefallen, dem luegengeist unterthan  waren, musten sie vollend fort ynn seinem dienst und woelff und moerder  werden. Und was suchte Muntzer itzt zu unsern zeiten, denn das er ein  newer Turckisscher Keyser wolt werden? Er war vom luegen geist besessen,  darumb war da kein halten mehr, Er muste an das ander werck des Teuffels  auch, das schwerd nemen, morden und rauben wie der mordgeist yhn treib,  Und richt solch ein auffrur und iamer an.

 

Und was sol ich vom allerheiligisten Vater Bapst sagen? Jsts nicht  also, Sint das er mit seinen Bisschofen welt herrn worden und vom Euangelio  durch den luegengeist auff yhr eigen menschlich lere gefallen sind, das sie  eitel mord getrieben haben bis auff diese stunde? Lies die Historien von der  selbigen zeit an, So findestu, wie der Bepste und Bisschofe furnemest handel  gewest ist, Keiser, Koenige, Fursten, land und leute ynn ein ander zu hetzen,  dazu selbst auch kriegen und helffen morden und blut vergiessen. Warumb?  Darumb, das der luegengeist nicht anders thut, denn nach dem er seine iuenger  zu luegen lerer und verfurer gemacht hat, hat er nicht ruge, Er macht sie auch  zu moerdern, reubern und bluthunden. Denn wer hat yhn befolhen das  schwerd zu furen, kriegen, zu mord und krieg hetzen und reitzen, welche doch  des predigens und betens warten solten?

 

Man schilt mich und die meinen auffrurissch —Aber wenn hab ich  yhe nach dem schwerd getracht odder dazu gereitzt und nicht viel mehr fride  und gehorsam geleret und gehalten, ausgenomen das ich weltliche ordenliche  oeberkeit yhrs ampts, friden und gerechtigkeit zu handhaben unterricht  [Matth. 7, 16] und vermanet habe? An den fruechten solt man ia den baum kennen:  Jch und die meinen halten und leren friede, Der Bapst mit den seinen  kriegt, mordet, raubet nicht allein seine widderwertigen, sondern brennet, verdampt  und verfolget auch die unschuldigen, frumen, rechtgleubigen, als ein  rechter Endechrist. Denn er thut solchs sitzend ym tempel Gottes als ein

 

 

[ 2 und fehlt H        Bischoue I 5 Müntzer GH        am Rande: Muntzer. I 6 Tuerckisscher CFI Türckischer H 8 ouch CF        morde G 10 aller heyligsten H        am Rande: Bapstum. I 11 sein H        Bischouen I 14 die Bepste I        Bischoue I 15 Fuersten CFI Fürsten H 18 rhů H 19 und] vnd zů H 20 zu (2.) fehlt H 24 ordentliche I 25 jres amptes freyden vnd gerechtickeyt G 26 erkennē H 28 krieg G 29 fromen HI 30 sizend CF sitzen H]

 

 

 

[Seite 126]

 heubt der kirchen, welchs der Tuerck nicht thut. Aber wie der Bapst der  Endechrist, so ist der Tůrck der leibhafftige Teuffel. Widder alle beyde gehet  unser und der Christenheit gebet: Sie sollen auch hinuntern zur helle und  solt es gleich der iuengst tag thun1, welcher (ich [Bl. D iij] hoffe) nicht lange  sein wird.

 

Summa wie gesagt ist: Wo der luegengeist regirt, da ist der mordgeist  auch bey, Er kome zum werck odder werde verhindert. Wird er am werck  verhindert, so lacht, lobt und frewet er sich doch, wenn der mord geschicht,  und bewilligt zum wenigsten drein, Denn er helt, es sey recht. Aber frume  Christen frewen sich keins mordes, auch yhrer feinde unfalls nicht. Weil  denn nu des Mahometh Alkoran so ein grosser manchfeltiger luegen geist ist,  das er schier nichts lest bleiben der Christlichen warheit: wie solt es anders  folgen und ergehen, denn das er auch ein grosser mechtiger2 moerder wuerde  und alles beides unter dem schein der warheit und gerechtigkeit? Wie nu die  luegen verstoeret den geistlichen stand des glaubens und der warheit, Also verstoeret  der mord alle weltliche ordnung, so von Gott eingesetzt ist. Denn es  ist nicht mueglich, wo morden und rauben ynn ubung ist, das da ein feine  loebliche weltliche ordnung sey. Denn fur krieg und mord konnen sie des  friedes nicht achten noch gewarten, wie man bey den kriegern wol sihet,  darumb achten auch die Tuercken des bawens und pflantzens nicht gros.

 

Das dritte stuecke ist, das des Mahomeths Alkoran den ehestand nichts  acht, sondern yderman zu gibt weiber zu nemen wie viel er wil. Daher der  brauch ist bey den Tuercken, das ein man zehen, zwentzig weiber hat Und  widderumb verlest und verkeufft welche er wil und wenn er wil, das die  weiber aus der massen unwerd und veracht ynn der Tuerckey sind, werden  gekaufft und verkaufft wie das viehe. Ob nu villeicht etliche wenige solchs  freien gesetzs nicht brauchen, dennoch gilt und gehet solch gesetze frey, wer es  thun wil. Solch wesen ist aber kein ehe und kan kein ehe sein, weil keiner  ein weib der meynung nimpt odder hat, ewiglich3 bey yhr zu bleiben als ein  [1. Mose 2, 24] leib, wie Gotts wort spricht Gen̄. 3. ‘Der man wird an seinem weibe hangen  [Matth. 19, 5] und werden zwey ein leib sein’, Das der Tuercken ehe fast gleich sihet dem  zuechtigen leben, so kriegsknecht furen mit yhren freyen dirnen.4 Denn Tuercken

 

 

[ 3 hellen H 4 iungst CF Juengstag I 9 fromme H frome I 11 luegengeist CF luegengeyst H Luegengeist I 14 gerechtikeit G 15 den] vnd der I 16 eingesetz CF 18 komen G 21 stueck, das H 22 zu (2.) fehlt H 23 dem Tuercken G        zweyntzig G 26 gekaufft] kaufft H        viech H 29 kain weyb H]

 

 

 

[Seite 127]

 sind krieger: kriegissch mussen sie sich halten, Mars und Venus, sagen die  Poeten, wollen bey einander sein.1

 

Diese drey stuecke hab ich itzt wollen erzelen, welcher ich gewis bin aus  dem Alkoran der Tuercken. Denn was ich sonst auch gehoeret habe wil ich  nicht erfurbringen, weil ichs nicht kan gewis sein. Las nu2 unter den  Tuercken sein etlich Christen, Las sein yhr eigen munche, Las sein etliche  erbare leyen: Was kan aber ym regiment und gantzen Tuerckisschen wandel  und wesen guts sein, weil nach yhrem Alkoran diese drey stueck bey yhn frey  regiern, Nemlich Lugen, Mord, Unehe, Und yderman daneben Christliche warheit  schweigen mus, das sie solch drey stueck nicht straffen noch bessern thar,  sondern zusehen und (als ich sorge) zum wenigsten mit schweigen drein  bewilligen mus? Wie kan ein grewlicher, ferlicher, schrecklicher gefengnis sein,  denn unter solchem Regiment leben? Lugen verstoret (wie gesagt) geistlichen  stand, Mord verstoret weltlichen stand, Unehe verstoret ehestand. Nym nu  aus der welt weg veram Religionem, veram Politiam, veram oeconomiam  (Das ist recht geistlich wesen, recht weltlich Oberkeit, recht haus zucht): Was  bleibt uber ynn der welt denn eitel fleisch, welt und Teuffel, da [Bl. D iiij]  ein leben ist wie guter gesellen3 leben, so mit huren haus halten?

 

Das man aber sagt, wie die Turcken untereinander trew und freundlich  sind und die warheit zu sagen sich uleyssigen, das wil ich gerne gleuben Und  halt, das sie noch wol mehr guter feiner tugent an sich haben. Es ist kein  mensch so arg, Er hat etwas gutts an sich. Es hat zu weilen ein frey  weib4 solche gute art an sich als sonst kaum zehen ehrliche matronem5 haben.  So wil der Teuffel auch einen deckel haben und ein schoener Engel sein als  ein Engel des liechts6, darumb wendet er auch fur ettliche werck als werck  des liechts. Moerder und reuber sind viel getrewer und freundlicher untereinander  denn die nachbarn, ia auch wol mehr denn viel Christen. Denn wo  der Teuffel die drey stueck erhelt, Lugen, Mord, Unehe als die rechten wacken

 

 

[ 4 sogst CF 8 bey yhn fehlt H 11 dareyn G 13 verstoeret CFGHI 14 verstoeret (beidemal) CFGHI 19 Tuercken CFHI 21 tugendt H 22 fry H 22/23 Freiweib I 26 fruendtlicher H 27 nachtbarn H        Denn] Deß G]

 

 

 

[Seite 128]

 und werckstueck1 zum grund der hellen, mag er wol leyden, ia hilfft dazu, das  fleischliche lieb und trew als toestlich edelsteine (welche doch nichts denn stro  und hew sind) drauff gebawet werde. Er weis doch wol das fur dem fewer  zu letzt nicht bleibt. Gleich wie widderumb, wo da rechte glaub, recht Oberkeit,  recht Ehe ist, sperret er sich das wenig liebe und trew da scheine und  auch wenig erzeigt werde, auff das er den grund auch zu schanden und  veracht mache.

 

Und das noch wol mehr ist: Wenn die Tuercken an die schlacht gehen,  so ist yhr losung und geschrey kein ander wort denn ‘Alla, Alla’ und schreien,  das hymel und erden erschallet. Alla heist aber Gott auff yhr Arabissch  sprach2 aus dem verbrochen Ebreisschen Elloha.3 Denn sie haben ynn yhrem  Alkoran geleret, das sie ymer rhuemen sollen diese wort: ‘Es ist kein Gott  denn Gott’ welchs alles die rechten Teuffels griff4 sind. Denn was ists  gesagt ‘Es ist kein Gott denn Gott’ und sondert doch keinen Gott aus fur  andere? Der Teuffel ist auch ein Gott, den selbigen ehren sie auch mit  solcher stym, das ist kein zweifel, Gleich wie des Bapsts kriegsvolck růfft  ‘Ecclesia, Ecclesia’ —Ja freylich des Teuffels Ecclesia. Darumb gleub ich  auch das der Turcken Alla mehr ym kriege thut denn sie selbs: Er gibt yhn  mut und list, furet yhr schwerd und faust, Ros und man. Wie duenckt dich  nu umb das heilige volck, das Gott nennen kan ym streit, so es doch Christum  und alle Gottes wort und werck verstoeret, wie gehoert ist?

 

Zu der heiligkeit gehoert auch das er keine bilder leidet Und ist noch  heiliger denn unser bilden sturmer: Denn unser bilden stuermer leiden und  haben gerne bilder auff den gulden, grosschen, ringen und kleinoten, Aber der  Turck gar keine, Muentzet eitel buchstaben auff seine muentze. Er ist auch gar  Muentzerissch, Denn er rottet alle Oberkeit aus und leidet keine ordnung ynn  weltlichem stande (als Fuersten, Graven, Herrn, Adel und ander lehenleute)  sondern ist alleine herr uber alles ynn seinem lande, gibt nur solt von sich

 

 

[ 3 darauff G 4 rechter Glaub I 10 hayst G 11 dem] den G        Ebreische H        Elloah H 12 dise CF dyse H 13 ists] ist G 18 Tuercken CF Türcken H        kriegen I 25 Tuerck CFI        Türck H]

 

 

 

[Seite 129]

 und keine guter odder Oberkeit. Er ist auch Papistissch, Denn er gleubt durch  werck heilig und selig zu sein Und helts fur keine sunde Christum verstoeren,  Oberkeit verwuesten, die ehe vernichten, Welche drey stuck der Bapst auch treibt,  doch mit anderley weise, nemlich mit heucheley, wie der Turcke mit gewalt  und schwerd. Summa wie gesagt ist: Es ist die grundsuppe1 da aller grewel  und yrthum. [Bl. E1] Solchs wil ich dem ersten man, nemlich dem Christen  hauffen, haben angezeigt, auff das er wisse und sehe, was fur grosse not hie  ist zu beten, und das man zuvor muesse des Tuercken Alla, das ist seinen Gott,  den Teuffel, schlahen und also seine macht und Gottheit von yhm stossen,  sonst (hab ich sorge) wird das schwerd wenig ausrichten. Denn dieser man  sol nicht leiblich mit dem Turcken streiten, wie der Bapst und die seinen  leren, noch yhm mit der faust widder streben, sondern den Turcken erkennen  fur Gottes ruten und zorn, welche den Christen entwedder zu leyden ist, so  Gott yhre sunde heymsucht, odder allein mit busse, weinen und gebet widder  yhn fechten und veriagen muessen. Wer diesen rat verachtet, der verachte ymer  hyn: Jch wil zu sehen was er dem Turcken wolle abbrechen.2

 

Der ander man so3 widder den Turcken zu streiten gebuert, ist Keyser  Karol (odder wer der Keyser ist) Denn der Turcke greifft seine unterthanen  und sein Keyserthum an, welcher schuldig ist die seinen zuverteydingen als  eine ordenliche Oberkeit von Gott gesetzt. Jch bedinge hie aber mal, das ich  niemand reitzen noch heissen wil widder den Turcken zu streiten, es sey denn  das die erste weise zuvor gehalten werde, davon droben gesagt ist, das man  zuvor busse und Gott versune etc. Wil daruber yemand kriegen, der wage  sein ebentheur4 — Mir zymet nicht weiter zu reden, denn einem iglichen sein  ampt anzuzeigen und sein gewissen zu unterrichten. Jch sehe wol das sich  Koenige und Fuersten so leppissch und lessig stellen widder den Turcken, das  ich gleich eine grosse sorge habe, sie verachten Gott und den Turcken zu hoch  odder wissen villeicht nicht, wie ein mechtiger Herr der Turck ist, das yhm  kein Koenig odder land, Es sey welches es wolle, allein gnug sey widder zu  streben5, Es woelle denn Got wunderzeichen thun. Nu kan ich mich keines  wunderzeichens noch sonderlicher Gottes gnaden uber Deudsch land versehen,  wo man sich nicht bessert und das wort Gottes anders ehret, denn bisher  geschehen.

 

Wolan, davon ist gnug gesagt, Wer yhm wil lassen sagen. Wir  wollen nu vom Keyser reden Und Erstlich, so man widder den Turcken

 

 

[ 2 zu fehlt I 3 stueck CFHI 4 Tuercke CF Türcke H Tuerck I 6 yrrthumb H 13 entweder I 14 jr suend H        heymsuecht H 15 verachte] verachtet G 18 wer Keiser I        vntherthan G 19 Kayserthumb H 20 ordentliche I 28 Herrn F 29 welches] welch ABCDEFHI 30 wuelle F 35 Vnd fehlt I        Turckeu [so] ABCDE]

 

 

 

[Seite 130]

 kriegen wil, das man dasselbige thu unter des Keysers gebot, panir und  namen. Denn da kan ein iglicher sein gewissen sichern, das er gewislich ym  gehorsam Goettlicher ordnung gehet, weil wir wissen, das der Keyser unser  rechter Oberherr und heubt ist, Und wer yhm ynn solchem fal gehorsam ist,  der ist auch Gott gehorsam, Wer yhm aber ungehorsam ist, der ist Gott  auch ungehorsam. Stirbet er aber ym gehorsam, so stirbt er ynn gutem  stande und wo er sonst gebuesset hat und an Christum gleubt, so wird er  selig. Dis stůcke (acht ich) wird ein yeder besser wollen wissen denn ichs  leren kan, Und wolt Gott sie wuestens so wol, als sie sich lassen duencken,  Doch wollen wir auch weiter davon reden.

 

Zum andern: Solch panier des Keysers und gehorsam sol recht und  einfeltig sein, das der Keyser nichts anders sueche denn einfeltiglich das werck  und schuld seines Ampts, seine unterthanen zu schuetzen, Und die so unter  seinem panier sind auch suchen einfeltiglich das werck und schuld des gehorsams.  Diese [Bl. Eij] einfeltigkeit soltu also verstehen, das man nicht widder  den Turcken streite aus den ursachen, damit bisher die Keyser und Fuersten  zu streiten gereitzt sind, als das sie grosse ehre, rhum und gut gewinnen,  land mehren odder aus zorn und rachgyrigkeit und was der gleichen stueck sind.  Denn darynn wird eitel eigen nutz gesucht und nicht die gerechtigkeit odder  gehorsam, Darumb auch bisher kein glueck gewest ist bey uns, widder zu  streiten noch zu ratschlahen vom streit widder den Turcken.

 

Darumb sol man auch dis reitzen und hetzen lassen anstehen, da man  den Keiser und Fůrsten bisher gereitzt hat zum streit widder die Tuercken als  das heubt der Christenheit, als den beschirmer der kirchen und beschuetzer des  glaubens, das er solle des Tuercken glauben ausrotten, Und haben also das  reitzen und vermanung gegrundet auff der Tuercken bosheit und untugent.  Nicht also, Denn der keiser ist nicht das heubt der Christenheit noch beschirmer  des Euangelion odder des glaubens.1 Die kirche und der glaube muessen einen  andern schutzherrn haben denn der Keiser und Koenige sind, Sie sind gemeiniglich  [Ps. 2, 2] die ergesten feinde der Christenheit und des glaubens, Wie der .ij. Psalm  sagt und die kirche allenthalben klagt. Und mit solchem reitzen und vermanen  macht mans nur erger und erzuernet Gott deste mehr, die weil man damit  ynn sein ehre und werck greifft und wils den menschen zu eigen, welchs eine  abgoetterey und lesterung ist.

 

 

[ 1 panier FHI 5 ist auch Gott I 6 ym gůten H 8 stuecke F stueck HI 11 gerecht H 15 einfeltikeit G 16 der Kaiser H 18 rachgeyrigkeit ABCDE 19 die fehlt I 21 ratschlagen H 22 hertzen F 23 den Türcken HI 24/25 des Glauben I 25 soll FGH 28 Euangelij I        glauben FH 29 /30 gemeinglich G 30 Psal. FI 33 eygnen H]

 

 

 

[Seite 131]

 Auch wenn der Keiser solt die ungleubigen und unchristen vertilgen,  mueste er an dem Bapst, Bisschoffen und geistlichen anfahen, Villeicht auch  unser und sein selbs nicht verschonen, denn es greulich abgoetterey gnug ist  ynn seinem keiserthum, das nicht not ist derhalben die Tuercken zu bestreiten.  Es sind unter uns Tuercken, Juden, Heiden, unchristen alzu viel, beide mit  offentlicher falscher lere und mit ergerlichem schendlichem leben. Las den  Turcken gleuben und leben wie er wil, gleich wie man das Bapstum und  ander falsche Christen leben lest. Des Keisers schwerd hat nichts zuschaffen  mit dem glauben, Es gehoert ynn leibliche, weltliche sachen, Auff das nicht  Gott auff uns zornig werde, so wir seine ordnung verkeren und verwirren,  Er widderumb sich auch verkere und verwirre uns ynn allem ungluck, wie  [Ps. 18, 27] geschrieben stehet: Mit den verkereten verkerestu dich, wie wir denn auch  bis her am glueck (so wir widder den Turcken gehabt) wol spueren und greiffen  muegen, da man das hertzeleid und iamer hat angericht mit der Cruciata1,  mit ablas und Creutzgeben, Und also die Christen zum schwerd und streit  gehetzt widder die Turcken, welche doch mit dem wort und gebet solten streiten  widder den Teuffel und unglauben.

 

Sonder so solt man thun: Den Keiser und fuersten vermanen yhrs  ampts und schuldiger pflicht, das sie gedechten mit vleis und ernst yhre  unterthan ym fride und schutz hand zu haben widder den Turcken, Gott gebe  sie weren Christen fur sich selbs odder nicht, wie wol es fast gut were das  sie Christen weren. Aber weil das ungewis ist und bleibt ob sie Christen  sind, Gewis aber ist das sie Keiser und Fursten (das ist: das sie yhre unterthanen  zu schuetzen von Gott befelh haben und schuldig sind) sol man das  ungewisse faren lassen und des gewissen spielen2, mit uleissigem [Bl. Eiij]  predigen und vermanen sie treiben und yhr gewissen auffs hoehest beschweren,  wie sie Gotte schuldig sind yhre unterthan nicht so iemerlich lassen verderben,  Und wie sie grosse treffliche sunde thun, das sie yhr ampt hierynn nicht  bedencken und den ihenigen, so mit leib und gut unter yhrem schutz leben  sollen und mit eiden und hulden verbunden sind, nicht mit huelff und rat  erscheinen nach allem vermuegen.

 

Denn mich dunckt (so viel ich noch ynn unsern Reichstagen gespueret  habe) das widder Keiser noch Fursten selbs gleuben, das sie Keiser oder  fursten sind. Denn sie stellen sich ia eben also, als stuende es ynn yhrem

 

 

[ 2 Bischouen I 4 Kayserthumb H 7 Babstthum H 8 Des] Das H 10 so wir so wir H 11 vnglueck FI vngluecke H 14 moegē H        mueg den, man I 15 Creutzgehen I 24 beuelch H 25 vngewise H        gewisen H 26 yhre H jre I        hoechst H 33 wedder H]

 

 

 

[Seite 132]

 gutduencken und wolgefallen, ob sie yhre unterthan sollen retten und schuetzen  fur gewalt des Turcken odder nicht. Und die Fursten auch nichts sorgen  noch dencken, das sie fur Gott hoechlich schuldig und verpflichtet sind, mit leib  und gut dem keiser hierynn rethlich und huelfflich zu sein. Ein iglicher lests  dahin gehen und fahren, als gienge es yhn nichts an odder hette widder  gebot noch not die yhn dazu zwuenge, sonder als stuende es ynn seiner freyen  wilkoere, zuthun odder zu lassen. Gleich als itzt auch der gemein man:  denckt nicht das er Gott und der welt schuldig, so er einen geschickten son  hat, yhn ynn die schule zuthun und studirn zulassen. Sondern yderman  meinet, Er hab frey macht seinen son zu zihen nach seinem willen, Es bleibe  Gotts wort und ordnung wo sie wolle. Ja es thun die Ratherrn ynn  Stedten und fast alle oeberkeit auch also, Lassen die schulen zurgehen als  weren sie der selbigen frey und hettens ablas dazu. Niemand denckt das Gott  ernstlich gebeut und haben wil die geschickten kinder zu zihen zu seinem lob  und werck, welchs on die schulen nicht geschehen mag, Sondern zur weltlichen  narung ist yderman itzt iach und eyle1 mit seinen kindern, als duerffte Gott  und die Christenheit keiner Pfarherrn, Prediger, Seelsorger. Und die weltliche  Oberkeit keiner Cantzeler, keiner Rethe, keiner Schreiber mehr. Aber  davon ein ander mal: Die schreibfedder2 mus Keyserin bleiben odder Gott  wird uns ein anders sehen lassen.

 

Eben so thun Keyser, Koenige und Fuersten auch: Sie achtens nicht das  Gotts gebot sie noettiget yhre unterthanen zu schutzen, Es sol ynn yhrem  freyen wilkore stehen das sie es thun, wenn sie es der mal eins geluestet odder  gute weil dazu haben. Lieber, last uns alle so thun: Niemand sehe auff das  yhm befolhen ist und was yhm Gott zu thun gebeut und foddert, Sondern  alle unser thun und ampt last unsers freyen willens sein, so wird uns Gott  glueck und gnade geben, das wir beide hie zeitlich vom Turcken und dort vom  Teuffel ewiglich geplagt werden. So sol denn etwa von Rom ein unnuetzer  wesscher3 (ein Legat wolt ich sagen) komen und des Reichs Stende vermanen  und hetzen widder den Turcken mit anzeigen, wie der feind des Christlichen  glaubens so grossen schaden der Christenheit gethan habe, Der keiser als Vogt4  der kirchen und beschirmer des glaubens, solle dazu thun &c.. — gerade als

 

 

[ 1 gedunckē H 3 verpflichtig G 4 hierinen redlich I        hilflich H        lests] lest G 6 sondern I 7 wilkuere H 9 hat, ynn die ABCDEF hat in GI hate, ynn H 10 ziehen FH 11 woel G 12 stoetten H 13 gedenckt I 15 wetlichen H 16 eylet H 17/18 wettliche H 18 Kantzeler G 21 Koenig G 23 wilkoere FI wilkuer H 32 glaubens [so] ABCDE]

 

 

 

[Seite 133]

 weren sie selbs gar grosse freunde des Christlichen glaubens. Jch spreche aber  zu yhm: Sie haben dir dein mutter zum bier gefurt, du ammechtiger  plauderer, Denn damit richtestu nichts an, denn als solt der Keyser ein mal  ein gut Christlich ungeboten werck thun, das ynn seiner wilkore stehe, Und  ist sein gewissen damit nicht gerurt odder er seines notigen Ampts von Gott  befolhen erynnert, sondern seinem guten willen heimgestellet.

 

[Bl. Eiiij] Also solt aber ein Legat auffm Reichstage mit den Reichsstenden  handeln, Gotts gebot furhalten und eine unvermeydliche not draus  machen und sagen: “Lieben herrn, Keyser und Fuersten, Wolt yhr Keyser und  Fůrsten sein, so thut als Keyser und Fuersten oder der Turcke wirds euch  leren durch Gots zorn und ungnade. Deuedschland odder Keyserthum ist euch  von Gott gegeben und befolhen, das yhrs schutzen, regiern, raten und helffen  solt und nicht allein solt, sondern auch muesset bey verlierung ewer seelen  seligkeit und goettlicher hulden und gnaden. Nu aber sihet man wol das  ewer keinem ernst ist noch solchs gleubet, sondern yhr haltet ewer ampt fur  einen schertz und schimpff, gerade als were es eine mumerey fur1 fastnacht.  Denn da last yhr ewere unterthanen (so euch von Gott befolhen sind) vom  Turcken so iemerlich plagen, wegfuren, schenden, plundern, wuergen und verkeussen:  Meinet yhr nicht, weil euch Got solch ampt befolhen hat und dazu  gegeben gelt und volck, das yhrs wol thun und ausrichten koennet, Er werde  von ewern henden foddern alle ewer unterthanen, die yhr so schendlich verlassen,  und yhr die weil getantzt, gebrasset, gebranget und gespielet habt?  Denn wo yhrs mit ernst gleubtet das yhr von Got gesetzt und geordent  weret zu keyser und fuersten, yhr wurdet des bancketen und hadderns umb das  hohe sitzen und andere unnuetzer bracht eine weile lassen und trewlich ratschlahen,  wie yhr ewerm ampt und Gots gebot gnug thetet und ewer gewissen  errettet2 von alle dem blut und iamer ewer unterthanen, so der Turck an  yhn begehet. Denn wie kan Gott odder ein gottseliges hertz anders von euch  dencken, denn das yhr freylich ewern unterthanen feind seyd odder selbs mit  dem Turcken einen heymlichen bund habet odder yhe zum wenigsten euch selbs  widder fur Keyser noch fur Fuersten, sondern fur eitel tocken und Puppen3  haltet, da die kinder mit spielen? Es were sonst unmuglich das ewer gewissen  euch solte ruge lassen, wo yhr euch ernstlich fur Oberherrn von Gott gesetzt  hieltet, das yhr nicht ein mal anders denn bisher geschehen von solchen sachen

 

 

[ 1 Christenlichen H 2 onmaechtiger H 4 ungeboten fehlt I        wilkoere FI wilkuer H 5 noetigen FHI        Ampt H 8 daraus I 11 Kayserthumb H Keiserthumb I 12 schuetzen FHI 16 vor Faßnacht H 17 ewre FHI 20 gebē G        yhr FH 24 werdet FH wuerdet I        Pancketens H        haders G 25 vnnuetze H 25/26 ratschlagen H 26 theten G 28 hertzs H 30 einen] ein H 33 rhůe H        gesetz ABCDE]

 

 

 

[Seite 134]

 reden und ratschlahen soltet, Darynn yhr sehet das yhr selbs Tuercken werdet  on unterlas an ewern eigen unterhanen. Ja, nemet die weil fur euch des  Luthers sachen und handelt ins Teuffels namen, ob man fleisch ynn den fasten  essen und Nonnen menner nemen muegen und des gleichen, Davon euch nichts  ist befolhen zu handeln, noch Gott einig gebot euch dahin gegeben, Und  henget die weil ynn den rauch dis ernst gestrenge gebot Gottes, damit er euch  zu Schutzherrn uber das arme Deudsche land gesetzt hat, Und werdet die weil  an ewern eigen frumen, getrewen, gehorsamen unterthanen moerder, verrether  und bluthunde und lasset, ia werfft sie dem Turcken die weil ynn den rachen,  zu lohn das sie leib und gelt, gut und ehre bey euch setzen und euch  furstrecken.”

 

Ein guter Redener1 sihet hie wol, was ich gerne reden wolt, wenn ich  der redekunst gelert were, und was ein Legat auff dem Reichstage treiben  und austreichen solt, wenn er trewlich und redlich sein ampt wolt aus richten.

 

Darumb hab ich droben gesagt, Karolus odder der Keyser sol der man  sein widder den Turcken zustreiten Und unter seinem panier sol es gehen.  O solchs ist so leicht, das2 yderman lengst an den schu [Bl. F1] hen zu rissen  hat3 Und der Luther hie mit nichts newes leret, sondern eitel faul alt ding.  Ja lieber, der Keyser muste sich selbs werlich mit andern augen ansehen denn  bisher geschehen, Und du mustest sein panier auch mit andern augen ansehen.  Jch rede wol von dem selbigen Keyser und panier da du von redest, Aber du  redest von den augen nicht da ich von rede, Gotts gebot solt man ym panier  ansehen, das da spricht: Schuetze die frumen, Straffe die boesen. Sage mir:  Wie viel sind der, so solchs yns Keysers panier lesen koennen odder mit ernst  gleuben? Meinstu nicht yhr gewissen wurde sie erschrecken, wenn sie das  panier ansehen, als die sich hoechlich fur Gott schuldig erkennen muesten des  verseumeten schutzs und huelffe an yhren getrewen unterthanen? Lieber, Es ist  nicht schlecht seyden tuch, ein panier: Es stehen buchstaben dran, wer die lesen  wird, dem sol der kurtzel und das bancketieren wol vergehen.

 

Das mans aber bisher fur schlecht seyden tuch hab angesehen, beweiset  sich selbs ynn der that wol, Denn der Keyser hette es lengest auffgeworffen,  so hetten die Fuersten gefolget und were der Turck nicht so mechtig worden.  Aber da es die Fuersten mit dem maul des Keysers panier nenneten und doch  mit der faust ungehorsam waren und mit der that fur ein blos seiden tuch4  hielten, ists gegangen wie es itzt fur augen stehet. Und Gott gebe das wir

 

 

[ 3 ins] des ABCDEFGHI 7 Deudscheland I 8 frommen HI 9 die weil fehlt I 13 redkuenst G 19 werlichen H 20 must I 23 fromme HI 26 hoeflich G 27 schutz GI        hilffe H 28 Seidentuch I 30 Seidentuch I 34 Seidentuch I]

 

 

 

[Seite 135]

 nu hinfurt nicht allzu mal zu langsam1 komen, ich mit meinem vermanen  und die Herrn mit yhrem panier, und geschehe uns wie den kindern Jsrael,  [5. Mose 7, 1 f.] welche zu erst nicht wolten widder die Amoriter streiten, da es Gott gebot:  [Richt. 10, 11 ff.] Hinden nach da sie wolten wurden sie geschlagen, denn Gott wolte nicht bey  yhn sein. Noch es sol niemand verzweiffeln: Buessen und recht thun findet  allzeit gnade.

 

Darnach wenn Keyser und Fuersten das bedencken, das sie aus Gottes  gebot solchen schutz yhren unterthanen schuldig sind, sol man sie auch vermanen,  das sie nicht vermessen seyn und solchs fur nemen aus trotz oder sich  verlassen auff eigene macht odder anschlege, als man viel toller Fuersten findet  die da sagen: ‘Jch habs recht und fug, Darumb wil ichs thun’, faren einhin  mit stoltz und pochen auff yhre macht, gewinnen aber auch zu letzt das  krawen ym nacken.2 Denn wo sie yhre macht nicht fuleten, wurde sie das  recht wol wenig gnug bewegen, wie sichs beweiset ynn andern sachen, da sie  das recht nicht achten. Darumb ists nicht gnug das du wissest, Gott hab dir  dis odder das zu thun befolhen — Du solts auch mit furcht und demut thun.  Denn Gott befilhet noch gebeut niemand etwas aus eigenem rat odder krafft  zuthun, Sondern er wil auch mit ym spiel sein und gefurchtet sein, Ja er  wils durch uns thun und drumb gebeten sein, auff das wir nicht uns vermessen  [Ps. 147, 41] und seiner huelffe vergessen, wie der Psalter sagt: Der Herr hat  gefallen an denen die yhn furchten und auff seine guete warten. Sonst solten  wir uns wol lassen duncken, wir kundtens thun und durfften Gottes huelffe  nicht und nemen uns des siegs und der ehren an, die yhm doch alleine geburt.

 

Darumb sol ein Keyser odder Fuerst den Vers ym Psalter wol lernen  [Ps. 44, 7 f.] Psalm .44: ‘Jch verlas mich auff meinen bogen nicht und mein schwerd hilfft  mir ni[Bl. Fij] cht, Sondern du hilffest uns von unsern feinden und machst  zu schanden die uns hassen’ Und was der selbige gantze Psalm mehr sagt Und  [Ps. 60, 12 ff.] Psalm .lx. ‘Herr Gott du zeucht nicht aus auff unser heer? Schaffe uns  beystand ynn der not, Denn menschen huelffe ist kein nuetze. Mit Gott wollen  wir thatten thun, Er wird unser feinde untertreten’ etc. Solche und der  gleichen spruche haben muessen war machen gar viel Koenige und grosse Fuersten  von anfang bis auff diesen tag mit yhren eigenen Exempeln, die doch fur sich  hatten Gottes gebot, fug und recht. Derhalben las yhm Keyser und Fuersten  [Nicht. 20, 21. 25] auch kein schertz sein. Hieher lies das trefflich Exempel Judic .xx. das die  kinder Jsrael zweymal von den BenJamitern geschlagen wurden, ungeacht  das sie Gott hies streiten und das aller beste recht hatten. Aber yhr trotzen

 

 

[ 2 von Jsrael I 8 vnterthan H        man auch H 9 seien I        oder] odder F 13 fueleten FI fueleten H 15 ists] ist G 16 forcht GH 17 befielet I 19 darumb I 20 hilffe H        sagt, Psalm. 47. Der I 21 und] die I        warten] hoffen I 22 koentens H kuendens I        doerfften H duerfften I        hilff H 29 nuetzs H 32 anfange F 34 treffenlich G 36 yhr] zu I]

 

 

 

[Seite 136]

 [Nicht. 20, 22] und vermessen stortzt sie, wie der Text daselbst sagt: Fidentes fortitudine et  numero. War ists: Ros, Man, Wassen und alles so zum streit not ist sol  man haben, so es zu bekomen ist, auff das man Gott nicht versuche. Aber  wenn mans hat, sol man nicht drauff trotzen, auff das man Gotts nicht  [1. Makk. 3, 19] vergesse odder verachte, Denn es stehet geschrieben: Aller sieg kompt von hymel.

 

Wenn diese zwey stuecke da sind, Gots gebot und unser demut, so hats  keine fahr noch not, so fern es den andern man, den Keiser, betrifft: so sind  wir denn aller welt starck gnug und mus glueck und heil da sein. Jst aber  nicht glueck da, so mangelt es gewislich an der beiden einem, das man entweder  nicht als aus gehorsam Gottlichs gebots odder aus vermessenheit kriegt,  odder der erste kriegsman, der Christen, ist nicht dabey mit seim gebet. Und  hie ist nicht not zuvermanen, das man nicht ehre noch ausbeute1 suche ym  streit, denn wer mit demut und ym gehorsam gottlichs befelhs streitet und  allein seinem ampt nach einfeltiglich schutz und schirm seiner unterthan  meinet, der wird der ehre und ausbeute1 wol vergessen. Ja sie wird yhm  ungesucht reichlicher und herrlicher komen, denn ers wuendschen mag.

 

Hie wird yemand sagen: Wo wil man solch frum kriegsleute finden,  die solchs halten werden? Antwort: Es wird das Euangelion aller welt  gepredigt und gleuben doch gar wenig, Noch gleubt und bleibt gleichwol die  Christenheit. Also schreibe ich auch diese unterricht nicht der hoffnung, das  sie bey allen solt angenomen werden, Ja das mehrer teil sol mein dazu  lachen und spotten. Es ist mir gnug, wo ich etliche Fuersten und unterthan  kundte mit diesem buch recht unterrichten, ob sie gleich der wenigste hauffe  sind (da ligt mir nicht macht an) Es solte dennoch sieg und glueck gnug da  sein. Und wolt Gott das ich nur den Keiser odder den, so ynn seinem  namen und befelh kriegen solt, hette hie mit zugericht, Jch wolt grosser hoffnung  sein. Es ist wol mehr mal geschehen, Ja es geschicht gemeiniglich, das  Gott durch einen eintzelen man eim gantzen land und koenigreich glueck und  heil gibt, gleich wie auch widderumb durch einen buben zu hofe ein gantz  land ynn allen unrat und iamer bringt, wie Salomon spricht ym Ecclesiast:  [Pred. 9, 18] ‘Ein eintzeler bube thut grossen schaden’.

 

[2. Kön. 5, 1] Also lesen wir von Naeman, dem haubtman des Koeniges zu Syrien,  das Gott dem gantzen lande durch den selbigen man glueck und heil gab .4.  [1. Mose 39, 3] [Bl. Fiij] Reg .5. Also gab er durch den heiligen Joseph gros glueck dem konigreich  ynn Egypten Und .4. Reg .3. Spricht Eliseus zu Joram, dem Koenige

 

 

[ 1 stuertzt GI        daselbs G 5 sige H 13 befelchs H befehls I 14 seiner] seine G 16 wuenschen G 17 from H frome I 21 mehrerteil I 23 koente H kuendte I 26 befelch H        groesser F 33/34 gab. Also .4. (.iiij. FH) Reg. 5. (.v. FH) gab ABCDEFGH 34/35 konigreich] Koenig I]

 

 

 

[Seite 137]

 [2. Kön. 3, 14] Jsrael: ‘Jch wolt dich nicht ansehen, wo Jossaphat der konig Juda nicht da  were’ Und muste also zum selbigen mal den gottlosen koenigen Jsrael und  Edom geholffen werden umb des einigen frumen mans willen, die sonst ynn  aller not vertorben weren. Und ym Buch der Richter kan man wol sehen,  was Gott guts thet durch Ehud, Gedeon, Dibora, Samson und der gleichen  eintzele personen, ob wol das volck solchs nicht werd war, Widderumb was  [1. Sam. 22, 18] grossen schadens thet der Doeg, so zu des koeniges Saul hofe war .1. Regum .22.  Was richtet Absalom an widder seinen vater David mit hulffe und rat  [2. Sam. 15, 1 ff.] Ahitophels .2. Reg .15.

 

Dis rede ich darumb, das uns nicht solle schrecken noch ichtes1 bewegen,  ob der groesser hauffe ungleubig odder unschristlicher meynung unter des Keisers  panier stritte. Man mus auch widderumb dencken das ein eintzeler Abraham  [1. Mose 14, 14; 17, 4] gar viel vermag Gen .14. und .17. So ist auch das gewis, das unter den  Tuercken als des Teuffels heer keiner nicht2 ist, der Christen sey oder demuetiges  [1. Sam. 14, 6] und richtiges hertz habe. 1. Reg .14. sprach der frume Jonathan: ‘Es ist Gotte  nicht schwere den sieg geben durch viele odder durch wenige’ Und thet selb  ander eine grosse schlacht an den Philistern, die Saul mit dem gantzen heer  nicht vermocht. Darumb ligt nicht dran, ob der hauffe nicht gut ist, Wenn  nur das heubt und der furnemesten etliche rechtschaffen sind, Wie wol es gut  were, das sie allesampt rechtschaffen weren — Aber das ist nicht wol mueglich.

 

Weiter hoere ich sagen, das man findet ynn deudschen landen, so des  Tuercken zukunfft und seines regimentes begeren3, als die lieber unter dem  Tuercken denn unter dem Keiser odder fuersten sein wollen. Mit solchen leuten  solt boese streiten sein widder den Tuercken. Widder diese weis ich nicht bessern  rat, denn das man die Pfarher und prediger vermane, das sie mit vleis  anhalten auff der Cantzel Und solche leute trewlich unterrichten, yhr fahr und  untugent ausstreichen4, wie gar trefflicher unzelicher sunden sie sich teilhafftig  machen und sich fur Gott beladen, wo sie ynn der meynung erfunden werden.  Denn es ist iamers gnug, Wer den Tuercken zum oeberherrn leiden mus und  sein regiment tragen. Aber williglich sich drunter geben odder desselbigen

 

 

[ 1/2 Jsrael, So war der HERR Zebaoth lebt, fur dem ich stehe, Wenn ich nicht Josaphat den Koenig Juda ansehe, Jch wolt dich nicht ansehen noch achten. Vnd I 3 fromen HI 5 Gedeo I        Debora H 8 hilffe I 12 streytte H 15 fromme H frome I        Gotte] dem HERRN I 16 den bis wenige] durch viel oder wenig helffen I        vil H 19 rechtgeschaffen G rechtgschaffen H 20 rechtgschaffen GH 21 Deudschenlanden I 22 regiments FHI 24 solts I 29 Oberhyrrrn F Oberherrn I 30 darunter H]

 

 

 

[Seite 138]

 begeren, so ers nicht bedarff noch gezwungen wird, dem sol man anzeigen,  was er fur sunde thut und wie grewlich er anleufft.

 

Zum ersten das solche leute trewlos und meyneidig werden an yhrer  Oberkeit, den sie geschworen und gehuldet haben, welchs fur Got eine grosse  [Jer. 21, 7] sunde ist die nicht ungestrafft bleibt. Denn solchs meyneides halben muste  auch der gute Koenig Zedekias iemerlich umbkomen, das er den eyd dem Heidnisschen  Keyser zu Babylon gethan nicht hielt. Es meinen villeicht solche leute  odder lassen sich důncken, Es sey ynn yhrer macht und wilkore, von einem  herrn zum andern sich begeben, faren also daher, als weren sie frey hierynn  zu thun und zu lassen, was sie wollen, vergessen und bedencken nicht Gottes  gebot und yhren eyd, damit sie bestrickt und schuldig sind gehorsam zu bleiben,  bis sie mit gewalt davon gedrungen odder druber getoedtet werden, gleich wie  die Baurn [Bl. Fiiij] ym nehesten auffrur1 auch fuernamen und wurden druber  geschlagen. Denn gleich, wie einer sich selbs nicht erwurgen sol sondern  leiden, ob er mit gewalt durch ander erwůrget wird: Also sol niemand sich  selbs aus dem gehorsam und eyde wenden, Er werde denn durch andere entweder  mit gewalt odder mit gunst und urlaub2 eraus bracht.

 

Solchs mussen die Prediger bey solchen leuten mit vleys und wol  treiben, wie sie denn solchs zu thun yhr predigampt zwinget, Darynn sie  schuldig sind, yhre Pfarkinder3 zu warnen und bewaren fur sunde und  schaden der Seelen. Denn wer sich williglich von seinem herrn abwendet  und zum Turcken begibt, der kan doch nymer mehr unter dem Turcken bleiben  mit gutem gewissen, sondern sein hertz wird yhm allezeit sagen und straffen  also: Sihe du bist an deinem Oberherrn trewlos worden und hast yhm den  schuldigen gehorsam entwand und yhn seines rechts und Oberkeit an dir  beraubt. Nu kan kein sunde vergeben werden, das gestolene gut mus widder  gegeben seyn: Wie wiltu aber deinem herrn widder geben, wenn du unter  dem Turcken bist und kansts nicht widder geben? So wird denn gehen  mussen der beyder eins: das du dich ewiglich muhen und erbeiten must, wie  du widder vom Turcken zu deinem Oberherrn komest, odder must ewiglich  rew, leide und unruge haben ynn deinem gewissen (Gott gebe das nicht verzweiffeln  und ewiges sterben folge) das du dich unter den Turcken an not  williglich gegeben widder deinen eyd und pflicht. Und must also mit dem  leibe dort seyn, Aber mit dem hertzen und gewissen dich heruber sehnen.  Was hastu denn gewunnen? Warumb bleibstu nicht vorhin heruben?

 

 

[ 3 meynedig ABCDEF 5 mueste F        můste H 6 Zedechias G        vmb kummen H 8 wilkuer H wilkoere I 12 gleich fehlt H 13 Bawern I 17 heraus GI 18 muessen FI muessenn H 19 yhrer H 25 yhn] yhm ABCDEF jhm G ym H jm I 29 muessen F müssen H        muehen FI mueen H 31 vnrhů H 31/32 verzweiueln I 32 on H 35 gewonnen I        bleistu [so] ABCDE bleibestu I        herüber H]

 

 

 

[Seite 139]

 Zum Andern das solche trewlose, abtrunnige, meyneidige leute uber das  alles noch viel grewlicher sunde thun, nemlich das sie sich teilhafftig machen  aller grewel und bossheit der Turcken. Denn wer sich williglich unter die  Turcken gibt, der macht sich yhr geselle und mitgenossen1 alle yhrer thaten.  Nu haben wir droben gehoert was der Turck fur ein man sey, nemlich ein  verstorer, feind und lesterer unsers herrn Jhesu Christi Und an stat des  Euangelion und glaubens seinen schendlichen Mahometh und alle lugen auffricht,  Dazu alle weltliche Oberkeit und hauszucht2 odder ehestand verwuestet  Und sein kriegen nichts anders, denn Mord und blut vergiessen ist als eins  rechten Teuffels gezeug.3 Sihe solcher schrecklicher grewel mus der teilhafftig  seyn, wer sich selbs zum Turcken gesellet und wird alle der Mord und alle  das blut, so der Turcke yhe vergossen hat, auch alle die lugen und untugent,  damit er Christus Reich verstoret und die seelen verfurt, auff seinen kopff  komen. Es ist iamers gnug, Wenn yemand mit gewalt und unwillen mus  unter solchem bluthunde und Teuffel seyn, seine grewel sehen und hoeren, wie  [2. Petri 2, 7] der frume Lot zu Sodom thun und sich leiden muste, als S. Petrus schreibt,  Jst nicht not, solchs williglich zu suchen odder begeren.

 

Ja wie viel lieber solt einer zweymal als ein gehorsamer unter seinem  Oberherrn ym Kriege sterben, denn das er mueste wie ein armer Lot unter  solche Sodom und Gomorren mit gewalt bracht werden, schweige denn das  eim frumen menschen gelues- [Bl. G 1] ten solt, sich williglich drein zu geben,  dazu mit ungehorsam und widder Gottes gebot und eigen pflicht. Das hiesse  sich nicht alleine teilhafftig machen aller des Turcken und Teuffels bossheit,  sondern die selbigen auch stercken und foddern4, gleich wie Judas nicht allein  der Juden bossheit widder Christum teilhafftig sich machet, sondern auch  stercket und halff, Pilatus aber nicht so ubel handelt als Judas, wie Christtus  [Joh. 19, 11] zeuget Johan. xvij.

 

Zum Dritten Jst auch das solchen leuten einzubilden durch die Prediger:  Wenn sie sich schon unter den Turcken geben, so haben sie es damit auch fur  sich selbs nichts gebessert Und wird yhn gar weit feylen yhr hoffnung und  anschlege. Denn es ist des Turcken weise, das er alle so etwas sind odder  haben nicht lest bleiben, da sie wonen, sondern setzt sie weit enhindern5 ynn  ein ander land, da sie verkaufft werden und dienen muessen, Und gehet yhn  denn nach dem sprich wort: ‘Lauff aus dem regen und fall yns wasser’ Und:

 

 

[ 1 abtruennige FI abtrünnige H 6 verstoerer FHI 7 Euangelij I        vnd vnglaubens H        luegen FHI 7/8 auffgericht H 12 luegen FHI 13 verstoeret FHI 16 fromme H frome I        S.] Sant F Sāct H 21 frommen H fromen I        sich fehlt I darein G 24 fordern I 30 feelen H 32 enhynder G 34 Sprichwort I]

 

 

 

[Seite 140]

 ‘heb einen teller auff und zubrich eine schussel’, das aus ubel erger wird.1  Und geschicht auch kaum recht2, Denn der Turck ist ein rechter Kriegsman,  der wol anders weis mit land und leuten umbzugehen, beyde zu gewinnen  und zu behalten, denn unser Keyser, Koenige und Fuersten. Er trawet und  gleubt nicht solchen abtrunnigen leuten Und hat den nach druck, das ers thun  kan und darff nicht also der leute wie unser Fuersten. Solchs sage ich muessen  die Prediger und Pfarher bey solchen abtrunnisschen leuten thun mit vleissigem  vermanen und abschrecken, Denn es ist auch die warheit und not. Finden  sich daruber, die solchs vermanen verachten und dis alles sich nichts lassen  bewegen: Wolan die las ymer hin faren zum Teuffel, wie S. Paulus die  Griechen und S. Petrus die Jueden lassen muesten, Es sol drumb die andern  nichts erschrecken. Ja ich wolt, wenns zum streit keme, das solcher keiner  unter des Keysers panier were odder bliebe, sondern alle sampt schon bey dem  Turcken weren: Sie wurden deste ehe geschlagen und solten dem Turcken ym  streit schedlicher denn nůtzer3 seyn, als die beide ynn Gottes, Teuffels und  der welt ungnaden sind und als die zur Hellen gewislich verurteylet. Denn  widder solche boese leute ist gut streiten, die so oeffentlich und gewis verdampt  sind von Gott und der welt. Man findet manchen muesten verzweifelten boesen  menschen, Aber was etwas vernunfft hat wird sich on zweiffel an solche vermanung  wol keren und sich bewegen lassen, unter dem gehorsam zu bleiben  und yhre Seele nicht so frech ynn die Helle zum Teuffel schlahen, sondern  viel lieber unter yhrem Oberherrn mit allem vermuegen streiten und sich druber  von den Turcken erwuergen lassen.

 

So sprichstu abermal: Jst doch der Bapst wol so boese als der Turcke,  Welchen du auch selbst den Endechrist schiltest mit seinen geistlichen und anhengern,  So ist widderumb der Turcke wol so frum als der Bapst, Denn er  bekennet ia die vier Euangelia und Mosen sampt den Propheten. Solt man  denn widder den turcken streiten, so must man eben so wol odder viel mehr  widder den Bapst streiten etc. Antwort: Jch kans nicht leucken, Der Turcke  helt die vier Euangelia fuer goettlich und recht so wol als die Propheten,  Rhuemet auch Christum und seine mutter fast4, Aber er gleubt gleich wol,

 

 

 

[ 1 einen schüssel H 2 geschicht jnen I 3 wayß G        gwinnen F 5 abtruennigen FI abtrünnigen H 7 abtruennisschen FI abtruennischē H 10 Sanct H 16 als zůr H 18 verzweiuelten I 19 hate H        zweiuel I        on solche H 21 nicht] nit nicht G 22 vermoegen HI        darüber HI 24 sprichst du H 26 from HI 29 leugnen I        Tnrcke ABCDE]

 

 

 

[Seite 141]

 das sein Maho-[Bl. Gij] meth uber Christum sey und das Christus kein Gott  sey, wie droben gesagt ist. Gleich aber wie wir Christen das Alte Testament  auch fůr Goettliche schrifft erkennen, Aber doch nu es erfuellet ist und wie  [Apg. 15, 10 f.] S. Petrus sagt Act. 15. on Gottes gnade zu schweer ist, wirds durchs Euangelion  auffgehaben, das uns nicht mehr bindet: Eben dem nach thut der  Mahometh mit dem Euangelio, gibt fur es sey auch wol recht, Aber es habe  lengest ausgedienet1, sey auch zu schweer zu halten, nemlich ynn den stuecken  da Christus leret, das man alles verlassen sol umb seinen willen und Gott  lieben aus gantzem hertzen und der gleichen. Darumb habe Gott ein ander  new gesetz muessen geben, das nicht so schweer sey und die welt muege halten,  Und das selbige gesetz sey der Alkoran.2 Wenn aber yemand fragt, warumb  er kein wunderzeichen thu zu bestettigen solch new gesetz, spricht er, Es sey  nicht not und umbsonst, Denn es haben doch die leute vorhin viel wunderzeichen  gehabt, da Moses gesetze und das Euangelion auffgieng, und gleubten  doch nicht. Darumb muesse sein Alkoran nicht durch vergebliche wunderzeichen  bestettiget werden, sondern mit dem schwerd, welchs bas nach drucket denn die  wunderzeichen.3 Und ist also auch gangen und gehet noch also, das bey den  Turcken an stat der wunderzeichen das Schwerd alle ding ausrichtet.

 

Widderumb ist der Bapst nicht viel frumer und sihet dem Mahometh  aus der massen ehnlich, denn er lobet auch mit dem munde die Euangelia  und gantze heilige schrifft, Aber er helt, das viel stueck drynnen und eben die  selbigen, so die Turcken und der Mahometh zu schweer und ummueglich achten,  [Matth. 5, 20 ff.] als die Matth. 5., darumb deutet er sie und machet Consilia draus, das ist  rethe, die niemand zu halten schuldig sey, on welche es geluestet, wie denn solchs  unverschampt Paris sampt andern hohen Schulen, Stifften und kloestern bisher

 

 

[ 4 Sanct H 6 Euāgelion H 7 schwe||re H 10 moeg H 12 gesetzs H 19 Mahemeth I 20 aus der nasen I 22 Mahemeth I        vnmuglich F vnmueglich GHI 23 Matthei H 24 rethe] Recht I]

 

 

 

[Seite 142]

 geleret. Darumb regieret er auch nicht mit dem Euangelio odder Gottes  wort, sondern hat auch ein new gesetz und einen Alkoran gemacht nemlich  sein Decretal, Und treibt dasselbige mit dem Bann, gleich wie der Turcke  seinen Alkoran mit dem Schwerd. Er heist auch denn Bann sein geistlich  [Eph. 6, 17] schwerd, welchs doch allein das Gottes wort ist und heissen sol, Ephe. 6.  Nicht deste weniger wo er kan braucht er auch des weltlichen schwerds odder  rufft yhe zum wenigsten dasselbige an und hetzt und reitzt andere dazu. Und  bin des guter zuversicht: Wo der Bapst das weltliche schwerd so mechtig  kuendte fueren als der Turcke, Es solt an gutem willen villeicht weniger denn  bey dem Turcken mangeln, wie sie denn offt versucht haben.

 

Und Gott druckt auch auff sie alle beyde mit gleicher plage und schlegt  [Röm. 1, 24] sie mit blindheit, das yhn gehet wie S. Paulus Rom. 1. sagt von dem schendlichen  laster der stummen sunden, das sie Gott ynn verkereten synn dahyn  gibt, weil sie Gottes wort verkeren. Denn so blind und unsynnig ist beide  Bapstum und Tuercke, das sie beyde die stummen sunde unverschampt treiben  als ein ehrlich loblich ding. Und die weil sie den Ehestand nicht achten,  geschicht yhn recht das eitel hunde hochzeit1, Und wolt Gott das [Bl. Giij] eitel  hunde hochzeit weren — Ja eitel Welsche hochzeit2 und florentzische breute bey  yhn sind, Lassen sich dazu duncken, es sey wolgethan. Denn ich grewlich uber  grewlich ding hoere, welch ein oeffentliche herrliche Sodoma die Tuerckey sey, So  weis ia ein iglicher wol, wer zu Rom und ynn Welschen landen sich ein  wenig umbgesehen hat, mit waserley zorn und plage daselbst Gott die verbotten  ehe rechent und straffet, das man Sodom und Gomorra, so vorzeiten  mit feur und schwefel versenckt sind, ein lauter schertz und furspiel3 mus seyn  lassen gegen diese grewel, das mir auch dieses stucks halben des Tuercken  regiment gar hertzlich leyd, ia gar unleydlich sein solt ynn deudschen landen.

 

Was sollen wir denn nu thun? sollen wir widder das Bapstum auch  triegen so wol als widder Tuercken, weil einer so frum ist als der ander?  Antwort: Einem wie dem andern, so geschicht niemand unrecht4, Denn gleiche  sunde sol gleiche straffe haben. Das meine ich also: Wo der Bapst sampt  den seinen auch mit dem schwerd da Keyserthumb angreiffen wolte wie der  Tuercke thut, so sol er so gut sein als der Tuercke, wie yhm denn newlich fur  Pavia5 auch geschehen ist von keyser Carls heer. Denn da stehet Gottes

 

 

 

[ 2 gesetzs H 9 koendt H        an guten I 10 versuecht H 12 das] das es H        S.] Sant F Sanct H 15 Babsthumb H 16 eherlich H 17 das sie eitel Hunde hochzeit haben I        hunds H 18 hund H 20 welch] wie H 21 Welschenlanden I 22 daselb F 23 richet H        Sodam H 24 schweuel I 26 Deudschenlanden I        land H 27 Babsthumb H 28 frumb G from HI 29 niemend F 31 Keiserthumb I]

 

 

 

[Seite 143]

 [Matth. 26, 52] urteil: ‘Wer das schwerd nympt sol durchs Schwerd umkomen’. Denn ich  widder den Tuercken odder Bapst nicht rate zu streiten seines falschen glaubens  und lebens halben, sondern seines mordens und verstorens halben. Aber das  beste am Bapstum ist, das es das Schwerd noch nicht hat wie der Tuercke,  sonst wurde er sich gewislich auch unterstehen alle welt unter sich zu bringen  Und brechte sie doch nirgent hin denn zu seines Alkorans (das ist seiner  Decretalen1) glauben. Denn das Euangelion odder Christlichen glauben acht  und kennet er ia so wenig als der Tuercke, wiewol er auch mit fasten (die er  doch selbst nicht helt) eine grosse Tuerckissche heiligkeit furgibt, und sind also  des rhumes wol werd, das sie dennoch dem Tuercken gleich sind, ob sie wol  Christo widder sind etc.

 

Aber widder das Bapstum, seines yrthumbs und boesen wesens halben,  ist der Erste man herr Christianus auffgewacht und greifft yhn mit dem  gebet und Gottes wort frisch an, hat auch getroffen, das sie es fulen und  [Matth. 3, 10] wueten. Aber es hilfft sie kein wueten, die axt ist an den baum gelegt, der  baum mus ausgewurtzelt werden, wo sie nicht ander frucht bringen, als ich  denn wol sehe, das sie gar nichts sich gedencken zu bessern, sondern yhe lenger  yhe halstarriger werden und wollen mit dem kopff hyndurch Und rhuemen:  ‘Drein odder druber, Bisschoff oder Bader’.2 Und halt sie wol so frum, ehe  sie sich besserten odder von yhrem schendlichen wesen abliessen (das sie doch  selbs und alle welt bekennen, das nicht taug noch leidlich ist) sie begeben sich  ehe zu yhrem gesellen und bruder, dem heiligen Tuercken. Wolan unser hymlisscher  Vater erhoere auch yhr eigen gebet balde, das (wie sie sagen) Drein  odder druber, Bisschoff odder Bader werden, Amen. Sie wollens so haben:  Amen, das geschehe und werde war, wie es Gotte wolgefellet.

 

Weiter sprichstu: Wie kan der Keyser Carol zu dieser zeit widder den  Tuercken streiten, weil er solch grosse hindernis und verretherey widder sich hat  [Bl. G iiij] Von Koenigen, Fuersten, Venedigern und schier von yederman? Antwort:  Was man nicht heben kan sol man liggen lassen3: koennen wir nicht  weiter, so můssen wir unsern herrn Jhesum Christ durch seine zukunfft lassen  raten und helffen, welcher doch nicht ferne sein kan. Denn die welt ist ans  ende komen, Das Romisch reich ist fast dahin und zu rissen und stehet gleich  wie der Juden Koenigreich stund: Da Christus geburt nahe komen war4,

 

 

[ 1 vmb kumen H vmbkomen I 3 verstoerens FHI 4 Babsthumb H Bapstumb I 5 gewislch [so] ABCDE 6 seiner fehlt H 9 heilickeit G 12 Babstumb H Bapstumb I 15 wueten FGI wůten H 16 fruecht H 19 frumb G fromm H from I 25 wolgefellet, Amen. I 28/29 Antwortet ABCDEFI 29 nit (1.) H        ligen GHI 32 Roemischreich I 33 nahen H]

 

 

 

[Seite 144]

 hatten die Jueden schier nichts mehr von yhrem Koenigreich, Herodes war die  letze. Also duckt mich itzt auch, weil das Roemissch Keyserthum fast dahin  ist, sey Christus zukunfft fur der thuer Und der Turck sey solchs reichs die  letze als eine ubergabe1 nach dem Roemisschen Keyserthum. Und gleich wie  Herodes und die Jueden aneinander2 feind waren und doch widder Christum  zu samen hielten, Also sind Tuercke und Bapstum auch untereinander feind Und  halten doch widder Christum und sein reich zu samen.

 

Doch was der Keyser thun kan fur die seinen widder den Tuercken, das  sol er thun, auff das, ob er nicht gantz solchem grewel steuren kan, doch so  viel es mueglich ist mit weren und auffhalten sich vleyssige, seine unterthanen  zu schutzen und retten. Zu welchem schutz solt den Keyser nicht allein bewegen  seine schuldige pflicht, Ampt und Gottes gebot, Nicht allein das unchristlich  und wuest Regiment, das der Tuerck ynn die land bringet (davon droben gesagt  ist) sondern auch der iamer und das elend, so den unterthanen geschicht.  Welchs on zweiffel sie wol besser wissen denn ich, wie der Tuercke grausamlich  handelt mit denen, so er gefangen weg furet, gleich wie mit eym viehe:  schleifft, schleppt, treibt, was fort kan, was aber nicht fort kan, flugs erstochen,  es sey iung odder alt etc. Welchs alles und der gleichen billich solt alle  Fuersten und das gantze reich zur barmhertzigkeit bewegen, das sie yhr eigen  sachen und hadder eine weil vergessen odder liegen lassen Und hie mit gantzem  ernst eintrechtiglich den elenden hoelffen, das nicht vollend gehe wie es mit  Constantinopel3 und Kriechen land4 gieng, Welche auch so lange miteinander  hadderten und yhrer sachen warteten, bis der Tuercke sie alle miteinander uber  weldiget, wie er denn schon auch uns eben ynn gleicher sachen fast nahe komen  ist. Sols aber nicht seyn und unser unpusfertig leben uns aller gnaden, rats  und trosts unwerd machet, so můssen wirs lassen gehen und unter dem Teuffel  uns leyden, Aber damit unentschuldigt die, so hie helffen solten und thuns nicht.

 

Jch wil aber hiemit gar deuedlich gesagt und bezeuget haben, das ich  nicht umbsonst den Keyser Carol genennet habe den man, der da widder den  Tuercken kriegen sol. Andere Koenige, Fuersten odder Oberkeit, so Keyser Caroln

 

 

[ 2 letzte ABCDEFGHI        Kayserthumb H 4 letzte ABCDEFGHI        Kayserthumb H 5 feinde H 6 Babsthumb H        vnternander I 15 zweiuel I 16 wegfueret I 17 fluchs FH 19 barmhertzickeit G 21 helffen G helffenn H huelffen I        follent I 24 nahen H 29 Carl I 30 Carlon ABCDEFGH Carl I]

 

 

 

[Seite 145]

 verachten odder nicht unterthan sind odder nicht gehorsam seyn wollen, die  las ich yhr ebentheur stehen.1 Auff mein raten odder vermanen sollen sie  nichts thun: Jch hab Keyser Carl und den seinen hierynn geschrieben, die  andern gehen mich nichts an. Denn ich kenne den stoltz wol ettlicher Koenige  und Fuersten, die gerne wolten, das Keyser Carl nichts were und sie selbs  weren die helden und meister, die widder den Turcken ehre einlegten. Jch gan  yhn der ehren fast wol, Werden sie aber auch druber geschlagen, so haben sie  es yhnen.2 [Bl. H 1] Warumb halten sie sich nicht mit demut an das rechte  heubt und ordenliche oeberkeit? Die auffrur3 ynn den baurn ist gestrafft,  Solt man aber den auffrur ynn den Fuersten und herrn auch straffen, Jch  acht es solten gar wenig Fuersten und herrn bleiben. Wolan Gott gebe, das  der Tuercke nicht zu solcher straffe meister4 werde, Amen.

 

Am ende wil ich gar freundtlich und treulich geraten haben, wenns  dahin kompt das man widder den Turcken streiten wil, So wolte man sich  ia so ruesten und drein schicken, das wir den Turcken nicht zu geringe halten  und stellen uns, wie wir Deudschen5 pflegen zu thun, komen daher mit .xx.  odder .xxx. tausent man geruestet. Und ob uns gleich ein glueck bescheret wuerd  das wir gewinnen, haben wir keinen nachdruck, setzen uns widderumb nidder  und zechen ein mal, bis widder not wird.6 Und wie wol solch stueck zu leren  ich ungeschickt bin und sie selbs freylich beser wissen odder yhe wissen solten:  Weil ich aber sehe das man sich so kindisch dazu stellet, mus ich dencken das  entweder die Fuersten und unser Deudschen des turcken macht und gewalt nicht  wissen noch gleuben, odder kein ernst sey widder den Turcken zu streiten,  sondern villeicht, wie der Bapst bis her mit dem namen des Tuerckisschen krieges  und ablas das gelt aus Deudschen landen geraubt hat, also wollen sie auch  dem Bepstlichen exempel nach itzt uns auch umbs gelt nerren.

 

Darumb ist mein rat, das man die ruestung nicht so geringe anschlahe  und unser armen Deudschen nicht auff die fleischbanck opfferre. Wil man nicht  einen statlichen redlichen widderstand thun, der einen nachdruck habe, so were  viel besser den streit gar nicht angefangen und dem Turcken on vergeblich blut  vergiessen zeitlich7 eingereůmet land und leute, denn das er mit solcher leichter  schlacht und schendlich blut vergiessen doch gewinnen solt, Wie es geschach ynn  Hungern mit Koenig Ludwigen. Denn widder den Turcken kriegen ist nicht

 

 

[ 2 obentheur I 17 wirt G wůrde H wuerde I 19 wider nider I 20 vngeschicht I 25 Deudschenlanden I 28 opfferen G]

 

 

 

[Seite 146]

 als widder den Konig von Franckreich, Venediger odder Bapst kriegen: Er ist  ein ander kriegsman. Er hat volck und gelts die menge, Er hat den Soltan1  zwey mal nach einander geschlagen, da hat volck zu gehoeret. Lieber, sein volck  sitzt teglich ynn der rustunge, das er bey drey oder vier hundert tausent man  bald kan zusamen bringen. Wenn man yhm ein hundert tausent man abschluge,  so ist er bald widder da mit so viel man und hat doch den nachdruck.

 

Darumb ists ia nichts, das man yhm wolt begegenen mit funfftzig odder  sechtzig tausent man, wo nicht noch so viel odder mehr ym hinder halt2 ist.  Denn, lieber, zele du sein land: Er hat gantz Kriechen, Asian, Syrien, Egypten,  Arabien &c.: das ist so viel landes, das wenn gleich Hispanien, Franckreich  Engelland, Deudschland, Welschland, Behemen, Hungern, Polen, Denemarck  alle zu samen gerechent werden, dennoch seinem lande noch nicht gleich sind  Und er ist dazu der selbigen alle mechtig ynn trefflichem bereitem gehorsam  Und sitzen auch (wie gesagt) ynn teg-[Bl. H ij]licher, merglicher rustung und  ubungen des streits, das er kan nach drucken und zwo, drey, vier grosse schlacht  nach einander uberliefern, wie er mit dem Soltan beweiset hat. Es ist ein  ander Maiestet mit diesem Gog und Magog, denn mit unsern Koenigen und  Fuersten.

 

Solchs sage ich darumb das ich besorge, meine Deudschen wissens odder  glaubens nicht, Dencken villeicht sie seyen alleine mechtig gnug und halten den  Turcken etwa fur einen herrn als den Konig zu Franckreich &c.., dem sie leichtlich  widderstehen wollen. Aber ich wil warlich entschuldigt sein und meine zunge  und fedder mit dem blut nicht beschweret haben, so sich ein Konig odder Furst  allein widder den Turcken legt. Denn es heist Gott versucht, wenn yemand  mit geringer macht sich an einen mechtigern Konig macht, wie Christus ym  [Luk. 14, 31] Euangelio Luce auch anzeigt, Sonderlich weil unser Konige nicht so geschickt  sind, das man gottlicher wunderwerg sich bey yhn versehen mocht. Der Konig  zu Behemen3 ist itzt ein mechtiger Furst, Aber Gott sey dafur das er nicht  allein sich an den Turcken lege, sondern habe Keiser Carol zum heubtman

 

 

[ 5 man (2.) fehlt H 9 am Rande: Lender des Tuercken. I        Asiam I 11 Engeland I        Dennmarck I 13 Dazu er ist der selbigen I        aller H 23 Koenige H 24 versuecht H 25 einen] ein I 26 Luce. 12. I 29 Carl I]

 

 

 

[Seite 147]

 und nachdruck1 mit aller macht. Wolan, Wers nicht gleubt, den las ichs aus  der erfarunge lernen. Jch weis wol, was des Tuercken macht fur eine macht  ist, Es liegen mir denn die Historici und Geographi neben der teglichen  erfarung, welchs sie mir nicht thun, das weis ich.

 

Das sage ich nicht darumb, das ich wolt die Koenige und Fuersten abschrecken  vom streit widder den Turcken, Sondern das ich sie vermane weislich  und mit ernst dazu sich ruesten und nicht so kindisch und schlefferig die sachen  angreiffen. Denn ich wolt gerne vergeblich blut vergiessen und verlorne kriege  verkomen2, wo es ymer gesein3 mochte. Dieser ernst were aber der, wenn  unser Koenige und Fuersten yhre sachen die weil auff ein klewel4 wuenden und  hierynn beide kopff und hertz, beide hende und fuesse zusamen thetten, das ein  einiger leib were eines mechtigen hauffens, Aus welchem man (ob eine schlacht  verloren wurde) nach zu setzen hette, Und nicht wie bis her geschehen eintzele  Koenige und Fuersten hinan lassen ziehen, gestern den Koenig zu Hungern, heute  den Koenig zu Polen, morgen den Koenig zu Behemen, bis sie der Tuercke einen  nach dem andern auffrese Und nichts damit ausgericht wuerd, denn das man  unser volck verret und auff die fleischbanck5 opffert und unnuetzlich blut vergeust.

 

Denn wo unser Koenige und Fuersten eintrechtiglich einander beystunden  und huelffen, dazu der Christen man auch fur sie bettet, Wolt ich unverzagt  und groesser hoffnung sein, der Turcke solte sein toben lassen und einen man  an Keiser Carol finden, der yhm gewachssen were. Wo aber nicht, sondern  solt also gehen und stehen wie es itzt gehet und stehet, das keiner mit dem  andern eines noch unternander trew, ein iglicher fur sich ein man sein wil  odder mit eim bettels reuterdienst6 zu felde zeucht, mus ichs geschehen lassen,  wil auch zewarten gerne helffen beten. [Bl. H iij] Aber ein schwach gebet wirds  sein, denn ich zu mal wenig glaubens drynnen haben kan, das7 erhoeret  werde, weil man so kindisch, vermessenlich und unfursichtig solche grosse  sachen fur nympt, da ich weis das Gott versucht wird und kein gefallen dran  haben mag.

 

 

 

[ 5 die fehlt H 9 Eernste H 11 hertzs H 13 wůrden H 16 wirt G 17 verraethe H verreht I 18/19 beystuenden vn̄ hulffen G 21 Carl I 23 vnter einand' H 24 bittels H 25 zů warten H zwarten I 26 darinnen I 28 da] das H]

 

 

 

[Seite 148]

 Aber was thun unser lieben herrn? Sie achtens fur ein lautern schertz  Und wie wol es war ist, das uns der turcke auff den hals komen ist, ob er  gleich dis iar nicht widder uns auszihen wolt, doch alle stunde geruest und  geschickt fur handen ist, uns ungerusten und unbereiten anzugreiffen, wenn er  wil: So handeln unser Fursten die weil, wie sie den Luther und das Euangelion  plagen, das ist der Turcke, da ligt die macht1 an, das mus fortgehen.  Gleich wie sie auch itzt eben zu Speyr thun: Da ist das groesseste umbs fleissch  und fisch essen zuthun2 und der gleichen narrn werck. Das euch Gott ehre3,  yhr untrewen heubter ewr armen leute4: welcher Teuffel heist euch so hefftig  mit den geistlichen unbesolhenen sachen umbgehen, welche Gott und das gewissen  betreffen, und so lass und faul die sachen handeln, die euch von Gott befolhen  und euch und ewr arme leute angehen itzt ynn der hoehesten und nehesten not,  Und damit nur hindert alle die ienigen, die es hertzlich gut meinen und gerne  dazu theten? Ja singet die weil und horet Messe vom heiligen geist: Er hat  grosse lust dazu und wird euch ungehorsamen widderspenstigen fast gnedig sein,  weil yhr das lasset ligen, das er euch befolhen und das treibt, das er euch  verboten hat. Ja der boese geist mocht euch hoeren.

 

Jch wil aber hie mit mein gewissen verwaret haben5, denn waserley  masse und weise ich zum Tuerckenkriege rate, sol dis Buechlin mein zeuge sein:  Feret yemands anders, den las ich faren, Gott gebe6 er siege odder lige. Jch  wil seines sieges nicht geniessen und seiner nidderlag nicht entgelten, sondern  von allem vergeblich vergossenem blut entschuldigt sein. Denn wie wol ich  weis das ich mit diesem Buche keinen gnedigen herrn am Turcken finden  werde, so es fur yhn kompt, so hab ich doch meinen deudschen die warheit so  viel mir bewust anzeigen und beide danckbarn und undanckbarn trewlich raten  und dienen wollen. Hilffts so hilffts, hilffts nicht, so helffe unser lieber  Herr Jhesus Christus und kome vom hymel erab mit dem iungsten gericht  und schlage beide Turcken und Bapst zu boden sampt allen tyrannen und  gottlosen Und erloese uns von allen sunden und von allem ubel, AMEN.

 

 

[ 7 Speier I 13 hyndern H        maynen G 15 grossen H 19 weys vnd masse H 20 yemand G jmand I 21 Sigs I 22/23 ichs mayß H 26 dienen] helffen H 27 herab GI]

 

 

 

[Seite 149]

 

Heerpredigt wider den Türken.

 

[Einleitung]

 

[Seite 149]

 

“Weil der Türke uns nahe kommt”, hatte Luther in der Widnung seiner Schrift “Vom Kriege wider die Türken” an den Landgrafen Philipp geschrieben. Das Wort war prophetisch. Am 10. Mai 1529, also kurz, nachdem Luthers Schrift endlich die Presse verlassen hatte, war der Sultan bereits zu einem neuen Heereszug gegen den Westen von Konstantinopel aufgebrochen; im August eroberte er Ungarns Hauptstadt und verlieh mit allem Prunk osmanischen Hofzeremoniells seinem Schützling Zapolya die verwaiste Krone, und im Herbst sahen die Wiener die Zelte Solimans vor ihren Mauern aufgerichtet. Aber die Stadt des deutschen Kaisers teilte nicht Pests schreckliches Schicksal. Soliman hatte sich den Siegeszug gegen die Deutschen doch wohl zu leicht gedacht. Nachdem mehrere Stürme von den tapferen Reichstruppen und ihren heldenmütigen Führern zurückgeschlagen waren, gingen den Türken die Lebensmittel aus und sie traten den Rückzug an.

 

Luthers Briefe aus dieser Zeit spiegeln diese Ereignisse wieder. Jm Juli sind Gerüchte aus Ungarn zu ihm gedrungen von einem unermeßlichen Türkenheer, das sich gegen Deutschland heranwälze. Am 17. October erfährt er auf der Rückreise vom Marburger Gespräch in Torgau, daß die Türken vor Wien stehen und, während er bis dahin unterwegs gutes Muts gewesen, wird er jetzt von bangster Sorge erfüllt; auch körperliche Leiden stellen sich wieder ein. Jhm und Melanchthon kommen Gespräche wieder in den Sinn, die sie in Marburg und Eisenach mit Friedrich Mykonius geführt hatten. Von seltsamen Weissagungen des Franziskanermönchs Johannes Hilten hatte er ihnen erzählt, der schon vor Jahren in Daniels dunkeln Prophezeihungen die Türkennot habe vorausgesagt gefunden. Gleichzeitig schreiben Melanchthon und Luther an Mykonius und bitten ihn, ihnen doch ganz genau aufzuschreiben, was er von der Sache wisse. Und wenige Tage späater verrät Luther, nach Hause zurückgekehrt, in bangen Briefen Conrad Cordatus und Nikolaus Hausmann in Zwickau die Sorge seines Herzens, teilt letzterem, dem ständigen Teilhaber seiner literarischen Pläne, auch bereits mit, daß er auf eine Ermahnung der Deutschen gegen der Türken Ansturm sinne. Aber kaum eine Woche später ist frohe Botschaft nach Wittenberg gekommen: “Heri accepimus Turcam discessisse a Vienna versus Hungariam magno Dei miraculo” schreibt Luther am 27. Oktober an Amsdorf und verrät die Freude seines Herzens in dem ausführlichen Bericht, den er dieser Kunde hinzufügt.

 

Am gleichen 26. Oktober aber, an dem ihn die Nachricht vom Abzug der Türken erreicht hat, hat er noch Hausmann gegenüber seinen Befürchtungen und

 

 

 

[Seite 150]

 

trüben Ahnungen Luft gemacht: “ego usque ad mortem luctor adversus Turcas et Turcarum Deum” schreibt er. Gleichzeitig teilt er ihm jetzt den Titel seiner neuen Türkenschrift mit und verrät schon durch bestimmte Andeutungen, daß der Plan der Schrift ihm bereits feststeht. Und er hält an ihm dann auch trotz der plötzlichen Wendung der Dinge fest. Gleich nachdem ihm diese bekannt geworden, vielleicht schon am 28. Oktober, an dem er an Johann Lange neben der frohen Meldung zugleich die resignierten Worte schreibt: “nos Germani stertimus semper”, die mit der Anfangstimmung der Schrift wohl zusammenstimmen, muß er sich angeschickt haben zu der “Heerpredigt wider den Türken”.1

 

Weit mehr, als die erste Türkenschrift “Vom Kriege...” ist sie ein Mahnruf ans deutsche Volk, sich des Türken zu erwehren. Wohl kehren auch hier Mahnungen wieder, wie jene sie ausgesprochen, ja Luther bezieht sich ausdrücklich auf sie zurück, aber gerade daß er für manche Hauptgedanken, die er in ihr zum Ausdruck gebracht, auf sie zurückblickt, zeigt, daß er mit der “Heerpredigt” im Grunde etwas anderes will. Wollte er dort mehr mahnen und warnen, so will er hier mehr ermutigen. Vorherrschend sind hier die Ermahnungen für “die Faust”. Die bange Sorge, die man in den letzten Monaten und vor allem in den letzten Wochen ausgestanden um den Feind, der nichts verschone, weder alt noch jung, weder Mann noch Weib, klingt in den Kriegsfanfaren der Schrift deutlich nach.

 

Besonders charakteristisch aber sind ihr die Beziehungen auf Daniel, auf Ezechiel und die Offenbarung. Sie sind veranlaßt durch des Mykonius Mitteilungen, von denen wir hörten, und über die ein späterer Brief an Luther, vom 2. Dezember 1529, uns auch ausführlicher unterrichtet (Enders 7, 194 ff.). So wenig Rücksicht Luther auf die mannigfachen Weissagungen der Zeit nimmt, die sich mit den Türken beschäftigen2, hier, wo sie biblisch fundamentiert sind, machen sie auf ihn einen tiefen Eindruck. Wie sehr sie ihn bewegten, sehen wir daran, daß er wiederholt zu ihnen zurückkehrt; zunächst sind wohl gerade sie die Veranlassung gewesen, daß er im folgenden Jahre den Propheten Daniel übersetzt; die Vorrede, die die Übersetzung einleitet, bringt die gleichen Gedanken, wie unsre Schrift (Erl. Ausg. 41, 232ff.).

 

Auch Melanchthon wurde durch die mit Mykonius geführten Gespräche veranlaßt, an einer Türkenschrift zu helfen. Wohl ging unter Justus Jonas' Namen aus, doch war von Melanchthon entworfen und disponiert:

 

 

 

“Das sie-||bend Capitel Da||nielis / von des Tuercken || Gotteslesterung vnd || schrecklicher mor-||derey / mit vn- || terricht || Justi Jonae. || Wittemberg. ||” (Mit Titeleinfassung, auf der Titelrückseite eine Erdkarte3, die sich auf Bl. Cb wiederholt. 16 Blätter in Quart. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg / || durch Hans Lufft. ||” Vorhanden: Leipzig U., München HSt.)4

Dem Landgrafen Philipp von Hessen gewidmet, ist die Schrift, auch abgesehen von den auf Daniel und Ezechiel sich beziehenden Partien der “Heerpredigt” mehrsach

 

 

 

[Seite 151]

 

verwandt. Neben einer Übersetzung des 7. Kapitels des Propheten Daniel, die nachher Luther bei seiner Übersetzung vorgelegen haben wird, bringt sie dazu die Auslegung; außerdem aber auch eine Unterweisung über türkisches Wesen und türkisches Regiment.

 

Daniels Weissagungen wurden Luther Veranlassung, nach Kap. 11, 36 neben den einen Feind der Christenheit auch wieder, wie in der Schrift “Vom Kriege..”, den andern, den Papst, zu stellen, der der sei, der mit List und falschem Gottesdienst über alle Götter sich erhebe. Und noch einmal kommt er am Schluß der Schrift auf ähnliche Gedanken, wenn er die von den Türken etwa gefangenen Christen tröstet, daß sie unter dem Teufel dort, dem Türken, noch längst nicht so schlimm daran seien, wie unter dem Teufel hier, denn jener zwinge sie doch nicht, seinen Glauben anzunehmen und Christus zu verleugnen. Trotz der großen Not, die der Türke der Christenheit bereitet, hat Luther über ihn doch nicht seinen vornehmsten Gegner, den Feind seines Lebens, vergessen.1

 

Sehr bald ging von der “Heerpredigt” eine zweite Ausgabe (s. S. 152 B) aus, ja sie wird der ersten unmittelbar gefolgt sein. Denn wenn Luther am 3. Januar 1530 an Hausmann zwei Exemplare der zweiten Ausgabe — für ihn und für Cordatus — schickt und dabei annimmt, die erste Ausgabe möchte zu ihnen, die doch über Luthers Absicht von Anfang an unterrichtet waren, noch nicht gelangt sein2, so beweist das, daß auch die erste Ausgabe die Presse kaum verlassen haben kann.

 

Als 1541 die Türkengefahr wieder besonders dringend wurde und man eine neue Belagerung Wiens fürchten mußte, als der Kurfürst von Sachsen aufs neue anordnete, daß das Volk zum Gebet wider die Türken solle vermahnt werden, und Luther eine “Vermahnung” dazu ausgehen ließ, da erlebte auch die “Heerpredigt” noch einige neue Ausgaben (unten G und H). Vielleicht hat Luther selbst noch einmal Hand an sie gelegt; wenigstens ist die Daniel-Stelle nach der inzwischen festgestellten endgültigen Fassung der Bibelübersetzung umgestaltet.

 

 

 

Ausgaben.

 

 

A “Eine Heer-||predigt widder || den Tŭrcken. || Mart. Luther. || Wittemberg. || MDXXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 30 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz, Anno || MDXXIX. ||”3

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Aschaffenburg, Berlin (Luth. 5391), Breslau St. und U., Dessau, Dresden, Eisleben, Erlangen4, Gotha, Göttingen, Halle Wais., Hamburg, Heidelberg, Helmstedt (3), Hirschberg Gymn., Jena, Beste Roburg, Königsberg U., Leipzig U. (2, eines unvollst.), Lübeck, Magdeburg, München HSt. und U., Münster, Nürnberg GM., Rostock, Straßburg, Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel (4), Zittau St.; Amsterdam U. Sem., London. — Erl. Ausg. 31, 80 Nr. 1.

Bogen F hat nur zwei Blätter.

 

B wie A, doch Zeile 1, 2, 3 und 5 des Titels rot, Zeile 6 “MDXXX.” Auf der Titelrückseite eine Karte der alten Welt in Holzschnitt, die

 

 

 

[Seite 152]

 

sich auf Blatt A 4b wiederholt. 30 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Altenburg, Arnstadt, Berlin, Breslau St., Dresden (unvollst.), Heidelberg, Leipzig U. (2, eines unvollst.), München U., Wittenberg L., Wolfenbüttel, Zerbst Francisceum. — Erl. Ausg. 31, 81 Nr. 4.

Bogen F hat nur zwei Blätter. B hat gegen A durchaus neuen Satz.1

 

Ca “Eine Heer-||predigt wider den || Turcken. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrueckseite bedruckt. 22 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zů Nuernberg durch || Johann Stuechs. ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Arnstadt (2), Aschaffenburg, Bamberg, Berlin, Halle U., Heidelberg, München H. und U., Nürnberg GM., Stuttgart, Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel, Würzburg U.; Schaffhausen St. (2).

Bogen E hat nur zwei Blätter.

 

Cb wie Ca, doch Z. 1 des Titels: “Heer ||”. Vorhanden in Berlin (Luth. 5394), Wittenberg; Amsterdam U. Sem., Prag U. (nur Bogen A und B.). — Erl. Ausg. 31, 80 Nr. 2.

 

D wie C, nur Zeile 3 des Titels: “Tütcken.”, am Ende: “Gedruckt zů Nuernberg bey || Johann Stüchs. ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin (Luth. 5395), Eßlingen, Hamburg, Veste Koburg, Königsberg U., Straßburg, Wernigerode; Olmütz. — Erl. Ausg. 31, 81 Nr. 3.

D hat gegen C durchaus neuen Satz.

 

E “Eine her- || predig wider || den Türckē. || Mar. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 44 Blätter in Oktav, das letzte leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nurn- || berg durch Fride- || rich Peipus. || 1530. ||”

Vorhanden in Danzig St.

 

F “Ein heer || predigt wid- || der den Tuer- || cken. || Martinus Luther. || M. D. xxx ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 44 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Marpurg. || den iiij. tag Martij. ||”

Vorhanden in Arnstadt, Nürnberg St., Wolfenbüttel. - Fehlt Erl. Ausg.

Bogen E hat nur vier Blätter. Druck von Franciscus Rhode (v. Dommer unbekannt).

 

G “Eine Heer- || predigt, Wider den || Tuercken. || D. Mart. Luther. || Wittemberg. || 1 5 4 1 . ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedrueckt zu Wittenberg, durch || Georgen Rhaw. ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg. (unvollst.), Berlin (Luth. 5398), Bremen; Breslau St., Gotha, Halle Wais., Heidelberg, München U., Nürnberg GM., Rostock, Stuttgart, Wolfenbüttel, Zwickau; London.

 

 

 

[Seite 153]

 

H “Eine Heer- || predigt, Wider || den Tuercken. || Mart. Luth. || Wittemberg. [so] || 1 5 4 2. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Oben auf der vorletzten steht: “Gedrueckt zu Wit- || temberg, durch || Nickel Schir- || lentz. Anno || M. D. XLII. ||”

Vorhanden in Bamberg, Berlin (Luth. 5402), Celle, Danzig St., Dessau, Eisenach, Freiburg U., Gotha, Hamburg, Heidelberg, München HSt., Stuttgart (Titel sehr verletzt), Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel (2); London, Zürich U. - Erl. Ausg. 31, 81 Nr. 6.

Auf Blatt B 1a der Holzschnitt der alten Welt wie in B.

 

I wie H, doch Zeile 2 des Titels: “Predigt”, Zeile 5: “Wittemberg.” Vor der Schlußschrift steht noch ein Stück Text auf der vorletzten Seite.

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Berlin (Luth. 5401), Dessau, Dresden (2), Erfurt Kgl., Frankfurt St., Görlitz Milich. (Bl. B 1a fehlt), Hamburg, Heidelberg, Veste Koburg, München HSt., Straßburg, Tübingen, Wittenberg L., Worms, Zittau St., Zwickau; London. - Fehlt Erl. Ausg.

I hat gegen H durchaus neuen Satz.

 

K “Ein Heer- || predigt, Wider [so] den || Türcken. || Mart. Luth. || M.D.XXXXII. ||’ Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 27 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zů Augspurg durch || Hainrich Stainer. ||”

Vorhanden in der Knaakeschen Slg., Heidelberg, Karlsruhe, München HSt. (Blatt A 4 fehlt); Jnnsbruck.

Bogen A hat fünf, Bogen G nur zwei Blätter. Auf Seite A 5a ein Nachschnitt der Weltkarte wie in BHI.

 

L “Ein Heerpre || dig, Wider den || Türcken. || Mart. Luth. || Wittemberg. || 1542. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 28 Blätter in Quart, das letzte leer. Am Ende: “Getruckt zů Straßburg bey Hans Preussen, || Jm jar M. D. xlij. ||” Vorhanden in Zürich St.

 

Spätere Drucke.

 

 

M “Leonhardt Fronspergers Kriegßbuch, Dritter Theyl” (Franckfurt 1573, s. Krieg wider den Türken M) enthält auf Bl. CCCXXXXIIa bis CCCLIIb “Eine Hehrpredig wider den Tuercken, Doct. Martin Luthers. Anno M. D. XXIX.”

Vorhanden in Bamberg, Wolfenbüttel.

 

N “Heerpredigt D. Martin Luthers, wider den Tuercken....[o. O.].M.D.XCIII.”

Vorhanden in Wernigerode (vgl. Vom Kriege wider den Türken N.). — Vor dem Text der Heerpredigt 3, nachher 9 Seiten Gebete, Bibelzitate und Stellen aus andern Lutherschriften.

 

O Die “Antiturcica Lutheri” Leipzig 1596 (s. Krieg wider den Türken O) enthalten auf S. 106 –197 die Heerpredigt.

Vorhanden in Jena.

 

P Der “Ottomannus Theologicus” Eißleben 1601 (s. Krieg wider den Türken P) enthält als zweiten Bestandteil die Heerpredigt.

Vorhanden in Celle.

 

 

 

[Seite 154]

 

Q “Dr. Martin Luthers Heerpredigt wider den Türken. Nach der Original-Ausgabe vom Jahre 1530 in der Sprache der damaligen Zeit abgedruckt. Quedlinburg und Leipzig, bei Gottfr. Basse. 1826.”

Bemüht sich, D buchstabentreu abzudrucken.

 

R Theodor Mundts Ausgabe von “Martin Luthers politischen Schriften” (s. Krieg wider den Türken S) enthält in Bd. 3 S. 109 –148 einen Abdruck der Heerpredigt, so frei, daß sich die Vorlage nicht erkennen läßt.

Die Schrift erscheint in den Gesamtausgaben Wittenberg 2 (1548) 553b –569b, (1551) 538b –553a, (1557) 458b –470a; Jena 4 (1556) 487b –502b, (1574 und 1586) 472a –486b; Altenburg 4 (1661) 565 –580; Leipzig 22, 356 –371; Walch 1 20, 2691 –2741; Walch 2 20, 2154 –2195; Erlangen 31 (1842) 80 –121.

 

A ist der in großer Auflage verbreitete Urdruck, von dem Luther am 28. Oktober 1529 an Link schreibt (Enders 7, 180): “Ego sermonem edo bellicum exhortandi contra Turcas exercitus gratia.” B, das er am 3. Januar 1530 an Hausmann nach Zwickau schickt mit den Worten (Enders 7, 214): “Quando ad vos nondum pervenit sermo contra Turcas, mitto hic duo vobis duobus, tibi et Cordato, exemplaria secundae editionis”, ist Vorlage keines andern Drucks außer F wegen 161, 8 viel; 197, 5 nicht damit: kein Drucker hatte Anlaß, diese Lesarten zu tilgen, wenn sie sich gegen Luthers feineren Sprachgebrauch eingeschlichen hatten. Wo CD1  mit B zusammentreffen, ist es naheliegender Zufall: 162, 6 andern; 162, 6/7 zun; 162, 25 nach; 167, 20 sitz; 168, 8 Asiam. D entfernt sich weiter von A als C und ist Vorlage keines anderen Druckes mit den Besserungsversuchen 167, 16 des selbigen; 174, 10 vnd; 13 solchs; 178, 18 seelen; 197, 7 helffen. C ist Vorlage keines andern Druckes als D, mit dem allein es 162, 3 vnd; 166, 27 voller; 172, 2 Asian u. v. a. kleine Verschlechterungen des Textes teilt. Eine andere Gruppe von sekundären Lesarten, z. B. 173, 2 es; 174, 16 bedarffstu; 184, 4 gefahr; 186, 1 die weyl; 187, 10 ernstlich; 196, 1 faren teilen CD mit E, dessen Vorlage aus den mitgeteilten Gründen keines von beiden ist, das seinerseits aber auch nicht Vorlage von C oder D sein kann, wie überhaupt Vorlage keines andern wegen 168, 1 blibe; 4 leren; 182, 16 erfuellē; 184, 13 angenommen. Es ist demnach eine gemeinsame (Nürnberger?) Vorlage Y von CE anzunehmen, die für uns verloren ist. F ist mit 160, 11 ists itzt vns; 161, 9 erkante fehlt Vorlage keines andern Drucks, stimmt mit 160, 15 wuenderlich; 161, 1 so; 161, 18 nach zu AB gegen CDE und folgt mit 161, 8 viel; 161, 32 zu halten B gegen A. Die Weltkarte aus B mußte F wegen seines Oktavformats weglassen, damit fiel die Notiz 162, 30.

 

G und alle späteren Drucke geben die Danielstelle 163, 2 –165, 15 nach der endgültigen Fassung der Lutherbibel. Wegen ihrer starken Abweichungen ist diese Stelle unter dem Texte von A vollständig noch einmal nach G mit den Abweichungen von HIKL mitgeteilt. G teilt mit CDE die Masse ihrer Lesarten, von denen gleich 160, 15 wunderbarlich; 161, 2 herfür; 161, 18 noch; 170, 28 wie hernach folget gegen A sekundär sind. Chronologisch kann G nicht Vorlage

 

 

 

[Seite 155]

 

eines der Drucke CDE sein, CD kommen aus den oben angegebenen Gründen nicht als Vorlage von G in Betracht, aber auch E nicht, weil G mit 161, 30 zuerst; 168, 24 hats; 175, 8 so; 180, 12 jre zu den von CDE versassenen Lesarten von A zurückkehrt, wozu es hier keinen Anlaß, bei 184, 4 fahr; 185, 23 solten; 186, 1 weil; 187, 10 ernst; 196, 1 fallen; 196, 17 heubt gar keine Möglichkeit hatte, wenn ihm E vorlag. Wir müssen demnach einen zweiten versornen (Wittenberger?) Druck (X) annehmen, der aus A floß und seinerseits Vorlage von Y und G ward. HI gehen in viesen sekundären Lesarten zusammen: 172, 26 koenig fehlt; 174, 25 Christen; 175, 26 gar fehlt; 176, 12 warten; 178, 8 wol; 181, 1 einem und stimmen zu G gegen alle früheren in 161, 15 must; 162, 15 Christ; 162, 26 zwar fehlt; 167, 20 Meden in Persen. I entfernt sich weiter von G als H: 161, 19 ja so boese; 167, 20 versetzen; 172, 2 Egypten; 178, 12 verlacht. K stimmt mit 172, 26 koenig fehlt; 174, 5 vom dem; 176, 12 warten allein zu HI, mit 166, 16 wurde; 169, 18 dan̄; 170, 29 Jüngsttag; 172, 2 Egyptum; 176, 8 seuchten zu H gegen I. L ist mit 172, 10 noch so vil; 177, 11 kriegt Vorlage keines andern Drucks, teilt die Lesarten der Gruppe HIK und darüber mit K allein dessen meiste Sonderlesarten, z. B. 165. 21 anderer; 176, 7 in dem lufft; 196, 3 so. Anderseits hält sich aber L von so viel Sonderlesarten von K frei (z. B. 161, 19 ja boeß; 169, 9 dise; 189, 18 eines; 190, 3 alle), daß es nicht Abdruck von K sein kann, sondern mit diesem aus einer verlorenen gemeinsamen Vorlage (Z) geflossen sein muß. Daraus ergibt sich folgender Stammbaum:

 

 

Unserem kritischen Text ist demnach A zugrunde gelegt. Die Abweichungen von B sind unter dem Texte vollständig mitgeteilt, die von C bis L nur, soweit sie nicht sprachlicher Natur und derart sind, daß sich hier zusammenfassend darüber berichten läßt. M bis Q sind nach Luthers Tode erschienen und textkritisch ohne Belang.

 

I. Umlaut

 

1) des a mit ae bezeichnet: veraechter 162, 23 CDEL, maerterer (15) CDE (9) K, taeglich (2) CE (4) L, maegte 190, 2 CD, aertzney 188, 28 E, maechtig u. s. F. (9) K (16) L, Laendern (1) K (4) L, schaeden(n) 188, 27 KL, Zaene 164, 27, Haende 171, 5 K, faege 170, 23, Kriegßhaendeln 179, 14, praechtig 189, 29, schaelck 194, 27 L. ae führt K auch in draewen 170, 31, Vnglaeubigen 188, 6, Zaeuberer 188, 29 ein.

 

2) des â mit ae bezeichnet von KL in wunderthaeter 189, 13, von L ganz regelmäßig: gnaedig(klich), faerlich(kent), kaeme, klaerlich, vnderthaenige, übermaessigem, staetiger, jaemerlich, daecht, beyschlaefferin.

 

 

 

[Seite 156]

 

3) Es führen ein Umlaut des a in vntersaeß 173, 33 CDE, waegen 178, 24 CDL, genent 169, 16 G, gleubens 167, 16 H.

 

4) des o in woellen u. s. F. (19) C (16) D (15) E (7) GH (6) I (13) K (12) L, moerden (11) CE (12) DL (1) H (5) K, hoeren 162, 19 CDEGHIKL, getödtet 164, 1 DE, Hoehesten 165, 14 CDE, koempt (1) C (3) D, Koenige 165, 7 E, boeßheit (2) F, [stoessest] 178, 21 GHIK, stoessen 179, 12, gehoercht 182, 21 H, Bischoeff 161, 7, getroest 179, 20 L.

 

5) des u in fünff u. s. F. (4) CDE (1) GHI (2) KL, für (5) CDE (3) FK (1) HI (4) L, hynfürt (2) C (1) K (3) L, sünde m. Formen u. Abl. (11) CD (12) EKL (3) GH (5) I, Türcke, Türckisch (2) CDGHIL (3) E (1) F (7) K, druecken u. s. F. (1) EK (2) GHI, in kürtz 161, 11 CDIK, geschüt(t) 181, 12 CDEGHIKL, plündern 183, 20, Buerger 184, 13 CDEGHI, kuend 183, 21 GHIK, wuenderlich 194, 10 GHI, vermuegen 189, 6 E, -ueumb (4), Tuegenden 195, 3 I, über (stets), überig (4), gewüßt (2), übel (2), üppigkeit 190, 12 L.

 

6) des uo in muessen (2) CDEGI (1) KL, drueß 176, 3 CDEGHIKL, fueren u. s. F. (2) CDKL (1) EG, brueder 186, 13 CDEGHI, rueffen (2) CDEK (1) L, heimsueche 170, 24 G, ueben 168, 30 L.

 

7) Es beseitigen Umlaut des a in anfahet 173, CDEL, arbeyt u. s. Abl. (6) CDEKL (4) GHI, schatzung 183, 6 CDG (2) EHIKL, artzney 188, 28 FHIKL, starcken 192, 6 F, Verachter 162, 23 G, laßt mit Komp. (3) K (6) L, -macher 175, 3 KL, halten u. s. F. (3), marterer (15), Gerats 174, 24 L.

 

8) des au in glauben m. s. F. u. Abl. (13) CD (15) E (6) GHI (11) K (stets) L, verlaugnen u. s. F. (4) CDE (1) GHIK, zůhawet 177, 19/20 CDEGHIK, kauffen u. s. Abl. (3) CDGHI (4) EK (2) L, rauber 191, 27 CDEGHIKL, haußlin 184, 17 C, ausserlichen (2) C (1) DE, Haupt (haubt) 164, 29, versaumet 183, 12 KL, zauberer 188, 29 L.

 

9) des o in Konig u. s. Abl. (13) C, Oberherrn (6) CDGHIKL (5) E (3) F,, Oberkeyt (17) CDEGHIKL (3) F, kommen u. s. F. (1) CD (3) EGHI, (5) KL, wollen u. s. F. (2) EGH (3) I, trosten 161, 26, grosser 164, 14, boßlich 183, 11, mochten 185, 20 F, vberbosen 161, 15, gehort 191, 25 G, Gottlich 168, 16 H, Horner 172, 3 HI, kostlich 177, 4 KL, fordersten 163, 28, loblicher 174, 23, stoßt 178, 5, Zollner (3) L.

 

10) des u in -umb (stets) CDL (30) EGH (15) F (19) I (28) K, wurde (Konj.) u. s. F. (19) C (18) D (17) E (2) F (4) GIL (10) H (1) HI (16) K, (vn) schuldig u. i. F. (12) CDEKL (9) F (11) G, (vn) gedultig u. i. F. (5) CDEK (2) HI, drucken m. F. u. Zss. (3) C (4) DK (1) E (2) F (6) L, druber (1) CF (2) D, daruber (3) D (1) EF, fur (3) E (7) F (47) G (46) H (48) I (4) K, gulben (1) EF (5) L, Juden (10) CDEKL (3) F, Turcke m. F. u. Abl. (34) F (1) HL, stuck(e) (4) F (7) K (8) L, burger (2) F, (4) KL, schmucken u. s. F. (1) F (3) K (2) L, nutz u. s. F. (1) FHIK (2) L, (vn) gedultig (3) G (5) L, wurgen u. s. F. (1) DF, funden 183, 24 CDEKL, entzucken u. s. F. (2) FKL, gewunne 167, 3 HIKL, zuchtigen 183, 13 HI, lufften (1) H (2) I, rugken 163, 23, Lugner 166, 19 KL, flugel (2) C, kurtzest 164, 4, verkundigt (4), furchten 174, 17, beschutzen u. s. F. (2),

 

 

 

[Seite 157]

 

mugen (2), iung (3), vngluck 184, 22, verhullet 187, 22, hubschen 188, 6, Spruche 196, 2, Fursten 197, 8 F, dunckel 185, 14, Junger 194, 20 K.

 

11) des uo in bucher, buchlin (4), mussen (5), bruder 187, 22, (be)-huten (2), rhumen 188, 10, furen u. s. Abl. (2) F, mutiger 174, 13 GH.

 

II. Sonstiger Vokalismus.

 

1) Altes â stellt K in wa 4, L 30 mal her, beseitigt L in gethon (13), vnderthon(en) (7), verthon 181, 17. Jn da entfernen CD 11, E 5 mal altes a, stellen es E 1, G 3 mal her.

 

2) ai für altes ei führen ein in kain stets mit 2 Ausnahmen C, stets D, (48) E, allain(e) (16) CD (7) E, klain stets D, mainen m. F. u. Abl. (16) C (17) D (13) E, gemain(igklich) (2), raynige 170, 23, waynens 182, 11 CD, rain 186, 27, layd(er) (3) CDE, stain(e) (2) CD (1) E. Jn K bemüht sich Hainrich Stainer, altes î und ei als ei und ai zu scheiden. doch ist ihm das gegen die nicht scheidende Vorlage höchst mangelhaft und streckenweis gelungen. Auf Bogen A ist noch kein ai, das erste B 1a Zeile 3 zaygt, doch sind auch von da ab die ein, kein, zeygt, Heyligen, klein, zwey, geyst, allein fast häufiger als die in Stainers Sinne korrekten ai-Formen. — CD haben eine Vorliebe für ey und unterscheiden den Jnfinitiv seyn vom Pronomen sein.

 

3) Altes i wird von altem ie in CDL richtig geschieden, also yederman, yegklich, yetzt, vil, glider, geschriben, beschriben, dise, spisset, Vereinzelt bleibt zihen, nimmer CD, immer, nirgendt L. Jm einzelnen führen ie ein in viehe 182, 26 E, yetzt (jetzt) (13) E (11 K), yetz (13) L, yegklich (jegklich) (7) EK, yederman (jederman) 173, 31 GHIK, Friede(n) (6) GHI, (1) K, sieghaff(t) 171, 3 GHI, ziehen 180, 9 HIK, regiert 168, 16, gestoltzieret 181, 11 K. ie entfernen in glider (3) E, vil (stets), dise u. s. F. (stets), frid(en) (2), stil(e)st 193, 3 sowie in den Partizipien und Plur. Praet. der ersten Ablautsreihe (ge-, beschriben, ver-, getriben, bliben) EK, spissen u. s. F. (7) EGHIK, sig(en) (11) EK (1) GHI, siben u. s. Zuss. (6) E (1) GHIK, vihe (1) EK (2) GHI, nimand 167, 11 G, stigen 163, 8, sy (12) K.

 

4) u und ů werden in CD richtig geschieden; ü bezeichnet hier Umlaut des u, ue des ů, daher ändern CD wueeten, wueten der Vorlage stets in wueten. Ganz vereinzelt bieten sie Buerger 184, 13. F führt ů statt u ein in zů (3). HI bieten statt uee stets ue, K in wueten u. s. F. (4), wuettig 176, 28. KL geben altes uo stets mit ů, also: zů, zůr, zům, můß, brůder, růffen, genůg(sam), můt uff. L scheidet altes ü und üe als ü und ue.

 

5) Unbetontes e wird zugesetzt

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

 

 

 

[Seite 158]

 

Zu diesen Zahlen ist zu bemerken, daß der Marburger Druck F unbetontes e fast nur zusetzt, um die Zeile zu füllen oder um ein Wort besser abteilen zu können, daher Formen wie lenderen 167, 1, fuerwitze 174, 3. Die Worttrennung spielt auch bei L ihre Rolle: eheren 191, 23, mach||et 186, 13, geflů||chet 194, 6, ka-||me 193, 25. Bemerkenswert sind ferner die Präterita ware (2), frasse 163, 8, bleybe 163, 9, schluge 189, 1 in E, warde (1) in EL, sowie die Formen Bischoue (2) GHI, Brieue 185, 21 GH, daselbest 188, 8, Kriegshendelen 179, 14 HI, Alkayer 167, 23 I, (vn)gehorsame (12) L. Gehäuft ist Zutritt des e in eine redliche busse 181, 22 E. — Nicht in obigen Ziffern enthalten sind yhn > jhnen (jnen) (6) CD (10) G (9) HI, den > denen (2) CDG.

 

6) Unbetontes e wird beseitigt

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

Erwähnenswert sind aus dieser Zahl einige ursprünglich dreisilbige Dative, die nach Behaghels Gesetz (Grundriß I2 710) ihr Auslauts-e verloren haben: vom Tuercken krieg (Tuerckenkrieg) 181, 1, heyland 187, 14 und die unter gleichen Betonungsverhältnissen stehende Formel Gott zů lieb 182, 3 CDEG HIKL. Jhnen schließt sich an der Genetiv Koenigs 196, 30 L. Nicht selten ist Auslauts-e vor Vokal des folgenden Wortes ausgefallen, z. B. hab vor Vokal (3) CDEGL (2) HIK, Koenig vnd 161, 6 H, wolle uns > wol vns 197, 20 F, > woell vns L. Gehäuft ist der Abfall des e in Türck (41), das letst gekretz vnnd gereuff 171, 28 L.

 

III. Konsonantismus.

 

1) Fortis führen ein in Bapst(um) (1) D (2) EFGHIKL, Amptman 167, 19 CDGHIKL, gepet (5) CDE (1) G, prangen u. s. F. (1) GHIK (3) L, pracht 190, 13 GHIKL, Heupt (Haupt) (1) GK; Teutsch (stets) CD (13) EL (1) K, Deütsche (6) K, Teutschlandt (stets) CD (3) E, Deütschland 166, 29, Teütschland 168, 11 K (5) L, Deutschlandt 180, 20 E, Deutschland F; kuendte 172, 16, maegte 190, 2 CD, vber(über)weltigen 175, 25 CDEGHIKL, Stat(t) 178, 26 EKL, gedultig 192, 27 EHIK, schentlich 161, 10, wart (3), geberten 190, 12, mort 195, 29 F, wirt (1) F (38) K (stets) L, wirdt (7) K, niemant 172, 8 FK, schwert (1) FL (6) K, tapffer (1) GHIK (2) L, vierte (5) K (3) L, vierdte (8) K (4) L, Bro(d)ts 183, 1 IKL, seyt (sitis) 193, 12 K, trucken m. F. u. Abl. (6), tugenten 195, 3 L; junckfraw(en) (4) CD (2) EK (3) L, vber(über)schwencklichen 191, 11 CDEGL, fluchs (3) CD flucks (3) E, hencken 176, 9, schwanck 196, 3 L.

 

2) Auslautendes d mandeln gern zu dt in Endtchrist, endtlich, landt, Schwerdt, wirdt, Kindt CDE, sind = sunt und ex quo (2) F, todt (1) HIK (11) L, landt 184, 11 K, verwandt 197, 15 KL, schendtlich 161, 10,

 

 

 

[Seite 159]

 

schwerdt (6), werdt (2), magdt 184, 9, blindtheit (2) L. Auslautendes g wandeln gern zu gk in wegk, -igklich, yegklich u. s. F. CDEL, zwangk CDE, schwangk (1) C (2) D, -igklich (6) K, gefengkniß (2) L. Auslautendes s wandeln gern in ß in biß, daß, groß, auß, můß (muß), gewiß (lich) CD EFKL, fraß, reiß CDEKL, leßt, gewachssen CDE. Charakteristisch für L ist sß in fasß, gewisß(lich), rosß, gespisßte, wisß.

 

3) Lenis führen ein in Babst (umb) (6) C (2) DF (3) E (1) GH, vnbůß(bus)fertigen 161, 22 CDEGHIKL, gebrenge 188, 3 CDE, brechtig 189, 29 CDEHIK, sambt 182, 31 E, bochen 179, 9 KL; verderb(e)t 169, 26 CDEGHIKL, koende (stu) (2) CD (1) EGHI, tode (1) E (2) K, bedeudet 168, 14 F, dunckeln 171, 5 FIK, nirgend 187, 21 F, niemand 195, 16 FKL, rad (1) GHI (2) K, leude 170, 26 G, kuende 178, 3 GHI, dranck 190, 25 HIK, vnder (stets außer 163, 17), Soldan (4), dantzen u. s. F. (2) L.

 

4) dd vereinfachen GHIKL stets in wider, nider, oder, gefodert (gefordert), E in wider, nider, während odder gelegentlich stehen bleibt. F vereinfacht öfter (wider, gefodert), als es dd einführt (odder). E vereinfacht tt in Got u. s. F.

 

5) Graphisches h wird im ganzen häufiger beseitigt als eingeführt: es schreiben vntertenige 174, 8 E, Tessalonicern (2) F, -tum̄ (stets) K, Mahomet (stets) L, gewenen u. s. F. (2) CDE (1) G, jn, jr usw. (stets) GHIK, je (ye) (stets) GHIKL, ruemen, geen, steen, ee, mer u. s. Abl. (stets) KL. Dagegen: rathe 173, 29 E, Jsrahel 169, 20, Mahometh u. s. Abl. (5), vntherthanen 179, 18 F, ehs (5), ehr (is) (1), ahn 184, 16, Thürcke 166, 12, Junckherrn 182, 17 K, Rhom, Rhoemisch (3), jha (2), gerathen 173, 18 L, fehrlich (1) GK (2) HI, wehren u. s. F. (2) HI. Befehl statt befelh schreiben GHI.

 

IV. Wortformen.

 

Die r-Formen stellen her in darzů (darzu) (stets) CDEGK (25) H (22) I (33) L, daruon (darvon) (4) E (3) G (1) HIK (5) L, darmit (1) EHI (5) K (4) L, dardurch (1) EHK (2) L, darneben (1) EHIKL, darfur (darfür) (1) HIKL. a führen ein in daran (5) CDEHIK (4) G (7) L, darauff (1) HI (2) L, darinnen (2) L, darein (2) L. widder > weder (5) CDKL (4) EGHI. nu > nun (stets) CD (fast stets) EK (37) L. sondern > sonder (stets) CD (fast stets) EKL (7) F (1) H. dennoch > dennocht (stets) CDE (6) K. — thum > -thumb(en) (stets) CDEGHI (fast stets) KL. zu- > zur- (2) CD. denn > dann (2) CD (13) K (6) L. deste > dester (8) CDEKL (7) GHI. -niß > -nüß (10) CD (stets) E, > -nus (4) G, > -nuß(en) (4) K. foddern u. s. F. > fordern (8) CDE. -ickeyt > -igkeyt (-igkeit) (4) CDEG, hoehisten > hoehesten (3) CDEHI (2) GK, nicht > nit (21) F1 (20) K (72) L. Euangelion > Euangelium (stets) GHIKL. woelch u. s. F. (stets) K. sind > seind (8) K (57) L. letste (9), sonst > sunst (9), wird > würd (3), gewest > gewesen (10), selbst > selbs 176, 3 L.

 

 

 

[Seite 160a]

 

[Bl. A ij]

Eine Heerpredigt widder den Tuercken. Martinus Luther. 1529

 

Wie wol ich ynn meinem buechlin vom Tuerckenkriege fast genugsam  unterricht gethan habe, mit welcherley gewissen und weise  (wo sichs begebe) der krieg widder den Tuercken solt fuer zu  nemen sein, Doch habe ich bey meinen lieben deudschen die  gnade, das sie mir widder gleuben noch zu hoeren, bis das  sie zu lange harren, und der glaube ynn die hand koemet und denn widder  huelffe noch rat da ist, gleich wie dem volck Jsrael auch geschach, das sie die  [1. Kön. 22, 8. 27] Propheten (als .j. Regum ultimo stehet) so lange verachten, das zu letzt auch  kein rat noch huelffe mehr da war. Eben so ists uns itzt auch gangen, Niemand  wolt gleuben, was ich vom Tuercken schreib, bis das wirs nu1 mit so grossem  iamer erfaren und so viel tausent menschen2 ynn so wenig tagen erwuerget  und weg gefueret gesehen haben. Das wolten wir haben, Vnd hette nicht Gott  wuenderlich und so unversehens uns geholffen, So solten wir erst ein rechten  iamer ynn deudschen landen erfaren haben.

 

Und kenne ich recht meine lieben deudschen, die vollen sewe, so sollen sie  wol yhrer weise nach sich widderuemb nidder setzen und mit guttem mut ynn  aller sicherheit zechen3 und wol leben Und solcher grossen gnade erzeigt gar  nicht brauchen, sondern mit aller undanckbarkeit vergessen Und dencken: ha der  Tuercke ist nu weg und geflohen, Was wollen wir viel sorgen und unnuetze  koste drauff wenden? Er koempt vielleicht nymer mehr widder, Auff das wir  ia unser wol verdiente straffe von Gott redlich empfahen. Wolan, ich kan  doch nicht mehr thun. Do ich anzeigt, man solt des Tuercken gewalt nicht  verachten, Ey das war ein spoettische und nichtige rede, Da waren viel Fuersten

 

 

 

[Seite 160a]

[ 1 Heerpredig EGKL 3 buechlin EHI 8 hendt D        kompt L 9 hilffe CEK hilff DL huelffe I        das] da GKL 10 als 4. Reg. 17. stehet (steet L ) HIKL 11 hilffe CE hilff DL        ists itzt vns F 12 Tuecken F        schrib L 15 wunderbarlich CDEIKL wuenderbarlich GH 23 entpfahen L 24 Da HIK da L        anzeygete L]

 

 

 

[Seite 161a]

 mechtiger denn er, Jch solte die deudschen fuersten nicht so schrecken noch verzagt  machen. Las nu die selbigen geyfferer erfuer tretten und die fuersten troesten  und des Tuercken macht verachten. Jch meine ia, der Tuercke habe sie zu  luegenern und mein wort war gemacht.

 

Aber doch umb der gotlosen und Christus lesterer willen nichts angefangen,  also auch umb yhrer willen nichts gelassen. Es haben koenige und fuersten,  Bischoff und pfaffen bisher das Euangelion veriagt und verfolget, viel bluts  vergossen und den dienern Christi alle plag und unglueck angelegt und ist die  lesterung und schmach auch widder die offentliche erkante warheit, so uber die  massen schendlich gros gewest und das volck so uber aus boese und mutwillig,  das ich hab weissagen muessen, Deudschland muesse ynn kurtz Gott eine torheit  bezalen.

 

Dasselbige gehet itzt daher und fehet an, Gott helffe uns und sey uns  gnedig, Amen. Denn weil sie widder Christum so trefflich zornig und boese  sind, [Bl. A iij] das sie sein wort und diener uberboesen, Und er mus leiden  und schwach gegen sie sein, So thut er warlich recht nach dem sprichwort  ‘Es ward nie keiner1 so boese, Es kam noch ein boeser uber yhn’2 und zeucht  ab, lest sich uber boesen, Schicket aber an solche boese zornige iunckern nach einen  boesern, den Tuercken, Wil zusehen, weil sie ia boese sein wollen, welcher hie  den andern uber boesen werde. Sey nu boese wer boese sein kan, itzt gilts boesens  und uber boesens.

 

Solchs wil ich gesagt haben widder die unpusfertigen, starrige feinde  und verfolger des worts Christi, Aber weil dennoch viel ynn deudschen landen  sind, die das wort lieben, und Christus on zweyffel nicht ein geringe zal  glieder drynnen hat, umb der selbigen willen sol diese heerpredigt aus gehen,  sie zu troesten und zuvermanen ynn diesen grewlichen, ferlichen leufften. Denn  der teuffel sucht durch seinen zeug den Tuercken, freilich nicht allein die weltliche  herschafft, Sondern auch das reich Christi und seine heiligen und glieder,  [Dan. 7, 25] vom glauben zu stossen, wie Daniel sagt am siebenden Capitel. Daruemb wil  ich diese predigt ynn zwey stueck teylen, zuerst die gewissen unterrichten, darnach  auch die faust vermanen. Das gewissen zu unterrichten dienet wol zursachen,  das man gewis sey, Was der Tuercke sey und wofuer er zurhalten sey nach der

 

 

[ 1fůrsten F        so] also CDEGHIKL        noch] vnd L 2 herfür CDEL herfur GHIK 4 luegener F 6 Künig L 8 diener F        alle] viel BF 9 erkante fehlt F 11 hab] haben F        muesse] mueß L        kuertz B kürtze L 14 treffenlich L 15 must GHIK muest L 16 Sprüchwort L 17 boeserer L 18 Junckhern L        nach] noch CDEGKL 19 ja so boese IK 19/20 welcher bis werde fehlt F 25 darinnen CDGHIK darynnē E Heerpredig L 26 geuerlichen L        leuffen L 30 predig EL        zuerst] Zum ersten CDE 31 zursachen A 32 zu halten BFK zůhalten CDL zuhalten EGHI]

 

 

 

[Seite 162a]

 schrifft. Denn die schrifft weissagt uns von zweyen grausamen Tyrannen,  welche sollen fuer dem iuengsten tage die Christenheit verwuesten und zurstoeren,  Einer geistlich mit listen odder falschem Gotts dienst und lere widder den  [Dan. 11, 36 f.] rechten Christlichen glauben und Euangelion, Davon Daniel schreibt am eylfften  Capit. das er sich sol erheben uber alle Goetter und uber alle Gottes dienst &c..  [2. Thess. 2, 3] Welchen auch Sanct Paulus nennet den Endchrist ynn der ander Epistel zu  den Thessalon. am andern Capit. Das ist der Babst mit seinem babstum,  davon wir sonst gnug geschrieben. Der ander mit dem schwerd leiblich und  [Dan. 7, 25] eusserlich auffs grewlichst, davon Daniel am siebenden Capit. gewaltiglich  [Matth. 24, 21] weissagt Und Christus Matthej am vier und zwentzigsten Cap. von einem  truebsal, des gleichen auff erden nicht gewest sey, das ist der Tuercke, Also mus  der teuffel, weil der welt ende fuerhanden ist, die Christenheit zuvor mit beyder  seiner macht auffs aller grewlichst angreiffen und uns die rechte letze geben,  ehe wir gen himel faren.

 

Wer nu ein Christen wil sein zu dieser zeit, der fasse ein hertz ynn  Christo und dencke nur nicht hinfurt auff fride und gutte tage. Die zeit  solcher truebsal und weissagung ist da, desselbigen gleichen unser trotz und trost  auff die zukunfft Christi und unser erloesung ist auch nicht fern, sondern wird  flugs drauff folgen, wie wir horen werden. Daruemb so halt feste und sey  sicher, das der Tuercke gewislich sey der letzte und ergeste zorn des teuffels  widder Christum, damit er dem fass den boden ausstoesset1, und seinen grym  gantz ausschuettet widder Christus reich, Dazu auch die groesseste straffe Gottes  auff erden uber die undanckbarn und gotlosen verechter [Bl. A 4] und verfolger  Christi und seines worts Und on zweiffel der vorlauff der hellen und ewiger  [Dan. 7, 26] straffe. Denn Daniel sagt, das noch dem Tuercken flugs das gericht und die  helle folgen sol, Und man sihets auch zwar wol an der that, wie grewlich2  er die leut, kind, weiber, iung und allt erwuerget, spiesset, zu hacket, die yhm  doch nichts gethan, und so handelt, als sey er der zornige teuffel selbs leibhafftig,  Denn nie kein koenigreich also getobet hat mit morden und wueeten,  als er thut. Wolan wir wollen das hie von dem Propheten Daniel hoeren.

 

 

[ 1von] vom H 2 fuer] vor L        zerstoeren L 3 odder] vnd CD 4 Christlichen] Christen F        eylfften] 12. GHIKL 6 andern BCDE        zun BCDEF 6/7 Endchrist, 2. Thess. 2. Das GHIKL 7 am] an dem F        Bapst BF 8 darvon H        geschreiben H 9 darvon H 10 geweissaget GHIK geweissagt L        Matth. am 24. Cap. KL        am fehlt CD 12 vorhanden L 15 Christ GHIKL 17 trutz L 18 ferr L 19 darauff D        hoeren BF 21 außstoßt L 25 noch] nach BCDEFGHIKL 26 zwar fehlt GHIKL 27 kin||der F        zerhackt L 28 so] also F 29 Künigreich L        wueten FL 30 Danel G hoeren] hoeren. Folget die figur, dauon Daniel weissagt, am siebenden Capit. [Weltkarte] B]

 

 

 

[Seite 163a]

 Vier keiserthum hat Daniel beschrieben, die auff erden komen sollen, ehe  [Dan. 7, 3 ff.] der welt ende keme, wie wir lesen Danielis am siebenden Capitel: Das er  vier grosse thier sahe aus dem meer steigen, das erst war gleich  einer Lewin und hatte adelers fluegel, Das ander war gleich einem  Beren und hatte drey rigen zeene ynn seinem maule, Das dritte  wargleich einem Parden und hatte vier fluegel und vier koepffe, Das  vierde war ein grausam und wuenderlich thier und seer starck, und  hatte grose eiserne zeene, damit es fras und umb sich reis, und  was ubrig bleib, das zutrats mit seinen fuessen, Und hatte zehen  hoerner. Jch sahe die hoerner an und sihe, zwisschen den selbigen  wuchs ein ander klein horn, fur dem selbigen wurden drey der ersten  hoerner abgestossen und das selbige horn hatte augen wie menschen  augen und sein maul redet grewlich ding. Jch sahe zu, bis stuele  gesetzt wurden Und der Alte sich setzet. Das gericht ward gehalten  und die buecher auff gethan, Jch sahe zu umb der grewlichen rede

 

 

 

[Seite 164a]

 

 

[[Heerpredigt wider den Türken]] 164b

[ 1getoedtet BF 5 auslegung B außlegung F 6 stand F 9 ewigkeit BEF 10 pfaten E 11 zurtart E 12 seym F 15 jhnē E ]

 

willen, so das horn redet Und ward gewar, das das thier getodtet  war und sein leichnam umbkomen und yns feur geworffen war  zuverbrennen, Und der andern thier gewalt auch auffgehaben war.

 

[Bl. B 1] [Dan. 7, 16] Das ist der text Daniel auffs kuertzest erzelet so viel uns itzt  not ist. Nu die auslegunge folget ym selbigen capitel hernach, da er spricht:  Jch trat zu einem dar da bey stund und fraget yhn umb das alles die warheit  Und er legt mirs aus und leret mich also: Diese vier grosse thier sind vier  keiserthum die auff erden komen sollen, Aber die heiligen des Hoehisten werden  ynn ewickeit das reich besitzen. Darnach hette ich gerne gewust, was das  vierde thier were, das so fast grausam war, Welchs eiserne zene und pfoten  hatte und fras und reis und das ubrige mit fuessen zutrat, Und was die zehen  hoerner auff seinem kopffe weren, Und was das ander horn were, fuer welchem  drey hoerner gefallen waren, Und von dem selben horn, das augen hatte und  ein maul, das gewliche ding redet und war groesser denn die andern. Jch  sahe zu und sihe, das horn streit widder die heiligen und fieget yhn an bis

 

 

[[Heerpredigt wider den Türken]] 163b

[ 1 kumen F 3 grosse fehlt F 5 reigen F 7 wunderlich BEF 9 zurtrats E fueessen E 11 fuer BF 12 hoernen A 13 grewliche BF]

 

 

 

[Seite 165a]

 der Alte kam und hielt gerichte mit den heiligen des Hoehesten und die zeit  kam, das die heiligen das reich besassen.

 

Und er sprach also: Das vierde thier wird das vierde keiserthum sein  auff erden, Welchs wird groesser sein, denn alle koenigreiche und wird alle  land fressen, zutretten und zu malmen. Die zehen hoerner sind zehen koenige,  so zu solchem keiserthum gehoeren Und nach dem selbigen wird ein ander auff  komen, der wird mechtiger sein, denn die ersten, und wird drey konige demuetigen  Und wird widder den Hoehesten reden und die heiligen des Hoehesten zutretten,  Und wird sich unterstehen, ordnung und gesetz zu endern Und sie werden ynn  seine hende gegeben werden eine zeitlang und aber etliche zeit und noch ein  wenig zeit. So wird denn das gericht gehalten werden, das die gewalt auffgehaben  werde und zubrochen und endlich umb kome. Aber das reich, gewalt  und macht, so unter dem gantzen hymel ist, werde gegeben den heiligen des  aller Hohesten, Welchs reich ist ewig und alle koenige werden yhm dienen und  gehorsam sein.

 

 

[[Heerpredigt wider den Türken]] 165b

[ 1 Hoehisten B Hohisten F 7 koenige BF 8 den] der F        Hoehisten (beidemal) BF 14 Hoehisten B Hohistē F]

 

 

 

[Seite 166a]

 Diese weissagung Danielis ist eintrechtiglich von allen lerern ausgelegt  von den vier folgenden keiserthum: Das erst das keiserthum zu Assyrien und  Babilonien, Das ander das keiserthum der Persen und Meden, Das dritte  das keiserthum des groffen Alexanders und der Kriechen, Das vierde das  Roemische keiserthum, welchs das groessest, gewaltigst und grausamest, dazu auch  das letzte ist auff erden, wie hie Daniel klerlich zeigt, das nach dem Vierden  thier odder keiserthum das gericht folget und kein ander keyserthum mehr,  sondern das reich der heiligen das ewig ist &c.. Weil denn nu das gewis ist  und keinen zweiffel hat, das auff erden sol das Roemisch reich das letzte sein,  wie auch ym andern Capitel Daniel zeigt ynn dem grossen bilde odder seulen,  die einen guelden kopff, sylbern brust, eherne hueffte und eisern schenckel hatte,  So mus das draus folgen, das der Tuerck ym Roemischen keiserthum sein wird  und ym vierden thier mus begriffen sein, Denn das ist beschlossen1, weil das  Roemisch keiserthum das letzte ist, So wird und [Bl. Bij] kan der Tuercke  nymer mehr so mechtig werden, als das Roemisch reich gewesen ist, sonst  wuerden nicht vier, sondern funff keiserthum auff erden komen. Daruemb mus  der Tuercke kein keiser werden noch ein new odder eigen keiserthum auffrichten,  wie ers wol ym syn habt, Aber es wird und mus yhm gewislich feylen odder  Daniel wuerde zum luegener, Das ist nicht mueglich.

 

Weil aber zu dem der Tuercke dennoch so gros und mechtig ist und ym  Roemischen reich sitzen sol, mussen wir yhn ynn dem selbigen suchen und unter  den hoernern des vierden thiers finden. Denn es mus ein solch gewaltig ding  ynn der schrifft verkuendigt sein. Wolan, Horn heist ein koenigreich ynn der  schrifft, wie hie Daniel selbs sagt, das die zehen hoerner zehen koenige sind, die  zum vierden keiserthum gehoeren. So kan nu der Tuercke keines der selbigen  zehen sein, denn die selbigen hoerner sind die koenigreich, so zum Roemischen  keiserthum gehoeret haben, da es ynn seiner vollen macht gestanden ist, als  nemlich Hispanien, Franckreich, Jtalia, Africa, Egyptus, Syria, Asia, Gretia,  Deudschland &c.. Solch land haben die Roemer alle gehabt yn voller macht,  ehe denn der Mahometh odder Tuerck ist komen. So spricht nu Daniel, das  nach solchen zehen hoernern erst kompt das kleine horn zwisschen den zehen  hoernern. Hie kompt und findet sich der Tuercke, Denn gleich wie das kleine  horn unter den zehen auff wechst und stoesset der selbigen drey weg, Also

 

 

[ 2 Keyserthumbē CDEG Keiserthumben H Keiserthumen I Kayserthum̄en KL        Das bis Assyrien] Asserien F 9 keine F kain K kein L 10 ander F 11 guldin K        silberin L heueffte F 12 darauß CDKL daraus EGHI        würdt K 14 Rhoemische L 16 wurde HKL 18 habt] hat CDEHIKL hab G        feelen CDEGHI feln K faelen L 19 wůrde F 21 muessen BF 23 Künigreych K Künigreich L 24 Künige K Künig L 26 Künigreych K Künigreich L 27 voller CD 28 Jtalienn K Affrica FI        Grecia DF 31 Hoerner K        koempt BF kumpt K 32 koempt BF 33 hoern A        zehenen L        stoessest E stoßt L]

 

 

 

[Seite 167a]

 muste ia komen ein koenigreich, das ynn den obgenanten lendern und koenigreichen  des vierden thiers odder keiserthums wuechse, und der selbigen drey  gewuenne, Solchs alles zeigt und bezeugt auch das werck und stymmet mit  dem Text, das der Mahometh dasselbige kleine horn sein mus, Denn er ist  von geringem anfang auffkomen, Er ist aber also gewachsen, das er drey  hoerner ym Roemisschen keyserthum hat abgestossen und eingenomen, nemlich  Egyptum, Griechland und Asiam. Denn der Soltan und Sarracener1 haben  lange zeit dieser hoerner odder koenigreich zwey ynnen gehabt, Egypten und  Asiam, und sind also drinnen blieben sitzen, wie auch der Tuerck drinnen sitzt  auff den heutigen tag und hat das dritte horn, Griechland, dazu gewonnen.  Solchs hat sonst niemand gethan und wir sehens da fuer augen stehen, das  geschehen ist, Das ist Mahomeths reich, da haben wir das kleine horn gewis.

 

Ob nu wol der Tuercke den Soltan veriagt1 und solche lender eingenomen  und seinen hoff odder sitz anders wo hellt, denn der Soltan thet,  ists daruemb kein ander odder new reich, sondern eben dasselbige Mahomeths  reich, Denn beyde Soltan und Tuerck des selben und gleich eines glaubens  sind, nemlich des Mahomeths. Das aber einer den andern veriagt, ist auch  wol fast ynn allen keyserthumen geschehen, das ein bruder den andern veriagt,  ein ambtman seinen herrn vertrieben hat, Wie geschachs ynn Persen, da sie  den keyserlichen sitzt und hoff aus Medien ynn Persien versetzten2, bleib  dennoch gleichwol dasselbige keyserthum Und das keyserthum zu Assyrien von  Ninive gen Babylon3 Und [Bl. Biij] das Roemisch von Rom gen Constantinopel  versetzt ward, also ist auch itzt das Mahomeths reich von Alkayr gen Constantinopel4  versetzt mit dem hofelager, Aber ist gleich wol dasselbige Reich  des Mahomeths blieben, Denn person und hofelager muegen sich ynn eym reich

 

 

[ 1 Künigreych K Künigreich L 1/2 Künigreychē K Künigreichen L 3 das gantz werck K 4 hoern A 7 Griechenlandt CD Griechen land E Griechenland GHIKL 8 Künigreich KL        Egyptum F 9 also sind F 10 hat das] hats F        Griechenlandt CDK Griechenland EGHIL        gewunnen CDE 11 sunst KL        neimand A        fur] vor KL 13/14 eingenum̄en L 14 anderstwo K anderßwa L 15 sonder H        selbigē D 17 ander HI 19 amptman BF        sein GKL 20 sitz BCDEFL Sitz GHIK        Meden in Persen GHIKL        versetzen I 23 versetz, wart F        das] des CDFGHIKL        Alkar F 24 Hoffleger K Hofflaeger L 25 personen L        hofeleger F Hoffleger K Hofflaeger L        moegen L eynem B einem D ainem K eim L]

 

 

 

[Seite 168a]

 wol endern, das dennoch das reich fuer sich selbs bleibe ynn seiner weise,  regiment, glaube und allem wesen.

 

So wir nu das selbige kleine horn den Mahomethen und sein reich hie  gewislich haben, So koennen wir nu leichtlich und klerlich aus Daniel lernen,  Wo fuer der Tuercke und das Mahometisch reich zu halten sey, Und auch, was  er fuer Gotte gelte. Erstlich sol er wol ein mechtiger herr sein, als der dem  Roemischen reich drey hoerner, das ist drey fast die besten koenigreich, als  Egypten, Gretiam, Asian abgewinnen und behalten und damit Mechtiger sein,  denn keines unter den zehen hoernern ist. Das ist der klare text Und findet  sich also ym werck, Denn kein koenig, so unter den Roemern gewest, als Franckreich,  Hispanien, Welschland, Deudschland &c.. so mechtig ist, als das Tuerckisch  odder Mahometisch reich, das der Tuercke itzt hat Und sitzt also fast mitten ym  Roemischen Reich, ia ynn des Roemischen keysers hause zu Constantinopel, wie  das kleine horn unter den zehen hoernern ym vierden thier bedeutet.

 

Zum andern hat das horn Menschen augen, das ist, des Mahomeths  Alkoran odder gesetz damit er regirt, Jnn welchem gesetz ist kein Goettlich auge,  sondern eitel menschliche vernunfft on Gottes wort und geist. Denn sein gesetz  leret nichts anders, denn was menschliche witze und vernunfft wol leiden kan  Und was er ym Euangelio funden hat, das zu schweer und hoch zu gleuben  gewest, das hat er ausgethan, sonderlich aber das Christus Got sey und uns  erloeset hat mit seinem todte &c..1 Das meinet Daniel da er des horns auge  deutet und spricht: Er wird sich unterstehen gesetz und ordernung zu endern,  vernym2 Gottes ordnung, als das Euangelion und Christliche lere.

 

Zum dritten hats ein maul, das redet grewliche ding, das sind die  grausamen lesterungen, damit der Mahometh Christum nicht alleine verleucket,  sondern auch gantz auffhebt Und gibt fuer, Er sey uber Christum viel hoeher  und wirdiger fuer Gott denn alle engel, alle heiligen, alle Creaturn, dazu  uber Christum selbs, wie das yn seinem Alkoran klerlich stehet und die  Tuercken teglich rhuemen und yhe lenger nhe grewlicher solche lesterung treiben  und uben. Darumb spricht hie Daniel von dem selbigen horn und deutet

 

 

[ 1 blibe E 2 glauben GHIKL 4 leren EFGHIKL 5 Wo] war K wa L Tuecke F 6 es fur G er vor K es vor L 7 Romischen B        beste F        Künigreych K Künigreich L 8 Greciam DFK        Asiam BCDEFGHIK Asiā L        abgewünnen D 9 hoerner F 10 wercke BF        Künig KL 11 Deuschland I 18 nichts] nit F menschliche] menschen F 24 hat es CDE 25 verlaugnet CDE verleugnet GHIKL 27 fuer] vor KL 28 Alkaron I 29 lestrunge K 30 Daruemb B Daruem̄ F]

 

 

 

[Seite 169a]

 desselbigen grosses maul: Er wird widder den Hoehesten reden, das ist widder  Christum leren, yhn lestern und schenden, damit das er yhn nicht fuer den  hoehesten, sondern fuer einen schlechten und viel geringern propheten hellt, denn  sich selbs, und spricht, Christus lere habe ein ende, da Mahometh komen sey.

 

Zum vierden, das er widder die heiligen des hoehisten krieg fueret, Dis  darff ia keiner glosen. Jch meine wir habens bisher wol gesehen und gefuelet,  [Bl. B. 4] Denn der Tuerck keinem volck so feind ist auff erden als den Christen,  Streit auch widder niemand mit solchem blutdurst als widder die Christen,  auff das er diese weissagung Danielis erfuelle. Daniel aber heist die Christen  heiligen des Hoehisten, Denn ob wol viel falscher Christen sind unter dem  hauffen, Weil aber das Euangelion und Sacrament von Christo befolhen ynn  einem lande bleibt, so sind gewislich ynn dem selbigen lande viel Christen,  Und wie wenig der selbigen ist, so wird doch dasselbige land umb yhrs glaubens,  predigens und Euangelions willen, Ja umb Christus willen, welchs name,  wort, geist, Sacrament daselbst ist, Christenland und rechte heiligen Gottes  genand, Daruemb auch noch ynn der Tuerckey viel Christen sind Und villeicht  mehr denn sonst ynn einem lande, als die da gefangen sind und dem Tuercken  dienen muessen, der sie gewonnen hat, wie Daniel hie saget, das er siegen solle  widder die heiligen und uber sie herrschen.

 

Gleich wie zur zeit Elia des propheten ym volck Jsrael geschach, Da so  viel boeser und wenig frumer leute waren, das Elias selbs meynet, Er were  [1. Kön. 19, 14. 18] allein und wuendscht daruemb tod zu sein, Aber dennoch wol sieben tausent  funden wurden, die Gott yhm behalten hatte frum und heilig, Umb welcher  willen dennoch das volck Jsrael Gottes volck und Gottes heiligen hiessen, als  bey welchen sein name, wort und geist wonete, Wie itzt auch und bisher unter  dem Bapstum geschehen, da es auch alles also gar ist verterbet gewest mit  menschen leren und wercken, das man schier keine Christen mehr gesehen hat.  Aber dennoch haben etliche da muessen sein, weil Christus name, Tauffe,  Euangelion, Sacrament blieben ist, Umb welcher willen auch das gantze land  der Christen land und sie die Christenheit odder Christus volck und Gottes  [2. Thess. 2, 4] heiligen heissen. Denn Paulus sagt .j. Thess. iiij. Der Endchrist der Bapst solle  ym tempel Gottes sitzen. Nu ist der Tempel Gottes die Christenheit odder  die heiligen Gottes, wie Daniel redet.

 

 

[ 1 Hoehisten BF Hoechsten KL 2 Christen I        das fehlt CDEGHIKL 3 Hoehisten BF hoechsten L 5 Hoechsten L 8 Streitet GHIKL 9 diese] die K dise L 10 Hoechsten L 13 der selben HI 16 genent HIL genendt K 17 die da] da die GHIKL        gefangnen K 18 gewunnen CDEGHKL        das] dan H dan̄ KL        soll L 21 fromer I 22 wuenscht CDE wunscht K wünschet L 23 from I 24 heissen F 25 welchem HIL woelchem K 27 kainē K kein L 29 Sacrament &c.. GHIKL 31 Hailgen K        S. Paulus GHIKL        sagt in der erstē Epistel zun Thessalonicern am vierden Capitel F        soll L]

 

 

 

[Seite 170a]

 Auch so mus man ynn diesem spruch Danielis mehr achten und richten  nach des Tuercken meinung und willen, denn nach der Christen zal. Denn  der Tuercke hellt hie keine rechnung noch unterscheyd, wie viel odder wenig  heiliger Christen unter uns seyen. Er hellt einen wie den andern, achtet uns  alle fuer Christen, wie denn der name Christus uns allen gemein ist, Denn  er ist dem Christlichen namen feind, den selbigen wolt der teuffel gerne unterdruecken  mit dem schwerd des Mahomeths, wie er denn auch mit falscher lere  bey uns den selbigen unterdruckt, Und wil sich also an unserm Herrn Christo  rechen. Also wil Daniel sagen, Das nach des Tuercken gewissen und meinung  alles Christen (das ist heiligen Gottes) sind, die er bekriegt Und hellts dafuer,  das kein erger volck auff erden sey, denn die Christen. Daruemb nennen uns  auch die Tuercken nicht anders denn Paganos1, das ist heiden, Sich selbs aber  halten sie fuer das heiligste volck auff erden.

 

Das funfft, das er (wie gesagt) glueck hat ym [Bl. C 1] kriegen widder  die Christen und gemeiniglich obligt und den sieg behelt, Und dasselbige stueck  macht auch die Tuercken so stoltz, verstockt und sicher ynn yhrem glauben, das  sie gar nicht zweifeln, yhr glaube sey recht und der Christen falsch, als den  Gott so viel sieg gibt und die Christen also verlesst, Wissen aber nicht, das  hie ym Daniel also zuvor verkuendigt ist, das die Christen umb yhrer sunde  willen hie auff erden gestrafft und die unschueldigen zu Merterer gemacht  werden. Denn Christus mus Merterer haben, Daruemb hat er allezeit die  seinen lassen leiblich unterligen und schwach sein, Widderuemb seine feinde  obligen und mechtig sein, Auff das er die seinen fege und reinige, darnach  seine feinde, wenn sie wol angelauffen2 und auffs hoehest komen sind, heymsuche  mit dem hellischen feure ewiglich. Solch urteil und weise wissen die blinden  unsinnigen leute nicht Und meinen, weil sich Christus so schwach stellet, Es  sey kein volck auff erden angenemer denn sie, Aber gar weidlich lauffen sie  an2 und wird sich das spiel ploetzlich wenden, ehe sie meinen wie folget.

 

Zum Sechsten sol flugs auffs Tuercken reich und wueten der iuengst tag  und das reich der heiligen komen, Wie Daniel hie spricht, das des horns krieg  und sieg sol weren bis der Alte kome und setze sich zu gericht. Solch drewen

 

 

[ 1 Daniels K 6 geren K gern L 10 alle K 12 nichts K nit L 15 gemanigklich E gemeinklich K gemeyngklich L 17 nicht] nichts CDEGHIKL        den] denen CDEGHIKL 21 hat] hatte CDEGHIK 24 hoechst L 25 feur BF        und weise fehlt GHIKL 28 ploeßlich L        wie hernach folget CDEGHIKL 29 wueeten B wůeten F wueten L 29 Juengstag H Jüngsttag K 31 droewen L]

 

 

 

[Seite 171a]

 und schrecklich gericht gleuben die Tuercken auch nicht, das Gott damit uns  erloesen und sie ynn die helle stossen wird, Wie lange aber das weren solle,  das er so sighafft sey, kan niemand wissen, Denn Christus sagt, das von dem  tage niemand wissen solle on der Vater alleine, wie denn hie Daniel auch  [Matth. 25, 13] mit tunckeln worten sagt: Sie werden ynn seine hende gegeben eine zeitlang  und aber etliche zeit und noch ein wenig zeit, So wird denn das gericht  gehalten werden.

 

Aus dem es scheinet, das des Tuercken reich von hymel gestoertzt werden  sol Und kein koenig komen werde, der yhn unterdruecke und mechtiger werde  nach yhm, wie auch Daniel hie sagt, das der leib des vierden thiers nach dem  grossen lestern des kleinen horns yns feur sol geworffen werden zuverbrennen.  [Offenb. 20, 8 f.] So stehet ia auch ym1 Apocalypsi am zwentzigsten, das der Gog und Magog  solle durchs feur vom hymel verzeret werden. Eben dasselbige schreibet auch  [Hes. 38, 22] Ezechiel am dreyssigsten capitel, das Gott wolle feur und schwefel uber Gog  und Magog regenen lassen und uber yhr heer. Nu ist kein zweifel, Gog sey  der Tuercke, der aus dem land Gog odder der Tattern2 komen ist ynn Asian,  wie die historien beweisen.

 

Weil aber dennoch Christus hat zeichen gegeben, da bey man kennen sol,  wenn der iuengst tag nahe sey und dem nach, wenn der Tuercke ein ende haben  werde, So koennen wir sicherlich weissagen, das der iuengst tag muesse fuer der  thuer sein. Denn weil Daniel hie sagt, das ym vierden thier das kleine horn  solle das mechtigiste und letzte sein Und wir sehen offentlich, das ynn des  Roemischen reichs lendern kein mechtiger ist, denn der Tuercke und nach [Bl. C ij]  yhm keiner mehr komen wird, so ist die schrifft des Tuercken halben schon  erfuellet. Denn Er hat die drey hoerner weg3 (wie gesagt) Und Daniel gibt  yhm kein horn mehr, Dem nach ists zu hoffen, das der Tuercke hinfurt kein  land des Roemischen reichs mehr gewinnen wird, Und was er ynn Hungern  und Deudschen landen thut, das wird das letzte gekretze4 und gereuffe5 sein,  das er mit den unsern und die unsern mit yhm haben werden, Und damit

 

 

[ 1 vns damit F 2 soll KL 4 soll L 5 gegeben werden eine (ein L) CDEGHIKL 8 vom GHIKL        gestuertzet GHI gestürtzt KL 9 Künig K 12 am . xx. capitel CDE am 20. capit. GHIL am xx. capit. K 13 soll L        verzoeret L 14 schwebel L 15 regen F 16 Tattarn F        Asiam CDEFGHIKL 20 künden K        fuer] vor KL 21 horns B 22 sol L        mechtigste FHI maechtigste K maechtigst L 26 ists] ist F 27 Hungen D]

 

 

 

[Seite 172a]

 ein ende, also das er Hungern und Deudsche land wol zausen mag, aber nicht  ruegelich besitzen, wie er Asiam und Egyptum besitzt. Denn Daniel gibt yhm  drey hoerner und nicht mehr, zwackt und reisset er etwas den grentzen und  nachtbarn abe, das sey sein schlaff trunck zu guter nacht.

 

Daruemb der krieg und sieg des Mahomeths, davon Daniel sagt, ist am  meisten geschehen und erfuellet ynn Asia, Gretia, Egypto, Und wird also ein  ende nemen, wenn er am aller mechtigsten und auffs aller best geruest ist, das  er gleich sicher daher schwebt und feret, als dem nu niemand weren noch  widderstehen koenne und noch viel land zu gewinnen gedenckt. Eben wenn das  selb stuendlin komen wird, das er so viel noch thun wil und trotzig und gyrig  sein wird, Da wird Christus mit schwefel und feur uber yhn komen und  fragen, waruemb er seine heiligen, die yhm kein leid gethan, on alle ursache  so grewlich verfolget und geplagt habe. Amen. Denn die schrifft ist alle  erfuellet, So sind diese zeit so viel zeichen geschehen Und ist so gros liecht  des Euangelij fuer handen, dazu solch gros lestern, mutwillen, frevel ynn der  welt, als nie gewest, auch nicht erger sein kuende: Es mus brechen1 und ein  ende haben.

 

Bis her haben wir nu gesehen, Wo fuer der Tuercke und sein Mahometisch  reich zu halten sey nach der heiligen schrifft, nemlich das er sey ein feind  Gottes und ein lesterer und verfolger Christi und seiner heiligen durch schwerd  und streit, also das er gleich darauff gericht und gestifft ist mit schwerd und  kriegen widder Christum und die seinen zu wueeten. Denn ob wol andere  koenige vorzeitten auch haben die Christen verfolget mit dem schwerd, so ist  doch yhr reich und regiment nicht drauff gestifft und gericht gewest, das sie  Christum lestern und bekriegen sollen, sondern geschicht zufalls2 aus eynem  misbrauch. Hats ein koenig verfolget, So ist ein ander koenig hernach gut  gewest und hats lassen gehen, Das also nicht die koenigreiche odder regiment  an yhn selbst widder Christum gestrebt, sondern die personen, so das regiment  gehabt haben, sind zu weilen boese gewesen. Aber des Mahomets schwerd und  reich an yhm selber ist stracks widder Christum gericht, als hette es sonst  nichts zu thun und koenne sein schwerd nicht besser brauchen, denn das er  widder Christum lestert und streitet, wie denn auch sein Alkoran und die  that dazu beweisen.

 

 

[ 1 Teutschen landen CD deudschlād F Deudschland GI Deudsch land H Teütschland KL 2 Asian CD        Egypten I 4 nachbarn BCDEF Nachbarn GHIK nachburn L        nacht] nach F 6 Grecia DF 7 mechtigisten CDE 9 künne K 10 noch so vil L        trutzig L 11 Schwebel KL 15 vorhanden KL 20 ein lesterer und fehlt F 21 mit dem schwerde F 22 wueten L 23 Künig K Koenig L        vorfolget H 24 darauff KL 26 Künig (1.) K        koenig (2.) fehlt HIKL 27 hat es F        Künigreyche K Koenigreich L 28 jhnen CD jnen K jnē L        selbs K 30 selber] selbs F        gerichtet K 31 künne K]

 

 

 

[Seite 173a]

 Aus dem kan nu ein iglicher sein gewissen richten und versichern, wo  er zum streit widder den Tuercken gefoddert wird, wie er gedencken und sich  hal [Bl. C iij] ten sol, Nemlich, das er keinen zweifel haben sol, Wer widder den  Tuercken (so er krieg anfehet) streit, das er widder Gottes feind und Christus  lesterer, ia widder den teuffel selbs streit, Also das er sich nicht besorgen  darff, ob er etwa einen Tuercken erwuergt, das er unschueldig blut vergiesse  odder einen Christen erwuerge, Sondern gewislich erwuerget er einen feind  Gottes und lesterer Christi, als den Got selbs durch die schrifft Danielis fuer  einen feind Christi und seiner heiligen zum hellischen feur verurteilet hat,  Daruemb auch kein Christen noch Gottes freund ynn des Tuercken heer sein  kan, er verleugne denn Christum und werde auch Gottes und seiner heiligen  feind, sondern sind alle des teuffels eigen und mit dem teuffel besessen wie  yhr herr Mahometh und der Tuerckisch keiser selbs. Denn du must die wort  Danielis wol fassen und mercken, da er dem kleinen horn das lestermaul  widder Gott und den streit widder die heiligen Gottes zu schreibt, Welche  wort nichts guts, sondern alles ubel und bosheit vom Tuercken odder  Mahometh zeugen.

 

Daruemb hab ich ym vorigen buechlin1 auch so trewlich geraten, Das  man nicht solle widder den Tuercken kriegen, als unter der Christen namen  noch mit streit angreiffen, als einen feind der Christen, Denn hie hoerestu das  dem Mahometh odder Tuercken der sieg widder die Christen und heiligen verkuendigt  ist, wie denn bisher geschehen ist ynn den drey hoernern, die er  abgestossen hat, das ist yn Gretia, Asia, Egypten. Christus wil schwach sein  und leiden auff erden mit den seinen, auff das er die gewaltigen zu narren  und zu schanden mache und brauche yhres wueetens dazu, das sie yhm (wie  wol unwissend) den hymel voll Merterer und heiligen machen, da mit sein  reich deste ehe vol werde und er zu gericht kome und den tyrannen yhren  lohn gebe ehe sie sichs versehen.

 

Sondern so hab ich geraten und rate noch also, das wol ein iglicher  sich vleissigen sol ein Christen zu sein, willig und bereit zu leiden vom Tuercken  und yderman, Aber solle nicht streiten als ein Christen odder unter eins Christen  namen, Sondern las deinen Welltlichen oeberherrn kriegen. Unter desselbigen  panier und namen soltu reisen als ein weltlicher untersass nach dem leibe,

 

 

[ 1 nu] nur K nun L 2 es zum CDE        gefordert HIL gefo||dert K 3 kain CDK kein EGHIL 4 kriege CDEG 5 loesterer K 6 etwan KL        erwirget K 7 ain Christen K        erwuerge] erwuerget GHI erwirget K erwürgt L        erwuerget] erwirget K erwürgt L 8 Loestrer K        den] denn F 9 Hoellischen K 10 freind K        Hoer K 18 ym] in F 19 soll L 23 Grecia DF 25 machen I        wuetens F wuetens L 27 eher GHIL ee K        er fehlt GHIKL 28 sichs] sich F 30 Christ L 31 soll L        Christ (1.) L 32 las] als K        dem selbigen F ]

 

 

 

[Seite 174a]

 der seinem oeberherrn geschworn ist mit leib und gut gehorsam zu sein, das  [Röm. 13, 1, Tit. 3, 1] wil Gott von dir haben, zun Roemern am dreyzehenden, Titum am dritten  capitel Und sonderlich wo solcher streit geschicht nicht aus fuerwitz, gut und  ehre zu erlangen, sondern zu schuetzen und schirmen land und leute, weib und  kind &c.. wie dieser krieg ist widder den Tuercken. Also lesen wir von den  lieben heiligen S. Moritz und seinen gesellen1 und viel andern heiligen, das  sie ynn streit gezogen sind nicht als Christen, auch nicht widder die Christen,  Sondern als unterthenige gehorsame buerger odder ritter, gefoddert und beruffen  von yhrem keiser odder ander yhrer oeberkeit, den sie mit leib und gut zu  dienen schueldig waren, Und hies nicht ein Christenheer odder volck, noch ein  Christen streit, Sondern des keisers volck odder heer.

 

[Bl. C 4] Sihe, also stehet denn dein gewissen recht und fein und kanst  ein muetiger freydiger man sein, das solch hertz und mut on zweifel deinen leib  und ross auch deste stercker machen wird, Denn du bist gewis, das du ynn  deins oeberherrn gehorsam und yn Gottes willen und befelh zeuchst und streitest,  der dir solche heerfart aufflegt und von dir haben wil, So darffstu auch nicht  sorgen noch fuerchten, das du ynn der Tuercken heer unschueldig blut treffest,  weil du hoerest, das sie von Gott als seine feinde zum tode und zur hellen  verurteilet sind, Und gebeut dir durch deinen oeberherrn, das du solch urteil  an dem Tuercken volbringen solt und itzt deine faust und spies Gottes faust  und spies ist und heist, Und bist also Gottes des aller groessesten herrn scharffrichter  odder hencker2 widder seinen grossen verdampten feind. Wie koentestu  ehrlicher und loeblicher streiten?

 

Gerets aber, das er dich ersticht odder erschlecht, wie kanstu redlichers tods  sterben, so du anders ein Christ bist? Denn zum ersten stehet da Daniel und  macht dich zum heiligen, da er spricht, Der Tuercke streite widder Gottes heiligen,  Das auff der Tuercken und teufels seiten die fahr3 stehet, das er als ein moerder  eitel unschueldig und heilig blut treffe und so viel heiliger merterer mache, so viel  er auff unser seyten erschlegt, Wie es denn gewis ist, das er eitel unschueldig  blut trifft, weil er die angreifft, da er kein recht noch ursache zu hat und on  befelh und not solch morden fuer nympt. So ists auch gewis, das er viel  merterer mache (Denn es muessen Christen drunder sein, wo der Tuercke widder

 

 

[ 1 seinen F 2/3 haben, Ro (Roma L) .13. Titum 3. Vnd GHIKL 2 Romern B 3 capiteln CDE 5 von dem GL vom dem HIK 8 bůrger F        gefordert L 9 anderer CDL        den] denen CDEGHIKL 10 odder] vnd D 13 freüdiger L        manne CDE        solchs D 15 befelch L        zeü||hest K 16 bedarffstu CDE darffst du L 17 foerchten L 18 zur] zu der F 21/22 scharpffrichter CDEL 22 widder] weder E        kündstu K kündestu L 25 anderst CDEG        Christen HIK 29 erschlecht CDEGKL erschlet HI 30 trifft] treffet F 31 befehl K befelch L        ists] ist K 32 darunder DKL]

 

 

 

[Seite 175a]

 die heiligen streit, als Daniel sagt) und thut also, denn der Tuercke an dir,  was Daniel von yhm sagt, nemlich das er ein heiligen moerder und merterer  mecher1 ist. Zum andern stehet da dein gut sicher gewissen, das du durch  Gottes gebot ynn deins oeberherrn einfeltigem gehorsam erfunden und erstochen  wirst. Und wenns gleich zu wechseln sein solt, soltestu hundert tausent mal  lieber ein Christ, gehorsamer buerger odder ritter vom Tuercken erstochen sein  wollen, denn des Tuerckischen keisers selbs sieg mit alle seinem gut und ehre  haben. Denn wie gesagt du bist gewis ein heilige, wo du so thust, das du  ein Christ bist und ynn gehorsam streitest. Der hymel ist dein, das hat keinen  zweifel, Was ist aber des Tuercken sieg und ehre, ia aller wellt, gegen dem  hymel und ewigem leben?

 

Gedenck, wie woltestu thun, wenn du zur zeit der Merterer gelebt  hettest, da dich auch die boesen keiser und tyrannen erwuerget hetten umb  Christus willen? Odder wie woltestu itzt thun, Wenn dich der Bapst,  Bischoff, unser Keiser odder tyrannen erwuergeten umb des Euangelions willen,  wie denn vielen geschicht? Du muestest dennoch gleuben, das sie dich zum  heiligen und Merterer machten Und gewis sein, das du ynn einem rechten  stand und gehorsam erfunden wuerdest. Was ist nu der Tuercke anders mit  seinem streiten, denn ein solcher boeser tyrann, der Gottes heiligen toedtet und  zu merterer machet, on das der Tuerck mit grosser gantzer macht on unterlas  solchs thut und fuer allen andern viel [Bl. D 1] mehr heiligen macht, wie sichs  denn gebuert am ende der wellt, das der teuffel unserm Herrn Christo ein  gute reiche letze gebe. Lieber, Es ist ein trefflich gros wort, das Daniel sagt:  Der Tuercke solle nicht etliche einzelen heiligen Martern, wie ander Keiser,  sondern mit streit und aller macht angreiffen und sie uber weldigen. Ym  streit aber muessen gar viel mehr heiligen unterliggen, denn der eintzelen  merterer ist, die ausser dem streit hin und widder gemartert werden.

 

So weistu ia wol, das du dennoch ein mal sterben must und keinen  tag noch stunde des todes sicher bist. Wie wenn denn solcher streit widder  den Tuercken eben dein stuendlin sein solt und von Gott also verordent were?  Soltestu nicht lieber, ia dazu mit freuden, dich alda Gott ergeben ynn  einen solchen ehrlichen heiligen todt, da du so viel Goettlicher ursachen, gebot  und befelh hast und sicher bist, das du nicht ynn deinen sunden, sondern ynn  Gottes gebot und gehorsam stirbest, villeicht ynn einem augenblick aus allem  iamer kompst und gen hymel zu Christo auffleugest, Denn das du auff dem  bette muestest liggen und dich lange mit deinen sunden, mit dem tod und

 

 

[ 5 wirdest CDE        soltest du F 8 so] also CDEL 11 ewigen HIKL 12 woelest du D wolstu F 17 machen BF 21 fuer] vor KL 24 soll L 26 mussen B        gar fehlt HIKL        vnterligen CDEI vnterliegen GH vnderligen KL 28 dannocht D 30 verordnet FGHIKL 31 Soltest du L 32 einem HIL eynem K        heihiligen F 33 befelch L 36 muegest F        ligen CDEGHIKL]

 

 

 

[Seite 176a]

 teuffel reissen, beissen, kempffen und ringen ynn aller fahr und not, und  dennoch solche herrliche Gottes befelh und gebot nicht haben? Hie stirbstu  allein fuer dich selbst und frisset dich ein amechtige1 drus2 oder pestilentz dahin,  Dort, spricht Daniel, sterben viel heiligen mit dir, und hast Goettliche, heilige,  liebliche gesellschafften3, die mit dir faren.

 

Summa: Wer kan allerley fahr des todes erzelen4, darynn wir teglich  schweben zu wasser, zu feur, zu feld, zu hause, ynn der lufft, auff erden, So  viel thier5, so viel seuchen sind umb uns, Der fellt vom dach, der vom ros,  der fellt ynn sein messer, etlich hengen, erstechen, erseuffen sich selbs, Der  kompt sonst, der so6 umb, Der wird umb gellts willen, der umb eins weibs  willen, der umb eins worts willen, Ja etlich umb wolthat willen erschlagen,  So mancherley toede muessen wir teglich gewarten und wagens etlich mit  freuden, da doch kein redlich ursach noch Goettlich befelh ist, dazu die hinfart  ferlich und mislich ist, wie man dort ankome, Und solten uns hie so faul  odder verzagt stellen, da wir gewissen Gottes befelh und gefallen haben, unser  oeberkeit zu gehorchen mit leib und gut, Dazu so wir Christen funden werden,  gewis das ewige leben mit den heiligen haben. Were doch solcher tod zu  suchen an der welt ende, wenn das stuendlin da ist, Und wer sich solchs nicht  bewegen lesst, dem were kein billicher fluch zu wuendschen, denn das er zum  Tuercken fiele und ein Tuercke wuerde, des teuffels leibeigen, wie sein herr der  Tuercke ist, von Gott zum tode und der hellen verdampt.

 

Solchs alles rede ich fuer die, so Christen sind odder gerne weren, das  sie wissen, wie sie sich zu dieser zeit richten und troesten sollen, das sie nicht  zu fast erschrecken fuer dem Tuercken noch fur dem teuffel, seinem Gott. Denn  wenn der Tuercke die Christen (so es mueglich were) schon alzumal fresse, hette  er [Bl. D ij] damit nichts gewonnen, denn das sein verdamnis deste groesser  wuerde und deste eilender keme und die Christen deste ehe gen hymel fueren.  Er sey so zornig und wueetig als er ymer wil, mit allen teufeln dazu, so  mus er knecht und diener sein der Christen Und eben damit zu yhrem besten

 

 

[ 2 befelch L        stürbstu L 3 onmaechtige K onmechtige L 6 erzoelen L        darinnen CDGHIKL darynnen E 7 in dem lufft KL 8 seuchten GHKL        fellet BF 10 koempt BF        geldes HI geltes K 12 warten HIKL 13 goettlicher L        befelch L 15 befelch L 19 zůwuenschen CDKL zu wuenschen EFGH 21 der fehlt FGHIKL 24 fuer] vor KL        fur] fuer B vor KL 25 ehs jhm müglich K 26 gewunnen CDEGHKL        verdamnüß CDE 28 wuetig L        woell L]

 

 

 

[Seite 177a]

 helffen, damit er sie meynet zu verderben. Denn da stehet Daniel und spricht,  [1. Petri 3, 13] Es seyen heiligen, die er schlegt und wuerget, So spricht S. Petrus: ‘Und wer  ists der euch schaden kan, so yhr dem guten nach strebt?’ David auch ym  [Ps. 116, 15] hundert und funfftzehenden Psalm: ‘O wie koestlich ist fuer dem Herrn der tod  [Ps. 72, 14] seiner heiligen’ Und ym ein und siebentzigsten Psalm: ‘Und yhr blut ist theur  fuer seinen augen’. Solche und der gleichen troestliche, herrliche sprueche machen  ein solch urteil, das der Tuerck sey ein heiligen moerder und thu yhm selbs  damit den groesten schaden ewiglich, Widderuemb das sein zorn und morden  muesse hie zeitlich dienen und helffen den Christen zu grosser ewiger herrligkeit  on seinen danck1, on seinen willen und wissen.

 

Wer teusscht und mordet nu hie den andern am besten? Der Tuercke  mordet die Christen zeitlich zum ewigen leben, Aber eben ynn dem selbigen  mordet er sich selbes zum ewigen hellischen feur mit allen teuffelen. Denn  die Christen haben zu herrliche mechtige sprueche, wie gehoert, Und Daniel  heisst sie heiligen und den Tuercken einen heiligen moerder. Da wird er nicht  viel an gewinnen und die Christen nicht viel verlieren, Aber so sol der  Mahometh mit den seinen bezalet werden und die Christen an sich selbs  rechen und seinen lohn von sich selber empfahen. Daruemb halt ich das nicht  fuer ein meisterstueck, das der Tuercke die Christen zu schrecken yhre kindlin zu  hewet, zu sticht und auff den zaunstecken spiesset und was sonst nicht fort  kan alles erwuerget und grausam handelt. Es ist mehr ein gros narren stueck2  auch fuer der welt, Denn damit wuerde kein frum man sich schrecken lassen,  das er sehe sein kind und weib zu hacken und zu spiessen, sondern viel mehr  zornig und bitter werden und vollend hinan setzen und wagen strumpff3 und  stil, und was da noch ubrig were. Und ob er tod were, wuerden odder solten  yhe die andern ubrigen deste bitterer und zorniger werden, auch alles vollend  an die teuffels gelieder zu wagen.

 

Aber fuer den Christen ist solche wueeterey viel weniger schrecklich, Denn  die wissen, das solche gespiessete und zu hackte elende kindlin und frume leute  eitel heiligen sind Und das yhn der Tuercke das hunderste teil nicht kuendte so

 

 

[ 2 sein HIKL        schlecht CDEGHIKL 3/4 im 116. Psalm GHIL im cxvj. psal. K 4 fuer] vor KL 5 im 72. Psalm GL im .72. Psal. HI im lxxij. Psal. K 6 fuer] vor KL 10 an alle (allen L) seinen (1) GHIKL 11 teusscht] kriegt L        nu hie] nun hie CE hie nun D 13 selber L 15 einen] ein L 18 sich] jm L        selbert K        entpfahen L 19/20 zerhauwet L 20 zůrsticht K zersticht L        furt D 22 fuer] vor KL        from I 23 zůrhackē K zerhackē L        zůr spissenn K zerspissen L 24 stumpff CDEGHIKL 25 stuel L 27 glider CDEKL gelid' F glieder G 28 fur] vor KL        wieterey K wueterey L 29 zurhackte CDEGI zurhackete HK zerhackte L        frome I from̄e K 30 jnen KL        hundertste L]

 

 

 

[Seite 178a]

 viel guts thun, wenn er ein iglichs auch zum Tuerckischen keiser selbs machete,  als er damit thut, das er sie aus des teuffels zorn so grausam handelt.1  Denn er opffert sie damit Gott ynn den hymel Und kuendte auch alle welt  sich nicht so reichlich und herrlich an yhm rechen, als er an sich selbs solche  leute rechet, Denn er stoesset sich selbs damit ynn abgrund der hellen. ‘Ja,  sprichstu, Des lachet er und fragt nichts darnach mit allen den seinen!’  Wolan, er sols auch lachen, dazu nicht werd sein, das ers gleuben odder  erkennen solle, Christus wird yhn das lachen bald vertreiben und [Bl. D iij]  das alles wol lernen. Denn ich dis (wie gesagt) den Christen schreibe zu  [Apg. 2, 11] trost und nicht den Tuercken odder Tuercks genossen zu lachen. Daniel hat yhm  fuer uns allen gnug geschrieben, da er yhn einen feind und lesterer Gottes  zum hellischen feur verdampt, verkuendigt. Wird Daniels schrifft veracht, so  ligt nichts dran, ob unser schrifft auch verlacht werde, Wir haben den text,  der uns nicht leugt noch treugt, das2 Gottes heiligen sind, widder welche der  Tuercke streit. Sinds heiligen Gottes, so fragt ein Christen3 nicht gros  darnach, wie grausam der Tuercke odder der teuffel mit den kindlin und  Christen eusserlich am leibe umbgehet: Es muessen doch Engel da sein, die auff  yhre seele warten und sie auff den henden tragen und gen hymel bringen.

 

[Ps. 91, 11 f.] Denn es stehet geschrieben ynn dem neuntzigsten Psalm: Er hat seinen  engeln befelh uber dir gethan, das sie dich auff den henden tragen, auff das  du deinen fuss nicht an einen stein stossest, So spricht auch Christus Matthei  [Matth. 18, 10] am achtzehenden: Jch sage euch warlich, das yhr engele sehen allezeit das  [2. Kön. 6, 17] angesicht meines Vaters ym himel. Wir lesen ynn der koenige buecher vom  propheten Elisa, wie er gantze berge vol feuriger wagen und reuter umb sich  seinem diener zeigete widder die Syrier. So dazu mal so viel Engel umb  die Stad waren zum leiblichen schutz, wie viel mehr, meinstu wol, das hie  ynn solchem streit die Engel da sind, empfahen und beschuetzen geistlich die  seelen der Christen odder wie Daniel sagt der heiligen Gottes? Das aber die  Christen nicht allezeit werden beschuetzt leiblich von den Engeln, wie ym alten  testament, hab ich droben angezeigt, Das Christus wil und mus hie auff  erden leiden, schwach sein und sich toedten lassen, auff das sein reich eilend

 

 

[ 2 handlet K 4 sich (1.)] sy K        sich (2.)] jm L 5 selber L 8 soll L        yhn] jhm D jm HIKL        bald] wol HIKL 9 leren CDEGHIKL 11 fuer] vor L 12 helschen F        verdampt, vnd verkuendigt CDEGHIL verdāpt vnnd verkündigt K        Danielis BFGHIKL        verlacht I 13 veracht F 14 treuget BF 15 Christ FGHIKL 17 vmgehe F 18 seelen D 19 dem 91. Psalm GHIL dem xcj. Psalm K neuntzigisten CDE 20 befolhen vber (über L) dir, das GHIKL 21 ein L 22 jhre (jre GHIKL) Engel CDE GHIKL 23 Künig K Koenig L 24 waegē CDE 25 Syrer GHIKL 27 emfahen F entpfahen L ]

 

 

 

[Seite 179a]

 gemehret und vol werde. Denn sein reich ist nicht leiblich auff erden,  Daruemb ist sein streit am sterckisten, wenn viel leiden da ist und viel  merterer werden, wie er S. Paulo antwortet ynn der andern Episteln zun  [2. Kor. 12, 9] Corinthern am zwoelfften Capitel: Las dir benuegen an meiner gnaden, Denn  meine krafft wird volkomen ynn schwacheit.

 

Also thun ynn diesem fal die Christen auch, Lassen yhn benuegen an der  gnade, das sie Christen und Gottes heiligen sind, durch unsern Herrn Christum,  wie Daniel sagt, Und wenns nicht anders sein wil, lassen sie den Tuercken  ymer hin siegen, rhuemen und pochen, bleiben sie schwach und lassen sich  martern, Denn sie sehen das, gleich wie bey yhrem sterben eitel Engel sind,  die auff yhre seele warten, Also widderuemb yns Tuercken heer eitel teuffel sind,  die auff der Tuercken seele warten und sie ynn abgrund der hellen stossen,  Nicht das sie waffen und wehre von sich werffen und sich also von den Tuercken  wehrlos ermorden lassen solten, wie die Merterer ausser den kriegs hendeln  gethan haben, und noch thun und thun sollen, Sondern weil die Christen mit  leib und gut Weltlicher oeberkeit unterworffen sind Und sie alle, ein iglicher  von seiner oeberkeit zum streit widder den Tuercken gefoddert und beruffen  werden, sollen sie thun als die trewen gehorsa[Bl. D 4]men unterthanen (wie  sie denn gewislich thun, so sie rechte Christen sind) und mit freuden die faust  regen und getrost drein schlahen, morden, rauben und schaden thun, so viel  sie ymer muegen, weil sie eine ader1 regen koennen. Denn solchs gebeut yhn  yhr welltliche oeberkeit, welcher sie gehorsam und solchen dienst schueldig sind,  [Röm. 13, 1] Und Gott von yhn wil haben bis yn den tod hinein, zun Roemern am  [Tit. 3, 1] dreyzehenden, Titum am dritten Capitel.

 

Gleich wie vorzeiten die heiligen merterer (wie droben gesagt) gethan  haben, Wenn sie vom Keiser etwa widder einen Tyrannen odder ander feinde  gefoddert wuerden, worffen sie freylich nicht die waffen und wehre von sich  und liessen sich ermorden, wie der Tyrann wolt, Denn damit hetten sie yhrem  Keiser nicht wol gedienet, ia viel schadens gethan, Sondern sie haben trewlich

 

 

[ 1 leidlich L 2 stercksten CDEGL sterckesten HIK 3 ander F        Epistel CDE 3/4 antwortet, 2. Corinth. 12. Las (Laß L) GHIL antwortet, ij. Corinth. xij. Laß K 4 dir] dich L 6 thůnd CD thund E        yhn] jhnen CDE jnen GK sich L 12 stoessen K 17 geforddet H gefordert KL 18 trewen vnd gehorsamen CD 20 schlagen F 21 moegen L        künnen K 22 solche F 23/24 hinein, Rom. 13. Titum 3 GHI hinein, Rom. xiij (13 L). Titum iij (3 L). KL 24 capiteln CDE 26 etwan L 27 gefordert IL        wurden BFIKL        warffen L]

 

 

 

[Seite 180a]

 die faust geregt und nach yhrs herrn gebot froelich drein gestochen und gehawen,  Als die freylich wol gewust und gedacht haben, das sie auff das mal nicht  als Christen sondern als diener und unterthanen des Keisers mit leib und  gut gefoddert waren zu streiten, zu wuergen, und den feinden schaden zu thun  Und welche darueber sind erschlagen, sind eitel heiligen worden, als die nicht  allein rechte Christen, sondern auch frume gehorsame trewe unterthane erfunden  sind. Also sollen itzt die Christen auch thun, Denn der Tuerck ist ein feind  und Tyrann nicht allein widder Christum, sondern auch widder den Keiser  und unser oeberkeit. Foddert sie nu die oeberkeit, sollen sie zihen und drein  schmeissen wie gehorsame unterthanen. Werden sie darueber erschlagen, Wolan  so sind sie nicht allein Christen, sondern auch gehorsame trewe unterthanen  gewesen, die leib und gut ynn Gottes gehorsam bey yhre oeberherrn zugesetzt  [2. Sam. 11, 17] haben, Selig und heilig sind sie ewiglich, wie der frume Urias.

 

Aber weil der Tuercke gleichwol Gottes rute und eine plage ist uber die  sunde beide der Christen und unchristen odder falschen Christen, so sol sich  solches trostes und trotzes, davon bis her gesagt, nicht ein iglicher an nemen  Und tolkuene daher faren und sprechen ‘Jch bin ein Christ, Jch wil dran’,  Sondern zuvor sich bekeren und sein leben bessern und also mit furcht und  ernstlichem gebet zu solchem trost und trotz komen. Denn ich hab droben  gesagt, weil Deudsch land so vol bosheit und lesterung ist, das1 zu hoch uber  macht2 ist und yn hymel schreyet, kans nicht anders werden, wo wir uns nicht  bessern und ablassen von verfolgung und lesterung des Euangelij, wir muessen  herhalten3 und eine staupe leiden.4 Wo es der Tuercke nicht thut, so mus  doch etwas anders thun, Es were denn, das der tuengst tag selbs keme. Es  kome aber staupe odder iuengster tag: Wer Christen ist und sich gebessert hat,  der kans erleiden und wird selig, Die andern muessen gestrafft und verloren  werden. Von diesem stuecke, das man sich bessern und beten solle, habe ich

 

 

[ 2 mal] maul I 4 gefordert L 5 wilche F 6 rechte fehlt GHIKL        frome GHI from̄e KL        vnterthanen CD vnderthonen L 7 sind] worden seind L 9 Fordert L        dareyn D 10 schmeissen] schlagen L        druber F 12 jhren CDEL jre G jr K 13 frome GHI from̄e K 15 solle CDEGHIK 16 trutzes L 17 daran F 18 bekoeren L        forcht CDEFKL 19 erstlichem H        sollichem K        trutz L 20 Deuschland HI Deütschlandt K 23 staupe] strauß L        mus es GHI můß es KL 24 doch fehlt F        Juengstag HI 25 staupe] strauß L        Juengstertag HI 26 mussen BF 27 Von] Vom F stucke B        sol CDEGHIK soll L]

 

 

 

[Seite 181a]

 gnugsam geschrieben ynn ihenem buechlin vom Tuercken kriege, das nicht not  widderuemb hie zu erholen.

 

[Bl. E 1] Das sey gnug vom ersten teil dieser predigt, nemlich die  gewissen zu unterrichten und troesten. Nu woellen wir das ander fuer uns  nemen, Auch die faust zu vermanen, das ist, das man leib und gut dran  wagen und williglich dran strecken solle, Und wo die oeberkeit zu diesem streit  [Röm. 13, 6] schatzung foddert, das man die selbigen gebe, wie man schueldig ist, zun Roemern  am dreyzehenden. Desselbigen gleichen, wo sie die person odder leib foddert,  sol man auch zulauffen, denn da hat Got gehorsam geboten. Denn unser  Jungkern vom Adel haben bis her gnug gebrasset, geschlemmet, gerennet,  gestoltzirt1, gebranget mit alzu uberfluessiger kost und kleidung, dadurch sie  alles gellt aus Deudschem lande geschut und sich (on was der sunden widder  Gott ist) an leib und gut verderbet. Es ist zeit, das sie auch yhren stand  und ampt beweisen und ein mal mit ernst sehen lassen, das sie vom adel sind.  Desselbigen gleichen auch die buerger und kauffleut mit ubermessigem schmuck  und unzelichem wucher und geitz lange gnug yhre lust gebuesset, Haben sie so  viel hundert tausent guelden so lange verkleidet, verthan odder versamlet2,  sollen sie auch ein mal eine busse dauon geben umb yhrer hoffart willen,  dazu sie bis her so guten stillen fride gehabt und des missebraucht.

 

Also auch der handwercks und baurs man, haben so lange her mit ubersetzen,  schinden, stelen und rauben, neben andern grossen mutwillen und ungehorsam  eine redlich busse wol verdienet, sonderlich sint der zeit das Euangelion  an tag ist komen, dadurch sie frey und reich geworden, von allen schindern  und bettlern3 erloest, das sie meinen, sie duerffen Gott nicht mehr geben noch  allen seinen dienern, sondern allein zu sich scharren und reissen auff dem  marckt durch ubersetzen, gleich als aus dem beutel stelen. Dazu sie bisher  grossen fried gehabt, gesoffen, getantzt und gesungen haben ynn aller sicherheit.  Wolan, was sie ersparet, gestolen und gesamlet haben, was sie yhren Predigern  und Pfarherrn entzogen, das sollen sie bruder Veiten den landsknechten zu samen  bracht haben und keinen danck dazu haben.4 Die Fuersten sollens on alle

 

 

[ 1 ihenem] einem HIKL 2/3 zuerholen. Das ander Teil der Heerpredigt. DAS HIK Das ander Teil (Teyl L) der Heerpredigt (Heerpredig L). DAS GL 3 predig L 4 fur BF 7 schuldig BF 7/8 ist, Rom. (Roma. L) 13. (xiij. K) GHIKL        am xiij. capitel CD 8 fordert L 9 vnsern BF 10 Junckern CDEGK Junckhern L 11 gestolt-zeirt F        alzu] zů vil L        vberflussiger B vberflussyger F 15 burger BF 16 vnzeligē F vnzoelichem L        jren lust L        gebusset BF 17 gulden BF 18 jr K jhrer L 19 friede F 21 anderm GHIK anderem L grossem K 22 ein HIKL        redliche FHIKL        sint] seind CDE seyt K seidt L 23 dardurch G        worden L        schindlern F 24 durffen BF        doerffen L 27 getantz F]

 

 

 

[Seite 182a]

 barmhertzigkeit von yhn nemen und kriegs volck damit halten, Quod non  tollit Christus, tollit fiscus, So sol es gehen. Hastu nicht woellen einen guelden  geben zum frieden, Gotte zu liebe und dienst, so gib nu zehen odder zwentzig  zum streit, Gotte zur straffe und busse. Haben wir guts empfangen von dem  [Hiob 2, 10] Herrn (spricht Hiob) waruemb woellen wir das boese auch nicht leiden?

 

[Pred. 3, 1] Es hat ein iglichs thun seine zeit, Spricht Salomon Ecclesiastes am  ersten, Bisher ists fridens zeit gewest, nu ists streitens zeit, Bisher brassens und  brangens zeit, Nu aber sorgens und erbeitens zeit, Bisher wucherns, stelens,  scharrens zeit, Nu aber ausgebens, bezalens und ausstrewens zeit, Bisher  essens, trinckens, tantzens, freuden, lachens zeit, Nu aber traurens, schreckens,  fuerchtens, weinens zeit, Bisher ringens, schlaffens, muessiggehens, sicher lebens  zeit, Nu aber [Bl. E ij] wachens, unruge, schaffens, werens zeit. Haben wir  ihene gute zeit kund gerne haben und dennoch Gotte nichts dafuer dancken noch  erkennen, So last uns nu diese boese zeit auch dulden und dran lernen fuer  ihene gute zeit dancken. Ja, Wenn Gott ymer gute zeit gebe und liesse uns  drinnen mit aller bosheit und mutwillen die erden fuellen bis an den hymel  hinan und hies uns dazu lieben Junckern, das moechten wir leiden, und sind  also der guten tage und fridens ynn aller bueberey gewonet. Nu wills uns  faul thun1, das auch boese zeit und unfride koempt, Und woellen scheel und saur  sehen, schatzung zu geben odder selbes zu reisen, Ja man muests uns bestellen.2  Warumb hastu zuvor nicht gehorcht, da man dir Gottes wort sagt, So hoere  nu den teuffel ym Tuercken, der du Gott nicht hoeren woltest ynn Christo.

 

Sperrestu dich aber und wilt nicht geben noch reisen, Wolan, so wird  dichs der Tuercke wol lernen, Wenn er yns land koempt und thut dir wie er  itzt vor Wien gethan hat, Nemlich, das er keine schetzung noch reise von dir  fordert, sondern steckt dir haus und hoff an, nympt dir vihe und futter, gellt  und gut, sticht dich zu tod (wo dirs noch so gut wird), schendet odder wuerget  dir dein weib und toechter fuer deinen augen, zuhacket deine kinder und spiesset  sie auff deine zaunstecken, Und must dazu, das das ergeste ist, solchs alles  leiden und sehen mit boesem verzagtem gewissen als ein verdampter unchrist,  der Gott und seiner oeberkeit ungehorsam gewest ist, odder fueret dich sampt  yhn weg ynn die Tuerckey, verkeufft dich daselbs wie einen hund, das du dein

 

 

[ 1 yhnen E jhnen CD jnen GKL 2 Hast du L 3 friden F        zweintzig K 4 entpfangen L 5 Herren B her||ren F        wolten L 6/7 am ersten] 1. GHIL j. K 7 ist friedens HI ist fridens KL fredens F        ist streytens K 11 foerchtens L 12 vnrůhe CDKL vnruhe EGHI 13 kündē K koennen L        zůdancken K 16 erde F Erde HIK erd L        erfuellē EGHIKL 17 Junckhern L 21 Waruemb B        hast du K 23 Sperrestu du IK        wilst GHIK 24 leren CDEGHIKL 25 vor] fur I 26 foddert BFGHI        hoef K        viehe F vich L 28 Tochter F Toechtern K        für] vor CDEGHIKL        zerhacket K zerhackt L 29 ergerste F 30 verzagtē E verzagten GHIL 31 fieret K 32 weg] hinweg L        daselbst CDEGHIKL        einen] ein GHIL ain K]

 

 

 

[Seite 183a]

 leben lang must umb ein stueck brods und trunck wassers dienen ynn stettiger  erbeit tag und nacht, mit ruten und knuettlen getrieben und dennoch keinen  lohn noch danck1 verdienen, Und wo ein sturm sol geschehen, mustu der verloren  hauffe sein2 und alle erbeit ym heer thun, Uber das kein Euangelio hoeren,  Nichts von Christo und deiner seelen seligkeit lernen, Als denn wuerdestu gern  von zwo kueen eine zur schetzung3 geben, Gerne wuerdestu selbs die helfft deiner  guetter auch anbieten, gerne selbst unter deinem Fuersten reisen, gerne einen  Prediger selbs erneren, der dir ym iar viermal predigte, und wird alles  umbsonst sein. Sihe, das wiltu haben, darnach ringestu itzt, Denn der Tuercke  ist der man, der dich lernen wird, was du itzt fuer gute zeit hast und wie  iemerlich, undanckbarlich, boeslich du sie widder Gott, seine diener und deinen  nehisten zubracht, verseumet und missebraucht hast. Der Tuercke weis den Adel  zu mustern und zu demuetigen, die buerger zu zuechtigen und gehorsam zu machen,  die baurn zu zemen und den mutwillen zu buessen. Daruemb dencke und sey  frum und bitte Gott, das der Tuercke nicht dein schulmeister werde, das rat  ich dir. Er hats vor Wien alzu grewlich beweiset, wie ein wuester unsauber  zuchtmeister er sey.4

 

Jch wolt wuendschen (wo uns unser sunde fuer Got so viel witze und  mut liessen) das alle Deudschen so gesinnet weren, das sich kein flecklin noch  doerfflin plundern noch weg fueren liessen vom Tuercken, [Bl. E iij] Sondern  wenns zu solchem ernst und not keme, das sich werete was sich weren kund,  iung und alt, man und weib, knecht und magd, bis das sie alle erwuerget  wuerden, dazu selbs haus und hoff abbrenneten und alles verderbeten, das die  Tuercken nichts fuenden, denn Junge kindlin, welche sie doch on das spiessen  und zu hacken, wenn sie uns lebendig wegfueren, und wir den selbigen doch  nicht helffen koennen, Und das solchs geschehe mit vorgehendem gebet zu Gott,  darynn sie alles seiner gnaden befolhen und als ym gehorsam der oeberkeit wie

 

 

[ 2 knuetteln BGHIL knůtteln F knitlen K 4 heer] Hoer K 5 wurdest du F        gerne BF 6 zwů K        wuerdest du F        selbest HI selbst K 7 auch fehlt HIKL        selbst] selbs CDE FHIL sels G wurdestu selbs K 8 ernoeren KL        würdt K wirt L 10 leren CDEGHIKL 11 undanckbarlich fehlt F 12 nehesten CDEGHI Nechsten K nechsten L        waist K 13 vnd demuetigē K 15 from K 16 vor] fur HI        alzu] zůuil L 17 Zuchmeister H 18 wuenschen CDEKL wundschen F        fuer] vor KL 19 liesse L 20 plinderenn K plünderen L        ließ F 21 woeret L        woeren L        kuend BF kündt L 22 jung vnd vnd alt H        maegdt L 25 zerhacken L 26 künnen KL]

 

 

 

[Seite 184a]

 droben gesagt. Es were yhe beser, das man den Tuercken ein leer land liesse  denn ein volles, Und wer weis, was solche thurst schaffen wuerde bey den  Tuercken? Werden wir weggefurt, so haben wirs viel erger, denn so wir  erwuerget werden, wie droben gehoeret, Und ist grosse fahr, das wir ynn der  Tuerckey vom Christlichen glauben zum Tuerckischen glauben fallen wuerden,  zum teuffel ynn die helle hinein.

 

Schreiben doch die Roemer1 selbs von der Deudschen weiber, das sie vorzeiten  eben so wol als die menner zu felde gezogen und gestritten haben, Und  welche magd odder iungfraw nicht hat einen feind erwuerget, hat zur straffe  muessen iungfraw bleiben. So schreiben die newen historien von den Tuercken,  da sie zu Lemno2 ynn Griechen land sind eingefallen und den thorhueter  erstochen, hat die tochter des thorhueters, da sie den vater tod gesehen, seine  were genomen und den Turcken ym thor so lange geweret, bis die burger  dazu komen sind und die Tuercken vertrieben haben. Thun doch die Tuercken  selbs auch also, das sie sich ehe und lieber erwuergen denn fangen lassen Und  nemen keine gefangene widder an, ob sie gleich gerne widder heim wolten.

 

Denn ich achte kein heuslin so geringe, wo man sich draus weren wolte,  die feinde muesten har3  drueber lassen. Doch solchs alles wissen die kriegsleute  besser denn ich, der ich mich auff solch gelegenheit und leuffte4 nichts verstehe,  Sondern davon rede ich, weil es doch ynn solchem fall mus gewagt sein Und  keiner gnaden bey dem Tuercken zu hoffen ist, wenn er uns weg fueret, sondern  alles unglueck, hon und spot leiden muessen leiblich, dazu ynn geistlicher  ferlickeit der seelen des worts beraubt sein und yhr ergerlich Mahometisch  leben sehen muessen, so decht ich, es were das beste, Gott sich befelhen Und  aus gethaner pflicht und gehorsam der oeberkeit sich weren so lange und mit  wasser weise man ymer koendte und sich nicht fangen lassen, sondern wuergen,  schiessen und stechen ynn die Tuercken, bis wir da legen. Denn das du umb  der iungen kindlin willen gedechtest dein leben zu behalten, ist nichts, Weil  du gehoeret hast, das die Tuercken solche kindlin und was sie nicht mit fueren

 

 

[ 1 dem Tuercken GHIKL 2 solcher durst L 2/3 dem Türcken L 3 habens wirs F 4 gefahr CDE 5 von dem L 9 iunffraw F 10 jūgffraw mussen F ein jungkfraw L 13 woer L        angenommen EKL        angenomen GHI        Tuercken B        gewoeret L        buerger BF 15 fahen L 17 woeren L 19 leuffe K leüff L 22 hon] haben L 23 ferligkeit BFHIK faerligkeyt L 26 wasser] welcherley CDEGHIKL        kündte KL        fahen L 27 ligen I 28 gedechst K gedaechtest L 29 mit fehlt L]

 

 

 

[Seite 185a]

 muegen alles erstechen, zu hacken und spiessen, das du doch yhn widder helffen  noch retten kanst, sondern allein groessern iamer und elend dran sehen must.

 

Und ob sie gleich die kindlin mit dir weg fuereten, so darffestu nicht  hoffen, das sie die selbigen lassen bey dir bleiben, da wird nicht aus, Man  verkeufft ynn der Tuerckey die gefangene Christen wie [Bl. E 4] das viehe und  wie die sew, achtet nicht Wer hie vater, mutter, kind odder weib sey, Da  wird das weib dorthin, der man hieher verkaufft, Also gehets auch mit elltern  und kindern zu, das keins bey dem andern gelassen wird, wie die keuffer und  verkeuffer wollen, Das doch allenthalben besser were daheymen ym hause sich  weren und erwuergen lassen ynn Gottes willen und der oeberkeit gehorsam,  denn sich ynn solch ferlich, schendlich gefengnis geben. Das ist mein guter  wundsch, Aber ich halt es wil wol ein wundsch bleiben, Denn ich solchs sage  meinen lieben Christlichen Deudschen zu gut, so da gerne wollen unterricht  sein, Die andern beduerffen nichts, haben selbs gut duenckel sack und fas vol1,  Aber wollen wir mit dem Tuercken streiten und uns weren, so werden wir  muessen andere und new gedancken fassen und uns anders schicken und  gewehnen, beide mit hertz und hand, denn wir bisher gewohnet sind.

 

Hiebey mus ich auch eine vermanung thun und einen trost geben den  Deudschen, so bereit ynn der Tuerckey gefangen sind odder noch gefangen  [Jer. 29, 1 ff.] moechten werden, gleich dem exempel nach des heiligen propheten Jeremia,  welcher auch einen brieff schreib gen Babylonien und vermanet seine gefangene  Jueden das sie solten gedueltig sein ym gefengnis und ym glauben feste bleiben  bis auff die zeit yhrer erloesunge, das sie sich nicht ergern solten an der  Babylonier glauben und Gottes dienst, welcher gros war und treflichen schein  hatte, das gar viel Jueden dahin fielen, wie ich denn hoere und lese, das auch  die Christen seer abfallen und des Tuercken odder Mahomethts glauben  williglich und ungezwungen an nemen umb des grossen scheins willen, den  sie haben ynn yhrem glauben. Darumb merck auff mein lieber bruder, las  dich warnen und vermanen, das du ia ym rechten Christen glauben bleibest  und deinen lieben Herrn und heiland Jhesum Christum, der fur deine sunde  gestorben ist, nicht verleugnest noch vergessest.

 

 

[ 1 mugen B mugen mit fueren (S. 184, 29) F moegen L        zerhacken L        jhnen CDE jnen KL        wider CEG weder DKL 2 retten] raten GHIKL 3 fureten B fueren HIKL 4 nichts L 5 Turckey B        gefangene fehlt F gefangnen L        vich L 6 saw L        vnnd achtet gar nicht F 7 mit den eltern CDEGHIKL 11 schendlig I 12 wunsch (beidemal) CDEL (das erstemal) K 13 wolten L 14 bedorffen F        beduerffens nichts GHIK bedoerffens nit L 15 dem] den BHL 16 uns] was GHIK etwas L 17 gewoenen L        gewoenet L 19 bereit] schon L 21 schrib L 22 Gefengnus G 23 solten fehlt CDE 24 treffenlichen CDEG 25 lese] liß L 29 rechen A]

 

 

 

[Seite 186a]

 So lerne nu, weil du noch raum und stat hast, die zehen gebot, dein  vater unser, den glauben und lerne sie wol, sonderlich diesen artickel da wir  sagen ‘Und an Jhesum Christ seinen einigen Son unsern Herrn, der empfangen  ist vom heiligen geist, geborn von der iungfrawen Maria, gelitten hat unter  Pontio Pilato, gecreutzigt, gestorben und begraben, Nidder gefaren zur hellen,  Am dritten tag aufferstanden von den todten, auffgefaren gen hymel, sitzend  zur rechten Gottes des allmechtigen Vaters, von dannen er komen wird zu  richten die lebendigen und die todten &c..’ Denn an diesem artickel ligts, von  diesem artickel heissen wir Christen und sind auch auff den selbigen durchs  Euangelion beruffen, getaufft und ynn die Christenheit gezelet und angenomen,  und empfahen durch den selbigen den heiligen geist und vergebung der sunden,  dazu die aufferstehung von den todten und das ewige leben. Denn dieser  artickel macht uns zu Gottes kinder und Christus bruder, das wir yhm  ewiglich gleich und mit erben werden.

 

[Bl. F 1] Und durch diesen artickel wird unser glaube gesondert von allen  andern glauben auff erden, Denn die Jueden haben des nicht, Die Tuercken und  Sarracener auch nicht, dazu kein Papist noch falscher Christ noch kein ander  ungleubiger, sondern allein die rechten Christen. Darumb, wo du ynn die  Tuerckey komest, da du keine prediger noch buecher haben kanst, da erzele bey  dir selbs, es sey ym bette odder ynn der erbeit, es sey mit worten odder  gedancken, dein Vater unser, den Glauben und die Zehen gebot, und wenn  du auff diesen artickel koempst, so drucke mit dem daumen auff einen finger  odder gib dir sonst etwa ein zeichen mit der hand odder fuss, auff das du  diesen artickel dir wol einbildest und mercklich machest, Und sonderlich, wo  du etwa wirst ein Turckisch ergernis sehen odder anfechtung haben. Und bitte  mit dem Vater unser, das dich Gott behuete fuer ergernis und behalte dich  rein und feste ynn diesem artickel, Denn an dem artickel ligt dein leben und  seligkeit. Eben so vermanet S. Jeremias seine Jueden auch zu Babylonien,  wenn sie die guelden und sylbern goetzen sehen wuerden, solten sie an yhren Gott  zu Jerusalem gedencken und bey sich sprechen: Herr, dich allein sol man  anbeten &c.. Also thu hie auch, Wo du bey den Tuercken wirst etwa sehen  einen grossen schein der heiligkeit, so las dichs nicht bewegen, sondern sprich:  Und wenn du ein Engel werest, so bistu dennoch nicht Jhesus Christus, Herr  Jhesu an dich gleube ich alleine, hilff mir &c..

 

 

[ 1 weil] die weyl CDE 3 Christum F        entpfangen L 4 hat fehlt CDEGHIKL 5 Poncio CDEG 8 &c.. fehlt K 10 gezoelt L 11 entpfahen L        selben L 13 kindern L        brueder BEFKL 15 glauben GHIKL        gesündert L 19 kompst L        keinen L        erzoele L 20 Boette K 21 gepot B 22 kompst BFL kumpst K        einen] ein CDE den GHIKL 23 sunst KL        etwan L 25 wirdest CDE        Tuerckisch B 26 fur BF vor KL 27 dem] diesem I 28 Eben also CDEGHIKL        auch fehlt CDEGHIKL 29 silberin L 30 solle CDEGHI soll KL 31 wirdest CDE etwa wirst L 32 dichs] dich EGHIKL 33 dennocht C dannocht D]

 

 

 

[Seite 187a]

 Unter andern ergernissen bey den Tuercken ist das wol das fuernemeste, Das  yhre priester odder geislichen1  solch ein ernst, dapffer, strenge leben fueren,  das man sie moecht fuer Engel und nicht fuer menschen ansehen, das mit allen  unsern geistlichen und moenchen ym Bapstum ein schertz ist gegen sie. Offt  werden sie auch entzueckt, auch uber tissch bey den leuten, das sie sitzen als  weren sie tod, Thun auch zuweilen grosse wunderzeichen dazu, Wen solt nu  solchs nicht ergern und bewegen? Du aber, wenn dir solche fuerkomen, So  wisse und gedencke, das sie dennoch nichts von deinem artickel odder von  deinem Herrn Jhesu Christo wissen noch halten. Darumb so mus es falsch  sein, Denn der teuffel kan auch ernst sein, saur sehen, viel fasten, falsche  wunder thun und die seinen entzuecken, Aber Jhesum Christum mag er nicht  leiden noch hoeren. Daruemb so wisse, das solche Tuerckische heiligen des  teuffels heiligen sind, die durch yhre eigen grosse wercke wollen frum und selig  werden und andern helffen on und auffer dem einigen heilande Jhesu Christo,  und verfueren also beide sich selbs und alle andere, die diesen artickel von Jhesu  Christo nicht wissen odder nicht achten aller dinge, wie uns unser Moenche  haben woellen zum hymel helffen mit yhrer eigen heiligkeit.

 

Zum andern wirstu auch finden das sie ynn yhren kirchen offt zum  gebet zu samen komen und mit solcher zucht, stille und schoenen eusserlichen  geberden beten, das bey uns ynn unsern kirchen solche zucht und stille auch  nirgent zu sinden ist. Denn da sind die weiber an sonderlichem ort und so  ver[Bl. J ij]huellet, das man keine kan ansehen, das auch unsere gefangen brueder  ynn der Tuerckey klagen uber unser volck, das nicht auch ynn unsern kirchen  so still, ordenlich und geistlich sich zieret und stellet. Sihe, das moecht aber  mal ein solchen gedancken geben ynn dein hertz und sagen: Fuer war, So fein  halten und stellen sich die Christen nicht ynn yhren kirchen &c.. Da druecke  aber mal mit dem daumen auff einen finger und dencke an Jhesum Christum,  den sie nicht haben noch achten, Denn las sich zieren, stellen, geberden wer do  wil und wie er wil, gleubt er nicht an Jhesu Christ, so bistu gewis, das  Gott lieber hat Essen und trincken ym glauben, denn fasten on glauben, lieber  wenig ordenlich geberde ym glauben, denn viel schoener geberd on glauben,

 

 

[ 1 fürnempste L 2 ein (ain K) solch CDEGHIKL solchen ernst F 3 fur (beidemal) BF 4 münchen CDEL Muenchen GHIK        Bapstumb E        sie] jhnen L 5 entzueckt, vber HI entzuckt vber KL 6 grosse fehlt F 7 furkomen BF 10 ernst] ernstlich CDEL        vil F 11 wunder] wunderzeychen CDE Wunderzeichen GHI wunderzaichen K wunderzeychen L 12 Darumb BF 15 verfuren BF 16 alle dinge F        uns fehlt GHIKL        münche CDE Muenche GHIK Münch L 17 aignen K eygnem L 18 ander I        wirdestu CDE        fündē K 19 schonen BF 21 an eim (einem K) sonderlichen HIKL 22 gefangen KL 23 unsern] vnser K 24 ordentlich HI 24/25 abermals L 25 solch        K        Fur BF 27 gedencke CDEG gedenck HIKL 28 sich] sie K        da CDHIKL 29 Jesum CDEL Jhesum GHIK        bis du F 31 ordentlich FHIK        ordenlicher L]

 

 

 

[Seite 188a]

 lieber wenig gebet ym glauben, denn viel gebet on glauben. Christus urteilet  [Luk. 7, 40 ff.] doch ym Euangelio Luce am siebenden, das die arme sunderin fruemer were  mit wenigen geberden, denn Simon der aussetzige mit allem seinem geprenge  [Luk. 18, 14] Und der arme sunder der Zoelner muste besser sein on fasten und feyren, denn  der homuetige Phariseer mit seinem fasten und aller heiligkeit Und sprach dazu  [Matth. 21, 31] widder die huebschen ungleubigen phariseer: alle Hurn und Zoelner werden ehe  gen hymel komen denn yhr.

 

Zum dritten wirstu auch walfarten zu den Tuerckischen heiligen daselbst  finden, die doch nicht ym Christen glauben, sondern ym Mahomets glauben  gestorben sind, wie sie bekennen und rhuemen. Da geloben sich die Tuercken  hin, lauffen und ruffen sie an, aller massen1 wie wir zu unsern Walfarten  gelauffen sind und unser heiligen angeruffen haben. Es wird auch vielen  geholffen und geschehen viel grosse zeichen gleich wie bey uns auch geschehen  ist. Von solchen falschen wunderzeichen haben wir offt und viel geschrieben,  die bey uns von den heiligen (als wir gemeinet) und bey den Walfarten  gschehen, das auch etliche todten aufferweckt, blinden sehend, lamen gehend  [Matth. 24, 24] worden sind und der gleichen, wie denn Christus verkuendigt hat Matthei am  vier und zwentzigsten, das die falsche Christi und falsche propheten solche  wunder thun solten, das auch die ausserweleten moechten verfueret werden, Des  [2. Thess. 2, 9 f.] gleichen S. Paulus ynn der andern Episteln zun Thessalonicern am vierden  auch verkuendigt. Denn das ist dem teuffel ein geringes, einen menschen zu  plagen, das er und yederman nicht anders wehnet, denn er sey blind, lam,  tod, Darnach, wenn er damit hat seine abgoetterey angericht und die leute von  Christo etwa zum heiligen (das ist sich selbs) anzuruffen getrieben, als denn  ablasse zu plagen, das der mensch gleube, Sein heilige habe yhm geholffen.  Er kan auch wol so viel kunst, das er zuweilen rechte kranckheit vertreiben  und rechte scheden heilen kan. Denn er ist ein Doctor uber alle doctor ynn  der ertzney, dazu ein Fuerst der wellt. Sihe was wunder thut er bey und  durch seine zeuberer, wie seltzam er yhn hilfft, unbegreiffliche ding zu thun.

 

[Hiob 1, 16 ff.] Was thet er dem heiligen Man Hiob, welch ein wetter und donner  macht er ynn der lufft und [Bl. G 1] verbrand yhm alle sein gut und toedtet

 

 

[ 2 am siebenden] 7. GHIL vij. K sibenden F        frumer F froemer GH fromer I froem̄er K frummer L 3 weniger CDEGHIKL        geberd K        all L 5 hochmuetige CDEG homutige F hochmuetig HIK hochmůtig L 6 huebschen fehlt GHIKL        alle] alle, die doch heilig anzusehen (heylig anzůsehen K) waren GHIKL 8 wirdestu CDE        daselbs F 9 ym] in L 17 verkundigt BF 18 .xxiiij. capitel CDE Matth. xxiiij F Matt. 24. GHI Matthei xxiiij. K Mat. 24. L        falschē (1.) E falschen GHIKL        christē F Christen I 19 außerwoelten KL        verfuret BF 20/21 S. Paul 2. Thessa. 2. auch GHIK Sanct Paul. 2 Thessa. 2. auch L 20 Epistel CDE        Thessalonichern CDE        .iiij. capitel CD 22 mehnet] mainet CDE meinet GHIK meynet L 23 wann K 26 vertrieben I 29 yhn] jhnen CDL yhnen E jnen K 30 welch] woelche K wie L        donder L 31 dem lufft KL verbrennet CDEGHIKL]

 

 

 

[Seite 189a]

 yhm seine kinder, dazu schlug er yhm seinen eigen leib mit grewlichen boesen  blatern und schweren: Sihe, wie er unsern Herrn Christum selbs ynn den  [Matth. 4, 1 ff.] luefften fuerete auff den tempel und vom tempel auff den hohen berg (als were  er sein Gott) und zeiget yhm alle reiche auff erden ynn einem augenblick.  Kan er nu wetter machen, blatern schaffen, ynn luefften fueren und also mit  den heiligen spielen, dazu mit Christo selbs, was solt er nicht vermuegen mit  seinen gotlosen und unchristen? Daruemb sey gewarnet, Wenn du ynn der  Tuerckey zeichen sehen odder hoeren wuerdest, das du gedenckest bey dir selbs und  sprechest: Und wenn du alle todten auff wecktest und alle zeichen thettest, weil  du da neben Jhesum Christum verleugnest und lesterst odder nicht kennen wilt,  so gleube dir der teuffel an meiner stat, ich wil lieber on zeichen und wunder  bey meinem schwachen Christo bleiben, denn zu dir starcken und mechtigen  wundertheter fallen.

 

Und ist zwar ynn der Tuerckey das vorteil, das man solche falsche  wunder leichtlich kennen und sich dafuer hueten kan, weil die selbigen nicht ynn  Christus namen geschehen, sondern widder Christus namen, ynn des Mahomets  namen, Denn wie gesagt: Sie halten nichts von Christo, spotten und lestern  viel mehr die Christen mit dem namen Christi als mit eines untuechtigen  heiligen namen, der die seinen verlesst und yhn nicht hilfft widder den  Mahometh. Aber bey uns unter dem Bapstum sind solche falsche zeichen viel  ferlicher und schwerer zu erkennen, weil sie bey uns als bey den Christen und  unter dem namen Christi als von seinen Christlichen heiligen geschehen. Da  hat er sein recht teuffels spiel unter dem namen Christi, die leute von Christo  zu fueren auffs aller geschwindest und behendest, wie Christus spricht, das  [Matth. 24, 24] solche falsche Christi moechten auch die ausserweleten verfueren.

 

Zum vierden wirstu sehen bey den Tuercken nach dem eusserlichen wandel  ein dapffer strenge und ehrbarlich wesen: Sie trincken nicht wein1, sauffen  und fressen nicht so, wie wir thun, kleiden sich nicht so leichtfertiglich und  froelich, bawen nicht so prechtig, brangen auch nicht so2, schweren und fluchen  nicht so, haben grossen trefflichen gehorsam, zucht und ehre gegen yhren  Keiser und herrn, Und haben yhr regiment eusserlich gefasset und ym schwanck,

 

 

[ 1 eygnen KL 2 geschweren CDEGHIKL 6 vermoegen L 9 aufferwecktest HIKL 10 darneben CDG 11 der fehlt EG        wil vil (viel GHI) lieber CDEGHIKL 14 der vorteyl L 15 leichtlich] lich F        dauor K daruor L 18 dem] den F        eines] einen GHI einem K 19 die seine HIK        jnen K jhnen L        nichts F 21 und (2.) fehlt K 24 auffs] als auffs HIKL 25 außerwoelten KL 26 wirdestu CDE 29 froelich] koestlich CDEGHIL kostlich K        bauwenn K        so] also L        schwoeren L 30 jrem L]

 

 

 

[Seite 190a]

 wie wirs gerne haben wolten ynn Deudschen landen. Und wie wol yhr  gesetze zu lesst, das einer mag zwelff ehe weiber haben und dazu Megde odder  beyschlefferin wie viel er wil und dennoch aller kinder gleich erben sind, So  halten sie doch solche weyber alle ynn grossem zwang und gehorsam, das auch  der man fuer den leuten selten mit seiner weib einem redet odder leichtfertiglich  bey yhr sitzt odder schertzt. Denn ob wol der man yhm solche weiber  lesst vertrawen durch die priester, so behellt er doch das recht und die macht  von sich zu lassen welche er wil, nach dem sie verdienet odder er sie lieb hat  odder gram wird. Hie mit zwingen sie [Bl. Gij] yhre weiber gewaltiglich  Und wie wol solche ehe nicht ein ehe fuer Gott sondern mehr ein schein ist,  denn eine ehe, noch halten sie damit yhre weiber ynn solchem zwang und  schoenen geberden, das bey yhn nicht solch fuerwitz, uppickeit, leichtfertickeit  und ander uberfluessiger schmuck, kost und bracht unter den weibern ist, als  bey uns.1

 

Nu ist solcher schein auch wol so ein gros ergernis eym unberichten und  schwachen Christen als kein guelden bilde zu Babylon den Jueden gewest ist,  und kein kartheuser kloster2 bey uns ist, weil bey uns kein orden so heilig  ist, der nicht wein trincke, Und kein weib noch Jungfraw der massen ym zaum  leben mus. Daruemb sihe dich fuer und druecke abermal den finger mit dem  daumen, Denn du findest auch ynn diesem stuecke deinen Christum nicht. Was  hilfft denn solch schoen ding, so es auffer und widder Christum ist? Da magst  du wol sagen, das sprichwort ‘Es ist schoen boese’ Aber bey uns ist Alber feste3,  Denn es ist ia besser ynn Christo messig wein trincken und froelich sein, Denn  ausser Christo solch trefflich saur ding fuer geben, das widder Propheten noch  Apostel noch Christus selbs hat fuer gegeben, Denn Christus ass und tranck  beyde mit man und weibern, beyde mit Phariseern und Zoelnern, Aber die  Tuercken muessens hoeher und besser machen denn Gott und sein eigen Son selbs  machen, welchen sie doch die weil lestern und verfolgen wie unser geistlichen  und Gleissner bey uns auch thun. So wisse nu, das Christus reich stehet  nicht ynn essen odder trincken, auch nicht ynn eusserlichen geberden, sondern

 

 

[ 1 wirs] wir HIKL        gern BFL 2 zu lesset BF        zwoelff L        maegte E maegdt L 3 alle K 5 fuer] vor KL        weiber L        einem] einer HI ainem K 5/6 leichtfertig IK 8 sich] jhm L        nach dem sie] nach sie dem B 10 fuer] vor KL        mehr] vil mer L 11 damit fehlt K 12 jnē KL        solcher L        leichtfertigkeit BF 13 vberflissiger K 15 grosse L        eym] einem CDEGHIL eynem F ainem K 17 Karthuser F 21 sollich K 21/22 magstu BFGHIKL 22 Sprüchwort KL        schon GHIKL        Alber] Aber IK 23 boesser K 24 treffenlich CDEGHIKL 25 fürgebē K 26 mannen CDEL Mannen GHIK]

 

 

 

[Seite 191a]

 [Luk. 17. 20] ym glauben des hertzen, Luce am siebenzehenden &c.. und las dich solch gleissen  nichts anfechten.

 

Uber diese ergernis schlegt nu das grosse glueck zu, das die Tuercken so  mechtig worden sind, so viel sieg haben, die Christen (wie sie meinen) so offt  darnidder gelegt haben und bisher so trefflich zu genomen, das es keine vernunfft  anders deuten mag, denn das yhr heiligkeit solchs verdiene und yhr  glaube und wesen Gotte so wol gefalle, Darueber sie so starrig1, hart und  verstockt werden, das man meinet, es sey unmueglich einen Tuercken zu bekeren.  Widderuemb halten sie, das kein erger volck sey, denn die Christen und kein  schendlicher glaube, denn der Christliche glaube, Und fallen daher ynn solchen  uberschwenglichen hohmut zu lestern und zu schenden Christum und seine  Christen, das sie unternander rhuemen, spotten und sagen: Die Christen sind  Weiber, Aber die Tuercken sind yhre Menner, als weren sie allein eitel Helden  und Risen Und wir Christen eitel weiber und memmen, Wissen aber nicht,  wie saur es wird mit yhn ausgehen. Die stoltzen Babylonier waren auch  menner und die Jueden musten weiber sein, Aber die selbigen weiber blieben  zu letzt beide man und herr, da die Babylonier widder haut noch har behielten.

 

Sihe unter diesem heiligen schein der Tuercken ligen verborgen, ia  unverborgen, so viel ungehewrer schrecklicher grewel, nemlich, das sie Christum  [Bl. Giij] nicht allein leugnen, sondern auch lestern und schenden, mit seym  blut, sterben, aufferstehen und mit allem gut, das er der wellt gethan hat,  und setzen yhren Mahometh uber yhn, damit sie auch Gott den Vater lestern  und den teuffel an Gottes stat ehren, Darnach auch solch bluthunde sind, so  grewlich viel blut vergiessen und mord begehen, ynn so viel lendern, als nie  auff erden gehoeret ist, Dazu solch Welsch und Sodomisch unkeuscheit treiben,  das nicht zu sagen ist fuer zuechtigen leuten, on was das ist, das sie die ehe  so gar nichts achten, Sind dazu die aller groessesten reuber und verderber aller  land und leute, Und wer wil alle solche grewel erzelen, der sie doch keine  fuer sunde halten, sondern alles fuer eitel tugent? Das heisst blindheit uber  alle blindheit Und wird solchs alles mit dem eusserlichen schein (wie gesagt)  also geschmueckt, das viel Christen abfallen und zu yhrem glauben und zu  solchem grewlichen heslichem schoenen teuffel williglich sich geben, Und zwar,  wo solche falsche heiligkeit ist, da muessen alle laster auff eym hauffen sein,

 

 

[ 1 Luc. 17. (xvij. K) vnd GHIKL Luce. 17. vnd L        sollich L 3 schlecht CDEGHIKL 5 treffenlich CDEGHIKL 7 glauben CDEGHIKL 8 zůbekoeren L 10 Christenliche CDEG 11 vber (über L) schwencklichen HIKL        hochmůt CDKL        hochmut EGHI 12 vnter (vnder KL) einander CDEGHIKL 15 mit jnē wirt L        jnen K 16 die selbige F 17 do HIK 20 seinem CDEGHIKL 23 solche BF solliche L 24 begeben K begeen L 26 fuer] vor KL        zeuechtigen F 28 erzoelen L 31 abgefallen F 32 willigklichen CDE 33 vff L        eym] eynem BF ein IL]

 

 

 

[Seite 192a]

 wie wir wol sehen an unsern geistlichen, das yhr lestern, hohmut, mord, geitz,  unzucht und aller laster kein mas ist.

 

Sie troesten sich aber mit diesem spruch: Ey meinstu das Gott so viel  leute so lange solt yrren und verdamnen lassen, wie sich unser Endechrist  auch troestet. Welcher spruch odder gedancken auch wol kan einen bawfelligen1  Christen stossen und einen halstarrigen buben stercken, gleich wie sich die  Jueden vorzeiten auch damit setzten widder die heiligen Propheten und  sprachen: Ey, Gott ist nicht so zornig, Er wird nicht so ubel thun, wie  [Micha 2, 6 f.] Micheas schreibet und die anderen, Aber man mus diesen spruch und gedancken  aus den augen thun und von Gottes werck odder urteil nicht richten nach  menschen werck odder urteil. Denn es ligt nicht dran, ob viel odder wenig  menschen gleuben odder nicht gleuben, verdampt odder selig werden, Sondern  da ligts an, Was Gott gebotten odder verbotten hat, Was sein wort odder  nicht sein wort sey, Da sol man auff sehen und nach dencken und die gantze  wellt nicht achten, ob sie gleich allzu mal zum teuffel fueren. Denn Gott  und sein wort bleiben, ob gleich hymel und erden vergehen, Daruemb hallt  fest, hallt fest, sage ich, an deinem Christo, das du fuer solchen pfeilen und  stuermen des teuffels sicher sein und ein Christ bleiben muegest, so wirstu selig.  Las Tuercken und alle gottlosen, wenn sie nicht anders wollen, zum teuffel  faren.

 

Das sey von der vermanung an die gefangene, auff das sie ym glauben  feste bleiben widder alle ergernis und anfechtungen. Nu wollen wir sie auch  troesten das sie gedueltig sein sollen ynn yhrem gefengnis und alle yhr elende  umb Gottes willen williglich leiden und tragen. So mercke nu: Wo es Gott  verhenget, das du vom Tuercken gefangen, weggefurt und verkaufft wirst, das  du must yhres willens leben und ein knecht sein, So dencke, das du solch  elende und dienst von Gott zugeschickt gedueldig und willig an nemest und umb  Gottes [Bl. G 4] willen leidest, und auffs aller trewlichst und vleissigest deinem  herrn (dem du verkaufft wirst) dienest, unangesehen, das du ein Christ und  dein herr ein heide odder Tuercke ist, darumb er nicht werd solte sein, das du  sein knecht sein soltest, Und bey leibe lauffe nicht weg (wie etliche thun und  meinen, sie thun recht und wol dran, Etliche auch sich selbs erseuffen odder  sonst erwuergen): Nicht, Nicht so, lieber bruder2, Du must dencken; das du

 

 

[ 1 hochmůt CDKL hochmut EGHI 4 verdammen CDGKL 6 halßstarrigen CDEL        sich] sie HIKL 7 Heilige HKL 17 fuer] vor KL        pfilenn F 18 moegest L        wirdestu CDE 21 gefangnē L 23 yhrem] jrer L        Gefengknis HI Gefengkniß KL 25 wegk gefueret CDE        würdest CD wirdest E 26 muest CDE        gedenck CDEGHIKL 29 wirdest CDEGHIK würdest L 30 daruemb B 31 hinweg L 32 ertrencken L 33 brůder F]

 

 

 

[Seite 193a]

 deine freyheit verloren hast und eigen worden bist, daraus du dich selbs on  willen und wissen deines herrn nicht on sunde und ungehorsam wircken kanst,  Denn du raubest und stielest damit deinem herrn deinen leib, welchen er  gekaufft hat odder sonst zu sich bracht, das er fort hin nicht dein sondern  sein gut ist wie ein viehe, odder ander seine habe.

 

Denn hie ists zeit zu gehorchen und zu halten die sprueche S. Petri und  Pauli, da sie leren, das die knechte odder leibeigen sollen yhren leiblichen  herrn gehorsam, trew, demuetig, ehrsam und vleissig sein, nicht anders, denn  als dieneten sie Christo dem Herrn selbs, ob gleich die herrn unchristen odder  [1. Kor. 7, 20 f.] boese sein, wie du lesen magst ynn der ersten Episteln zun Corinthern am  [Kol. 3, 22.] siebenden, Ephesiern am sechsten, Und zun Colossern am dritten Cap: Yhr  knechte seid gehorsam ynn allen dingen ewren leiblichen hern, nicht mit dienst  fur augen, als den menschen zu gefallen, sondern mit einfeltickeit des hertzen  [1. Petri 2, 13. 18] und mit Gottes furcht .&c.. Auch ynn der Ersten Episteln Sanct Petri am  Andern Capitel.

 

Denn wo du sonst ein rechter Christ bist, schadet dir solcher dienst und  elend nicht, Ja wo du sein kanst Christlich und gedueltig brauchen, ist dirs  gut und nuetz zur seligkeit als dein creutz, darynn dein glaube geuebet und  beweret wird. Gedencke an die exempel aller heiligen, Sihe wie der Ertzuater  Jacob dem schalckhafftigen argen Laban seinem schweher dienet umb Rahel  [1. Mose 29, 28] und hielt, yhm seinen dienst trewlich aus1, Genesis am dreyssigsten Capitel,  Und darnach sein son Joseph, wie der selbige seinem vater gestolen und verkaufft  von seinen eigen bruedern ynn Egypten seinem heidnischen herrn so  trewlich dienet und drueber ynn kercker kam, Aber zu letzt herrlich heraus  [1. Mose 39, 23] kam und ein herr des landes ward Genesis am acht und dreyssigsten Capitel.  Jtem wie einen schweren dienst das gantz volck Jsrael muste thun lange zeit  [2. Mose 1, 11] dem koenige Pharao ynn Egypten Exodi am ersten Capitel Und lieff doch keiner  aus seinem dienst, wie unschlachtig odder heidnisch und boese yhre herrn waren.

 

Jtem hernach, war das nicht ein schwerer dienst, da das koenigreich Jsrael  gen Assyrien und hernach das koenigreich Juda gen Babylonien gefueret ward,  da musten Koenig, Koenigin, Juersten, Priester, Propheten und viel heiliger leute,

 

 

[ 1/2 on wissen vnd willen L 2 herren BF        würcken L 4 kaufft L sunst KL sich] jm L        furthyn D fürthin L 5 vihe F Vich L        seiner EGHIK 6 die spruch F 7 leibeygnen L 10 sein] sind DEGHIK seind L 10/11 magst 1. Cor. (Corint. L) 7. Ephe. (Ephes. K) 6. Vnd Colos. (Colo I) 3. Jr GHIKL 11 capiteln CD capeteln E 12 seind L        eüwern L 13 fuer BF vor KL        einfeltigkeit BFHIL einfaltigkeit K 14 forcht CDEKL 14/16 Auch .1. Pet. (Petri KL) 2. Denn GHIKL 14 Sanct fehlt BF 16 solch K 17 nichts L 18 nuetze B nutze F 19 Gedenckt CEGHIL Gedenck K 21 Gene. 30. GHIKL 23 eygnen L 24 darüber KL 25 Gen. 38. GHIKL 26 thun fehlt K 27 Künig K Koenig L        Exo. 1. GHI Exod. j. K Exo. am ersten capitel L 29 Künigreich K 30 Künigreich K        gefoeret E 31 Künig, Künigin K        Fůrstenn F]

 

 

 

[Seite 194a]

 denn du bist, dienen und knechte sein, wie Daniel und seine gesellen (Danielis  [Dan. 1, 5 f.] am ersten Capitel) unter dem grawsamen koenige, da sie viel ferligkeit leibs  und seelen teglich warten und auch dulden musten mit aller schmach und  spott, wie der hundert sieben und [Bl. H 1] dreyssigste Psalm wol anzeiget  [Ps. 137, 1] ‘Super flumina Babylonis’ &c.. Da sind freylich auch ungedueltige Jueden  gewest, die geheulet, geklagt, geflucht und gemurret haben, etliche dazu vom  Juedenthum gefallen und heiden worden sind. Aber es muste gleichwol sein,  Die frumen hatten gedult, lieffen nicht weg, sondern dieneten mit aller trew  und vleis, wie Daniel und seine gesellen und blieben ym rechten glauben.  Daruemb wurden sie auch erhoehet und von Gott gnediglich und wunderlich  erloeset.

 

Und das wir zum newen Testament komen, Must nicht Christus die  Jueden und den heiden Pilaton und Heroden mit sich machen lassen, was sie  wolten? Muste nicht Paulus gefangen sein und fast alle Apostel, etlich ynn  [Offenb. 1, 9] das elend verstossen und verbannet, als S. Johannes ynn Pathmos Und  hernach viel heiliger Merterer aus Rom und andern stedten von haus und  hoff, von weib und kind ynn ferne wueste Jnsulen vertrieben und daselbst  ynn stein bruechen1 und ander schwere erbeit wie die esel erbeiten: Waruemb  woltestu es besser haben, denn dein Herr Christus selbs mit allen seinen  heiligen ym alten und newen testament? Der iuenger sols nicht besser haben,  denn sein meister (spricht Christus), Denn er ist rechtschaffen, wenn es yhm  [Luk. 6, 40] gehet, wie seinem meister, Luce am sechsten.

 

Mit unwillen und ungedult thust du nicht mehr, denn das du deinen  herrn, des knecht du worden bist, ergerst und deste boeser machest, Schendest  dazu die lere und den namen Christi, als seyen die Christen solche boese,  untrewe, falsche leute,die nicht dienen sondern entlauffen und sich selbs entwenden2  wollen als die schelcke und diebe und werden da durch ynn yhrem  glauben herter und verstockter. Widderuemb wo du trewlich vnd vleissig  dienetest, wuerdestu das Euangelion und den namen Christi schmuecken und  preisen, das dein herr und villeicht viel ander, wie boese sie weren, sagen  muesten: Wolan, Nu sind doch die Christen ein trew, gehorsam, frum,

 

 

[ 1 knecht KL        seinen K 1/2 Danie. 1. GHIL Daniel j. K 2 Künige K        Liebs HI 4 der 137. Psalm G        dryssigste D 8 fromen I        hetten K        hinweg L        sunder L 9 bleiben HIK bliben L 10 warden L        erhoeret CDEGHIK erhoert L        wunnerlich C wunderbarlich K 13 Pilatum vnd Herodem GHIKL        Herodem CDE 14 S. Paulus GHIKL        Aposteln CDE 17 vertreiben F 19 woltest du CDE 21 er ist] ist er CDEFGKL        rechtgeschaffen CDEHIKL 22 sechsten Capit. (Capitel. F) BF sechsten capitel CDE        Luc. 6. G Luce 6. HIKL 23 thůstu K 29 schmuecken] loben L 30 ādern F 31 from I from̄ K]

 

 

 

[Seite 195a]

 demuetig, vleissig volck, Und wuerdest dazu der Tuercken glauben damit zu  schanden machen und villeicht viel bekeren, wenn sie sehen wuerden, das die  Christen mit demut, gedult, vleis, trew und der gleichen tugenden die Tuercken  so weit ubertreffen. Das meinet S. Paulus, da er Titum am dritten  [Tit. 2, 110] Capitel spricht: Die knecht sollen die lere unsers Herrn schmuecken odder zieren  ynn allen dingen.

 

Denn wie boese kans denn sein, einem Tuercken odder heiden zu dienen,  so fern du gleubig und ein Christ bist und bleibest? Mus doch hie bey uns  mancher dienen einem buben, tyrannen odder boesen herrn, Ja wie muessen wir  thun unter dem Bapstum, da unser tyrannen uns fangen, zwingen, veriagen,  treiben, brennen, koepffen, erseuffen und erger mit uns handeln denn die  Tuercken mit dir thun: Noch muessen wir weichen, dulden, leiden, dienen,  helffen, raten, beten, heben und tragen, Welchs du alles mit uns wagen und  warten muestest, wo du [Bl. H ij] mit uns woltest ein Christ sein und Christum  bekennen. Denn der Bapst ynn dem stueck viel erger ist, denn der Tuercke.1  Der Tuercke zwinget doch niemant Christum zu verleugnen und seinem glauben  anhangen Und wenn er gleich auffs hoehest wuetet mit leiblich morden an den  Christen, so thut er damit nichts (so viel an yhm ist), denn das er den hymel  vol heiligen machet. Denn seine lesterung widder Christum und sein eusserlicher  heiliger schein zwingen nicht, sondern versuchen und locken, Aber der  Bapst, eben damit das er wil nicht feind noch Tuercke sondern der liebe Vater,  ia der aller heiligst vater und aller treweste hirte sein, fuellet er (so viel an  yhm ist) die helle mit eitel Christen, Denn er reisset die edlen seelen2 von  Christo durch seine lesterliche menschen lere und fueret sie auff eigen gerechtigkeit,  welchs ist das recht geistlich morden und schier so gut als des Mahomets  odder Tuercken lere und lesterung. Wo man aber yhm solcher hellischen teufflischen  verfuerungen nicht wil gestatten, nimpt er sich des Tuercken weise auch  an und mordet auch leiblich. Vermoechte ers, on zweifel er solt wol groesser  mord und blutvergiessen anrichten, denn der Tuercke, wie sie bisher wol  beweiset haben mit so viel kriegen, hetzen und reitzen unter Keiser und  Koenigen &c..

 

Summa, Wo wir hin komen, da ist der rechte wirt, der teuffel3,  da heym: Komen wir zum Tuercken, so faren wir zum teuffel, Bleiben wir

 

 

[ 2 bekoeren L 4/5 S. Paul. da er ad Tit. 3. I Tit. iij. cap. F Titum 3. GHKL 5 spricht] vermanet CDE 8 ferr L        Christen I 10 fahen L 11 ertrencken L        handlen HIK 14 Christ] Christen I 15 Turcke B 16 seinen E 17 hoechst K        leiblichen I leiblichem L 19 heyllgen D        macht BF 30 bewisen L 31 Künigen K 32 würt L]

 

 

 

[Seite 196a]

 unter dem Bapst, so fallen wir ynn die helle, Eitel teuffel auff beiden seiten  und allenthalben. So stehet es leyder itzt ynn der wellt und gehen die sprueche  [2. Tim. 3, 1] Christi und S. Pauli ym vollem schwang, das ynn den letzten tagen sol  [Offenb. 20, 7] ferliche und grausame zeit sein, da der teuffel los worden, alle wellt verfueret  und solch iamer und not anricht, das kein Mensch kuend selig werden, wo  Gott die selbigen tage nicht wuerde verkuertzen umb seiner ausserweleten willen.  Es mus also gehen zur letze1, das der teuffel die Christenheit mit aller macht  auff allen seiten angreiffe, beide leiblich und geistlich, und sein bestes und  hoehestes an yhr versuche, damit ein ende.

 

Daruemb lasst uns wachen und wacker2 sein ynn festem glauben an  Christum Und ein iglicher halt sich unter seiner oeberkeit gehorsam und warte,  was Gott machen wird Und las gehen was da gehet, faren wie es feret. Es  ist doch hinfurt nichts guts mehr zu hoffen, Das toepffen3 ist zu brochen und die  suppen verschuet, wir muegen die scherben vollend hinach wagen und so viel es  mueglich ist guts muts dazu sein, wie uns Christus leret und spricht von  [Luk. 21, 28] dieser boesen zeit, Luce am ein und zwentzigsten Capitel: Wenn yhr solchs  sehet, das angehet, so sehet auff und richtet ewr heubt auff, denn ewr erloesung  koempt und ist nahe.

 

Doch das ich das nicht vergesse: Wenn du unter dem Tuercken bist und  dienen must, wie gesagt ist, so solt du solchen dienst nicht weiter verstehen  noch deuten, denn so fern es deinem haus herrn [Bl. H iij] nuetzet zu seinen  guetern. Wenn er dich aber zwingen wolt, widder die Christen zu streiten,  da soltu nicht gehorsam sein, sondern lieber alles leiden, was er dir thun  kan, ia viel lieber sterben, Denn du hoerest hie, das Daniel vom Tuercken  schreibt, Sein streit sey widder die heiligen Gottes, die yhm nichts gethan  haben, und vergeusst eitel unschueldig blut. Da mustu dich fuer hueten, das  du dich des nicht teilhafftig machest, Gleich wie du seinem lesterlichen abgott  und Mahometh nicht must zufallen, ob du gleich unter yhm dienen must.  [2. Kön. 5, 1 ff.] Bleib doch der frume Naaman ym dritten buch der Koenige am funfften  Capitel ynn seines herrn koeniges dienst und bettet auch mit yhm ynn seinem  tempel. Aber dennoch bettet er seinen abgott nicht an Und die lieben heiligen

 

 

[ 1 fallen] faren CDE 3 yhn die letzten F        sol] so KL 6 selbige F        Außerwoelten KL 7 letzte HIK letz L 9 hoehistes F hoechstes L 10 lasset BF        ynn festem F 13 Der toepffen E Der hafen L        zerbrochen L 14 moegen L        hynnach CDE] daran L 16 Lu. 21. G Luce 21. HIK        Luce am 21. capitel L        solch L 17 heubter CDE Haupt KL 21 ferne BF ferr L 23 leiber H 24 von dem L 26 vergeusset BF        můst du L        fuer] vor KL 27 seinen E 29 Blib KL        frome I from̄ K        ym] ynn dem F 29/30 3. Reg. 5. GHIKL 30 herr G        Künigs K]

 

 

 

[Seite 197a]

 Merterer S. Moritz und seine gesellen, da sie der Keiser hies widder die  Christen streiten, wolten sie es nicht thun, worffen die waffen weg und  sprachen: Wenn er wolt widder die Christen streiten, duerfft er keine ander  suchen, sie weren selbs da als Christen leute, bereit zu leiden was er wolte.1

 

Eben also soltu deinen dienst den Tuercken auch leisten, das du damit  nicht widder die Christen noch widder Gott strebest, sondern allein seinem  haus und guetern zum besten helffest. Solchs wil ich auch gesagt und geraten  haben allen den ihenigen, so unter unserm Keiser, Bapst, Fuersten leben, das  sie sich nicht gebrauchen lassen widder das Euangelion odder widder die  Christen zu streiten odder sie zu verfolgen, Denn damit werden sie unschueldig  [Apg. 5, 29] blut auff sich laden und nichts besser sein denn die Tuercken. Man mus  Gott mehr gehorsam sein denn den menschen, So hat Gott keinem herren die  oeberkeit der massen gegeben odder die leute unterworffen, das er damit solle  widder Gott und sein wort streben odder fechten Und ist auch ynn solchem  fall kein unterthan seiner oeberkeit ein harbreit schueldig odder verwand2, Ja  es ist als denn schon kein oeberkeit mehr, wo solchs geschicht, Sondern die  unterthanen sind schueldig, der oeberkeit leiblich zum besten zu dienen, das fride  auff erden erhalten werde und dis leiblich leben muege deste sicher sein und  wol stehen.

 

Aber Gott der Vater aller gnaden und weisheit wolle uns diese zeit  gnediglich verkuertzen und uns mit weisheit und stercke begaben und bereiten,  das wir die weil weislich und manhafftig wandeln und der zukunfft unsers  lieben Herrn Jhesu Christi froelich warten und von diesem iamertal seliglich  [Ps. 84, 7] scheiden muegen. Dem sey lob und danck, ehre und preis ynn ewigkeit.  AMEN.

 

 

[ 2 wůrffen CD wurffen E warffen KL        hinweg L 3 doerfft CDEL 5 solt du L 5/6 damit nicht] nicht damit BF 7 helffen D 8 vnd Fürsten L 10 sie (1.)] sich E        vnschuldig B 13 soll L 15 vnderthoner L 18 dises CDE        moeg L        sicherer CDEL        sein fehlt GHIKL 24 moegen L        eher K eer L]

 

 

 

[Seite 163b]

 

[Eine Heerpredigt widder den Turcken. Martinus Luther.] 163a

 

 

[Heerpredigt wider den Türken]

 

1529

 

G] JCh Daniel (spricht er daselbs) sahe ein Gesicht in der nacht Und sihe,  die vier Winde unter dem Himel stuermeten widdernander auff dem grossen  Meer Und vier grosse Thier stiegen erauff aus dem Meer, eins je anders denn  das ander. Das erste wie ein Lewe und hatte fluegel wie ein Adeler. Das  ander Thier hernach war gleich einem Beeren und stund auff der einen seiten  und hatte in seinem Maul unter seinen Zeenen drey grosse lange Zeene etc.  Das dritte war gleich einem Parden, das hatte vier Fluegel wie ein Vogel  auff seinem ruecken, und dasselbige Thier hatte vier Koepffe etc. Das vierde  Thier war grewlich und schrecklich und seer starck und hatte grosse eiserne  Zeene, frass umb sich und zu malmet und das ubrige zutrats mit seinen  fuessen. Es war auch viel anders denn die vorigen und hatte zehen Hoerner.  Da ich aber die hoerner schawet, sihe da brach erfur zwischen denselbigen ein  ander klein horn, fur welchem der foerdersten hoerner drey ausgerissen wurden,  Und sihe, dasselbige Horn hatte augen wie Menschen augen und sein Maul  das redet grosse ding. Solchs sahe ich, bis das Stuele gesetzt wurden Und der  Alte setzet sich, Das Gericht ward gehalten und die Buecher wurden auffgethan..

 

 

 

[Seite 163b] [vor 16 steht Folget die Figur sampt dem Text H        Folget die Figur, Der vier Keiserthumb, dauon Daniel Weissagt, Sampt dem Text I        am 7. Cap. Folget die Figur, Der vier Keiserthumb, dauon Daniel Weissagt, Sampt dem Text. Danie. 7. Cap. K        am 7. Cap. Folget die Figur sampt dem Text. L        Hier fügen HIKL eine Weltkarte ein. 17 wider einander K widernander L 18 herauff KL 19 Loewe K        hat HIKL 22 hette K 23 hette K etc. fehlt K 24 erschrecklich K 25 zůrtrats L 27 herfür K 28 vor woelchem K]

 

 

 

[Seite 164b]

 G] Jch sahe zu umb der grossen rede willen, so das Horn redet, Jch sahe zu, bis  das Thier getoedtet ward und sein Leib umbkan und ins fewer geworffen  ward Und der ander Thier gewalt auch aus war.

 

Das ist der Text Daniel, auffs kuertzest erzelet so viel uns jtzt not ist.  Nu die Auslegunge folget im selbigen Capitel hernach, da er spricht: Jch  gieng zu der einem die da stunden und bat In, das er mir von dem allem  gewissen bericht gebe. Und er redet mit mir und zeigt mir, was es bedeutet.  Diese vier grosse Thier sind vier Reich, so auff erden komen werden, Aber die  Heiligen des Hoehesten werden das Reich einnemen und werdens jmer und  ewiglich besitzen. Darnach hette ich gern gewust gewissen bericht von dem  vierden Thier, welchs gar anderst war denn die andern alle, seer grewlich,  das eiserne Zeene und eherne Klawen hatte, das umb sich fras und zu malmet  und das ubrige mit seinen fuessen zutrat Und von den zehen Hoernern auff  seinem Heubt. Und von dem andern, das erfur brach, fur welchem drey  abfielen und von demselbigen Horn, das augen hatte und ein Maul  das grosse ding redet und groesser war denn die neben jm waren. Und ich  sahe dasselbige Horn streiten wider die Heiligen und behielt den sieg wider

 

[Eine Heerpredigt widder den Turcken. Martinus Luther.] 164a

[ 16 grosse K 17 getoedt K 19 auffs] auff H        kurtzest HI kürzst K 22 zeiget I 24 Hoechsten L 26 welches HIKL 27 zurmalmet L 28 zůrtrat L 29 herfür KL fur] vor KL 31 grosser HK]

 

 

 

[Seite 165b]

 G] sie, bis der Alte kam und Gericht hielt fur die Heiligen des Hoehesten und  die zeit kam das die Heiligen das Reich einnamen. Und er sprach also: Das  vierde Thier wird das vierde Reich auff erden sein, Welchs wird mechtiger  sein denn alle Reich und wird alle Land fressen, zutretten und zu malmen.  Die zehen Hoerner bedeuten zehen Koenige, so aus demselbigen Reich entstehen  werden. Nach demselbigen aber wird ein ander auffkomen, der wird mechtiger  sein denn der vorigen keiner und wird drey Koenige demuetigen. Er wird den  Hoehesten lestern und die Heiligen des Hoehesten verstoeren und wird sich unterstehen  Zeit und Gesetz zu endern. Sie werden aber in seine hand gegeben  werden eine zeit und aber etliche zeit und ein halbe zeit. Darnach wird das  Gericht gehalten werden, da wird denn sein gewalt weggenomen werden, das  er zu grund vertilget und umbbracht werde. Aber das Reich gewalt und  macht unter dem gantzen Himel wird dem Heiligen Volck des Hoehesten  gegeben werden, Des Reich ewig ist und alle Gewalt wird jm dienen und  gehorchen.

 

[Eine Heerpredigt widder den Turcken. Martinus Luther.] 165a

[ 16 Hoechsten L 19 zertretten K zůtrettē L        zůrmalmen KL 20 Künige K Künige L 21 anderer KL 22 Koenig HI Künig KL 23 Hoechstē (1.) L Hoechsten (2.) L 24 geben K 28 hoechsten L 29 aller K]

 

 

 

[Seite 198]

 

Vorwort zu dem Libellus de ritu et moribus Turcorum 1530.

 

[Einleitung]

 

[Seite 198]

 

Am 6. Dezember 1529 schrieb Veit Dietrich aus Wittenberg an Hektor Pömer in Nürnberg1: ‘Habemus hic a Constantinopoli occupata editum libellum ante multos annos de moribus Turcarum, quem praefatione sua auctum Lutherus proxime vulgabit’. Und am 3. Januar 1530 meldete Luther seinem Nikolaus Hausmann in Zwickau2: ‘Cuditur latine libellus de ritu et religione Turcarum ante 70 fere annos editus’. Sehr bald darauf wird das Büchlein die Presse Johann Luffts in Wittenberg verlassen haben. Bereits im März 1530 erschien ein Nachdruck bei Friedrich Peypus in Nürnberg, und noch in demselben Jahre 1530 bei demselben eine deutsche Bearbeitung von Sebastian Franck, die auch Luthers Vorrede in deutscher Übersetzung enthielt.

 

Das Schriftchen ist schon im 15. Jahrhundert wiederholt gedruckt worden. Hain nennt unter Nr. 15 672 –15 677 sechs Ausgaben. Luther als Vorlage gedient hat wohl die unter Nr. 15 675 angeführte, denn nur diese weist den Zusatz: ‘Ioachim Abbatis de Mahometis secta opinio’ auf, der in dem Lufftschen Drucke fol. K 4a sqq. wiederkehrt. Datiert ist keine jener Jnkunabeln; die unter Nr. 15 672 beschriebene läßt Vouilliéme3 bei Konrad Fyner in Urach, die unter Nr. 15 674 beschriebene bei Johann Koelhoff in Köln erschienen sein. Derselbe Gelehrte nennt als den Verfasser Georgius de Hungaria, vielleicht auf Grund der Bemerkung in Jöchers Gelehrtenlexikon4: “Georgius von Ungarn, ein Dominikaner im 15. Seculo, schrieb ein Buch de ritibus Turcarum, welches zu Rom im Collegio St. Mariae super Minervam im Manuscript anzutreffen.” Daß unser Autor dem Dominikanerorden angehörte, ergibt sich in der Tat aus der Bemerkung fol. F 8a: ‘sicut legitur de Sancto Vincentio ordinis nostri5, qui plures Sarracenorum conuerterit’.

 

 

 

[Seite 199]

 

Über zwanzig Jahre lang — nach fol. A 4a bis einschließlich 1458 — hat unser Verfasser in türkischer Gefangenschaft geschmachtet. Über den Anfang seiner Leidenszeit läßt er uns freilich im unklaren. Er berichtet fol. A 2b sq., daß er bei der Eroberung von Mühlbach in Siebenbürgen, wo er als 15 –16 jähriger Jüngling studiert habe, von den Türken gefangen genommen, an Kaufleute verkauft und in Ketten bis Adrianopel geschleppt worden sei. Die Eroberung von Mühlbach bringt er nun sol. A 2b in folgenden geschichtlichen Zusammenhang: ‘Cum anno Domini 1426 in obitu Imperatoris Romanorum Sigismundi magna inter Hungaros et Alemannos exorta fuisset dissensio de faciendo Rege, eo quod Imperator legittimum sibi non reliquisset, Turcus magnus, qui uocabatur Moratbeg, pater illius, qui nunc regnat, videlicet Mahometbeg1, cum magna exercitus multitudine partes illas intrauit, ... ea intentione, ut totam Hungariam deuastaret, quod fecisset, nisi cuiusdam fluuij inundatio (Deo sic disponente) sibi impedimento fuisset. Illa intentione frustratus direxit aciem ad prouinciam ultramontanam, quae Septem castra uocatur, et omnia sibi occurrentia crudeliter deuastauit et demolitus est nullo sibi impedimento obstante.’ Bekanntlich ist Kaiser Sigismund nicht 1426, sondern am 9. Dezember 1437 gestorben. Sebastian Franck hat deshalb Bl. A iiijb die Jahreszahl in 1436 korrigiert2, aber auch das kann nicht richtig sein.

 

Später hat unser Verfasser wohl in Rom an der Kurie ein priesterliches Amt bekleidet. Das macht folgende Stelle auf fol. H 7b wahrscheinlich: ‘Cum in primis annis Sixti quarti Legatio, quae contra Turcos missa fuerat, per mare plurimos eorum (= Turcorum) Romam detulissent, quorum meliores Papae praesentati, reliqui aliorum praelatorum Curijs deputati, omnes fere baptisati sunt, quorum aliquos ego familiares habui, qui magnam deuotionem ad Fidem Christi ostendentes, me interpretante etiam confessionem et communionem petierunt, quorum unius quidem confessionem accepi. Ei autem, qui curam eius habebat, sacerdoti, communionem differre persuasi; mihi enim multum difficile uidebatur, ueram fuisse conuersionem eorum, sicut postmodum rei probauit euentus. Nam post aliquos annos omnes inuenta occasione et commoditate fugerunt, licet etiam, qui in curia Papae erant, bonam habuissent prouisionem, In hoc aperte ostendentes se ad baptismum ficte accessisse’. Diese Stelle läßt uns nun auch den terminus a quo für die Abfassung unserer Schrift finden. Am 23. Januar 1473 hielt der Kardinaladmiral Caraffa, der die Türken an der Südküste Kleinasiens mit glücklichem Erfolg bekämpft hatte, seinen Einzug in Rom; er brachte eine Anzahl türkischer Gefangener mit.3 Da nun unser Verfasser berichtet, daß diese alle, nachdem sie scheinbar sich zum Christentum bekehrt hätten, ‘post aliquos annos’ geflohen wären, so kann unsere Schrift nicht vor 1475 verfaßt sein. Der terminus ad quem ergibt sich aus der oben angeführten Stelle: ‘Moratbeg, pater illius, qui nunc regnat, videlicet Mahometbeg’. Danach muß unsere Schrift vor 1481 geschrieben sein.

 

 

 

[Seite 200]

 

Luthers Vortwort ist außer von Sebastian Franck später noch einmal von Justus Jonas übersetzt worden. Ende 1537 erschien bei Joseph Klug in Wittenberg: Turcicarum rerum commentarius Pauli Iouii episcopi Nucerini1 ad Carolum V. Imperatorem Augustum, Ex Italico Latinus factus, Francisco Nigro Bassianate2 interprete ...3 mit einer Praefatio Melanchthons an Herzog Joh. Ernst von Sachsen4 vom Oktober 1537.5 Dieses Werk übersetzte Justus Jonas alsbald ins Deutsche.6 An den Schluß stellte er eine Widmung an den Augsburger Bürger Hans Honold7 vom 1. Januar 1538.8 Vor diese aber fügte er eine Übersetzung des Lutherschen Vorworts von 1530 ein.

 

Luthers Vorrede steht im lateinischen Originaltext in folgenden Ausgaben:

 

 

 

A. “LIBELLUS || DE RITV ET MORIBVS || TVRCORVM ANTE || LXX. ANNOS AE-||DITVS, || Cum prefatione Marti-||ni Lutheri. || VVittembergæ apud Io- || hannem Lufft. || Anno. M. D. XXX. ||  ||” Titelrückseite bedruckt. 84 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Impressum VVittembergæ, || apud Iohannem Lufft. ||

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Ui 14, 2), Zwickau. — Op. var. arg. VII, 514 (Nr. 1); Panzer IX, 89 Nr. 210.

 

B. “LIBELLVS || DE RITV ET MO-||RIBVS TVRCO-||RVM ANTE || LXX. ANNOS AE-||DITVS. || Cum præfatione Mar-||tini Luttheri. || Anno. M. D. XXX.||” Titelrückseite bedruckt. 84 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “EXCVSVM NORINBERGAE || sub Prælo Friderici Peypus, impen-||sa Leonhardi à Quercu, Men || se Martio, Anno resti||tutæ salutis || M. D. XXX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth. 9196), Zwickau; London. — Op. var. arg. VII, 514 (Nr. 2).

 

 

 

[Seite 201]

 

“MACHVMETIS || SARACENORVM PRINCIPIS, EIVS'QVE SVC-||CESSORVM VITAE, AC DOCTRINA, IPSE'QVE || ALCORAN, || Quo uelut authentico legum diuinarum codice Agareni & Turcæ, || alijq; CHRISTO aduersantes populi regūtur. quæ ante annos CCCC, || uir multis nominibus, Diui quoq; Bernardi testimonio, clarissimus, || D. Petrus abbas Cluniacensis per uiros eruditos, ad fidei Christianæ || ac sanctæ matris Ecclesiæ propugnationem, ex Arabica || lingua in Latinam transferri curauit. || His adiunctæ sunt CONFVTATIONES multo- || rum, & quidem probatißimorum authorum, Arabum, Græcorum, & || Latinorum, unà cum excellentiß. Theologi MARTINI || LVTHERI præmonitione. Quibus uelut instructißima || fidei Catholicæ propugnatorum acie, peruersa dogmata & || tota superstitio Machumetica profligantur. || Adiunctæ sunt etiam, Turcarum, qui non tam sectatores Machumeticæ uæsa- || niæ, quàm uindices & propugnatores, nominisq; Christiani acerrimos hostes || aliquot iam seculis præstiterunt, res gestæ maximè memo-||rabiles, à DCCCC annis ad nostra || usq; tempora. || Hæc omnia in unum uolumen redacta sunt, opera & studio THEODORI BIBLI || ANDRI, Ecclesiæ Tigurinæ ministri, qui collatis etiam exemplaribus Latinis & Arab. || Alcorani textum emendauit, & marginib. apposuit Annotationes, quibus doctrinæ Machu- || meticæ absurditas, contradictiones, origines errorum, diuinæq́; scripturæ deprauationes, atq; alia || id genus indicantur. Quæ quidem in lucem edidit ad gloriam Domini IESV CHRI-|| STI, & multiplicem Ecclesiæ utilitatem, aduersus Satanam principem tenebrarum, eiusq́; nun || cium. Antichristum: quem oportet manifestari, & confici spiritu oris CHRI-|| STI Seruatoris nostri. || Cum Cæsareæ Maiest. gratia & priuile-||gio ad quinquennium. ||” Jn Folio. 12 Blätter (Signatur a –ß Blatt ß 6b leer), 230 Seiten und 5 Blätter (Signatur a –u; Blatt u 6b leer); 4 Blätter (Signatur *), 178 Seiten und 1 leeres Blatt (Signatur A –P); 163 Seiten und 1 leere Seite (Signatur aa –oo).

Druck von Johannes Oporinus in Basel 1543.

Das Werk besteht, wie auch aus den Signaturen und Seitenziffern ersichtlich ist, aus drei Teilen. Teil 2 und 3 haben besonderen Zwischentitel und je auf der Rückseite des Zwischentitels die Angabe, daß sie Tomus 2 und 3 des Werkes bilden. Auf der Rückseite des Haupttitels steht außer dem Jnhaltsverzeichnis ein Vorwort des Herausgebers Bibliander.

Der Zwischentitel von Tomus 2 beginnt: “CONFVTATIONES || LEGIS MACHVMETICAE, QVAM VOCANT ALCO-||RANVM ...”

Der Zwischentitel von Tomus 3 lautet: “HISTORIAE DE || SARACENORVM || SIVE TVRCARVM ORIGINE, MORIBVS, NE-|quitia, religione, rebus gestis: itemq; de ordinatione po-||litiæ eorundem domi & foris, & disciplina ac or-||dine militiæ Turcicæ, deq; itineri-||bus in Turciam, || Vnà cum uitis omnium Turcicorum imperatorum ad nostra || usque tempora, alijsq; lectu dignissimis, hocq; præ-||sertim sæculo cognitu utilissimis, ac|| ualde necessarijs. || Quorum catalogum proxima statim || pagella indicabit.|| Cum gratia & priuilegio imperiali || ad septennium. ||” — Dieser Teil enthält Seite 3 –6 (Blatt aa2a –aa3b) unsere Vorrede Luthers, beginnend “MARTINVS

 

 

 

[Seite 202]

 

LVTHERVS || LECTORI PIO S. || GRATIAM & pacem in Christo. Hunc li-||brum de religione & moribus Turcorū obla-||tum, libenter accepi ...”

Vorhanden: Berlin (Zu 6051), Zwickau. — Dieses Exemplar enthält außerdem im ersten Teil Blatt a2aff. die auf dem Titelblatt und im Jnhaltsverzeichnis auf der Rückseite desselben verzeichnete Praemonitio, beginnend: “D. MARTINI LVTHERI PRAE-||MONITO AD CHRISTIA-||num Lectorem. || INITIO admonēdus est lector Christianus, || contra Mahometi furores ...”

 

“MACHVMETIS||SARACENORVM PRINCIPIS, EIVS'QVE SVC-||CESSORVM VITAE, AC DOCTRINA, IPSE'QVE || ALCORAN, || Quo uelut authentico legum diuinarum codice Agareni & Turcæ, || alijq; CHRISTO aduersantes populi regūtur, quæ ante annos CCCC, || uir multis nominibus, Diui quoq; Bernardi testimonio, clarissimus, || D. Petrus abbas Cluniancensis per uiros eruditos, ad fidei Christianȩ || ac sanctæ matris Ecclesiæ propugnationem, ex Arabica || lingua in Latinam transferri curauit. || His adiunctæ sunt CONFVTATIONES multo || rum, & quidem probatißimorum authorum, Arabum, Græcorum, et || Latinorum, unà cum doctißimi uiri PHILIPPI ME-||LANCHTHONIS præmonitione. Quibus uelut instru||ctißima fidei Catholicæ propugnatorum acie, peruersa dog-||mata & tota superstitio Machumetica profligantur. || Adiunctæ sunt etiam, Turcarū qui non tam sectatores Machumeticæ uæsa || niæ, quàm uindices et propugnatores, nominisq; Christiani acerrimos ho-||stes aliquot iam feculis præstiterunt, res gestæ maximè memo-||rabiles, à DCCCC annis ad nostra || usq; tempora. || Hæc omnia in unum uolumen redacta sunt, opera & studio THEODORI BIBLI||ANDRI, Ecclesiæ Tigurinæ ministri, qui collatis etiā exemplaribus Latinis & Arab.|| Alcorani textum emendauit, & marginib. apposuit Annotationes, quibus doctrinæ Machu-||meticæ absurditas, contradictiones, origines errorū, diuinæq; scripturæ deprauationes, atq; alia || id genus indicantur. Quæ quidem in lucem edidit ad gloriam Domini IESV CHRI-||STI, & multiplicem Ecclesiæ utilitatem, aduersus Satanam principem tenebrarū, eiusq́; nun||cium Antichristum: quem oportet manifestari, & confici spiritu oris Chri-||STI Seruatoris nostri. || Cum Cæsareæ Maiest. gratia & priuilegio || ad quinquennium. ||” Jn Folio. 14 Blätter (Signatur α –γ Blatt β 6b und γ2b leer); 230 Seiten und 5 Blätter (Signatur a –u; Blatt u6b leer); 178 Seiten und 1 leeres Blatt (Signatur A –P); 163 und eine leere Seite (Signatur aa –oo).

Druck von Johannes Oporinus in Basel 1543.

Aus drei Teilen bestehend mit Zwischentiteln und dem Vorwort Biblianders auf der Rückseite des Haupttitels wie das Exemplar Berlin Zu 6051. Satz der gleiche außer auf Bogen a und ß des ersten Teiles. Von diesen beiden Bogen haben nur Blatt a1b 2a trotz der Änderungen (s. u.) und Blatt a5ab 6ab gleichen Satz wie jenes Exemplar.

Luthers Vorrede Gratiam et pacem in Christo. Hunc librum de religione et moribus Turcorum oblatum, libenter accepi steht auch hier im dritten Teil Seite 3 –6 (Blatt aa2a –aa3b). Die auf dem Titelblatt und im Catalogus auf der Rückseite des Titelblattes verzeichnete Prämonitio ist beide Male als eine

 

 

 

[Seite 203]

 

solche Melanchthons bezeichnet und beginnt (im erstem Teil) Blatt α 2a “PHILIPPI MELANCHTHONIS || PRAEMONITIO AD CHRISTIA-||num Lectorem.|| INITIO admonēdus est lector Christianus, || contra Mahometi furores ...” Hinter Bogen β ist ein Bogen γ eingefügt, der im Bogenverzeichnis am Ende des Buches nicht verzeichnet ist; Blatt γ1a beginnt: “MARTINI LVTHERI DOCTORIS|| Theologiæ, & Ecclesiastis ecclesiæ Vuittenbergensis, || in ALCORANVM Præfatio. || EDITA sunt à multis mediocria uolumina, quæ || continent Iudæorū huius ætatis ritus ...”

Vorhanden: Berlin (Zu 6051a); Bogen * und damit der Zwischentitel des zweiten Teiles fehlt, ist aber im Bogenverzeichnis am Ende aufgezählt.

 

“MACHVMETIS || SARRACENORVM PRINCIPIS VITA AC DO-||ctrina omnis, quæ & Ismahelitarum lex, & || ALCORANVM || dicitur, ex Arabica lingua ante CCCC annos in Latinam translata, || nuncq; demum ad gloriam Domini IESV, & ad Christianæ fidei confir||mationem, doctorum ac piorum aliquot uirorum, nostræq; adeŏ reli-||gionis orthodoxæ antistitum studio & authoritate, uelut è tene-||bris in lucem protracta atq; edita. || Quo uolumine perlecto, pius & studiosus lector fatebitur, librum nullum || potuisse uel opportuné uel tempestiuè magis edi hoc rerum || Christianarum & Turcicarum statu. || Adiectæ quoq; sunt Annotationes, Confutationes, Sarracenorum ac rerum Turcicarum ||à DCCCC annis ad nosra usq; tempora memorabilium historiæ, ex probatißi-||mis autoribus tum Arabibus, tum Latinis & Græcis, quorum Catalo-||gum uersa in singulis Tomis pagina prima reperies. || ITEM, || PHILIPPI MELANCHTHONIS, uiri doctiss. præmonitio || ad Lectorem, cum primis pia & erudita. || THEODORI BIBLIANDRI, sacrarum literarum in Ecclesia Ti-||gurina professoris, uiri doctissimi, pro Alcorani editione Apologia, multa eru||ditione & pietate referta, lectuq; dignissima: quippe in qua multis ac ualidiss. || argumentis & uitilitigatorum calumnijs respondetur, & quàm non || solùm utilis, sed & necessaria hoc præsertim sȩculo sit || Alcorani editio, demonstratur. || Cum Cæsareæ Maiestatis gratia & priuile-||gio ad septennium. ||” Jn Folio. 12 Blätter (Signatur α –β; Blatt β6b leer), 230 Seiten und 5 Blätter (Signatur a –u, Blatt u6b leer); 4 Blätter (Signatur *), 178 Seiten und 1 leeres Blatt (Signatur A –P); 163 Seiten und 1 leere Seite (Signatur aa –oo).

Druck von Johannes Oporinus in Basel 1543.

Aus drei Teilen bestehend mit Zwischentiteln wie die beiden anderen Exemplare Berlin Zu 6051 und 6051a. Aber das Vorwort Biblianders auf der Rückseite des Haupttitels fehlt. Bogen γ fehlt wie in Berlin Zu 6051. Bogen a hat von den beiden anderen Exemplaren abweichenden Satz, Bogen β gleichen Satz mit Berlin Zu 6051. Alles übrige hat den gleichen Satz wie die beiden anderen Exemplare. Luthers Vorrede Gratiam et pacem in Christo. Hunc librum de religione et moribus Turcorum oblatum, libenter accepi steht auch hier im dritten Teil wie in den beiden anderen Exemplaren, die Praemonitio geht wie in Berlin Zu 6051a auf dem Haupttitel, im Jnhaltsverzeichnis auf der Rückseite desselben und Blatt a2a unter dem Namen Melanchthons.

Vorhanden: Greifswald. Das Exemplar, obwohl in altem Einband, ist verbunden. Auf Teil 1 folgt Teil 3, dann ein auch an die zwei anderen Exemplare angebundener Druck (Ioannis Cantacuzeni Constantinopolitani regis contra

 

 

 

[Seite 204]

 

Mahometicam fidem christiana et orthodoxa assertio ... Basel, Oporinus 1543), dann erst Teil 2.

 

“MACHVMETIS || SARRACENORVM PRINCIPIS VITA AC DO-||ctrina ...”

Beschreibung genau wie das Exemplar Greifswald, nur geht hier die Praemonitio im ersten Teil wie in dem Exemplar Berlin Zu 6051 unter dem Namen Luthers: Titelblatt Z. 17 “ITEM, || MARTINI LVTHERI, Theologi doctiss. præmonitio || ad Lectorem ...” und Blatt a2a “MARTINI LVTHERI PRAE-||MONITIO ...”

Vorhanden: London (die drei Teile hier in richtiger Reihenfolge).

Jn Sebastian Francks Übersetzung findet sich Luthers Vorwort Titelrückseite — Bl. A iiijb folgenden Drucks:

 

 

 

“Chronica vnd be-||schreibung der Türckey || mit yhrem begriff, ynnhalt, prouincien, || voelckern, ankunfft, kriegē, reysen, glauben, religi-||onen, gesatzen, sytten, geperdē, weis, regimentē, || frümkeyt, vnnd boßheiten, von eim Siben-||bürger xxij. jar darinn gefangen gelegen || yn Latein beschrieben, verteütscht || Mit eyner vorrhed D. || Martini Lutheri. || Zehen oder aylff Nation vnd Se-||cten der Christenheyt || Anno M. D. XXX. ||” Titelrückseite bedruckt. 54 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nuermberg durch || Fridericum Peypus. ||”

Vorhanden: Knaakesche Sammlung.

[Nachdrucke dieser Übersetzung erschienen bei Heinrich Stainer in Augsburg am 26. Oktober und 18. Dezember 1530 (nach Latendorf im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, S. 263)].

 

Jn Justus Jonas' Übersetzung Bl. Viijb –Xiiijb folgenden Drucks:

“Vrsprung des Tur-||kischen Reichs, bis auff den || itzigen Solyman, durch D. || Paulum Jouium, Bischoff Nucerin, || an Keiserliche Maiestat, Carolum || V. jnn Welscher sprach ge-||schrieben, er nach aus dem || Latin, F. Bassiana-||tis, Verdeutschet || durch || Justum Jonam. || Von der Turken rü-||stung, vnd kriechs bestel-||lung &c.. vleissiger bericht. || Vorrede, Phil. Mel. ||” Titelrückseite leer. 88 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Johann Lufft in Wittenberg.

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Ui 257), Danzig, Nürnberg G. M., Zwickau. — Erl. Ausg. 65, 248 (einziger Druck).

 

Ferner auch in folgendem Drucke:

“Zween brieff, Einer || D. Doctoris Martini Luther, || Der ander D. Justi Jonae, || Von der Turcken Histo-||rien P. Jouij, Vnd || wie der Bapst, das gros vn-||zeliche Ablas gelt, an-||gelegt hat. || .·. || Gedruckt zu Hall im Sachs-||sen, Durch Hans || Frischmut. || M. D. XLII. ||” Titelrückseite leer. 9 unbezifferte Blätter.

Vorhanden: Berlin (Luth. 9202).

Jn den Gesamtausgaben findet sich Luthers Vorwort: (lateinisch) Op. var. arg. VII, 514 –519; (deutsch) Wittenberg 9 (1557), 546a –548a; Jena 5 (1557), 260a –262b; Altenburg 5, 393 –395; Leipzig 22 Anhang, 96 –98; Walch 14, 268 –276; Walch2 14, 298 –305; Erlangen 65, 248 –254. Walch2 bringt einen neuen deutschen Text nach Op. var. arg., die andern Gesamtausgaben die Übersetzung des Justus Jonas.

 

 

 

[Seite 205]

 

Martinus Lutherus Lectori pio.

 

1530

 

 

 

[Seite 205]

 

Gratiam et pacem in Christo. Hunc libellum de religione  et moribus Turcorum oblatum libenter accepi et non sine  consilio, ut mihi videor, sano edere constitui. Hactenus  enim cum vehementer cuperem nosse religionem et mores  Mahometistarum, nihil offerebatur quam quaedam confutatio  Alkorani1 et item Cribratio Alkorani N. de Cusa2;  Alkoranum vero etiam num frustra cupio legere.3 Videbatur  sane tam ille Confutator quam Cribrator pio studio Christianos  simpliciores velle a Mahometo absterrere et in Fide Christi retinere. Sed  dum nimio student quaeque turpissima et absurdissima ex Alkorano excerpere,  quae ad odium faciunt et ad invidiam movere possint vulgum, et bona, quae  in eo sunt, vel transeunt non confutata vel occulunt, factum est, ut parum  fidei et autoritatis invenerint, quasi vel odio illorum vel impotentia confutandi  sua vulgarint.

 

Hic autem vir, quisquis fuerit huius libri autor, videtur summa fide  causam agere, qua fide et apud me magnam autoritatem consecutus est, ut  ei fortiter credam tanquam synceriter vera narranti. Et quamquam modica  et parva [Bl. 2] sunt, quae narrat, et plura et maiora desiderem, tamen ea  ipsa modica et parva fideliter ostendit. Sic enim ea narrat, ut non solum  mala eorum recitet, sed etiam optima eorum iuxta opponat, eaque sic praedicat,  ut nostros homines illorum collatione arguat et vituperet. Nec tamen ea  probat tanquam pie facta, sed animose et fortiter, quantum pro illo tempore  fieri potuit, confutat. Haec sunt sane certa signa candidi et synceri pectoris  nihil scribentis ex odio, sed ex amore veritatis omnia narrantis. Qui enim  hostem vituperat tantum et solum turpia et absurda eius criminatur, honesta  vero et laudabilia eius tacet, is magis nocet causae quam prosit. Quid enim  facilius quam palam turpia et inhonesta (quae seipsa confutant) criminari?  At bona honestaque specie detracta confutare hoc est causae prodesse, hoc

 

 

 

[Seite 206]

 Itaque ex hoc libro videmus Turcorum seu Mahomethi religionem  caeremonijs, pene dixerim et moribus, esse multo speciosiorem quam nostrorum,  etiam religiosorum et omnium clericorum. Nam ea modestia et simplicitas  victus, vestitus, aedium et omnium rerum, ut hic liber indicat, item  ieiunia et preces, conventus generales vulgi apud nostros non videntur  uspiam, imo impossibile est vulgus nostrum ad ea persuaderi. Deinde  miracula et monstra abstinentiae et disciplinae in religiosis ipsorum quem  non pudefacerent monachorum, sive sit Chartusianus (qui volunt optimi  videri) sive Benedictinus? Umbrae sunt nostri religiosi ad illos collati, et  vulgus nostrum plane prophanum ad illorum vulgus comparatum. Nec ipsi  vere Christiani, nec Christus ipse, nec Apostoli, neque Prophetae tantam  speciem unquam praestiterunt. Atque hoc est, quod multi tam facile a  Christi Fide deficiunt ad Mahometum et ei tam pertinaciter adhaerent. Ego  plane credo nullum Papistam, monachum, clerum aut eorum fidei sotium, si  inter Turcos triduo agerent, in sua fide mansurum. Loquor de iis, qui  serio fidem Papae volunt et optimi inter eos sunt. Caetera turba et maior  eorum pars, presertim Itali, quia porci sunt de grege Epicuri, nihil prorsus  credentes, securi sunt ab omni haeresi et errore fortesque et invicti in sua  fide Epicurea tam contra Christum quam contra Mahometum et contra  ipsum suum met Papam.1

 

Atque hoc consilio hunc librum edimus et in faciem adversantium  Euangelio protrudimus, ut stulta sua opinione confusi re ipsa experiantur et  manibus proprijs palpent hoc, quod Euangelium docet, verum esse, Nempe  Christianam religionem longe aliud et sublimius ali-[Bl. 3]quid esse quam  caeremonias speciosas, rasuram, cucullos, pallorem vultus, ieiunia, festa, horas  Canonicas et universam illam faciem Ecclesiae Romanae per orbem. Nam  in his omnibus superant longissime Turci, qui tamen Christum et negant  et ardentissime persequuntur, non minus quam nostri Papistae eundem  negant et persequuntur. Deinde et hoc palpent esse verum, Scilicet Christianam  religionem longe aliud esse quam bonos mores seu bona opera.  Nam in his quoque ostendit is liber Turcos longe superiores esse Christianis  nostris.

 

Ite nunc, Tyranni et Pontifices, et propter Fidem Christi, id est propter  caeremonias vestras, occidite, exurite, suffocate, proscribite et pleno impetu

 

 

est scandala tollere et angelum lucis mentita forma spoliare et sua propria  turpitudine et rapina lucis odiosum reddere.

 

 

 

[Seite 207]

 

insanite, cum hic videatis vestrarum caerimoniarum claritatem non esse  claritatem propter excellentem claritatem Turcorum Et vestros mores ad  illorum mores collatos plane abominationes esse. Itaque pro Apologia  quadam Euangelij nostri simul hunc librum edimus. Nunc enim video, quid  causae fuerit, quod a Papistis sic occuleretur religio Turcica, Cur solum  turpia ipsorum narrarint, Scilicet quod senserunt, id quod res est, si ad  disputandum de religione veniatur, totus Papatus cum omnibus suis caderet  nec possent fidem suam tueri et fidem Mahometi confutare, cum ea confutare  oporteret, quae ipsimet maxime probant et quibus maxime nituntur, et ea  tueri, quae illi maxime probant et quibus maxime nituntur.

 

Sunt, fateor, plurima apud Turcos in speciem quoque turpia et absurda,  fortasse et interim plura creverunt, nec modo per omnia tales nunc Turci sunt,  quales hic liber fingit ante captam Constantinopolim, id est ante 70 annos  editus, sicut solent omnia cum tempore in peius prolabi. Sed haec mala  pulchre teguntur specie tam efficaci et valida ceremoniarum, bonorum morum  et falsorum miraculorum. Nam quid non fuit apud nostros quoque turpitudinis  in tot monstris libidinum, avaritiae, ambitionis, superbiae, invidiae,  discordiae, blasphemiae, mendaciorum, vanitatis, impietatis, ut Sodomam et  Gomorram vinceremus? et tamen haec tecta fuerunt infirmiore specie caeremoniarum,  quam Turcorum est, ut ea omnia non viderentur et ipsi nihilominus  Sancti haberentur. quanto minus movebunt Turcos sua turpia tam religiosis  caeremonijs ornata!

 

Proinde hunc librum etiam hoc altero consilio edimus, ut scandalum  Mahometicum praeveniremus. Cum enim in vicino nunc Turcam et suam  religionem habeamus, monendi sunt nostri, ne specie religionis illorum et  facie morum commoti aut vilitate nostrae fidei ac morum difformitate offensi  negent Christum suum [Bl. 4] et Mahometum sequantur, Sed discant religionem  Christi aliud esse quam caeremonias et mores Atque Fidem Christi prorsus  nihil discernere, utrae ceremoniae, mores et leges sint meliores aut deteriores,  Sed omnes in unam massam contusas dictat ad iusticiam nec esse satis nec  eis esse opus. Haec nisi discamus, periculum est, ne plurimi ex nostris  Turci fiant, alioqui proclives ad multo minus speciosos errores.

 

Et quamvis hic autor Turcorum absurda et turpia satis exagitet, deinde  eorum speciosa scandala (quibus et ipse motus aliquando lapsus est, uti fatetur)  satis candide et recte confutet, Tamen videmus illo tempore non ita valuisse  in publico nostra summa praesidia et robustissima arma, quae sunt articuli de  Christo, Scilicet quod Christus sit filius Dei, mortuus pro nostris peccatis,  resuscitatus ad vitam nostram, quod Fide in illum iusti et peccatis remissis  salvi sumus etc. Haec sunt tonitrua, quae destruunt, non modo Mahomethum,  sed et portas inferi. Mahometh enim negat Christum esse filium Dei, Negat  ipsum mortuum pro nostris peccatis, Negat ipsum resurrexisse ad vitam  nostram, negat Fide in illum remitti peccata et nos iustificari, Negat ipsum

 

 

 

[Seite 208]

iudicem venturum super vivos et mortuos, licet resurrectionem mortuorum  et diem iudicij credat, Negat Spiritum sanctum, Negat eius dona. His et  similibus articulis est munienda conscientia contra caeremonias Mahomethi.  His machinis Alkoranus eius confutandus est.

 

Nam si iam dictos articulos quis neget, Quid illi prosit, etiam si  Angelorum religionem habeat, etiam si bis sit Turcorum religiosus? Contra,  si quis hos articulos teneat, Quid illi noceat, si neque tam multa ieiunet,  oret, vigilet, abstineat neque victu, vestitu, gestu, re familiari tam modestus  sit? Sint Turci, sint Papistae his rebus clari, At simul vera Fide vacui et  iuxta alijs criminibus turpissimis oppleti sunt et coram Deo abominabiles et  apud homines odibiles. Sed venia huic danda est autori, qui communi vitio  seculi maiora non attigit et quae attigit stilo usitato sui temporis formavit,  Laudandus vero ob insignem zelum, candorem et diligentiam, quibus, quantum  potuit, praestitit fideliter. Plura forte dicam, siquando mihi ipse Mahomethus  Alkoranusque suus in manus venerit. Spero enim Euangelion  nostrum tanta luce fulgens etiam impetum facturum esse ante iudicij diem  in ipsum Mahomethum abominabilem prophetam, quod faciat Dominus noster  Iesus Christus cito, Cui sit gloria aeterna. Amen.

 

 

 

[Seite 209]

 

Vorrede zu Menius, Der Wiedertäufer Lehre.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 209]

 

Auch nach dem Bauernkriege wucherten in Thüringen aufrührerische und schwärmerische Jdeen weiter. “Wiedertäufer” aber regen sich erst im Jahre 1528, als Melchior Rink in der Nähe von Hersfeld eine Schar von Anhängern gewann.1 Den beiden Superintendenten Justus Menius zu Eisenach und Friedrich Myconius zu Gotha machten sie viel zu schaffen. Menius hatte schon im Dezember 1528 gemeinsam mit dem Amtmann von der Wartburg Eberhard von der Thann einen Bericht über die Bewegung an den Kurfürsten eingesendet und sie seitdem unablässig beobachtet und studiert. In den ersten Monaten des Jahres 1530 verband er sich mit Myconius zur Herausgabe einer Gegenschrift, die er dann aber allein ausarbeitete. Am 4. Mai 1530 widmete er sie dem Landgrafen Philipp von Hessen, “um ihn zu energischeren Maßregeln gegen die Täufer zu treiben”.2 Vorher hatten die beiden Theologen einen Entwurf zu ihrer Schrift Luther unterbreitet, der sie zu schnellster Ausführung ihres Planes antrieb.3 Dann hatte Menius auch das fertige Manuskript Luther vorgelegt, der es auch Melanchthon zeigte und am 12. April 1530 dem Verfasser schrieb, daß ihm seine Schrift sehr gefalle; sie sei zwar etwas weitschweifig, und Melanchthon fürchte, das werde die Käufer abschrecken, aber die Ausführlichkeit sei seiner Meinung nach notwendig; auch der Schlußpassus, betreffs dessen Menius offenbar angefragt hatte, ob er ihn nicht vielleicht, um die Schrift abzukürzen, weglassen sollte, müsse beibehalten werden.4 Wahrscheinlich zu derselben Zeit schrieb nun auch Luther die Vorrede, die dann im Druck Menius’ Widmungsschreiben an den Landgrafen vorangestellt wurde. Der Druck zog sich übrigens in die Länge. Am 20. August hatte Luther auf der Koburg erst einen Teil der Druckbogen aus Wittenberg erhalten.5 Ende September schickte Georg Rörer ein vollständiges Exemplar an Stephan Roth.6

 

 

 

[Seite 210]

 

A. “Der Widder-||tauffer lere vn̄ geheim-||nis, aus heiliger schrifft widder-||legt, Mit einer schoenen Vorrede, || Martini Luther. || Psam. LXIII. || Sie ertichten schalckheit vnd haltens heimlich || vnter sich selbst, jm tieffen hertzen. || Aber Gott wird sie mit plotzlichen pfeilen schie||ssen, das sie wund werden. || Jhr eigen zung hat sie gefellet, das jhr spottet || wer sie sahe, vnd alle menschen erschracken. || Wittemberg. || MDXXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 100 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. || MDXXX. ||”

Einige Exemplare haben auf dem Titelblatt Zeile 8 den Druckfehler “hertzenl”.

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth. 9216 und “hertzenl”. 9216a), Breslau St., Dresden, Hamburg, Heidelberg, München U., Nürnberg St., Wittenberg, Zwickau; Basel U., London.

 

B. “Der widderteu || ffer Lere vnd geheim || nis, Aus heiliger schrifft || widderlegt. || Justus Menius. || Von der Wid- || dertauffe an Zween || Pfarher, Ein Brieff. || D. Martinus Luther || Vnterricht wid||der die lere der Wid- || derteuffer. || Philip. Melancht. || Wittemberg. || MDXXXIIII. ||” Titelrückseite leer. 160 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedrueck zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. ||”1

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth. 9219), Göttingen, Zwickau; London.

In den Gesamtausgaben steht unsere Vorrede Wittenberg 2 (1548), 304b –306b (Menius’ Schrift weiter bis 359a); 92 (1557), 548a –549b; Jena 5 (1557), 262b –264b; Altenburg 5, 396 –397; Leipzig 22 Anhang, 98 –100; Walch 14, 276 –283; Walch2 14, 306 –311; Erlangen 63, 290 –296.

 

Der zweite Schirlentzsche Druck (B) hält sich enge an den ersten und zeigt fast nur Änderungen in der Umlautsbezeichnung: u > ue in luegen, tuegent, geruempel, fuer, wuerden, Tuercken, vertuenckeln, kuenfftig, ruestig, kluegling, versuenen; o > oe koempt, poebel, moerder, der groesschen; jhr > jr; große Anfangsbuchstaben sind häufiger als in A; in Zitaten steht z. B. am achzehenden für .18.

 

 

 

[Seite 211]

 

[Bl. Aij]

Vorrhede Mart. Luther. 1530

 

 

 

[Seite 211]

 

[Matth. 18, 7] Vnser Herr Jhesus Christus hat Matth. 18. klerlich gnug verkundigt,  das seine liebe kirche jmer muesse Rotten und Secten  leiden, da er spricht: ‘Es muessen ergernisse komen, Aber doch  wehe dem menschen, durch welchen die ergernisse komen’, So  [1. Kor. 11, 19] hat auch S. Paul 1. Corin. 11 gesagt: ‘Es muessen Rotten odder  [2. Petri 2, 1] Ketzerey sein, auff das die bewereten offenbar werden’, Und 2. Pet. 2: ‘Es  werden aber unter euch falsche lerer sein, wie unter jhenen auch falsche propheten  waren, Wie denn solchs von anfang der Christenheit, auch zur Apostel  zeit bis da her mit der that vollenkoemlich geschehen ist, Und bis an der welt  ende geschehen wird. Denn Christus ist ein Koenig und Herr, darumb mus  er auch streiten und kriegen, Er streitt aber geistlich mit der warheit widder  die lugen, so weret sich die luegen und wil nicht unterligen, Also gehen denn  die Rotten an, und hebt sich solcher lerm und rumor jnn der Christenheit.

 

Der halben sol niemand sich wundern noch entsetzen, ob er Rotten geister  und ketzer unter den Christen sihet auff komen und so greulich poltern wider  die warheit, Bistu ein Christ und gleubest Christo und seinen Aposteln, so  mustu ja das auch gleuben und gewarten, da sie sagen: Es muessen Rotten  und ergernis komen, Und solch jhr wort fur keine luegen odder lose leichtfertige  rede halten, sondern das sie von redlichen, grossen, grewlichen sachen reden,  wie Gottes wort zu reden gebuert, Und must dirs lassen nicht seltzam sein,  wenn sie komen, sondern dich daran gewenen, das du koennest sagen: Wolan,  las her gehen und komen, was da kompt, ich habs lengest wol gewust, das  Rotten komen musten, Sind es diese nicht, so muessens andere sein, lassen diese  ab, so fahen andere an. Wiltu das liebe Euangelion haben, so mustu die  hellische pforten und teuffel auch haben, das du das selbige Euangelion nicht  [Joh. 14, 27] mit liebe noch friden habest, wie Christus spricht: ‘Jch gebe euch meinen friden,  Nicht wie die welt gibt.’

 

Und jnn Summa, der teuffel ist ein polter geist und rumpel geist1,  poltern und rumpeln kan er nicht lassen, Bis her unter dem Bapst hat er  gepoltert In heusern, jnn kirchen, auff dem felde, In den welden, und hat da  mit einen seel marckt gestifft, hat sich fur menschen seelen veil geboten und  verkaufft, da durch die Messe und alle Christliche werck jns fegfeur, ja jnn  die helle geschleifft und aller welt gueter jnn faulfressige2 beuche gesteckt, ja  jnn der kloester und stifft Cloacas und heimliche gemach versenckt, Nu aber  solcher seelen marckt jhm nidder gelegt ist, richt er ein new gepolter und ein  ander gerumpel an, durch die Rotten geister, Darumb wie man fur den  polter geistern jnn heusern jtzt sich nicht mehr fuercht, also solten wir uns

 

 

 

[Seite 212]

 

auch fur seinem poltern jnn den Rotten nicht mehr entsetzen, Es mus doch  gepoltert und gerumpelt sein, so lange die wellt stehet.

 

Aber es mus uns doch alles zu gut komen und nicht einerley1 nutz  schaffen. Erstlich, das wir da [Bl. A iij] durch geubt werden, das wort Gottes  deste vleissiger zu handeln und halten und da mit jhe lenger jhe gewisser der  warheit werden, Denn wo solche Rotten nicht weren, da durch uns der teuffel  so auffwecket, wuerden wir zu faul, schlieffen und schnarckten uns zu tode,  Wurden auch beide, glauben und wort, bey uns vertunckeln und verrosten,  bis es gar alles verdoerbe, Aber nu sind solche Rotten unser schleiffstein und  polirer, die wetzen und schleiffen unsern glauben und lere, das sie glw2 und  rein wie ein spiegel glentzen, lernen auch dar uber den teuffel und seine  gedancken kennen und werden rustig und geschickt gegen jhm zu streiten, Welchs  alles nach bliebe, wo wir ruge hetten fur den Rotten.

 

Zum andern, so wird auch das wort selbs da durch deste bas und heller  an tag bracht fur der welt, das viel die warheit durch solchen krieg erfaren  odder jhe drinnen gesterckt werden, die sonst nicht da zu kemen, Denn es ist  ein schefftig3 ding umb das wort Gottes, darumb gibt jhm Gott auch zu schaffen,  henget und hetzet dran beide, teuffel und die wellt, auff das seine macht und  tuegent offenbar und die luegen zu schanden werde, Ob nu etliche da durch  verfuret werden, ist auch recht, und geschicht zur straffe und rache uber die  Gottlosen, stoltzen verechter und undanckbarn menschen, die unser lere verfolgen,  lestern odder verachten, Denn was frumer einfeltiger hertzen daneben  verfuret werden, da ist hoffnung, das sie widder zu recht komen muegen, Die  stoltzen aber und kluglinge sollen drinnen verstockt, und jhrer undanckbarkeit  und eigener hoffertigen klugheit lohn also jnn sich selbs empfahen.

 

Solchs alles wirstu hie jnn diesem feinen buch reichlich finden, wie Gott  unsern glauben durch der Widderteuffer faule, lame zoten4 ubet und sterckt,  Widderumb auch wie billich er jhren stoltzen duenckel und undanckbarkeit strafft,  das sie verblendet und verstockt solch nerrisch ding reden und darumb auch  nicht gern an das liecht wollen, sondern jhr gifft jm tunckel bergen. Und wie  wol all jhr luegen jnn diesem buch klerlich und gewaltiglich sind uberwunden,  wil ich doch auch ein wenig anzeigung thun, das man greiffen mag, der teuffel  habe sie aus gesand, und mit eitel luegen umb gehen, wie wol es alles vorhin  jnn diesem buch begriffen ist.

 

Erstlich ist das ein gewis zeichen des teuffels, das sie durch die heusser  so schleichen und lauffen jm lande umb Und nicht offentlich aufftretten, wie  die Apostel gethan und teglich alle ordenliche prediger thun, Sondern sind  eitel meuchel prediger, komen auch jnn frembde heuser und ort, da hin sie niemand  beruffen noch von jemand gesand sind, koennen auch solchs schleichens

 

 

 

[Seite 213]

 

 und lauffens keinen grund noch warzeichen1 bringen.2 Dis stueck feilet nicht  [Joh. 10, 8] und ist gewis, das sie vom teuffel komen, wie Christus sagt Johan. 10: ‘Alle  die vor mir komen, sind diebe und morder.’ So habe ich vor hin Psalm 823  vermanet beide, oberkeit und unterthan, das man solche schleicher, meuchel lerer  und winckel prediger schlecht nicht leiden sol, Denn da ist kein Gott nicht,  sondern gewis der teuffel selbs, Es gleisse, wie es wolle.

 

Zum andern ist jhr lere nichts anders denn [Bl. A iiij] welltliche guter,  zeitliche, fleischliche und jrdissche verheissung, die der pobel gern hoeret, nemlich  das sie wie die Juden und Turcken auff erden ein Reich ertichten, dar jnn alle  Gottlosen erschlagen, und sie allein gute tage haben sollen. Wer moechte das  nicht? Das ist doch ja eine offentliche greiffliche luegen, denn Christus hat  den seinen nicht ein weltlich reich, sondern ein himlisch reich bestellet und  [Joh. 16, 33, Joh. 18, 36] spricht: ‘Jnn der welt werdet jhr angst und not haben’, Jtem: ‘Mein reich  ist nicht von dieser welt’, Und heisst uns diese wellt verleucken und des himel  reichs warten, sonst kemen die vorigen heiligen und merterer, Christus und  alle Apostel ubel da zu, das sie hetten solchs welltlichen reichs muessen emperen,  Darumb ist dis stueck ein gewis zeichen, das sie der teuffel reite.

 

Zum dritten, das sie leren, Christus werde die Gottlosen durchs schwerd  umb bringen, und werde das schwert solchen bunds brudern befelhen, Da  sihestu offenberlich den moerdisschen, aufrurisschen, rachgirigen geist, dem der  odem nach dem schwert stinckt, Und das noch viel feiner ist, Sie predigen sich  selbs, sie wollen solche gesellen sein, das schwert zu furen, Und das sie doch  die luegen also hetten geputzt, das nicht sie selbs, sondern andere thun solten,  wie die Propheten von den kunfftigen Christen weissagen, so hette es doch ein  wenig farbe, Aber diesen gesellen sind jhre nachbar nicht wol geraten, drumb  muessen sie sich selbs predigen und nicht Christum noch seine werck, sonder was  sie gern thun wolten und jhre moerdissche werck, Wir wissen aber, das  Christus den seinen kein schwert befolhen, sondern verboten hat, da er sagt:  [Luk. 22, 26] ‘Jhr aber solt nicht so sein odder thun’, Solch wort hat er nicht widderruffen,  wird sich selbs auch nicht luegen straffen, Und wird die Gottlosen nicht mit  dem schwert, sondern mit dem odem odder geist seines mundes toedten und  durch die erscheinung seiner zu kunfft sie hinrichten4, Dar umb ist dis aber  mal ein gewis, greifflich zeichen, das der leidige teuffel sey.

[ 14/15 himel reichs B]

 

 

 

[Seite 214]

 Zum vierden, sihe, wie fein sie von guten wercken leren, Sprechen, sie  geben jhre gute werck umb einen grosschen, da mit wollen sie unser affen sein  und uns nach leren, weil sie gehoert haben, das wir leren, Gute werck machen  nicht frum, tilgen auch die sunde nicht, versuenen auch Gott nicht, Uber solchs  thut hie der teuffel seinen zu satz und veracht die guten werck so gar, das er  sie alle umb einen grosschen verkeuffen wil, Da lobe ich Gott, meinen Herrn,  das der teuffel sich selbs jnn seiner klugheit so schendlich mus beschmeissen1  und betoren.2 Wir leren also, das Gott versunen, frum machen, sunde tilgen,  sey so hoch, gros, herrlich werck, das allein Christus Gottes Son thun muesse,  und sey eigentlich ein lauter, blos, sonderlich werck des einigen rechten Gottes  und seiner gnade, da zu unser werck nichts sind noch vermuegen. Aber das  darumb gute werck solten nichts sein odder eines grosschen werd sein, Wer hat  das jhre geleret odder gehoeret? on jtzt aus dem luegen maul des teuffels.

 

Jch wolt meiner predig eine, meiner lection eine, meiner schrifft eine,  meiner Vater unser eins, ja wie kleine werck ich jmer gethan odder noch  thue, nicht fur der3 [Bl. A5] wellt gueter geben, ja ich acht es theurer denn  meins leibs leben, das doch einem jglichen lieber ist und sein sol denn die  gantze wellt. Denn ists ein gut werck, so hats Gott durch mich und In mir  gethan. Hatts Gott gethan und ist Gottes werck, Was ist die gantze wellt  gegen Gott und sein werck? Ob ich nu wol durch solch werck nicht frum  werden (denn das mus zu vor geschehen durch Christus blut und gnade on  werck), dennoch ists Gott zu lob und ehren geschehen, dem nehesten zu nutz und  heil, Welcher keines man mit der wellt gut bezalen odder vergleichen kan.  Und diese feine Rotten nimpt einen grosschen da fur! Ah wie fein hat sich  der teuffel hie verborgen! Wer kuendte jhn doch hie nicht greiffen? Widder  den glauben leren sie ein welltlich reich, Widder die gute werck leren sie zeitlich  gut und gelt und halten sie geringer denn einen grosschen, Widder das Creutz  leren sie schwert und rache. Ach das muessen mir zarte und ja feine Christen  sein, Darumb ist der billich verdampt, der solche offenberliche, greiffliche luegen  und lesterung des teuffels gleubt. Aber weiter wirstu jnn dem buch selbs  finden und sehen, wie Christus diesen luegen geist angreifft, stuertzt und zu  scheitert, Dem sey lob und danck jnn ewigkeit, sampt dem Vater und heiligen  geist, warhafftigem Gott und Herrn, Amen.

 

 

 

[ 13 maul] mal B]

 

 

 

[Seite 215]

 

Vorrede zu Spenglers Auszug aus den päpstlichen Rechten.

 

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 215]

 

Von seinem Kanzler Georg Vogler angeregt, hatte Markgraf Georg von Brandenburg den Nürnberger Stadtschreiber Lazarus Spengler in einem eigenhändigen Schreiben aufgefordert, “einen lauteren Auszug in deutscher Sprache aus den päpstlichen Rechtsbüchern zu machen, über die Dinge, welche mit dem göttlichen Wort und Lehre übereinstimmen, in Hoffnung, daß es dem heiligen Evangelio nicht unförderlich sein sollte”. Obwohl mit allerlei Amtsgeschäften und täglicher Leibesschwachheit beladen, unterzog sich Spengler dieser Arbeit, fertigte aus den zwei päpstlichen Büchern der Decret und Decretalen einen solchen Auszug an und schickte ihn mit einem vom 2. September 1529 datierten Widmungsschreiben dem Markgrafen.1

 

Jm Dezember wurde der Auszug bei Jobst Gutknecht in Nürnberg gedruckt.2 Der Verfasser verschwieg jedoch seinen Namen, verfaßte auch eine andere Einleitung.3 Am 2. Januar 1530 schickte Spengler zwei Druckexemplare an Vogler.4 Wohl ebendiese schickte dann Markgraf Georg an Kurfürst Joachim I. von Brandenburg und Herzog Georg von Sachsen. Letzterer antwortete aus Dresden unterm 19. Januar 1530.5 Er bedankt sich freundlich für die Zuschickung des Buches, das ihm übrigens

 

 

 

[Seite 216]

 

auch schon von einem andern zugesandt worden sei.1 Er habe es zum Teil übersehen und darin befunden, “das, der solch buch hat lassen ausgehen, ... dye text der concilia vnd decret nicht gantz hat bleiben lassen, sondern zu seynem besten vnd vornemen getollmetzt vnd verdeutzet”. Aber gern habe er vernommen, daß die Gegner jetzt “in den canonibus vnd concilien” mancherlei fänden, “das ihn schmeckt vnd das dem evangelio gemeß vnd nicht entkegen”; damit bewiesen sie, daß Luther mit Unrecht die geistlichen Rechte öffentlich verbrannt und geschrieben habe, “es sey nit eyn gut worth in allen geystlichem recht”; hoffentlich würden sie “seyner vnwahrheyt meher befynden vnd daraus vermergken, wye sye mit vnwarheit in vnrechtlich vngestumigkeyt vorfurt seyn”. Kurfürst Joachim dagegen antwortete aus Cölln a. d. Spree unterm 29. Januar 1530 ganz ablehnend.2 Beiden Fürsten gegenüber nahm Markgraf Georg mit schönem Freimut das Buch in Schutz.3 Für wie gefährlich aber jene beiden Fürsten das Buch erachteten, ergibt sich daraus, daß sie Gegenschriften verfassen ließen. Höchst wahrscheinlich einem Winke Joachims folgend schrieb Wolfgang Redorfer4:

 

 

 

“Des verdechtigen auß-||zugs Baepstlicher Rechte, der De-||cret vnd decretalen, In den Artickeln die || vngeferlichē Gottes wort vnd dem Euan||gelio

 

 

 

[Seite 217]

 

gemeß sein sollen, kurtze || erklerung durch || Wolffgang Redorffer D. || M. D. XXX. || ||’ Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.

Augsburger Druck. — Ex. z. B. in Berlin (Cu 5284) und München U.

Und Herzog Georgs coadjutor in spiritualibus Johann Cochläus veröffentlichte sogar drei Gegenschriften gegen den Auszug.1 Die erste begann er Ende Februar.2 Sie wird eröffnet durch ein “Dresden, 22. April 1530” datiertes Vorwort an Bürgermeister und Rat von Leipzig und trägt folgenden Titel:

 

 

 

“Auff den Tewtsch||en Auszug vbers||Decret, von vnbe||nanten leuthen gemacht. || Antwortt||D. Jo. Cocleus.||Gedrugkt zu Dreszden||durch Wolffgang||Stoeckel.|| M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Ex. z. B. in Berlin (Cu 1595), München U. und Zwickau.

Dagegen reagierte ein unbekannter Verfasser, der sich hinter dem Pseudonym “Hieronymus von Berchnishausen” versteckte, — ihn mit Spengler zu identificieren3, verbieten die Angaben, die der Verfasser über sich macht4 — mit einer kraftvollen und humorgewürzten Schrift, die gleichfalls ein Widmungschreiben an Bürgermeister und Ratmannen der Stadt Leipzig (datiert: Augsburg, 25. Mai 1530) an der Spitze trägt:

 

 

 

“Antwort auff das vn-||warhafft gedicht: so Jo-||han Cocleus: der sich Do-||ctor nennet: Widder den || gedrückten auszug Bebst||licher rechten: new-||lich hat ausge-||hen las-||sen. || D. Hieronymus von Berch-||nishausen etc.|| Liess, es wird dich nicht gerewen, besondern || von der Priester ehe.||” 36 Blätter in Quart, Titelrückseite und letztes Blatt leer.

Ex. z. B. in Berlin (Cu 525) und Frankfurt a. M.5

 

 

 

[Seite 218]

 

Unterdessen waren von dem Auszug mehrere andere Ausgaben1, darunter eine mit einer Vorrede Luthers versehene Wittenberger, erschienen. Letztere kam Cochläus bereits auf seiner Hinreise zum Augsburger Reichstag (Ende April oder Anfang Mai)2 zu Gesicht.3

 

 

 

a “Ein kurczer || auszuge, aus den || Bebstlichen rechten der De-||cret und Decretalen, Ynn den || artickeln, die vngeferlich Got||tes wort vnd dem Euangelio || gemes sind, odder zum we||nigsten nicht widder || streben. || Mit einer schoenen Vorrhede. || Mart. Luth. || Wittemberg. 1530. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittembergk durch || Joseph Clugk. || M D. XXX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Arnstadt, Berlin (Luth. 9211), Danzig, Dresden, Frankfurt a. M., Gotha, Heidelberg, Stuttgart, Weimar, Wittenberg; London. — Erl. Ausg. 63, 287 Nr. 1.

 

b wie a, aber mit folgenden Abweichungen auf dem Titelblatt: Zeile 2 “auszueg”; Zeile 7 “||mes sind, odder zum we-||”. Gleicher Satz wie a.

Vorhanden: Zwickau.

 

Niederdeutsch.

 

 

“Eyn korth || vthtoege, vth den - Pewestliken rechten, der || Decreten vn̄ Decretalen,|| Jn den artikelen, de vngeferlick, || Gades wort, vnde dem Euangelio || gelickfoermich syn, edder thom weni-||gesten nicht wedder streuen. || Mit einer schoenen Voerre-||de Martini Luthers. || M. D. XXXI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 47 Blätter in Oktav. Am Ende: “Gedrůcket tho || Magdeborch bi || Hans Walther || [Querleiste] ||”

Vorhanden: Berlin (Fp 3197), Hamburg, Wolfenbüttel.

 

“Eyn korth || vththoege, vth || den Pewestliken rechten, || der Decreten vnde Decre-||talen, Jn den artikelen, de vnge-||ferlick, Gades wort, vnde dem || Euangelio gelyckfoermich syn, || edder thom wenigesten nicht || wedder streuen. || Mit einer schoenen Voer-||rede Martini Luthers. || M. D. XXXj. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 48 Blätter in Oktav, das letzte Blatt leer. Am Ende: “Gedruecket tho Mag-||deborch by Hans || Walther. || [Querleiste] ||”

Vorhanden: Hamburg, München U., Wernigerode.

In den Gesamtausgaben steht Luthers Vorrede an folgenden Stellen: Wittenberg 9 (1557), 545b –546a; Jena 5 (1557), 259b –260a; Altenburg 5, 393; Leipzig 22, Anhang 95; Walch 14, 267 –268; Walch2 14, 296 –299; Erlangen 63, 287 –290.

 

 

 

[Seite 219]

 

[Bl. Aij]

Vorrhede Martini Luthers. 1530

 

 

 

[Seite 219]

 

Ein solch buch hab ich mir selbs offt und lange furgenomen zu  stellen, wie das ist, aus dem Decret und geistlichen rechten,  Und dasselbige unsern geistlichen und weltlichen herren, so unser  lere verfolgen, zu zuschreiben, damit sie doch sehen moechten, wie  gar stock starblind1 sie sind, die nicht allein yhr eigen lere nicht  halten, sondern auch verdamnen als eitel Ketzerey. Daran man wol spuren  kan, wie grosser ernst es sey, das sie furgeben, Ketzerey zu vertreiben, die nicht  also viel vleis zursachen thun, das sie doch wissen und lernen mochten, was  sie selbs gleubten, odder was yhr eigen lere, odder wie fern sie widder uns  were, Sondern schlechts einherfaren: diese lere gefellt uns nicht, drumb sols  Ketzerey sein, wenns auch gleich unser eigen lere und ynn unsern buechern gesetzt  were, Was sol man sich aber gutts zu solchen leuten versehen, die ander leute  und sich selbs verdamnen und nicht wissen warumb, wie odder wenn?

 

Jch weis einen grossen ErtzBisschoff, den ich nicht nennen wil2, der hielt  viel von S. Cypriano, dem heiligen Bisschoff und Marterer, und lass des  selbigen bucher ein wenig widder die Lutherisschen, als damit er sie gar zu  sturtzen vermeint. Da yhm aber ward angezeiget, das ynn des selbigen  S. Cypriani buchern stunde, wie die Heilige Christliche Kirche nicht allein zu  Rom, sondern an allen enden der wellt were, Sprach er: Wenn ich wuste, das  Cyprianus das leret, so wolt ich seine bucher als eins Ketzers auch verbrennen,  Und als yhm ward ynn dem buche furgelegt, warff er den heiligen Cyprian mit  seinem buche weg und wolt den Ketzer nicht mehr lesen.

 

Aber weil sie von Gott verstockt und verblendet bleiben wollen, so mussen  wir doch die warheit ehren und mit solchem buch anzeigen, wie die elenden  leute nicht allein so ungleich den alten vetern leren und leben, sondern auch  widder yhr eigen Recht, darumb sie doch fechten, so schendlich wueten und toben,  bis der kompt, der uns erlosen und yhn vergelten wird nach yhrem verdienst.

 

Darumb gefellet mir dis buchlin wol, vnd ist auch wol werd, das mans  lese, Denn wir haben uns bisher so hoch erboten, nachzulassen und zuthun  alles, was sie nur setzen und gebieten kundten, wo sie uns allein die heubtstuck  Christlicher lere frey liessen, welche doch auch viel ynn yhrem eigen rechtbuch  stehen, und sie selbs nichts dauon wissen. Christus, unser herr, erhore unser  seufftzen und gebet, Und schaffe allem yrthum und ubel ein ende, Dem sey lob  und ehre sampt dem Vater und Heiligen Geist ynn ewigkeit, AMEN.3

 

 

 

[Seite 220]

 

Das XXXVIII. und XXXIX. Capitel Hesechiel vom Gog.

 

[Einleitung]

 

[Seite 220]

 

Es ist charakteristisch für Luthers Tatenlust, daß er, sobald er seine einsame, stille Wohnstätte auf der Veste Koburg bezogen hatte, auf Beschäftigung für die Mußezeit, die ihm hier winkte, sann. Gleich noch am Tage seines Einzugs, am 23. April 1530, schrieb er an Melanchthon: “Wir sind auf unserem Sinai angekommen, aber wir wollen ein Zion aus diesem Sinai machen und daselbst drei Hütten bauen, dem Psalter eine, den Propheten eine und dem Äsop eine.”1 Von den hier in Aussicht genommenen Aufgaben scheint Luther zuerst am meisten die Übersetzung der Propheten angezogen zu haben. In der ersten Hälfte des Juni wurde er mit Jeremias fertig und stürzte sich dann auf Ezechiel.2 Aber noch ehe er Jeremias beendet hatte, wählte er aus Ezechiel das 38. und 39. Kapitel, die Weissagungen über Gog und Magog, heraus, verdeutschte sie, fügte Anmerkungen und eine Vorrede hinzu und schickte sie nach Wittenberg zum Druck. Am 12. Mai meldete er Melanchton: “Ego meam invectivam contra Ecclesiasticos iamdudum absolvi et Wittembergam misi. Verti quoque duo capita Ezechielis de Gog cum praefatione, quae simul excudentur.”3 Damals war also die uns hier interessierende Arbeit schon nach Wittenberg zum Druck abgegangen; daß Luther sie gerade zugleich mit der “Vermahnung an die Geistlichen” abgeschickt hätte, liegt nicht in der Stelle. Jedenfalls lag aber die Arbeit schon mehrere Tage hinter ihm, denn damals litt er unter heftigen Kopfschmerzen, so daß er schon den dritten Tag nicht einmal einen Buchstaben hatte ansehen wollen oder können.

 

Vielleicht ist unsere Übersetzung gar die erste Arbeit, die Luther auf der Veste Koburg begonnen hat. Er deutet die beiden Kapitel auf die Bedrängnis, in die die Christen (= Jsrael) durch die Türken (= Gog und Magog)4 gebracht werden würden, und auf den endlichen Untergang der letzteren durch ein göttliches Strafgericht. Das sind aber genau die Gedankengänge, in denen er sich in den ersten Tagen seines Aufenthalts auf der Veste Koburg bewegte. In dem Briefe an Melanchthon vom 23. April, von dem wir ausgingen, schreibt nämlich Luther weiter: “Ego incipio totis animi affectibus in Turcam et Mahometum commoveri,

 

 

 

[Seite 221]

 

videns intolerabilem illam Satanae suriam in corpora et animas tam superbe grassantem. Orabo igitur et plorabo, nec quieturus, donec clamorem meum exauditum in coelis intelligam.”1

 

Nur zwei hochdeutsche Druckausgaben sind uns bekannt geworden: der von Nickel Schirlentz in Wittenberg hergestellte Originaldruck und ein Nachdruck, der 1531 bei Kunigunde Herrgott in Nürnberg erschien. Von Luthers Handschrift hat sich die Übersetzung der beiden Ezechielkapitel im Cod. Solg. Mss. Qu. 8 der Nürnberger Stadtbibliothek erhalten.2 Wir fügen sie in Paralleldruck bei.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A “Das XXXVIII || vnd XXXIX || Capitel Hese-||chiel vom || Gog. || Verdeudscht durch || Mart. Luther. || Wittemberg. || MDXXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch Nickel || Schirlentz. MDXXX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Arnstadt, Berlin (Luth. 5991), Breslau U., Danzig, Hamburg, Heidelberg, Wittenberg, Wolfenbüttel, Zittau, Zwickau; London.

 

B “Das .xxxviij || vnd .xxxix. Capitel || Hesechiel vom || Gog. || Verteutscht durch || Mar. Luther || Wittemberg. || M. D. XXXI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 12 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nürmberg || durch Künigund || Hergotin. ||”

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth. 5995, ohne Bl. B1).

 

Niederdeutsch.

 

 

“Dat xxxviij. || vn̄ xxxix. Capi||tel Hesechiel || vom Gog. || Vorduedeschet dorch || Mart. Luther || Wittenberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Hedrucket tho Magdeborch, dorch || Hinrich Ottinger. ||”

Vorhanden: Hamburg.

In den Gesamtausgaben: Wittenberg 2 (1548), 502a –505a; Jena 5 (1557), 3a –6b; Altenburg 5, 2 –5; Leipzig 7, 493 –497; Walch 6, 1406 –1421; Walch2 6, 880 –891; Erlangen 41, 220 –231.

 

Der Nürnberger Druck B zeigt die zu erwartenden Abweichungen in den Formen. Wir verzeichnen sie im folgenden.

 

I. Vokale, 1) Umlaut: e > ae taeglich, vaeter, staets; o > oe voegel, Boecke; u > ue fuer, hinfuerter, pluendern, fueren, ∞ darumb, herumb, widerumb, stuck; eu > au glauben, haupt, ∞ scheuer. 2) o > u genumen, kumen, kumst, sunst, Kunig, hinfurt. 3) i und ie, u und ů

 

 

 

[Seite 222]

 

meist geschieden, aber nicht ü und ue, ei und ai. 4) Unbetontes e fehlt oft im Auslaut: gnad, -ung, hab, hauff, hell, wuest (Adj.), nam, ein (una), sein (sua), der heylig; im Jnlaut zerstoert, versundigt; ∞ der geiste, huelffe, er helffe, im Jnlaut sewen, herren, regenen (< regen), welches, jres, eynes. 5) Unechtes h fehlt in jm, jn, jr, faren, auch in steen, geen.

 

II. Konsonanten: d > dt, t seyndt, wirdt, wirt, kindt, niemandt, entlich, schwert, hinfuerter, teutsch, teudsch; b > p pracht, verporgen; g > k gefengknus. Doppelkonsonant vereinfacht in wider, oder, in, Got, ∞ kummest, statt (urbs), allzumal, eyffern.

 

III. Vor- und Nachsilben: nis > nus, iglich > igklich.

 

IV. Deklination: Umlaut in voegel, Boecke.

 

Konjugation: komen, kompst > kumen, kumpst, bracht > gepracht; wollen > woellen.

 

V. Wortformen: sonder, nit, dann, yetz (< itzt), herauff, herauß, herzů, fur mit Dat. > vor, nun; yeglich, yederman, selbs > selbst, ruffen > rueffen, schauer > scheuer.

 

 

 

[Seite 223]

 

[Bl. Aij]

Vorrhede Martini Luthers auff das XXXVIII. und XXXIX. Capitel Hesechiel vom Gog. 1530

 

[Seite 223]

 [Off. 20, 8] Weil ynn der offenbarunge Sanct Johannis am zwentzigsten Capitel  der Gog wird beschrieben, wie er mit grossem heer, wie sand  am meer unzelich, widder die Christenheit streiten und endlich  mit feur vom himel zerstoeret werden sol, Welchen wir fur  den Tuercken halten, Habe ich mir, weil ich hie so muessig sitze,  furgenomen, die zwey Capitel Hesechiel, nemlich das XXXVIII. und XXXIX.  auch zu verdeudschen, welche fast gleich mit der offenbarung stimmen, und  sihet, als hab es Sanct Johannes aus Hesechiel genomen und weise uns hieher  ynn den Propheten Hesechiel, der ein wenig weiter dauon redet. Sonst findet  man nirgent ynn der heiligen schrifft von dem namen Gog.

 

Und mich dunckt, das der heilige geist dem Tuercken den namen verkuertzt  und nennet yhn nicht schlecht Magog, welchs der rechte gantze name ist,  [1. Mose 10, 2] Genesis am zehenden, Sondern bricht yhm den kopff ab, nimpt yhm den  ersten buchstaben weg und nennet yhn Gog, wie wol doch beide, Gog und  Magog, ein name ist, an diesem ort und ynn der offenbarung, und auch  beide den selbigen Tuercken bedeuten, Das thut er daruemb, uns trost zuerzeigen,  das er dem Gog fast feind ist, Gleich wie ein iglicher mensch seinen  feind mit halbem namen nennet, wenn er seinen zorn odder unwillen zeigen  wil, als wenn man einen sonst teglich Johannes heisst und aus zorn Hans  [Jer. 22, 24] ruffet, Und der Prophet Jeremia am zwey und zwenzigsten den koenig Jechania  schlecht Chania nennet, welchen er doch sonst offt Jechania nennet, Also hie der  Tuercke, der mit gantzem namen Magog heisst, mus mit halbem namen auch Gog  heissen, wie wol solch verkuertzen der namen auch offt aus liebe geschicht, als  man spricht: Lippes1, Lehne2, Thrine, ia auch wol: du schelcklin, du bueblin.

 

Und Gog ist ein name aus dem Ebreischen. Gag, das heisst ein dach,  Das Gog odder Magog so viel heisst als ein Dachman oder der unter dem  dach wonet, Welchs reymet sich beide, mit den Tuercken und yhren vetern, den  Tattern, Es ist beides ein wild reubisch volck, das nicht nach heusern fraget,  sondern wie das vihe wonen sie ynn huetten als unter dechern und schauren3,  zu raub und krieg ymer bereit, Und sie wollens gerhuemet sein, das sie als  eitel grosse heiligen nicht grosse schone heuser bawen, wie bey uns geschicht,  Und ist auch fein: wie die heiligen sind, so ist die heiligkeit auch, Und solche

[ 27 du (2.) fehlt B]

 

 

 

[Seite 224]

 heiligen sollen solche heiligkeit haben voller geitz, unzucht, hoffart, mord, Gotts  lesterung und darnach ein dach fur ein haus erwelen, gleich wie aller heuchler  heiligkeit auch zuthun pfleget. Zu dem haltem sie auch nicht haus nach der  [Ps. 127, 3] schrifft ym [Bl. A iij] hundert und sechs und zwentzigsten Psalm, Denn sie achten  der ehe nicht und ist yhrer unzucht kein ziel gesteckt, nemen und lassen weiber,  wie sie wollen, und stehet also yhr huetten hinden und fornen und zu allen  seiten offen, das sie der unzucht nachlauffen wie das vihe, Das dach aber  haben sie zum zeugnis grosser abstinentz und messigkeit.

 

Es ist aber vorhin1 gnug angezeiget, wie Gog der Tuercke sein herkomen  hat aus den Tattern odder roten Juden, da der grosse Cam2 koenig ist, wie  [1. Mose 10, 2] die landferer sagen, welche urspruenglich den namen Magog haben, Gene. am  zehenden. Daruemb auch der Tuercke solchen seines vater landes namen hie  erben mus nach gewonheit der schrifft, da zu weilen wol ein einzele person  [1. Mose 49, 27] eins gantzen landes namen fueret, gleich wie Sanct Paulus Genesis am neun  [Ps. 68, 28] und viertzigsten und ym sieben unnd sechtzigsten Psalm Ben Jamin des gantzen  geschlechts namen erbet, als were er allein Ben Jamin3, Welche weise auch wir  deudschen haben, wenn wir also sagen: Sachsen odder Saxonia hielt fest, da  man den Keiser welet, Sachsen thet das beste, Hie mit meinen wir nicht mehr  denn hertzog Fridrichen zu Sachsen, die einzele person, Und wenn ein  Spaniol mit eim Venediger kempffet, spreche man: Hui, Hispania, were  dich, Hispania siegt, Venedig liegt, und der gleichen viel, Also heisst hie der  heilige geist den Tuercken nach seinem vaterland Magog, und aus zorn den Gog.

 

Nach dieser weise sol man auch das wort Jsrael ynn diesen zweyen  Capiteln vernemen, Denn die Apostel und andere juenger Christi, so aus den  Jueden komen, waren rechte Jsrael, Und haben auch des gantzen volcks Jsrael  namen geerbet, wie Sanct Paulus den namen Ben Jamin, Druemb ist der  name Jsrael hinfurt bey den Aposteln blieben und auff alle yhre juenger  geerbet, das nu mehr die heilige Christenheit und wir auch und alle, die dem  wort der Apostel gleuben und yhre juenger find, Jsrael heissen, Gleich wie  alle lender mussen hie Gog mit heissen, weil sie unter dem Tuercken sind und  yhm folgen, ob sie wol der geburt nicht alle Gog sind, sondern Griechen,  Moren, Araber und der gleichen, denn der hauffe wird genennet nach dem  heubt, des das panier ist.

 

Daruemb mussen wir hie durch die berge Jsrael nicht die berge bey  Jerusalem verstehen, da Gog sol erschlagen werden, Es sind die Christlichen  kirchen hin und wider, Unter den Christen sol er darnidder ligen, Aber nicht  mit dem schwert, sondern mit blix, donner, hellisch feur vom hinel herab,

 

 

[ 22 den (2.)] fehlt B]

 

 

 

[Seite 225]

 Denn unser fursten, die lieben Apostel, sind rechte natuerliche Jsrael. so sind  wir Christen unter yhrem panier, das ist: unter dem Euangelion, daruemb  heissen wir nach yhrem namen recht und redlich Jsrael. Hies doch der schelm  Julianus1 die Christen Galileer, daruemb das sie an Jhesum aus Galilea  hiengen, Und mus gantz Asia Gog und Tuercken heissen umbs yhrs tyrannen  willen, Waruemb solten wir nicht auch umb unsers herrn Jhesus willen Jsrael  heissen? So er doch ein rechter natuerlicher Jsrael, ja das einige kleinot ynn  Jsrael ist, Und seine Apostel, [Bl. A 4] unsere hertzogen, auch rechte Jsrael sind?

 

Das sage ich daruemb, das man sich an der Jueden auslegung nicht kere,  [Dan. 9, 27] Es gehet sie dieser text nichts an. Daniel am neunden Cap. hat yhn angezeiget  yhr ende, das sie keiner versamlung mehr hoffen duerffen, Wir sinds,  die aus allerley voelcker zu samen bracht unter einen herrn Christum, Und  sonderlich jtzt, ynn diesen letzten zeiten, sind wir kaum ein wenig durchs  Euangelion aus allen yrrigen glauben zu samen bracht, Das merckt der  teuffel ym Gog (spricht hie Hesechiel) und wil an uns, das er uns auffreibe,  Denn weil er sihet, das Bapst; Keiser, koenige und fursten das Euangelion nicht  muegen dempffen, denckt ers mit macht durch seinen Gog zu vertilgen.

 

Denn ich kan die gedancken nicht lassen, kans auch den teuffel nicht  verwissen2, das er mich und mein heufflin nicht fuernemlich solt meinen zu  suchen, Wir mussen yhm auch deudsch land heissen3, Jst unser Euangelion  recht, so feylen mir diese gedancken nicht, Und weis, das der teuffel solchs  mus ym synn haben, Denn er wil und kan unser Euangelion nicht leiden,  Er risse lieber himel und erden ynn einander, schweige denn, das er nicht solt  seinen Gog auff wecken.

 

Daruemb habe ich deste mehr diese zwey Capitel wollen auslassen4, die  unsern zu troesten und vermanen zur besserung und zu vleissigem, ernstlichem  gebet, auff das wir die verheissen erloesung ynn diesem text und das untergehen  des Gogs seliglich und mit freuden sehen muegen, Er zeucht daher und  hats ym sinn, Gog hat das deudsche blut gekostet, Er gedenckt sich vol  drynnen zu sauffen, So ist uns der teuffel feind, er wil uns rein abkeren,  So sehen wir hie am ende des neun und zwentzigsten Capitels, wer den  Tuercken so gros und mechtig gemacht hat, wer yhm so viel und grossen sieg  gibt: Nicht fur war seine menge odder macht, sondern unser sunde, sagt der  text, die haben Gottes zorn erweckt und sein angesicht von uns verborgen  und den Gog so grewlich lassen wueten.

 

So bekere sich nu jderman, fuerchte Gott und ehre sein Euangelion,  Last uns unser sunde bekennen und nicht leugnen, Darnach mit starckem gebet

 

 

 

[ 15 auffreibe] aufftreybe B 31 zwentzigsten] dreissigsten B]

 

 

 

[Seite 226]

 und hertzlichem seufftzen umb huelff und gnade bitten, Denn unser vermessenheit  wird den Gog nicht schlahen, Gottes zorn sey denn zuvor weg durch unser  busse und gebet, wie er hie ym text sagt, das mit dem Gog sein zorn erauff  zihe, Es sol yhn der donner, blix und hellisch feur erschlahen, gleich wie dem  [2. Kön. 19, 35] Sanherib geschach, das ist sein urteil und sein ende, Welch urteil mussen die  Christen mit yhrem seufftzen und bitten treiben und fodern, Sonst wirds  niemand thun, denn daruemb ist auch das Euangelion jtzt so helle erschienen,  das Christus beide, Bapst (wie er angefangen) und Tuercken, wil hinrichten  und abhelffen1 und uns ein mal gantz und gar erloesen mit seiner herrlichen  zukunfft, welcher wir teglich warten. Des helff uns seine gnade und barmhertzigkeit,  festiglich zu gleuben und hertzlich zu bitten, Amen.

 

 

 

[ 10 welcher] welchem B]

 

 

 

[Seite 226a]

 

[Das 2d. und 2g. Kapitel Hezechiel vom Gog]

 

 

[Bl. 39a] Cap 38 1

 

1530

 

 

 

[Seite 226a] [Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 226b

 Vnd Gottes wort geschach zu mir  vnd, sprach, Du menschen kind  wende dich gegen Gog der aus dem  land Magog ist vnd ein furst ist aus  den herren ynn Mesech und Thǔbal  vnd weissage von yhm und sprich.

 

So spricht Gott der HErr, Sihe,  Jch wil an dich, Gog, der dǔ ein̂

 

[ 13Daneben und darunter von Veit Dietrichs Hand: ‘Duo Capita Ezechielis de gog & Magog Coburgj’ 14 Gottes steht über des HErrn 16 –18 Zuerst schrieb L.: gegen Gog yns land des Magog, der ein furst ist vnter den herren ynn Mesech ..., dann korrigierte er: aus dem lande Magog, dann wieder: yns land des Magog, dann wieder: aus dem land Magog, endlich wie oben. Statt ynn Mesech korrigierte L.: aus M., strich dann aber aus wieder. Am Rande noch die durchgestrichene Bemerkung: Magog ē Turca ex Gog ./· ex tartaris Gog turca ex Magog tattaris. 20 Gott der steht über der HERR 21 L. übersetzte zuerst: wil an dich, strich es dann und schrieb darüber: rede von dir, strich es aber dann wieder und stellte am Rande die ursprüngliche Übersetzung wieder her: wil an dich.]

 

 

 

[Seite 227a]

 fürst bist aus den herren ynn Mesech  vnd Thubal, Sihe, ich wil dich herumb  len̂cken vnd wil einen zaǔm ynn dein  maul legen, Vnd wil dich eraǔs komen  lassen mit alle deinem heer, ros vnd  man, die alle wol gepǔtzt sind, ein  grosser haüffe mit spies vnd schild,  vnd alle das schwerd fǔren, Denn  es sind bey dir Persen, Moren vnd  aüs Lybia, die haben alle schild vnd  helmen, Dazu Gomer vnd sein heer,  sampt dem haǔse Togarma, so gegen  mitternacht ligt, mit, all seinem heer  [Bl. 39b] Ja, es ist ein gros volck  bey dir,

 

Wolan ruste dich wol, dǔ vn̂d alle  dein̂e hauffen so bey dir sind vnd sey  dü yhr hǔeter, Auff das du lange  hern̂ach heimsǔchest vnd nach viel vergangenen  iaren komest ynn das land,  das vom schwerd widder bracht vnd  aus vielen volckern zu samen komen  ist, nemlich auff die berge Jsrael,  welche stetts wüste gewest sind, Vnd

 

 

[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 227b

[ 1 aus steht über vnter        über ynn steht aüs 2/3 L. übersetzte zuerst: herumb len̂cken, strich es dann und schrieb darüber: hin̂richten, strich es aber dann wieder und stellte am Rande die ursprüngliche Übersetzung wieder her: herumb len̂cken. 3 wil o 6 ein steht über mit 7 grosser c aus grossem        haüffe c aus haüffen        mit o 8 vnd sie o         Sebel r 12 sampt dem steht über auch das        hause c aus haus 14 Ja steht über Summa        ein o 16/17 L. übersetzte zuerst: vnd las sich grosse hauffen zu dir [?] versamlen, dann: dǔ vn̂d alle dein̂e hauffen, so sich zu dir [?] versamlen, endlich wie oben. 18 Zu hǔeter am Rande die dann wieder durchgestrichene Bemerkung: (Hüeter) wie ein hirt vber schaff, der sie treibt, wo er hin wil        du nach ettliche 20 das wolgebawet 21 widder bracht steht über erloset        ist vnd von 24 stetts steht über teglich]

 

 

 

[Seite 228a]

 nǔ ausgefuret aǔs vielen volckern vnd  alle sicher won̂en̂

 

Du wirst erauff zihen, Wie ein  vn̂gestǔm wirstü komen vnd wirst sein̂  wie eine wolcke, die das land bedecket,  du vnd dein heer vnd das grosse volck  mit dir

 

So spricht Gott der HErr zu der  zeit wirds dir ein̂fallen vnd wirsts  bose ym synn haben vnd gedencken, Jch  wil das vnbewaret land vber fallen,  vnd vber die komen̂ so sicher vnd on̂  sorge won̂en̂, als die alle on maüren  da sitzen vnd haben weder rigel noch  thor, auff das du raǔben vnd plundern  mügest vnd dein̂e hand lassen gehen  vber die verstoreten, so widder bracht  sin̂d vnd vber das volck, so aus den  heiden zu samen gerafft [Bl. 40a] ist  vnd sich ynn die narung gericht vnd  kaǔm gesetzt hat, vnd mitten ym lande  won̂et

 

Das Reich Arabia, Dedan Vnd die  kaǔffleute auff dem meer, vnd alle gewaltigen  die da selbs sind, werden zu

 

 

[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 228b

[ 1 aǔs vielen volckern rh; aǔs steht über von 2 alle o        zu sicher am Rande die dann wieder durchgestrichene Bemerkung: a facie gladij p̱secutoris, pacis Ec̄ce ... [drei unlesbare Buchstaben] Maho[m]et 3 Wie c aus wie 4 vnd wirst sein̂ o 5 die steht über wirstu        bedecket c aus bedecken 6 das o        grosse c aus gros 8 Gott der steht über der HERR, 9 wirds c aus ?; wirds d.. 9/10 dir —haben zu dieser Zeile am Rande, aber durchgestrichen: Turca 11 vnbewaret c aus vnbeward 12 ursprünglich komen̂ vber die so sich 13 alle o 14 haben rh weder steht über on        noch steht über vnd on 19 ist steht über sin̂d) 23 Das steht über Seba 23/24 Das —kauffleute zu dieser Zeile am Rande, aber durchgestrichen: Arabia te n 24 meer werden 24/25 gewaltigen die steht über die reich [c aus reiche]]

 

 

 

[Seite 229a]

 dir sagen, Jch meine ia du seyest recht  komen, zu raǔben, vnd hast Deine  haüffen versamlet zu plündern, auff  das du weg nemest, silber vnd gold  vnd samlest vieh vnd gǔter, vnd grossen  raub treibest

 

Darumb so weissage du menschen  kind vnd sprich zu Gog So spricht  Gott der HERR Jsts nicht also?  das du wirst mercken, wenn mein  volck Jsrael sicher wonen wird, So  wirstu komen aus deinem ort nemlich  von den enden gegen Mitternacht, du  vnd gros volck mit dir, alle zǔ rossen  ein grosser haǔffe vnd ein mechtiges  heer Vnd wirst eraǔff zihen vber  mein volck Jsrael wie eine wolcke, die  das lan̂d bedecket, Du wirst sein, ynn  den letzten tagen, Jch wil dich aber  darumb erzubringen ynn mein lan̂d,  auff das die heiden mich erkennen, wie  ich an̂ dir, O Gog, geheiliget werde  fur yhren aǔgen [Bl. 40b] So spricht  Gott der HERR, Dü bists, von dem ich  gesagt habe ynn den vorigen tagen,  durch meine diener die propheten ynn  Jsrael, die zur selbigen zeiten weissagten,  das ich dich vber sie komen  lassen wolt

 

¶ Vnd es wird geschehen, zur zeit,  wenn Gog komen wird vber das land

 

[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 229b

[ 2 Deine steht über deinen und noch ein unlesbarer Buchstabe 5 gǔter zu [durchgestrichen] zu raube 6 zu diesem Abschnitt am Rande: dü bist der rechte keiser 9 Gott der steht über der HErr        HERR Zebaoth 13 enden der 14 alle zǔ steht über auff        rossen reitend 15 ein (2.) o 17 die steht über vnd wirst 18 bedecket c aus bedecken 20 darumb o        ynn mein lan̂d rh 21 die steht über alle heiden erfaren 24 Gott der steht über der HErr 30 ¶ rh        es sol wird rh]

 

 

 

[Seite 230a]

 Jsrael, spricht Gott der HERR wird  er aüff zihen mein zorn ynn meinem  grim Vnd ich rede solchs ynn meinem  eyuer vnd ym feǔr meines zorn̂s, Denn  zür selbigen zeit, wird gros zittern  sein ym lande Jsrael das fur meinem  angesicht, zittern sollen, die fissch ym  meer, die vögel vnter dem himel das  viehe aüff dem felde, vnd alles was  sich regt vnd wegt auff dem lande,  vnd alle menschen, so auff der erden  sind Vnd sollen die berge vmbgekeret  werden, vnd die wende fallen, vnd alle  maüren zu boden fallen

 

Jch wil aber vber yhn ruffen, dem  schwerd aǔff allen meinen bergen, spricht  Gott der HErr, das eins iglichen schwerd  sol widder den andern sein̂, Vnd ich  wil [Bl. 14 a] yhn richten mit pestilentz  vnd blǔt Vnd ich wil regen lassen,  platz regen mit schlossen, feur vnd  schwefel, vber yhn vnd sein heer  vnd vber das grosse volck, das mit  yhm ist, Also wil ich denn herrlich,  heilig vnd bekand werden für vielen  heiden, das sie erfaren sollen, das ich  Gott sey

 

 

 

[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 230b

[ 1 Gott der steht über der HErr        wird steht über sol 2/3 er — ynn zu dieser Zeile am Rande: .s. p̱ istum Gog. 3 Vnd steht über Denn 5 zittern steht über beben 7 zittern steht über beben 12 die steht über alle        13 werden o        vnd alle        wende steht über maüren 15 Vnd Jch; Jch c aus ich        wil aber o        dem steht über das 17 Gott der HErr steht über der HErr HERR 17/18 das — sein̂, zu diesem Abschnitt am Rande: süo gladio corruet 17 schwerd wird 18 sol rh        widder u 19 richten lassen 20 wil vb 21 mit hagel stein        schlossen, blitzen 24 Also de 27 Gott steht über der HERR]

 

 

 

[Seite 226b]

 

[Bl. B 1]

Das XXXVIII Capitel  Hesechiel 1530

 

[Seite 226b] [Cap 38] 226a

 

Und das Gottes wort geschach zu  mir und sprach: Du menschen  kind, wende dich gegen Gog, der aus  dem lande Magog ist und ein furst  aus den herren ynn Mesech und  Thubala, und weissage von yhm und  sprich: So spricht Gott der HErr:  Sihe, ich wil an dich, Gog, der du

 

 

 

[Seite 227b]

 

[Cap 38] 227a

 ein furst bist aus den herren ynn  Mesech und Thubal, sihe, ich wil dich  heruemb lencken und wil einen zaum  ynn dein maul legen und wil dich  eraus komen lassen mit alle deinem  heer, ros und man, die alle wol  geputzt, sind, ein grossen hauffen  mit spies und schild und alle das  schwerd fueren, Denn es sind bey  dir Persena, Moren und aus Lybia,  die haben alle schild und helmen,  Dazu Gomerb und sein heer sampt  dem hause Thogarmac, so gegen  mitternacht ligt, mit all seinem heer,  Ja, es ist ein gros volck bey dir.

 

Wolan, ruste dich wol, du und  alle deine hauffen, so bey dir sind, und  sey du yhr hueter, Auff das du lange  hernach heimsuchest und nach viel vergangenen  iaren komest ynn das land,  das vom schwerd widder bracht und aus  vielen voelckern zu samen komen ist,  nemlich auff die berge Jsrael, welche  stets wueste gewest sind und nu ausgefuret

 

[ 18 yhr hueter] jr * hueter; und dementsprechend ein Stern auch bei der Glosse am Rande B]

 

 

 

[Seite 228b]

 

[Cap 38] 228a

aus vielen voelckern und alle  sicher wonen.

 

Du wirst erauff zihen, wie ein ungestuem  wirstu komen und wirst sein  wie eine wolcke, die das land bedecket,  du und dein heer und das gros volck  mit dir.

 

So spricht Gott der HErr: zu der  zeit wirds dir einfallen und wirsts  boese ym synn haben und gedencken:  ich wil das unbewaret land uber fallen  und uber die komen, so sicher und on  sorge wonen, als die alle on mauren  da sitzen und haben wedder rigel noch  thor, auff das du rauben und plundern  muegest und deine hand lassen  gehen uber die verstoereten, so widder  bracht sind, und uber das volck, so  aus den Heiden zu samen gerafft ist,  und sich ynn die narung gericht und  kaum gesetzt hat und mitten ym lande  wonet.

 

Das Reich Arabia, Dedana und  die kauffleute auff dem meer und alle  gewaltigen, die da selbst sind, werden

 

 

 

[Seite 229b]

 

[Cap 38] 229a

zu dir sagen: Jch meine ja, du seiest  rechtb komena zu rauben und hast  deine hauffen versamlet zu plundern,  auff das du weg nemest silber und  gold und samlest vihe und gueter und  grossen raub treibest.

 

Daruemb so weissage, du menschen  kind, und sprich zu Gog: So spricht  Got der HErr: ists nicht also, das  du wirst mercken, wenn mein volck  Jsrael sicher wonen wird, so wirstu  ko-[Bl. B ij]men aus deinem ort, nemlich  von den enden gegen mitternacht,  du und gros volck mit dir, alle zu  rosse, ein grosser hauffe und ein mechtiges  heer, und wirst erauff zihen uber  mein volck Jsrael wie eine wolcke, die  das land bedeckt, Du wirst sein ynn  den letzten tagen, Jch wil dich aber  daruemb erzubringen ynn mein land,  auff das die Heiden mich erkennen,  wie ich an dir, O Gog, geheiliget  werde fuer yhren augen.

 

So spricht Gott der Herr: du  bists, von dem ich gesagt habe ynn  den vorigen tagen durch meine diener,  die Propheten ynn Jsrael, die zur  selbigen zeit weissagten, das ich dich  uber sie komen lassen wolt.

 

Und es wird geschehen zur zeit,  wenn Gog komen wird uber das land

 

 

 

[Seite 230b]

 

[Cap 38] 230a

Jsrael, spricht Gott der HErr, wird  erauff ziehen mein zorna ynn meinem  grim, Und ich rede solchs ynn meinem  eyver und ym feur meines zorns,  Denn zur selbigen zeit wird gros  zittern sein ym lande Jsrael, das fur  meinem angesicht zittern sollen die  fisch ym meer, die vogel unter dem  himel, das vihe auff dem felde und  alles, was sich regt und wegt auff  dem landeb, und alle menschen, so  auff der erden sind, und sollen die  berge umbgekert und die wende fallen  und alle mauren zu boden fallen.

 

Jch wil aber uber yhn ruffen dem  schwerdc auff alle meinen bergen, spricht  Gott der HErr, das eins iglichen schwerd  sol widder den andern sein, Und ich  wil yhn richten mit pestilentz und blut  und wil regen lassen platz regen mit  schlossen, feur und schweffel uber yhn  und sein heer und uber das grosse  volck, das mit yhm ist, Also wil ich  denn herrlich, heilig und bekand werden  fur vielen heiden, das sie erfaren  sollen, das ich Gott sey.

 

 

 

[Seite 231a]

 

 

XXXIX

 

1530

 

 

 

[Seite 230b] [Das XXXIX. Capitel.] 231b

 

Vnd du menschen kind, Weissage  widder Gog, vnd sprich, Also  spricht Got der HERR, Sihe, ich wil  an dich Gog, der dǔ ein furst bist aus  den Herrn ynn Mesech und Thubal  Sihe, ich wil dich herum len̂cken vnd  locken vnd aus den enden von Mitternacht  bringen und auff die berge Jsrael  komen lassen, Vnd wil dir den bogen  aus deiner lin̂cken hand schlahen̂, vnd  deine pfeile aus deiner rechten han̂d  werffen Auff den bergen Jsrael soltu  niddergelegt werden, dü mit alle  deinem heer, vnd mit dem volck das  bey dir ist, Jch wil dich den vogeln  wo sie her fliegen, vnd den thieren  auff dem felde zü fressen geben, dǔ  solt auff dem felde dar nidder ligen,  Denn ich Gott der HErr, habs gesagt

 

[Bl. 41 b] Vnd ich wil feǔr werffen  vber Magog, vnd vber die so ynn den  Jnsulen sicher wonen, Vnd sollens erfaren,  das ich Gott bin, Denn ich wil  meinen heiligen namen künd machen  vnter meinem volck Jsrael, Und wil

[ 4/5 wil an dich steht über rede von dir 4/6 Sihe — Thubal zu diesem Abschnitt am Rande: ./· occupat regiones imp̱ij Romani [teilweise durchgestrichen] 7 L. übersetzte zuerst: herumb lencken, strich es dann durch und schrieb darüber: hin richten, strich es dann auch und korrigierte am Rande wieder: herumb len̂cken. 8 L. übersetzte zuerst: füren, fügte dann über der Zeile wil dich ein, strich dann beides und korrigierte: reitzen, strich endlich auch dieses und korrigierte: locken. 12 han̂d steht über hand 14 niddergelegt steht über gefellet        dü o 16 Jch steht über Vnd ich 17 wo sie her fliegen steht über vnd fliegen 18 dü c aus da 19 solt c aus soltu dar o ligen steht über gelegt werden 21 werffen steht über senden]

 

 

 

[Seite 232a]

 

 

[Das XXXIX. Capitel.] 232b

 meinen heiligen namen nicht lenger  schen̂den lassen sondern die heiden  sollen erfaren, das ich Gott bin̂, der  heilige ynn Jsrael, Sihe, Es ist schon  komen vnd geschehen spricht Gott der  HErr, Das ist der tag daǔon ich geredt  habe

 

Vnd die burger ynn stedten Jsrael,  werden er ausgehen vnd feür machen  vnd ver brennen die waffen, schild, spies,  bogen, pfeil, stecken vnd stangen, Vnd  werden sieben iar lang, feǔr werck  damit halten, Das sie nicht durfen  holtz auff dem felde holen, noch ym  walde hawen, sondern von den woffen  werden sie feǔr halten, Vnd sollen  rauben, von denen sie beraübt sind,  vnd plundern, von denen sie geplundert  sin̂d, Spricht Gott der HErr,

 

Vnd sol zu der zeit geschehen, da  wil ich Gog eine stet geben zum begrebnis  ynn Jsrael, nemlich, das thal,

[ 1/2 lenger so schen̂den steht über mehr entheiligen        sondern steht über Vnd 9 er o 10 vnd brennen vnd        Dazu auch am Rande durchgestrichen: antzunden        ver o 11 pfeil vnd hand [o] stecken        stecken rh 13 damit mach 15 woffen so 16 sollen also 17 rauben d 21 geben o 21/22 stet — nemlich zu dieser Zeile am Rande, durchgestrichen: Er sol nicht daheimen sterben 22 Nach nemlich fuhr L. zuerst fort: das geben̂ete [?] thal, gegen morgen [dazu über der Zeile: werts] am meer, welchs das gen̂ger thal [dazu am Rande, durchgestrichen: gen̂ger ./· homo [?] q̱ hic [t]ransiuit pedib9 [p̱ditus?]], strich dann alles und schrieb: am meer gegen morgen werts, welchs thal die gen̂ger beschleüsst [dazu unten: tāta ē q;i ip̄i fueri[nt] — die letzten drei Wörter durchgestrichen — so weit ist so viel yhr ist], strich dann auch dies und schrieb: [Bl. 42 a] thal ist verschlossen da die ban wendet, [darüber durchgestrichen: enge finit], strich dies wieder und schrieb: Da selbst sollen sie Gog begraben vnd alle seine menge vnd sol heissen, Das thal der menge Gog, Es sol sie aber das haǔs Jsrael begraben, auff das sie das land reinigen, sieben monden lang, Vnd alles volck ym lande, sol sie begraben, Vnd dieser tag meiner herrlickeit, sol gerumet werden [dazu am Rande: yhn ein ehr — Rest vom Buchbinder abgeschnitten] Spricht Got der HERR

Vnd sie werden tegliche [rh] leute aǔssondern, die ym lande vmbzihen vnd werden mit den selbigen

Vnd die leute werden teglich [rh] die genger absondern ym lande, vnd die genger begraben sampt allen̂ die noch [o] vbrig da ligen [da ligen steht über sind] auff dem lande [auff dem lande rh], das sie es reinigen, nach sieben monden werden sie forschen Vnd die genger werden ym lande vmbzihen Vnd wenn einer eins menschen beyn sihet wird er ein mal da auffrichten, bis das mans die todten greber [die —greber rh] begrebet [ist von der Konstruktion mit dem Subjekt ‘man’ her unkorrigiert stehen geblieben] ym thal der menge Gog, Vnd die stad sol heissen Hamona (Mengestad.) vnd werden also das land rein̂igen. All dies strich L. aber wieder. 22/236, 1 thal —morgen dazu am Rande, durch gestrichen: circa sodomam]

 

 

 

[Seite 233a]

 

[Das XXXIX. Capitel.] 233b

 da man gehet am meer gegen morgen,  Also das man daselbst nicht mehr  gehen wird, weil man daselbst Gog mit  seiner men̂ge begraben hat, vnd sol  heissen Gogsmengethal, Es wird sie  aber das haǔs Jsrael begraben,  sieben monden lan̂g, damit das lan̂d  [Bl. 42b] gereinigt werde, Ja alles  volck ym lande wird an yhn zu begraben  haben, Vnd werden rhǔm daǔon  haben, das ich des tages meine herrligkeit  erzeigt habe, spricht Gott der HERR

 

[ 2 daselbst fort hin o 3 wird steht über muge        man o 4 seiner c aus seinem        men̂ge steht über hauffen 5 L. übersetzte zuerst: Gogshaǔffenthal, dann: Gogsmen̂gethal, strich dies, stellte aber am Rande diese Übersetzung wieder her: Gogsmengethal.        wird steht über sol yhn 8 Ja d 10 werden c aus wird; werden yhnen ein]

 

 

 

[Seite 234a]

 

 

[Das XXXIX. Capitel.] 234b

 Vnd sie werden leute aüsson̂dern,  die stetts ym lande vmbher gehen Vnd  mit den selbigen, die todten greber zu  begraben die vbrigen aüff dem lande,  auff das es gereiniget werde, Nach  sieben monden, werden sie forschen,  Vnd die so ym lande vmbhergehen vnd  ettwa eins menschen beyn̂ sehen, werden  dabey ein mal auff richten, bis es die  todten greber auch ynn Gogsmen̂gethal  begraben, So sol auch die stad heissen  Hamona Also werden sie das land  rein̂igen

 

Nu dü menschen kind, So spricht  Gott der HERR, sage den vogeln wo  her sie fliegen vnd allen thieren aüff  dem felde, Samlet eǔch vnd kompt her,  findet euch allenthalben zu hauffe zu  meinem schlacht opffer, das ich euch  schlachte ein gros schlacht opffer auff  den bergen Jsrael, vnd fresset fleisch  vnd saǔfft blut fleisch der starcken solt  yhr fressen vnd blut der fursten auff  erden solt yhr saǔffen, der widder  der hemel, der bocke, der ochsen, die  allzǔmal [Bl. 43a] feyst vnd wolgemestet

 

[ 2 stetts o 3 todten greber steht über so da begraben 3/4 zu begraben rh 4 die steht über der 6 Zu forschen am Rande: s. [= scilicet] an vspiā aliq̱s restet 8 menschen knochen        beyn̂ rh        werden sie 12 Mengestad r 15 sage c aus sagen        den steht über allen 15/16 wo her sie fliegen rh 18 L. übersetzte zuerst kompt, dann laufft, dann fügt euch, endlich findet euch. 19 opffer dazu am Rande, durchgestrichen: quō sepeliūt si deuorāt ? scz interim q sepeliunt, deuorāt et nunc [?]        euch opffer 20 schlachte rh 21 den steht über meinen 23 fressen c aus essen 23/24 auff erden rh 26 allzumal Am Fuße der Seite von Veit Dietrichs Hand: feist und wolgemestet        fett [?] feyst]

 

 

 

[Seite 235a]

 

 

[Das XXXIX. Capitel.] 235b

 sind, Vnd sollt das fette fressen, das  yhr vol werdet, vnd das blut sauffen,  das yhr truncken werdet, von mein̂em  schlacht opffer, das ich euch schlachte,  Setigt euch nü vber meinem tisch von  rossen vnd reǔtern von starcken vnd  allerley kriegsleuten, Spricht Gott der  HERR

 

Vnd ich wil meine herrligkeit vnter  die heiden bringen das alle heiden  sehen sollen, mein vrteil, das ich hab  gehen lassen, vnd meine hand, die ich  an sie gelegt habe Vnd also das haus  Jsrael erfare, das ich der HERR yhr  Gott bin von dem tage, vnd hinfurder  Vnd auch alle heiden erfaren, wie das  haüs Jsrael vmb seiner missethat willen  sey weg gefuret, Vnd das sie sich an  mir versündigt hatten Darümb habe  ich mein angesicht von yhn verborgen,  Vnd habe sie vbergeben ynn die hende  yhrer widdersacher, das sie allzümal  dǔrchs schwerd fallen musten, Jch hab  yhn gethan, wie yhr sünde vnd vbertretten  verdienet haben, vnd also mein  angesicht von yhn verborgen

 

 

 

[Bl. 43b] ¶ Darumb so spricht Got  der HERR · Nǔ wil ich die gefengnis  Jacob widder bringen, vnd mich des  gantzen hauses Jsrael erbarmen̂, vnd  vmb meinen heiligen namen eyǔern,  Sie aber werden yhre schmach vnd yhr  sunde, damit sie sich an mir versundigt  haben, tragen, wenn sie nǔr sicher

[ 1 L. übersetzte zuerst: das fette essen, dann: fressen, was fett, endlich: das fette fressen 3 mein̂em steht über dem 4 schlachte steht über opffer; schlachte Vnd sollt vol werden 5 nü vber steht über von 17 Jsrael sey 18 das steht über weil 19 Darümb o 21 vbergeben c aus gegeben 35 nǔr rh]

 

 

 

[Seite 236a]

 

[Das XXXIX. Capitel.] 236b

 ynn yhrem lande wonen mugen, das  sie niemand schrecke, vnd ich sie widder  aus den volckern bracht vnd aus den  landen yhrer feinde versamlet habe,  vnd ich ynn yhnen geheiliget worden  bin fur den augen vieler heiden, Also  werden sie erfaren, das ich der HERR  yhr Gott bin, der ich sie habe lassen  vnter die heiden weg1 furen, vnd widderumb  ynn yhr land versamlet, vnd  nicht einen von yhnen dort gelassen  habe, Vnd wil mein angesicht nicht  mehr von yhn verbergen, Denn ich  hab meinen geist vber das haus  Jsrael ausgegossen, Spricht Gott der  HErr

 

[ 10 vnd hab 11 yhnen c aus yhn]

 

 

 

[Seite 231b]

 

 

 

 

Das XXXIX. Capitel.

 

1530

 

 

 

[Seite 231b] [xxxix] 231a

 Und du, menschen kind, weissage  widder Gog und sprich: Also  spricht Gott der HERR: Sihe, ich wil  an dich, Gog, der du ein fuerst bist  aus den herrn ynn Mesech und Thubal,  Sihe, ich wil dich heruemb lencken und  locken und aus den enden von mitternacht  bringen und auff die berge  Jsrael komen lassen, Und wil dir den  bogen aus deiner lincken hand schlahen  und deine pfeile aus deiner rechten  hand werffen, Auff den bergen Jsrael  soltu nidder gelegt werden, du mit  alle deinem heer und mit dem volck,  das bey dir ist, ich wil dich den vogeln,  wo her sie fligen, und den thieren auff  dem felde zufressen geben, du solt auff  dem felde darnidder ligen, Denn ich,  Gott der HERR, habs gesagt.

 

Und ich wil feur werffen uber  Magog und uber die, so ynn den Jnsulen  sicher wonena, [Bl. B iij] und sollens  erfaren, das ich Gott bin, Denn  ich wil meinen heiligen namen kund  machen unter meinem volck Jsrael und

 

[ 12 pfeile] pfleile A]

 

 

 

[Seite 232b]

 

[xxxix] 232a

 wil meinen heiligen namen nicht lenger  schenden lassen, sondern die heiden sollen  erfaren, das ich Gott bin, der heilige  ynn Jsrael, Sihe, es ist schon komen  und geschehen, spricht Got der HERRE,  Das ist der tag, davon ich gered habe.

 

 

 

Und die burger ynn stedten Jsrael  werden eraus gehen und feur machen  und verbrennen die waffen, schild, spies,  bogen, pfeil, stecken und stangen, und  werden sieben iar lang feurwerck damit  halten, das sie nicht duerffen holtz  auff dem felde holen noch ym walde  hawen, sondern von den waffen werden  sie feur halten und sollen rauben, von  denen sie beraubet sind, und plundern,  von denen sie geplundert sind, spricht  Gott der HERR.

 

Und sol zu der zeit geschehen, da  wil ich Gog eine stet geben zum begrebnis  yn Jsrael, nemlich das thal,

 

[ 11 pfeil] pfleil A]

 

 

 

[Seite 233b]

 

[xxxix] 233a

da man gehet am meer gegen morgen,  also das man daselbst nicht mehr gehen  wird, weil man daselbst Gog mit seiner  menge begraben hat, Und sol heissen  Gogshauffenthala, Es wird sie aber  das haus Jsrael begraben, sieben monden  lang, damit das land gereiniget  werde, Ja alles volck ym lande wird  an yhn zu begraben haben, und werden  rhum davon haben, das ich des  tages meine herrligkeit erzeiget habe,  spricht Gott der HERR.

 

 

 

[Seite 234b]

 

[xxxix] 234a

 

Und sie werden leute aussondern,  die stets ym lande umbher gehen, und  mit den selbigen die todten greber, zu  begraben die ubrigen auff dem land,  auff das es gereiniget werde, Nach  sieben monden werden sie forschena,  Und die, so ym lande umbher gehen,  und etwa eines menschen bein sehen,  werden da bey ein mal auff richten,  bis es die todten greber auch ynn  Gogshauffenthal begraben, So sol  auch die stat heissen Hamonab, Also  werden sie das land reinigen.

 

Nu, du menschen kind, So spricht  Gott der HErr: Sage allen vogeln,  wo her sie fliegen, und allen thieren  auff dem felde: Samlet euch und  kompt her, findet euch allenthalben  zu hauffe, zu meinem schlacht opffer,  das ich euch schlachte, ein gros schlacht  opffer auff den bergen Jsrael, und  fresset fleisch und saufft blut, fleisch  der starcken solt yhr fressen und blut  der fursten auff erden solt yhr sauffen,  der widder, der hemel, der bocke, der  ochsen, die alzumal feist und wol gemestet

 

 

 

[Seite 235b]

 

[xxxix] 235a

sind, Und solt das fette fressen,  das yhr vol werdet, und das blut  sauffen, das yhr truncken werdet von  dem schlachtopffer, das ich euch schlachte,  Settigt euch nu uber meinen tisch,  von rossen und reutern, von starcken  und allerley kriegs leuten, Spricht Gott  der HErr.

 

Und ich wil meine herrligkeit unter  die heiden bringen, das alle heiden  sehen sollen mein urteil, das ich habe  gehen lassen, und mei-[Bl. B 4] ne hand,  die ich an sie geleget habe, und also  das haus Jsrael erfare, das ich der  HERR yhr Got bin, von dem tage  und hinfurder, Und auch alle heiden  erfaren, wie das haus Jsrael umb  seiner missethat willena sey weg gefueret  und das sie sich an mir versundiget  hatten, Daruemb habe ich  mein angesicht von yhn verborgen und  habe sie ubergeben ynn die hende yhrer  widdersacher, das sie alzumal durchs  schwerd fallen musten, Jch habe yhn  gethan, wie yhr sunde und ubertretten  verdienet haben, und also mein angesicht  von yhn verborgen.

 

Daruemb so spricht Gott der HErr:  Nu wil ich die gefengnis Jacob widder  bringen und mich des gantzen hauses  Jsrael erbarmen und umb meinen  heiligen namen eyvern, Sie aber  werden yhre schmach und yhr sunde,  damit sie sich an mir versundigt haben,  gerne tragen, wenn sie nur sicher yn

 

 

 

[Seite 236b]

 

[xxxix] 236a

 yhrem lande wonen muegen, das sie  niemand schrecke, Und ich sie widder  aus den voelckern bracht und aus den  landen yhrer feinde versamlet habe  und ich ynn yhnen geheiliget worden  bin fur den augen vieler heiden, Also  werden sie erfaren, das ich der HERR  yhr Gott bin, der ich sie habe lassen  unter die heiden weg fueren und widderuemb  ynn yhr land versamlen und  nicht einen von yhnen dort gelassen  habe, und wil mein angesicht nicht  mehr von yhn verbergen, Denn ich  habe meinen geist uber das haus  Jsrael ausgegossen, spricht Gott der  HErre.

 

[ 3 bracht] gebracht B]

 

 

 

[Seite 237]

 

Vermahnung an die Geistlichen, versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg, Anno 1530.

 

[Einleitung]

 

[Seite 237]

 

 

 

 

[Erster Abschnitt]

Am Morgen des 23. April 1530 hatte Luther seine Wohnung auf der Koburger Feste bezogen. Eine der ersten Arbeiten, die er unternahm, war eine Vermahnung an die Geistlichen, die sich zum Augsburger Reichstag versammeln sollten. Schon am 29. April schrieb er an Melanchthon (Enders 7, 313): ‘Oratio mea ad Clerum procedit: crescit inter manus et materia et impetus, ut plurimos Landsknechtos prorsus vi repellere cogar, qui insalutati non cessant obstrepere.’ Die ersten Worte zeigen, daß Melanchthon damals schon von dieser Arbeit Luthers wußte; Luther meint dann: der Stoff wachse ihm unter den Händen, und zugleich wachse in ihm die Angriffslust, so daß er eine Menge aggressiver Gedanken, die als unwillkommene Gäste unaufhörlich ihn belästigten, gewaltsam zurückdrängen müßte. Am 12. Mai meldet er demselben Melanchthon (Enders 7, 332): ‘Ego meam invectivam contra Ecclesiasticos iamdudum absolvi et Wittembergam misi.’ Damals hatte Luther also die Vermahnung schon vor längerer Zeit beendigt und das Manuskript zum Druck nach Wittenberg gesandt. Am 5. Juni schrieb er sodann an Melanchthon (Enders 7, 367): ‘De meo libello si varient iudicia, nihil te moveat.’ Hier setzt er also voraus, daß das Buch in diesen Tagen nach Augsburg gelangen und verschieden beurteilt werden würde. In der Tat brachte wohl am 7. Juni ein Buchhändler die ersten 500 Exemplare nach Augsburg, die im Nu verkauft wurden.1 Wenn der Augsburger Rat wenige Tage darauf auf ernstliches Verlangen der kaiserlichen Regierung den Nachdruck und weiteren Verkauf des Büchleins verbot2, so scheint das nur sehr wenig genützt zu haben. Am 12. Juni schrieb Justus Jonas aus Augsburg an Luther (Enders 7, 376): ‘Liber tuus vere propheticus legitur ab omnibus piis, diis et hominibus applaudentibus, stomachante et dentibus infrendente Satana.’ Welches Auffehen die Schrift in Augsburg erregte, erkennen wir auch aus einem Briefe des Daniel Mauch3, der damals in den Diensten Campegis stand,

 

 

 

[Seite 238]

 

an den Ulmer Stadtarzt Wolfgang Richard1, datiert: Augsburg 21. Juni 1530, in dem es heißt2: ‘Lutherus scripsit nescio quam adhortationem ad Principes Ecclesiasticos in lingua Germanica; illam Cardinalis me latinam facere iussit. Est autem summa totius Lutheranismi. Si totum Lutherum videre vis, emere poteris ...’ Ob diese Übersetzung zu stande gekommen ist, wissen wir nicht.

 

Den Originaldruck hat Hans Luft in Wittenberg hergestellt. Er war wohl schon Ende Mai fertig. Am 2. Juni schickt ihn Wittenberger Stadtschreiber Urban Balduin an seinen Zwickauer Kollegen Stephan Roth und rechnet dabei mit der Möglichkeit, daß dieser “solch exemplar” schon “vorhin” d. h. mit einer früheren Büchersendung von ihm oder auch von anderer Seite bekommen haben könnte.3 Sehr bald darauf lieferte Josef Klug in Wittenberg einen Nachdruck. Am 7. Juli bittet Josef Levin Metzsch auf Mylau4 Roth in Zwickau, ihm ein weiteres Exemplar der “vormanung Doctor Martinj Luthers an dj bischoff auff dem Reichstage iczunder versamleth” aus seinem Vorrat von aus Wittenberg bezogenen Büchern zu schicken, fügt aber hinzu: “vnd das es ein fein rein Exemplar vnd nicht auff grob aber seher schwarczs papir gedruckt sey, vnd das Es des ersten druckes, wj Jr mir zcuuor auch eines geschickt”.5 Offenbar will Metzsch von den Klugschen Nachdrucken nichts wissen.

 

Wir geben im folgenden den Luftschen Originaldruck wieder und stellen ihm Luthers Manuskript gegenüber, das sich in der Dresdener Handschrift6 A 155, Bl. 1 –40 erhalten hat.7

 

 

 

Ausgaben.

 

 

A “Vermanūg || an die geistlichen || versamlet auff dem || Reichstag zu Augs- || burg, Anno. 1530. || Mart. Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini Iudices terræ. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, die zwei letzten Blätter leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg, || durch Hans Lufft. || MDXXX. ||”

Einige Exemplare wie z. B. Knaakesche Slg. 1530, 31, D haben Bl. H 3a letzte Zeile von unten den Druckfehler: “vnzelih”.

Vorhanden: Knaakesche Slg. (das eine der beiden Exemplare trägt die handschriftliche Widmung: Croto patruo suo longe charissimo; über Crotus Rubianus vgl. Enders 9, 112f.3); Arnstadt, Berlin (Luth. 5721), Breslau U., Dresden, Erfurt Martinsstift, München U., Nürnberg GM. u. St., Stuttgart, Wernigerode, Wittenberg, Wolfenbüttel; Zürich St.; London. — Erl. Ausg.2 24, S. 356, *a.

 

B “Vermanūg || an die geistlichen || versamlet auff dem || Reichstag zu Augs- || burg, Anno. 1530. || Mart. Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini Iudices terræ. ||” Mit derselben Titeleinfassung wie A, Titelrückseite leer. 28 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittenberg, || durch Joseph klug. || M. D. XXX. ||”

 

 

 

[Seite 239]

 

In einigen Exemplaren ist die erste Zeile von Blatt C 4a, beginnend, “teglichen brauch ...” als letze Zeile auf Blatt C 3b hinübergesetzt.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5722 und 5722a), Heidelberg, Wernigerode, Wittbrietzen Kirchenbibl., Wittenberg, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 2 24, 356, *b.

 

C “Vermanung an die geystlichen || versam̄let auff dem Reichstag zů Augspurg, || Anno M. D. XXX. | Mart. Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite. Erudimini Judices terre. ||” Titelrückseite leer. 30 Blätter in Quart.

Druck aus Basel oder Zürich. — Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5730). — Erl. Ausg. 2 24, 357, *e.

 

D “Vermanūg || an die geistlichen || versamlet auff dem Reichß-|| tag zů Augspurg. || Anno. 1530. || Mart. Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini Judices terre. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zů Nuermberg bey || Georg Wachter. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5726), Dresden, Greifswald, Heidelberg, München U., Nürnberg St., Stuttgart, Wittenberg; London. — Erl. Ausg. 2 24, 357, *c.

 

E “Vermanūg || an die geistlichen versam-|| let auff dem Reichstag zu Augs-|| burg, Anno. 1530. || Mart. Luther. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini Judices terrae. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Adam Dyon in Breslau. — Vorhanden: Knaakesche Slg.; Danzig, Königsberg U., München U.; London. — Fehlt Erl. Ausg.

 

F “Verm̃anūg an die geist-||lichen versamlet auff || dem Reichßtag zů || Augsburg. || Anno 1530. || Mart. Luther. || Wittenberg. || Psal. 2. || Et nunc reges intelligite, || Erudimini iudices terræ. ||” Titelrückseite leer. 26 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg. — Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5728), Dresden, Heidelberg, Nürnberg St., Stuttgart (in einem zweiten Exemplar a. d. Titel: Vermanūg ...), Wittenberg; Zürich St.; London. — Erl. Ausg. 2 24, 357, *d.

Die Exemplare sind im titel und im Bogen f identisch, in Bogen a –e sind dagegen einzelne Seiten neu gesetzt (die Zeileneinteilung ist genau eingehalten), andere durchkorrigiert. Wir bezeichnen den älteren Satz als F1 (vorhanden z. B. Kn. 1530, 31 C) den jüngeren mit F2 (z. B. Kn. 1530, 11 C). Möglicherweise sind einzelne Exemplare aus älteren und jüngeren Abzügen gemischt. Für die Priorität von F1 spricht deutlich die nähere Übereinstimmung in Text- und Formvarianten mit A, vgl. die Lesarten.

Als Kennzeichen für F2 sei hier angeführt: [Tabelle: ] [Tabelle: ]

 

 

 

[Seite 240]

 

G “Vermanung an die || geystlichen versamlet vffdem || Richstag zů Augßburg. || M. D. XXX. || Mart. Luther. || Wittemberg· || Psalmo .2. || Et nunc reges intelligite, || Erudimini iudices terrae, ||” Titelrückseite leer. 22 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Schweizer Druck (Zürich?). — Vorhanden: Knaakesche Slg.; Basel U. — Fehlt Erl. Ausg.

 

H “Vermanūg || an die geistlichen || versamlet auff dem Reichs-|| tag zu Augsburg, Anno || 1531. || Marti. Luther. || Wittemberg. || Psalm. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini Iudices terræ. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 28 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “GedrucKt zu Wittemberg, || durch Joseph klug. || M. D. XXXi. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5732), Dresden, Heidelberg, Stuttgart, Zwickau. — Erl. Ausg. 2 24, 357, *f.

 

Niederdeutsch.

 

 

I “Vormanynge || D. Martini Luthers, || Vnde syner lere, eyne || Erynneringe, || An de geystliken vor-||sammelt, vp dem Ry-||kesdage, tho || Augsborg. || M. D. XXX. || Psalmus. ij. || Et nunc Reges intelligite. || Erudimini Judices terre. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedrücket tho Magde-||borch dorch Hans || Wolther. ||”

Vorhanden: München U., Wolfenbüttel. — Erl. Ausg. 2 24, 357, g (nach Hülße, Gesch. der Buchdruckerkunst in Magdeburg, in: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg 16, 94 Nr. 68).

 

K “Martinus Luther. || Vormanynge vnde || syner lere, eyne || erynneringe, || an de geystlicken vorsammelt, || vp dem Rykesdage tho || Augsborg. || M. D. XXX. || Psalmus. ij. || Et nunc Reges intelligite. || Erudimini Judices terre. || [Leiste mit je 3 Blättchen zur Seite] ||” 36 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedrücket tho Magde-|| borch dorch Hans || Wolther. || M. D. XXX. ||”

Vorhanden: Greifswald, Wolfenbüttel; Kopenhagen (defekt). — Erl. Ausg. 2 24, 357, h (nach Hülße Nr. 69).

 

Jüngere Ausgabe.

 

 

“Ein guthes sehr nützliches Buechlein vor vielen Jaren im Drucke ausgegangen, vnd dieser zeit, von wegen allerley seltzamer rencke vnd duecke, dardurch etliche die Goettliche Warheit zu schwechen sich vnterstehen, wol vnd fleissig Zuuermercken, mit einem vorgehenden dienlichen bericht, jetzund in sonderheit widerumb in Druck verfertiget, Durch D. Johan Pfeffinger. Eme, Lege, Iudica. Leipzig. 1569.” 48 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Leipzig, durch Jacobum Berwald.”

Vorhanden: Berlin (Luth. 5735), Dresden, Heidelberg, Helmstedt, Wernigerode, Zwickau.

 

 

 

[Seite 241]

 

In den Gesamtausgaben steht unsre Schrift: Wittenberg 7 (1554), 446a —461b; Jena 5 (1557), 114b –133a; Altenburg 5, 201 –220; Leipzig 20, 146 –165; Walch 16, 1120 –1179; Walch 2 16, 945 –992; Erlangen 24, 329 –379; Erlangen 2 24, 356 –407.

 

Von den neun hochdeutschen Drucken ist A Urdruck und unmittelbare Vorlage für B, D, E, F1 und G; C ist wie H nach B gedruckt. Von den beiden Drucken F steht F1 dem Urdruck in Sprachform und Text näher als F2; letzteres ist trotz der typographischen Übereinstimmung mit F1 doch wohl zum größten Teil oder völlig neu gesetzt und hat F1 als Vorlage. Wir stellen hier die sprachlichen und orthographischen Abweichungen der Nachdrucke zusammen.

 

I. B (Wittenberg) H (Wittenberg): B bleibt A sehr nahe; nur in der Umlautsbezeichnung weicht es oft ab; H ist nachlässig gedruckt und ändert die Umlautsformen noch gründlicher als B; wo vor (;) nicht anders bemerkt, gelten die folgenden Formen für B und H.

 

I. Vokale: o > oe boesem (sinus), oelung; groesser groessest H, ∞ horen, notig H; u > ueuml; nuetze, kuendte, suender, fuerhanden; fuerchten, nuer, buerger, gekuendigt, gruendlich, suenden, iuenger, Muentzer H; ∞ sunde, schuldig; hinfurt H; i > ie ziehen; o > u sunderlich; frum H, ∞ soende (einmal) H.

 

II. Konsonanten: sch > s Slüssel; g, ch und h öfter verwechselt z. B. weygen, halstarrich H; Doppelkonsonant vereinfacht: pfar, Ban, herligkeit, Welsch, gesel H.

 

III. Verbum: vorgegeben > vorgeben; du darffst > darffs H, gewuest > gewust.

 

IV. Formen: Habern > Hafern; Pinstag > Pfingstag H; verdamnen > verdammen.

 

C (Basel oder Zürich) behält die md. Sprache fast durchweg bei; nur die ů und ü, die häufigen ae und ganz vereinzelte Formen weisen bestimmt nach dem Süden, ebenso die Typen, die besonders an Wolf in Basel erinnern. Hier mit B verglichen. Der Druck hat viele Flüchtigkeiten.

 

1. Vokale. 1) Umlaut e > ae Baepste, vaetter, taeglich, aengsten, aepfel, maegde, aedern, verraeter (auch ë > ae haell); e > a arbeiten, schatzung, arbeyt; e > oe schoepffung; o > oe soelle, wilkoere, Abgoetterey, koennen, groesser; u > ü wie H, dazu tüchtig, würde, stück, erfuellet, Nürmberg, fünff, buessen; ue > u buberey, schmucken; — eu > au glauben.

 

2) i > e weder; u > o forcht, foerchten, doerfft, thoerst, doppel, frommer; u > ü gestürtzt, verlüren, sunst; i und ie geschieden (doch viel, geschwiegen, flihen).

 

3) h geschwunden in eelos, ∞ sehr, ehrloser.

 

4) Unbetonte e sind selten abgefallen: er soell, die Koenig, die Münch, stück (Plur.); es treffen auf 44 auslautende e in A etwa 43 in C; auch im Jnnern fehlt e selten: keins, erfolgte, vorge (> vorige), demuetigste,

 

 

 

[Seite 242]

 

treflich (< treffelich); ∞ kame, alle andere; gesaget, zeuget, erkennet; -est > ist öfter, handeln > handlen.

 

II. Konsonanten: 1) d > t hinfürter, wirt, Deutsch, > dt schendtlich, th > t verraeter; zwangk selten > zwang. Doppelkonsonant vereinfacht in nider, wider, weder, oder, honig, Hern, Goetlich, bilich, groesest; ∞ vatter, vaetter, guetter, gebott, ettwas, ettliche, tretten, frumme, wellt.

 

III. Vor- und Nachsilben: ge > g gnesen, gwissen, gsagt; ung > üng (einmal), nis > nus (einmal), tyranney > tyranni.

 

IV. Deklination: in diesen (< diesem) stück, aus ewren Stiftlichen (< -em) Mammon, die grundsuppen (< -e).

 

Konjugation: kam > kame, ihr habt > habent, wirst > wirdst, verloeren > verlüren: wolle(n) > woellen, woelle, duerfft, duerffen > doerfft, doerffen, thuerst > thoerst, muegen > moegen, sind > seind, wuste > wüste ∞ gewust, tün (< tun) kann auch tůn bedeuten, da ü auch für ů steht.

 

V. Formen: denn öfter > dann, nicht > nit, auff > uff, zu (vor Jnf.) > ze, zuletzt > zuletst, sondern > sonder, sintemal > sintenmal (!); selb > selbs; wantzken > wantzen, beichtvater > beichvatter, marckt einigemale > marck, wolkenbruch fem. > masc. (?); feylen > felen, feelen, verdamnen > verdam̄en, verleugnen > verleucknen.

 

D (Nürnberg) zeigt alle charakteristischen Nürnberger Abweichungen.

 

1. Vokale: e > ae taeglich, Vaeter; jaemerlich, verrhaeter, kaese, Cardinaele; e > oe oepffel, kloeppern; e > a arbeyt; o > oe hoenig, soendert, moerden, Abgoetterey, Abgoettin, noetig, persoenlich, groessest, hoechst; u > ue kuendte, fuenff, pluendern, juenger, gruentlich, drueber, huelffe, guelden, erfuelt, tuechtig, duerffte, fuerchten, Nuermberg, fueren, Thuemisch, anrueffen; ue > u schuldig, Juden, sunde, sundigen, entschuldigen, unschuldig; eu > au glauben, laugnen, gesaumet, saufferey, rauber, hauptstueck.

 

2) i > e weder, stecken; o > u genumen, sunst, kumen, Kuenig, Suntag, gestuertzt, ∞ forcht, vorhanden, hinfort; o > a waffe (nicht immer); i und ie geschieden, seltener ů und u, nicht ei und ai, ü und ue.

 

3) Unechtes h fällt: far, jr, mer; muehe > mhue; dagegen weyhbischoff.

 

4) Unbetontes e fällt in allen Fällen ab, auch in Pluralen, Konjunktiven, am seltensten bei beim Plural von Adjektiven (solche, gute), Verhältnis der auslautenden e 19 gegen 44 in A; im Jnlaut fällt e gleichfalls oft: fegfeur, mißbraucht, mueßt, erfuellt, gefelt, gestelt, genent, hoechst; sehr selten ∞ gestercket.

 

II. Konsonanten: d > t, dt freuntlich, entlich, grüntlich, begert, bekant, hinfuerter, jr seyt, kuent, schwert, Teutsch, moerdtlich, kuendt; t > d poldern; b > p gepoten, Augspurg, auffpracht, ∞ unbůßfertig; h > ch hoechst. Doppelkonsonant vereinfacht: Got, wider, weder, oder, fodern, hoenig, gestelt, gefelt, genent, heyls; ∞ tretten.

 

III. Vor- und Nachsilben: iglich > igklich, nis > nus.

 

 

 

[Seite 243]

 

IV. Deklination: die bischove > Bischoeff, dere (quorum) > der, von dem > vom.

 

Konjugation: unterscheiden (Partiz.) > unterschiden, holffen > hulffen, koempt > kumpt, komen > kumen; o > oe in woellen, gewoelt, gewust > gewuest.

 

V. Wortformen: denn > dann, ytzt > yetz, fur > vor (mit Dat.), nicht > nit, nu > nun, sondern > sonder, erfur > herfuer; Pfennig > Pfenning, ruge > ruhe, threnen > trehern, Wantzken > Wantzen, Pfinstag > Pfingstag; boernen > prennen, feylen > felen.

 

E (Breslau) hält sich eng an A, hat aber viele Druckfehler, die hier nicht berücksichtigt werden.

 

I. Vokale: o > oe hoeren; u > ue nuetze, Muentzer, Bruederschafft; ∞ gefullet, entschuldigung, fur (mit Dativ), widerumb, drucken, stucken, schutzen, hurerey; e > i wider (‘weder’) ∞ weder (‘wider’); i > ie ergrieffen; u > o schold, auspotzen. Unbetonte e bleiben meist (41 gegen 44 in A) aber z. B. new (Plural), vor Konsonant: treibt, gefarn; -est > ist.

 

II. Konsonanten: d > t begert, verterben, ∞ kunde; p > b Babst; g > k in kegen, ken; g > ch unzeliche; -en > e oder > enn öfter. Doppelkonsonant vereinfacht: oder, wider, weder, nider, Ban, splieter, Got, Goetlich, abgoeterey, tol, ∞ ausgerott.

 

III. furhanden > verhanden, lin > lein.

 

IV. Konjugation: konnet > koennet.

 

V. Wortformen: verhanden; Ebtissin > Ebtischin, Bettelmuench > Bettlermůnch, Wantzke > Wantze, Pfinstag > Pfingstag, splitterrichter > spittelrichter; riesen > reisen, verteydingt > vertedingt; uberteubet > verteubet.

 

F1 und F2 (Nürnberg). F2 entfernt sich weiter von A; wo vor (;) nichts anderes bemerkt, stehen die unten zusammengestellten Formen in beiden Abdrücken.

 

I. Vokale. 1) Umlaut: e > ae aeffen, vaeter, Baepstisch, Cardinael F2, Officiael, naeme, waere, braecht; e > a genarret, arbeyt; e > oe oepffel, o > oe moecht, soelchs, hoenig, koennen; abgoeterey F2; schoen, oelung, hoechst, groesser, groessest; oe > o Gotlich, kostlich, konnen, morder, horte, hochst, notig F2; u > ü, ue nütze, für, fruem (Adj.), drueber, fürchten, bedürffen, bürger, hinfürt, gekündigt, sünden, kündten, plündern, jüngst, tüchtig, kuessen, wüste (Verb), zur luest, stueck, verhuelen; Luetherisch F2; ue > u schuldig, schuldigen, entschuldigung, widerumb, wurde, gulden, kuchen, hůrerey, schmucken, auffrucken; stucke, funfft, F2; eu > au glauben, rauberey, Widertauffer, saufferey, verkauffen, hauptstuck, verlaugnen; drewen > droen; saur > saür (F1 und 2).

 

2) e > i Schwirmer, firmlung; u > o forcht, vorhanden, kondten, bedoerfft; o > u kumen, künig, kuennen, gestürtzt, hulfen, verlüren, frum, Hanswůrst, thun > thon (selten); a > o gethon; ∞ waffen (vereinzelt) F2; i > ue begreufflich, ∞ hilf; die Scheidung von ei: ai, u: ů, ü: ue, die Schreibung eü ist nicht genau durchgeführt.

 

 

 

[Seite 244]

 

3) Unechtes h fehlt oft: yr, yn, geen, Ee, eebruch, mer, auffrur, waal, ye.

 

4) Unbetontes e (i) fällt ziemlich häufig, besonders im Jnlaut: maß, zinß (Plur.), ab, sol (Konjunkt.); gehoert, gemeinst, habt, gefelt, betruebt, heilges; Verhältnis der auslautenden e zu denen in A etwa 37 (F1), 35 (F2): 44; öfter ist e eingefügt: ewer, regirenn, erwürget, machet, treffelich, Fewer; angefügt selten: ware (F2), herre Gott; es > is, Ebtissin > Ebtissen, huerlin > huerlen; edle > edel, geordent > geordnet.

 

II. Konsonanten: d > t, dt hinfürter, deutsch, freuntlich, jr kuents, trucken, jr seyt, hinter, endtlich, stadt, wirdt; t > d, dt bekandt, erdichtet, bereidt, seyd (latus); th > t luterisch ∞ rath; b > p gepot, Augspurg; h > ch hoechst; g > ck vergencklich; h eingeschoben in Weyhbischoff F2. Doppelkonsonant vereinfacht: wider, oder, Gotlich, Abgoeterey, biten, rueteln, verhuelen, ynen; ∞ reitten.

 

III. Vor- und Nachsilben: ickeit > igkeit, lin > lein (huerlen), in > en ebtissen; keuscheit > keuschheit F2; nis > nus.

 

IV. Deklination: en > e in die goetliche (divinam), die kauffmesse (Plur.); ∞ e > en die heiligen schrifft F2, seine losen drewwort, aller Koenigen; m > n in bisschofflichen amt; Umlaut in die Cardinele, die Officiael F2.

 

Konjugation: komen, kompt > kumen, kumpt, holffen > hulffen, verloere > verluere; kunde > kondte, kuendte, ∞ koennen > kuennen, kuendet (Jnd.) > koennet, Umlaut in woellen, gewoelt, woeltet; soell, soellen F2; ü > oe auch moegen (mogen F2), bedoerfft, gewust > gewist, gewuest > gewust, du darffsts > darffts (darffs F2).

 

V. Wortformen: ytzt > ytz (yetz, yetzt F2), sondern > sonder, nicht > nit, zewarten > zuwarten (zwar), fur > vor (mit Dat.), anders > anderst, furhanden > vorhanden, dazu > darzu, darein > darinn, fur (vor) > für; solch > soelch, selb > selber F2, nichts > nichs F2, beide > bede F2, yederman > yderman F2 1, niemand > nieman F2; saur > saür (F1 und 2), gemeiniglich > gemeinglich, halstarrig > halsstarrig, schrecklich > schroecklich, selbschuldig > selbsschuldig, unerhoert > ungehoert, Latinisch > Lateinisch, hulffe > hilffe, bosem > bůsen, Reichstag > Reißtag (einmal in F1, einmal in F2), marckt > marck F2, steigreiff > stegreiff, Pfarher > Pfarrer F1, Muench > Münich, jargezeiten > jarzeiten, honig > hoenig, ruge > rwe, pfennig > pfenning (aber pfennige), predigt > predig, pfinstag > pfingstag, das Ablas > der A., das vortheil > der v., Passio > Passion; feilen > felen, drewen > droen, verdamnen > verdammen, foddern > fodern, verteidingen auch > vertedingen, geordenet > geornet.

 

VI. Wortwahl: thuerst > dorfft (nicht immer).

 

VII. Syntax: gegen den > g. dem, trotz dem > tr. den.

 

G (Zürich?) ist fast ganz in allemannischen Druckdialekt übersetzt; außer den charakteristischen alten Vokalen i, u, ue, ou sei folgendes hervorgehoben:

 

 

 

[Seite 245]

 

I. Vokale. 1) Umlaut: e > ae fast im neuhochd. Umfang: jaeger, staedte, aeltest, traehen, kaetzlin, aeffen, kaes, jaemerlich, gnaedig, bestaetigen, dazu aber auch laeren (docere), schael, laesen, waesen, laeben, baeer; e > oe woelich, oepffel, froemd; e > a maiestat, schantlich, arbeit; o > oe soelich, ermoerden, getroest; u > ü künte, gekuendigt, bürger, für, hinfürt; ue > u stuck, gulden, klunge, schmucken, schuldig; eu > oeu toeuffen, roeumen, > ou glouben, houptstuck.

 

2) e > i ich stirb, firmlung; u > o forcht, forchten, thoerst, bedoerfft, kond; o > u umbsunst, gestürtzt, fürt, trutzen; a > o do, gethon, domit, lossen, molen, obenthür; i > ü sprüchwort, ungerümt; ë > ae s. oben.

 

3) Unechtes h bleibt oft, doch faar, jr, Ee.

 

4) Unbetonte e fallen sehr oft (Verhältnis der erhaltenen 31 gegen 44 in A): orgeln, handeln > orglen, handlen.

 

II. Konsonanten: d > t othem, Tüdtsch, trümmer; t > d vnder, erdichtet; th > t Luter; b meist > p doch habt > hapt; k > ch wolchen; h > ch befelch. Doppelkonsonant vereinfacht: wider, oder, ∞ vaetter, frumm.

 

III. Vor- und Nachsilben: ge > g sehr oft gschůnden, gwaltig, gwarnet; zur > zer bizweilen, nis > nuß, iglich > igklich.

 

IV. Deklination: -n angefügt in der München, den Pfarrern; ∞ die herd (Sing.).

 

Konjugation: -et, -en im Plur. > ent; treib, greiff > tryb, gryff; betrogen (Jnd.) ist als Partiz. aufgefaßt; sterben ich > sterben ich und stirb ich; holffen > hulffen; Umlaut fehlt in laßt, gefallt, entwandt > entwaend (Partiz.), stehen, gehen > stan, staen, gahn; Umlaut in woellen (neben wellen), soelle; ue > oe thoerst, doerfft, gewust > gewüst; gewest > gesin, gsin.

 

V. Wortformen: ytz > yetz, yetzt, zu (vor Jnf.) > ze, dazemal, sintemal > sytemal, nicht > nit, für > vor, zuletzt > zuleßt, weyl > dwil, die wil, denn > dann, nu > nun, als > grad es, umb ewren willen > umb üwernt w,. dennoch > dannocht; derhalben > derohalben, solch > solich, soelch, welch > woelch, nichts > nüt, das > daes; greslich > groeßlich, lebend > lebendig; boes blut > b. gebluet, die banck > der b., sprichwort > sprüchwort, Pfarher > Pfarrer, kirche > kilche, marck > marckt, ruge > rüwe, Münch > Münich, Lew > Loew, Pinstag > Pfingstag, Chresem > Chrysem, Litania > Letania, Letany; feylen > faelen, verdamnen > verdammen, ruffen > rueffen, leren > lernen, verteydingen > vertädingen (seltener).

 

VI. Wortwahl: Butter > Ancken, treudel > grempel, groschen > patzen, pfennig > rappen, 6 Pfennig > plappart, splitter > spryssel, splitterrichter > sprissenrichter, kriegen > uberkomen, auffrucken > uffrupffen, verhegen mißverstanden > veriehen, fuelen ist beibehalten.

 

 

 

[Seite 246]

 

Exkurs.

Förstemann fand im Weimarer Archiv als Anhang zu des Kanzlers Dr. Brück “Geschichte der Religionshandlungen auf dem Reichstage zu Augsburg im Jahre 1530”, die er in seinem “Archiv für die Geschichte der kirchlichen Reformation in ihrem gesamten Umfange” I. Band 1. Heft (Halle 1831) herausgab, sechs verschiedene Auffätze, die er, mit A –F bezeichnet, in seinem “Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530” I, Halle 1833, S. 66 –108 veröffentlichte und ohne weiteres für die bisher vermißten Torgauer Artikel erklärte. Brieger zeigte jedoch in seiner ausgezeichneten Abhandlung “Die Torgauer Artikel” in: Kirchengeschichtliche Studien, Hermann Reuter zum 70. Geburtstag gewidmet2, Leipzig 1890, S. 265 –320, daß es nicht schwer hält, “die meisten dieser Auffätze aus dem von Förstemann vermuteten Zusammenhange zu lösen und mit Wahrscheinlichkeit in einen anderen einzureihen” (S. 282) und daß nur de Aufsatz A, der übrigens nicht von Luther verfaßt sein kann (S. 310), den Namen “Torgauer Artikel” verdient. Bei seiner Beweisführung geht Brieger von dem uns hier interessierenden Aufsatz F aus, über den er sich jedōch nur kurz äußert (S. 282 f.). Er weist auf seine innige inhaltliche Verwandtschaft mit unsrer “Vermahnung” hin und meint, daß “schon einzelne Wendungen, aus denen sein publizistischer Charakter hervorgeht”, Förstemann hätten abhalten sollen, ihn unter die “Torgauer Artikel” einzureihen. Er erklärt dann auch genauer: der Aufsatz sei von Anfang an zur Veröffentlichung bestimmt gewesen, und verweist dafür auf die beiden Stellen: “Von München wollen wir annder Zeit sagen” und: “Do ist ein unnzelig geschwerm viller vngotlichen Jrthumb, daruon wir ander Zeit schreiben wollenn”. Hier hat sich aber Brieger, um das gleich zu bemerken, wohl nicht ganz richtig ausgedrückt. Der Aufsatz selbst war in der jetzt vorliegenden Form kaum zur Veröffentlichung bestimmt; dazu ist er viel zu flüchtig und formlos abgefaßt, wohl aber sollte er als Vorarbeit zu einer Veröffentlichung, und zwar eben zu unserer “Vermahnung”, dienen.

 

Das genauere Verhältnis des Aufsatzes zu der “Vermahnung” zu bestimmen, mußte Brieger damals, als die Grenzen seiner Aufgabe überschreitend, unterlassen. Hier soll das nachgeholt werden.

 

Das Gerippe der Vorarbeit ist folgendes:

 

“Jn der Kirchen Christi fodert man diese nachgeschriebene Stuck . . . Do seind auch wahrhaftig . . . Jn der Kirchen Christi seind . . . Jn der Kirchen des Papsts findet man diese Stucke . . . Von Munchen wollen wir ander Zeit sagen . . . Dieses alles ist mit diesen Mißbräuchen also allein in Pfarren gangen. Daruber ist noch das recht mare magnum, was in Monchklostern, Nonnenklostern, Cartheuserklostern &c.., Cathedralkirchen, Unterstiftkirchen mancherlei Gebet, Regeln, Statut neu erfunden Gottesdienst gewesen. Do ist ein unzählig Geschwärm vieler ungotlichen Jrrthumb, darvon wir ander Zeit schreiben wollen.”

 

Dem entspricht der Schlußabschnitt der “Vermahnung”, dem folgende Disposition zugrunde liegt:

 

“Die stucke, so nottig sind ynn der rechten Christlichen kirchen zu handeln, da wir wit umb gehen . . . Die stücke, so ynn der gleissenden kirchen ynn vbung

 

 

 

[Seite 247]

 

vnd brauch sind gewest . . . Jch wil hie auff horen . . . Jch hab auff dis mal nicht mehr wollen anzeigen̂ denn was allein̂ ynn den pfarkirchen ist ym brauch gewesen . . . Solt ich aber ynn die stifft kirchen, Tümbkirchen, official heuser, kloster vnd predigstul komen vnd darnach auff die bettel Munch, Station̂ierer, Zuletzt vnter die Sophisten ynn den hohen schulen . . .”

 

Aber auch im einzelnen lassen sich die Vorarbeit und der Schlußabschnitt der “Vermahnung” fast völlig zur Deckung bringen. Fast alle in der “Vermahnung” aufgezählten Stücke der rechten christlichen Kirche und der gleißenden Kirche finden sich schon in der Vorarbiet. Nur einige wenige neue Gedanken sind neu hinzugekommen: Bei Nr. 12 zu “Heiligen dien̂st” der Zusatz: “ der ettliche nie geborn”, zu “Fasten halten” der Zusatz: “ausgenomen die pfaffen”, ferner z. B. “S. Marx procession”, “Kirchweyh, Patron fest”, “Haber S. Stephan”; bedeutsam ist die hinzugekommene Nr. 14: “Maria eine gemeine Abgottin gemacht mit vnzelichen dienst, feyr, fasten, gesengen, Antiphon &c..”, vgl. auch: “Marien gesang des abends” und: “Adüen̂t mehr marie denn Christo zu dienst”; aus der Vorarbeit korrespondiert diesen Stellen nur: “Salve Regina und dergleichen viel”; auch schon im Hauptteil der “Vermahnung” eifert Luther ja gegen die Erhöhung der Maria über Christus. Ganze Komplexe von Stücken der Papstkirche sind herübergenommen, so: “Caseln, Alben, korhembd”, und: “Kirchen, Capellen, Altaria” usw. (Die “Altartücher” haben in den “Corporalia” ihre Parallele; “Crucifix” ist neu hinzugekommen, desgl. “Liechter”.) Daß ab und zu die Jdeenassoziation eine andere geworden ist, darf uns nicht wundern. Z. B. setzt Luther bei Aufzählung der Stücke der Papstkirche in der Vorarbeit mit der Fastenzeit ein und folgt dann zunächst dem Gange des Kirchenjahrs. Jn der “Vermahnung” dagegen zählt er zunächst diejenigen Stücke auf, die er im Hauptteil besprochen hat: “Ablas1, Opffer, Messen . . ., Bann . . .” Und St. Blasius Licht begegnet in der Vorarbeit in dieser Verbindung: “S. Johannis Evangelium an Hals hängen, Blasius Licht an Hals hängen”, in der “Vermahnung” dagegen in folgendem: “S. Agatha liecht — S. Blasius liecht.”

 

Wir haben nun nur noch die Frage nach dem Verfasser der Vorarbeit zu beantworten. Bretschneider und ihm folgend Seidemann sehen Justus Jonas als den Verfasser an. Die Hinfälligkeit der Beweisführung Bretschneiders hat Enders (Luthers Briefwechsel 7, 262 f. Anm. 1) erwiesen. Aber aus einem andern Grunde könnte man zunächst doch in Jonas den Verfasser vermuten. Es finden sich nämlich in annähernd gleichzeitigen Schriften desselben überraschende Parallelen zu Stellen der Vorarbeit. Eine hat Enders S. 276 Anm. 113 nachgewiesen: Sieben Zeiten, horae canonicae, von welchen die Pfaffen selbst spottlich geredt und gesagt, sie hätten etlich Scheffel Vesper und Metten auf Vorrath aufgeschutt etc.

man weis noch wol, wie die papisten ir eigen winkel und papisten messe spotteten, ist gelt und presenz vorhanden (sprachen sie), so wachsen uns die messen im leib, wie den hünern die eier. Jtem wie sie ir eigen horas canonicas verlacheten, nicht viel gelt oder korn habe ich (sprach einer zum andern), aber gewis retardat und ungebetete vesper und metten habe ich etlich boden vol.2

 

 

 

[Seite 248]

 

Dazu kommt nun aber noch die folgende: Von Munchen wollen wir ander Zeit sagen, doch ists auch vor [Er]innerung werth, daß die Barfußer-Monche dahin die Leut uberredt, daß Ritter und Grafen sich haben in ihren Kappen lassen begraben, dafur gehalten, wer mit der Kappen ins Grab komme, konnt nit verloren werden. Was wurde wohl der Apostel Paulus wider solchen schändlichen Mißbrauch gesagt haben, wenn es zu sein Zeiten geschehen? etc.... Die Barfußer-Munch heften zwolf Paternoster-Kornlein an alle Thurmen etc., mit Verheißung unzähligs Ablaß etc. und Vergebung der Sunde ... /[Die Mönche haben mit ihrer Traumheiligkeit und groben Heuchelei Christus und das Evangelium gar unterdrückt,] bis das zu letzt die Barfussen Moenche, die selbigen vnuerschamptesten, ergesten, verzweiuelsten heuchler vnter der Sonnen, oeffentlich gelert haben, Wer sich jnn einer grawen Barfotten kappen begraben lies, der kont nicht verdampt werden etc. Was wuerde wol Paulus gesagt haben, wilcher so trewlich vmb die reinen lare von Christo gekempffet hat widder Teuffel vnd menschen, wenn er ein solchen prediger odder lerer gehoert hette etc., das, wenn ein Moenchs kappe eins morders, diebs odder andern sunders etc. todten kalten stickenden leib, der kein seel jnne ist, anrueret, so sind dardurch ausgelescht dem todten alle sunde etc. vnd sein verdamnis weggenomen etc.... Darueber so haben die Barfussen Moenche holtzern ronde kornlyn an alle thoren gehefft etc. vnd gelert, wer etlich zoege, verdiente Gottes gnade etc.1

 

 

 

 

Während die Stelle mit den Paternosterkörnlein an den Türen auch im Hauptteil der “Vermahnung” vorkommt, bei Jonas also Reminiszenz daraus sein könnte, läßt sich die Übereinstimmung in der ersten Hälfte (vgl. besonders beide Male die Wendung: “Was würde wohl Paulus gesagt haben ...”) meiner Meinung nach nur erklären durch die Annahme, daß Jonas hier von jener Vorarbeit abhängig ist. Damit ist aber natürlich noch lange nicht bewiesen, daß Jonas ihr Verfasser wäre. Das Originalmanuskript oder auch nur eine Abschrift davon kann

 

 

 

[Seite 249]

 

in seinen Besitz gelangt sein. Oder vielleicht hat er das Schriftstück nur einmal irgendwo eingesehen und gerade diese Stelle daraus sich gemerkt.

 

Dagegen spricht alles für Luther als den Autor. An und für sich zwar wäre es gewiß nicht undenkbar, daß er eine fremde Stoffsammlung ausgeschöpft hätte. Nun kehren ja aber in der Vermahnung nicht nur die disiecta membra derselben wieder, sondern die Grundidee und die Disposition! Die geringen Abweichungen aber, die sich finden, haben wir recht gut zu erklären gewußt. Es kommt hinzu, daß solche Aufzählungen der Güter der rechten christlichen Kirche wie zu Anfang der Vorarbeit “Luther sehr geläufig”1 waren. So werden wir denn wohl im Rechte sein, wenn wir die Vorarbeit Luther zuweisen und in unserer Ausgabe nochmals nach der Abschrift im Weimarer Archiv zum Abdruck bringen.2

 

 

 

In der kirchen Cristi fodert man diese nachgeschribene Stuck:

Erstlich ein Rechtschaffenn predig Ampt, do vleissig vnnd Treulich gepredigt vnnd geleret wirdet das hailig gotlich wort nach Rainem Cristlichem verstannd ane zusatz einyger falschen beilere.

In solcher predigt wirdt clar, eigentlich vnnd richtig geleret vnnd dargeben, was da sey

Cristus vnnd das Euangelium,

Rechtschaffene bueß vnd forcht gottes,

Wie zuerlangen sei vergebung der sunde,

Von vermuge vnnd gewalt der schlussel der kirchen.

Diesse Lare vnnd die gantze Suma des Euangelij wirdt In dieser kirchen Cristi mit vleissigem waren anhalten teglich vnnd ane vnnderlaß, baid In der gemeine vnnd bey einem Jden Cristen vor sich getrieben durch predigen, lesen, trostenn vnnd vermanen, durch außlegen der psalmen vnd allerlei pucher der schrifft, wie Paulus 1. Corinth. 14. [v. 26] schreibt.

Do wirdet Recht geleret von Cristlicher freiheit, wie die gewiessen frei seint In Cristo.

Vnnd solche Lahr zuerhalten wirdt mit grosem ernnst vnnd hohestem vleis achtung gehabt, das Schulen für knaben vnnd meidlich zu guter zucht der Jugennt auffgericht vnnd erhaldten werdenn.

Do sind auch die gaben der sprache hebraijsch, kriechisch vnnd Lateinisch, vnnd thun dj bischoff vleis, damit solch studia, so hochnottig seint, die heilig schrifft zuuerstehenn, nit vndergehen.

 

 

 

[Seite 250]

 

Do seindt auch

 

Tauff,

 

Abentmalh Cristi,

 

Erkenntnus der sund vnnd gotlichs zorn,

 

Erkenntnus der gnade,

 

warhafftig Der heilig gaist mit seinen gaben,

 

Cristliche liebe,

 

vnderricht vom creutz vnd leiden1,

 

vnderricht von rechten guten wercken,

 

glaub, hoffnung,

 

baicht vnnd Rechtschaffenn brauch der absolution.

 

 

 

Rechtgeschaffen kinder zucht vnnd vnderweissung der Jugennt Jm Catechismo, alls den zehenn gebotten, vatter vnnser, glauben, kortzen trostlichen psalmen, Benedicite vnd gratias2, vnnd Erzellung etlicher spruche vor der eldernn tische.

Jtem morgens, wan die kinder auffstehen, das sie durch die eldtern vermanet werdenn, zubettenn Rechtschaffen Ernnstlich gebet, baide offenntlich vnnd haimlich.

Cristlich Litaneien vnd gebet vor allerlei stennde vnnd not.

Rechtgeschaffen pann, das ist, das etlich vmb offenntlicher laster willen zunn Sacramenten nit gelassen werdenn.

 

 

 

In der kirchen Cristi seint

Rechtgeschaffenn gelerte bischofe vnnd prediger, die der hailigen schrifft gewaltig seien, vnnd, wie Paulus spricht3, gerustet vnnd geschickt zuleren, zutrosten vnnd den widersachern das maul zustopfen.

Rechtschaffene diaconi, die sich der armen annehmen.

Rechte, Clare, gewiß vnnd freundlich vnderricht, was do sey die Cristliche kirche, vnnd sie sei:

Versorgung der Armen,

gemeines Castens recht bestellung,

Hospitalh,

besuchung vnnd Trostung der pfarkinder, aller kranncken, aller klaynmuttigen, angefochtenen, betrubter vnnd bestortzter gewissen,

Recht trostlich vnderricht an der todsstunde fur die sterbennden,

Recht, Clar, gewiß gegrundet vnderricht auß der schrifft: welche stende oder lebenn gotlich sein,

Von Obrickeit vnnd Jrem Ampt,

Von Eldern,

Was da geburt sich zuhaltenn Sohnen, Dochtern, knechten, maiden, Herrn, vnderthanen, Eheleuttenn, allerlei Empter vnd stennden, damit sie Jr stand vnnd leben fhuren mugen seliglich zu vnd gotlich.

Auch seint do ordenlich, zimlich Eusserlich Ceremonien vnnd gottes diennst,

Rechte fasten,

Erlich klaidung,

frei brauch der speiß,

Erlich kirchen vnnd stedte, da man gotts wort predigt.

 

 

 

[Seite 251]

 

Vnnd dieses alles mit rechtem vnderricht vonn Cristlicher freiheit, vnnd wie man der eusserlichen gottes dinst gotlichen brauchen muge.

 

Nach diesen hochnottigen stuckenn, daran allein alle macht leit vnd ann welche kain Cristlich kirch sein magk, fragen die Jtzige bischoff wenig oder gar nit. Vnnd ist sich zuerbarmen vnnd ewig zuklagen, das sie so grosse sachenn, welche Rechtenn bischouen geburen zuwissenn, sich gar nit kumern, nich dauon gedenncken oder wissen, noch sich dar Jnne vnnderrichten oder Leren lassen wollenn.

 

 

 

In der kirchen des Babsts findet man diese Stucke:

 

Lere dem Euangelio entgegenn,

Die fasten der XC tage4,

Dy Lxxma: vnnd Lxma: Lma 5,

Aschermitwochenn,

Aschen aufs haupt legen6, Quatember,

Freitag, Sonnabent, Mitwoch,

allerlei heilig Ambt7,

hunger oder gemalt fasten tucher hengen8 vnnd der fastenn den hals brechen9,

Dj gulden tafel vnnd hailigen pilder mit tuchern verhullen8,

Baichten zweimal,

Marter wochen10,

palmen schiessen11a,

palmen vnnd worth weihenn11b,

palmen Creutzlein machen11c,

palmen schlucken fur etlich kranckheit11d,

Cristus auff dem esel reiten mit seinen zugehorungen11,

Die ganntz passion lesen viermal lateinisch12,

Grune Dornnstag fuß waschenn oder mandat haltenn13,

Passion predigen bey nacht acht stunden14,

Am stillen freitag halbe messen an die gestalt des weins15,

Creutz anbetten16 vnnd vier opffern17,

Creutz begrabenn16,

Psalter beym graben lessen tag vnnd nacht17,

Finster Metten singen18 mit denn armen, Judas19 vnnd Juden schelten20,

Schuller mit Clappern vmbgehen21,

Altar blösen vnnd mit besen waschen22, vnnd an funff ort klaine wachslichtlein steckenn23,

Die Tauffe weihen mit einduncken der Osterkertzen vnnd villen vngötlichen gesengen,

Neu feur weihen am osterabent24,

Osterkertzen machen, gulden vnnd groschen, muscatennuß vnnd dergleichen Jnns wachs steckenn25,

Vffs Osterfest Creutz auß dem grab nehmen vnd aduenis singen &c..26,

Die helle sturmen27,

Fladen, schincken, wurst, flaisch vnnd aier weihenn28,

Procession vmb die kirchen mit fannen, kertzen, sprengkessel, Monstrantz, Himel &c..29,

Allen auff dem Ostertag gebotten zu comunicirn30,

 

 

 

[Seite 252]

 

Vmb die Tauffe gehen alle vesper &c..31,

Christus bilde gein himel faren zur None32,

Am pfingsttag den hailigen gaist senden33,

Die faiertag der hailigen,

Sannt Mertinus Abent34,

S. Sebastian fasten fur pestlenntz35,

Sant Burckharts tag36,

Die gemeint wochen fur die armen Sellen37,

Aller seelen tag38,

Vigilien; Seelbat39,

Bengnus mit viel messenn vff viel altarn In einer kirchen vnder einander singen vnnd Etwas lanng ziehen vmb des opffers willenn40; Aduent mit Fasten41; drei messen am Cristag, mitternacht Meß halten42,

Die Creutz wochen vnnd mit Creutzen vff die dorffer gehen43,

Jtem vmb die Flur gehenn,

Procession Corporis Cristi mit großem geprenng, fannen, kertzen44 &c..,

Jnn allen heusern geschmuckt altar anrichten &c..,

Alle sonntag vnnd heilig tag procession gehenn45,

Rorate messen singen46,

Apparuit Singenn47,

kindlein wiegenn48,

Sannt Michels brief &c.. große lugen49,

Sannt Michels kinder, so mit dem fennlein giengen; mussige lose buben.50

Die Todten par In die kirchen stellen mit vier wachs kertzenn,

Jtem die Ceremonien, die todten zubegraben mit stolen, Reichfaß, weigewasser &c..51,

Jtem Mancherlei gefreß vff begengnus, baide In dorffern vnnd stedten52,

Kindbetterin Jnn die kirchen fhuren53, Frawen, die Jm kindtbette sterben, auch mit aigener Ceremonien begraben, vnnd erst Jnn die kirchen furen54,

kirchenn, Altar, glocken, Mancherley zimbeln, schellen, Orgeln,

bilder von gulden Tafeln,

hultzen, stainen, Silbern bilder,

hailigen dinst,

Salue Regina55 vnd dergleichen vil,

Tauffstein,

Gloriam56,

kelche,

leuchter,

Monnstrantzen,

fannen,

kertzen,

Rauchfesser, himel vnd dergleichen57,

Rosenkrenntz, vnser liebenn frauen psalter58, hore priuate59, vnnser lieben frauen messe, gedopelt Rosenkrenntz, Compassio b. virginis60,

Bruderschafften; Calend sant Sebastian aller handwerk61,

portatel Altar,

Jnn heusern marmel feld, Cappellen &c..62,

 

 

 

[Seite 253]

 

Casselnn63,

Albenn64,

Chorhembd65 vnd andern kirchen zirde,

Weywasser feßlin forn an den Thuren, Jn kamer, stuben, mit zuuersicht, das es sund wegnehme66,

Weihewasser vff die todten grebernn sprenngen, als solt es auch die Todten helffen67,

Derhalben Jm Oberlanndt vff einem Jtzlichen grab ain aigen sprenng keselein gestellet &c..68,

S. Brigitten gebet69,

S. Bernnhardt versus70, die so gut sollen sein, als viij ganntz psalter, vnnd ward dabei den hailigen Bernnarden mit Rottinten geschrieben, der Teuffel hette es selbs geleret, Das recht were; vnzelich gebette mit Rotten Titteln vom ablas, von Englischen offenbarung,

Validi Mendicantes; Betteler, so mit Buberey vmbgienngen, vor den kirchen sassen, vnnd sich kranck, lame vnnd kropel stelleten; wan der bottel mit der Rutten kam, kunten sie lauffen71,

Weihewasser alle Suntag weihenn,

Saltz weihenn72,

knoblach Panthaleonis Essenn73,

Saltz weyhen vnnd vmbtragen72,

wurtz weihen74,

Liecht weihen purificacionis75,

Am Sannt Agathen tag auff die liecht schreiben: Mentem Sanctam Spontaneam &c..76,

Sant Johannes feur77,

Johannis Trunck vff Sant Johannis tag78,

Johannys Trunck, den auch die fursten vnnd hern weihen liessen ausserhalb S. Johannis tagk, wan sie abraisen wolten &c..79,

Assumptionis honigk, wurtz weihen80; mit dem Nagel Cristi groschenn vnnd gulden durchschlagen, vnnd das mittel stuck vonn goldt vnnd Silber behalden zu warzaichen81,

Eigen Apostel welen nach dem Redlin oder glucks loß vnnd wolgerat &c..82,

Assumptionis die schuler mit Opfelpaumen Jnn der procession gehen.80 Allerlei abloß, da dan vnzelicher mißbrauch war &c..,

Die parfussen Munch hefften zwolff patter noster, kornnclein, an alle thurmer &c.. mit verhaissung vnzelichs ablas &c.. vnnd vergebung der Sunde83, do wachte wider Babst noch Bischoff, gaben ablas zu solcher vnuerschampter lugenn.

Casus reseruati des Babst, sonnde, da niemandt von absoluiren kundt dan der Babst &c..84

Walfartenn mit glubden zu S. Jacoff ist auch vonn mißbreuchen mit vnzelichen Capellen grunndtloß.85

Die gulden Pforte, das guldenn Jar zu Rome.86

Das hailig plut: do die drescher auß der scheurenn, die Arbaiter vom felde, die maide mit sichel vnnd graß tuchernn auß einem dollen ankhumen &c.. hinlieffenn.87

Wider solche Neuerung, so wider alle schriefft vnnd wort gottes ist, hat kain bischoff gewacht, sonnder liesen die armenn gewissen verfhuren.

 

 

 

[Seite 254]

 

Nun solle das ware Euangelium vnd die alte Rechte Lere, so Cristus Selbs, die Aposteln gepredigt vnnd geschrieben, ein Newigkait vnnd ketzerei sein?

Des mißbrauchs vom hailigenn plut ist noch heutigs tags anzeig befunden zu Braunschweig, do Jm Closter Sant Egidj gerhumet wird heiligthumb, als sei es das plut, das Cristus vffm berg Cauarie vergossenn88, derhalb man auch sonnderlich ablas außteilet vnnd aigen sigel gemacht, dorauff dieser Tittel ist: Das sigel des pluts Cristi.

Vff etlichen walfarten haben sich weib vnnd man, auch kinder, vff grossen wagen wegenn lassen, vnnd so schwer wachs oder korn da gelassen, als sie gewegenn.89

Heiligthumb, welchs stucke aber ganntz grundtloß von mißbreuchen vnnd vnuerschampten lugen; Do ist vnnser lieben frauen milch90; Josephs hosen; Sannt Franciscus Niderclaid91; des weinß ein gleßlein vol, den Cristus auß wasser zu Cana galilea gemacht &c..92; die furhaut der beschneidung Cristi &c..93; S. Johannis Euangelium an hals hengen94, Blasius Liecht am hals henngen95, Mit S. Annthonius hailigthumb senckel gurtel bestraichen96,

Verbottenn Ehestannd der pfaffen,

Der bischoue Official genomen von einer beischlefferinn Jerlich ein gulden, Wie dan des kortzuerschiner Zeit der Official zu Halberstat Jnn die funfhundert guldenn des Zins eingenomen; so starck haben sie gehaldten Jren spruch: si non caste, tamen Caute. Vor ein priesters kind auch ein gulden. Dan ane kinder seint die priester mit Jren kochin aber eins grads heiliger vnnd keuscher gewesenn97,

Platten der pfaffen,

Sieben Zeitenn, hore Canonice, von welchen die Pfaffen selbst spotlich geredt vnnd gesagt, sie hetten etlich scheffel vesper vnnd Metten auff vorrat vffgeschut &c..98 Diß stuck begreifft vnseglich gotslesterung vnnd Spötterei gottes Jnn sich,

Pfaffen Testament/ Legennden / Traditiones Predigen,

Nicht Rechtgeschaffenn haben sie gepredigt von allen obgesagten stucken, Do wir von der Christlichen kirchen gesagt &c..,

Die Edelleut, so Jnn krieg zogen, gaben sich S. Jorgen gefangen &c.., damit sie nit gefangenn wurden.99

Polter gaister100 glaubenn,

Nachdem: frauen Jnn Cartheuser Clostern Jn Jren kirchenn mit feuer wischen den staub vnnd weg, do sie ganngen, wider Rain brennen &c.. Dergleichen Jn ander Clostern, vnnd das nur denn fromen frauen &c..101,

Die Messen haldten allerlej, welcher Mißbrauch greulich vnnd vnzelich ist,

kirchen weyhenn vnnd olweyhenn,

Jtem das Jn die aschen die weyhebischoff etliche Caracteres auß einem buch maletenn,

Glocken Tauffenn, da man Jn die hundert oder zweihundert geuattern ließ nur an den strick greiffenn &c..,

Altar Tauffen,

kresem vff Osternn vmb geldt holen.102 Jtem das die Corporalia vnnd solichs hailig geredt nitt frauen hennde, sonnder man waschen musten, es dorfft kein lay kelch oder altartuch angreiffen103,

Gnug thuen Manncherley fur die sunde,

 

 

 

[Seite 255]

 

Der grose Bann,

Dy Sieben Zalh der Sacrament,

Priester weihenn, nit zum leren oder predigen &c.., Dann also sagte der weihebischoff: Accipe potestatem Consecrandj ac offerendj pro viuis et mortuis &c..,

Weihen {Tonsoristen/} {Lectores/} {Accolitos/} {Diaconos/} {preßbiteros} vff Titel ein Edel mas, tisch oder sunst ein partecken &c..104

Die weihebischoffe haben mit kirchen, glocken, Altarn, bilden wunder kramwergk getrieben &c..105,

Auß den Sinodis, die sie Episcopales genenet habenn, hat man ein gedruckt Zedelein geschickt, dar Jnne angezeigt, wie (man) versickel &c.. vnnd das Benedicamus singen solt. Das haben sie ordnen diuinorum oder diuinum genennet,

Von Munchen wollen wir annder Zeit sagen, doch ists auch vor Jnnerung werdt, das die parfussen Monnche dahin die Leuth vberredt, das Ritter vnnd grauen sich haben Jn Jren kappen lassen begrabenn, dafur gehaldten, wer mit der kappen Jnnß grab keme, konnt nit verloren werdenn.106

Was wurde woll der Apostel Paulus wider solchenn schenndlichen mißbrauch gesagt habenn, wann es zu sein Zeitten geschehenn? &c.. Aber der Teuffel schemet sich zu kainer lugenn &c..

Epistoler,

Euangelier, nur datzu verordennt, das sie das puch tragen vnnd diacon Rock antragenn &c..107

Der weihebischoffe fermeln vnnd zu vil annder kindisch geberde mit backen schlahen &c..108,

Eide der Ihenigen, die sich weihen lassen109,

Freiheit vnnd priuilegien vor der priester heuser, gutter, haußgesindt &c..110,

Dieses alles ist mit diesen mißbreuchen also allein Jnn pfarren ganngen.

Daruber ist noch das Recht Mare Magnum111,

Was Jn {Monch klosternn,/ {Nonnen klosternn,/ {Cartheuser klosternn &c..,/ {Cathedral kirchen,/ {vnderstifftkirchen112,

mancherlej gebet, Regeln, statut, neu erfunden gots dinst gewesen.

Do ist ein vnnzelig geschwerm viller vnngotlicher Jrthumb, daruon wir ander Zeit schreiben wollenn.

Daruber nach der bischoff officialat Comissarien &c..113

Ane diß alles kan die Cristlich kirch sein vnnd bestehen, wie sie zu der zeit der Apostelnn gewesenn.

Derselbigen offenntlichen mißbreuchen wollen die bischoffe vergessen, aber was er groses, greulichenn schadens den selen vnnd gewissen solchs gethan, gibt die Erfarung. Got der Herr wolle verleihenn, das alle lugen vnnd heuchelej zuschanden werde, vnd gottes wort, wie bißannher, durchdringe, schnel lauffe vnd gepreiset werde! Amen.

 

 

 

[Seite 256]

 

Anmerkungen zu dem Text S. 249 —255.

Jn den Anmerkungen habe ich 1. mich im großen und ganzen möglichst eingeschränkt, 2. um Wiederholungen aus dem vortrefflichen Kommentar, den Enders bietet (E1 im folgenden bedeutet Anmerkung 1 bei Enders 7, 262 ff.), möglichst zu vermeiden, hauptsächlich möglichst lehrreiche Quellenstellen zitiert und auf solche Literatur hingewiesen, die E. nicht benutzt hat.

 

 

 

Abkürzungen:

Fr. W. = WEltbůch: spiegel || vn̄ bildtniß des gantzen erd- || bodens von Sebastiano Franco Woer-||densi in vier buecher, ... gestelt vnd abteilt, ... (Tübingen, Ulrich Morhart 1534, vgl. Steiff, Der erste Buchdruck in Tübingen (1498 –1534), Tübingen 1881, S. 195 f. Nr. 160; zum Jnhalt vgl. Erich Schmidt, Deutsche Volkskunde im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, Berlin 1904, S. 118 ff.).

 

K. S. = Johannes Keßlers Sabbata, herausgeg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen, St. Gallen 1902.

 

Link - Bapsts gepreng, || auß dem Cerimo- || nien Bůch. || Auch etliche Cerimonien der || Bischoffe, auß ihrem Pontifical || serr fleissig gezogen. || ... ¶ Durch Wenceslaum Linck- || en von Colditz, Doctor ... AN. M.D.XXXIX. || (Straßburg). (Vgl. Schelhorn, Amoenitates literariae III, 1725, p. 149 u. RE3 11, 513.)

 

Diel = Die pfarramtlichen Aufzeichnungen (Liber consuetudinum) des Florentius Diel zu St. Christoph in Mainz (1491 –1518), herausgeg. von Franz Falk, Freiburg i. Br. 1904 (= Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Gesch. des deutschen Volkes IV 3).

 

Eck = Johann Ecks Pfarrbuch für U. L. Frau in Jngolstadt [1525 ff.]. Ein Beitrag zur Kenntnis der pfarrkirchlichen Verhältnisse im 16. Jahrh., Münster i. W. 1908 (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte Heft 4 u. 5).

 

Müller = Nik. Müller, Der Dom zu Berlin. Kirchen-, kultus- und kunstgeschichtliche Studien über den alten Dom in Köln-Berlin I, Berlin 1906.

 

Widmann = Enoch Widmanns Chronik der Stadt Hof [W. führte sie zunächst bis 1592, dann bis 1601, gestorben 1615 64 Jahre alt] in: Quellen zur Geschichte der Stadt Hof, herausgeg. von Christian Meyer, Hos 1894.

 

Katholik 1901 –1903 = Raich, Religiöse Volksgebräuche im Bisthum Augsburg, Katholik.

 

Thalhofer = Th., Handbuch der katholischen Liturgik, 2 Bände, Freiburg i. Br. 1883, 1890.

 

Franz = Fr., Die Messe im deutschen Mittelalter, Freiburg i. Br. 1902.

 

Sauer = S., Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters, Freiburg i. Br. 1902.

 

 

 

[Die Anmerkungen sind in den Text eingefügt.]

 

 

 

[Seite 268]

 

[Vermahnung an die Geistlichen]

 

 

 

[Seite 268a]

 

 

 

[Bl. 2a]

An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanūg Martini Luther. 1530

 

 

 

[Seite 268a]

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 268b

 

 

 

 

[Anfang]

Gnade vn̂d fride von Gott vn̂serm Vater vnd dem herrn̂ Jhesu Christo,  Wie wol wir (lieben herrn) n̂icht gebüret auff diesen Reichstag personlich  züerschein̂en, Vnd ob ich gleich erscheinen müste odder solte,  doch nichts nutze da sein kundte, als an dem, ynn solcher pracht vnd gescheffte,  nichts gelegen sein würde, So hab ich mir doch furgenomen, vber meine geistliche  gegenwertigkeit (die ich mit gantzem meinem hertzen, durch gebet vnd  flehen zu meinem Gott, vleissig vnd redlich, mit Gottes hulffe, beweisen wil)  auch schrifftlich vnd mit dieser meiner stummen vnd schwachen botschafft vnter  euch zu sein,

 

Vnd das darümb, das mich mein gewissen treibt, euch allesampt,  freündlich vnd hertzlich zu bitten, zu flehen vnd zü ermanen, das yhr diesen

 

[ 2 Anno 1530. rh 6 müste steht über kundte        solte, wurde ich 7 kundte steht über wurde 8 sein würde steht über were 10 redlich, ob Gott wil 11 vnd todten schwachen r 12 sein, vnangesehen das ich weis, Es werden viel vnter eüch, on das [on das c aus dennoch; neben on das steht noch am Rande, aber wieder durchgestrichen auch] hiezu sagen, Wer darff dein? Wer hat dich hergebeten odder beruffen? Denn ich mus vnd wil da sein, ob ich gleich hinder der thür odder vnter der treppen sitzen müsse]

 

 

 

[Seite 269a]

 reichstag nicht verseumet, noch vergeblich missebraucht, Denn Gott, gibt euch  gnade raum zeit vnd vrsache [Bl. 2b] durch vnsern aller gnedigsten herrn  keiser Carolo mit diesem Reichtag, viel vnd gros guts zu schaffen vnd auszürichten  so yhr allein wolltet, vnd spricht freylich itzt wie S Paulus redet  2. Cor 6. Jch vermane euch das yhr die gnade Gottes nicht vergeblich empfahet,  denn er spricht | [Bl. A ijb], Jch habe dich ynn der gen̂emen zeit erhoret  vnd habe dir am tage des heils geholffen, Sehet itzt ist eine angeneme zeit vnd  ein tag des heils, fur euch am aller meisten Vnd wir sehen vnd horen̂, wie  aller menschen hertzen auff diesen Reichstag gaffen̂ vnd warten, mit grosser  hoffnung, Es solle gut werden

 

Solt aber dieser Reichstag, (da Gott gnediglich fur sey) on ende zürgehen,  vnd nicht ettwas redlichs ausgericht werden, Vnd alle welt nü lange  zeit her, mit Reichstagen vnd Concilijs vertrostet vnd auff gezogen vnd alle  hoffnung gefeylet vnd vmsonst gewest, ist zübesorgen, es wurde ein verzweiüeln  draus komen vnd yderman wurde des vertrostens vnd harrens allzu mude  werden, vnd das vergebliche lange gaffen, vngedult vnd bose blut machen,  Denn es kan vnd mag len̂ger so nicht stehen, wie es itzt stehet, sonderlich mit

 

 

 

[Seite 270a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 270b

 euch selbs vnd mit ewrem stande vnd wesen, das wisset vnd fulet yhr besser,  denn ich euch sagen kan, So thu ich auch hiemit, was ich thu, euch zum  besten, vmb fride vnd einickeit willen̂

 

ob aber ettliche villeicht hierinn meine vermessenheit wolten sauer  ansehen, vnd furgeben Wer darff dein? Wer hat dein̂s vermanens odder  schreibens yhe begerd? Es sind so viel gelerter vnd frümer leut hie, die der  sachen besser zü raten wissen denn du narr &c̄.., Wolan, das wil ich gerne  gleuben, Vnd Gott helffe das alles also war sey, Jch wil zewarten, meine  vermessenheit gerne gestrafft vnd verdampt haben, Aber noch ist das auch  war, Man kan des guten nicht zü viel thün Vnd hat offt ein narr bessern  rat geben denn viel weisen, Vnd widderumb, weise leute gemeiniglich den  grossesten schaden auff erden gethan, sonderlich [Bl. 3b] wenn sie sich auff yhre

 

[ 3 willen̂ [Neue Zeile:] kan ich nu ettwas ausrichten, das ich euch erweiche vnd bewege, damit yhr ewr selber erbarmet vnd schaffet an diesem heutigen tage, was zu ewrem fride dienet, wie Christus vber Jerusalem spricht [Bl. 3a] So werde ich freüden vol, Gott nymer mehr gnug dauor dancken konn̂en, kan ich aber nicht, vnd yhr steiff vnd hart sein werdet, so mus ichs (wie wol von hertzen vngern.) lassen geschehen, das vber euch gehe das ienige, so itzt fur ewren augen verborgen ist, vnd allzu frue euch ynn die hende komen wird, Darumb das yhr die zeit ewr heimsuchunge itzt [o] nicht erkennet habe, Vnd sol als denn [als denn o] diese meine stumme schrifftliche botschafft, fur Gott vnd aller wellt, meines gewissen zeuge vnd fursprecher sein, das euch [o] solchs allein vmb ewr hertigkeit willen [vmb —willen rh] on vnser [steht über mein] schuld, vn̂d widder vnsern [steht von Luther mit der anderen Feder des nächsten Abschnitts geschrieben, über widder, das über meinen steht] willen vnd wündsch geschehen sey, als der ich [c aus ichs] so hertzlich vnd trewlich ewr bestes rh gesucht, gemein̂et, gebeten vnd geflehet habe 7 narr rh 8 also o        sey Amen o        wil zu]

 

 

 

[Seite 271a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 271b

 

 weisheit verlassen, vnd nicht auch mit Gottes furcht gehandelt vnd mit demütigem  hertzen, vmb Gottliche hulffe vnd gn̂ade gebeten haben

 

Dauon alle historien vol exempel sind beide ynn der schrifft vnd ausser  der schrifft Vnd wenn sonst kein ander exempel furhanden were mocht man  es wol an ewrem eigen exempel spuren Denn yhr habt nu bey zehen iaren,  ynn dieser sachen ewr weisheit wol versucht, mit so viel reichstagen, mit so  viel ratschlagen mit so viel tücken vnd practiken, mit so viel vertrostung vnd  hoffnüng, ia auch mit gewalt vnd zorn, mit mord vnd straff das ich mein  wünder vnd iamer an euch gesehen, noch hatts nirgent dahin̂ gewolt, da yhrs  gern hin hettet, Das macht alles, das die weisheit on gottes fürcht vnd  demütiges gebet, durch sich selbs hat wollen solche hohe grosse sachen meistern  vnd ist druber zu schanden würden ynn yhrer vermessenheit Vnd werdet yhr  euch noch nicht furchten vnd demütigen fur Gott, das yhr, das drewen vnd  die rachgyr nach lasset, vnd Gott mit ernst vmb hulff vnd rat bittet, so solt  yhr noch nichts ausrichten, vnd weret yhr gleich allzumal so weise als konig  Salomo Denn das stehet die schrifft. 1. Petri .5. Gott widderstehet den hoffertigen,  Aber den demütigen gibt er seine gnade

 

Wir aber auff vnser seiten, beten mit vleis vnd wissen auch die rechte  weise zu beten von [Bl. 4a] Gottes gnaden, Sind auch gewis, das vnser gebet

 

[ 1 gehandelt rh        mit o 2 hertzen steht über gebet 4 wenn schon        kein sonst um 6/7 mit —tücken, mit —ratschlagen, um 7 tücken steht über anschlegen 7/8 mit —hoffnung rh 14 Gott o 15 gleich rh 19 das wir 19/272, 1 vnser —uns o]

 

 

 

[Seite 272a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 272b

 angeneme vnd fur vns erhoret wird, welchs alles beides, | [Bl. A iijb] (sorge  ich.) auff ewrem teil wen̂ig thün mugen, Vnd haben auch nu angefan̂gen  mit ernst fur eüch zu bitten, das doch Gott der allmechtige, ein mal wolte  ewr hertzen erleüchten vnd bewegen, sein wort zu furchten vnd demütiglich  gegen yhm zu handeln, Angeneme ist solch gebet fur vns das wissen wir,  Aber Gott helff, das yhr nicht halstarrig dawidder euch setzt vnd vnser gebet  sich widder keren müsse ynn vnsern bosem als bey eüch verloren vnd veracht  Denn wir sehen, das der teuffel mit dem Turcken herzu wil vnd erregt dazü  eine rotten nach der andern̄, vnd wolts gern alles zu boden stossen Soltet  yhr denn auch noch verstockt vnd halstarrig bleiben, wie bisher, das were  doch zu viel vnd aller ding vntreglich,

 

Vnd auffs erst, So durfft yhr von meinen vnd meiner gleichen wegen,  nichts handeln, Denn der rechte helffer vnd radherr, hat vns vnd vnser sachen  so weit bracht vnd dahin gesetzt, da sie bleiben sol, vnd da wirs auch lassen  wollen, das wir hierinn fur vns keines reichstages, keines rates, keines  meisterns bedurffen, dazu auch von euch nicht haben wollen, als die wir  wissen, das yhrs nicht besser, ia nicht so gut, zu machen vermügt denn wir

 

[ 1 wird steht unter werden̂ 5 fur uns rh 7 als o        veracht steht über on frucht gethan 8 dazü o 9 wolte gro und noch ein angefangener Buchstabe 14 vnd (1.) so 15 fur vns rh 16 von euch rh 16/17 wollen —vermügt unten rh]

 

 

 

[Seite 273a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 273b

 komen gleich vnter Turcken odder Tattern vnter Bapst odder teuffel, so stehet  vnser sache [Bl. 4b] gewis, das wir wissen, wie wir gleuben vnd leben wie  wir leren vnd thun, wie wir leiden vnd beten, wie wir genesen vnd sterben,  wo wir alles gewarten, holen vnd finden, vnd wo wir endlich bleiben sollen̂,  nach dem wort. S. Pauli Ro. 8. Den ausserweleten schaffet der geist alle  ding zu yhrem besten Solchs hat vns Gott reichlich gegeben, durch Christum  Jhesum vnsern herrn̄, vnd ist bereit an durch vieler frümer leüt blut vnd  marter von ewrem teil getodtet bekand vnd bestettigt Nicht das wir volkomen  seien vnd alles erlanget hetten, sondern das wir die rechten regel (wie  .S. Paulus redet.) den rechten weg, vnd den rechten anfang fur vns haben,  vnd an der lere ia nichts mangelt, das leben sey gleich wie es mag,

 

Aber für eüch vnd für das arme volck, so noch vnter eüch gantz vnbericht  odder ye vngewis ist, da sorgen wir für, vnd wolten yhe gerne, hie  helffen, mit beten, vnd vermanen, das beste wir kündten, Denn ich furchte  mir vbel, das yhr ewrs ampts vnd der demüt gegen Gott vergessen̂, vnd die  seyten zu hart spannen vnd das willige pferd zu seer reiten werdet da mit  widder ümb ettwa sich ein̂e aüffrur erhebe, das beyde wir mit eüch yn̂n̂

 

[ 1 gleich o 2 sache c aus sachen 3 wie (2.) c aus wo 4 wo (1.) c aus wie        wir c aus wirs        alles rh        endlich rh 5 ausserweleten hilfft        schaffet rh 7 ist rh 8 von —getodtet rh        Nicht Aber fur euch vn̂d für das arme volck sd noch vnter euch ist, vnd 11 sey obe o        gleich rh 15 vergessen̂ c aus vergesset        vnd (2.) werdet 16 werdet rh]

 

 

 

[Seite 274a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 274b

 iamer vnd not komen, wie vor mals geschehen Denn yhr wisset noch wol  on allen zweifel, wie fur der auffrur, der Speyrissche [Bl. 5a] reichstag, mit  so herrlicher trostlicher hoffnūg ausgeschrieben ward, das alle wellt mit grosser  gyr gaffet vnd hertzlich wartet, es sollte da gut werden

 

Aber ewr ratschlag war da voller weisheit, vnd ver schuffs, das der  selbige reichstag, stümpff, schimpflich vnd schendlich ward abgekundigt, Da  kam auch flugs drauff die rute, nemlich der Muntzer mit der auffrur, vnd  gab euch einen schilling den yhr noch nicht vber wunden habe, vnd wir leider  noch grossern schaden daüon haben

 

Das heisst alles mit gewalt vnd eigen synn ge faren, Also zu Wormbs  müste das Edle blut vnser lieber herr keiser Carol thün, was yhr woltet  vnd mich mit meiner gantzen lere verdamnen, welche yhr doch nu bisher  selbs, ynn vielen stucken habt heimlich angenomen vnd braucht. Vnd ewr  prediger hetten itzt nichts zu predigen, wo des Lüthers bucher nicht weren,

 

[ 2 fur den 4 es c aus? 5 da we 6 reichstag, so        stümpff, so 7 nemlich die        der —der rh 8 euch steht über vns; zu vns gehörte beiden rh        yhr steht über wir        habe entstanden dadurch, daß Luther das n in haben in einen jetzt nicht mehr erkennbaren Buchstaben corrigierte und diesen darauf wieder durchstrich. 9 daüon haben steht über (leiden 11 blut k 12 gantzen rh        welche c aus welcher        nach doch ist ursprünglich ein anderer Buchstabe [b?] angefangen worden 13 heimlich o 14 bucher thetten [Vgl. S. 276 Anm. 2]]

 

 

 

[Seite 275a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 275b

 Denn yhr sermon buchlin, vnd was vorzeiten auff der Cantzel, das geschrey  war, lassen sie fein vnter der banck ligen vnd fahen an widder vns vom  glauben vnd guten wercken zu p̄digen vnd der gleichen dauon man vor hin  nichts horete noch wuste, Vber das, erzwunget yhr dazu mal ein gebot, so  grewlich, vber die Lutherisschen zu todten, das yhrs darnach selbst nicht halten  noch leiden mochtet vnd müste zu Nurmberg auff dem Reichstage geen̂dert  werden, vnd ettliche fursten, von yhn selbs dasselbige verbieten musten wolten  sie nicht selbs mit land vnd leuten ynn fahr sitzen.

 

[Bl. 5b] Dis erzele ich nicht eüch zum hon odder spot (denn ich bin  sonst allzu hoch an euch gerochen) sondern euch hertzlich zu bitten vnd trewlich  zu vermanen, das yhr doch an ewr eigen erfarüng vnd vngluck lernen  woltet, hinfürder das trotzen vnd drewen, gewalt vnd pochen zu lassen, vnd  gegen Gott mit furcht vnd demut zu handeln, vnd hindangesetzt ewr vermessenheit,  seine hulff vnd gnade mit ernstlichem gebet zu suchen, Warlich,  warlich, die sachen sind zu gros, Menschlich weisheit vnd gewallt ist viel zu  geringe dazu, Gott mus helffen sonst wird vbel erger, Das ist gewis, Den̂n̂

 

[ 1 was sie? 2 widder vns rh 3 vnd der gleichen rh 4 wuste, wie wol sie Dazu        Vber das rh 5 vber die steht über von den 9 ich (1.) darumb 12 vnd (2.) vnter 13 zu o 14 mit o]

 

 

 

[Seite 276a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 276b

 so yhr auff ewrem trotz vnd pochen beharren wolt, so solt yhr wissen, das  des Müntzers geist auch noch lebt vnd meins besorgens, mechtiger vnd ferlicher,  denn yhr gleuben odder itzt begreiffen kün̂d Es gilt euch mehr denn  vns, wie wol er vns feinder ist, denn euch Aber wir haben einen trotz  widder yhn, Gott sey lob ynn ewigkeit, wolt Gott yhr hettet den selbigen  auch, nemlich, das reine wort vnd recht schaffen gebet.

 

So wisset yhr auch wie trewlich vnd fest wir gehalten haben, wider  alle rotten geister, Vnd wenn ich rhumen thürst, so wolt ich schier sagen,  wir weren ewr schutzherrn gewest vnd sey vnser geschefft das yhr bisher seyt  blieben was yhr noch seyt, Vnd hetten wir gethan, Jch sorge warlich, ewr  gelereten weren der sachen zu schwach [Bl. 6a] gewesen vnd solten euch die  schwermer vnd rotten bald ein anders geleret haben, Derhalben sind sie vns  auch feinder, denn eüch, vnd schüldigen vns, als die zu Creütz kriechen vnd  widderruffen, Das mussen wir leiden vnd das sprichwort erfaren, Wer dem

 

[ 5 hinter gott ein fast senkrechter ziemlich langer und dicker Strich        hettet c aus hetteten 9 vnd —geschefft rh 11 gewesen r 12 ein o 14/277,4 vnd —Jüda steht über vmb ewren willen, Vnd leidens auch gerne, Denn das hat mich kein heel, Wenn ich ia einerley leiden sol, wil ich lieber einen frumen stillen [frumen stillen rh] papisten haben denn einen sacraments schwermer, odder widder teuffer vnd dergleichen, Denn ym Bapstum, wo es stille ist [wo —ist o] lesst man das wort vnd sacrament sein, was es ist, vnd ist allein der misbrauch darinn strefflich, [darüber, aber auch wieder durchgestrichen: aber sein ... ferlichen misbreüchen verderbt] Wer nü aber die [nü —die steht über aber den] misbreuche [c aus misbrauch] lassen wil [steht über lesst] der kan doch finden was ein Christ finden [?] sol, gleich wie vnter dem Turcken noch Christen bleiben kan, wer die gnade hat [gleich wie —hat rh] aber die rotten teuffel [teuffel rh] stossens alles vmb vnd lassen niemand nichts fin̂den [Die ganze Stelle ist stark durchstrichen, teilweise auch wegradiert.]]

 

 

 

[Seite 277a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 277b

 andern vom galgen hilfft, den̂ brecht der selb gern hinan, Die rotten büben  hetten nicht wissen ein einiges stuck widder den bapst anzugreiffen, Nü sie  aber durch vnser hülff los worden sin̂d vnd essen vnser brod, tretten sie vns  mit füssen wie Christus sagt von seinem verrether Jüda

 

Es werden aber ettlich hie sagen, Ja das ist alles dein schuld, dü hasts  angefangen, vnd das sind deiner lere früchte &c̄. Wolan, das müs ich leiden,  weis wol, das man mir solchs nach sagt, Aber widderumb weis ich viel  frumer leute vnter euch, die da wissen, das nicht war ist. So stehet das  werck alda am tage, meine starcken zeugen, das die rotten geister meine lere  allzeit veracht vnd hoher verfolgt haben, denn ewer lere vnd ich habe mich  auch stercker mussen gegen sie setzen̄ vnd herter wehren, denn ich widder den  Bapst ye gethan wie kans denn aus meiner lere komen sein? Odder warumb  ist nicht solch vnlust entstanden bey den meinen, da ich selbs teglich gepredigt  vnd geleret, da es doch am ersten vnd hohesten solt vbel zu gehen [Bl. 6b] wo  aus meiner lere solch vnrat komen solt

 

Habt yhr aber vergessen, das der deusch adel zu Wormbs, bey vierhundert  stucken k Mt furtrug darinn sie sich beklagten, von der geistlichen

 

[ 10 haben o        denn die        lere rh        mich o 11 herter o 12 komen sin̂d 14 ersten vnd unten rh 17 furtrug c aus furtrugen        geistlichen c aus geistligkeit]

 

 

 

[Seite 278a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 278b

 beschweret, vnd sagten frey heraus, Wo k Mt, nicht wolt solchs abschaffen,  So wolten sie es selbs thun, Denn sie kündtens nicht lenger leiden, Wie  dunckt euch? Wo das were angan̂gen (wie es denn die auff rurer darnach  anfiengen.) vnd were nur ein p̂diger auffgestanden, der dazu geraten hette,  Wo woltet yhr geistlichen itzt sein? Jnn bus correptam, Nu war doch dazu  mal meine lere ym schwan̂ck vnd hatte mit keiner auffrur angefangen odder  bis daher gelauffen, Sondern die leüte fein geleret fride zuhalten vnd der  oberkeit zü gehorchen, Vnd wo sie nicht gewest were, hetten gewislich der  geistlichen beschwerung sollen ein recht spiel an̂richten. Nu mus es meine  lere gethan haben, Aber solcher danck geburt mir, Beger auch keines andern,  So ists allen propheten vnd Aposteln vnd Christo selbs gangen

 

Jtem habt yhr auch vergessen wie zum ersten meine lere fast bey euch  allen̂ so ein kostlich ding war, da alle Bisschoff gar gerne sahen, das dem  Bapst (der die stifft zü hart antastet.) sein̂er tyranney ein wenig gesteuret

 

[ 2 thun c aus zuthun 3 die rotten 6 keiner c aus keinem 8 were, so 10 Aber steht über Wolan 10/11 Beger — gangen nachgetragen; 11 vnd (1.) — gangen r 12 fast rh]

 

 

 

[Seite 279a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 279b

 würde, Da kündten sie mir fein zu sehen horchen stille sitzen vnd lauren, wie  sie yhr Bisschoff|liche oberkeit widder gantz kriegen mochten, Da war der Lüther  ein feiner lerer, der das ablas so redlich angreiff, Denn da zumal musten  die Bisschoffe vnd [Bl. 7a] pfarherr leiden, das ein munch odder ein frembder  boser bube mit den ablas briefen, ynn seinem stifft vnd pfarr durch vnd  durch, eine schendliche schin̂derey treib, vnd thürste nicht da widder mücken,  Hie war kein doctor ynn allen hohen schülen odder klostern, der solchem  vnflat hette wissen noch thüren begegenen, vnd war Luther das liebe kind  vnd fegete die stifft vnd pfarhen von solchem treüdel markt, vnd hielt den  bisschofen den steigreiff das sie widder auffsessen, vnd warff dem Bapst einen  bloch ynn weg, Warümb war das auch nicht aüffrurisch bey eüch?

 

Vnd hern̂ach da ich das kloster leben angreiff vnd der monche nü  weniger worden sin̂d, hab ich noch keinen Bisschoff odder Pfarher horen  druber weinen Vnd weis, das den Bischofen vnd pfarher n̂ie kein grosser  dienst ist geschehen, den̂n̂ das sie der Munche also los worden sind, vnd besorge  fur war, Es werde itzt zu Augsbürg kaum yemand sein, der sich der munche

 

[ 1 horchen rh steht unter loben r 2 machten, Ey 3 zumal rh (z und l und der u-Bogen d nachgezogen) 4 ein frembder rh 5 stifft erst ein angefangener Buchstabe, dann ynn alle        vnd pfarr rh 8 wissen odder        vnd steht über Da 10 das — auffsessen rh 12 nü o 14 n̂ie o 16 kaum ein]

 

 

 

[Seite 280a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 280b

 werde an nemen, vnd bitten, das sie wid|der zu vorigem stande komen, Ja  die Bisschofe werdens nicht leiden, das solche wantzken vnd leuse widderumb  solten ynn yhren peltz gesetzt werden, Sind fro, das ich yhren, peltz so rein  gelauset habe, Wie wol doch die warheit zu sagen, die Munche musten die  kirchen regirn vnter dem Bapst vnd die Bisschoue nichts dazu thetten, denn  liessen sich Junckher heissen, Nu habe ich doch die Munche nicht mit auffrur  zer[Bl. 7b]steret, sondern mit meiner lere vnd gefellet den Bisschoffen wol,  Hettens auch mit aller konige gewalt noch mit aller hohen schulen kunst  nicht vermocht züthün, Warumb halten sie denn das auch nicht für auffrürisch?  Ey es gefellet yhn zu wol das die Münche her unter sind, vnd  damit dem Bapst schier eine gantze hand ab ist, Vnd wissens doch dem Luther  keinen danck des lere sie so herrlich brauchen ynn diesem stuck

 

Vnd weil ich eben drauff kome, das man vergessen hat, wie es dazu  mal stund ynn der wellt ehe meine lere an̂fieng, vnd nü niemand wil nie

 

[ 1 In Ja ist der zweite Grundstrich des a d nachgezogen 2 das sie 3 solten steht über lassen        gesetzt werden steht über setzen        das sie yhr los worden sind 3/4 ich — habe d rh 8 noch —kunst rh 9 denn rh 12 danck ders gethan hat        In stuck sind die Grundstriche von u und c d nachgezogen]

 

 

 

[Seite 281a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 281b

 nichts vbels gethan haben, So mus ich die alten laruen er fur zihen, vnd  den geistlichen yhre vergessene tugent fur die aügen stellen̂, damit sie sehen,  odder widder dran geden̂cken, was ynn der wellt solt worden sein̂, wo vnser  Euangelion nicht komen were, vnd wir aüch zu vnserm trost, sehen, wie  manchfeltige herrliche frücht, das wort Gottes gethan habe Vnd wollen  anfahen eben an dem da meine lere anfieng, nemlich vom Ablas

 

 

Vom Ablas,

Wenn vnser Euangelion sonst nichts gethan hette denn dis stuck, das es  die gewissen von dem schendlichen grewel vnd abgot des Ablas, erloset  hat, so sollt man doch dran kennen, das es Gottes wort vnd krafft were,  Denn das mus alle welt bekennen das kein menschliche weisheit solchs ver  mochte Sintemal kein bisschoff, kein stifft, kein kloster [Bl. 8a] kein Doctor,  kein hohe schule, ich selber auch nicht dazu mal vnd summa keine vernunfft  diesen grewel verstund noch kennete, viel weniger, zu steüren noch anzugreiffen  wuste, sondern mustens alles billichen vnd fur gute heilsame lere gehen lassen,  namen auch die lieben Bisschoffe vnd Bepste getrost gellt dauon vnd liessens  weidlich gehen, Nemlich

 

[ 4 aüch steht über doch 7 Vom steht über Das 8 über nichts Punkte 10 hat steht über hette 13 ich —vernunfft rh 16 die —Bepste rh]

 

 

 

[Seite 282a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 282b

 

 .1.Das sie das ablas verkaufften fur die gottlich gnade, so die sunde  vergibt, Dadurch denn Christus blut vnd tod verleügnet vnd verlestert ward  sampt dem heiligen geist vnd Euangelio

 

 .2.Das sie die seelen dadurch aus dem fegefewr fel|schlich verkaufften,  zu grosser schmach Gottlicher Maiestet selbst, trug aber gelds die menge

 

 .3.Das sie dadurch den Bapst zum Gott ym himel setzen, der den  engeln gebieten kundte, der pilger seelen so aüff der Romfart sturben, gen  himel zü füren

 

 .4.Das Euangelion welch doch das einige rechte ablas ist müste schweigen  ynn den kirchen fur dem ablas,

 

 .5.Das sie die gantzen wellt vmb vmmeslich gellt dadurch betrogen vnd  schunden mit vnuerschamptem geitz vnd lugen, als wolten sie widder den  Turcken kriegen

 

 .6.Denn sie ymer die vorgegeben ablas brieffe nidderlegten vmb der

 

[ 1 .1. Diese und die folgenden Zahlen über den Bruch nach links auf den Rand vorgerückt        ablas o 5 menge vnd hab r 7 der Romschen 9 welch —ist o 12 über dem n von wolten zwei Punkte 14 ymer steht über legten        ablas o        nidderlegten steht über willen]

 

 

 

[Seite 283a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 283b

 newen willen, vnd hüben ymer den alten ablas auff ynn den kirchen vmb  des newen willen vnd spieleten mit dem gülden iar, darnach sie gellt haben  wolten, Ja wol widder den Turcken

 

 7 Vnd ist auch die larue des gulden iars ein [Bl. 8b] lauter geticht vnd  lose lugen, zu verderben den glauben Christi, vnd das tegliche gulden iar  Christi Vnd doch vnzeliche tausent seelen damit verfuret vnd die leute gen  Rom zu lauffen, schendlich generret vmb gelt vnd gut betrogen mit verlorner  muhe vnd kost dazu

 

 8 Das sie ym ablas verkaufften gute wergk der gantzen Christen heit,  dazu die absolution als ettwas sonderlichs, welche doch das Euangelion zuuor  vnd ymerdar, der gantzen wellt vmbsonst gibt, damit die gewissen vom Euangelio  vnd von Christo auff menschen werck verfuret würden

 

 9 Das sie das ablas hoher lobeten denn alle gute werck der liebe

 

 10 Das sie der hailigen verdienst, als vbrig fur sie selbs, züm schatz  des ablas legten, als were Christus leiden nicht gnugsam zur vergebüng auch  aller sunden welchs aber mal den glaüben an Christum verderbet

 

[ 1 ymer o 4 über lauter gedicht steht vnd ist doc 5 das steht über des        tegliche c aus teglichen        iar c aus iars 6 Christi erfunden durch den teufel selbs 7 vmb c aus vmd        vnd vn (hinter dem n noch ein Aufstrich)        betrogen o 8 vnd kost dazu z. T. r nachgetragen 10 als —sonderlichs rh 11/12 vom —vnd o 13 gute o ]

 

 

 

[Seite 284a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 284b

 

 .11.Das sie zü letzt das ablas so hoch huben, das sie lereten, wenn  gleich yemand die mutter Gottes beschlaffen hette, so were es durchs ablas  vergeben

 

 .12.Das sie lereten, wenn der pfennig ynn den kasten klunge, so fure  die seele gen hymel

 

 .13.Das man nicht rew noch leide haben durfft, das ablas zu erlangen,  es were gnug das man itzt das gelt ein̂legte

 

 .14.Das S. Peter selbs n̂icht grosser gnade geben kunde denn das  ablas war,

 

 .15.Wo ist nu das ummesliche gelt, schatz vnd gut hinkomen, das durchs  ablas so lange her, gestolen [Bl. 9a] vnd so schendlich erworben ist?

 

Summa, Wer wil alle die grewel erzelen, die allein das ablas ynn  allen stifften, klostern, kirchen, kapellen klausen; altaren, bildern, tafeln, ia  fast ynn allen heusern und kamern, und wo nur gellt war, als ein rechter  gewaltiger abgot gestifft hat? Man müste von newen an die bucher lesen,  die bey zehen iaren da widder geschrieben sind. Nu sagt an lieben herrn,  An dieser vnaüssprechlicher dieberey und reuberey des gellts, und an solcher

 

[ 7 es o 14 kamern, als ein rechte 15 gewaltiger rh        abgot regierte 16 die vor ze 17 an der verf]

 

 

 

[Seite 285a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 285b

 vnbegreifflichen menge der verfüreten̂ hertzen vnd gewissen, vnd an solcher  aller erschrockenlicher grewlicher lugen vnd lesterüng, des leidens Christi, des  Euāgelij, der gn̂aden vnd Gottes selbs, so durchs ablas begangen ist, seid yhr  geistlichen alle sampt schüldig, nicht allein die yhr das gellt dauon habt  genomen, sondern auch die yhr still dazu geschwigen vnd solchem teüffels  wueten williglich zugesehen habt, Man sagt von auffrur, von kloster einnemen,  von Turcken, Ja was sind solche stuck alle sampt gegen euch ablas  kremer allein, wenn mans nur bedencken wolt? Es ist ein recht Turckisch  heer gewest gegen den rechten Christlichen glauben

 

Welcher ist aber vnter euch allen, der fur solch erschreckliche grewel, ye  ein mal busse gethan, ye ein mal geseüfftzet, odder ye ein auge nass gemacht  hette, Ja yhr wolt itzt, als die verstockten vnpusfertigen, nie kein vbels gethan  haben, kompt nu da|her gen Augsburg, vnd beredet vns, der heilige [Bl. 9b] geist  sey bey euch vnd werde durch euch (die yhr ewr lebtage nichts bey der Christenheit,  denn schaden gethan habt) grosse Ding aüsrichten vnd darnach flugs gen  himel furen, mit allen solchen vngebüsseten, dazu verteydingten greweln, als  muste er ewr fro werden, das yhr ewrm Gott Baüch so herrlich gedienet vnd  sein̂e kirche so iemerlich verwustet habt Darumb habt yhr auch kein gluck,

 

[ 2 lugen vnd rh 3 selbs, seyd yhr 7/8 gegen — kremer allein um 8/9 Es — glauben rh 11 mal (1.) steht über man 14 vnd werde vns ketzer verdammen 14/15 werde — flugs rh 17/18 das —habt rh]

 

 

 

[Seite 286a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 286b

 sollet auch keins mehr haben, yhr busset denn vnd bessert euch Wolan das  ist der laruen eine, Also stünd vnd gieng es ehe meine lere kam, ynn dem  stück, Das nu nicht mehr so stehet, ist schuld meines auffrürisschen Euangelii  Dem ablas folget billich der ander iar marck. Confessionalia gen̂an̂t

 

2 Von den Confessionalibus

Das waren die butter briefe, darinn der Bapst ver|kaufft freyheit, butter,  kese, milch, eyer, zu essen vnd macht gab ym hause messe zu horen,  vnd sich ynn verboten gelied zü verheyraten vnd einen beicht vater welen̂, so  offt er wolt, bey leben, vnd ynn todtes noten, von pein vnd schuld zu entbinden,  vnd der gleichen, Lieber, war das nicht auch ein lesterlicher iarmarckt  ynn aller wellt alles umbs gelt erfunden? Gerade als hette Gott  solche stucke alle, nicht vor hin durchs Euāgelion aller welt frey geschenckt  odder, als, hette es Gott verbotten, und sie weren die Risen, die Gottes gebot  mochten umb gellt verkeuffen., Das Euangelion muste nichts sein vnd Gott  muste yhr kauffmanschafft sein. Dise schinderey iarmarckt und lesterung ist

 

[ 1 denn rh 2 es fur meiner 5 Confessionalibus das ist von butter briefen 7 gab o 8 zü o 11 ynn — wellt rh 14 verkeuffen. Nein 15 schinderey r        vnd iarmarckt vnd rh]

 

 

 

[Seite 287a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 287b

 auch durchs auffrurische Euan | [Bl. Ca]gelion gestortzt. aber nu alles vergessen,  und ist kein bisschoff odder geistlich, dem es leid were [Bl. 10a]odder vergebunge  bedurffte für Gott, und hie war auch kein bisschoff noch Doctor, der solchs  hette gestrafft sondern alle geschwigen vnd bewilliget Wolan wir wollen  auch zusehen, ob Gott sich so wolle effen lassen wie sie meinen

 

·3· Von̂ der Beicht

Da sind ewr bucher noch vorhanden darinn yhr die beicht gesetzt vnd  gelert habt, Welche ich fur der grossesten plagen eine rechn̂e aüff  erden, damit yhr aller wellt gewissen verwirret, so viel seelen verzweiffeln  gemacht, vnd aller menschen glauben an Christo geschwecht vnd gedempfft  habt Denn yhr habt vns gar nichts vom trost der absolution gesagt, welche  das heubtstuck vnd das beste ynn der beicht ist, die auch den glauben vnd  vertrawen an Christo stercket, Sondern, ein werck habt yhr draus gemacht,  mit gepotten durch gewalt erzwungen von den vnwilligen hertzen, ewr tyranney  zu stercken Vnd darnach, en̂gsten, martern vnd geisseln lassen mit erzelung  aller sunden, das ist, mit vnmuglicher erbeit, ruge vnd fride des hertzen

 

[ 1 nu nicht        alles c aus allein        vergessen, sondern 3/4 vnd — bewilliget rh 9 yhr so viel (über viel steht noch, aber ausgewischt, vnd)        aller wellt rh        seelen rh 11 habt rh 14 durch gewalt rh 14/15 ewr — stercken rh 15 en̂gsten, steht über beschweren,]

 

 

 

[Seite 288a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 288b

 ewiglich, verstoret Wenn wolt yhr aber solche seelen alle her widder bringen  vnd den mordlichen, grundlosen schaden erstatten? Solche beicht hat mein  Euangelion auch zu recht bracht und die blöden gewissen widder gesterckt, Da  kein Bisschoff doctor, noch hohe schule ichts von gewüst, Vnd itzt widder rew  noch leide fur solchen iamer haben,

 

[Bl. 10b] 4 Von der busse

Das ist die grundsuppe vnd die helle selbst, Und wenn man euch alle  grewel vergeben und schen̂cken wollte, so kan man euch doch dis stucke  nimer mehr vergeben, Dis stucke hat die helle gefullet vnd das Reich Christi  grewlicher verstoret, denn der Turcke odder die gantze wellt ymer mehr thun  kan, Denn so habt yhr vns geleret, Das man solle durch vnser werck gnug  thun fur die sunde, auch gegen Gott Vnd das heisset die sün̂de gebusset.  Der rew vnd beicht, habt yhr n̂irgen̂t so viel gegeben, wie wol yhr auch werck  daraüs gemacht habt, Was ist nu das anders gesagt, dü müst fur deine  sunde gnugthun, denn so viel? Du must, Christüm verleugnen, dein tauffe

 

[ 1 ewiglich, rh        verstoret c aus verstoren 5 haben, Es were denn das die büsse [nun war ursprünglich hineinkorrigiert: were] das sie einen ehlichen pfaffen todten, [nun ursprünglich weiter: on o] vmb der ehe willen, Ehe das ist sunde Beicht marter ist ablas vnd gottes dienst 12 auch — Gott rh 14 müst fur steht über solt]

 

 

 

[Seite 289a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 289b

 widder ruffen, das Euangelion lestern, Gott lugen staffen, die vergebung der  sunden nicht gleüben, Christus blut und tod mit fussen tretten, den heiligen  geist schenden dürch dich selbs mit solchen tugenden gen himel fahren Ach,  wo sind hie züngen vnd stimmen, die hievon mugen gnugsam reden

 

Was ist nu solcher glaübe anders denn der Turcken vnd heiden vnd  Jüden glaube, welche allesampt auch wollen durch yhre werck gnug thün?  Wie ists aber muglich, das eine seele nicht verzweifele so sie kein andern̂ trost  hat widder die sunde denn yhre eigen werck? Dis alles kund yhr nicht leugnen  Ewr bucher sind vorhan̂den, Darin̂n nichts vom [Bl. 11a] glauben, wedder  ynn der beicht noch busse geleret wird, sondern eitel eigene werck, Noch ist  hie kein bisschoff noch geistlicher, der ein threnen liesse fur solche gressliche,  hellische lesterung Christi Sondern sind rein vnd sicher, Schelten vns die weil  auffrurer, und wurgen die ehepfaffen, auch widder yhr eigen recht, ergern sich,  das die Luterisschen sich nicht stellen als fasteten sie, wie sie thun noch platten

 

[ 2/3 den —schenden rh 3 mit —tugenden rh 4 sind steht über ist        reden steht über schreien        reden vnd zeter, mordio uder alle bisschoffe, Doctores vnd geistlichen schreien [nun rh: die hie still geschwigen haben ], Dis stuck ist mir zu weit vberlegen, 5 Was c aus Ab[er] 7 sie nicht 8 eigen o 10 eigene steht über gute 14 nicht —thun rh. Ursprünglich schrieb L.: nicht fasten, fügte dann rh hinzu: furgeben wie sie, noch, strich dann aber dies alles, auch noch, und mußte daher das vnd vor platten streichen und noch darübersetzen.]

 

 

 

[Seite 290a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 290b

 tragen, Vnd trotzen dem ewigen Gott noch dazu, vber alle yhr vmmenschliche  bosheit

 

Aus diesem grewel sind komen, vnd haben auch mussen draus komen  vnd ist kein weren, gewest, alle ander grewel, nemlich, so viel der kloster vnd  stifft eigen heiligkeit, mit yhrem Gotts dienst, Die opffer Messen, Fegfeür,  Vigilien, brüderschafften, walfarten, Ablas, fasten, heiligen dienst, heiligthum,  Poltergeister, vnd die gantze Procession des hellischen creützgangs,. Denn wie  ists anders muglich, wenn sich ein gewissen auff seine werck sol setzen vnd  bawen so sitzt es auff einem losen sande, der reitet vnd rieset ymer fort, vnd  mus werck suchen ymer eines nach dem andern, yhe lenger ye mehr, bis das  [eingeklebter Queroktavzettel 10c Rückseite] man zu letzt, den todten, Munchkappen  anzoch, darin̂n̂ sie solten gen himel faren, Lieber herr Gott, wie solten arme  gewissen thun? Sie musten auff werck bawen, darumb musten sie auch so  iemerlich suchen, vnd erhasschen, was sie sinden kündten, vnd ynn solche tieffe  torheit fallen

 

[ 4 gewest — grewel rh        der o 5 eigen heiligkeit o 8 sich hertz        ein gewissen rh 10 das auch hernach der gantz welltliche stand dadurch zerrissen vnd veracht worden ist, denn herr [steht, nicht mit durchgestrichen, über oberkeit, worauf ursprünglich noch rh vnterthan] Vater, mutter, son, tochter, knecht, magd, das [darüber, nicht durchgestrichen sein] sin̂d keine gute werck gewest, haben auch zur buße nicht mussen gehoren Also hat dis stucke, beyde Gottes vnd keisers reich, mit fussen getretten, Und [Bl. 11b] ein eigens daruber ertichtet, das weder dis noch das ist. Und sie selbs nicht wissen, was es ist, wie Moses [ursprünglich anderes Wort angefangen] sagt, das sie einen Gott ehren, den sie selbst n̂icht ken̂n̂en̂]

 

 

 

[Seite 291a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 291b

 

Vber das wurden durch solche schendliche lere alle rechtschaffene gute  werck, von Gott gestifft vnd geordenet, veracht vnd gar zu nichte gemacht,  als, oberherr, Vnterthan Vater, Mutter, son, tochter, knecht, Magd, Das  hiessen nicht gute werck, gehoreten auch nicht zur busse, Sondern hiessen ein  welltlich wesen ferlicher stand vnd verlorne werck, Also gar hat das stuck,  beyde Christlich vnd [Vorderseite] welltlich wesen mit fussen getretten, vnd widder  Gott noch dem keiser gegeben was yhn geburt. Sondern ein new vnd eigens  ertichtet, das widder dis noch das ist, Vnd sie selbst nicht wissen, was es ist,  weil kein Gottes wort dabey ist, wie Moses sagt, Das sie den Gottern dienen,  der sie doch nicht ken̂n̂en; Vnd das war auch nicht wunder, Denn man zu  der Zeit, auch dis Euangelion nicht anders wuste zu p̄digen, denn das man  draus lernen solte, exempel vnd gute werck, Vnd hat vnser nie keiner, ein  Euangelion gehert, das zu trost dem gewissen, zum glauben vnd trawen auff  Christum gezogen were, wie es doch billich sein solte, vnd wie es itzt Gott lob  widder gep̄digt wird, Vnd war also die wellt ym Euangelio, doch on Euangelio

 

[Bl. 11b] Das sie doch solch gnugthun fur die sunde hetten weislich vnterschieden,  nemlich also, Das es geschehe gegen den menschen nicht gegen Gott wie

 

[ 3 Magd, sein, 4 hiessen c aus hies 5 wesen vnd 6 wesen zer 10 der o 11 dis oder das c aus die 17 nicht —Gott rh]

 

 

 

[Seite 292a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 292b

 Christus Matt. 7. und 18. an zeigt, wie es vorzeiten auch die heiligen Veter  gebraucht, vnd die Christen, so gesündigt hatten, liessen dafür gnug thun, fur  der kirchen vnd den brudern wie es die wort mit bringen, das sie 2. 3. 7. mal  haben büsse auff gelegt &c. so were Christus doch blieben mit seinem gnugthun fur  vns ym himel, Aber hiemet weren die Gotts dienst ynn stifften und klostern  vnd ablas (wie droben gesagt) nicht auffkomen vnd were dem grossen Gott  Bauch, nicht so viel zü gangen, Darumb musten sie es ynn ein̂ander mengen  und zu letzt, allein fur Gott hin̂auff treiben̂, Wie wol dieser yrthum von  anfang der Christenheit, auch durch grosse leüte, als Origenes S Hierony,  S. Gregoriū, an̂gefochten hat, aber n̂icht so gar yns regiment vnd zu Gottes  stul komen, wie vnter dem Bapst geschehen. Denn dieser yrthum ist der Eltest  von anfan̂g der wellt gewest, wil aüch wol der iungst bleiben bis an der  wellt en̂de Wollen nu der selbigen erfolgeten ettliche stück erzelen̂

 

[ 1 an zeigt rh für am Anfang der nächsten Zeile leret 3/4 wie —&c. rh für auf dem anderen (linken) Rande gegenüber wie es die namen mit bringen 4 gnugthun ym 5 vnd o 6 vnd ablas o        grossen Gott rh 8 vnd steht über ia 9 Origenes rh 10 S. o 13 nu steht über aber        ettliche rh]

 

 

 

[Seite 293a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 293b

 

 

 

Erstlich von der kauff messe odder winckel Messe

Hie wisset yhr selbs, lieben herrn, welch einen schendlichen treudel vnd  iar marckt yhr aus dem Sacrament gemacht habt, Das ist ewr aller  gemein̂ hand [Bl. 12a] werck gewest, das yhr teglich ynn aller wellt, so viel  tausent messen vmb gellt gekaufft vnd verkaufft habt, eine vmb einen grosschen,  eine vmb acht pfennige, eine vmb sechs pfennige &c̄. Vnd hilfft hie kein entschüldigung  noch leugn̂en, Denn ob yhrs nicht einen kauffs handel habet  genennet, So wisset yhr doch, das ynn der that nichts anders, denn ein  kauffhandel gewest ist, Vmb gelt ists geschehen, Jst nicht gellt da gewest, so  sind die Messen nach blieben, Diese sunde ist allein̂ so grewlich, das nicht  wunder were, ob Gott hette alle welt lassen drüber zu Turcken werden odder  ynn abgründ versincken, Vnd meiner grossen verwunderung eine ist, das Gott  hat mugen so lange dulden, Es ist ein vnbegreiffliche gedult, wie wol der  zorn sich nicht geseumet hat. Wolan̂ das habt yhr gethan, und so ists  gestanden bey euch, ehe vnser Euangelion kam, durfft euch nicht so seer

 

[ 1 kauff steht über opffer 2 schendlichen ia 5 gekaufft vnd rh 6 Vnd ist 10 allein̂ rh 11 ob vns 12 ist o]

 

 

 

[Seite 294a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 294b

 schmucken, Es ist am tage so fast, das eüch selbs dazu mal da fur grewet vnd  liessets gleich wol gehen, vnd muste keine newigkeit heissen.

 

Jtzt wollen sich ewr gelerten pützen, vnd zihen alte Canones vnd veter  spruche erfur, das die Messe ein opffer bey yhn genennet sey. Pütz dich liebes  ketzlin, du darffts wol, Wenn du lange Canones vnd spruche furest, was  hilffts? wir reden hie von den kauff messen und winckel messen, Vnd die  Canones reden von der gemeinen odder coi̿canten Messen, [Bl. 12b] vnd treiben  dazu hefftig auffs Communiciern, Das thun die kauff messen nicht, Vnd  reymen sich mit der gemeine odder coi̿cant messen, gleich wie eine heymliche  pfaffen hüre mit einer frumen redlichen offentlichen braut So gar fein wissen  sie die Can̂ones zu furen, die hochgelerten. Und das noch viel feiner ist, Die  alten Can̂ones scheiden das opffern vnd coi̿ciern fein von ein̂ander, so mengen  sie es noch viel feiner ynn einander, Denn ym anfang der Christenheit, wenn  man messe halten wolt, hielten sie des alten gesetzes weise, vnd brachten die  Christen erstling, auff den altar, von allerley fruchten auch von milch, honnig,  epfel vnd birn &c. das opfferte deenn der priester, Wie Moses den Juden gebeüt,  Da het das ampt auch lange hernach ein opffer geheissen̂, Aber darnach gieng

 

[ 4 sey steht über sind        liebes rh 7 der gemeinen odder steht über hohe des volcks Messen Also stehen die schendlichen kauff messen vnd winckel 8 dazu o 9 In der sind die Grundstriche d nachgezogen        heymliche rh 10 frumen o 13 noch viel feiner rh 14 die c aus des 14/15 die Christen rh 15 erstling steht über primitias        von o        auch von rh 16 &c.. wie solchs Mose]

 

 

 

[Seite 295a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 295b

 das communiciern an, odder sacrament handeln, das heissen sie nicht opffern  sondern coi̿cieren, Aber vnser kauff messen machen ein opffern aus dem  sacrament vnd lassen das coiciern faren

 

Hie müs ich nu mit euch, lieben herrn̄ reden, die yhr schreyet, man  solle kein newigkeit zu lassen, Sagt mir, ist die kaüff messe nicht eine schendliche  newigkeit? Warumb habt yhr sie denn lassen auffkomen vnd schutzet  sie noch itzt? Ja wenn yhr hettet keine newigkeit zu lassen, Lieber, was vnd  wie viel wurde man doch itzt wol bey eüch finden, das ynn den alten Canonibus  vnd vetern stehet? Jnn eine nus schalen wolt ichs schier fassen, so doch da  gegen ewr newigkeit die wellt erfullet hat

 

[Bl. 13a] Jch wil wol mehr sagen, Was ist ewr kirchen stand fur unserm  Euangelio gewesen, denn eitel tegliche newigkeit, eine vber die ander, dazu mit  hauffen, wie eine wolkenbruch herein gerissen, Da hat einer .S. Annan auffgericht,  der .S. Christoffel, der .S. Georgen, der S Barber, der S Bastian,  der S Katherin, der wol xiiij nothelffer, Vnd wer wil allein solche newe  heiligen dienst erzelen? Sind dis nicht newigkeit? Wo waren da denn

 

[ 1 das heissen, 2. und 3. Buchstabe c aus ? heissen rh 2 kauff messen thun        opffern draus 2/3 aus dem sacrament rh 3 faren Also Dann: Ja lieber Hans, du must brillen auffsetzen, wenn du Canones bringen wilt, Sonst wirstu dich be... en 10 newigkeit schier u        erfullet hat steht unter nicht begreiffen kan 12 tegliche rh        ander c aus andern 15 solche newigkeit]

 

 

 

[Seite 296a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 296b

 

bisschoue vnd schreir, die solchs nicht solten zu lassen? Also weiter, Einer  richtet den rosenkrantz, der ander, die krone Marie, ihener, den Psalter Marie,  dieser zehen pater noster steinlin an den thüren, dieser .S Brigitten gebet der  dis gebet, ihener das gebet, vnd des on alle zal vnd mas vnd alle bucher  vol, Wo war hie ein bisschoff odder Doctor, der solche newigkeit doch hette  ein wenig schel angesehen?

 

Also mit den walfarten, da giengen teglich newe auff, zum Grymtal,  zür Eichen, Birn̂baum zü Regensburg vnd so viel vnser liebe frawen, Es  war schier kein kappelle odder altar, es wolt eine walfart daselbs auff gehen,  Vn̂d lieffen die leute, als weren sie toll, aus dem dienst vnd gehorsam, das

 

[ 1 zu lassen?        Danach sollte wohl eingeschoben werden, was jetzt am Rande durchgestrichen steht: wo stehts ynn den alten canoī 3 dieser zehen —thüren rh 5 vol o 6 ein wenig rh        angesehen? Nein 8 zü Regensburg rh 10 aus dem steht über vom]

[Seite 297a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 297b

 mans greiffen mocht, es were teuffels gespenst, noch schwigen bisschoffe vnd  kloster vnd hohen schulen stille, Vnd were unser Euāgelion nicht komen, so  were kein raum noch stet mehr zur walfart vbrig blieben, Vnd war das  nicht ein sonderlicher meisterlicher beschiss, mit vnsers [Bl. 13b] herrn Rock zu  Trier wie hernach dieselbige schendliche lugen ist offenbar worden, Was haben  alle lüterissche newigkeit gethan, gegen diesem einigen betrüg vnd schalckeit?  Aber hie war niemand, der newigkeit beschreien odder auch anzeigen kund,  Sondern der luther, der solch newigkeit anzeigt vnd strafft der bringt newes auff

 

Jtem wie teglich vnd mancherley vernewet sich wol das ablas allein?  wie mancher ley newe bruderschafften richten pfaffen vnd munche aüff, dürch  alle handwerck, durch aller heiligen namen? teglich verkaufften sie briefe der  bruderschafft vnd gaben yhr gute werck vnd heiliges leben vmb gellt, verkaufften  vigilien, iargezeiten, seel messen, mit gepreng vmb die bahr Ettliche  erfunden, gulden messe, ettlich, die funff messen, ettlich der vnd der art messe,

 

[ 3 Und war steht über War 5 wie es        Luther hat später mit anderer Tinte dieselbige lugen und dann auch noch schendliche hineinkorrigiert 8 Sondern steht über Aber 9 vnd mancherley o 10 newe o 14 der (2.) o]

 

 

 

[Seite 298a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 298b

 die auch keine zal hatten Dauon doch freylich nichts bey den altern Vetern  funden wird, Jch wil hie schweigen des heiligthumbs, Hilff Gott, wie gieng  da newes vber newes, vnd darunter solch, grobe, greiffliche lugen vom heiligen  creutz, von viel gantzen corper einerley heiligen von vielen fingern, eines einigen  heiligen, bis das man S Franciscus nidderwad auch ehret, vnd frawen har  fur S katherin har, Sümma es war hie kein ende [Bl. D a] noch mas, , Das yhr  selbst ein gelechter zu letzt draus machtet, noch giengs vngestrafft dahin, vnd  kein̂ bischoff, sahe hie ettwas newes

 

Wenn ich aber solt auff die Cantzel vnd predig stul komen, da wurd  es erst, recht grundlos werden [Bl. 16a] Da predigen die munch teglich yhr  newe gesicht, trewme vnd gedancken, newe wunder vnd exempel, vnd des auch  kein̂e masse. [Bl. 14b] Es war schier kein munch, wenn er zwey odder drey  iar ein prediger gewest war, so macht er ein new sermon buch das muste  denn eine zeitlang den p̄digstuel regieren, Vnd ward die weltsolcher bucher  vol, Vnd war doch nichts drin̂n̂en von Christo vnd dem glauben, sondern

 

[ 2 Hilff c aus Hilfft 4 viel o 5 man hew ehret, vnd hew        har o 6 war hie steht über ist        Das vn 7 selbst vm 9 Vor Wenn links r Hie mit 10 Nach werden r das Zeichen  Links darunter: Verte foliū Das Zeichen kehrt wieder Bl. 16a oben links r 12 masse. Die Doctores ynn den hohen schulen hatten sonst nichts zu thun. denn new opiniones zu [zu o] erdencken, Vnd es hette [ hette steht über were] einer nicht wol mit ehren [wol mit ehren rh] ein Doctor konnen sein [konnen sein u. davor noch ein vorher durchgestrichenes mit steht über gewest], der nicht was newes hette auff gebracht Das muste denn hernach auff die Cantzel [Das —Cantzel rh] Dafür is durch das Zeichen  auf Bl. 14b verwiesen. 13 buch Vnd 15 Vnd steht über Noch s        doch o]

 

 

 

[Seite 299a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 299b

 alles von vnsern wercken, verdienst vnd andacht, mit viel falschen schendlichen  exempeln, Wenn sie aber yhr bestes drinn thetten, So war es von den heiligen  anzuruffen, vnd yhrs ordens ia nicht vergessen. bis das sie das heilige, edle  mensch die iungfraw Maria, aller wellt furbildeten als eine mitlerin der  armen sunder, auch gegen yhrem son Christo selbs Denn wir wissen alle  mitein̂ander, Vnd ich bin so wol drinnen gesteckt alls alle ander, das wir  Mariam schlecht an Christus stat vnd ampt zu halten gelert waren, Hielten  Christū fur vnsern zornigen Richter, vnd Maria fur vnsern gnadenstuel, da  hin all vnser trost vnd zuflucht stünd, so wir anders nicht verzweifeln wolten,  War das nicht eine grewliche newigkeit? Wo waren hie Bisschofe, die solche  newe lesterer und verrether Christi, strafften? die Christo sein ampt namen,  vnd gabens, Maria, die vns lereten von Christo fliehen vnd vns fur yhm  furchten als fur dem stock meister vnd vnser zuuersicht, die wir yhm schuldig  sind als den rechten Gotts dienst, anders wo hin keren, Eitel abgotterey haben  wie von [Bl. 14a] den verrethern gelernt

 

[ 1 alles rh 5 yhrem son rh 11 newe o 12 vns (2.) o 13 als —stock meister rh wir ge        schuldig c aus schudig 14 als — Gotts dienst rh 15 von darunter rechts r: den verrethern verte zu ruck]

 

 

 

[Seite 300a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 300b

 

Da zu holffen die Doctores ynn den hohen schulen, die sonst nichts  zuthun hatten, denn new opiniones, einer vber den andern, zu erdencken,  Vnd es hette einer nicht mit sonderlichen ehren mugen Doctor sein̂, wer nicht  ettwas newes hette auffbracht, yhr bestes aber war, das sie die heilige schrifft  verachten vnd vnter der ban̂ck liegen liessen Was Biblia, Biblia? sprachen  sie, Biblia ist ein ketzer buch Man müs die Doctores lesen, Da find man  es, Jch weis, das ich hie nicht liege, Denn ich bin ia unter yhn auffgewachsen,  hab solchs alles von yhn gesehen vnd gehoret, Scotus schreibt, das man aüs  der schrifft nicht beweisen kan, diesen artickel, descendit ad inferos, Occam,  mein lieber Meister, schreibt, das man aus der schrifft nicht beweisen muge,  Das einem menschen zum guten werck, Gottes gnade, not sey, Das sind die  besten zween, Was solten die andern thün? Vber diese alle gehet, Thomas  Aquinas, lerer aller lerer (sagen anders die Prediger münche recht) der sagt  frey, Das Munch werden sey gleich so viel, als getaufft werden, So sol man

 

[ 3 mugen ein 4 yhr steht über das        bestes c aus beste 5 vnd —liessen rh 6 Biblia — buch rh 11 gnade c aus gnaden 12 zween rh 12 /301,2 Vber —Bisschouen unten nachgetragen]

 

 

 

[Seite 301a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 301b

 Christus blut vnd sterben ehren, Noch ist das kein newigkeit, vnd er ist dazü  Canonisiert vom Bapst vnd allen Bisschouen Summa es war iamer vnd  hertzeleid mit predigen vnd leren Noch schwigen alle bisschoue still vnd sahen  nichts newes, die doch itzt eine newe mucken ynn der sonnen sehen kon̂n̂en̂,  [Bl. 16a] Vnd stünd also alle ding so must vnd wilde, fur eitel vneinigem  leren, vnd seltzamen newen opinion, das niemand mehr wissen kund, was  gewis odder vngewis was ein Christ odder vnchrist were, Da lag die alte  lere vom glauben Chr̄ī, von der liebe, vom gebet, vom Creutz, vom trost  ynn trubsaln gar darnider, Ja es war kein̂ Doctor ynn aller welt der  den gan̂tzen Catechismum das ist das vater vnser zehen gebot vnd glauben  gewust hette, Schweige, das sie yhn solten verstehen vnd leren, wie er den̂n̂  itzt (Gott lob) geleret vnd gelern̂t wird, auch von Jungen kindern des  beruffe ich mich auff alle yhre bucher, beide Theologen vnd Juristen, Wird  man ein stuck des Catechismi draus recht lernen konnen, so wil ich mich redern  vnd edern lassen̂ Noch muste dort nichts newes sein, dis aber mus newe sein̂

 

[ 1 er o 4 newe o        kon̂n̂en̂, Daneben mit kleinerer Schrift Sequitur Vnd stund [bezieht sich auf Bl. 16a] 6 mehr gewis 7 vngewis war, da        were c aus wer 9 ynn trubsaln o        Ja steht über Ja        war schier o nicht 10 den c aus da        gan̂tzen steht über Cate        Catechismum auch schier nach dem text hin        das vater —glauben rh 11 sie es den̂n̂ o 12 auch —kindern rh 12/15 des —lassen̂ rh 15 sein, vnd        sein̂ <Jch mus euch, lieben herrn, ettwas heimlichs ynn ein ohr sagen, [Nun ursprünglich, aber vorher durchgestrichen: Mit] Es sind ettliche [o] ewrs teils hier in̂n warlich [r] zu grob vnd vnuerschampt, das man̂s an der wan̂d mus greiffen, die mein̂en, Es musse da bey bleiben ynn aller wellt wenn sie ettwas new heissen, so musse es new sein [so –sein rh], Wenn sie es aber nicht new heissen, so musse es nicht new sein Gott [c aus Gotth?] gebe, Es sey odder sey nicht also. [die mein̂en —also steht über und unter Denn so yhr solche erzelete [rh] grewel bergen vnd [bergen vnd o] schmucken vnd vns schelten, als die newigkeit auffbringen, So wird mans mercken, das yhr der meynung seit [steht über seit] [Nun ursprünglich, aber im 2. Stadium durchgestrichen: Was] [16b] new [steht über Newigkeit] solle heissen, was yhr wollet, Was yhr aber wollet sol allt heissen Gott gebe es sey also odder nicht [Gott —nicht rh]] Jch bitte aber, [o] gehet des handels abe, Denn das wurde zu letzt schal aus vnd kal abe gehen, Ewr gelerten, die solchs hoch [rh] treiben vnd viel dauon [rh] schreiben, machen ewr sachen damit nicht besser [steht neben gut ] denn yhr habt eine bose sache [denn —sache rh] Vnd were euch not vnd gut, das yhr sie hiesset stille schweigen denn sie [c aus die] sind dieser sachen viel [o] zu gering Vnd wollet bedencken, Sollts dahin komen, das dieser reichstag an ende abgienge, Vnd wir solchen schreier solten antworten (als wir thun musten) So wurden wir die sachen von anfang new angreiffen, Vnd euch also malen, vnd den schreiern, die Canones also an̂streichen, das es must gut gemacht heissen Denn wir haben auch Canones gelesen, Vnd euch allen zu gut wolt ich das man mich ia nicht zwinge ein Doctor Canonist zu werden vnd lies mich ein Doctor Theologus bleiben> Dafür ist durch das Zeichen  auf das verwiesen, was in der Hs. Bl. 15b steht, s. o.]

 

 

 

[Seite 302a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 302b

 

[Bl. 15b] Ja sprichstu, Diese stuck sind nu angenomen vnd ym teglichen  brauch, Aber dein̂es ist gar new,        Lieber sage mir wie allt ist wol.  S. An̂nen Abgott? Wie allt ist der Rosen Crantz, die Marien kron̂e? Wie  allt sin̂d die Barfussen Pater noster stein̂e, an den thuren vnd thoren vnd  ynn allen win̂ckeln Wie allt ist die walfart gen Grimtal, Regenspurg, der  Rock zu Trier, vnd der gleichen viel mehr, waren sie nicht new für x, xx,  xxxx iaren? Wer hielt aber da zu mal widder die newigkeit So lasse mein  Eüan̂gelion doch auch so lange lauffen, was gillts, Es sol aüch allt werden,

 

Ja dein new Euangelion ist wol recht, aber es hat eine sonderliche  newigkeit an sich, die nicht leydlich ist, Welche ist die? Ey es thüt schaden

 

[ 3 Abgott steht über Gottsdienst Dann: Jch        die o 5 die —gen rh 6/7 waren —newigkeit rh 9/10 ist —Ey es rh 10 an sich –leydlich ist steht über und unter die ist le]

 

 

 

[Seite 303a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 303b

 ym beutel vnd ynn der kirchen sagen die Tümherrn zu Magdeburg, Das laut,  sprach ihen̂er knecht, Das were doch ein mal gut deüdsch, das kün̂nd man verstehen,  Hette ich das vorgewust, Warumb verlieren wir denn bis her so viel  wort? Wolan, so wollen̂ wir hie ym heimlichen Concilio schliessen, Das  newe lere heisse, was ym beutel vnd kuchen schaden thut, Alte lere heisse,  was den beutel vnd küchen fullet, o lieber, n̂u schreibe vnd siegel zu, wir  wollen̂s aüff den Reichstag gen̂ Aügsburg schicken vnd hören, was die herrn  dazü sagen

 

[Fortsetzung Bl. 16b] Gott weis, das ich euch solchs zu vnehren nicht sage  Mir ist an ewrem verderben nichts geholffen Jch wolt lieber, es stunde  besser umb euch Aber das kon̂t yhr selbs wol bedencken, wo yhr solche  grewel vergessen wollet, dazü euch noch schmucken und putzen, So werden leute  vorhanden sein, die es nicht vergessen Vnd werden villeicht vnsauber gnug  dauon handeln Denn solcher vnuerschampter freuel ist nicht zu leiden, das  newigkeit heissen muste, was yhr wollet, Was yhr aber nicht wollet muste  nicht newigkeit heissen, zu vnterdrucken die warheit widder ewr eigen gewissen,

 

[ 1 sagen steht über wie        Magdeburg sagen viel 2 knecht, das kund man Deutsch [c aus ist] ist ein 3 Hette —vorgewust rh 4 ym o 6 n̂u rh 7 Reichstag         gen̂ rh 9 Vor Gott: Denn das        solchs c aus? 10/11 Mir —euch rh 12 dazü o        noch o leute f 13 werden c aus werdens 14/304,2 Denn —vorhin rh]

 

 

 

[Seite 304a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 304b

 Darüber wurden wir widder zum anfang der sachen komen, vnd her nach  erger mit euch werden, denn vorhin Wie wol es erschrecklich ist, das man  fur nimpt, solchen iamer zu bergen vnd sich daruber noch rechtfertigen, vnd  andere lestern vnd verfolgen, Das wil ein zeichen sein, ein̂s verstockten vnpusfertigen  hertzen, vnd das yhr bald zu grund gehen [Bl. 17a] musset, Sintemal  kein̂ sunde Gott hoher beleidigt vnd verdreüsst, denn so man offentliche bosheit  leügnen, schmucken vnd bergen wil, wie Kain vnd Saul thetten Nicht so,  lieben herrn, thut nicht so, ewr doch ettliche, gebt Gott die ehr, bekennet das  yhr, ynn solchen stucken vbel gethan habt, demutigt euch, so wird er euch  erhohen, bittet, so wird ers eüch vergeben, bessert euch, so wird er euch helffen̂

 

Werdet yhr aber euch nicht demutigen, sondern solche stucke, wollen  vergraben, geschwigen vngebusset vnd vngestrafft haben, Vnd daruber die  armen Lutherisschen noch verfolgen vnd ynn synn nemen sie zu dempffen̂,  Wolan, da wollen wir euch zu sehen, Gehet eine plage vber eüch, als nicht  anders sein kan, so gedenckt daran, das yhr gnügsam gewarnet seit gewesen,  yhr solt die ersten nicht werden, die Gott vberpochen, das weis ich fur war,  Jch meine es ia hertzlich vnd trewlich, ob ich doch ewr ettliche mocht bewegen,

 

[ 1 Darüber c aus Darumb 2 erschrecklich gnug 4 vnd verfolgen o 4/5 vnpussertigen c aus vnpussertigem 5 Sintemal steht über Denn 8 doch ewr um        ehr c aus ehre 12 die arm und Anfang von e 13 noch o        sie rh 14 Gehet denn 15 daran steht über denn        gnügsam o        gewesen, Denn 17 bewegen steht über erretten]

 

 

 

[Seite 305a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 305b

 Weil ich hoffe, das noch ettwa ein Lot odder zwene ynn ewer Sodoma sind,  Die andern so vnbussertig bleiben, sollen nicht allein solche grewel nicht  erkennen, damit sie doch mehr denn tausent mal den tod verdienet haben,  sondern daruber auch die vnschuldigen (so solche laster vnd schande nicht  wollen loben) wurgen, ertrencken, hen̂cken verbrennen &c. wie sie denn  redlich thun

 

[Bl. 17b] Es wil mir itzt zü viel dinges zufallen, Jch wil widder auff  die winckel messen komen Vnd die grewel die mir itzt hiebey einfallen, sparen,  bis ich sehe, wie yhr euch bessern odder eüch putzen vnd weisbernen wollet  auff diesem reichstage, So wollen wir denn komen mit ewr rechten farbe,  vnd euch proficiat bieten, ob Gott wil        Von dem iar marckt der kauff  Messen sey dasmal gnug Nu wenn sie gleich nicht verkaufft, sondern auffs  beste vnd vmb Gottes willen gehalten ward, dennoch leret vnd hieltet yhr sie  fur ein opffer vnd werck, damit man, Gott dienet, vnd beyde für vn̂s vnd  andere, sie weren lebend odder tod, die sünde, gnugthet, vnd das aller meiste

 

[ 1 ein Lott 3 mal den o 7 wil steht über wollen        itzt steht über der grewel dinges o        Jch wil 7 kauff rh 8 die kauff und Anfang von m        hiebey rh 9 euch —odder rh 10 diesem steht über dem 12 gnug angezeigt 13 sie o]

 

 

 

[Seite 306a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 306b

 fur die todten̂, wie wir alle wissen, das die Messe schier gar fur die todten  widder das fegfewr streiten must Mein weybisschoff, da er mich zum Pfaffen  macht vnd den kelch ynn die hand gab, sprach ia nicht anders denn also.  Accipe potestatem sacrificandi pro viuis & mortuis, das vns da die erde  nicht beide verschlan̂g, das war vnrecht vnd allzu grosse Gottes gedült Die  lebendigen hatten das dauon, das sie gleubten, wer des tages eine messe sehe,  der were genesen, sicher vnd selig, dis war der beste vnd gemeineste braüch  der messen̂, Das kont yhr nicht leugnen, fragt drümb alle kauffleüte vnd  was vber felt zihen muste vnd alle frume burger vnd burgerin ynn stedten,  zum wenigsten von der Rorate Messe.

 

Jst das nicht eine schreckliche newigkeit? Sagen nicht ewr alte Canones  Apostolorüm, Niemand solle bey der Messe sein, der nicht coīcieren odder das  Sacrament nicht mit empfahen wil, Hatts nicht Christus eingesetzt zu empfahen,  vnd sein da bey zu [Bl. 18a] gedencken den glauben an yhn zu stercken  da er spricht, Solchs thut zu meinem gedechtnis Jhr aber schweigt solchs  gedechtnis lasst sie es nicht thun noch empfahen leret vnd vermanet nicht

 

[ 1 todten̂ vnd 2/5 Mein —gedült rh 3 hand o 4 das wir 5 vnd —gedült nachgetragen 8 drümb rh 11 schreckliche steht über grosse 12 /13 das Sacrament c aus des Sacraments 13 nicht (1.) br[auchen?] 14/15 den —gedechtnis rh 16 lasst —empfahen rh]

 

 

 

[Seite 307a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 307b

 zum glauben, wie es chr9 eingesetzt hat, lassets damit bestrichen sein, das der  beysteher, habe die Messe gesehen, die yhr die weil heimlich opffert, Vnd lasst  also dem armen zuseher, die lugen vnd falsche zuuersicht ym hertzen bleiben,  als hab er wol gethan, mit seinem zusehen, vnd nichts vberal des sacraments  widder leiblich noch geistlich geneusst, wie es doch Christus haben wil vnd  seine Apostel nach yhm, Jch sages noch, Jhr klagt das man euch stifft vnd  kloster guter nimpt, Man solt vmb solchs grewels vnd lesterlichen misbrauchs  willen der Messen, mit stifften vnd klostern vmb gehen, wie Josias der konig  Juda mit den Altaren zu Bethel vmbgieng, das nicht ein stein auff dem  andern bliebe, das were billich vnd recht, wo yhr euch hier in̂n̂ nicht bessern  wollet

 

Jhr schreiet, Was ist doch gutes aus der newen lere des Luthers komen?  Jch mus euch widder fragen, Sagt mir, Was ist auch guttes bey eüch blieben?  Nicht ein stuck habt yhr vnüerderbt gelassen Die Messe, vnsern einigen hohesten  schatz, habt yhr (wie gehoret) mit vnzeligen abgottereien vnd grewelen zu schanden  gemacht, vnd den rechten Christlichen brauch mit fussen zutretten, den glauben  verstoret, vnd das wort geschwigen [Bl. 18b] Die tauffe ist bey den kindern

 

[ 2 die (2.) steht über vnd        yhr hab sie        opffert c aus geopffert        opffert habet 3 lugen vnd rh 4 als hab steht über das        gethan habe        seinem c aus seiner. Dann andacht 6 euch c aus ewrn 13 auch o 14 gelassen c aus lassen        lassen vnüerderbt um 15 abgottereien vnd rh]

 

 

 

[Seite 308a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 308b

 blieben wie wol vngeschickt vnd vnvleissig gnug, Aber so bald das kind  erwachsen ist vnd zur vernunfft komen, habt yhrs flugs erwurget erger denn  der Turke thut vnd yhm die tauffe widder genomen, dürch ewre leidige, busse  vnd werck lere, dadurch es lernet, seine tauffe, als durch sunde nu verloren vnd  zu nicht worden, zu verachten, vnd hinfurt durch seine eigen werck die seligkeit  zü suchen, gerade als were die tauffe ein vergenglich menschen werck gewesen,  gleich wie die widerteuffer leren, vnd nicht ein ewiger bund | [bl. D 4b] Gottes  Sagt mir hie, was ist güts bey euch blieben, Jch wil schweigen was gutts  draus komen sey? So wir auch vnser tauffe, sacrament, Euangelion, glauben,  vnd Christum fur euch nicht haben konnen behalten, Denn yhr nichts rechts,  sondern alles widder die tauffe, sacrament, busse gelert habet, das ist am tage

 

Vnter dem Turcken ist doch das Vorteil, das wenn yemand getaufft ist,  so leret man yhn̂ ia nicht widder seine tauffe, son̂dern das bose Turckische  wesen vnd exempel ist ferlich vnd ergerlich, Vnd ob man gleich widder die  tauffe lerete, so ist gut widder zu stehen weil der Turcke kein Christ vnd bey  eym Christen mit seiner lere veracht ist. Aber hie bey euch ist nicht allein  das exempel vnd wesen ferlich, Sondern yhr leret auch da widder, vnd sturmet

 

[ 1 blieben o 2 ist o        komen rh 2/3 erger —thut rh 4 sunde ve 5 seine rh 6 die tauffe steht über sie 6/7 gerade —Gottes oben rh statt links rh: gerade als were sie ein [nun nachgetragen: vergenglich menschen] werck gewesen vnd nicht ein ewiger bund Gottes, 9 ? c aus, 12 das (1.) c aus d ..? 13 yhn̂ ia steht über doch        son̂dern steht über allein 14 wesen vnd o 17/309, 1 vnd sturmet —da widder a rh]

 

 

 

[Seite 309a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 309b

 mit worten vnd wercken da widder vnd thut das vnter dem namen Christi,  als die lieben Veter der seelen vnd freunde der tauffe, das schneit, wie ein  scharffes scher messer, wie der Psalm sagt, Welchs klagt auch .S. Peter vber  euch .2. Pet. 2. Sie reden [Bl. 19a] prechtige wort, da doch nichts hinder ist,  vnd reitzen durch vn̂zucht zur fleischlichen lust. die ien̂igen, die RECHT ENTRVNNEN  waren, vnd nu ym yrthum wandeln müssen &c̄.. Das gut aber so  aus meiner lere komen ist, ist, das solche ewr grewel vnd lesterüng alle  an tag bracht vnd verdampt sind welchs allzu viel vnd gros gut ist, Wie  wol noch viel mehr guts teglich draus komet, wie folgen wird, Bey eüch aber  ist alles gut verderbet, vnd nichts blieben̂ | [Bl. Ea]

 

Vom Bann

Da wisset yhr auffs erst den grossen raub vnd freuel, das yhr den grossen  ban̂n̂, genant Excoicāt̄īō Maior, (welcher doch der welltlichen oberkeit  zu stehet) zu euch gerissen habt, bis das Bepste sich auch vnterstanden, keiser,  konige vnd fursten ab zu setzen vnd sich selbs welltliche keiser zu machen  Lasst euch sagen, lieben herrn, das ist nicht recht, Ewr ban̂n̂ sol der klein̂e  heissen, der nicht die wellt, sondern den himel zuschleusst vnd von der Christenheit  vnd sacrament sondert, wie Chr9 Matth. 18. spricht, Hallt yhn wie einen

 

[ 2 der seelen rh        das ist das ..? 4 prechtige steht über stoltze 8 sind vnd viel gut 9 wol es        noch nicht 15 welltliche c aus welltlichen]

 

 

 

[Seite 310a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 310b

 heiden &c̄. Vnd .S. Paulus .1. Cor. 5. Was gehen mich an die draussen  sind &c̄. Wenn andere stück solten gebessert werden, so muste man dis auch  bessern, Denn Gott gefellet kein opffer odder dienst, so vom raube kompt, wie  Jsaias sagt

 

[Bl. 19b] Vber das ist der brauch des bannes vnd sol der sein, das man  die offentlichen later strafft als raub ehebruch, hürerey, mord, hass, wucher,  seufferey, item ketzerey, lesterung vnd der gleichen, wie vnser herr Christus  leret Matt 18. das der bann solle gehen vber die, so der kirchen odder seiner  gemeine nicht gehorchen wollen So leret die kirche ia n̂icht anders denn  Gottes wort &c̄. Nu sagt an, was ist güts vnd allts vom bann bey euch  blieben? Was ist hie nicht newer schedlicher misbreuche auffkomen? Jch wil  schweigen, das yhr vnschuldige frume leute fur ketzer verbannet, verflucht,  verdampt vnd erwurgt habt, der bann ist nirgent zugebraucht, denn das man  zinse vnd schuld hat dadurch eingemanet, vnd manchen iamer vber arme leute  angericht, Denn was die buben, Official vnd Commissarien hie fur mutwillen  geubt, das wisset yhr zum teile vnd wir wollen hernach, (wo yhr aüff  diesem reichtag nicht dazu thut) euch solcher tugent einen kalender stellen,

 

[ 5 bannes der        das man steht über der 6 raub rh        mord, h        wucher seu 7 seufferey, lu ? 9 So c aus Die 11 schedlicher rh 12 fur steht über als 13 habt, da ist allein 15 hie Grundstriche in h und e teilweise mit dunklerer Tinte nachgezogen 16 wollen c aus wollens]

 

 

 

[Seite 311a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 311b

 das yhrs greiffen sollet, das wir ewrenn misbrauch hierinn verstanden haben,  vnd der gantzen wellt anzeigen

 

Aber an dem ort, da der Bann solte seine rechte macht vnd braüch  haben, da ist er gar ein lauter ablas vnd eitel segen gewest, hat gar [Bl. 20a]  hat gar nichts sch        mugen, nemlich bey den bisschouen, tumherrn, ia  auch bey den den Bepsten vnd Cardinelen selbs, Hie wolt ich gerne einen  Canonisten Doctor horen, der mir wolt anzeigen, wie viel mal, nach den  Canonibus vnd geistlichen rechten, der Bapst Cardinal Bisschoffe, pfaffen,  stifft, vnd klostern der Simoney vnd ander vntugent halben ym bann verdampt  vnd verflücht sin̂d, Wer hellt sie aber bennissch? Die Declaration  stehet bey yhn Vnd heisst also Jm bann ist, wen wir wollen drinnen haben,  Wen wir nicht wollen drinnen haben der ist nicht ym ban̂n, So faret fort,  lieben herrn̄, Wenn ewr wille sol das recht, hassen, so kan auch die Christenheit,  wol solcher Bisschoue vnd Bepste geraten

 

Und ich wolt gern wissen, wo fur man doch euch halten solt, Christen  wolt yhr nicht sein̂ Denn yhr wolt Christus wort vnd ordnūg nicht leiden,

 

[ 3 Aber da 4 vnd se 5 tumherrn, Cardinel 7 horen, wie        wolt steht über kund 8 Canonibus vnd rh 9 der steht über vnd        ander steht über aller        halben rh        ym bann stand ursprünglich hinter klostern 10 vnd rh verflücht vnd ver 11 also W 12 der ich 13 auch o 14 geraten on das mirs leid ist fur vnsern hern Christum vnd die heiligen Veter, das sie nicht gewust haben, das yhr aus mutwillen on recht so wol regieren kund, vnd haben so vergeben muhe gehabt, mit leren vnd recht setzen]

 

 

 

[Seite 312a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 312b

 So wolt yhr Bepstisch auch nicht sein Denn yhr wolt die Canones vnd  geistlichen recht, viel weniger halten, als sie denn auch viel schwerer zu halten  sind, denn das Euangelion Jst aber das nicht ein seltzam new zeitung. das  Bepstissche wollen nicht Bepstissch sein, vnd geben sich doch fur Bepstissche aus  Wollen der kirchen guter vnd regiment haben allein zu yhrem mutwillen,  vnd nicht zu nutz der kirchen, das sind vngereympte sachen Wolan so seid  Epicurisch vnd Turckisch ymer hin, das [Bl. 20b] seid yhr doch gewislich, Aber  weil yhr denn ia Epicurisch seid, vnd doch so kleglich itzt schreiet, das man  die kloster vnd stifft guter so rappet, mus ich der halben mit euch ein heimlich  freundlich gesprech halten

 

War ists, Gefellet mir aüch nicht, das man solche guter so zu reisst  vnd zu strewet wie wol die Vn̂lütherisschen am aller meisten solchs thun,  auch mehr dauon haben, denn die so man Lutherissch schilt, wie das wol zu  beweisen ist, Vnd sonderlich gefellt mirs vbel, wo es bose buben kriegen, (wie  ich wol weis), die es nicht verdienen, Denn welche erbeiten vnd trewlich dien̂en,  da wil ich kein gewissen machen, ob denen ettwas dauon wird, Aber darauff  wolt ich mir gern antworten lassen, weil offenbar sind zweyerley stifft diebe  vnd kloster reuber, welchs doch vnter diesen beiden die ergesten billich solten

 

[ 5/6 Wollen —sachen rh 6 sachen steht über fur nemen 7 ymer hin steht unter des teufels namen        Aber steht über Und 9 heimlich rh 11 vor War: Es ist 17 diebe o 18 vnter —beiden rh        ergesten mochten        solten o]

 

 

 

[Seite 313a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 313b

 genennet werden Als ettliche eüsserliche, ettliche ynnerliche, Die Eüsserlichen  sind die bosen vnd vn wirdigen, wie droben gesagt. Die ynnerlichen sind,  die Bisschoue Tumherrn, Munche selbs, die drinnen sitzen̄, nemlich, die solche  guter, zu aller vntugent vnd vnzucht missebrauchen, vnd yhren gestifften stand  vnuerschampt vber tretten, vnd grosse summen, gen Rom noch grössern buben,  dauon schicken, vnd die stifft damit so schendlich plün̂dern

 

[Bl. 21a] Meinstu nicht, die keiser, könige, fursten vnd herrn̄ die solche  bisthümb vnd kloster gestifft haben, wenn sie hetten damit wollen, hurheuser  odder den Romern raub kirchen stifften, sie weren wol so vernǖfftig gewest,  das sie sich anders dazu gestellet hetten vnd yhr gellt vnd gut, nicht hurn  vnd buben noch Romischen dieben vnd reubern̄ zugeordent. Weil denn nu  ynn stifften vnd klostern solche gesellen sitzen, vnd solcher guter, die personen  gebrauchen, welche die stiffter nicht gemeinet noch gewolt haben, vnd sie also  widder yhren willen vnd stifftung, solchs ynne haben, lesterlich verzeren vnd  schen̂dlich zu bringen, vnd daruber ym bann vnd yrregulares auffs hohest  verflucht sind, So sage mir, welche die ergesten stifft reuber vnd kirchen  diebe sind? So wirstu den Bapst oben an sitzen sehen, sampt Cardinalen,  Bisschouen thumherrn, Ebten vnd Munchen, Denn sie halten vnd thun

 

[ 1 ettliche die 3 Bisschoue Bepste r 6 stifft also        schendlich b 7 solche stifft 8 bisthümb rh        damit o        hurheuser stifften 9 zu der Zeile Romern —vernǖff steht ein durchgestrichenes damit am Rande        kirchen rh 10 dazu s 11 zugeordent c aus zu ordenen 13 gebrauchen, die sie        welche die stiffter rh        sie o 14 haben, vnd 15 /16 vnd daruber —sind rh 16 stifft rh 18 Bisschouen vnd        vnd thun rh]

 

 

 

[Seite 314a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 314b

 nirgent das, darumb sie gestifftet sind sondern stracks das widderspiel, als  die vnsinnigen, nemen vnd brauchen gleich wol der guter, wie sie wollen, Ey  lieber, kanstu den splitter ynn eines andern auge sehen, vnd schreien vber  das zwacken der geistlichen guter, So must man dir die balcken ynn deinen  augen (die du nicht sehen wilt·) auch zeigen̄ kanstu eines sagen, So müstu  das ander auch horen auff das du wüstest, ander leute haben auch augen,  fulen auch, riechen auch, horen auch

 

[Bl. 22a] Wenn yhr nu furgebt, man solle euch das ewre nicht nemen,  freylich, sol man euch das ewre nicht nemen, Aber ich wolt gleich wol ewrs  geistlichen Rechts mit euch spielen, dasselbige vrteilt verbannet verflucht vnd  setzt euch abe, vnd spricht, Es sey nicht ewr, Deponatur heissts, Denn yhr  haltet nicht ewr stifft vnd recht vnd habt damit euch selbs abgesetzt darumb  habt yhr die guter nach ewrem eigen recht lengst verloren, habt sie aber bis  her, wie die verdampten reuber mit freuel ynnen gehabt. Denn solt man das  verbum Deponatur per omnes person̂as decliniern vnd Coniugirn, wo wolt,  Bapst. Cardinel, Bisschoff vnd Tumherrn [Bl. 22b] bleiben?, Es wurde gewis  ein verbum Jmpersonale draus werden, das kein Person behalten wurde,

 

[ 1/2 sondern —vnsinnigen rh 4 dir denn 5/6 kanstu —horen rh 7 horen auch vnd 8 vor Wenn das vor S. 315, 9 Niemand wiederholte Zeichen ÷÷÷; Wenn — S. 315, 8 neme hat Luther also nachträglich eingesetzt.        Wenn steht unter Un . . . s . . s        nu steht über aber 9 gleich wol o 10 verbannet verflucht rh 12 vnd habt — abgesetzt rh 13 verloren, vnd 14 verdampten o 15 Conuigirn, Teuffel]

 

 

 

[Seite 315a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 315b

 Dunckts euch aber billich, das man gedult mit euch habe, das yhr ewr recht  nicht haltet, So lassts euch widder umb auch billich duncken, das yhr gedult  mit den habt habt, die euch, als den vnpusfertigen Simonistern vnd verbanneten  reübern die guter nemen odder nicht folgen lassen̄ Weil sie doch hie  ewr eigen Recht haben, das heisst DeponatuR Also geschehe denn ewr beger,  das man euch das ewre liesse, das ist die hurerey vnd buberey, Aber was  nicht ewr ist, das ist die zinse vnd guter, nicht liesse, Sondern als den  Reubern vnd dieben widder neme

 

[Bl. 21b] Niemand wil ich hiemit verteydingt haben, Ein iglicher sehe  fur sich, aus was verdienst odder vrsachen er solche guter brauche, Allein ich  mache einen vnterscheid zwisschen der geistlichen gutern brauch widder die  schreier Vnd sage noch, Wenn denn ia der stifft vnd kloster guter, sollen  hinein gen Rom boslich geraübt, vnd heraussen, schendlich mit hurn vnd  buben verzeret werden, vnd der stiffter meinǖg so gar feylen so wolt ich noch  lieber, das sie die keiser, konige, fursten vnd herrn selbs heraussen behielten,  vnd legten sie besser an̂, Weil das gewis ist. das die stiffter haben wollen  damit versehen, frume zuchtige, Christliche personen, nicht die da stunden vnd

 

[ 2 haltet c aus halten 3 den (1.) herrn̄        die steht über das sie 3/4 Simonistern — reübern o 4 sie doch steht über yhr doch — und dann ging es ursprünglich weiter: kein recht habt das vns heisse gedult mit euch haben [Nun rh, aber gleichfalls durchgestrichen: denn yhr / vnd wolt das Euāgelion ia nicht leiden] sondern wir 5/8 Also — neme nachgetragen 11/12 widder die schreier rh 12 stifft guter 13 boslich rh        geraübt werden 14 vnd — feylen rh 15 heraussen o 16 vnd — an̂ rh 17 nach damit haben o 17/316, 1 nicht — da rh]

 

 

 

[Seite 316a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 316b

 bloken odder habich trugen sondern die da studierten lesen vnd betten, damit  man gelerte leute kund daraus nemen, zu Bisschouen, Pfarherrn Predigern,  Schulmeistern Can̂tzlern, schreibern &c. wie denn anfenglich vor zeiten geschehen  Nu sie aber solche ampt vnd werck lassen vnd verachten, ia spotten vnd verfolgens  dazu vnd sind ym bann vielfeltiglich So wolt ich nicht drumb weinen,  wenn sie auch den sold vnd zinse drüber verloren,, Es heisst Beneficium  propter officium, nicht aber beneficium p̱pter maleficium, Das leret ewr eigen  recht vnd straffts mit dem ban̂n̂ auffs aller grewlichst, vnd nen̂nets Simonias,

 

[Bl. 23a] Sage mir nü welcher Babst, bisschoff stifft odder kloster hat  bis her ye mals, rew vnd leide drumb gehabt, das sie solche officia haben

 

[ 1 In lesen der Anfangsbuchstabe undeutlich (c aus?), deshalb am Rande wiederholt 3 Schulmeistern vnd?        wie — geschehen rh 5 vnd — vielfeltiglich rh 6 drüber o        heisst officium 8 vnd (1.) — Simonias rh        Ursprünglich ging es nach recht weiter: Aber ewer eigen wille (.der an statt des rechts regieret.) der leret euch wie yhr itzt lebet vnd habt dazu lob vnd ehr segen vnd gnad [dazu extra durchgestrichen] an stat des bann̂es, proficiat vobis. Dann wurde das durchgestrichen und darüber geschrieben: Gefellt euch solchs nicht, wolan so . . . . . wem solche guter billicher sollen zu stehen was frag ich nach den gutern, wenn ich nur leute hette. Dann wurde auch das wieder durchgestrichen und endlich alles dicht durchkreuzt. 9 vor Sage Bl. 22b unten Wenn yhr nu gleich So findet sichs g wenn man den vnflat regt, das er ye scheüsslicher stinckt [Bl. 23a] das der splitter den balcken offenbart So fin        vor Sage das am Rande wiederholte Zeichen ¶        nü o        Babst, bisschoff rh]

 

 

 

[Seite 317a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 317b

 lassen vnter gehen, odder darnach getracht, das sie widder angericht wurden?  vnd haben dennoch solche beneficia gleichwol gebraucht vnd also daher gelebt,  zwiffeltige kirchen diebe vnd duppel kloster reuber, Denn sie nicht allein die  guter ynnen gehabt, welche doch auff ander personen sind gestifft, weder sie  sind, Sondern haben auch, der gantzen Christenheit, gestolen, geraubt vnd  gehindert, früme, gelerte, Christliche Bisschoue, Pfarher, Prediger vnd der  gleichen notige personen, der man nicht geraten kan, vnd sie doch haben sollen  geben, nach meinūg vnd willen der stiffter, Lieber die Stiffer haben nicht  die officia gemeinet, das du einen langen rock, korhembt, Platten tregst, odder  Caseln vnd geweyhete kleider anlegest, das konnen stock vnd steine auch wol  tragen, Sie haben leute wollen zihen, der Christenheit zu trost vnd heil,

 

Wenn yhr nu wollet hoch poltern, Man solle euch die stifft vnd kloster  widder gentzen vnd alles widder ümb ein reümen So sagt man euch billich,

 

[ 1vnter gehen, vnd den noc        wurden rh 2 haben rh        vnd (2.) habe 4 weder steht über denn 5 neben der mit haben anfangenden Zeile links am Rande durchgestrichen so vie [le?] 8 stiffter, sie        die Stiffter steht über sie 10 konnen holt 11 heil, Das sei gnug auff [dafür rh aber auch durchgestrichen fur] den splitter auff die balcken ge [ge versehentlich nicht durchgestrichen] 12 wollet steht über werdet 13 alles steht über nach        widder ümb rh        ein reümen steht über einsetzen]

 

 

 

[Seite 318a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 318b

 widder umb, Lieben herrn, gebt vnd gen̂tzet zuuor [Bl. 23b] widder ewrn zwifeltigen  raub, nemlich, personen vnd guter, Die personen habt yhr der Christen  heit geraubt, Die guter, den stifftern gestolen Gebt yhr solchs widder, das  die officia widder ynn schwan̂ck komen, Wolan so folgen euch billich die beneficia  denn es ligt der christenheit mehr an solchen p̱sonen weder an allen  gutern vnd herrligkeit der gantzen geistligkeit Wo nicht, so wirds nicht ein  feine rechnūg werden, das yhr allein die ausgabe wollet berechen vnd die ein  n̂ame verschlagen, Man must eüch anders rechen heissen, vnd besser auff die  feüst sehen, Jhr habt eingenomen, der herrn̄ guter, personen da mit zu halten  vnd zu zihen, Wo sind die selbigen? rechent her, Ja yhr seids die auch die  armen knaben schulen zurgehen lasset, das ia die Christenheit auff allen seiten  durch, euch zu grund verderbet werde allein das ewr Epicurische bauch wol stehe  Das wil ich darumb gesagt haben, das man sehe, was die splitterrichter dran

 

[ 4 komen, so 4/5 beneficia Sonst 5/6 denn — geistligkeit rh; ausserdem an einer anderen Stelle des Randes: denn es br 8 verschlagen, Nein        Man c aus man 9 feüst steht über hende 9/10 zu halten vnd rh 10/12 Ja — stehe rh 12 stehe steht hinter stunde]

 

 

 

[Seite 319a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 319b

 gewinnen, wenn sie yhren vnflat rütteln̂, Darumb denckt vnd bittet Gott,  das er euch helffe auff diesem Reichs tage, was güts schaffen, Die sachen sind  gros vnd schweer, vnd ligen leider tieff versenckt vnd verschlemmet, das  menschen krafft vnd witze hie nichts schaffen mag, Der bann ist ia not, Aber  herr Gott, Er mus nicht mucken seygen vnd kamel verschlin̂gen, Sonst wird  nichts draus

 

Die stücke von der bǔsse, Messe, tauffe glauben vnd wercken, hab ich  wol sorge, das sie bey euch zu hoch sin̂d, darumb ich [Bl. 24a] wenig hoffnūg  habe, das yhr ettwas rein̂es hie rin̂n schliessen werdet, Weil ewr gelerten  selbs nichts dauon verstehen, Und solche stucke on men schen zuthun, allein̂  durch Christum selbs vnd seinen heiligen geist erhalten vnd getrieben werden  mussen Denn auch, aus genomen das erste Concilium Act. 15., kaum eines  odder zwey dauon gehandelt haben, Darumb wil ich weiter bitten flehen vnd  vermanen, vmb die stucke, darinn man nicht sonderlihe erleuch tunge des  heiligen geists darfft, Sondern die bey allen Christen, begreifflich vnd gewis  sind, auch fast durch vernünfft mugen erken net werden Und erstlich

 

[ 2 diesem steht über dem 4 ia o 5 nicht fliegen fangen vnd 6 draus neue Zeile als Überschrift: Vom Ehelosen stan̂de 7 Messe gl Sacra[ment]        tauffe vnd 11 Christum se        selbs rh        geist erha 12 mussen c aus mus        mussen vnd so .... 13 odder zwey rh        bitten vnd 15 geists 16 fast mit der ver]

 

 

 

[Seite 320a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 320b

 

 

 

¶ Von beyder gestalt des Sacraments

Hie wisset yhr, ia wol, das die eine gestallt eine ergerliche newigkeit ist,  widder die klaren hel len wort Christi, vnd widder der gantzen Christenheit  alten, langen braüch, wie euch das alles durch viel schrifft ist gewaltiglich  angezeigt, Dennoch habt yhr grossen feinde aller newigkeit, nicht allein diese  lesterliche newigkeit, angenomen vnd gehalten sondern auch, mit grewlichem  wueten vnd ver folgen, aus lauter | [Bl. Fa] mut willen, verteydingt damit Gott  auffs hohest versucht, sein wort gelestert vnd verdampt, Gott gebe das yhrs wol  [Bl. 24b] busset, vnd ewren synn seinem wort vnterwerffet. yhr kondts mit keiner  schrifft erhalten, Sollt yhrs denn mit lauter freuel vnd gewalt widder die  schrifft erhalten das wird zu letzt nicht wol ausgehen, Vnd hilfft euch nichts,  des yhr fur wen̂det, Man solle nichts newes machen, noch ettwas endern,  Denn yhr habt gehoret, das dis stuck eine newigkeit ist, Vnd das yhrs seid,  die eitel newigkeit vnd enderūg ynn der Christenheit, on vnterlas habt auffbracht  Vnd Was nach Gottes wort geendert wird, das ist kein newerung, dem  sollen alle gewonheit weichen, wie gut sie sind, spricht ewr eigen recht,, So

 

[ 3 widder o 7 ver folgen, on sche 8 verdampt, wie E 10/11 widder die schrifft rh 12 fur wen̂det c aus fur wen̂den 15 ist steht am Rande vor ich        newerung, sond 16 recht, wo yhr, recht an nemen woltet]

 

 

 

[Seite 321a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 321b

 ist Gott vnd sein wort Ellter denn yhr seid, wird auch wol iünger vnd newer  sein, denn wir vnd yhr sind, Sintemal Es, ist ewig, darumb so sol es beide  alltes vnd newes endern, vnd regieren vnd sich widder von newen noch alten  endern odder regieren lassen

 

Jhr gebt fur, Man solle, on willigung der kirchen, nichts endern noch  newern, Wer ist denn die kirchen? Seid yhrs? So zeigt siegel vnd briefe,  odder beweisets sonst mit der that vnd fruchten, Warümb sind wirs nicht  auch, die wir so wol getaufft sind als yhr? leren, pre digen, haben die sacrament  gleuben, beten leben, hoffen leiden, mehr denn yhr, odder seid yhr darumb  die kirchen, das yhr eitel newigkeit auffbringt. Gottes [Bl. 25a] wort  daruber endert, lestert verfolget vnd mordet dazu stifft vnd kloster, als die  kirchen reüber ynne habt? Ja des teuffels kirche seid yhr, die selbige ist  eine lugenerin widder Gottes wort, vnd eine morderin, wie sie sihet das yhr  Gott der teuffel auch ein lugener vnd morder ist, Denn die rechte kirche mus  ia die sein die sich an Gottes wort hellt, und dar uber leidet, wie wir  (Gott lob) thun, vn̂d niemand morden noch von Gottes wort füren̄,, Darumb  soltet yhr vns nicht viel sagen, kirche, kirche, kirche, yhr solt vns gewis machen,  das yhr die kirche seid, Da ligts an,, Der teuffel kan auch sagen, Jch bin

 

[ 2 beide o 3 alten regiern 8/9 haben die sacrament rh 9 hoffen o        odder sind wir da 10 yhr ne 11 lestert vnd        vnd mordet o 12 reüber steht über diebe habt? So 13 sie —yhr steht über yhr 14 ist steht über ist        ist, Des werck treibt yhr auch 15 sich an rh]

 

 

 

[Seite 322a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 322b

 Gott, bete mich an Matth. 4. Der wolff kan auch sagen, Jch bin hirte  Matt. 7. Joh. X. Wir wissen selbs wol, das man der kirchen solle gehorchen,  Aber wir fragen, Wer vnd wo sie sey.

 

¶ Gott helff eüch, zur besserung ynn diesem artickel Thut yhrs nicht,  So wollen wirs mit Gottes gnaden dennoch thun wie bis her, Vnd wil  mehr sagen̂, Wo es Gott schickt, das yhr ettwas nach lasset, auff diesem Reichstage,  So wollen wirs nicht der meinūg von euch annemen, als sey es durch  ewr nachlassen nu recht, vnd bis her vnrecht gewesen Rein, yhr solt vns viel  zu geringe dazu [Bl. 25b] sein das ynn ewrem willkore vnd macht stehen solt,  wenn vnd wie lange Gott warhafftig odder ein lugener, Vnd wenn odder  wie lange sein̂ wort, recht odder vnrecht sein solle, Denn Das were zu hoch  gefaren vnd nach Endchristisscher hoffart, eüch vber Gott vnd sein wort erheben,  vnd alle vnser lere vnd thun widder ruffen, Sondern wir wollens euch durch  Gotts wortt, abgezwungen vnd als den lesterern verfolgern vnd mordern abgeiagt  haben, das yhr euch für Gott demutigt ewr sunde mord vnd lesterung  widder Gottes wort, bekennet vnd bessert als die bisher, vnrecht gethan, gotts  wort verfolget vnd vnschuldig blut vergossen habt, Solche sunde vnd laster,

 

[ 3 sey. Da schweigt vnd erstummet yhr, lieben herrn 5 mit —gnaden rh        her, vnd eüch nicht ansehen 8 yhr steht unter da 9 sein rh        vnd macht rh 10 Vnd wen 11 Denn o 13 vnd —ruffen rh 14 abgezwungen habe        lesterern vnd verleug vnd mordern steht über widder 15 mord o 16 widder Gottes wort rh]

 

 

 

[Seite 323a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 323b

 wollen wir vnuerborgen haben, vnd nicht mit stille schweigen vnd decken drein  bewilligen, vnd solcher grewel vns teilhafftig machen, Odder wollen vollend  hinan setzen, was da ist, vnd wollens mit euch ausstehen, auff Gottes wort,  welchs yhr verfolget Denn wie ich ym anfang gesagt, Bedürffen wir ewrs  reichstags vnd schliessens nirgent zu. Wir stehen, da wir stehen, on ewr zu  thun, ia auch widder ewr toben vnd wüeten, Sondern vmb ewren willen  vnd vmb des armen volcks willen thün wir hie mit, was wir thün, ob wir  euch odder ye ettlichen̂, aus euch, helffen vnd dem volck raten kündten, Gott  zü ehren vnd der Christenheit zu nǔtz

 

Vom Ehelosen stande

Celibatus das ist Der Ehelose stand odder verbotten ehe (wie yhr wisset)  ist auch ewer [Bl. 26a] bepstlichen newigkeit ein̂e, widder das ewige Gottes  wort, vnd widder den alten seligen brauch, der Christenheit, auch widder die  Creatur vnd schepffung Gottes selbs, Da mit ist erfullet die weissagung  Danielis .XI. da er spricht von ewrem kon̂ige, Er wird kein̂es Gottes noch  frawen liebe achten, Es mus ye, Ein grosses laster sein, (frawen nicht lieb

 

[ 1 vnd decken rh 2 Odder c aus odder 4 welchs steht über das        ym ang 7 vnd —willen rh 8 dem volck rh 11 Celibatus das ist o        odder —ehe rh 13 widder den o 14 Gottes rh        ist steht über yhr habt 15 Danielis. eine Zahl]

 

 

 

[Seite 324a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 324b

 haben,) weil es der prophet hie für ein sonderlichen grewel des Endechrists  anzeucht nehst nach der abgotterey. Die alte translatio hat, Erit in con  cupiscentijs feminarum, Er wird ynn frawen liebe sticken, Aber das were  nicht ein Endechrisstissche tugent, sondern muste also sagen, Erit in con  cupiscentijs masculorum,, wie wol er doch dasselbige auch mit meinet, wenn  er spricht, affectum erga mülieres non curabit welchs der rechte text ist,  ¶ Nu lieben herrn, wolt yhr from sein vnd wol thun, So zwingt euch ynn  diesem stuck zür busse vber alle den̂ wusten vnaussprechlichen iamer, der

 

[ 1 sonderlichen c aus sonderlichs        Ursprünglich hatte Luther hinter sonderlichen hineinkorrigiert grewel, das strich er aber dann durch und trug am Rande nach: grewel des des Endechrists 2 nach stand ursprünglich hinter nehst am Ende der Zeile, wurde dann durchgestrichen, dann aber wieder vor der nächsten Zeile am Rande nachgetragen 4 sondern solte 5 auch rh        mit rh        meinet, denn 7/325, 6 Zu: Nu lieben herrn —darǔmb am Rande: (·: Scholion) Vor Zeiten haben sich die thum herrn hierinn hart widder den Bapst ge setzt, sonder lich die zu Mentz, das sie zu Erffort schier yhren Ertzbis schoff, hetten erschlagen Vide, Chro: German̂or 8 vber rh        den̂ steht über der]

 

 

 

[Seite 325a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 325b

 vnzucht allerley gestalt, ynn aller wellt, welcher, aus dieser verfluchten Bepstlichen  newigkeit erwachsen ist welche auch eüch allen auffm halse ligt vnd  ligen bleibt, wo yhr nicht dazu thut vnd enderts, ¶ Jhr horet hie, das ein  Endchristisscher grewel vnd plage ist, frawen liebe verachten, das ist, die ehe  verbieten, Denn Gott hat frawen geschaffen zu ehren vnd hǔlff dem mann̂n̂e  darǔmb [Bl. 26b] wil er solche liebe vn̂ǔerboten vnd vnüerracht haben Das  fleisch vnd der teuffel, leren der frawen, allein zur vnehre brauchen, das  man eine nach der andern zu schanden mache, wie bis her gethan hat ewr  newer loblicher eheloser, (ich hett schier gesagt. ehrloser) stand, vnd noch thut,  Das heisst nicht frawen lieben, sondern vnzucht vnd schande an den frawen  lieben vnd sǔchen̂, vnd sie nicht, wie frawen, sondern wie hurn, halten vnd

 

[ 1 verfluchten new 2 eüch auff        Gott steht über er 7 leren steht über wollen 9 newer rh        loblicher stand        ehrloser rh]

 

 

 

[Seite 326a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 326b

 achten, das sie hinfurt niemand lieb noch werd haben mag Aber Gott wil,  das man sie halte vnd achte, wie frawen, vnd thu das gern vnd mit liebe,  das ist, ehelich sol man sie ha ben vnd mit ehlicher liebe bey yhn bleiben,  Das gefellt Gott wol, Aber es ist kunst vnd gnade

 

Wisset yhr auch das sechste gebot heisst, Du solt nicht ehebrechen? Dis  gebot, (wie die andern alle.) macht kein vnterscheid der p̱son, sie seien geistlich  odder welltlich, pfaffen odder leyhen So sollen sie nicht, ehebrechen, das ist  eins andern frawen nicht berüren, Weil es aber yderman eins andern frawen  verbeut, So ists gewis, das es yder man eigen frawen zu lesst, Ja auff  das niemand eins andern frawen berǔre, zwingts yhn̂ zu einer eigen Wenns  nǔ war were. (wie die lieben Canones lestern.) das ein pfarher, nicht  kundte Gott dienen, neben ein̂er eigen frawen, so muste dis sechste gebot  schlecht auffgehaben sein, vnd nicht ynn gemein allerley p̱son treffen vnd  eigen frawen erleuben

 

[Bl. 27a] Denn also, mocht ich fort von andern geboten auch sa gen, Du  must kein eigen gellt noch gut haben, sonst kanstu Gott nicht dienen, So doch

 

[ 1 das —mag rh 4 Aber nicht dem teuffel vnd Endechrist nicht        gnade dazu 5 Ursprünglich stand da: Das sechste gebot heisst, Du ... Dann wurde überkorrigiert: Wisset yhr auch, aber wieder durchstrichen, endlich vor Das, das aber irrtümlich durchgestrichen wurde, am Rande hinzukorrigiert: Wisset yhr auch das 6 die steht über alle 8 eins andern steht über frembde weiber        nicht o 8 yderman stand ursprünglich hinter verbeut        eins andern steht über frembde 9 es ia        zu lesst, ia 10 niemand frembde        yhn̂ c aus yhre        yhn̂ z. 15 Denn also steht über Also 16 eigen o        So c aus?]

 

 

 

[Seite 327a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 327b

 das siebend gebot, Du solt nicht stelen, eigen gelt vnd gut zu lesst, allein  frembd gut verbeut, Ja auff das man nicht stele, gebeuts eigen gut zu haben  So weis ich auch noch nicht ob grosser fahr sey der sunden bey eigen gellt  odder bey eigenem weibe, Geitz, Mammon vnd die gesellen sind warlich mechtig.  Aber summa. Es ist eine grosse buberey des Canonis, das er fur gibt Man  konne Gott nicht dienen bey einer eigen frawen: vnd konne doch wol Gott  dienen, bey ei genem Mammon, gelt, gut, schlossern vnd stedten Das widder  spiel ist war das besser sey bey eigener frawen Gott dienen, denn bey eigenem  gut (wie wol keines einen Christen hindert.) Denn ein weib das hat man  doch, vnd ist die sorge aus, wie mans kriege vnd sie kan sich selbs bewaren  Aber gellts kan man nimer gnug kriegen, vnd sorget ymer fort, on auffhoren  wie mans mehre vnd behalte, Solche sorge aber vnd liebe, das sind die rechten  hindernis an Gottes dien̈st, welche sorge, wol ein weib dem pfarher en̂tnemen  kan das sie sorget, vnd lesst yhn schlechts Gott dienen

 

Nein, So solt auch einer wol narren widder das funfft gebot vnd sagen,  Du kanst nicht woffen, buchsen vnd ander wehre haben, vnd daneben Gott

 

[ 2 Ja —haben rh 3 ich o        fahr c aus far        sey bey 4 odder steht über denn 6 einer christ 7 stedten Jch halt        Das c aus das 8 ist war o 10 doch o        und sie —bewaren rh        sie o rh 11 nimer k 12 aber o 13 welche (w 14 kan o        dienen o]

 

 

 

[Seite 328a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 328b

 dienen, Denn du mochtest todschlahen, schaden thun, odder damit gehindert  werden, So doch das funfft gebot [Bl. 27b] allein̂ verbeut, das man nicht  todten solle, Erleubt aber gleich wol, woffen vnd wehre, Ja auff das dem  morden gesteurt werde, gebeuts woffen vnd wehre zu haben, Warumb haben  aber vnser Ehelosen heiligen leute beid eigen gelt vnd woffen, bawen vnd  streiten getrost? hindert sie das nicht an Gottes dienst? Nein, sondern ein ehe  frewlin mus sie hindern, Es ist ein Hans worst gewest, der solchen Canonem  gemacht hat. Ein Hans worst den andern, Noch hat er alle wellt auch alle  hochglerten verblendt

 

Der teuffel aber hat das mit diesem Canone anrichten wollen, das seine  Ehelosen keine eigen frawen, sondern an der selbigen stat, aller andern frawen,  tochter, megde dazu auch Sodomam hetten welchs sie ynn der ehe nicht hetten  gethan Also auch an stat eygens gut, (denn es saur̈ wird zu erwerben.)  aller wellt guter zu verschlingen vnd mit mussig gang verbrassen, welchs auch  wol nach bliebe, wo sie solten eigen gut süchen vnd erwerben Also haben sie  woffen verbotten, das sie aller konige schwerd mochten regen vnd damit machen,

 

[ 5 eigen rh 6 Gottes dienst? Vnd        Nein, sondern rh        ehe o 7 frewlin mus 8 wellt ve 10 Canone haben 12 megde bu[ben]        hetten welchs 13 gethan steht über vermacht 16 konige har]

 

 

 

[Seite 329a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 329b

 was sie wolten, welchs euch wol nach bliebe, wo sie yhr eigens allein haben  musten Aber wunder vber wunder ists, das solch drey stück nemlich allerley  freye vnzucht, allerley geitz vnd pracht, allerley woffen vnd krieg diese Ehelose  heiligen nicht hindern Gotte zu dienen, vnd ein einiges fromes ehe weib  hindert sie

 

[Bl. 28a] Vnd wenn alle ding ia feylen wurde das Bapst, Bisschoue,  Tumherrn vnd das volck, ia wolten ym ehlosen odder hurn vnd buben stande  bleiben, Sintemal auch der heidnissche poet bekennet, das buler vnd hurn treiber,  vngern ehefrawen nemen, So hoffe ich doch, yhr werdet euch vber die armen  pfarher vnd seelsorger erbarmen̂, vnd den selbigen die ehe lassen, vnd nicht  mehr solche schendliche, mordissche tolle Canonisten odder Juristen sein, wie  yhr bis her gewest seid Denn ewr Canones, setzen, das man einen ehe pfaffen  solle suspen̂diern, das ist, vom ampt setzen so habt yhrs mit ewren groben  eselen vnd bachanten also gedeutet, man solle sie hen̂cken, ertrencken, erstechen  ermorden vnd veriagen, so gar blut durstig. vnd mordisch seid yhr bluthün de,

 

[ 2 solch freye        nemlich allerley rh 4 hindern an        Gotte c aus Gottes 5 sie o sie Ey nu sprecht pfui dein [o] maul an, du verzweifelter Satan mit deinem ehrlosen Ehelosen 6 wurde c aus wurden 7 odder —buben rh 8 bleiben, D 10 ehe ·        vnd (3.) zum w[enigsten] 11 mordissche rh        Canonisten odder rh 12 ewr new o 13 groben esse rh 14 eselen vnd rh        erstechen steht über seuffen vn [das vor seuffen        gehörige er am Ende der vorhergehenden Zeile ist versehentlich nicht mit durchstrichen] 15 vnd (2.) mordisch ]

 

 

 

[Seite 330a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 330b

 das yhr widder vnd vber ewr eigen recht euch nicht schemet zu wuten nach  allem mutwillen Werdet yhr euch nicht erbarmen, (als ich sorge, Es lige  euch auffm halse, vnd drucke euch so viel vnschuldigs bluts, so viel grewlicher  laster vnd vngehewrer bosheit, das euch Gott schwerlich gnade geben wird,  ettwas anders zu thun, on allein solchs, damit yhr ia bald ewer verderben  vber eüch reitzt (wie S. Petrus spricht 2 Pet. 2.) Wolan, so wird man dennoch  thun, was Got wil vnd nicht, was euch gefellt,

 

[Bl. 28b] Fur die Munche weis ich nicht zu bitten Denn man weis wol,  yhr woltet lieber, das sie allesampt fur den teufel weren, Got gebe, sie nemen  weiber odder nicht Vnd nicht vnbillich, Denn zween han̂e auff einer misten  leiden sich nicht, Sie wollen das leben haben, das yhr habt, vnd gern allein  hettet, das ist eüch nicht zu leiden, darümb lasst sie faren die schelmen, Sie  sollen n̂icht Bisschofflich noch Thumisch leben füren, Es gebürt allein zu der  kirchen vnd den Gottes dienern wie yhr seid, Gott der allmechtige wolte ia  gnediglich, mehr vnd bessers thun, den̂n̂ yhr gedenckt, vnd wir vns zu eüch  versehen, Amen, Sonst wird der teuffel (.sorge ich.) apt vnd seine mutter

 

[ 1 vber ewr        eigen o        wuten Vnd 1/2 nach —mutwillen rh 2 lige d 3 euch (1.) —halse rh        viel (2.) o 4 vngehewrer stücklein auffm halse, Das 5 solchs steht über das 7 gefellt, Vnd 8 man weis steht über ich halt 13 zu o 15 den̂n̂ c aus dem? 16 wird bose ding draus werden        apt we]

 

 

 

[Seite 331a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 331b

 Eptissin werden, On das dis meine hoffnūg vnd trost ist, weil yhr nicht  ewig hie leben kondt Vnd man doch mus ymer new pfarher vnd seelsorger  auff zihen so werden (.ob Gott wil.) die iungen gesellen, die hernach dringen,  sich nicht lassen mit ewren tollen, lesterlichen, eiden vnd pflichten zum ehrlosen  stande vnd andern̄ grewlen verknupffen, Wer den aber daruber die  pfarhen wust, vnd das volck on wort bleiben, vnd die Munche vergangen, so  solt yhr sehen, wie lange Bisschoue vnd Tümherrn, stifft vnd kloster bleiben  sollen. Es mussen ia pfarher sein, wenn schon nymer kein bisschoff, noch  Thumherr, noch münche weren,

 

[Bl. 29a] Es ist die Christen̂heit bisher, so viel hundert iar on solche  stifft bisschoue vn̂d Tumherrn erhalten, sie kan auch noch wol hin̂furt, on die  selbigen erhalten werden̂ Es wird ia freylich am Jung sten gericht keine Christen  seele sich rhumen odder zeugen konnen̂ das ynn so viel hundert iaren, ye eine  | [Bl. Ga] von yhrem stifft bisschove hette das Vater vnser, zehen gebot, glaüben̂,  odder ein Euangelion gehort odder gelernt, odder eins ein̂ichs bisschof lichen

 

[ 1 werden, de        On steht über Denn        dis steht über ist        ist rh        weil steht über das 2 leben c aus lebet        kondt rh 4 lesterlichen o 6 vnd (2.) —vergangen rh        so w 8 sollen c aus sollet        sollen. Was gillts, ich treffe hie recht,        Es steht über Dennoch        ia rh 9 weren, Denn was haben [so sollte, wie das davorstehende Zeichen ¶ zeigt, der neue Abschnitt beginnen] 10 solche rh 11 die steht über der 11/12 die selbigen stand 13 konneǹ rh 14 hette von — bisschoue um]

 

 

 

[Seite 332a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 332b

 ampts odder wercks empfunden odder genos sen, Wir haben ia bis her fur dem  Luther selbs gelebt, als hetten wir gar keine bisschoue, mussen auch noch so  leben, So weis ich fur war, das alle wellt sagen mus, da sie fur des Luthers  lere, nicht mehr von yhren Bisschouen gehabt, denn itzunt vnd itzünt nicht  weniger denn zuuor aüsgenomen die schinderey vnd gelt schetzung, Sie konnen  nicht fulen noch mercken, ob sie vorhin bisschofe gehabt odder itzt kein̂e haben,  So gar ist yhn nichts ab noch zu gangen Bis schofflicher werck vnd ampt  Das heisst vleissig der seelen gewartet, So suchen sie itzt widderumb zu warten

 

Ja (sprechen sie.) Wir weyhen vnd ordenen andere an vnser stat, die  solchs thun, Das thun sie auch nicht, sondern der Weyhbisschoff thuts, Der  selbige hellt auch keine Bisschoffliche weise noch art, Denn er weyhet, allein  zur opffer Messen, fragt [Bl. 29b] kein bissen dar nach, wie vnd was man  predigen solle vnd was den leuten n̂ot ist zu lernen, Darumb ist er auch zu  friden, wenn die pfaffen kaum ein Requiem lesen konnen, schmirt dar nach  flugs den vngelerten eseln sein̂en Chresem an vnd lesst sie hinstreichen, Gott  selbs schafft, pre diger, wo sie sind vnd erhelt dadürch seine kirchen, der stifft

 

[ 1 genos sen, Sie konnens auch nicht, Sie wollens dazu [o] auch nicht konnen 1/2 fur —Luther rh 3 sie o 4 mehr lere o        itzunt steht über hernach        itzünt steht über hernach 5 weniger lere o        denn vor        aüsgenomen — schetzung rh        schetzung vnd verfurung der seelen rh 6 vorhin steht über itzt 7 So — ampt rh 8 Das — vleissig steht über So gar vleissig haben sie        gewartet, vnd war ten auch noch 9 vnd o 10 auch rh 12 opffer u 14 pfaffen nu[r]        schmirt er o 15 hinstreichen vnd sorget r]

 

 

 

[Seite 333a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 333b

 bisschoue vnd weybisschoue halben, were sie lengest hundert tausen̂t mal zurgangen,  Wie wol, das sie bis her so vbel gestanden vnd noch stehet, wes ists  schuld, anders, denn der stifft bisschoue, die ynn der Apostel stat vnd ynn  Bisschof lichem ampt sitzen, Vnd thün der selben keines, lassens alles zu  boden gehen Vnd schreien itzt gleichwol, man solle sie zu vorigem regiment  komen lassen, sie suchen der seelen heil, Es ist sonst ein fein regiment gewest,  vnd suchen wol der seelen heil, Ja den teuffel auff yhren kopff, der sie auch  reitet, vnd vnser aller vngluck auff vnsern hals, wie vns vorhin auch widder  faren ist, Es ist vmbs furstlich Meüm vnd Tuum zu thun, Bisschofflich ampt  wil wol bey den pfar herrn vnd Predigern bleiben

 

Weiter (geben sie fur), Wir lassen aber leute studiren ynn hohen schulen,  die zu predigen tuchtig vnd darnach aüs vnserm befelh durch den Wey bisschoff  geweyhet werden, Das ist war, yhr [Bl. 30a] lasst, sie leider studieren, Das  thut der Turck vnd die Juden auch, lassen studiern, Was geben odder helffen  sie dazu? Jhr auch, was gebt vnd helfft yhr da zu aus ewren stifftlichem  Mammon, das yrgent einer studire, wie yhr doch hoch schuldig seid? Ja wol,  Es ist euch leid, das hohe schulen sin̂d, Sondern da stinckt euch der odem

 

[ 4 selben rh 5 gehen o        vorigem macht        regiment steht über tyranney 6 heil, Ja        Es c aus es        sonst o 7 Ja das hellisch fewr        den teuffel rh 7 /8 der — reitet steht über das yhn auch begegen wird 8 vnd vnser [c aus vnsern] 9 furstlich rh 13 leider wie wol vngern o 16 wie — seid rh]

 

 

 

[Seite 334a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 334b

 nach, Der Muenche seid yhr nü los, odder ye mechtig, das nemet yhr vom  Eüangelio frolich an, Der Theologen vnd gelerten weret yhr auch gerne los,  die liegen euch noch ym wege, weren die weg wolan so weret yhr der pfarhern  vol mechtige herrn̄, darnach kundt yhr widder vber konige vnd fürsten  steigen, Ja auch den Bapst selbs, als der ewr nicht geraten kun̂d zwingen  vnd wir bisschoue allein Gotter vnd herrn auff erden weren Da wollt yhr  hinaus, lieben herren Jsts nicht war, der heymliche ratschlag zu Mentz, da  ich nicht bey sein kun̂dt der selbige leisetritt gieng auff dieser ban?, So  hetten wir denn die welt vol Esel, vnd die kirchen gar kein wort noch pfarhr  ampt mehr, Ach Soltet yhr studieren lassen, So doch die pfreunden, die auff  den stifften den hohen schulen eingeleibt sin̂d, niemand werden, Er hab denn  zuuor, durch ander leüte hulff gestudieret, Vnd wenn sie yhm werden sollen,  mus er sie zuuor mit einer summa keuffen vnd bezalen Vnd wenn er sie  nu bezalet hat, wird er verbunden ym stifft zu heulen vnd zu plappern, auff  das ia sein studirn vnd kunst, nicht zum p̄digampt odder lere ampt gedeye,  So helfft yhr der Christenheit

 

[ 2 vnd gelerten rh 5 selbs — kun̂d rh        kun̂d das rh 6 vnd — weren rh und o 7/8 da — kun̂dt rh 8 selbige leisetritt o 10 Ach o        die (2.) steht über so 11 den (2.) steht über dem ? 12 sollen rh 14 wird er o        verbûnden ist wird 15 p̄digampt vn]

 

 

 

[Seite 335a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 335b

 

[Bl. 30b] Jch setze aber, das yhr andere an ewr stat ver ordenet, (als  yhr doch nicht thut) die predigen vnd bisschoffe sein sollen von ewren wegen,  So horet yhr ia wol Jch rede itzt von Bisschouen, Vnd rede nicht von  bestellern, Ein bawr odder richter ym dorffe, Eine stad, ein fürst, kan auch  einen pre diger bestellen, Jst drümb kein Bisschoff,? Ein bisschoff heisst, der  selbs weiden sol Gottes volck. Denn da stehet act XX: S Paulus lere, zu  den Bisschouen        Habt acht auff eüch selbs vnd auff die gantzen herd, vnter  welche euch der heilige geist gesetzt hat zu Bisschouen, zu weiden die gemeine  Gottes, welche er durch sein eigen blut erworben hat. Weret yhr bisschoue,  wie ewr namen vnd ampt foddert, so wurden euch die har gen berge stehen  fur diesem spruch, Vnd wurdet wol so vngern stifft bisschoffe sein, als ich  Prediger vnd Doctor bin, Sintemal yhr wurdets nicht viel besser haben, denn  ich vnd mein̂s gleichen        So spricht auch .S. Paulus, Ein Bisschoff sol  didacticǔs sein 1 Timo. 3. Tit 3. das ist, leerhafftig, der ymer anhalte mit  leren, Er meinet aber nicht furstenbisschoffe, noch schlos bisschoue sondern  kirchen bisschoue, die das werck treiben wie (Gott hab lob) itzt viel feiner  pfarher thun, ob sie wol nicht spitze hute tragen, welche konnen die klotze

 

[ 2 yhr steht über yhr c aus y .. 3 So — wol steht über Antwort ich 5 heisst, act. XX. 6 da steht über so        über zu steht vbe[r] 12 Sintemal steht über Denn 15 noch stifft        schlos rh 17 welche c aus welchs]

 

 

 

[Seite 336a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 336b

 vnd Niclas bisschoue auch tragen Denn das yhr als Bisschoue solt auffsehen,  was recht gelert sey vnd wisset es selber nicht, das ist lecherlich, ia leider  nicht lecherlich, denn wirs bisher wol er faren, was ewr auff sehen, guts  geschafft, wie obgemelte stuck zeigen

 

Dis alles hab ich, lieben herrn, euch mussen erynnern vnd vermanen,  vmb des willen [Bl. 31a] das ich sehe, wie yhr Gott nicht furchtet vnd fur  ewr grewlich verkeretes wesen, kein rewe, noch busse suchet, auch kein gewissen  druber macht, damit denn Gott auffs aller hohest erzurnet wird, Denn sintemal,  wir arme lutherisschen ehe weiber genomen, lasst yhr euch duncken, yhr  habt ein mal ein stucklin an vns ergriffen weil yhr sonst nichts finden kundt  das yhr eüch nutze machen wollet, vnd vns damit so schmitzen vnd drücken,  das damit, alle ewr schendlichs vnzuchtiges hurn leben alle kloster raub vnd  stifft dieberey, sampt aller grundsuppe, ewr grewel, vnd verkereter vnbisschoff  licher misbrauch, schand, laster, schaden, vnd verderben der Christen heit, solle,  verborgen, bedeckt, geschwigen, schon vnd gelobt werden, das yhr hin furt, als  die reinen vnd vnschuldigen die nie kein wasser betrubt gleich vber die Apostel

 

[ 1 tragen steht hinter thün 1/4 Denn — zeigen rh 1 als Bisschoue o 7 verkeretes rh 8 druber o        Gott g 9 arme lutherisschen o 10 weil — kundt rh 12 schendlichs o        hurn w        kloster o        vnd diebstal [darüber ebenfalls durchgestrichen: stifft erey] 13 stifft dieberey rh 14 schaden, dam        der Christen heit rh 16 die (2.) — betrubt rh]

 

 

 

[Seite 337a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 337b

 selbs, euch aller gewalt vnter winden muget, Aber faret, schon, lieben herrn̄,  Sehet, das euch nicht feyle, sprecht nicht hui, yhr seid noch nicht vber den  berg, Wie yhr euch decken vnd schmucken kund, das habt yhr nu gesehen, Jhr  habt aber noch nicht gesehen, wie man euch den schonen balck abstreiffen kan̂  Vnd euch daher malen, das yhr euch selbs musset anspeyen, Pocht vnd trotzt  nur nicht, Ewr sache ist nicht so gut als yhr meinet

 

Kund yhr vns vnser ehefrawen auff rucken, die wir doch fur Gott mit  gutem gewissen, vnd [Bl. 31b] fur der welt, nicht als vnser hüren, sondern  als vnser ehefrawen, bekennen, So gleubt yhr nimer mehr, wie meisterlich,  wir euch wollen aus putzen, ewr hurlin, vnd geraubten ehe weiber, die yhr  vnd wir wissen, das yhr sie mit keinem guten gewissen habt. dazu fur der  wellt nicht anders denn als ewr hurn bekennen musset vnd euch als die  hurn treiber vnd hurn wirte beide fur Gott vnd der wellt nennen vnd  vrteilen lassen müsset, Zu dem wollen wir euch ewr Romische Sodoma  wellsche hochzeit Venedische vnd Turckische breute vnd floren̂tzische breutgam,

 

[ 4 noch o        man steht über wir        kan̂ steht über konnen 7 fur Gott rh 11 wissen, mit 12 als o        bekennen musset [ausgewischt] rh, auf dem andern Rande haben 14 müsset rh        müsset, Vnd        ewr steht über die 15 hochzeit vnd        breute steht über breute]

 

 

 

[Seite 338a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 338b

 also ausstrei chen, das yhr sehen solt vnd greiffen, das sich vnser ehe an ewr  ehrlosen keuscheit redlich gerochen habe Vnd ob villeicht ewr ettliche nicht  ynn allen solchen schuldig sind Da fragen wir nicht nach, Es sol schutz herr  Verteydinger, gesell vnd genossen, gleich so viel als die selbschuldigen gelten,  Darumb, das sie solche laster, nicht straffen, bannen, meiden, (wie das  Euangelion vnd ewr eigen recht leret.) Sondern solchen vbelthetern, helffen,  beystehen vnd widder vns neben yhn wueten, vnd sich mit solchem beystand,  aller sol cher grewel teylhafftig machen, vnd damit nichts bessers sind, denn  die selbschuldigen Ro. 2. [Bl. 31c]1 Denn es hat nie kein heide, Nie kein Turcke,  nie kein Bapst nie kein keiser, Vnd nie kein mensch auff erden, gesetzt odder  gethan, das man yemand vmb der ehe willen hette ge todtet, Vnd ist ein  new vnerhoret ding, von euch newen Bisschouen angefangen, die yhr seid die  grossesten stifft reuber hürn wirte vnd hurn ieger, ynn ewrn stifften, so auff  erden sind Vnd thuts auch nicht vmb keuscheit willen zuerhalten, Sondern  darumb, das man nicht wil hurerey vnd vnzucht treiben, wie yhr thut, denn

 

[ 1 sich o        an o ewr vnzucht treiben 5 meiden, sondern 6 vnd — recht o 7 wueten, Qui tacet, consentire videtur 8 damit o 13 stifft stifft reuber rh        ieger, ynn 14 vmb straff willen die]

 

 

 

[Seite 339a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 339b

 die selbigen lasst yhr vngestrafft, Vnd kan niemand gleuben, das yhr die  keuscheit mit solcher straffe trewlich meinet, Sintemal grosser feinde der  keuscheit nirgent sind, denn yhr seid, als die yhr sie ynn ewren eigen leibe,  mit aller vnzucht, on vnterlas auffs aller schendlichst verfolget

 

[Bl. 32a] Wie wol solchs stuck das geringst ist, gegen dem hohen gemeinen  grewel, das yhr solche Bisschofe seid, wie droben angezeigt vnd mit der zeit,  (wo yhr euch nicht bessert) anders sol ausgemutzt werden. Denn sollen wir ia  gottlose Hurntreiber vnd Gottes fein̂de zu Bisschouen haben so wollen wir auch  yhn gar redlich weisen, ynn welche kirchen sie gehoren das solt yhr gewislich  erfaren, Denn so lange yhr vnser ehe nicht zu friden lasst, solt yhr auch nicht  viel freude vnd ehre von ewr hure rey vnd Endchristisschen Bisschofferey haben  Sterbe ich drober, so sind ander da, die es besser konnen,        Jn Summa, wir  vnd yhr wissen das yhr on Gottes wort lebt, Wir aber Gottes wort haben,  Darumb ist vnser hochste beger vnd demütigeste bitt, yhr wollet Gott die ehre  geben, auch erkennen, bussen vnd bessern Wo nicht So nemet mich hin, lebe  ich, so bin ich ewr Pestilentz, Sterbe ich so bin ich ewr tod, Denn Gott hat  mich an euch gehetzt, Jch mus (wie Hosea sagt) euch ein beer vnd lewe sein

 

[ 3 leibe c aus leiben 6 yhr (1.) vnbisschoffliche        solche rh 7 Denn o        sollen c aus Sollen        wir denn 8 gottlose rh        Gottes fein̂de steht über teuffels laruen 13 vnd yhr rh 14 hochste bitt 16 Pestilentz steht über stock meyster        tod steht über teuffel 17 vnd beer lewe rh]

 

 

 

[Seite 340a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 340b

 ym wege Assur yhr solt doch fur meinem namen keine ruge haben, bis das  yhr euch bessert, odder zu grund gehet,

 

[Bl. 32b] Dar umb bieten wir euch an die wahl        Erstlich, weil yhr  doch Bisschoffliche ampt vnd werck, nicht kund noch wollet ver hegen, als die  yhr zu predigen vnd gewissen zu trosten vnd richten, doch warlich, warlich,  nicht tuget, sampt alle ewrn gelerten, So lasst vns doch ewr ampt, das yhr  schüldig seid, aüsrichten Gebt vns das Euangelion frey zu leren vnd lasst vn̂s  dem armen volck, (das from zu sein begert) dienen̂ Verfolget vnd wehret doch  dem nicht, das yhr nicht kundt vnd doch schüldig seid vnd andere fur euch  thun wollen.

 

Zum andern, so wollen wir vber das, nichts von eüch begeren, noch  sold von euch nemen sondern wo vns sonst Gott erneeret, gewarten, auff das  yhr also beide der erbeit vnd lohn der muhe vnd kost, vber haben seid, Nicht  das wir so grosse lust hetten zu predigen, denn fur mich zu reden, wolt ich  kein lieber bottschafft horen, denn die, so mich vom Predigt ampt ab setzt,  Jch bin̂s wol so müde, der grossen vndanckbarkeit halben ym volck, aber viel  mehr, der vntreglichen beschwerung halben, so mir der teuffel vnd der wellt zu

 

[ 1 meinem namen steht über mir 2 gehet, Denn der Jch heisse auch der Martin 3 an o        wahl, (Jhr habt doch nie kein frumer ketzer gehabt denn die Lutherisschen.) werdet sie auch nicht frumer kriegen.) 4 doch rh 5 yhr o 7 lasst vn̂s rh 11 noch sod) 16 ym volck rh]

 

 

 

[Seite 341a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 341b

 messen Aber die armen seelen [Bl. 33a] wollen nicht. So ist auch ein man,  der heisst Jhesus Christus, der spricht, nein̂ dazu, dem folge ich billich, als  der wol mehr vmb mich verdienet hat,        So wisset yhr (Gott lob,) nu selbs  alle das die Lutherisschen prediger frum sind, vnd thun euch nicht schaden,  Sondern sind euch nützer denn alle ewr vnd des Bapsts gelerten Vnd frumer  ketzer habt yhr nie gehabt, werdet sie aüch n̂icht frümer kriegen, bittet Gott,  das sie auch mǔgen bleiben̂.

 

Zum dritten wollen wir euch lassen bleiben was yhr seid, vnd leren  (wie wir denn bis her gethan̂.) das man euch solle fursten vnd herrn sein  vmb friedes willen, vnd ewr guter lassen̂ Welchs doch die Hussiten vnd Viglephisten  nicht gethan, auch noch itzt kein schwermer noch rotten geister thun  wollen, Damit yhr doch sehet, das yhr nicht feinde, sondern grosse freunde,  ia auch schutzherrn an vns habt, Denn was schadet vns das, ob yhr herr̄n̄  vnd fursten seid, wolt yhr nicht fur euch vnd ewren stand vnd ampt thun  was recht ist, wolan, da werden nicht wir, sondern yhr rechenschaff vmb geben  Allein halt doch friede, vnd verfolget vns nicht Wir bitten ia nicht mehr,  haben auch nie anders gebeten, denn vmbs frey Euangelion [Bl. 33b] yhr kund

 

[ 3 yhr nu 5 euch d        Vnd steht über Denn 9 sein o 10 willen bleiben        doch aüch 10/11 vnd Viglephisten rh 14 fursten bl        vnd ampt rh 15 vmb o 17 haben — gebeten rh        frey rh]

 

 

 

[Seite 342a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 342b

 vns vnd wir euch zum frieden helffen, Thut yhrs nicht, So behalten wir die  ehre, vnd verlieret yhr beide fried vnd ehre

 

Zum Vierden, kund yhr den bisschofflichen zwan̂ck widder anrichten (so  fern yhr vns das Euangelion frey lasset) da wil ich fur mein teil auch getrost  zu helffen vnd ra ten, auff das yhr doch ettwas bisschofflichs ampts auch  haben mügt, Vnd also hettet yhr denn zwey stuck bisschoffliches ampts Eines,  das wir vnd die prediger, an ewr stat, das Euangelion lereten, das an̂der,  das yhr hulfft solchs hand haben mit bisschoff lichem zwangk Ewr person  leben Vnd furstlich wesen, liessen wir ewrem gewissen vnd Gottes vrteil,  So haben wir auch bis her euch solchen zwangk nie genomen, yhr habt yhn  selbs las sen fallen, Denn da yhr das ablas vnd ander vnleidliche misbreüche,  damit nicht erhalten kundtet, liesset yhrs gantz vnd gar fallen vnd woltet  vnser Euangelion nicht schutzen [Bl. 34a] dazu auch nicht leiden, Sondern  keretet solchen zwangk widder vns vnd widder das Euangelion, Da must er  wol sich stossen vnd stumpff werden Denn Gott hat yhn nicht geord net widder  sein wort, sondern̂ für sein wort

 

Mehr vnd hoher kon̂n̂en wir vns warlich nicht er bieten (vber das  teglich gebet guten willen vnd dienst die wir on das auch allen feinden schuldig

 

[ 1 vnd wir euch rh        helffen, Wir konnen euch zu ehren helffen,        wir (2.) die ehre 3 yhr widderumb        anrichten (wie 4 fern wir        fur — teil rh        getrost d 5 ra ten, Vnd will gern 6 mügt Den̂n̂ ich bin dem pofel on das feind 7 prediger, d. 8 solchs steht über druber 9 leben o 10 So haben steht über Denn        solchen Mehr konnen wir, vnd ich fur mein 12 gar ve 14 widder (2.) o 15 nicht dazu geor dazu 17 vber steht über ausgenomen 18 gebet vnd        willen, de        vnd dienst rh        die steht über wie        on das o]

 

 

 

[Seite 343a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 343b

 sind.) nemlich Ewr ampt wollen wir aus richten, Selbst wollen wir vns, on  ewr kost neren, Euch wollen wir helffen bleiben wie yhr seid, Dazu raten,  das yhr vberhand habt vnd drein sehet, das recht zu gehe Was sollen wir  doch mehr thun? War lich wir tragen schweer, haben euch vnd die rotten  geister vnd alle wellt, ia alle teuffel auff vns geladen, vnd vns hilfft niemand  Werdet yhr nu nicht wollen auch helffen, sondern ymer fort drucken, So sehet  zu das yhr vns den rücken nicht entzweÿ brechet vnd die gedult zu hoch ver  sucht, Werdet yhr die frumen ketzer dempffen wollen, die euch tragen, so sehet  zu, wo yhr bleibet, Es ist vns leider das spiel nicht mehr ynn der hand, wie  bis her gewesen der teuffel hats vns entwand, Wir konnen warlich euch  nymer helffen, Helfft euch nǔ auch selbst vnd sehet nicht eǔch sondern den  gemeinen hauffen vnd den lieben friede an, Es ist hohe zeit, wir wollen auch  vnser bestes thun, vnd ist yrgent ein früm [Bl. 34b] hertz vnter euch, das kan  doch ia wol aus dieser gantzer schrifft mercken, das ich die warheit sage, vnd  sagen mus vnd von hertzen trewlich mit euch vnd mit yderman meÿne, Mehr  kan ich ia nicht Denn yhr habt doch ia zu treffliche bose sachen.

 

[ 1 nemlich rh 2 ewr kost steht über euch        wir o 3 das — gehe rh 4 doch o 4/5 vnd — geister rh        vnd vns — niemand rh 6 helffen steht über weichen 7/8 vnd — ver sucht rh 8 Werdet c aus Werden        yhr o        ketzer vnter [o] liegen [über liegen: drucken]        dempffen wollen rh        (Luther schrieb also zuerst: Werden die fr. k. vnter liegen, korrigierte dann: Werdet yhr die fr. k. vnter drucken, und endlich: dempffen wollen) 10 vns ge 11/12 vnd — aǹ rh 13 vnd o 14/15 vnd — mus rh]

 

 

 

[Seite 344a]

 

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 344b

 

[Bl. 35b]1 Ob yemand hie dencken wurde. Es sey lecherlich zu horen,  das die stifft bisschoue, die kirchen regieren sollen, Weil man wol weis, das  sie es nicht konnen noch wollen lernen, So doch .S. Paulus spricht, Wer  seinem eigen hause vbel fur stehet, der wird der kirchen nymer mehr wol furstehen,  Vnd man fur augen sihet wie die Bisschoue yhren stifften fur stehen  vnd zucht halten, nemlich, das impunita Lupanaria vnd Latrocinia sind,  Antwort, Jch weis leider wol, das so ist, Aber auff das die heilosen leute  sehen, das wir fride suchen, vnd an vns nicht mangelt, kan ichs wol leiden,  das sie pfarher vnd predigstuel mit ge geschickten p̱sonen versorgen, vnd also  das Euangelion helffen handhaben, Mir ist lieber, der mangel sey an yhn,  denn an vns, vnd Gott hat wol ehe durch lose buben regiert vnd guts gethan  Vnd mus dencken, Es sey [Bl. 35a] itzt die zeit, da Herodes zu Jerusalem, das  priesterlich ampt ver kaufft, Die Romer auch, Vnd bleib dennoch Gottes dienst  vnd wort,        Wollen sie aber das Euangelion dempffen odder so gar vnbusfertig  bleiben, des mugen sie yhr ebentheur stehen, Wir Predigen doch, was wir  wollen        Auch sitzen sie so feste nicht, haben sie lust zu vngluck: So hat  Gott bald einen andern Muntzer er weckt, der sie vollend stortze, Wollen sie  nicht Bisschoue sein ynn Gottes namen, so seien sie yns teuffels namen Bader,

 

[ 11 gethan Werden sie aber 14/15 odder — bleiben rh 16 wollen So kan G[ott]]

 

 

 

[Seite 345a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 345b

 on das wir nicht schuld noch vrsachen dazu sein, Die Lutherisschen bleiben wol  MeisteR weil Christus bey yhn vnd sie bey yhm bleiben, Wenn gleich helle,  wellt, teuffel, fursten vnd alles solt vnsinnig werd

 

[Fortsetzung Bl. 34b] Es wil aber itzt, zu viel vnd zu lan̂g werden, mehr  stücke zu handeln, Gott helffe euch auff dem Reichstag, also faren, das vns  nicht not sey alles von newen widder an zufahen, denn das ist auch nicht  gut, so sin̂d wir der muhe lieber vberhoben        Doch das yhr nicht denckt, Es  seien lose drew wort, das ich itzt sage, wil ich hie, so viel mir itzt einfellt,  stuck vnd artickel erzelen, so auff beider seite getrieben werden

 

Die stuck, so nottig sind ynn der rechten Christlichen kirchen

zu handeln, da wir mit vmb gehen

 

 

 

[Sp. 1] Was gesetz sey, [Sp. 2] Wie man recht beichtet

 

Was Euangelion Was der glaube

 

Was sunde Was vergebung der sunden

 

Was gnade Was die Christliche freÿheit

 

Was geists gabe Was der freye wille

 

Was die rechte busse Was die liebe

 

 

[ 1 vrsachen dazu 2 Christus yn 3 teuffel, vnd 4 itzt, we 6 widder o 10 rechten o 11 da —gehen steht über da die]

 

 

 

[Seite 346a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 346b

 

Was das Creutz Die Litania

 

Was die hoffnung Lesen vnd auslegung der schrifft

 

Was die tauffe Was gute werck sind

 

Was die Messe, [Bl. 36a Sp. 2] vnterricht des ehestands

 

Was die kirche        {kinder

 

Was die Schlussel {der knecht

 

[Bl. 36a Sp. 1] Was ein Bisschoff,        {Megde

 

Was ein Diaconus die oberkeit ehren

 

Was das predigampt kinder schulen

 

Der recht Catechismus krancken besuchen

 

       {zehen gebot Armen vnd hospital versorg

 

als { Vater vnser Die sterbenden berichten

 

       {Glauben

 

Das recht gebet

 

 

 

Solche stucke hat nie kein bisschoff gehandelt vnd sind dazu von den  ewrn̄ auch nie grundlich verstanden noch geleret vnd ein gros teil gar ver  blichen Das durfft yhr nicht leügnen, Wir sind ynn ewrn schulen aufferzogen

 

[ 4 Messe steht über des Herrn abendmal odder Messe        vnterricht o        des c aus der ehestands c aus ehestand        ehestands vnd aller [c aus alle] stende 5/7 der kinder —Megde rh [Die 5. Zeile der 2. Spalte hatte Luther ursprünglich angefangen zu re), strich das aber wieder durch und fügte das eben Erwähnte ein] 8 oberkeit zu 12 berichten steht unter beschicken 14 Das c aus was 15 hat man bey euch lieben herrn nie recht gehandelt, das mehrer teil fallen l lassen 15/17 nie — ver blichen rh]

 

 

 

[Seite 347a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 347b

 So sind ewr bucher noch vor handen, die solches zeügen, So zeugt alle wellt,  das zuuor nie ist gepredigt Nu ists gewis, das an diesen stücken gelegen, vnd  die Christliche kirche, mit diesen, versorgt ist, vnd darff ewr vnnotigen zu  setze nichts vberal,

 

Hie bey wil ich nicht erzelen, die deudsche lie der, braut segen vnd viel  guter heilsamer buch lin, Aber wie viel grewel, wir damit nidder gelegt vnd  bey vns aus gerott, wil ich itzt aüch nicht erzelen, Jst gnug, angezeigt, von  wie viel stucken wir noch zu reden hetten, wo wir zeit vnd raum nemen wolten

 

[Bl. 36b] Die stücke, so ynn der gleissenden kirchen ynn vbung

vnd brauch sind gewest

 

[Sp. 1] 1 Ablas, 5 Poltergeister

 

2 Opffer Messen vnd die selbigen 6 Walfarten vn̂zelich

 

      vntzelicher weise 7 Vigilien

 

3 Bann ym Misbrauch gar 8 Seel Messen

 

 9 Jargezeit

 

4 Fegfeur 10 Vier wochen

 

 

[ 1 So (1.) c aus V 1/2 So — gepredigt rh 4 vberal, Wir aber treiben solche stuck mit allem vleis 7 aüch o 8 wie steht über wi        vnd raum rh 9 so nach 11 Ablas Confessionalia rh, darüber, auch durchgestrichen: Bütter briefe 12 Opffer Messen c aus opffer messen]

 

 

 

[Seite 348a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 348b

 

11 Seel bad 22 Glocken teüffen mit 200 gefat

 

12 Heiligen dien̂st, der ett       tern an einem strick

 

      liche nie geborn 23 Vnterscheid der speise }

 

13 Heiligen feyr, on masse 24 Vnterscheid der tage } als nottig

 

14 Maria eine gemeine 25 Vnterscheid der kleider }

 

      Abgottin gemacht 26 Gezwüngen sieben zeit odder

 

      mit vnzelichem       hore Canonicȩ

 

      dienst, feyr, fasten 27 Sontags procession ein̂ schawspiel

 

      gesenge, Antiphen &c. 28 Die letzte ol¨ung zum tod, nicht

 

15 Butter briefe,       zur gesundheit

 

16 Heiligthum vn zelich 29 Sacramen̂t der ehe

 

      mit lugen 30 Sacramēt der priesterschafft

 

17 Bruderschafften vnzelich 31 Sacrament der fermlung

 

18 Ehelos leben 32 Accoliten }

 

[Sp. 2] 19 kirchen weyhen } 33 Tonsurist }

 

20 Altar weyhen } mit ablas 34 lectores } weihen zü keinē ampt allein zur freyheit

 

21 Bilder Weyhen } 35 Subdiacon }

 

 

[ 3 geborn als 14 Ehelos ferlich]

 

 

 

[Seite 349a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 349b

 

36 Brigitten gebett

 

37 Vnd der gleichen on zal

 

      vnd allerley bet búcher vol

 

      mit lesterlichen, schendlichen

 

      Gotts vnehren

 

[Bl. 37a Sp. 1] Platten Reüchfas

 

Caseln Taüffstein

 

Alben Monstrantz

 

korhembd Ciborium

 

Kappen { kelch

 

Kirchen { Orgeln

 

Capellen { Glocken

 

Altaria { Weyhwasser

 

Altartücher {  Weyh saltz

 

Liechter { Würtz

 

Leuchter { Vnd allerley speise

 

Bilder {

 

Tafeln { [Bl. 37a Sp. 2] Jn der fasten

 

Crücifix { Asscher Mittwoch

 

kertzen Hunger tuch

 

Fanen Bilde verhüllen

 

 

[ 18 Jn der c aus Jnder]

 

 

 

[Seite 350a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 350b

 

Fasten halten, ausgenomen die pfaffen,

 

Litania der heiligen

 

Marien gesang des abends

 

Beicht marter

 

Busse vnd gnugthun

 

Lange preces

 

Palmen Esel

 

Palmen schiessen

 

Palmen schlucken

 

Palmen Creutzlin

 

Zwingen zur beicht

 

Zwingen zum sacrament

 

Creutz kussen vnd anbeten

 

Creutz begraben

 

Halbe Messe am stillen freytag

 

Beym grabe Psalter singen

 

finster Metten

 

Nicht Leuten̂, Aber klappern

 

Passio predigen 8 stunde

 

feur weyhen̂

 

Oster kertzen

 

Creutz aus dem grab heben

 

vnd spilen tragen

 

[Bl. 37b Sp. 1] Fladen weyhen am ostertage,

 

S Marx procession }

 

Creutz wochen } beides gut zu aller vnzucht

 

Himel fart zur None

 

Heiligen geist am pfinstag

 

Processio corp Chr̄ī

 

Assumptio b Virg

 

Kirchweyh

 

Patron fest

 

Gemeind wochen

 

S burkards fest

 

Quatter temper

 

Aller heiligen fest

 

Aller seelen tag

 

S Martens gans

 

Adüen̂t mehr

 

      marie denn Chrō zu dienst

 

Rorate Messe

 

Conceptio b Virg

 

Drey Christ messe

 

Apparuit vnd spiel

 

Haber S Stephan

 

Johan̂s trunck

 

Liecht messz vnd Wachs marckt

 

S Agatha liecht

 

S Blasius liecht

 

 

 

[Sp. 2] Jch wil hie auff horen, denn  wer vermags alles zu erzelen ynn sol  cher kurtze? Wil man aber nicht friede  haben, so kan ichs (, odder ein ander  besser) noch wol weiter zelen̂, auff das  die lieben Tumherrn vnd bischoffe nicht  dencken, die Munche haben allein

 

[ 2 Virgn 9 Palmenk 11 Adüen̂t Ma 15 Unter Halbe —freytag: fewr weih 16 spiel steht übertan̂tz 19 vnd o 25/26 zu c aus zur 26 weiter aus 27 Tumherrn c aus tumhern]

 

 

 

[Seite 351a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 351b

 gesun diget, vnd sie seien das reine ketzlin Nicht also, Jch hab auff dis mal, nicht  mehr wollen anzeigen̂, denn was allein̂ ynn den pfarkirchen ist ym brauch gewesen  welche doch, das geringste stuck [Bl. 38a] ynn ewrem regiment, vnd vber alle  masse veracht gewest sin̂d, welche yhr auch mit fussen getretten habt Solt ich  aber ynn die stifft kirchen, Tümbkirchen official heuser, kloster vnd predigstul,  komen, Vnd darnach auff die bettel Munch, Station̂ierer Zuletzt vnter die  Sophisten ynn den hohen schulen, Hilff Gott, mich wundert nichts, das yhr  solch grundlosze grewel vergesset vnd euch nü sucht zu schmucken, Hab ichs doch

 

[ 1 hab hie hiemit, noch nicht angezeiget, was Munche, stifft, kloster 4 gewest ist sin̂d als die        über als die steht welche        welche rh 5 Tümbkirchen c aus Tümkirchen 7 ynn — schulen rh 8 grewel steht über vngluck        Nach nü: sucht zü o        sucht zu rh        schmucken c aus schmuckt        Hab c aus V]

 

 

 

[Seite 352a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 352b

 selbs, (bey dem lieben Gott) vergessen vnd nicht gemeinet das yhr da sesset,  da ich euch itzt sehe sitzen, O nu schweigt, vmb Gotts willen, vnd bessert euch  Es, wird sonst bose mit euch werden

 

Wol ists war, das vnter obgezeleten stucken ettliche sind, die nicht zu  verwerffen sind, vnd derselbigen ettliche sind gefallen, die ich nicht wolt das  sie gefallen weren, kön̂n̂en aber wol leichtlich widder auffkomen, Vnd ist  darinn das aller best, das seine Latinsche gesang de tempore da sind blieben,  wie wol sie dennoch von den newen heiligen gesengen fast vberteubet, vnd  auch schier nichts gelten Doch behalten wir sie fest vnd gefallen vns von hertzen  wol Vnd das ich kurtz meine meinūg sage, So ist das die Summa dauon

 

[Bl. 38b] Wenn man solche stucke hette lassen bleiben ein kinder spiel fur die  iugent vnd iunge schuler damit sie hetten ein kindlich bilde gehabt Christlicher  lere vnd lebens, wie man doch mus kindern, tocken, Puppen, pferde, vnd ander  kinder werg furgeben, Vnd were bey dem brauch blieben, wie man die kinder  leret S. Niclas vnd dem Christkin̂d fassten, das sie sollen yhn des nachts

 

[ 1 vergessen vnd rh 3 bose — werden steht über auff mein theur heiliges Creutz, dreck regen 5 derselbigen ettliche rh        sind (2.) yhr ettliche 6/7 ist darinn steht über sonderlich ist das 7 de tempore rh 8 heiligen gesengen rh 12 ein b 13 pferde steht über rosslin 14 werg haben        furgeben rh 15 fassten, das sie so]

 

 

 

[Seite 353a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 353b

 bescheren, wie sichs lesst ansehen, das vnser vorfaren haben gemein̂et, So were  es wol zu leiden, das man Palm Esel, himelfart, vnd der gleichen viel liesse  gehen vnd geschehen denn da were kein gewissen mit verwirret

 

Aber das wir allte narren, ynn Bisschoffs hueten vnd geistlichem  gepren̂ge daher gehen vnd machen ernst draus, Ja nicht allein ernst, sondern  artickel des glaubens, das es sunde mus sein, vnd die gewissen martern wer  solch kinderspiel nicht anbettet das ist der teuffel selbs Daraus folget denn,  das alle obgenante stucke, wie kindisch vnd lecherlich sie sind, dennoch mit  ernst, den Christlichen glauben vnd die rechten notigen stuck, so ob angezeigt  sturmen, vnd verderben, als were sonst kein hulffe, man hette denn solchs  gehalten Denn wir leyder wol erfaren, bis her [Bl. 39a] das man solch  kinder vnd narren spiel, hat mehr vnd ernstlicher getrieben (vnd noch) denn  eben die rechten heubtstuck, So sind wir nu der mey nung, konnen wir solch  kinderspiel die leidlich sind helffen erhalten vmb der iugent willen on nachteil,  der rechten ernsten heubt stuck, so wollen wirs gerne thun, Aber, das wir  sie fur artickel des glaubens solten halten vnd auch ynn bischoffs hǔeten  narrare, da wird nicht aǔs, zǔrn vnd lache, wer da wil.

 

[ 2 liesse c aus liessen 3 denn — verwirret rh 5 draus, dazu 6 vnd — martern rh        wer d. 7 das — selbs rh 9 vnd — angezeigt rh 11 gehalten Sonst wo du k Darumb hab ich 13 nu o 14 die — sind rh        vmb — willen rh 16 sie fur rh 17 narrare mit Strich durchs n]

 

 

 

[Seite 354a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 354b

 

Dis wil ich auff dis mal, euch lieben herrn, zur freündlichen vnd  trewen vermanūg an̂gezeigt haben, mit allerhohstem vleis bittend, yhr woltet  sampt vns, Gott ernstlich anrǔffen das er euch gn̂ade vnd weisheit verleyhe,  ynn diesen grossen sachen, thun vnd handeln, das sein ehre vnd vn̂ser aller  heil sey, Vnd wollet ia da fur sein, das yhr eüch nicht schmücket, noch ewr  vorige mishandlung entschuldigt verteydingt, odder mit gewalt faret Denn  was hilffts, das yhr noch mehr bose blüt ym volck machet, Die hertzen sin̂d  bereit vnd nicht on redlich vrsachen allzu hoch erbittert, das wol not thut,  mit demütigem bekentnis vnd statlicher besserung die selbigen, zu lin̂dern,  senfften vnd stillen, vnd nicht weiter zerren vnd reissen [Bl. 39b] denn yhr  wisset, (wenn schon kein Euangelion were.) das ewr wesen vnd stand, auch  widder ewr eigen rechte, aüs der massen vnd zu viel, gefallen vnd verderbt  ligt, das sichs nicht leiden wird, mit dem kopff hindürch wollen.

 

¶ So wisset yhr auch wol, das Bapst Adrianus durch seinen legaten zu  Nǔrmberg, selbs bekant, das der Romissche stuel viel iamers vrsache were, vnd  erbot sich zur besserung, Warumb wolt yhr euch denn solchs zu bekennen

 

[ 1 freündlichen c aus freündlichem 4 grossen rh        vnd (1.) sch 5 ia o 6 entschuldigt c aus entschuldigen        entschuldigt odder        odder — faret rh 8 vnd — vrsachen rh 13 wird, hie        hindürch reissen        wollen stand ursprünglich hinter hie]

 

 

 

[Seite 355a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 355b

 schemen, vnd dazu noch steyff auff ewrem stoltz beharren, nichts weichen noch  reumen, sondern alles mit gewalt haben, vngeacht, ob besserung odder ergerung  draus folget, Denn yhr wisset, odder solt ia wissen, das christlich regiment  odder gewalt nicht zu verderben sondern zu bessern, von Gott eingesetzt ist,  wie Paulus sagt, Vnd sol nicht eine tyranney sondern ein dien̂st sein̂, So  künden wir, als denn euch bey dem volck widderumb helffen heben. Denn  ich halt doch, yhr werdet der Lutherischen, als der frumen ketzer, auffs wenigst  yhrs gebets, nicht wol emperen konnen, solt yhr anders ettwas bestendiges ausrichten,  Werdet yhr aber mit gewalt faren steyff vnd halstarrig hindurch  wollen (da Gott fur sey) So bezeuge ich hie mit, sampt allen die mit mir  gleuben, fur Gott vnd aller wellt, das vnser schuld nicht ist, wo [Bl. 40a]  euch ewr stoltz feylen würd, das yhr zu drummern gehet, Ewr blut sey auff  ewrem kopff, Wir sind vnd wollen vnschuldig sein, an ewrem blut vnd verdamnis,  als die wir euch ewr missethat, gnügsam an̂gezeit, trewlich vermanet  zur busse hertzlich gebeten, vnd zü allem, das zu friden dienet, auffs hohest  erboten̂, Vnd nichts anders gesucht noch begert, denn den einigen trost, vnser  seelen, das freye rein̂e Euangelion, Also das wir mit gutem gewissen rhumen

 

[ 1 beharren steht über stehen        noch (2.) ein 7 werdet c aus werden 7/8 auffs —gebets rh 9 faren vnd 13 kopff, vnser 15 zur busse rh        hertzlich c aus hetzlich]

 

 

 

[Seite 356a]

 

 

[An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 356b

 mugen, Der mangel sey an vns nicht gewesen        Aber Gott des friedens vnd  trostes, gebe eüch seinen geist der euch weise vnd fǔre zu aller warheit, durch  vnsern lieben herrn̄ Jhesum Christum, Dem sey lob vnd danck fur alle seine  vnaussprechliche gnade vnd gaben ynn Ewigkeit Am|en

 

[ 4 Am|en Lieben herrñ, Lasst vns nicht vergeblich schreien]

 

 

 

[Seite 268b]

 

 

 

[Bl. Aij]

An die gantze geistligkeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanung Martini Luther. 1530

 

[Seite 268b] [An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 268a

 

 

 

 

[Anfang]

Gnade und friede von Gott unserm vater und dem Herrn Jhesu Christo.  Wie wol wir (lieben Herrn) nicht gebueret auff diesen Reichstag personlich  zu erscheinen, Und ob ich gleich erscheinen mueste odder solte,  doch nichts nutze da sein kundte, als an dem jnn solcher pracht und gescheffte  nichts gelegen sein wuerde, So hab ich mir doch furgenomen, uber meine  geistliche gegenwertigkeit (die ich mit gantzem meinem hertzen, durch gebet und  flehen zu meinem Gott vleissig und redlich mit Gottes hulffe beweisen wil)  auch schrifftlich und mit dieser meiner stummen und schwachen botschafft  unter euch sein.

 

Und das darumb, das mich mein gewissen treibet, euch alle sampt  freundlich und hertzlich zu bitten, zu flehen und zu ermanen, das jhr diesen

 

[ 25 stummen] stümmen (d. i. Stimme) C]

 

 

 

[Seite 269b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanūg Martin̂i Luther.] 269a

 Reichstag nicht verseumet noch vergeblich missebraucht, Denn Gott gibt euch  gnade, raum, zeit und ursache, durch unsern aller gnedigsten Herrn Keiser  Carolo, mit diesem Reichstag viel und gros guts zu schaffen und auszurichten,  so jhr allein woltet, Und spricht freilich itzt, wie S. Paulus redet .2. Corinth. 6:  [2. Kor. 6, 1 f.] ‘Jch vermane euch, das jhr die gnade Gottes nicht vergeblich empfahet, Denn  er spricht: Jch habe dich jnn der genemen zeit erhoeret und habe dir am tage  des heils geholffen, Sehet, itzt ist eine angeneme zeit und ein tag des heils’,  fur euch am aller meisten, Und wir sehen und hoeren, wie aller menschen  hertzen auff diesen Reichstag gaffen und warten, mit grosser hoffnung, Es  solle gut werden.

 

Solt aber dieser Reichstag (da Gott gnediglich fur sey) on ende zurgehen  und nicht etwas redlichs ausgericht werden, Und alle welt nu lange  zeit her mit Reichstagen und Concilijs vertroestet und auffgezogen1, und alle  hoffnung gefeilet und umbsonst gewest, ist zubesorgen, es wuerde ein verzweiueln  daraus komen, und jederman wuerde des vertroestens und harrens  allzu muede werden, und das vergebliche lange gaffen ungedult und boese blut  machen2, Denn es kan und mag lenger so nicht stehen, wie es itzt stehet,

 

[ 20 gůt F]

 

 

 

[Seite 270b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 270a

sonderlich mit euch selbs und mit ewrem stande und wesen, das wisset und  fuelet jhr besser, denn ich euch sagen kan, So thue ich auch hiemit was ich  thue, euch zum besten, umb friede und einigkeit willen.

 

Ob aber etliche villeicht hierinn meine vermessenheit wolten saur ansehen  und furgeben: Wer darff dein? wer hat deins vermanens odder schreibens jhe  begerd? Es sind so viel gelerter und frumer leute hie, die der sachen besser  zu raten wissen, denn du narr, &c.. Wolan, das wil ich gerne gleuben,  Und Gott helffe, das alles also war sey, Jch wil zewarten1 meine vermessenheit  gerne gestrafft und verdampt haben. Aber noch ist das auch war: Man  kan des guten nicht zu viel thun2, und hat offt ein Narr bessern rat geben,  denn viel weisen, Und widderumb: [Bl. A iij] weise leute gemeiniglich den  grossesten schaden auff erden gethan, sonderlich, wenn sie sich auff jhre weisheit

 

 

 

[Seite 271b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 271a

verlassen und nicht auch mit Gottes furcht gehandelt und mit demuetigem  hertzen umb Goettliche huelffe und gnade gebeten haben.

 

Dauon alle Historien vol exempel sind, beide jnn der schrifft und ausser  der schrifft, Und wenn sonst kein ander exempel furhanden were, mocht man  es wol an ewrem eigen exempel spueren, denn ihr habt nu bey zehen iaren  jnn dieser sachen ewer weisheit wol versucht, mit so viel Reichstagen, mit so  viel ratschlahen, mit so viel tuecken und practiken, mit so viel vertroestung  und hoffnung, ia auch mit gewalt und zorn, mit mord und straff, das ich  mein wunder und iamer an euch gesehen, noch hats nirgent dahin gewolt, da  jhrs gern hin hettet, Das macht alles, das die weisheit on Gottes furcht  und demuetiges gebet durch sich selbs hat wollen solche hohe, grosse sachen  meistern, und ist druber zu schanden worden jnn jhrer vermessenheit, Und  werdet jhr euch noch nicht furchten und demuetigen fur Gott, das jhr das  drewen und die rachgyr nach lasset und Gott mit ernst umb huelffe und rat  bittet, so solt jhr doch nichts ausrichten, und weret jhr gleich all zumal so  [1. Petri 5, 5] weise als Koenig Salomo, Denn da stehet die schrifft 1. Petri. 5: ‘Gott  widderstehet den hoffertigen, Aber den demuetigen gibt er seine gnade.’

 

Wir aber auff unser seiten beten mit vleis und wissen auch die rechte  weise zu beten, von Gottes gnaden, Sind auch gewis, das unser gebet angeneme

 

 

 

[Seite 272b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 272a

und fur uns erhoeret wird, welchs alles beides (sorge ich) auff ewrem teil  wenig thun muegen, Und haben auch nu angefangen mit ernst fur euch zu  bitten, das doch Gott der almechtige ein mal wolte ewer hertzen erleuchten  und bewegen, sein wort zu furchten und demuetiglich gegen jhm zu handeln.  Angeneme ist solch gebet fur uns, das wissen wir, Aber Gott helff, das ihr  nicht halstarrig dawidder euch setzt, und unser gebet sich widder keren muesse  jnn unsern bosem, als bey euch verloren und veracht.1 Denn wir sehen, das  der Teuffel mit dem Tuercken herzu wil, und erregt dazu eine rotten nach der  andern, und wolts gern alles zu boden stossen, Soltet jhr denn auch noch  verstockt und halstarrig bleiben wie bisher, das were doch zu viel und allerding  untreglich.

 

Und auffs erst, So durfft jhr von meinen und meiner gleichen wegen  nichts handeln, denn der rechte helffer und Ratherr hat uns und unser sachen  so weit bracht und dahin gesetzt, da sie bleiben sol und da wirs auch lassen  wollen, Das wir fur uns keines Reichstages, keines rates, keines meisterns  bedurffen, dazu auch von euch nicht haben wollen, als die wir wissen, das  ihrs nicht besser, ia nicht so gut zu machen vermuegt, Denn wir komen gleich

 

 

 

[Seite 273b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 273a

 unter Tuercken odder Tattern, unter Bapst odder Teuffel, so stehet unser sache  gewis, das wir wissen, wie wir gleuben und leben, wie wir leren und thun,  wie wir leiden und beten, wie wir genesen und sterben, wo wir alles gewarten,  holen und finden und wo wir endlich bleiben sollen, nach dem wort S. Pauli  [Röm. 8, 28] Roma. 8: ‘Den ausserweleten schaffet der geist alle ding zu jhrem besten.’  Solchs hat [Bl. A4] uns Gott reichlich gegeben durch Christum Jhesum unsern  Herrn, und ist bereit an1 durch vieler frumer leut blut und marter (von  [Phil. 3, 16] ewrem teil getoedtet) bekand und bestetigt, Nicht das wir volkomen seien und  alles erlangt hetten, sondern das wir die rechten regel (wie Sanct Paulus  redet), den rechten weg und den rechten anfang fur uns haben und an der  lere ia nichts mangelt, das leben sey gleich wie es mag.

 

Aber fur euch und fur das arme volck, so noch unter euch gantz unbericht  oder jhe ungewis ist, da sorgen wir fur und wolten jhe gerne hie helffen mit  beten und vermanen, das beste wir kundten, Denn ich furchte mir ubel, das  jhr ewrs ampts und der demut gegen Gott vergessen und die seyten zu hart  spannen2, und das willig pferd zu seer reiten werdet3, damit widderumb etwa  sich eine auffrur erhebe, das beide wir mit euch jnn iamer und not komen,

 

[ 18 Bapst] Baepst F2]

 

 

 

[Seite 274b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 274a

 wie vormals geschehen. Denn jhr wisset noch wol on allen zweiuel, wie vor  der auffrur der Speirissche Reichstag mit so herrlicher, troestlicher hoffnung  ausgeschrieben ward1, das alle welt mit grosser gyr gaffet und hertzlich  wartet, es solte da gut werden. Aber ewr ratschlag war da voller weisheit  und verschuffs2, das der selbige Reichstag stumpff3, schimpflich und schendlich  ward abgekundigt4, Da kam auch flugs darauff die rute, nemlich der Muntzer  mit der auffrur, und gab euch einen schilling5, den jhr noch nicht uberwunden  habt, und wir leider noch grossern schaden davon haben.

 

Das heisst alles mit gewalt und eigen sinn gefaren, Also zu Wormbs  muste das Edle blut, unser lieber herr Keiser Carol thun, was jhr woltet,  und mich mit meiner gantzen lere verdamnen, welche jhr doch nu bisher selbs  jnn vielen stuecken habt heimlich angenomen und brauchet, Und ewer Prediger

 

[ 26 brauchē F2]

 

 

 

[Seite 275b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 275a

 hetten jtzt nichts zu predigen, wo des Luthers buecher nicht weren, Denn jhr  Sermon buechlin, und was vorzeiten auff der Cantzel das geschrey war, lassen  sie fein unter der banck ligen und fahen an, widder uns vom glauben und  guten wercken zu predigen und der gleichen, davon man vorhin nichts hoerete  noch wuste, Uber das erzwunget jhr dazu mal ein gebot, so grewlich, uber  die Lutherisschen zu toedten, das jhrs darnach selbst nicht halten noch leiden  mochtet, und muste zu Nurmberg auff dem Reichstag geendert werden1, Und  etliche Fuersten von jhn selbs dasselbige verbieten musten, wolten sie nicht  selbs mit land und leuten jnn fahr sitzen.

 

Dis erzele ich, nicht euch zum hon odder spot (denn ich bin sonst2 alzu  hoch an euch gerochen), sondern euch hertzlich zu bitten und trewlich zu vermanen,  das jhr doch an ewer eigen erfarung und unglueck lernen woltet, hinfuerder  das trotzen und drewen, gewalt und pochen zu lassen und gegen Gott  mit furcht und demut zu handeln, und hindan gesetzt ewer vermessenheit, seine  huelff und gnade mit ernstlichem gebet zu suchen, Warlich, warlich, die sachen  sind zu gros, Menschliche weisheit und gewalt ist viel zu geringe dazu, Gott

 

[ 23 moechtet F2 27/28 ermanen F2]

 

 

 

[Seite 276b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 276a

mus helffen, sonst wird uber erger, das ist gewis, Denn so jhr auff ewrem  trotz und pochen beharren wolt, so solt jhr wissen, das des Muentzers geist  auch noch lebt, und meins besorgens mechtiger und ferlicher, [Bl. B 1] denn jhr  gleuben odder itzt begreiffen kuend, Es gilt euch mehr denn uns, wie wol er  uns feinder ist denn euch, Aber wir haben einen trotz1 widder jhn, Gott  sey lob jnn ewigkeit, wolt Gott, jhr hettet den selbigen auch, nemlich das  reine wort und rechtschaffen gebet.

 

So wisset jhr auch, wie trewlich und fest wir gehalten haben widder  alle rotten geister. Und wenn ich rhuemen thuerst, so wolt ich schier sagen,  wir weren ewr schutzherrn gewest, und sey unser geschefft, das jhr bisher seid  blieben, was jhr noch seid, Und hetten wir gethan2, ich sorge warlich, ewr  Gelerten weren der sachen zu schwach gewesen, und solten euch die Schwermer  und rotten bald ein anders geleret haben, derhalben sind sie uns auch  feinder denn euch und schueldigen uns, als die zu Creutz kriechen und widderruffen,  Das muessen wir leiden und das sprichwort erfaren: Wer dem andern

 

 

 

[Seite 277b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 277a

 vom galgen hilfft, den brecht der selb gern hinan1, Die rotten buben hetten  nicht wissen ein einiges stueck widder den Bapst an zu greiffen, Nu sie aber  durch unser huelff los worden sind und essen unser brod, tretten sie uns mit  [Joh. 13, 18] fuessen, wie Christus sagt von seinem verrheter Juda.

 

Es werden aber etliche hie sagen: Ja, das ist alles dein schuld, du  hasts angefangen, und das sind deiner lere fruechte &c.. Wolan, das mus  ich leiden, weis wol, das man mir solchs nach sagt, Aber widderumb weis  ich viel frumer leute unter euch, die da wissen, das nicht war ist, So stehet  das werck alda am tage, meine starcken zeugen, das die rotten geister meine lere  allzeit veracht und hoeher verfolgt haben denn ewr lere, Und ich habe mich  auch stercker muessen gegen sie setzen und herter weren, denn ich widder den  Bapst jhe gethan, Wie kans denn aus meiner lere komen sein? oder warumb  ist nicht solch unlust entstanden bey den meinen, da ich selbs teglich gepredigt  und geleret, da es doch am ersten und hoehesten solt ubel zu gehen, wo aus  meiner lere solch unrat komen solt?

 

Habt jhr aber vergessen, das der Deudsch Adel zu Wormbs bey vierhundert  stuecken Keiserlicher Maiestet fuer trug, darinn sie sich beklagten von

 

[ 30 entstanden] erstanden F 34/321, 1 von der] von den H]

 

 

 

[Seite 278b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 278a

 der geistlichen1 beschweret2, und sagten frey heraus: Wo Keiserliche Maiestet  nicht wolt solchs abschaffen, so wolten sie es selbs thun, denn sie kuendtens  nicht lenger leiden, Wie duenckt euch? Wo das were angegangen (wie es  denn die auffruerer darnach anfiengen) und were nur ein p̂diger auff  gestanden, der dazu geraten hette, Wo woltet jhr geistlichen jtzt sein? Jn  bus Correptam!3 Nu war doch dazu mal meine lere jm schwang und hatte  mit keiner auffrur angefangen odder bis daher gelauffen, Sondern die leute  fein geleret, friede zu halten und der Oberkeit zu gehorchen, Und wo sie  nicht gewest were, hetten gewislich der geistlichen beschwerung sollen ein recht  spiel anrichten, Nu mus es meine lere gethan haben, Aber solcher danck  gebuert mir, Beger auch keines andern, So ists allen Propheten und Aposteln  und Christo selbs gangen.

 

Jtem, habt jhr auch vergessen, wie zum ersten meine lere fast bey euch  allen so ein koestlich ding war? da alle Bisschoff gar gerne sahen, das dem  [Bl. B ij] Bapst (der die stifft zu hart antastet) seiner tyranney ein wenig

 

[ 15 beschwerung F 16 kundens (Indikativ?) H 20 schwang] schwancz E 25 So] Also E]

 

 

 

[Seite 279b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 279a

 gesteuret wuerde, Da kundten sie mir fein zu sehen, horchen, stille sitzen und  lauren, wie sie jhr Bisschoffliche oeberkeit widder gantz kriegen moechten, Da  war der Luther ein feiner lerer, der das Ablas so redlich angreiff, Denn  dazu mal musten die Bisschoffe und Pfarherr leiden, das ein Muench odder  ein frembder, boeser bube mit den Ablas briefen jnn seinem stifft und pfarr,  durch und durch, eine schendliche schinderey1 treib, und thurste nicht da widder  mucken, Hie war kein Doctor jnn allen hohen schulen odder kloestern, der  solchem unflat hette wissen noch thueren begegenen, Und war Luther das liebe  kind2, und fegete die stifft und pfarren von solchem treudel marckt, Und hielt  den Bisschoffen den steigreiff3, das sie widder auff sessen, und warff dem  Bapst einen bloch jnn weg4, Warumb war das auch nicht auffruerisch bey euch?

 

Und hernach, da ich das klosterleben angreiff und der Muenche nu weniger  worden sind, hab ich noch keinen Bisschoff odder Pfarher hoeren drueber weinen,  Und weis, das den Bisschoffen und Pfarherr nie kein groesser dienst ist geschehen,  denn das sie der Muenche also los worden sind, Vnd besorge fuer war, Es  werde jtzt zu Augsburg kaum jemand sein, der sich der Muenche werde

 

[ 20 mal fehlt C 23 reden G 29 pfarhern F]

 

 

 

[Seite 280b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 280a

annemen und bitten, das sie widder zu vorigem stande komen1, Ja die  Bisschoffe werden es nicht leiden, das solche wantzken und leuse widderumb  solten In jhren peltz gesetzt werden2, Sind fro, das ich jhren peltz so rein  gelauset habe3, Wie wol doch, die warheit zu sagen, die Muenche musten die  kirchen regirn unter dem Bapst, und die Bischoffe nichts dazu thetten, denn  liessen sich Juncker heissen, Nu habe ich doch die Muenche nicht mit auffrhur  zerstoeret, sondern mit meiner lere, Und gefellet den Bischoffen wol, Hettens  auch mit aller koenige gewalt noch mit aller hohen schulen kunst nicht vermocht  zu thun, Warumb halten sie denn das auch nicht fuer auffruerisch?  Ey, es gefellet jhn zu wol, das die Muenche herunter sind und damit dem  Bapst schier ein gantze hand ab ist, Und wissens doch dem Luther keinen danck,  des lere sie so herrlich brauchen jnn diesem stueck.

 

Und weil ich eben drauff kome, das man vergessen hat, wie es dazu  mal stund jnn der welt, ehe meine lere anfieng, und nu niemand wil nie

 

 

 

[Seite 281b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 281a

 nichts ubels gethan haben, So mus ich die alten larven1 erfuer zihen und  den geistlichen jhre vergessene tugent fuer die augen stellen, damit sie sehen  odder widder dran gedencken, was jnn der welt solt worden sein, wo unser  Euangelion nicht komen were, Und wir auch zu unserm trost sehen, wie  manchfeltige herrliche frucht das wort Gottes gethan habe. Und wollen  anfahen eben an dem, da meine lere anfieng, nemlich vom Ablas.

 

Vom Ablas.

Wenn unser Euangelion sonst nichts gethan hette denn dis stueck, das es  die gewissen von dem schendlichen grewel und abgot des Ablas erloeset  hat, so solt man doch dran kennen, das es Gottes wort und krafft were,  Denn das mus alle welt be-[Bl. B iij]kennen, das kein menschliche weisheit solchs  vermoechte, Sintemal kein Bisschoff, kein Stifft, kein Kloster, kein Doctor, kein  Hohe schule, ich selber auch nicht dazu mal, Und summa keine vernunfft, diesen  grewel verstund noch kennete, viel weniger zu steuren noch anzugreiffen wuste,  sondern mustens alles billichen und fuer gute heilsame lere gehen lassen, namen  auch die lieben Bisschoffe und Bepste getrost gelt davon und liessens weidlich  gehen, Nemlich:

 

[ 23 von E 33 liessen F2]

 

 

 

[Seite 282b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 282a

 

I. Das sie das Ablas verkaufften fuer die Goetliche gnade, so die suende  vergibt1, Dadurch denn Christus blut und tod verleugnet und verlestert wird,  sampt dem Heiligen geist und Euangelio.

 

II. Das sie die seelen dadurch aus dem fegefeur felschlich verkaufften,  zu grosser schmach Goettlicher Maiestet selbst, trug aber gelts die menge.

 

III. Das sie dadurch den Bapst zum Gott jm himel setzten, der den  Engeln gebieten kundte, der pilger seelen, so auff der Romfart sturben, gen  himel zu fueren.2

 

IIII. Das Euangelion, welchs doch das einige rechte Ablas ist, muste  schweigen jnn den kirchen fuer dem Ablas.

 

V. Das sie die gantzen wellt umb unmeslich gelt dadurch betrogen und  schunden mit unverschamptem geitz und luegen, als wolten sie widder den  Tuercken kriegen.

 

VI. Denn sie jmer die vorgegeben Ablas brieffe niderlegten3 umb der

 

[ 26 gschunden G]

 

 

 

[Seite 283b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 283a

 newen willen, und huben jmer den alten Ablas auff jnn der kirchen umb  des newen willen, und spieleten mit dem guelden jar, darnach sie gelt haben  wolten, Ja wol widder den Tuercken.

 

VII. Und ist auch die larue1 des guelden jars ein lauter geticht und  lose luegen, zu verderben den glauben Christi und das tegliche guelden jar  Christi, Und doch unzeliche tausent seelen damit verfueret und die leute gen  Rom zu lauffen schendlich generret, umb gelt und gut betrogen, mit verlorner  muehe und kost2 dazu.

 

VIII. Das sie jm Ablas verkaufften gute werck der gantzen Christenheit,  dazu die absolution, als etwas sonderlichs, welche doch das Euangelion zuvor  und jmerdar der gantzen welt umb sonst gibt, damit die gewissen vom Euangelio  und von Christo auff menschen werck verfueret wurden.

 

IX. Das sie das Ablas hoeher lobeten denn alle gute werck der liebe.

 

X. Das sie der heiligen verdienst, als ubrig fuer sie selbs, zum schatz  des Ablas legten, als were Christus leiden nicht gnugsam zur vergebung  auch aller suenden, welchs aber mal den glauben an Christum verderbet.

 

[ 26 etwas] etwan BCH]

 

 

 

[Seite 284b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 284a

 

XI. Das sie zu letzt das Ablas so hoch huben, das sie lereten: wenn  gleich jemand die mutter Gottes beschlaffen hette, so were es durchs Ablas  vergeben.1

 

XII. Das sie lereten, wenn der pfennig jnn den kasten kluenge, so fuere  die seele gen himel.2

 

XIII. Das man nicht rew und leide haben duerfft, das Ablas zu erlangen,  Es were gnug, das man jtzt das gelt einlegte.

 

XIIII. Das Sanct Peter selbs nicht groesser gnade geben kundte, denn  das Ablas war.

 

[Bl. B 4] XV. Wo ist nu das unmesliche gelt, schatz und gut hin komen,  das durchs Ablas so lange her gestolen und so schendlich erworben ist?

 

Summa: Wer wil alle die grewel erzelen, die allein das Ablas In  allen stifften, kloestern, kirchen, kapellen, klausen, altaren, bildern, tafeln, ja  fast In allen heusern und kamern und wo nur gelt war, als ein rechter  gewaltiger abgot gestifft hat? Man mueste von newen an die buecher lesen,  die bey zehen jaren da widder geschrieben sind. Nu sagt an, lieben herren,  An dieser unaussprechlicher dieberey und reuberey des gelts, und an solcher

 

 

 

[Seite 285b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 285a

 unbegreifflichen menge der verfuereten hertzen und gewissen, und an solcher  aller erschrockenlicher grewlicher luegen und lesterung des leidens Christi, des  Euangelij, der gnaden und Gottes selbs, so durchs Ablas begangen ist, seid  jhr geistlichen alle sampt schueldig, nicht allein die jhr das gelt davon habt  genomen, sondern auch die jhr stille dazu geschwiegen und solchem teuffels  wueten williglich zu gesehen habt, Man sagt von auffrur, von kloester einnemen,  von Tuercken, Ja was sind solche stuecke alle sampt gegen euch Ablas  kremer allein, wenn mans nur bedencken wolt? Es ist ein recht Tuerckisch  heer gewest, gegen den rechten Christlichen glauben.

 

Welcher ist aber unter euch allen, der fuer solch erschreckliche grewel jhe  ein mal busse gethan, jhe ein mal geseufftzet odder jhe ein auge nass gemacht  hette? Ja jhr wolt jtzt als die verstockten, unpusfertigen nie kein ubels gethan  haben, kompt nu da her gen Augsburg und beredet uns, der Heilige geist  sey bey euch und werde durch euch (die jhr ewr lebtage nichts bey der Christenheit  denn schaden gethan habt) grosse ding aus richten und darnach flugs gen  himel fueren, mit allen solchen ungebuesseten, dazu verteydingten greweln, als  mueste er ewer fro werden, das jhr ewrn Gott Bauch so herrlich gedienet und  seine Kirche so jemerlich verwuestet habt, Darum habt jhr auch kein glueck,

 

[ 20 erschrecklicher BCH 32 sey fehlt E]

 

 

 

[Seite 286b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 286a

 sollet auch keins mehr haben, jhr busset denn und bessert euch. Wol an, das  ist der larven1 eine, Also stund und gienge es, ehe meine lere kam, jnn  dem stuecke. Das nu nicht mehr so stehet, ist schuld meines auffruerischen  Euangelij. Dem Ablas folget billich der ander jarmarckt, Confessionalia  genant.

 

Von den Confessionalibus.

Das waren die Butter briefe, darinn der Bapst verkaufft freyheit, butter,  kese, milch, eyer, zu essen, und macht gab, jm hause Messe zu hoeren  und sich jnn verboten gelied zu verheyraten und einen beichtvater welen, so  offt er wolt, bey leben, und jnn todes noeten, von pein und schuld zuentbinden,  und der gleichen.2 Lieber, war dis nicht auch ein lesterlicher jarmarckt  jnn aller welt, alles umbs gelt erfunden? Gerade, als hette Got  solche stuecke alle nicht vorhin durchs Euangelion aller welt frey geschenckt,  odder, als hette es Gott verboten und sie weren die Risen3, die Gottes gebot  moechten umb gelt verkeuffen. Das Euangelion muste nichts sein, und Gott  muste jhr kauffmanschafft sein. Diese schinderey, jarmarckt und lesterung ist

 

[ 22 Anckenbrieff G]

 

 

 

[Seite 287b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 287a

 auch durchs auffruerische Euan [Bl. C 1] gelion gestoertzt, aber nu alles vergessen,  und ist kein Bisschoff oder Geistlicher, dem es leid were, odder vergebunge  beduerffte fur Gott, Und hie war auch kein Bisschoff noch Doctor, der solchs  hette gestrafft, sondern alle geschwiegen und bewilliget, Wolan, wir wollen  auch zusehen, ob Gott sich so wolle effen lassen, wie sie meinen.

 

Von der Beicht.

Da sind ewr buecher noch vorhanden, darinn jhr die Beicht gesetzt und  geleret habt. Welche ich fur der grossesten plagen eine rechne auff  erden, damit jhr aller welt gewissen verwirret, so viel seelen verzweifeln  gemacht und aller menschen glauben an Christo geschwecht und gedempfft  habt, Denn jhr habt uns gar nichts vom trost der absolution gesagt, welche  das heubtstueck und das beste jnn der Beicht ist, die auch den glauben und  vertrawen an Christo stercket, Sondern ein werck habt jhr daraus gemacht,  mit geboten durch gewalt erzwungen von den unwilligen hertzen, ewr tyranney  zu stercken, und darnach engsten, martern und geisseln lassen mit erzelung  aller sunden, das ist: mit unmueglicher erbeit, ruge und friede des hertzen

 

[ 26 gedempt G]

 

 

 

[Seite 288b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 288a

 ewiglich verstoeret. Wenn wolt jhr aber solche seelen alle her widder bringen  und den moerdlichen, grundlosen schaden erstatten? Solche Beicht hat mein  Euangelion auch zu recht bracht und die bloeden gewissen widder gesterckt, Da  kein Bisschoff, Doctor noch hohe schule ichts von gewust, und jtzt widder rew  noch leide fuer solchen jamer haben.

 

Von der busse.

Das ist die grundsuppe1 und die helle selbst, Und wenn man euch alle  grewel vergeben und schencken wolte, so kan man euch doch dis stueck  nimer mehr vergeben, Dis stueck hat die helle gefuellet und das Reich Christi  greulicher verstoeret, denn der Tuerck odder die gantze welt ymer mehr thun  kan. Denn so habt jhr uns geleret, das man solle durch unser werck gnug  thun fuer die sunde, auch gegen Gott. Und das heisset die sunde gebuesset.  Der rew und beicht habt yhr nirgent so viel gegeben, wie wol jhr auch werck  daraus gemacht habt, Was ist nu das anders gesagt: du must fur deine  suende gnugthun, denn so viel: Du must Christum verleugnen, deine tauffe

 

[ 26 sol D]

 

 

 

[Seite 289b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 298a

 widderruffen, das Euangelion lestern, Gott luegen straffen, die vergebung der  sunde nicht gleuben, Christus blut und tod mit fuessen treten, den heiligen  geist schenden, durch dich selbs mit solchen tugenden gen himel faren? Ach,  wo sind hie zungen und stimmen, die hie von muegen gnugsam reden?

 

Was ist nu solcher glaube anders, denn der Tuercken und Heiden und  Jueden glaube, welche alle sampt auch wollen durch jhre werck gnug thun?  Wie ists aber mueglich, das eine seele nicht verzweifele, so sie kein andern trost  hat widder die suende, denn jhre eigen werck? Dis alles kuend jhr nicht leugnen,  Ewer buecher sind vorhanden, darinn nichts vom glauben, wedder jnn der beicht  noch busse, geleret wird, sondern eitel eigene werck, Noch ist hie kein Bisschoff  noch geistlicher, der ein threnen [Bl. C ij] liesse fuer solche gresliche, hellische  lesterung Christi, Sondern sind rein und sicher, schelten uns die weil auffruerer,  und wuergen die Ehepfaffen1, auch widder jhr eigen recht2, ergern sich,  das die Lutherischen sich nicht stellen als fasteten sie, wie sie thun, noch platten

 

[ 19 und (2.) fehlt E]

 

 

 

[Seite 290b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 290a

 tragen, Vnd trotzen dem ewigen Gott dazu, uber alle jhr unmenschliche  bosheit.

 

Aus diesem grewel sind komen, und haben auch muessen draus komen,  und ist kein weren gewest, alle ander grewel, nemlich so viel der kloester und  stifft eigen heiligkeit, mit jhrem Gottes dienst, Die opffer Messen, Fegfeur,  Vigilien, Bruderschafften, Walfarten, Ablas, Fasten, Heiligen dienst, Heiligthum,  Poltergeister1 und die gantze Procession des hellischen creutz gangs,2 Denn wie  ists anders mueglich?: wenn sich ein gewissen auff seine werck sol setzen und  [Matth. 7, 26 f.] bawen, so sitzt es auff einem losen sande, der reitet und rieset3 jmer fort  und mus werck suchen jmer eines nach dem andern, jhe lenger jhe mehr, bis  das man zu letzt den todten Muenchkappen anzoch, darinn sie solten gen himel  faren.4 Lieber Herr Gott, wie solten arme gewissen thun? Sie musten auff  werck bawen, darumb musten sie auch so jemerlich suchen und erhasschen, was  sie finden kundten, und jnn solche tieffe torheit fallen.

 

[ 21 Heilthum F]

 

 

 

[Seite 291b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 291a

 

Vber das wurden durch solche schendliche lere alle rechtschaffene gute  werck, von Gott gestifft und geordenet, veracht und gar zu nichte gemacht,  Als: Oberherr, Unterthan, Vater, Mutter, Son, Tochter, Knecht, Magd,  das hiessen nicht gute werck, gehoreten auch nicht zur busse, Sondern hies  ein weltlich wesen, ferlicher stand und verlorne werck, Also gar hat dis  stueck beide Christlich und weltlich wesen mit fuessen getretten und weder Gott  noch dem Keiser gegeben, was jhn gebuert, Sondern ein new und eigens  ertichtet, das widder dis noch das ist, Und sie selbst nicht wissen, was es ist,  weil kein Gottes wort dabey ist, wie Moses sagt, Das sie den Goettern  dienen, dere1 sie doch nicht kennen. Und das war auch nicht wunder, Denn  man zu der zeit auch das Euangelion nicht anders wuste zu predigen, denn  das man draus lernen solte exempel und gute werck, Und hat unser nie keiner  ein Euangelion gehoert, das zu trost dem gewissen, zum glauben und trawen  auff Christum, gezogen were, wie es doch billich sein solte, und wie es jtzt,  Gott lob, widder gepredigt wird, Und war also die welt jm Euangelio, doch  on Euangelion.

 

Das sie doch solch gnugthun fuer die suende hetten weislich unterscheiden,  nemlich also, das es geschehe gegen den menschen, nicht gegen Gott, wie Christus

 

[ 21 heissen E        gehorete E]

 

 

 

[Seite 292b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 292a

[Matth. 7, 12; 18, 15] Matthej am siebenden und achtzehenden anzeiget, wie es vorzeiten auch die  heiligen Veter gebraucht und die Christen, so gesuendiget hatten, liessen dafuer  gnug thun fuer der kirchen und den bruedern, wie es die wort mit bringen,  das sie zwey, drey, sieben jar haben busse auff gelegt &c.. So were Christus  doch blieben mit seinem gnugthun fuer uns jm himel, Aber hiemit weren die  Gottes dienst jnn stifften und kloestern und Ablas (wie droben gesagt) nicht  auffkomen, und were dem grossen Got Bauch nicht so viel zu gangen, Darumb  musten sie es jnn einander mengen und zu letzt al-[Bl. C iij] lein fuer Gott  hinaufftreiben1, Wie wol dieser jrthum von anfang die Christenheit, auch  durch grosse leute, als Originem, S. Hieronymum, S. Gregorium, angefochten  hat, aber nicht so gar jns regiment und zu Gottes stul komen, wie unter  dem Bapst geschehen. Denn dieser jrthum ist der eltest von anfang der  wellt gewest, wil auch wol der juengst bleiben, bis an der welt ende. Wollen  nu der selbigen erfolgeten2 etliche stueck erzelen.

 

 

 

[Seite 293b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 293a

 

 

 

 

Erstlich von der kauff Messe odder winckel Messe.

Hie wisset jhr selbs, lieben herrn, welch einen schendlichen treudel und jar  marckt jhr aus dem Sacrament gemacht habt, Das ist ewer aller gemein  handwerck gewest, das jhr teglich jnn aller welt so viel tausent Messen umb gelt  gekaufft und verkaufft habt, eine umb einen groschen, eine umb acht pfennige,  eine umb sechs pfennige &c.. Und hilfft hie kein entschueldigung noch leugnen,  Denn ob jhrs nicht einen kauffshandel habet genennet, So wisset jhr doch,  das jnn der that nichts anders denn ein kauffhandel gewest ist, Umb gelt  ists geschehen, Jst nicht gelt da gewest, so sind die Messen nach blieben.  Diese suende ist allein so grewlich, das nicht wunder were, ob Gott hette alle  welt lassen drueber zu Tuercken werden oder In abgrund versincken1, Und  meiner grossen verwunderung eine ist, das Got hat muegen so lange dulden,  Es ist ein unbegreiffliche gedult, wie wol der zorn sich nicht geseumet hat.  Wolan, das habt jhr gethan, und so ists gestanden bey euch, ehe unser Euangelion  kam, duerffet euch nicht so seer schmuecken, Es ist am tage so fast, das

 

[ 17 treudel] grempel G 20 groschen] patzen G        pfennige] rappen G 21 sechs pfennige] ein plappart, eine umb ein halben patzen G]

 

 

 

[Seite 294b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 294a

 Jtzt wollen sich ewr gelerten putzen und zihen alte Canones und Veter  spruech erfuer, das die Messe ein opffer bey jhn genennet sey. Putz dich, liebes  ketzlin1, du darffsts wol! Wenn du lange Canones und sprueche fuerest, was  hilffts? wir reden hie von den kauff messen und winckel messen, Und die  Canones reden von der gemeinen odder Communicanten Messen, und treiben  dazu hefftig auffs Communiciern, Das thun die kauffmessen nicht, Und reimen  sich mit der gemeine oder Communicant messen gleich wie eine heimliche pfaffen  hure mit einer frumen, redlichen, offentlichen braut. So gar fein wissen sie  die Canones zu fueren, die hochgelerten. Und das noch viel feiner ist: Die  alten Canones scheiden das opffern und communiciern fein von einander, so  mengen sie es noch viel feiner jnn einander, Denn jm anfang der Christenheit,  wenn man Messe halten wolt, hielten sie des alten gesetzes weise, und  brachten die Christen erstlinge auff den altar von allerley fruechten, auch von  milch, honnig, epffel und birn &c.., das opfferte denn der Priester, Wie Moses  den Jueden gebeut, Daher das ampt auch lange hernach ein opffer geheissen,

 

euch selbs dazu mal dafuer grawet, und liesset es gleich wol gehen, und muste  keine newigkeit heissen.

 

 

 

[Seite 295b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 295a

 Aber darnach gieng das Communiciern an odder Sacrament handeln, das  heissen sie nicht opffern, sondern communiciern, Aber unser kauffmessen  machen ein opffern aus dem Sacrament und lassen das communiciern faren.

 

[Bl. C4] Hie mus ich nu mit euch, lieben herrn, reden, die jhr schreiet,  man solle kein newigkeit zu lassen, Saget mir, ist die kauff messe nicht eine  schendliche newigkeit? Warumb habt jhr sie denn lassen auff komen und  schuetzet sie noch jtzt? ja, wenn jhr hettet keine newigkeit sollen zu lassen,  Lieber, was und wie viel wuerde man doch jtzt wol bey euch finden, das jnn  den alten Canonibus und Vetern stehet? Jnn eine nus schalen wolt ichs schier  fassen, so doch da gegen ewr newigkeit die wellt erfuellet hat. Jch wil wol  mehr sagen, Was ist ewr kirchen stand vor unserm Euangelio gewesen denn  eitel tegliche newigkeit, eine uber die ander, dazu mit hauffen, wie eine wolckenbruch  herein gerissen1, Da hat einer S. Annan auffgericht, der S. Christoffel,  der S. Georgen, der S. Barber, der S. Bastian, der S. Katherin, der wol  xiiij nothelffer2, Und wer wil allein solche newe heiligen dienst erzelen?

 

[ 29 Anna F 30 Barbern E Barbara BCFH Barbel G        Sebastian F1 (nur im Kustoden) G        Katharina H]

 

 

 

[Seite 296b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 296a

 Sind das nicht newigkeit? Wo waren da denn Bisschove und schreier, die  solchs nicht solten zu lassen? Also weiter: Einer richtet den rosen krantz  auff, der ander die krone Marie1, jhener den psalter Marie2, dieser zehen  pater noster steinlin an den thueren3, dieser S. Brigitten gebet4, der dis gebet,  jhener das gebet, und des on alle zal und mas, und alle buecher vol, Wo  war hie ein Bisschoff odder Doctor, der solche newigkeit doch hette ein wenig  schel angesehen?

 

Also mit den walfarten, da giengen teglich newe auff, zum Grimtal,  zur Eichen, Birn̂baum5, zu Regensburg6, Und so viel unser liebe frawen,  Es war schier keine kappelle odder altar, es wolt eine walfart daselbs auffgehen,  Und lieffen die leute, als weren sie toll7, aus dem dienst und gehorsam,

 

[ 13 auff fehlt H]

 

 

 

[Seite 297b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 297a

 das mans greiffen mocht, es were teuffels gespenst1, noch schwiegen Bisschove  und kloester und hohen schulen stille, Und were unser Euangelion nicht komen,  so were kein raum noch stet mehr zur walfart ubrig blieben. Und war das  nicht ein sonderlicher meisterlicher beschiss mit unsers Herrn Rock zu Trier2,  wie hernach die selbige schendliche luegen ist offenbar worden? Was haben  alle Lutherische newigkeit gethan gegen diesem einigen betrug und schalckeit?  Aber hie war niemand, der newigkeit beschreien odder auch anzeigen kund,  Sondern der Luther, der solche newigkeit anzeigt und strafft, der bringet  newes auff.

 

Jtem, wie teglich und mancherley vernewet sich wol das Ablas allein?  wie mancherley newe bruderschafften richten Pfaffen und Muenche auff, durch  alle handwerck, durch aller heiligen namen?3 teglich verkaufften sie briefe der  bruderschafft und gaben jhr gute werck und heiliges leben umb gelt, verkaufften  vigilien, jargezeiten, seel messen, mit gepreng umb die bahr4, Etliche erfunden  guelden messe5, etlich die funff messen6, etlich der und der art messen, die auch

 

[ 24 wie fehlt E]

 

 

 

[Seite 298b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 298a

 keine zal hatten, Davon doch freilich nichts bey den alten Vetern funden  wird. Jch wil hie schweigen des heiligthumbs, Hilff Gott, wie gieng da  newes uber newes, und darunter solche grobe, greiffliche luegen, vom heiligen  Creutz, von viel gantzen coerper einerley heiligen1, von vielen fingern eines  einigen heiligen, bis das man S. Franciscus nidderwad auch ehret2, und  frawen har fuer S. Katherin har, Summa, es war hie kein ende [Bl. D1] noch  mas, Das jhr selbst ein gelechter zu letzt daraus machtet, noch giengs  ungestrafft dahin, und kein Bisschoff sahe hie etwas newes.

 

Wenn ich aber solt auff die Cantzel und predigstuel komen, da wuerd es  erst recht grundlos werden, Da predigten die Muench teglich jhr newe gesicht,  treume und gedancken, newe wunder und exempel, Und des auch keine masse.  Es war schier kein muench, wenn er zwey oder drey iar ein prediger gewest  war, so macht er ein new sermon buch, das muste denn eine zeitlang den  predigstuel regieren, Und ward die welt solcher buecher voll, Und war doch nichts

 

[ 19 coerpern F 21 Katherina F 24 predigstul F]

 

 

 

[Seite 299b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 299a

 darinnen von Christo und dem glauben, sondern alles von unsern wercken, verdienst  und andacht, mit viel falschen schendlichen exempeln, Wenn sie aber jhr  bestes darinn theten, So war es von den heiligen anzuruffen und jhrs ordens  ja nicht vergessen, bis das sie das heilige edle mensch, die iungfrau Maria, aller  welt furbildeten als eine mitlerin der armen sunder, auch gegen jhrem son Christo  selbs, Denn wir wissen alle miteinander, und ich bin so wol darinnen gesteckt  als alle ander, das wir Mariam schlecht an Christus stat und ampt zu halten  gelert waren, Hielten Christum fur unsern zornigen Richter und Maria fur  unsern gnaden stuel, dahin all unser trost und zuflucht stund, so wir anders  nicht verzweifeln wolten1, War das nicht eine greuliche newigkeit? Wo waren  hie Bisschove, die solche newe lesterer und verrether Christi strafften? die  Christo sein ampt namen und gabens Maria, die uns lereten von Christo  fliehen und uns fur jhm fuerchten, als fuer dem stockmeister, und unser  zuversicht, die wir jhm schueldig sind, als den rechten Gottes dienst, anders  wo hin keren? Eitel Abgoetterey haben wir von den verrethern gelernt.

 

[ 17 schendlichen] schedlichen C 27 Marie F]

 

 

 

[Seite 300b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 300a

 

Dazu holffen die Doctores jnn den hohen schulen, die sonst nichts zu  thun hatten, denn newe opiniones, einer uber den andern, zu erdencken,  Und es hette einer nicht mit sonderlichen ehren muegen Doctor sein, wer nicht  etwas newes hette auff bracht, Jhr bestes aber war, das sie die heilige  schrifft verachten und unter der banck ligen liessen, Was Biblia, Biblia?  sprachen sie, Biblia ist ein Ketzer buch, Man mus die Doctores lesen, da find  man es, Jch weis, das ich hie nicht liege, denn ich bin ja unter jhn auffgewachsen,  hab solchs alles von jhn gesehen und gehoeret. Scotus schreibt,  das man aus der schrifft nicht beweisen kan diesen artikel: descendit ad inferos.1  Occam, mein lieber Meister2, schreibt, das man aus der schrifft nicht beweisen  muege, das einem menschen zum guten werck Gottes gnade not sey. Das sind  die besten zween, Was solten die andern thun? Uber diese alle gehet Thomas  Aquinas, Lerer aller lerer (sagen anders die Prediger Muenche recht)3, der  sagt frey, das Muench werden sey gleich so viel als getaufft werden4, So sol

 

[ 15 hoffen I 18 aber fehlt E 27 aller l.] vber alle l. C 28 sagt] sage E]

 

 

 

[Seite 301b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 301a

man Christus blut und sterben ehren, Noch ist das keine newigkeit, und er  ist dazu Canonisiert vom Bapst und allen Bisschoven. Summa: es war  jamer und hertzeleid, mit predigen und leren, noch schwiegen alle Bisschove  stil und sahen nichts newes, die doch jtzt eine newe mucken jnn der sonnen  sehen koennen.1 Und stund also alle ding so wuest und wilde, fuer eitel  uneinigen leren und seltzamen [Bl. Dij] newen opinion, das niemand mehr  wissen kund, was gewis odder ungewis, was ein Christ oder unchrist were.  Da lag die alte lere vom glauben Christi, von der liebe, vom gebet, vom  Creutz, vom trost jnn truebsaln gar darnider, Ja es war kein Doctor jnn  aller welt, der den gantzen Catechismum, das ist, das Vater unser, Zehen  gebot und glauben gewuest hette, Schweige, das sie jhn solten verstehen und  leren, wie er denn jtzt, Gott lob, geleret und gelernt wird, auch von iungen  kindern, Des beruffe ich mich auff alle jhre buecher, beide Theologen und  Juristen, wird man ein stueck des Catechismi daraus recht lernen koennen, so  wil ich mich redern und edern2 lassen. Noch muste dort nichts newes sein,  dis aber mus newe sein.

 

 

 

[Seite 302b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 302a

 

Ja, sprichstu, Diese stueck sind nu angenomen und jm teglichen brauch,  Aber deines ist gar newe. Lieber, sage mir, wie alt ist wol S. Annen  Abgott? wie alt ist der Rosen Crantz, die Marienkrone? Wie alt sind der  Barfussen pater noster steine an den thueren und thoren und jnn allen  winckeln? Wie alt ist die walfart gen Grimtal, Regensburg, der Rock zu  Trier und der gleichen viel mehr, waren sie nicht new fuer x, xx, xxxx iaren?  Wer hielt aber dazu mal widder die newigkeit? So lasse mein Euangelion  doch auch so lange lauffen, Was gilts, es sol auch alt werden. ‘Ja, dein  new Euangelion ist wol recht, aber es hat eine sonderliche newigkeit an sich,  die nicht leidlich ist!’ ‘Welche ist die?’ ‘Ey, es thut schaden jm beutel

 

[ 13 der Marien H]

 

 

 

[Seite 303b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 303a

und In der kuechen’, sagen die Tumherrn zu Magdeburg.1 Das laut, sprach  jhener knecht2, das were doch ein mal gut Deudsch, das kuend man verstehen.  Het ich das vor gewuest, Warumb verlieren wir denn bis her so viel wort?  Wolan, so wollen wir hie jm heimlichen Concilio schliessen, Das newe lere  heisse, was jm beutel und kuechen schaden thut, Alte lere heisse, was den beutel  und kuechen fuellet, O lieber, nu schreibe und siegel zu, wir wollens auff den  Reichstag gen Augsburg schicken und hoeren, was die Herrn dazu sagen.

 

Gott weis, das ich euch solchs zu unehren3 nicht sage, Mir ist an  ewren verderben nichts geholffen, ich wolt lieber, es stuende besser umb euch,  Aber das kuend jhr selbs wol bedencken: wo jhr solche grewel vergessen wollet,  dazu euch noch schmuecken und putzen, So werden leute vorhanden sein, die  es nicht vergessen, Und werden villeicht unsauber gnug davon handeln. Denn  solcher unverschampter frevel ist nicht zu leiden, das newigkeit heissen mueste,  was jhr wollet, Was jhr aber nicht wollet, mueste nicht newigkeit heissen, zu  unterdrucken die warheit widder ewr eigen gewissen. Darueber wuerden wir

 

 

 

[Seite 304b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 304a

widder zum anfang der sachen komen und hernach erger mit euch werden denn  vorhin, Wie wol es erschrecklich ist, das man fur nimpt, solchen jamer zu  bergen und sich darueber noch rechtfertigen und andere lestern und verfolgen,  Das wil ein zeichen sein eins verstockten unbusfertigen hertzen, und das jhr  bald zu grund gehen muesset, Sintemal keine sunde Gott hoeher beleidigt und  verdreust, denn so man offentliche bosheit leugnen, schmuecken und bergen wil,  [1. Mose 4, 9, 1. Sam. 15, 13 ff.] wie Cain und Saul theten. Nicht so, lieben Herrn, thut nicht so, ewr doch  etliche, gebt Gott die ehre, bekennet, das ihr inn solchen stuecken [Bl. D iij] ubel  gethan habt, demuetigt euch, so wird er euch erhoehen, bittet, so wird ers euch  vergeben, bessert euch, so wird er euch helffen.

 

Werdet jhr aber euch nicht demuetigen, sondern solche stueck woellen vergraben,  geschwiegen, ungebuesset und ungestrafft haben, Und darueber die armen  Lutherischen noch verfolgen und inn sinn nemen sie zu dempffen, Wolan, da  woellen wir euch zu sehen, Gehet eine plage uber euch (als nicht anders sein  kan), so gedenckt daran, das jhr gnugsam gewarnet seid gewesen, Jhr solt  die ersten nicht werden, die Got uberpochen1, das weis ich fuer war, Jch  meine es ja hertzlich und trewlich, ob ich doch ewer etliche moecht bewegen,

 

 

 

[Seite 305b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 305a

 Weil ich hoffe, das noch etwa ein Lot odder zween jnn ewer Sodoma sind,  Die andern, die vnbusfertig bleiben, sollen nicht allein solche grewel nicht  erkennen, damit sie doch mehr denn tausent mal den tod verdienet haben,  sondern darueber auch die unschueldigen (so solche laster und schande nicht  woellen loben) wuergen, ertrencken, hencken, verbrennen &c.., wie sie denn  redlich thun.

 

Es wil mir jtzt zu viel dings zufallen.1 Jch wil widder auff die  winckel Messen komen Und die grewel, die mir jtzt hiebey einfallen, sparen,  bis ich sehe, wie jhr euch bessern odder euch putzen und weis boernen2 woellet  auff diesem Reichstage, So wollen wir denn komen mit ewr rechten farbe3,  und euch proficiat bieten4, ob Gott wil. Von dem jarmarckt der kauff  Messen sey dis mal gnug, Nu, wenn sie gleich nicht verkaufft, sondern auffs  beste und umb Gottes willen gehalten wuerde, dennoch leret und hieltet jhr  sie fuer ein opffer und werck, damit man Gott dienet, und beide, fuer uns  und andere, sie weren lebend odder tod, fuer die suende gnugthet, und das

 

[ 16 ewer] eyner D 18 erkennen] bekennen E 23 hiebey] dabey G 24 boernen] halten G]

 

 

 

[Seite 306b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 306a

 aller meiste fuer die todten, wie wir alle wissen, das die Messe schier gar fuer  die todten widder das fegfewer streiten must. Mein wey Bischoff, da er mich  zum Pfaffen macht1 und den kelch jnn die hand gab, sprach ja nicht anders  denn also: “Accipe potestatem sacrificandi pro vivis et mortuis,” Das uns  da die erde nicht beide verschlang, das war unrecht und alzu grosse Gottes  gedult. Die lebendigen hatten das davon, das sie gleubten, wer des tages  eine Messe sehe, der were genesen, sicher und selig, dis war der beste und  gemeineste brauch der Messen, Das koent jhr nicht leugnen, fraget drumb  alle kauffleute und was uber felt zihen muste, und alle frume burger und  burgerin inn stedten, zum wenigsten von der Rorate Messe.2

 

Jst das nicht eine erschreckliche newigkeit? Sagen nicht ewr alte  Canones Apostolorum, Niemand solle bey der Messe sein, der nicht communiciern  odder das Sacrament nicht mit empfahen wil, Hats nicht Christus  eingesetzt zu empfahen und sein dabey zu gedencken, den glauben an jhn zu  stercken, da er spricht: Solchs thut zu meinem gedechtnis, Jhr aber schweigt  solchs gedechtnis, lasst sie es nicht thun noch empfahen, leret und vermanet

 

[ 28 sol D]

 

 

 

[Seite 307b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 307a

 nicht zum glauben, wie es Christus eingesetzt hat, lassets damit bestrichen  sein1, das der beysteher habe die Messe gesehen, die jhr die weil heimlich  opffert, Und last also dem armen zuseher die luegen und falsche [Bl. D4] zuversicht  jm hertzen bleiben, als habe er wol gethan mit seinem zusehen, und  nichts uberal des sacraments, wedder leiblich noch geistlich, geneusset, wie es  doch Christus haben wil und seine Apostel nach ihm. Jch sag es noch:  Jhr klaget, das man euch stifft und kloester gueter nimpt, Man solt umb  solchs grewels und lesterlichen misbrauchs willen der Messen mit stifften  [2. Kön. 23, 15] und kloestern umb gehen, wie Josias der Koenig Juda mit den Altaren zu  Bethel umbgieng, das nicht ein stein auff dem andern bliebe, das were billich  und recht, wo jhr euch hierinn nicht bessern wollet.

 

Jhr schreiet: Was ist doch gutes aus der newen lere des Luthers komen?  Jch mus euch widder fragen: Sagt mir, Was ist auch gutes bey euch blieben?  Nicht ein stueck habt jhr unverderbet gelassen. Die Messe, unsern einigen  hoehesten schatz, habt jhr (wie gehoeret) mit unzeligen abgoettereien und grewelen  zu schanden gemacht und den rechten Christlichen brauch mit fuessen zutretten,  den glauben verstoeret und das wort geschwigen. Die Tauffe ist bey den

 

[ 27 bleibe H]

 

 

 

[Seite 308b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 308a

kindern blieben, wie wol ungeschickt und unvleissig gnug, Aber so bald das  kind erwachsen ist und zur vernunfft komen, habt jhrs flugs erwuerget, erger  denn der Tuercke thut, und jhm die tauffe widder genomen, durch ewer leidige  busse und werck lere, dadurch es lernet, seine tauffe, als durch suende nu verloren  und zu nicht worden, zu verachten, und hinfurt durch seine eigen wercke  die seligkeit zu suchen, gerade, als were die Tauffe ein vergenglich menschen  werck gewesen, gleich wie die Widderteuffer leren, und nicht ein ewiger bund  Gottes. Sagt mir hie: was ist guts bey euch blieben? Jch wil schweigen,  was guts daraus komen sey, So wir auch unser Tauffe, Sacrament, Euangelion,  Glauben und Christum fuer euch nicht haben koennen behalten, Denn  jhr nichts rechts, sondern alles widder die Tauffe, Sacrament, busse gelert  habet, das ist am tage.

 

Unter dem Tuercken ist doch das vorteil, das, wenn jemand getaufft ist,  so leret man jhn ja nicht widder seine tauffe, sondern das boese Tuerckische  wesen und exempel ist ferlich und ergerlich, Und ob man gleich widder die  Tauffe lerete, so ist gut widder zustehen, weil der Tuercke kein Christ und  bey einem Christen mit seiner lere veracht ist. Aber hie bey euch ist nicht  allein das exempel und wesen ferlich, Sondern jhr leret auch da widder und

 

 

 

[Seite 309b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 309a

stuermet mit worten und wercken da widder, und thut das unter dem namen  Christi, als die lieben veter der seelen und freunde der Tauffe, das schneit  [Ps. 52, 4] wie ein scharffes scher messer, wie der Psalm sagt, Welchs klagt auch S. Peter  [2. Petr. 2, 18] uber euch 2. Petri. 2: ‘Sie reden prechtige wort, da doch nichts hinder ist, und  reitzen durch unzucht zur fleischlichen lust die jhenigen, die RECHT ENTRUNNEN  waren und nu jm jrthum wandeln muessen’ &c.. Das gut aber, so aus meiner  lere komen ist, ist, das solche ewer grewel und lesterung alle an tag bracht  und verdampt sind, welchs alzu viel und gros gut ist, Wie wol noch viel  mehr guts teglich draus komet, wie folgen wird, Bey euch aber ist alles  gut verderbet und nichts blieben.

 

[Bl. E1] Vom Bann.

Da wisset jhr auffs erst den grossen raub und frevel, das jhr den grossen  Bann, genant Excommunicatio maior (welcher doch der weltlichen  Oberkeit zu stehet), zu euch gerissen habt, bis das Bepste sich auch unterstanden,  Keiser, Koenige und Fuersten ab zu setzen und sich selbs weltliche Keiser  zu machen. Last euch sagen, lieben Herrn, das ist nicht recht, Ewr Bann  sol der kleine heissen, der nicht die welt, sondern den himel zu schleust und  [Matth. 18, 17] von der Christenheit und Sacrament sondert, wie Christus Matth. 18. spricht:

 

 

 

[Seite 310b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 310a

[1 Kor. 5, 12] ‘Halt jhn wie einen heiden’ &c.., Und S. Paulus 1. Corin. 5: ‘Was gehen mich  an, die draussen sind’ &c.. Wenn andere stueck solten gebessert werden, so mueste  man dis auch bessern, Denn Gott gefellet kein opffer odder dienst, so vom  [Jes. 61, 18] raube koempt, wie Jsaias sagt.

 

Uber das ist der brauch des Bannes und sol der sein, das man die  offentlichen laster straffe, als raub, ehebruch, hurerey, mord, hass, wucher,  seufferey, item Ketzerey, lesterung und der gleichen, wie unser Herr Christus  [Matth. 18, 17] leret Matth. 18, das der Bann solle gehen uber die, so der Kirchen oder seiner  Gemeine nicht gehorchen wollen, So leret die Kirche ja nicht anders, denn  Gottes wort &c.. Nu sagt an, was ist guts und alts vom Bann bey euch  blieben? Was ist hie nicht newer schedlicher misbreuche auffkomen? Jch wil  schweigen, das jhr unschueldige frume leute fuer Ketzer verbannet, verflucht,  verdampt und erwuergt habt. Der Bann ist nirgent zu gebraucht, denn das  man zinse und schuld hat dadurch eingemanet1 und manchen jamer uber  arme leute angericht, Denn was die buben, Official und Commissarien hie  fuer mutwillen geuebt, das wisset jhr zum teil, und wir wollen hernach (wo  jhr auff diesen Reichstag nicht dazu thut) euch solcher tugent einen Kalender

 

 

 

[Seite 311b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 311a

 Aber an dem ort, da der Bann solte seine rechte macht und brauch  haben, das ist er gar ein lauter Ablas2 und eitel segen gewest, hat gar nicht  schneiten muegen, nemlich bey den Bisschoven, Tumherren, ja auch bey den  Bepsten und Cardinelen selbs. Hie wolt ich gerne einen Canonisten Doctor  hoeren, der mir wolt anzeigen, wie viel mal nach den Canonibus und geistlichen  rechten der Bapst, Cardinal, Bisschove, Pfaffen, stifft und kloester der  Simoney und ander untugent halben jnn Bann verdampt und verflucht sind,  Wer helt sie aber bennisch? Die Declaration stehet bey jhn Und heist also:  Jm Bann ist, wen wir wollen drinnen haben, Wen wir nicht wollen drinnen  haben, der ist nicht jm Bann. So faret fort, lieben Herrn, Wenn ewr  willen sol das recht heissen, so kan auch die Christenheit wol solcher Bisschove  und Bepste geraten.3

 

Und ich wolt gerne wissen, wo fuer man doch euch halten solt. Christen  wolt jhr nicht sein, Denn jhr wolt Christus wort und ordnung nicht leiden,

 

stellen1, das jhrs greiffen sollet, das wir ewren misbrauch hierinn verstanden  haben, und der gantzen welt anzeigen.

 

 

 

[Seite 312b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 312a

So wolt jhr Bepstisch auch nicht sein, denn jhr wolt die Canones und geistlichen  recht viel weniger halten, als sie denn auch viel schwerer zu halten  [Bl. E ij] sind denn das Euangelion, Jst aber das nicht ein seltzame newzeitung1,  das Bepstissche wollen nicht Bepstisch sein? und geben sich doch fuer  Bepstissche aus, Wollen der Kirchen gueter und regiment haben, allein zu  jhrem mutwillen, und nicht zu nutz der Kirchen, das sind ungereimpte  sachen. Wolan, so seid Epicurisch und Tuerckisch ymer hin, das seid jhr doch  gewislich, Aber weil jhr denn ja Epicurisch seid und doch so kleglich jtzt  schreiet, das man die kloester und stifft gueter so rappet2, mus ich der halben  mit euch ein heimlich freundlich gesprech halten.

 

War ists, Gefellet mir auch nicht, das man solche gueter so zu reist  und zu strewet, wie wol die Unlutherisschen am aller meisten solchs thun,  auch mehr davon haben denn die, so man Lutherisch schilt, wie das wol zu  beweisen ist, Und sonderlich gefellet mirs ubel, wo es boese buben kriegen  (wie ich wol weis), die es nicht verdienen, Denn welche erbeiten und trewlich  dienen, da wil ich kein gewissen machen, ob denen etwas davon wird. Aber  darauff wolt ich mir gern antworten lassen: weil offenbar sind zweierley  Stifft diebe und kloester reuber, welchs doch unter diesen beiden die ergesten

 

 

 

[Seite 313b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 313a

billich solten genennet werden, Als etliche eusserliche, etliche jnnerliche, Die  eusserlichen sind die boesen und unwirdigen, wie droben gesagt, Die jnnerlichen  sind die Bisschove, Tumherrn, Muenche selbs, die drinnen sitzen, nemlich, die  solche gueter zu aller untugent und unzucht missebrauchen und jhren gestifften  stand unverschampt uber treten und grosse summen gen Rom noch groessern  buben davon schicken und die stifft damit so schendlich plundern. Meinstu  nicht, die Keiser, Koenige, Fuersten und herrn, die solche Bistum und kloester  gestifft haben, wenn sie hetten damit woellen hurheuser odder den Roemern  raub kirchen stifften, sie weren wol so vernunfftig gewest, das sie sich anders  dazu gestellet hetten und jhr gelt und gut nicht hurn und buben, noch  Roemischen dieben und reubern zugeordent. Weil denn nu jnn stifften und  kloestern solche gesellen sitzen, und solcher gueter die personen gebrauchen, welche  die stiffter nicht gemeinet noch gewolt haben, und sie also widder jhren willen  und stifftung solchs jnne haben, lesterlich verzeren und schendlich zu bringen  und darueber jm Bann und jrregulares auffs hoehest verflucht sind, So sage  mir, welche die ergesten stifft reuber und kirchen diebe sind? So wirstu den  Bapst oben an sitzen sehen, sampt Cardinalen, Bisschoven, Thumherren, Ebten  und Muenchen, Denn sie halten und thun nirgent das, darumb sie gestifftet

 

 

 

[Seite 314b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 314a

 sind, sondern stracks das widderspiel, als die unsinnigen, nemen und brauchen  [Matth. 7, 3 ff.] gleichwol der gueter, wie sie wollen. Ey lieber, kanstu den splitter jnn eines  andern auge sehen und schreien uber das zwacken1 der geistlichen gueter, So  mueste man dir die balken jnn deinen augen (die du nicht sehen wilt) auch  zeigen, Kanstu eines sagen, so mustu das ander auch hoeren, auff das du  wuestest: ander leute haben auch augen, fuelen auch, riechen auch, hoeren auch.

 

Wenn jhr nu fuergebt, man solle euch das ewre nicht nemen: Freilich  sol man euch das ewre nicht nemen, Aber ich wolt gleichwol ewrs geistlichen  Rechts mit euch spielen2, dasselbige urteilt, verban=[Bl. Eiij] net, verfluchet und  setzt euch abe und spricht: Es sey nicht ewr, Deponatur heissts. Denn jhr  haltet nicht ewr stifft und recht und habt damit euch selbest abgesetzt, darumb  habt jhr die gueter nach ewrem eigen recht lengst verloren, habt sie aber  bisher, wie die verdampten reuber, mit frevel jnnen gehabt. Denn solt man  das verbum Deponatur per omnes personas decliniern und Coniugiern, wo  wolt Bapst, Cardinel, Bisschoff und Tumherrn bleiben? Es wuerde gewis  ein verbum Jmpersonale draus werden, das kein person behalten wuerde.

 

[ 32Cardinal F2]

 

 

 

[Seite 315b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 315a

Duenckt es euch aber billich, das man gedult mit euch habe, das jhr ewr  recht nicht haltet, So lassts euch widderumb auch billich duencken, das jhr  gedult mit den habt, die euch, als den unbusfertigen Simonistern und verbanneten  reubern, die gueter nemen odder nicht folgen lassen, Weil sie doch  hie ewer eigen Recht haben, das heisst: Deponatur, Also geschehe denn ewer  beger, das man euch das ewre liesse, das ist: die hurerey und bueberey, Aber  was nicht ewr ist, das ist: die zinse und gueter, nicht liesse, Sondern als den  Reubern und dieben widder neme.

 

Niemand wil ich hiemit verteydingt haben, Ein iglicher sehe fuer sich,  aus was verdienst odder ursachen er solche gueter brauche, Allein ich mache  einen unterschied zwisschen der geistlichen guetern brauch, widder die schreyer.  Und sage noch: Wenn denn ja der stifft und kloester gueter sollen hinein gen  Rom boeslich geraubt und heraussen schendlich mit hurn und buben verzeret  werden und der stiffter meinung so gar feylen, so wolt ich noch lieber, das  sie die Keiser, Koenige, Fuersten und herrn selbs heraussen behielten und legten  sie besser an. Weil das gewis ist, das die stiffter haben wollen damit versehen

 

 

 

[Seite 316b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 316a

 frume, zuechtige, Christliche personen, nicht die da stuenden und bloeken1  odder habich truegen2, sondern die da studierten, lesen und beten, damit man  gelerte leute kuendte daraus nemen zu Bischoven, Pfarhern, Predigern, Schulmeistern,  Cantzlern, Schreibern &c.., wie denn anfenglich vor zeiten geschehen.  Nu sie aber solche ampt und wercke lassen und verachten, ja spotten und verfolgens  dazu und sind jm bann vielfeltiglich, So wolt ich nicht drumb  weinen, wenn sie auch den sold und zinse drueber verloeren. Es heisst: Beneficium  propter officium, Nicht aber: beneficium propter maleficium, Das  leret ewr eigen Recht und straffts mit dem bann auffs aller grewlichst und  nennets Simonias.

 

Sage mir nu: welcher Bapst, Bisschoff, stifft odder kloster hat bis her  jemals rew und leide darumb gehabt, das sie solche officia haben lassen untergehen,

 

[ 12 beten] betten d. i. wohl beteten F]

 

 

 

[Seite 317b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 317a

 odder darnach getracht, das sie widder angericht wuerden? und haben  dennoch solche beneficia gebraucht, Und also daher gelebt, zwifeltige kirchen  diebe und duppel kloester reuber, Denn sie nicht allein die gueter jnnen gehabt,  welche doch auff ander personen sind gestifft, weder1 sie sind, Sondern haben  auch der gantzen Christenheit gestolen, geraubet und gehindert frume, gelerte,  Christliche Bisschoue, Pfarher, Prediger und der gleichen noetige personen, der  man nicht geraten kan, und sie doch haben sollen geben, nach meinung und  willen der stiffter, Lieber, die Stiffter haben nicht die officia gemeinet, das  du einen langen rock, [Bl. E4] korhembd, platten treegst, odder Caseln und  geweihete kleider anlegest, das koennen stoeck und steine auch wol tragen, Sie  haben leute woellen zihen, der Christenheit zu trost und heil.

 

Wenn jhr nu wollet hoch poltern2, Man solle euch die stifft und kloester  widder gentzen3 und alles widderuemb einreumen4, So sagt man euch billich

 

[ 25 hoch fehlt E]

 

 

 

[Seite 318b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 318a

 widderumb: Lieben herrn, gebt und gentzet zuvor widder ewrn zwifeltigen  raub, nemlich personen und gueter: Die personen habt jhr der Christenheit  geraubt, Die gueter den stifftern gestolen. Gebt jhr solchs widder, das die  officia widder jnn schwang komen, Wolan, so folgen euch billich die beneficia,  Denn es ligt der Christenheit mehr an solchen personen, weder1 an allen guetern  und herrligkeit der gantzen geistlickeit. Wo nicht, so wirds nicht eine feine  rechnung2 werden, das jhr allein die ausgabe wollet berechen und die einname  verschlagen3, Man mueste euch anders rechen heissen und besser auff  die feust sehen, Jhr habt eingenomen der herrn gueter, personen damit zu  halten und zu zihen, Wo sind die selbigen? rechent her! Ja jhr seids, die  auch die armen knaben schulen zurgehen lasset, das ja die Christenheit auff allen  seitten durch euch zu grund verderbet werde, allein das ewr Epicurischer bauch  wol stehe. Das wil ich darumb gesagt haben, das man sehe, was die splitter

 

[ 20berechen] brechen H 20/21 einnaeme F 26/319, 17 spittelrichter E]

 

 

 

[Seite 319b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 319a

 richter dran gewinnen, wenn sie jhren unflat ruetteln.1 Darumb denckt und  bittet Gott, das er euch helffe auff diesem Reichstage was guts schaffen, Die  sachen sind gros und schweer, und ligen leider tieff versencket und verschlemmet,  das menschen krafft und witze hie nichts schaffen mag. Der bann ist ja not,  [Matth. 23, 24] Aber Herr Gott, Er mus nicht mucken seygen und kamel verschlingen, Sonst  wird nichts draus.

 

Die stuecke von der Busse, Messe, Tauffe, Glauben und Wercken, hab ich  wol sorge, das sie bey euch zu hoch sind, darumb ich wenig hoffnung habe,  das jhr etwas reines hierinn schliessen werdet, Weil ewer gelerten selbs nichts  davon verstehen, Und solche stuecke on menschen zuthun, allein durch Christum  selbs und seinen heiligen geist erhalten und getrieben werden muessen. Denn  auch, aus genomen das erste Concilium Act. 15, kaum eines odder zwey davon  gehandelt haben. Darumb wil ich weiter bitten, flehen und vermanen umb  die stuecke, darinn man nicht sonderliche erleuchtunge des Heiligen geists darff,  Sondern die bey allen Christen begreifflich und gewis sind, auch fast durch  vernunfft muegen erkennet werden. Und erstlich:

 

[ 19 verschleymet F2 20 witz D]

 

 

 

[Seite 320b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 320a

 

Von beider gestalt des Sacraments.

Hie wisset jhr ja wol, das die eine gestalt eine ergerliche newigkeit ist,  widder die klaren hellen wort Christi und widder der gantzen Christenheit  alten langen braůch, wie euch das alles durch viel schrifft ist gewaltiglich1  angezeigt, Dennoch habt jhr grossen feinde aller newigkeit nicht allein diese  lesterliche newigkeit angenomen und gehalten, sondern auch mit grewlichem  wueten und verfolgen, aus lauter [Bl. F1] mutwillen, verteidingt, damit Gott  auffs hohest versucht, sein wort gelestert und verdampt, Gott gebe, das jhrs  wol busset und ewren sinn seinem wort unterwerffet. Jhr kunds mit keiner  schrifft erhalten, Solt jhrs denn mit lauter frevel und gewalt widder die  schrifft erhalten, das wird zu letzt nicht wol ausgehen, Und hilfft euch nichts,  das jhr fuer wendet, Man solle nichts newes machen, noch etwas endern, Denn  jhr habt gehoeret, das dis stueck eine newigkeit ist, und jhrs seid, die eitel  newigkeit und enderung In der Christenheit on unterlas habt auffbracht, Und was  nach Gottes wort geendert wird, das ist kein newerung, dem sollen alle gewonheit  weichen, wie gut sie sind, spricht ewer eigen recht.2 So ist Gott und sein

 

 

 

[Seite 321b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 321a

 wort elter denn jhr seid, wird auch wol iunger und newer sein denn wir  und jhr sind, Sintemal Es ist ewig, darumb so sol es beide, altes und  newes endern und regieren und sich widder vom newen noch alten endern  odder regieren lassen.

 

Jhr gebt fuer, Man solle on willigung der Kirchen nichts endern noch  newern, Wer ist denn die Kirchen? Seid jhrs? So zeigt siegel und briefe,  odder beweisets sonst mit der that und fruechten, Warumb sind wirs nicht  auch, die wir so wol getaufft sind als jhr, leren, predigen, haben die Sacrament,  gleuben, beten, lieben, hoffen, leiden, mehr denn jhr? Odder seid jhr  darumb die Kirche, das jhr eitel newigkeit auffbringt, Gottes wort darueber  endert, lestert, verfolget und moerdet, dazu stifft und kloester als die Kirchen  [Apk. 2, 9] reuber jnne habt? Ja des Teuffels Kirche seid jhr! die selbige ist eine luegnerin  widder Gottes wort und eine moerderin, wie sie sihet, das jhr Gott, der  [Joh. 8, 44] Teuffel, auch ein luegener und moerder ist, Denn die rechte Kirche mus ia  die sein, die sich an Gottes wort helt und darueber leidet, wie wir (Gott  lob) thun, und niemand morden noch von Gottes wort fueren, Darumb  soltet jhr uns nicht viel sagen: Kirche, kirche, kirche, Jhr solt uns gewis  machen, das jhr die Kirche seid, Da ligets an, der Teuffel kan auch sagen:

 

[ 36 auch fehlt E]

 

 

 

[Seite 322b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 322a

 [Matth. 4, 9] Jch bin Gott, bete mich an, Matth. 4. Der wolff kan auch sagen: Jch bin  [Matth. 7, 15, Joh. 10, 1] hirte, Math. 7, Johan. 10. Wir wissen selbs wol, das man der Kirchen  solle gehorchen, Aber wir fragen, Wer und wo sie sey?

 

Gott helff euch zur besserung jnn diesem artikel, Thut jhrs nicht, So  wollen wirs mit Gottes gnaden dennoch thun, wie bis her. Und wil mehr  sagen: Wo es Gott schickt, das jhr etwas nach lasset auff diesem Reichstage,  So wollen wirs nicht der meinung von euch annemen, als sey es durch ewr  nachlassen nu recht, und bisher unrecht gewesen. Nein, jhr solt uns viel zu  geringe dazu sein, das jnn ewrem wilkoere und macht stehen solt, wenn und  wie lange Gott warhafftig odder ein luegener, und wenn odder wie lange  sein wort recht odder unrecht sein solle, Denn das were zu hoch gefaren und  nach Endchristisscher hoffart euch uber Gott und sein wort erheben und alle  unser lere und thun widder ruffen, Sondern wir wollens euch durch Gottes  wort abgezwungen und als den lesterern, verfolgern und moerdern abgeiagt  haben, das jhr euch fuer Gott demuetigt, ewr sunde, mord und lesterung widder  Gottes wort bekennet und bessert, als die bis her unrecht gethan, Gottes wort  verfolget [Bl. Fij] und unschuldig blut vergossen habt, Solche suende und laster

 

[ 26 solt] sol F 34 verfolgen E]

 

 

 

[Seite 323b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 323a

wollen wir unverborgen haben und nicht mit stille schweigen und decken darein  bewilligen und solcher grewel uns teilhafftig machen, Odder wollen vollend  hinan setzen1, was da ist, und wollens mit euch ausstehen2, auff Gottes wort,  welchs jhr verfolget, Denn, wie ich jm anfang gesagt, Beduerffen wir ewrs  Reichstags und schliessens3 nirgent zu, Wir stehen, da wir stehen, on ewr  zu thun, ia auch widder ewer toben und wueten, Sondern umb ewren willen  und umb des armen volcks willen thun wir hiemit, was wir thun, ob wir  euch odder je etlichen aus euch helffen und dem volck raten kundten, Gott zu  ehren, und der Christenheit zu nutz.

 

 

Vom Ehelosen stande

 

Celibatus, das ist der Ehelose stand odder verboten Ehe (wie jhr wisset),  ist auch ewer Bepstlichen newigkeit eine, widder das ewige Gottes wort  und widder den alten seligen brauch der Christenheit, auch widder die creatur  [Dan. 11, 37] und schepffung Gottes selbs, Damit ist erfullet die weissagung Danielis 11,  da er spricht von ewrem Koenige: ‘Er wird keines Gottes noch frawen liebe  achten.’ Es mus je ein grosses laster sein (frawen nicht lieb haben), weil es

 

 

 

[Seite 324b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 324a

 der Prophet hie fuer ein sonderlichen grewel des Endechrists anzeucht nehest  nach der Abgotterey. Die alte translatio hat: Erit in concupiscentijs feminarum,  Er wird jnn frawen liebe sticken, Aber das were nicht ein Endechristissche  tugent, sondern mueste also sagen: Erit in concupiscentijs masculorum,  wie wol er doch dasselbige auch mit meinet, wenn er spricht: Affectum  erga mulieres non curabit, welchs der rechte text ist.

 

Nu, lieben Herrn, wolt jhr frum sein und wol thun, So zwingt euch  jnn diesem stuck zur busse uber alle den wuesten, unaussprechlichen jamer der

 

[ 11 sticken] ersticken G 15 thun.] Hierzu am Rande: Vorzeiten haben sich die Thumherrn hierinn hart widder den bapst gesetzt, Sonderlich die zu Mentz, das sie zu Erffort schier jhren Ertzbisschoff hetten erschlagen. Vide Chron: Germanie.1]

 

 

 

[Seite 325b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 325a

unzucht allerley gestalt jnn aller welt, welcher aus dieser verfluchten Bepstlichen  newigkeit erwachsen ist, welche auch euch allen auff dem halse ligt und  ligen bleibet, wo jhr nicht dazu thut und enderts. Jhr hoeret hie, das ein  Endchristischer grewel und plage ist: frawen liebe verachten, das ist: die ehe  verbieten, Denn Gott hat frawen geschaffen zu ehren und huelff dem manne,  darumb wil er solche liebe unverboten und unveracht haben, Das fleisch  und der teuffel leren die frawen allein zur unehre brauchen, das man eine  nach der andern zu schanden mache, wie bis her gethan hat ewr newer loeblicher  eheloser (ich hette schier gesagt: ehrloser) stand, und noch thut, Das  heisst nicht frawen lieben, sondern unzucht und schande an den frawen lieben  und suchen und sie nicht wie frawen, sondern, wie hurn halten und achten,

 

 

 

[Seite 326b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 326a

das sie hinfurt niemand lieb noch werd haben mag, Aber Gott wil, das  man sie halte und achte, wie frawen, und thu das gern und mit liebe, Das  ist: ehelich sol man sie haben und mit ehelicher liebe bey jhn bleiben. Das  gefellet Gott wol, Aber es ist kunst und gnade.1

 

Wisset jhr auch, das das sechste gebot heisst: Du solt nicht ehebrechen?2  Das gebot (wie die andern alle) macht kein unterscheid der person, sie seien  geistlich odder weltlich, Pfaffen odder Leyen, so [Bl. Fiij] sollen sie nicht ehebrechen,  das ist: eins andern frawen nicht berueren, Weil es aber jederman  eins andern frawen verbeut, So ists gewis, das es jederman eigen frawen  zu lesst, Ja, auff das niemand eins andern frawen beruere, zwingts jhn zu  einer eigen. Wenns nu war were (wie die lieben Canones lestern), das ein  Pfarher nicht kuendte Gott dienen neben einer eigen frawen, so mueste dis  sechste gebot schlecht auff gehaben sein3 und nicht jnn gemein allerley person  treffen und eigen frawen erleuben.

 

 

 

[Seite 327b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 327a

 

Denn also moecht ich fort von andern geboten auch sagen: Du must  kein eigen gelt noch gut haben, sonst kanstu Got nicht dienen, so doch das  siebend gebot: Du solt nicht stelen, eigen gelt und gut zu lesst, allein frembd  gut verbeut, Ja, auff das man nicht stele, gebeuts eigen gut zu haben. So  weis ich auch noch nicht, ob groesser fahr sey der suenden bey eigen gelt odder  bey eigenem weibe. Geitz, Mammon und die gesellen sind warlich mechtig.  Aber summa: Es ist eine grosse bueberey des Canons, das er fuer gibt, Man  koenne Gott nicht dienen bey einer eigen frawen, und koenne doch wohl Gott  dienen bey eigenem Mammon, gelt, gut, schloessern und stedten, Das widder  spiel ist war, das besser sey bey eigener frawen Gott dienen, denn bey eigenem  gut (wie wol keines einen Christen hindert), Denn ein weib, das hat man  doch, und ist die sorge aus, wie mans kriege, und sie kan sich selbs bewaren,  Aber gelts kan man nimer gnug kriegen, und sorget jmer fort on auff hoeren,  wie mans mehre und behalte, Solche sorge aber und liebe, das sind die  rechten hindernis an Gottes dienst, welche sorge wol ein weib dem Pfarher  entnemen kan, das sie sorget und lesst jhn schlechts Gott dienen.

 

Jtem, So solt auch einer wol narren widder das fuenfft gebot und sagen:  Du kanst nicht woffen, buechsen und ander wehre haben und daneben Gott 

 

[ 28 mehre u. b.] mehr b. H]

 

 

 

[Seite 328b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 328a

 dienen, Denn du moechtest todschlahen, schaden thun, odder damit gehindert  werden, So doch das fuenfft gebot allein verbeut, das man nicht toedten solle,  Erleubt aber gleichwol woffen und wehre, Ja, auff das dem morden gesteuret  werde, gebeuts waffen und wehre zu haben. Warumb haben aber unser Ehelosen  heiligen leute beide, eigen gelt und woffen, bawen und streiten getrost?  hindert sie das nicht an Gottes dienst? Nein, sonder ein ehefrewlin mus  sie hindern, Es ist ein Hans worst gewest, der solchen Canonem gemacht  hat, Ein Hans worst den andern, noch hat er alle welt, auch alle hochgelerten,  verblendet.

 

Der teuffel aber hat das mit diesem Canone anrichten wollen, das  seine Ehelosen keine eigen frawen, sondern an der selbigen stat aller andern  frawen, toechter, megde, dazu auch Sodomam1, hetten, welchs sie jnn der ehe  nicht hetten gethan. Also auch an stat eigens guts (denn es saur wird zu  erwerben) aller wellt gueter zu verschlingen und mit muessiggang verbrassen,  Welchs auch wol nachbliebe, wo sie solten eigen gut suchen und erwerben.  Also haben sie woffen verbotten, das sie aller Koenige schwerd moechten regen

 

[ 18 sol F]

 

 

 

[Seite 329b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 329a

und damit machen, was sie wolten, welchs auch wol nach bliebe, wo sie jhr  eigens allein haben muesten, Aber wunder [Bl. F4] uber wunder ists, das  solch drey stuecke, nemlich: allerley freye unzucht, allerley geitz und pracht,  allerley woffen und krieg, diese Ehelose heiligen nicht hindern Gotte zu dienen,  Und ein einiges fromes Eheweib hindert sie.

 

Und wenn alle ding1 ja feylen wuerde, das Bapst, Bisschove, Tumherrn  und das volck ja wolten jm ehelosen odder hurn und buben stande bleiben,  Sintemal auch der heidnische Poet2 bekennet, das buler und hurn treiber  ungern ehefrawen nemen, So hoffe ich doch, jhr werdet euch uber die armen  Pfarher und seelsorger erbarmen und den selbigen die ehe lassen und nicht  mehr solche schendliche, moerdissche, tolle Canonisten odder Juristen sein, wie  jhr bis her gewest seid, Denn ewr Canones setzen, das man einen Ehepfaffen  solle suspendiren, das ist, vom ampt setzen3, so habt jhrs mit ewren groben  Eselen und Bachanten4 also gedeutet: man solle sie hencken, ertrencken,  erstechen, ermorden und veriagen, so gar blutduerstig und moerdisch seid jhr

 

 

 

[Seite 330b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 330a

 bluthunde, das jhr widder und uber ewr eigen Recht euch nicht schemet zu  wueten nach allem mutwillen. Werdet jhr euch nicht erbarmen, als ich sorge,  Es lige euch auff dem halse, und druecke euch so viel unschueldigs bluts, so  viel grewlicher laster und ungehewrer bosheit, das euch Gott schwerlich gnade  geben wird, etwas anders zu thun, on allein solchs, damit jhr ja bald ewer  [2. Petri 2, 18] verderben uber euch reitzt (wie S. Petrus spricht 2. Pet. 2), Wolan, so wird  man dennoch thun, was Gott will, und nicht, was euch gefellet.

 

Fuer die Muenche weis ich nicht zu bitten, Denn man weis wol, jhr  woltet lieber, das sie allesampt fuer den teuffel weren1, Gott gebe, sie nemen  weiber odder nicht, Und nicht unbillich, Denn zween hane auff einer misten  leiden sich nicht2, Sie wollen das leben haben, das jhr habt und gern allein  hettet, das ist euch nicht zu leiden, Darumb lasst sie faren, die schelmen,  Sie sollen nicht Bisschofflich noch Thuemisch3 leben fueren, Es gebuert allein  zu der Kirchen und den Gottes dienern, wie jhr seid. Gott der almechtige  wolte ja gnediglich mehr und bessers thun, denn jhr gedencket und wir uns  zu euch versehen, Amen, Sonst wird der teuffel (sorge ich) Abt4 und seine

 

[ 22 verberben AE 25 naemen F]

 

 

 

[Seite 331b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 331a

 mutter1 Ebtissin werden, On das dis meine hoffnung und trost ist: weil  jhr nicht ewig hie leben kuend, und man doch mus jmer newe Pfarher und  seelsorger auff zihen, So werden (ob Gott wil) die jungen gesellen, die hernach  dringen, sich nicht lassen mit ewren tollen, lesterlichen eiden und pflichten  zum ehrlosen stande und andern greweln verknuepffen. Werden aber darueber  die pfarhen wuest, und das volck on wort bleiben, und die Muenche vergangen2,  so solt jhr sehen, wie lange Bisschove und Tumherrn, stifft und kloester bleiben  sollen, Es muessen ja Pfarher sein, wenn schon nimer kein Bisschoff, noch  Tumherr, noch Muenche weren.

 

Es ist die Christenheit bis her so viel hundert iar on solche Stifft  Bisschove und Tumherrn erhalten, sie kan auch noch wol hinfuert on die  selbigen erhalten werden. Es wird ia freilich am Jungsten gericht keine  Christen seele sich rhuemen odder zeugen konnen, das jnn so viel hundert iaren  jhe eine [Bl. G 1] von jhrem Stifft Bisschoue3 hette das Vater unser, Zehen  gebot, glauben odder ein Euangelion gehoert odder gelernt odder eins einigen  Bisschofflichen ampts odder wercks empfunden odder genossen. Wir haben ja

 

[ 18 seelsolger A]

 

 

 

[Seite 332b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 332a

bisher, vor dem Luther, selbs gelebt, als hetten wir gar keine Bisschove,  muessen auch noch so leben, So weis ich fur war, das alle welt sagen mus,  das sie vor des Luthers lere nicht mehr von jhren Bisschoven gehabt denn  jtzunt, und jtzunt nicht weniger denn zuvor, ausgenomen die schinderey und  gelt schetzung. Sie koennen nicht fuelen noch mercken, ob sie vorhin Bisschove  gehabt oder jtzt keine haben, So gar ist jhn nichts ab noch zu gangen Bisschoflicher  werck und ampt, Das heist vleissig der seelen gewartet, So suchen sie  jtzt widderumb zu warten.

 

Ja (sprechen sie), Wir weihen und ordenen andere an unser stat, die  solchs thun, Das thun sie auch nicht, sondern der Weybisschoff thuts, der  selbige helt auch keine Bisschoffliche weise noch art, denn er weihet allein zur  opffer Messen1, fragt kein bissen2 darnach, wie und was man predigen solle  und was den leuten not ist zu lernen, Darumb ist er auch zu frieden, wenn  die Pfaffen kaum ein Requiem lesen koennen, schmirt darnach flugs den  ungelerten eselen seinen Chresem an, und lest sie hin streichen.3 Gott selbs  schafft Prediger, wo sie sind, und erhelt da durch seine Kirchen, der Stifft

 

 

 

[Seite 333b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 333a

Bisschove und Weybisschove halben were sie lengest hundert tausent mal zurgangen.  Wie wol, das sie bisher so ubel gestanden und noch stehet, wes ists  schuld anders, denn der Stifft bisschove? die jnn der Apostel stat und jnn  Bisschofflichem ampt sitzen und thun der selben keines, lassens alles zu boden1  gehen, Und schreien itzt gleichwol, man solle sie zu vorigem regiment komen  lassen, sie suchen der seelen heil. Es ist sonst ein fein regiment gewest, und  suchen wol der seelen heil, Ja, den Teuffel auff jhren kopff2 (der sie auch  reitet3) und unser aller unglueck auff unsern hals, wie uns vorhin auch  widderfaren ist. Es ist umbs Fuerstlich Meum und Tuum zu thun, Bisschofflich  ampt wil wol bey den Pfarherrn und Predigern bleiben.

 

Weiter (geben sie fuer): Wir lassen aber leute studiren jnn hohen  schulen, die zu predigen tuchtig und darnach aus unserm befelh durch den  Weybisschoff geweihet werden. Das ist war, jhr last sie leider studiren.  Das thut der Tuerck und die Jueden auch, lassen studiern, Was geben odder  helffen sie dazu? Jhr auch, was gebt und helfft jhr dazu aus ewren Stifftlichem  Mammon, das jrgent einer studire, wie jhr doch hoch schueldig seid?  Ja wol, Es ist euch leid, das hohe schulen sind. Sondern da stinckt euch der

 

 

 

[Seite 334b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 334a

odem nach1: Der Muenche seid jhr nu los odder jhe mechtig, das nemet jhr  vom Euangelio froelich an, Der Theologen und Gelerten weret jhr auch gerne  los, die ligen euch noch jm wege, Weren die weg, wolan, so weret jhr der  Pfarherrn vol mechtige herrn, darnach kund jhr widder uber Koenige und  Fuersten steigen, Ja auch den Bapst selbs, als der ewer nicht geraten kund,  zwingen, das wir Bisschove allein Gotter und Herrn auff erden weren, Da  wolt jhr hinaus, lieben Herrn, Jsts nicht war: der heimliche ratschlag zu  Mentz2, da ich nicht [Bl. Gij] bey sein kundt, der selbige leise tritt3 gieng  auff dieser ban? So hetten wir denn die welt vol Esel, und die Kirchen gar  kein wort noch Pfarr ampt mehr. Ach, soltet jhr studiren lassen, So doch  die pfreunden, die auf den stifften den hohen schulen eingeleibt sind, niemand  werden, er habe denn zuvor durch ander leute huelff gestudiret, Und wenn sie  jhm werden sollen, mus er sie zuvor mit einer summa keuffen und bezalen,  Und wenn er sie nu bezalet hat, wird er verbunden jm Stifft zu heulen  und zu plappern, auff das ia sein studirn und kunst nicht zum predig ampt  odder lere ampt gedeye, So helfft jhr der Christenheit!

 

 

 

[Seite 335b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 335a

 

Jch setze aber, das jhr andere an ewr stat verordenet (als jhr doch  nicht thut), die predigen und Bisschove sein sollen von ewren wegen: So hoeret  jhr ja wol, Jch rede jtzt von Bisschoven und rede nicht von bestellern, Ein  Bawr odder Richter jm dorffe, Eine Stad, ein Fuerst, kan auch einen Prediger  bestellen, Jst drumb kein Bisschoff. Ein Bisschoff heisst, der selbs  [Apg. 20, 28] weiden sol Gottes volck. Denn da stehet Act. xx Sanct Paulus lere zu den  Bisschoven: ‘Habt acht auff euch selbs und auff die gantzen herd, unter welche  euch der heilige geist gesetzt hat zu Bisschoven, zu weiden die Gemeine Gottes,  welche er durch sein eigen blut erworben hat.’ Weret jhr Bisschove, wei ewer  namen und ampt foddert, so wurden euch die har gen berge stehen1 fur  diesem spruch, Und wurdet wol so ungern Stifft bisschove sein, als ich Prediger  und Doctor bin, Sintemal jhr wuerdets nicht viel besser haben denn ich und  [1. Tim. 3, 2 Tit. 1, 9] meins gleichen, So spricht auch S. Paulus: ‘Ein Bisschoff soll Didacticus  sein’, 1. Timo. 3, Tit. 3, das ist leerhafftig, der jmer anhalte mit leren, Er  meinet aber nicht Fuersten bisschove, noch Schlos bisschove, sondern Kirchen  bisschove, die das werck treiben, wie (Gott lob) jtzt viel feiner Pfarher thun,  ob sie wol nicht spitze huete2 tragen, welche koennen die kloetze und Niclasbisschove1

 

 

 

[Seite 336b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 336a

auch tragen. Denn das jhr als Bisschove solt auffsehen, was recht  gelert sey, und wisset es selber nicht, das ist lecherlich, ja leider nicht lecherlich,  denn wirs bisher wol erfaren, was ewr auff sehen guts geschafft, wie  obgemelte stuecke zeigen.

 

Dis alles hab ich, lieben Herrn, euch muessen erinnern und vermanen,  umb des willen, das ich sehe, wie jhr Gott nicht fuerchtet, und fuer ewr  grewlich verkeretes wesen keine rewe noch busse suchet, auch kein gewissen  drueber macht, damit denn Gott auffs aller hoehest erzuernet wird, Denn  sintemal wir arme Luterisschen eheweiber genomen, lasst jhr euch duencken, jhr  habt ein mal ein stuecklin an uns ergriffen, weil jhr sonst nichts finden  kuendet, das jhr euch nuetze machen wollet, und uns damit so schmitzen2 und  druecken, das damit alle ewer schendliches unzuechtiges hurn leben, alle kloester  raub und stifft dieberey, sampt aller grundsuppe3 ewer grewel und verkereter,  vnbisschofflicher misbrauch, schand, laster, schaden und verderben der  Christenheit, solle verborgen, bedeckt, geschwigen, schoen und gelobt werden, das  jhr hinfurt, als die reinen und unschueldigen, die nie kein wasser betruebet4,

 

 

 

[Seite 337b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 337a

 gleich uber die Apostel selbs, euch aller gewalt unterwinden mueget. Aber  faret schon1, lieben her-[Bl. G iij]ren, sehet, das euch nicht feyle, sprecht nicht:  Hui, jhr seid noch nicht uber den berg.2 Wie jhr euch decken und schmuecken  kuend, das habt jhr nu gesehen, Jhr habt aber noch nicht gesehen, wie man  euch den schoenen balck abstreiffen3 kan, Und euch daher malen4, das jhr euch  selbs muesset anspeyen, Pocht und trotzt nur nicht, Ewer sache ist nicht so  gut, als jhr meinet.

 

Kuend jhr uns unser ehefrawen auffruecken, die wir doch fuer Gott mit  gutem gewissen und fuer der welt nicht als unser huren, sondern als unser  ehefrawen bekennen, So gleubt jhr nimer mehr, wie meisterlich wir euch wollen  aus putzen5 ewer huerlin und geraubten eheweiber, die jhr und wir wissen,  das jhr sie mit keinem guten gewissen habt, dazu fuer der welt nicht anders  denn als ewr huren bekennen, und euch als die huren treiber und huren wirte,  beide fuer Gott und der welt, nennen und urteilen lassen muesset. Zu dem  wollen wir euch ewer Roemische Sodoma6, Wellsche hochzeit7, Venedische und  Tuerckische breute und Florentzische breutgam8 also ausstreichen, das jhr sehen

 

[ 24 auffruecken] vffrupffen G]

 

 

 

[Seite 338b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 338a

 solt und greiffen, das sich unser Ehe an ewer ehrlosen keuscheit redlich gerochen  habe.1 Und ob villeicht ewer etliche nicht jnn allen solchen schuldig sind, Da  fragen wir nicht nach. Es sol schutz herr, verteidinger, gesell und genossen  gleich so viel als die selbschuldigen gelten, darumb, das sie solche laster nicht  straffen, bannen, meiden (wie das Euangelion und ewer eigen recht leret),  Sondern solchen vbelthetern helffen, beistehen und widder uns neben jhn  wueten und sich mit solchem beistand aller solcher grewel teilhafftig machen  [Röm. 2, 1] und damit nichts bessers sind, denn die selbschuldigen, Roma. 2.

 

Denn es hat nie kein Heide, nie kein Tuerck, nie kein Bapst, nie kein  Keiser und nie kein mensch auff erden gesetzt odder gethan, das man jemand  umb der Ehe willen hette getoedtet2, Und ist ein new unerhoeret ding, von  euch newen Bisschoven angefangen, die jhr seid die grossesten Stifft reuber,  huren wirte und huren ieger jnn ewren Stifften, so auff erden sind.3 Und  thuts auch nicht umb keuscheit willen zu erhalten, Sondern darumb, das  man nicht wil huererey und unzucht treiben, wie jhr thut, denn die selbigen

 

[ 25 ungehoert F]

 

 

 

[Seite 339b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 339a

 Wie wol solchs stueck das geringst ist gegen dem hohen gemeinen grewel,  das jhr solche Bisschove seid, wie droben angezeigt und mit der zeit (wo jhr  euch nicht bessert) anders sol ausgemutzt1 werden, Denn sollen wir ia Gottlose  Huren treiber und Gottes feinde zu Bisschoven haben, so wollen wir  auch jhn gar redlich weisen, jnn welche Kirchen sie gehoeren, das solt jhr  gewislich erfaren, Denn so lange jhr unser Ehe nicht zufrieden last, solt  jhr auch nicht viel freude und ehre von ewer huererey und Endchristisscher  Bisschofferey haben, Sterbe ich drueber, so sind ander da, die es besser konnen.  In summa, wir und jhr wissen, das jhr on Gottes [Bl. G4] wort lebt, wir  aber Gottes wort haben, Darumb ist unser hochste beger und demuetigeste  bit, jhr wollet Gott die ehre geben, euch erkennen, buessen und bessern, Wo  nicht, so nemet mich hin2, Lebe ich, so bin ich ewr pestilentz, Sterbe ich, so  [Hosea 13, 7 f.] bin ich ewer tod3, Denn Gott hat mich an euch gehetzt, ich mus (wie Hosea

 

last jhr ungestrafft, Und kan niemand gleuben, das jhr die keuscheit mit  solcher straffe trewlich meinet, Sintemal groesser feinde der keuscheit nirgent  sind, den jhr seid, als die jhr sie jnn ewrem eigen leibe mit aller unzucht  on unterlas auffs aller schendlichst verfolget.

 

 

 

[Seite 340b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 340a

 sagt) euch ein Beer und Lewe sein jm wege Assur, Jhr solt doch fuer meinem  namen keine ruge haben, bis das jhr euch bessert odder zu grund gehet.

 

Darumb bieten wir euch an die wahl. Erstlich, weil jhr doch Bisschoffliche  ampt und werck nicht kund noch wollet verhegen1, als die jhr zu predigen  und gewissen zu troesten und richten doch warlich, warlich nicht tueget  sampt alle ewren gelerten, So last uns doch ewr ampt, das jhr schueldig seid,  aus richten, Gebt uns das Euangelion frey zu leren, und last uns dem armen  volck (das frum zu sein begert) dienen, Verfolget und weret doch dem nicht,  das jhr nicht kund, und doch schuldig seid, und andere fuer euch thun wollen.

 

Zum andern, so wollen wir uber das nichts von euch begeren noch sold  von euch nemen, sondern, wo uns sonst Gott erneeret, gewarten, auff das jhr  also, beide der erbeit und lohn, der muehe und kost, uberhaben seid. Nicht  das wir so grosse lust hetten zu predigen, Denn, fuer mich zu reden, wolt ich  kein lieber botschafft hoeren, denn die, so mich vom predigt ampt absetzt, Jch  bins wol so muede, der grossen undanckbarkeit halben jm volck, aber viel mehr  der untreglichen beschwerung halben, so mir der Teuffel und die welt zu messen.

 

[ 21 verhegen] veriehen G

274; Berbig, der Veit-Dietrich-Kodex Solgeri 38 zu Nürnberg S. 7 und Enders, Luthers Briefwechsel 9, 20710).]

 

 

 

[Seite 341b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 341a

Aber die armen seelen wollen nicht, So ist auch ein man, der heisset Jhesus  Christus, der spricht nein dazu, dem folge ich billich, als der wol mehr umb  mich verdienet hat.1 So wisset jhr (Gott lob) nu selbs alle, das die Lutherisschen  Prediger frum sind, und thun euch nicht schaden, Sondern sind euch  nuetzer, denn alle ewr und des Bapsts gelerten. Und fruemer ketzer habt jhr  nie gehabt, werdet sie auch nicht fruemer kriegen, bittet Gott, das sie euch  muegen bleiben.

 

Zum dritten, wollen wir euch lassen bleiben, was jhr seid, und leren  (wie wir denn bis her gethan), das man euch solle Fuersten und Herren sein,  umb friedes willen, und ewer gueter lassen, Welchs doch die Hussiten und  Viglephisten nicht gethan, auch noch jtzt kein schwermer noch rotten geister  thun wollen, Damit jhr doch sehet, das jhr nicht feinde, sondern grosse freunde,  ja auch schutz herrn an uns habt, Denn was schadet uns das, ob jhr Herrn  und Fuersten seid? Wolt jhr nicht fuer euch und ewren stand und ampt thun,  was recht ist, Wolan, da werden nicht wir, sondern jhr rechenschafft umb  geben, Allein halt doch friede und verfolget uns nicht. Wir bitten ja nicht  mehr, haben auch nie anders gebeten, denn umbs frey Euangelion, Jhr

 

 

 

[Seite 342b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 342a

kuend uns, und wir euch, zum frieden helffen. Thut jhrs nicht, So behalten  wir die ehre, und verlieret jhr, beide fried und ehre.

 

Zum vierden, Kuend jhr den Bisschofflichen zwanck widder anrichten (so  ferne jhr uns das Euangelion frey lasset), da wil ich fuer mein teil,  [Bl. H 1] auch getrost zu helffen und raten, auff das jhr doch etwas Bisschoflichs  ampts auch haben mueget. Und also hettet jhr denn zwey stueck Bisschofliches  ampts, Eines, das wir und die Prediger, an ewer stat, das Euangelion  lereten, Das ander, das jhr huelffet solches handhaben mit Bisschoflichem  zwangk. Ewr person leben und Fuerstlich wesen liessen wir ewrem gewissen  und Gottes urteil, So haben wir auch bis her euch solchen zwangk nie  genomen, jhr habt jhn selbs lassen fallen. Denn da jhr das Ablas und  ander unleidliche misbreuche damit nicht erhalten kundtet, liesset jhrs gantz  und gar fallen, und woltet unser Euangelion nicht schuetzen, dazu auch nicht  leiden, Sondern keretet solchen zwangk widder uns und widder das Euangelion,  Da must er wol sich stossen und stumpff werden, Denn Gott hat jhn nicht  geordnet widder sein wort, sondern fuer sein wort.

 

Mehr und hoeher koennen wir uns warlich nicht erbieten (uber das  teglich gebet, guten willen und dienst, die wir on das auch allen feinden

 

 

 

[Seite 343b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 343a

 schueldig sind), nemlich: Ewer ampt wollen wir ausrichten, Selbst wollen wir  uns, on ewer kost, neeren, Euch wollen wir helffen bleiben, wie jhr seid, Dazu  raten, das jhr uberhand1 habt und drein sehet, das recht zu gehe. Was sollen  wir doch mehr thun? Warlich, wir tragen schweer, haben euch und die rotten  geister und alle welt, ja alle teuffel auff uns geladen, und uns hilfft niemand.  Werdet jhr nu nicht wollen auch helffen, sondern jmer fort druecken, So sehet  zu, das jhr uns den ruecken nicht entzwey brechet und die gedult zu hoch versuechet.  Werdet jhr die frumen ketzer dempffen wollen, die euch tragen, so  sehet zu, wo jhr bleibet. Es ist uns leider das spiel nicht mehr jnn der  hand, wie bis her gewesen, der teuffel hats uns entwand, Wir koennen warlich  euch nimer helffen, Helfft euch nu auch selbst und sehet nicht euch, sondern  den gemeinen hauffen und den lieben friede an, Es ist hohe zeit, Wir woellen  auch unser bestes thun. Und ist jrgent ein frum hertz unter euch, das kan  doch ja wol aus dieser gantzen schrifft mercken, das ich die warheit sage und  sagen mus, und von hertzen trewlich mit euch und jederman meine, Mehr  kan ich ja nicht, Denn jhr habet doch ja zu trefflich boese sachen.

 

 

 

[ 30 treffliche C]

 

 

 

[Seite 344b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 344a

 

Ob jemand hie dencken wuerde, Es sey lecherlich zu hoeren, das die stifft  bisschove die Kirchen regieren sollen, Weil man wol weis, das sie es nicht  [1. Tim. 5, 3] koennen noch woellen lernen, So doch Sanct Paulus spricht: ‘Wer seinem eigen  hause ubel fuer stehet, der wird der Kirchen nimer mehr wol fuer stehen’, Und  man fur augen sihet, wie die Bisschove jhren stifften fuer stehen und zucht  halten, nemlich, das impunita Lupanaria und Latrocinia sind1, Antwort:  Jch weis leider wol, das so ist, Aber auff das die heilosen leute sehen, das  wir friede suchen, und an uns nicht mangelt, Kan ichs wol leiden, das sie  Pfarren und Predigstuel mit geistlichen personen versorgen und also das  Euangelion helffen handhaben, Mir ist lieber, der mangel sey an jhn denn  an uns, Und Gott hat wol ehe durch boese bu-[Bl. Hij]ben regiert und guts  gethan, Und mus dencken, es sey itzt die zeit, da Herodes zu Jerusalem das  Priesterlich ampt verkaufft2, Die Roemer auch, Und bleib dennoch Gottes dienst  und wort. Wollen sie aber das Euangelion dempffen odder so gar unbusfertig  bleiben, des muegen sie jhr ebenteur stehen3, Wir predigen doch, was  wir wollen. Auch sitzen sie so feste nicht, haben sie lust zu unglueck, so hat  Gott bald einen andern Muentzer erweckt, der sie vollend stoertze. Wollen sie  nicht Bisschove sein jnn Gottes namen, so seien sie jns teuffels namen Bader,

 

[ 21 woellen fehlt BCH]

 

 

 

[Seite 345b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 345a

on das wir nicht schuld noch ursachen dazu sein. Die Lutherisschen bleiben  wol Meister, weil Christus bey jhn und sie bey jhm bleiben, Wenn gleich  helle, wellt, Teuffel, Fuersten und alles solt unsinnig werden.

 

Es wil aber jtzt zu viel und zu lang werden, mehr stuecke zu handeln,  Gott helffe euch auff dem Reichstage also faren, das uns nicht not sey alles  von newen widder an zufahen, denn das ist euch nicht gut, so sind wir der  muehe lieber uber haben. Doch das jhr nicht dencket, Es seien lose drew wort,  das ich jtzt sage, wil ich hie, so viel mir jtzt einfellet, stuecke und artikel  erzelen, so auff beider seit getrieben werden:

 

Die stucke, so noetig sind jnn der rechten Christlichen Kirchen  zu handeln, da wir mit umb gehen.1

 

Was Gesetz sey. Wie man recht beichtet.

 

Was Euangelion. Was der Glaube.

 

Was Suende. Was vergebung der suenden.

 

Was Gnade. Was die Christliche freiheit.

 

Was Geists gabe. Was der freye wille.

 

Was die rechte Busse. Was die Liebe.

 

 

 

[Seite 346b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 346a

 

Was das Creutz. Das recht Gebet.

 

Was die Hoffnung. Die Litania.

 

Was die Tauffe. Lesen und auslegung der schrifft.

 

Was die Messe. Was gute werck sind.

 

Was die Kirche. Untericht des Ehestands.

 

Was die Schluessel.       { Kinder.

 

Was ein Bisschoff. Der { Knecht.

 

Was ein Diaconus.       { Megde.

 

Was das Predigampt. Die Oberkeit zu ehren.

 

Der recht Catechismus. Kinder schulen.

 

      { Zehen gebot. Krancken besuchen.

 

als { Vater unser. Armen und hospital versorgen.

 

      { Glauben. Die sterbenden berichten.1

 

 

 

Solche stuecke hat nie kein Bisschoff gehandelt, und sind dazu von den  ewren auch nie grundlich [Bl. H iij] verstanden noch geleret, und ein gros teil  gar verblichen, Das durfft jhr nicht leugnen, Wir sind jnn ewren schulen

 

[ 19 Litania D 24 der] als der G]

 

 

 

[Seite 347b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 347a

 aufferzogen, So sind ewer buecher noch vorhanden, die solchs zeugen, So zeugt  alle welt, das zuvor nie ist gepredigt. Nu ists gewis, das an diesen stuecken  gelegen, und die Christliche Kirche mit diesen versorgt ist, und darff ewer  unnoetigen zu setze nichts uberal.

 

Hie bey wil ich nicht erzelen die Deudschen lieder, Braut segen und  viel guter heilsamer buechlin, Aber wie viel grewel wir damit nidder gelegt  und bey uns ausgerott, wil ich jtzt auch nicht erzelen, Jst gnug angezeigt,  wie viel stuecken wir noch zu reden hetten, wo wir zeit und raum nemen wolten.

 

Die stucke, so jnn der gleissenden Kirchen jnn ubung und brauch  sind gewest.1

 

1 Ablas.2 4 Fegfeur.

 

2 Opffer Messen, und die selbigen 5 Poltergeister.

 

      untzelicher weise. 6 Walfarten unzelich.

 

3 Bann jm misbrauch gar. Vigilien.

 

 

 

[ 17 auffgezogen E]

 

 

 

[Seite 348b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 348a

 

8 Seel Messen. 21 Bilder weyhen, mit Ablas.3

 

9 Jargezeit.1 22 Glocken teuffen mit 200 gefattern

 

10 Vier wochen.2       an einem strick.

 

11 Seel bad. 23 Unterscheid der speise,

 

12 Heiligen dienst, der etliche nie 24 Unterscheid der tage,

 

      geborn. 25 Unterscheid der kleider, als notig.

 

13 Heiligen feyr on masse. 26 Gezwungen siebenzeit odder hore

 

14 Maria eine gemeine Abgottin gemacht       Canonice.

 

      mit unzelichem dienst, feyr, 27 Sontags procession ein schawspiel.

 

      fasten, gesenge, Antiphen. 28 Die letzte olung zum tod, nicht

 

15 Butter briefe.       zur gesundheit.4

 

16 Heiligthum unzelich, mit luegen. 29 Sacrament der Ehe.

 

17 Bruederschafften unzelich. 30 Sacrament der Priesterschafft.

 

18 Ehelos leben. 31 Sacrament der fermlung.

 

19 Kirchen weyhen, 32 Acoliten,

 

20 Altar weyhen, 33 Tonsuristen,

 

 

 

[Seite 349b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 349a

 

34 Lectores,

 

35 Subdiacon weyhen zu keinem

 

      ampt, allein zur freiheit.1

 

36 Brigitten gebet.

 

37 Und der gleichen on zal, und

 

      allerley betbuecher voll mit lesterlichen,

 

[28, 29]       schendlichen Gottes unehren

 

Platten.

 

Caseln.

 

Alben.

 

Korhembd.

 

Kappen.

 

Kirchen.

 

[Bl. H 4] Capellen.

 

Altaria.

 

Altartucher. 

 

Liechter.

 

Leuchter.

 

Bilder.

 

Tafeln.

 

Crucifix.

 

/Kertzen.

 

Fanen.

 

Reuchfas.

 

Tauffstein

 

Monstrantz.

 

Ciborium.2

 

Kelch.

 

 

 

[ 24 allein] allen BH]

 

 

 

[Seite 350b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 350a

 

Orgeln.

 

Glocken.

 

Weyhwasser.

 

Weyhsaltz.

 

Wuertz,

 

Und allerley speise.

 

      Jnn der Fasten.

 

Asscher mitwoch.

 

Hunger tuch.

 

Bilde verhullen.

 

/Fasten halten, ausgenomen

 

      die Pfaffen.

 

Litania der heiligen.

 

Marien gesang des abends.

 

Beicht marter.

 

Busse und gnugthun.

 

Lange preces.

 

Palmen Esel.

 

Palmen schiessen.

 

Palmen schlucken.

 

/Palmen Creutzlin.

 

Zwingen zur Beicht.

 

Zwingen zum Sacrament.

 

Creutz kussen und anbeten.

 

Creutz begraben.

 

Halbe Messe am stillen

 

      Freitag.

 

Beim grabe Psalter

 

      singen.

 

Finster Metten.

 

 

 

[Seite 351b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 351a

 

Nicht leuten, aberklappern.

 

Passio        predigen        acht

 

      stunde.

 

Feur weyhen.

 

Oster kertzen.

 

Creutz aus dem grabe

 

      heben, und spielen1

 

      tragen.

 

Fladen weyhen, am Oster

 

      tage.

 

[19, 20] S. Marx procession.2 } beides gut zu aller unzucht.

 

Creutz wochen. }

 

Himelfart zur None.

 

[10, 11] Heiligen geist am Pfingstag.

 

Processio corporis Christi.

 

Assumptio beate virginis.

 

Kirchweyh.

 

Patron fest.

 

Gemeind wochen.

 

S. Burkards fest.

 

Quater temper.

 

Aller heiligen fest.

 

Aller seelen tag.

 

S. Martens gans.

 

/Aduent, mehr Marie,

 

      denn Christo zu dienst.

 

Rorate Messe.

 

Conceptio beate virginis.

 

Drey Christ messe.

 

Apparuit, und spiel.

 

Habern S. Stephan.3

 

Johans trunck.

 

Liecht mess und wachs

 

      marckt.

 

S. Agatha liecht.

 

S. Blasius liecht.

 

 

 

Jch wil hie auff hoeren, Denn wer vermag es alles zu erzelen jnn solcher  kuertze? Wil man aber nicht friede haben, so kan ichs (odder ein ander besser)  noch wol weiter zelen, auff das die lieben Tumherrn und Bischove nicht  dencken, die Muenche haben allein gesuendiget und sie seien das reine ketzlin.4  Nicht also, Jch hab auff dis mal nicht mehr woellen anzeigen, denn was allein  jnn den Pfarkirchen ist jm brauch gewesen, Welche doch das geringste stueck  jnn ewrem regiment und uber alle masse veracht gewest sind, welche jhr auch  mit fuessen getretten habt. Solt ich aber jnn den stifftkirchen, Thumbkirchen,  Official heuser, Kloester und Predigstuel, komen, Und darnach auff die bettel  Muench, Stacionierer, Zu letzt unter die Sophisten jnn den hohen schulen,

 

[ 17 Burkans BH 30 Predigstůl F 31 Statutionierer E]

 

 

 

[Seite 352b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 352a

 Hilff Gott, mich wundert nichts, das jhr solch grundlose grewel ver-[Bl. J 1]  gesset, und euch nu sucht zu schmuecken, Hab ichs doch selbs (bey dem lieben  Gott) vergessen und nicht gemeinet, das jhr da sesset, da ich euch jtzt sehe  sitzen. O nu schweiget umb Gottes willen und bessert euch, Es wird sonst  boese mit euch werden.

 

Wol ists war, das unter obgezelten stuecken etliche sind, die nicht zu verwerffen  sind, Und der selbigen etliche sind gefallen, die ich nicht wolt, das sie  gefallen weren, koennen aber wol leichtlich widder auff komen. Und ist darinn  das aller best, das feine Latinische gesang de tempore da sind blieben, wie  wol sie dennoch von den newen Heiligen gesengen1 fast uberteubet, und  auch schier nichts gelten, Doch behalten wir sie fest, und gefallen uns  von hertzen wol. Und das ich kurtz meine meinung sage, So ist das die  Summa davon:

 

Wenn man solche stuecke hette lassen bleiben ein kinderspiel fur die jugent  und junge schueler, damit sie hetten ein kindlich bilde gehabt Christlicher lere  und lebens, wie man doch mus kindern tocken, puppen, pferde und ander  kinder werck fur geben, Und were bey dem brauch blieben, wie man die kinder  leret Sanct Niclas und dem Christkind fasten, das sie jhn sollen des nachts

 

[ 25 verteubet E]

 

 

 

[Seite 353b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 353a

bescheren, wie sichs lesst ansehen, das unser vorfaren haben gemeinet, So were  es wol zu leiden, das man Palm esel, Himelfart und gleichen viel liesse  gehen und geschehen, denn da were kein gewissen mit verwirret. Aber das  wir alte narren jnn Bisschoffs hueten und geistlichem geprenge daher gehen  und machen ernst draus, Ja nicht allein ernst, sondern artikel des glaubens,  das es suende mus sein, und die gewissen martern, wer solch kinderspiel nicht  anbetet, das ist der teuffel selbs, Daraus folget denn, das alle obgenante  stuecke, wie kindisch und lecherlich sie sind, dennoch mit ernst den Christlichen  glauben und die rechten noetigen stueck, so ob angezeigt, stuermen und verderben,  als were sonst kein huelffe, man hette denn solchs gehalten, Denn wir leider  wol erfaren bis her, das man solch kinder und narren spiel hat mehr und  ernstlicher getrieben (und noch) denn eben die rechten heubtstueck. So sind wir  nu der meinung: Koennen wir solch kinderspiel, die leidlich sind, helffen erhalten,  umb der jugent willen, on nachteil der rechten ernsten heubt stueck, so wollen  wirs gerne thun. Aber, das wir sie fur artikel des glaubens solten halten,  und auch jnn Bisschoffshueten Narrare1, da wird nicht aus, zuern und lache,  wer da wil.

 

 

 

[Seite 354b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 354a

 

Dis wil ich auff dis mal euch, lieben Herren, zur freundlichen und  trewen vermanung angezeigt haben mit aller hoehestem vleis bittend, jhr  woltet sampt uns Gott ernstlich anruffen, das er euch gnade und weisheit  verleihe, jnn diesen grossen sachen thun und handeln, das sein ehre und unser  aller heil sey, Und wollet ia da fur sein, das jhr euch nicht schmucket, noch  ewer vorige mishandlung entschuldigt, verteydingt, odder mit gewalt faret,  Denn was hilffts, das jhr noch mehr [Bl. J ij] boese blut jm volck machet?1  Die hertzen sind bereit und, nicht on redliche ursachen, alzu hoch erbittert, das  wol not thut, mit demuetigem bekentnis und statlicher besserung die selbigen  zu lindern, senfften und stillen, und nicht weiter zerren und reissen. Denn  jhr wisset (wenn schon kein Euangelion were), das ewer wesen und stand,  auch widder ewer eigen Rechte, aus der massen und zu viel gefallen und verderbt  ligt, das sichs nicht leiden wird mit dem kopff hindurch wollen.2

 

So wisset jhr auch wol, das Bapst Adrianus, durch seinen Legaten zu  Nurmberg, selbs bekant, das der Roemissche stuel vil jamers ursache were, und  erbot sich zur besserung3, Warumb wolt jhr euch denn, solchs zu bekennen,

 

[ 18 allem hoehesten F]

 

 

 

[Seite 355b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 355a

 schemen und dazu noch steiff auff ewrem stoltz beharren, nichts weichen noch  reumen, sondern alles mit gewalt haben, ungeacht, ob besserung odder ergerung  draus folget? Denn jhr wisset, odder solt ja wissen, das Christlich regiment  odder gewalt nicht zu verderben, sondern zu bessern, von Gott eingesetzt ist,  [2. Kor. 13, 10] wie Paulus sagt, Und sol nicht eine tyranney, sondern ein dienst sein, So  kuendten wir als denn euch bey dem volck widderumb helffen heben. Denn ich  halt doch, jhr werdet der Lutherischen, als der frumen Ketzer, auffs wenigst  jhrs gebets, nicht wol emperen koennen, solt jhr anders etwas bestendiges ausrichten.  Werdet jhr aber mit gewalt faren, steiff und halstarrig hindurch  wollen (da Gott fur sey), So bezeuge ich hie mit, sampt allen, die mit mir  gleuben, fur Gott und aller welt, das unser schuld nicht ist, wo euch ewr  stoltz feylen wurde, das jhr zu druemmern gehet. Ewr blut sey auff ewrem  kopff, Wir sind und woellen unschueldig sein an ewrem blut und verdamnis,  als die wir euch ewer missethat gnugsam angezeigt, trewlich vermanet zur  busse, hertzlich gebeten und zu allem, das zu frieden dienet, auffs hoehest erboten,  Und nichts anders gesucht noch begert denn den einigen trost unser seelen, das  freye reine Euangelion, Also das wir mit gutem gewissen rhuemen muegen, Der

 

[ 24 frumer E]

 

 

 

[Seite 356b]

 

[An die gantze geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 356a

mangel sey an uns nicht gewesen. Aber Gott des friedens und trostes gebe  euch seinen geist, der euch weise und fuere zu aller warheit, durch unsern lieben  Herrn Jhesum Christum, Dem sey lob und danck fur alle seine unaussprechliche  gnade und gaben jnn ewigkeit, AMEN.

 

 

 

[Seite 357]

 

Glossen zum Dekalog 1530.

 

[Einleitung]

 

[Seite 357]

 

In der unter dem Namen “Veit Dietrichs Tischredensammlung” bekannten Handschrift der Nürnberger Stadtbibliothek (Mss. cent. 5 Append. 75 fol. 207a bis 210a) findet sich eine lateinische Übersetzung von Exodus cap. XX mit Glossen; die Übersetzung ist mit dunkelbrauner, die Glossen sind mit roter Tinte geschrieben. Vor der Überschrift ‘Exodi XX’ hat Dietrich bemerkt: ‘Lutherus scripsit Coburgi’, und auf der letzten Seite der Lage fol. 210b unten: ‘Meis pueris Alberto & Cincio, vt ediscant. Vitus.’ Wir werden diese Bemerkungen so zu verstehen haben, daß Dietrich, der Luther auf der Veste Koburg als Amanuensis diente, eine Niederschrift Luthers abschrieb und die Blätter nach Wittenberg an seine Privatschüler Albert und Johann Zink aus Königsberg in Franken1 sandte oder senden wollte, damit diese die lateinische Übersetzung auswendig lernten.

 

In einem Briefe an Justus Jonas, der wohl vom 30. Juni 1530 zu datieren ist, schreibt Luther: ‘Ego hic factus sum novus discipulus decalogi, illum iam repuerascens ad verbum edisco, et video verum esse, quod sapientiae eius non est numerus, et coepi iudicare decalogum esse dialecticam evangelii et evangelium rhetoricam decalogi, habereque Christum omnia Mosi, sed Mosen non omnia Christi ...’2 Diese Stelle könnte uns veranlassen, unser Stück in dieselbe Zeit (Ende Juni) zu setzen, in die jener Brief fällt. Nun erinnert aber eine Glosse zu dem 10. Gebot — zu: ‘Non desideres vxorem proximi tui’ wird bemerkt: ‘propriam habere praecipitur diuinitus’ — auffällig an eine Stelle in der “Vermahnung an die Geistlichen” (s. oben S. 326 Z. 24 ff.): ‘Weil es [das 6. Gebot] jederman eins andern Frauen verbeut, so ist's gewiß, daß es jederman eigen Frauen zuläßt; ja auf daß niemand eins andern Frauen berühre, zwingt's ihn zu einer eigen.’ Die frappante Verwandtschaft zwischen den beiden Stellen veranlaßt uns, unser Stück gleich hier, unmittelbar hinter der “Vermahnung” einzufügen. Wir geben in zwei Spalten links die lateinische Übersetzung, rechts die Glossen unter Kennzeichnung der Textstellen, auf die sie sich beziehen.

 

 

 

[Seite 358]

 

[fol. 207a] Exodi XX.

 

1530

 

 

 

[Seite 358]

 

Et locutus est deus omnia verba  hec dicens: Ego sum dominus  deus tuus1 , qui eduxi te de terra  Aegipti de domo seruorum.

 

Non sint tibi dij alij coram me,  Non facias tibi sculptile aut vllam  figuram, quȩ in coelo sursum et quȩ  in terra deorsum et quae in aquis sub  terra. Non adores ea neque seruies2  eis.

 

Ego enim dominus deus tuus sum  zelotes, visitans iniquitatem patrum  in filios vsque in terciam & quartam  generationem [fol. 207b] eorum, qui  oderunt3  me4 , & benefaciens in millia  eorum, qui diligunt3  me & seruant5   mandata mea.

 

Non assumes6  nomen domini dei  tui in vanum, quia non habebit deus  innocentem7 , qui assumit verbum eius  in vanum.

 

Memento diei Sabbathi8 , vt sanctifices  eum, Sex diebus operaberis &  facies omnia opera tua, dies autem  septimus sabbath est donum dei tui9 ,  Non facies vllum opus neque tu neque  filius tuus neque filia tua neque  seruus [fol. 208a] tuus neque ancilla  tua neque iumenta tua neque peregrinus  tuus, qui est intra portas tuas.10   Sex enim diebus fecit dominus coelum  & terram & mare & omnia, quȩ in  eis sunt, & quieuit11  die septimo.  Ideo benedixit dominus diem Sabbath  & sanctificauit eum.12

 

[fol. 208b] Honora patrem tuum &  matrem tuam 13 , vt prolongentur dies  tui supra terram, quam dominus deus  tuus dat tibi.

 

Non occidas.14

 

 

 

[Seite 359]

 

Non adulteres.1

 

Non facias furtum.2

 

Non reddas contra proximum tuum  falsum testimonium.

 

Non desideres domum proximi tui.

 

Non desideres3  vxorem proximi  tui4  neque seruum eius neque ancillam  eius neque bouem eius neque asinum  eius neque vllum, quod proximi tuj est.5

 

[fol. 209 a] Et cunctus populus videbat  voces & faces6  & vocem tubae7   & montem fumigantem & timuit populus  & nutauit, ac stetit a longe8  &  dixerunt ad Mose: loquere tu nobiscum  & audiemus, Non loquatur nobiscum  deus, ne moriamur.

 

Mose autem dixit ad populum:  Nolite timere, propter tentare vos  venit deus et propterea, vt timor  suus sit coram vobis9 , ne peccetis.

 

Populus itaque stabat a longe,  Mose vero accessit ad caliginem10 , in  qua erat deus. [fol. 209b] Et dixit  dominus ad Mose: Sic dices ad filios  Jsrael. Vos vidistis, quid de coelo  locutus sum vobiscum. Non facietis  me nec facietis vobis deos argenteos  & deos aureos.

 

Altare de terra facies mihi. Et offeres  super ipsum holocausta tua & solutiones  tuas, oues tuas & boues tuas [!].

 

Jn quocunque loco memoriam nominis  mei posuero, ibi veniam ad te  & benedicam tibi.

 

Si altare de lapidibus mihi feceris,  non ȩdificabis illud de lapidibus sectis.

 

[fol. 210a] Erit enim prophanum,  vbi gladium tuum super eo duxeris.

 

Non ascendes gradibus ad altare  meum, ne reueletur turpitudo tua erga  ipsum.

 

 

 

[Seite 360]

 

Widerruf vom Fegefeuer.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 360]

 

Am 26. Juni 1530 schickte Melanchthon aus Augsburg dem auf der Veste Koburg weilenden Luther das am vorhergehenden Tage dem Kaiser überreichte Bekenntnis zu; seinem Urteil nach sei es heftig genug; bevor die Gegner antworteten, müsse man festsetzen, worin man ihnen nachgeben wolle; um das Abendmahl unter beiderlei Gestalt, die Priesterehe, die Privatmesse werde sich die ganze Debatte drehen; darüber solle Luther seine Ansicht äußern, und besonders über die Privatmesse, die die Gegner augenscheinlich durchaus nicht preisgeben wollten. 1 Melanchthon dachte dabei an weitere Verhandlungen mit dem kaiserlichen Sekretär Alphonso Valdes. 2 Luther antwortete am 29.: Er verstehe nicht, was Melanchthon mit seiner Frage, in welchen Beziehungen und wie weit den Papisten nachgegeben werden solle, meine; seiner Überzeugung nach sei bereits in dem Bekenntnis mehr als genug nachgegeben worden. Nachdem er den Brief geschlossen hatte, fiel ihm ein, daß Melanchthon seine Antwort auf jene Frage zu dürftig erscheinen möchte; er fügte deshalb auf der Außenseite des Briefes hinzu: Daß die Antwort ungenügend ausgefallen sei, habe sich Melanchthon selbst zuzuschreiben, weil er zu ungenau angefragt habe; er hätte ihm schreiben sollen, was seiner Meinung nach von den Gegnern für Forderungen erhoben werden würden; er sei bereit, alles ihnen zu konzedieren, wenn nur das Evangelium ihnen frei gelassen werden würde. Wie entschieden-abschlägig das gemeint war, ergibt sich aus dem Briefe, in dem Luther unmittelbar vorher geschrieben hatte: ‘augescit mihi assidue ipsa πληροφορα in ista doctrina nostra, et confirmor magis ac magis, daß ich mir (ob Gott will) nu nichts mehr werd nehmen lassen, es gehe drüber, wie es wolle.’ 3 Am folgenden Tage, am 30. Juni, schrieb er dann an Brenz in Augsburg: ‘de purgatorio mendacia quaedam attigi contra Papistas, velut instituens ab integro novam in illos pugnam’. 4

 

Aus diesen Briefstellen sehen wir deutlich, aus welchen Beweggründen heraus und in welcher Stimmung Luther den “Widerruf vom Fegefeuer” begonnen hat. Es kam ihm so vor, als wäre Melanchthon bereits in dem Bekenntnis den

 

 

 

[Seite 361]

 

Gegnern zu weit gewichen, und nun sollten gar noch Verhandlungen darüber stattfinden, ob man noch weiter “zurückkriechen” solle. In seinem einfältigen, ungebrochenen, urkräftigen, prophetisch-idealistischen, kühnen Gottvertrauen konnte er die weltklug-diplomatische, ängstlich-irenische Haltung Melanchthons nicht verstehen und war in diesem Momente bereit, seine eigenen Wege zu gehen und loszuschlagen. In dem oben erwähnten Briefe an Melanchthon vom 29. Juni schrieb er diesem: “Wenn ihr meinen Standpunckt nicht teilt, dann redet auch nicht, ihr folgtet meiner Autorität und unterwürft euch meinen Weisungen! Jch werde selbst handeln, wenn ich auf meinem Standpunkt allein bleibe.” 1 Es kam hinzu, daß höchst wahrscheinlich in ebendiesen Tagen Luther auch von seinem Kurfürsten die Anfrage erhielt, was er in den Artikeln “von beider Gestalt des Sacraments, von der Priester Ehe, von der Messe, vom Ordiniren oder Weihen, vom Papstthumb, von Klostern, von der Beicht, von Fasten und Unterschied der Speis, von den Sacramenten” behaupten solle oder “bewilligen” könne. 2 Luther erkannte daraus, daß in der Tat Verhandlungen über etwaige weitere den Papisten zu machende Zugeständnisse im Gange waren. Das trieb ihn dazu, die Kluft, die ihn von seinen Gegnern trennte, weit aufzureißen.

 

Aus einem späteren Briefe Luthers an Justus Jonas (vom 21. Juli) ersehen wir, daß er an dem Bekenntnis klare Stellungnahme zu den Artikeln de purgatorio, de sanctorum cultu et maxime de Antichristo Papa vermißte.3 Diese Lücken wollte er jetzt ausfüllen und zuerst “Von der Sophisten lügen vnd grewel mit dem Fegfeur” handeln. Es war ihm zu Mute, als begönne er von frischem einen neuen Kampf mit dem alten, bösen Feind (an Brenz: ‘velut instituens ab integro novam in illos pugnam’; in unserm Vorwort: “So mus ich dagegen widderuemb das alte register erfur ziehen vnd jhre loebliche tugent widder an die sonnen bringen ... Jch wils versuchen vnd widderuemb alles vnd alles von newen vnd forn anfahen”). Die Schrift vom Fegefeuer sollte eine ganze Reihe von Streitschriften eröffnen, in denen er “darnach von den andern luegen vnd greweln jnn der riege vnd ordnung nach einander her” handeln wollte.

 

Jronisch nannte er seine Schrift: Ein Widerruf vom Fegefeuer, um gleich im Titel anzudeuten, daß er keinesfalls zu Konzessionen bereit sei. Die Forderung zu “weichen” müsse vielmehr an die Gegner gestellt werden. Diese dächten ja aber nicht daran, zu büßen und zu bessern, sondern wollten lieber “durch sunde jnn den heiligen geist, zu trotz der warheit vnd Gott selbs, oeffentliche vnd von jhn selbs wol erkante lügen schützen, verteidingen vnd handhaben”.

 

“Allen vnsern nachkomen” widmete Luther seine Schrift, auch darin deutlich von Melanchthon abrückend. Dieser hatte seine diplomatische und irenische Haltung mit dem Hinweis darauf entschuldigt, daß er der Nachwelt gegenüber sich verpflichtet fühle, für Herstellung des Friedens zu arbeiten. Demgegenüber betont Luther, daß er vielmehr den Nachkommen zur Warnung — wenn anders die Welt noch länger stehen sollte — eine Denkschrift hinterlassen wolle, “warueber der Luther vom Bapst verdampt sey vnd was des heiligen Bapstumbs lere gewesen sey, auff das sie sich dafur wissen zu hüten”.

 

 

 

[Seite 362]

 

Am 20. Juli wußte Luther die Schrift in Wittenberg im Druck. 1 Am 13. August trafen die ersten Druckexemplare in Augsburg ein. 2 Gegenschriften erließen Johannn Eck und der Abt von Alt-Zelle Paul Bachmann. Die Schrift jenes erschien mit einer Widmung an Erzbischof Albrecht aus Augsburg vom 2. September:

 

Christenliche erhaltung || der stell der geschrifft, für das Feg||feur, wider Luthers la-||sterbüchlin. || Durch doctor Johan Eck. || M. D. XXX || 3

 

Bachmanns Schrift kam am 26. Oktober bei Wolfgang Stöckel in Dresden heraus:

 

Luthers widerruff || vom Fegefewer || mit farbe auß || gestrichen || durch || den Abbt zur al-||den Zcellen. || 4 —

 

Ein Blatt des Lutherschen Originalmanuskripts ist in eine 1558 zu Wittenberg gedruckte, reich verzierte Foliobibel eingeklebt, die auf dem Vorsatzpapier auch Einträge von Joh. Draconites (1562) und Joh. Major (1564) aufweist. Die Bibel gehörte 1627 einem gewissen Michael Leister “von der Mittweyda” und wird jetzt in der Wittenberger Lutherhalle aufbewahrt. Unter dem Blatte aus Luthers Widerruf vom Fegefeuer ist noch folgender Zettel von der Hand des Reformators aufgeklebt:

 

Si deus pro nobis, Quis contra nos? 5 Wenn wir das Pronomen, Nos, vnd Nobis, wol kundten decliniren vnd verstehen, So wurden wir das Nomen Deus, auch wol coniugirn, vnd aus dem, Nomen, ein Verbum machen, das hies, Deus dixit, Et dictus est, Da wuerde die Prepositio, Contra, Zu allen schanden werden, vnd endlich Ein infra nos draus werden, Wie es doch mus vnd wird geschehen. Amen.

 

 

 

M L D

.1542.

 

 

Das handschriftlich erhaltene Stück fügen wir an der rechten Stelle in Paralleldruck ein.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A “Ein Wid-||derruff || vom || Fegefeur. || Mart. Luther. || Wittemberg. || 1530. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 24 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedrůckt zu Wittem-||berg durch Geor||gen Rhaw. ||”

Die Exemplare dieses Druckes unterscheiden sich durch ein Jnitial-D auf Bl. E 3 b, welches entweder einen reitenden oder einem flöteblasenden Engel zeigt. Gelegentlich findet sich auf Bl. F 2a die Signatur F a ij statt F ij.

 

 

 

[Seite 363]

 

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5792), Bonn, Breslau U., Dresden, Erfurt Martinsstift, Göttingen U., Heidelberg, Königsberg U., Marburg, München U., Nürnberg St., Stuttgart, Wernigerode, Wittbrietzen, Wittenberg, Wolfenbüttel, Worms Paulusmuseum, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 2.

 

B “Ein Wid-||derruff vom || Fegefeur. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 24 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Hans Lufft. || M D XXX. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5791), Heidelberg, Königsberg U., München U., Stuttgart, Wittenberg, Wolfenbüttel; London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 1.

 

C1 “Eyn Widerruff || vom Fege-||feür. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 14 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zů Nuermberg bey || Georg Wachter. ||”

Bl. A 1b Z. 1 “nachkommen”, Z. 4 “Sophisten mit allem || fleyß”, B 1a Z. 16 “nit || reden”, B 1b Z. 1 “vnd”, B 3b Z. 1 “Das vierd Capitel”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5795), Dresden, Heidelberg, Nürnberg St., Stuttgart, Wittenberg, Würzburg; Zürich St., London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 3.

 

C2 Beschreibung wie C1, aber Bogen A und Bl. B 1b B 2b B 3a B 4b von anderem Satz, die übrigen Seiten von dem gleichen Satz wie C1; auf Bl. B 1a und B 3b sind bei gleichem Satz einige Korrekturen eingesetzt. — Zwitterdruck zu C1.

Bl. A 1b Z. 1 “nachkummen”, Z. 4 “Sophistē mit allem fleis ||”, B 1a Z. 16 “nit || dauon redē”, B 1b Z. 1 “vñ”, B 3b Z. 1 “Das viert Capitel.”

Vorhanden: Berlin (Luth. 5795 a), München U., Wernigerode. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 3 unterscheidet C1 und C2 nicht.

 

D “Eyn Wyderrueff || vom Fegfewr. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 14 Blätter in Quart.

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Bl. D 4a Z. 13 haben einige Exemplare den Druckfehler “über rreffen” statt “über treffen”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5797), Göttingen U., Stuttgart; London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 4.

 

Niederdeutsch:

 

 

“Ein Wed || derrop vam || Vegevuer. || Mart. Luther. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 20 Blätter in Oktav. Am Ende: “Gedruecket tho Magdeborch dorch || Henrick Ottinger. ||”

Vorhanden: Wernigerode, Wittenberg, Wolfenbüttel.

 

“Eyn Wed- || derrop, vam || Fegevuer. || Martinus Luther. || Wittemberch. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 24 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedrueckt tho

 

 

 

[Seite 364]

 

Mag- || deborch, dorch || Hans Wolther. || M. D. XXX. || [Bild: Zwei gekreuzte Schlüssel] ||”

Vorhanden: Heidelberg.

 

Späterer Druck.

 

 

Wider die alte, grobe, Heydnische Luegen der Papisten, vom Fegfewer, welche jetzundt die Jesuiten, sampt jrem anhang, inn jren Buechern wider auff die Bahn bringen, vnd zubekrefftigen vnderstehen. Drey fuernemer Schrifften. I. Doctor Martinus Luther seligen, von jm geschrieben Anno 1530. II. Herrn Philippi Melanthons seligen, auß seinem Buechlein, Von der Kirchen, Anno 1539. geschrieben, trewlich verteutschet. III. Herrn Johan Brentzen Verdeutschet, auß seiner Apologia, so er Anno 1559. wider ein̄ Spanischen Moench, Petrum Sotum, hat lassen außgehen. Auß diesen Schrifften, als die auff den Rechten Grund weisen, kan sich jeder Christ gnugsam verwaren, wider der Jesuitern, vnd aller Papisten Verfuerisch Geschwetz vnd Schreyen, nicht allein vom Fegfewer, sondern auch von der Meß, vnd Fuerbitt fuer die verstorbenen, vnd was dergleichen, jrem bauch zu gutem, von jnen ist erdicht worden. Jm Register kan der Leser bald sehen, was fuer nuetzliche vnd noettige Puncten erkleret sind. Getruckt zu Franckfurt am Mayn, durch Nicolaum Basse. ANNO M. D. LXX.

68 Blätter in Quart.

Herausgeber ist Matthias Ritter.1 Luthers Schrift “Ein Widerruff vom Fegfewer” steht Bl. B 3b –G 2b.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Cz 920), Marburg. — W. Köhler, Bibliographia Brentiana, Nr. 515.

Wieder abgedruckt ist die Schrift in den Gesamtausgaben: Wittenberg 7 (1554), 436b –445b; Jena 5 (1557), 133a –144b; Altenburg 5, 291 –302; Leipzig 20, 237 –248; Walch 181, 1048 –1082; Walch2 18, 874 –903; Erlangen 31, 184 –213.

 

Von dem Urdruck A ist B und C1 abgedruckt. Der abweichende Satz von C2 erweist sich durch den größeren Abstand von A als jünger, ihm liegt C1 zugrunde. D hat C2 als Vorlage gehabt. Wir geben den Text nach A mit den Textvarianten aus B –D. Diese sind sehr gering an Zahl. Nur stellenweise scheint der Setzer von D durch Unaufmerksamkeit den Text verändert zu haben. Wir lassen hier die sprachlichen Abweichungen folgen, wobei wir jeden Text mit seiner Vorlage vergleichen.

 

B (Wittenberg) verglichen mit A. Außer der Einführung von j für i vor Vokalen und vielen großen Anfangsbuchstaben ist zu verzeichnen:

 

I. Vokale: 1) Umlaut. o > oe moerder, volkoemlich, geboete, schoen, hoehest; u > ue fuer (= vor), wuerde, thuerste, Fuerst, duerfft, kuertzest, suendlich, suendigen, suende, schueldig, entschueldigen, juecken, stueck, schuetzer, darueber, Jueden, suechen, fueren, mueste, kuee, buechlin, versuenen; ∞ durchweg drumb.

 

 

 

[Seite 365]

 

2) o > u frumer (in A seltener); i > ie ziehen.

 

3) h fällt in jr.

 

4) unbetontes e neu in schneyte (niveret), thuerste, schicket (Prät.), luegener; ∞ Fegfewr; verduncklen > verdunckeln.

 

II. Konsonanten: t > dt erkandte; p > b geboete, gebot; ch > g wissentliger.

 

Doppelkonsonant vereinfacht; etlich, theten, geboete, Gotheit, ∞ wenns, wellt, spott, huett, Cappellen (pp).

 

III. Konjugation: koempt > kompt, gehat > gehabt.

 

IV. Wortformen: nur > nuer; schrift > schricht (niedd.? Druckfehler?).

 

C (Nürnberg) verglichen mit A. C1 behält vielfach Formen von A bei, die in C2 durch Nürnberger ersetzt sind; im folgenden ist C2 allein berücksichtigt.

 

I. Vokale: 1) Umlaut. e > oe zwoelff, e > ae vaeter, verraeter, schaecher, Maerterer, baepstlich, jaemerlich; e > a abentheuer, arbeit, warlich; o > oe moerden (immer), oeffentlich, woellen; schoene, hoeher, ∞ stoßt; u > ue gegruent, fuenff, fuenffzehen, fuenfft, fuerst, kuertzest, erwuergten, fuer guelden (Subst.), kue, mueß (Konj.), fueren, buechlin; ∞ widerumb, darumb, Juden, kunstreich, Lugen; eu > au laugnet, glauben, glaubig, eu > oew droewen.

 

2) o > u kumen, nachkummen, volkumlich, genumen, sunst, kuenig, kuennen; ∞ bedoerfft, versoenen; a > o do; ie und i sind geschieden, u und ů nicht immer, ue und ü gar nicht; ei > ai nur in Hayden.

 

3) unechtes h beseitigt in steen, geen, wan, lonen, mer (aber wahr, fahr bleiben), jm, jn, jr, verraeter, ye.

 

4)unbetontes e ist in C1 noch oft beibehalten, in C2 kann es überall fehlen: schand, suend, hab, Jud, leut, het, der gut, das dritt, ein (una), auch dest, sol als Konjunktiv; vor t harten, erwuergten, auffgehoert, gefast (< tet), bestelt, vor n verlorn, luegner, vor s heiligst, in Kompositis: boeßwicht, fegfeuer, Meßbuecher; ∞ forne; heysset, altaren, seien, verdunckeln > verduncklen. Auf 57 auslautende e in A treffen in einem mittleren Stück in C1 40, in C2 33.

 

II. Konsonanten: d > t, dt teuetsch (an beiden Stellen), tuerffte, geret, geredt, schantloch, gegruente, handthabe, gruntlos, viert, vierdten, wirt, wert, goldt, sibent, verstant, gethoen; b > p gepot, verpoten, (ge) pracht, mißprauch, ∞ bruefet; scharff > scharpff; g > k junckfraw, hencken, -igklich.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: Got, etlich, verpoten, herligkeit, gepler, edel, weder, wider, oder; ∞ nachkummen, kummen, Cappellen (< p), huett dich, deutten, bestettigen (auch ∞), Bischoff, jaem̄erlich.

 

III. Vor- und Nachsilben: offenberlich > -barlich, iglich > igklich, nis > nus, gewis > gwis, gleuben > gelauben (ge- am Zeilenschluß).

 

IV. Deklination: den buecher > buechern.

 

Konjugation: komen > kummen, stoeßt > stoßt; koennen, konnen > kuennen, beduerfften > bedoerfften; wollen > woellen; sie sind > sein.

 

V. Wortformen: itzt > ytz, yetz, denn > dann, dennoch > dannoch, fur (mit Dativ) > vor, erfur > herfuer, draus > darauß, sondern

 

 

 

[Seite 366]

 

> sonder, nicht > nit, fern > fer (nu bleibt immer); predigt > predig, pfennige > pfenning; hengen > hencken, verdampt > verdamnt.

 

D (Nürnberg) hat ausgeprägt Nürnberger Charakter, zeigt daneben aber nicht wenige mitteldeutsche Formen, die in C fehlen. Da D aber mehrere Lesarten nur mit C gemeinsam hat, andere allein bietet, muß C (C2) die Vorlage gewesen sein, wenn nicht ein mit C nahe verwandter Druck verloren ist. Die mitteldeutschen Formen erklären sich daraus, daß bei Stüchs um dieselbe Zeit mehrere Drucke nach Luthers Handschrift hergestellt wurden, der Setzer also daran gewöhnt war.

 

I. Vokale: 1) Umlaut: e > oe loewe; e > ae geaefft; oe > o offentlich (mehrmals); u > ü, ue sünde, kuende, Lügen, luegner, schuetzer, fünfft.

 

2) o > u trutz, kuennen, ∞ koenig; o > a Schwatz, an, ∞ won.

 

3) unechtes h beseitigt nur in Ernfest, ∞ gehen, stehet, yhr; verrhaeter > verraether.

 

4) unbetonte e häufiger als in C: geplerre, sünde, were, die drytte, vierde, woelle, ein lautere, erzelete, zeuget, ∞ stewr, leer, peth, ab, het, mueg, schleusst, luegner, maertrer; verduncklen wieder > verdunckeln.

 

II. Konsonanten: d, dt > t hanthaben, verstant (und ∞), t > dt bewerdt, t > d duerffte, t > th arth; b > p poecke, peth, ∞ blapert, baebstlich (> baepstlich), mißbrauch; kue > khue; h > ch befelch.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: biten, beten, blapern, abgoeterey, ∞ rassend, kummen, kumm, ortte.

 

III. Vorsilben: gewaltig > gwaltig; Nachsilbe: nus (bisweilen) > nis.

 

IV. Deklination: altare (Plur.) > altaren, vigilien > vigilen (einmal), einen > ein, seinem > seim, mit faulem > faulen (Sing.), etliche gefangen > e. gafangne.

 

Konjugation: kemen (venirent) > koemen, sie seyn > seind, koennen > kuennen.

 

V. Wortformen: vor > für, auß > darauß, hynach > hin nach, von seinen wegen > v. seinent w., von forne > v. fornen, ytz > yetz (öfter als C), weder > werder; Schwotz > Schwatz, Mammon (öfter) > Mommon, befelh > befelch; ruegig > ruewig, yderman > yederman (einmal, yglich bleibt); verteydingen > verteydigen, verdamnen > verdamen, verdamnt > verdampt, rugen > rhůen, feilen > faelen, felen.

 

VI. Wortwahl: statt untetlin untedelin.

 

VII. Syntax: gegen die > gegen der.

 

 

 

[Seite 367]

 

Widerruf vom Fegefeuer 1530

 

[Seite 367]

 

 

 

 

[Bl. A ij] Allen unsern nachkomen Martinus Luther.

Gnad und friede ynn Christo unserm Herrn, Weil ich sehe, das  die Sophisten mit allem vleis jhr luegenpredigt, schande und  grewel, da mit sie die Christenheit verderbt haben, jtzt durch  viel geplerr und geschrey unterstehen zuverbergen und sich  erfur putzen, als hetten sie noch nie kein unthetlin begangen,  Der hoffnung, weil wir eine zeit lang daher gegen sie geschwigen und uns  mit den rotten geistern geschlagen, sie wolten jnn des daher schleichen und  aus jhrem schandloch erfur sich mutzen1, das man all jhr lesterlichs leren und  wesen vergessen solle, und wollen also ungebuesset, ungebessert, dazu unversehens  und unverschampt mit der zeit alle jhre Teuffels lere widder anrichten, So  mus ich dagegen widderuemb das alte register erfur ziehen2 und jhre loebliche  tugent widder an die sonnen bringen, das sie nicht so schwartz verfaule, sondern  wol gebleicht werde, damit man jhr nicht so vergesse, wie sie hoffen.

 

Denn weil die verzweivelten lesterer und moerder teglich viel bluts vergiessen,  liegen und triegen, Gott aber nicht so viel ehre thun woellen, das sie  doch ettliche stuecke (die sie selbs wissen und fuelen, wie sie darinn geirret und  die welt betrogen haben) bekenneten, buesseten oder besserten, Ja nicht jnn eim  stueck woellen sie weichen, Sondern woellen schlecht lieber durch sunde jnn den  heiligen geist, zu trotz der warheit und Gott selbs, oeffentliche und von jhn  selbs wol erkante luegen schuetzen, verteidingen und handhaben, und darueber alle  die, so solchen oeffentlichen luegen, als artickeln des glaubens, nicht folgen,  morden, brennen, verfolgen, wueten, toll und toericht sein, So mus ich, unsern  nachkomen zur warnung (ob die welt ia solt noch lenger stehen), ein register  und vorrat zur Historien stellen3, darinn sie sehen, warueber der Luther vom  Bapst verdampt sey, und was des heiligen Bapstumbs lere gewesen sey, auff  das sie sich dafur wissen zu hueten, wenn Gott die gnade gibt.

 

Versehe mich auch gantz troestlich, das ich hie mit den Sophisten selbs  werde einen sonderlichen dienst thun, weil jhn so aus der massen itzt wol ist,  und die haut so seer iucket4 und mir villeicht fast feind sind, das ich sie bis  her nicht recht und gnug gemalet habe, sondern allein auff ein papir schlecht  abgerissen, Und derhalben begeren, ich solle sie auch mit der farben ausstreichen,

 

[ 6 untedelin D5]

 

 

 

[Seite 368]

 

 des helffe mir Gott und erhoere jhr begeren, Jch wils versuchen und widderuemb  alles und alles von newen und forn anfahen, Und weil die reinen heiligen  nicht [Bl. A iij] wissen, waruemb sie doch so schreien, wil ich jhn dazu helffen  und zu schreien geben, So mir Gott das leben gan.1 Und zum anfang wil  ich das Fegfewr zu erst fur mich nemen, jhre schendliche luegen eraus zu setzen2,  denn ich bis her da widder nie nichts sonderlichs geschrieben habe, Und darnach  von den andern luegen und greweln jnn der riege3 und ordnung nacheinander  her.

 

Von der Sophisten lügen und grewel mit dem Fegfeur.

 

 

 

 

Das erst Capitel.

See haben einen Text, der fast jhr eckstein und bester grund ist, 2. Machabeorum  [2. Makk. 12, 43 ff.] 12, der lautet also: ‘Judas aber, der Ehrn vheste, samlet eine  steure und schickt hin gen Jerusalem zwelff tausent drachmas silbers, das  man opffern solte fur die sunde der verstorbenen, als der von der todten aufferstehen  eine rechte und Goetliche meinung hatte, Denn wo er nicht gegleubt  hette, das die, so erschlagen waren, wurden aufferstehen, were es vergeblich  und unnuetz anzusehen gewest, fur die todten zu bitten, Daruemb ists eine  heilige und gute meinung, fur die todten zu bitten, das sie von den sunden  los werden.’

 

Du must aber hie nicht dencken, das die Sophisten jnn jren seel Messen  diesen Text zur Epistel haben gebraucht umb der zwelff tausent drachmas  willen, Sonst wurden dir boese gedancken einfallen, als hetten sie es aus geitz  gethan, Und were dieser Text jhr Schneberg, Schreckenberg, Schwotz4 und  alle silber und goldberge gewest, Sondern sie habens gethan aus grosser liebe  und andacht, den armen seelen zu trost und Got (nicht dem schendlichen  Mammon) zu ehren, wie das leichtlich an jhren wercken und fruechten zu  mercken ist.

 

[ 13 nach silbers steht am Rande Das ist tausent und funff hundert guelden. Eine drachma ist funff schwerd grosschen, odder xxx. lewen pfennige Meissenisch.5]

 

 

 

[Seite 369]

 

Auffs erst.

Wie wol dis buch Machabeorum nicht jnn der zal der heiligen schrifft  ist, auch von den alten vetern nicht fur heilige schrifft ist angenomen, wie  auch zwar die art der sprach selbs gnug zeuget, Das damit gnugsam jhr  ungegrundte schendliche luegen moecht verdampt sein, als die einen Text fur  gewis und zum Artikel des glaubens halten, leren und predigen, der doch  nicht gewis sein kan, dazu uber solchem ungewissen verworffen Text die leute  ketzern und morden, als hetten sie macht, Artikel des glaubens zu stellen, was  und wie sie wolten, So wollen wir doch dismal zum uberflus und zum  [Bl. A 4] dienst den luegnern diesen Text lassen gelten als sonst eines frumen  heiligen mans rede, der dennoch wol zu weilen etwas guts und warhafftiges reden  kunde, ob man gleich nicht schuldig ist, dasselb zu gleuben, weil er on schrifft  und Gottes wort redet, Und daruemb nicht zuverdamnen ist als ein ketzer.

 

Aber der Sophisten erste weidliche luegen (ausgenomen die itzt  erzelete, vom ungewissen buch einen artickel des glaubens zu machen) ist diese,  das sie diesen Text deuten auffs fegfewer, woellens auch damit gruenden und  beweisen, so doch kein wort noch buchstabe drinnen vom fegfewr stehet, Sondern  sie dringen und brewen solchen luegenverstand hinein aus jhrem eigen kopff umb  der zwelff tausent drachmas willen. Der text sagt von den sunden der verstorbenen  und lobet den Judas umb den artickel der aufferstehung, das der  gute man, der dis buch gemacht hat, wil hiemit preisen den edlen artickel  von dem aufferstehen der todten, der dazumal (wie auch noch) seer verachtet  war, So ziehens die Papisten auffs fegfewr, denn sie achten der aufferstehung  nicht so gros, als der zwelff tausent drachmas, die gleissen fur jren augen  mehr denn aufferstehen und ewigs leben dazu.

 

Und zwar zeigt der Text selbs an, das er nichts halte von der pein  odder fegfewr der seelen, Denn er spricht ia also: Es were vergeblich und  unnuetz fur die todten bitten, wo kein aufferstehen were, Wil ia klerlich damit  anzeigen, ob sunde da weren der todten, die moechten jhn jnn der aufferstehung  schaden thun, nicht fur der aufferstehung, Denn fur und on die aufferstehung  helt ers vergeblich, das man fur die todten bitte, Denn wo sie nicht auff  stehen und ehe sie auff stehen, ists umbsonst, fur sie bitten, Das also dieser  Text nicht allein ungewis, sondern auch stracks widder jhr fegfewr, feilfeur  odder luegenfeur ist.

 

Zu dem, so ist das ein lose faule Dialectica und folget und schleust nicht  fein: Ein gestorbener ist jnn sunden, druemb ist er jm fegfeur, Wo mit wil  man diese folge beweisen odder erzwingen? Es thetten denn die 12 tausent  drachmas, sonst gibts der Text nicht, man helffe denn eine luegen hinein treiben,  Denn aller heiligen leichman ligen jnn der erden und sind sundlich und jnn  [Röm. 5, 12] sunden gestorben, wie Sanct Paulus sagt Roma. 6. ‘Der leib ist gestorben  umb der sunde willen’, dennoch ist er nicht jm fegfeur, Die Teuffel sind auch  jnn sunden und doch wedder jm fegfeur noch jnn der helle pein, Daruemb

 

 

 

[Seite 370]

 

 folgets nicht: Judas lest bitten fur die todten, druemb sind sie jm fegfeur,  Das gebet kan wol gehen und gehet auch auff die aufferstehung, und wers  auffs fegfeur deutet, der redet das seine on beweisung, das ist eben so viel  als eine lesterliche luegen, sonderlich, weil sie hie einen Artikel des glaubens  aus machen wollen.

 

 

 

[Bl. B 1] Die ander lügen.

Ob gleich Judas solch opffer hette zu seiner zeit jm alten Testament  gethan, wie komen wir da zu, das wirs auch hinach thun muessen? Wollen  wir zu ruecke und widder zu Juden werden? Wer hat uns die gewalt gegeben.  das man aus eines menschen (er sey gleich heilig) werck ein Exempel, ia ein  gebot und Artickel des glaubens mache, daruber man ketzer verbrennet? Jst  das nicht zu hoch Gott versucht und uber Gott gefaren mit unerhoreter vermessenheit?  Sagt doch dieser Text nicht, das mans hinach thun musse odder  solle, odder Gott befolhen habe, sondern sagt allein daher ein geschicht, was  Judas habe gethan fur sich selbs, und wir faren ein hin, machen flugs ein  gebot und Artikel draus, aus eigener thurst, frevel und mutwillen, das uns  Gott nicht befolhen, sondern verbotten hat.

 

[1. Mose 22, 2] Also theten die Jueden vorzeiten auch, da sie jnn Genesi funden, wie  Gott Abraham befalh seinen son Isaac zu opfferen, harreten sie nicht, bis das  jhn Gott auch solchs gepotte, furen zu, wie die unsinnigen, machten flugs ein  Exempel, gebot und Artikel draus, opfferten jhre soene und toechter, bis sie das  land vol bluts machten, und erwurgeten dazu alle Propheten, die solchs  straffeten und wehreten, gleich wie jtzt die rasenden blut hunde auch thun und  umbs fegfeurs willen die unschuldigen toedten, so sie doch kein Gottes wort  fur sich haben und dazu diesen Text felschlich furen und noch das Exempel  Juda (das sie furwenden) nicht haben, und wens gleich ein Exempel were,  dennoch nicht gnug zum gebot odder artickel were.

 

Es ist aber der rechte Muenzerisch geist, des Dialectica und Theologia  war hierin auch gantz Sophistisch, Denn so leret er, David, Gedeon, Josua  und der gleichen haben die Gottlosen koenige erschlagen und wol dran gethan  und sind von Gott gelobet, Druemb so wollen und sollen wir auch die fuersten  todschlahen eben diesem Exempel nach, wie diese luegener leren: Judas hat fur  die todten geopffert, druemb sollen wirs Christen auch thun. Und ist dazu  ungewis, ob Judas hiemit fur Gott recht gethan hat odder nicht, weil das  gantze buch ungewis und von den alten verworffen ist, Aber die xij tausent  Drachmas haben das hertze leid, machen Artikel und gebot, wie sie wollen.

 

Es ist ia nichts schedlichers jnn der welt, denn wo man auch der  heiligen werck on Gottes befelh zum Exempel, gebot, lere und Artickel setzt.  Denn wir sollen keinem Exempel folgen, da sie ein sonderlichen befelh gehabt,

 

[ 5 darauß D 13/14 solle odder fehlt D]

 

 

 

[Seite 371]

 

 den wir nicht haben, Wir haben unsern befelh fur uns, als gleuben, lieben,  [Phil. 3, 16] dabey sollen wir alle gleich bleiben, sagt S. Paulus Phil. 3, bis er uns etwas  weiters heisse, wie er jhenen gethan hat, Weil wir nu kein wort noch  [Bl. B ij] befelh von Gott haben, das fegfeur zu gleuben, so ists eine verfluchte  lesterung und luegen, durch uns selbs ein gebot und Artikel daraus zumachen,  und wens eitel heiligen Exempel schneyet und regente, Hatts Judas gethan  aus eigener andacht, so stehe es auff jhm, Er ist unser Gott noch lerer nicht.  [Richt. 8, 27] Gedeon richtet auch aus eigner andacht ein Ephod an, aber gieng drueber zu  scheitern, und wer weis, ob Judas auch umb dieser eigner andacht willen  [1. Makk. 9, 18] hernach so fallen und erschlagen werden must, Es ist, on Gottes wort, nicht  zu schertzen mit menschen werck und der heiligen Exempel.

 

 

 

Die dritte lügen

Jst die allerfeineste, Judas selbs, von dem dieser Text sagt, hat nicht  gegleubt, das ein fegfeur sey, hats auch nicht koennen gleuben, Denn es ist  jm alten Testament kein fegfeur gewest, auch nicht jm newen Testament, zur  zeit der Apostel und lang hernach, Und die Sophisten sagen selbs, das jm  alten Testament sey keins gewest, Sind mir das nu nicht feine, trewe hirten  und lerer, die einem frembden Text (ausser der heiligen schrifft) ein furen,  den sie selbs wissen und bekennen muessen, das er nicht vom fegfeur redet noch  reden kan, dennoch aus eigner thurst und frevel, mit mutwilligem liegen und  triegen, deuten und zwingen das fegefeur zubestetigen, also rasend und  unsinnig, das sie solche jhre wissentliche luegen auch zum Artikel des glaubens  setzen und die leute morden, die solche offenberliche, wissentliche luegen nicht  als Gottes wort anbeten? Heist das nicht jnn den heiligen geist auffs unverschamptest  gesundigt und eigene gewisse luegen uber Gott gesetzt?

 

 

 

Die vierde lügen.

So liegen sie auch damit, das sie solch verboten und ungewis Exempel  des Judas selbs nicht halten, Denn Judas hat wie ein Juede nach dem alten  gesetz geopffert, welche nu durch Christum haben auffgehoeret. Und wo Judas  jtzt lebte, thurst ers nicht mehr thun, Wie komen denn unser lugener darauff,  das sie dis Exempel des alten opffers, das lengest auffgehoeret, nu widderuemb  auff werffen? Wollen sie Juda folgen, so muessen sie enhindern1 jns alte  Testament, und zu Jerusalem mit den Jueden schaff und ochsen opffern, sonst  ist das Exempel tod und gar nichts, Weils denn Judas jtzt selber nicht  thet, wo er lebete, und auch kein fegfeur gleubet, Jsts ia ein unverschampte  lesterliche luegen, seinem todten und nu untuechtigen Exempel zu folgen, ein  Artikel draus zu machen. Wenn sie denn ia der Jueden Exempel wollen

 

[ 6 schneyet] scheinet D 7 noch] vnd D 36 seinen D]

 

 

 

[Seite 372]

 

folgen, must man sie auch beschneiten und zu allem gesetz Mosi zwingen,  auff das Christus von jhn volkomlich verleugnet wurde, Denn wer das gesetz  [Gal. 6, 13, Jak. 2, 10] jnn einem stuck helt, der mus jnn allen halten, Galat. 6.

 

Nu faren sie noch weiter: Judas Exempel [Bl. B iij] folgen sie nicht, das  sie doch rhuemen, Sondern creutzigen dazu Christum, machen an stat des auffgehaben  opffers Jude Christum und die Messe zum opffer, das reimet sich wol  mit Judas Exempel, Aber davon weiter, wenn wir auff die Messe komen.

 

Sihe du nu zu: Das buch ist verworffen und ungewis, der Text sagt  nichts vom fegfeur, Und Judas hat kein Gottes wort fur sich, heists uns  auch nicht nach thun, gleubt selbs kein fegfeur, Und ist alles jm alten Testament  geschehen, da kein fegfeur gewesen ist, und gilt solch Exempel und werck  nicht mehr jm newen Testament, so folgen sei auch dazu seinem Exempel  nicht, Ertichten die Messe fur ein opffer, und furen gleich wol diesen Text  auffs fegfeur, wie gar schendlich ist doch das alles durchstuncken und durchlogen  und gantz grundlos mit luegen und lesterungen, Dennoch mutwilliglich  machen sie aus solchen luegen Artikel des glaubens (das Judas jnn seinem  opffer doch nicht gethan), morden daruber die leute als ketzer, Sind mir das  nicht verfluchte, schendliche lesterer und moerder?

 

Sie schreien, Die kirche, kirche, kirche sagts, Das ist auch erlogen, Die  [1. Tim. 3, 15] kirche ist ein pfeiler der warheit, sagt Paulus, und ist heilig, Druemb ists  unmueglich, das sie mit solchen mutwilligen, greifflichen oeffentlichen luegen solt  umbgehen. Aber die kirche, das solche luegen jnnen regieren, ist jhr eigen  kirchen, Denn diese Epistel lesen sie durch alle Stifft, kloester, kirchen,  Cappellen, altarn, jnn den seelmessen vom fegfewr, wie jhre Messebuecher zeigen  und am tage ist. Daruemb sey du gewis, das sie hierinn luegener, lesterer,  abtruennige Gottes feinde, Christus verrheter und moerder sind, Und huet dich,  das du nicht dich teilhafftig machest jhres liegens und mordens.

 

Das ander Capitel.

[Ps. 66, 12] Auch haben sie einem schoenen text aus dem 65. Psalm, der laut also:  ‘Wir sind durch fewr und wasser gangen.’ Weil nu hie das wort  ‘fewr’ stehet, so mus es das fegfewr heissen, Und das wort ‘Wir’ heist: wir  armen seelen jm fegfewr. Da hastu das fegfewr gewis bestettigt, Gehe nu  hin und sage, das die Sophisten on schrifft reden und ungelerte esel seien,  Das aber da bey auch ‘Wasser’ stehet, mustu dieweil nicht achten, sondern  auffs wort ‘feur’ sehen, sonst solt dich wol ein lachen bestehen, wie doch die  Sophisten wasser jns fegfeur bringen koennen, Es sind kuenstreiche leute, das  sag ich dir fur war, Es gehet alles hie mit der [Bl. B4] weissen kunst zu, und  nicht mit schlechten kreutern.1

 

 

 

[Seite 373]

 

Wolan, ich kuende wol leiden, das sie mit der schrifft also gauckelten  und narreten, wenn sie es heimlich bey sich selbs theten, auff jhr ebentheur.1  Aber nu ists ein solcher ernst (wie gesagt), das sie offentlich durch die gantze  Christenheit Artikel des glaubens draus machen und die leute drueber morden,  brennen, lestern und verdamnen, und mit solchen spruechen gruenden sie jhre  verfluchte luegen und fressen damit der welt gueter und verfuren die Christlichen  seelen iemerlich, denn es stehen auff solchen gruenden fast die stifft, kloester,  kirchen, altar allzumal.

 

 

 

[Seite 373a]

 

 

 

[Erste Version]

[[Zweite Version]] 373b

 

 

[Hs.] Die erste lugen

Jderman kan itzt ym Psalter selbs  wol sehen das dieser spruch gar nichts  vom fegfeur redet Sondern wird durch  die verlogene sophisten felschlich dahin  gefuret, Er sagt allein vom leiden der  heiligen ynn dieser zeit, wie denn  drinnen stehet, Gott du lessest menschen  vber vnser heubt gehen, Nü sagen die  papisten ia, selbs, das nicht menschen,  sondern teuffel ym fegefeur die seelen  plagen̄

 

 

 

Die an̂der lugen

So gehoret der psalter eigentlich  den heiligen zu ym allten testament,  Vnd ist auch ym allten testament gemacht  vnd drinnen gefasset, Das fegfeur  aber ist da zu mal noch nicht  gewest, Darumb kan er nicht dauon  reden, wie kan ers denn vns ym  newen testament beweisen?

 

[ 11 sehen deud 13 die lu        verlogene papisten vnd sophisten r 16 stehet, Das Gott me 18 selbs o 19 son̂dern̂ da 22 eigentlich yns allte 26 nicht erfunden]

 

 

 

[Seite 374a]

 

 

[[Zweite Version]] 374b

 

 

Die dritte lugen

So werden die aus dem fegefeur  ia nicht opfern diese opffer dauon der  [Ps. 66, 13. 15] psalm meldet vnd spricht Jch wil ynn  dein haus gehen mit brandopffer, ich  wil rinder vnd bock zu richten, welchs  sind opffer des allten testaments vnd  nu lengest alle tod vnd abe, doch pfennige,  grosschen, gulden vnd xij tausent  dragmas werden das wol verantworten

 

 

 

Die Vierde lugen

Das der Psalm auch vom Wasser  sagt, wie droben angezeigt, Aber der  Mammon vermag alle ding ynn dieser  heiligen Sophisten kirchen auch die  lugen zur warheit, vnd aus dem  teufel einen Gott zü machen Haben  sie doch kalt wasser auch ynn der  [Hiob 24, 19] helle funden wie sie aus Hiob 24  beweisen, da er spricht, Sie gehen  ynn grosse hitz vom schnee wasser,  Vnd sol der meinung sein das die  seelen von der hitze zur kellte vnd  widderumb faren müssen Hiob aber  sagt, wie der schnee n̂eme ein ende  vnd werde zu wasser von der sonnen  hitze Also verderben auch die ehebrecher  hie auff erden an leib vnd

 

 

[ 8 lengest o 11 Das Die 14 Mammon steht über glaube        ding bey 15 Sophisten steht über Bapsts        die rh 17 zü o        machen kan̂        Sie haben haben 18 der c aus die 19 helle gebracht        funden r        Denn yn wie 21 Luther begann zuerst vonn gr, strich es und begann von neuem: aus der grossen hitz, strich dann aus der durch und schrieb darüber ynn und korrigierte grosse        vom steht über yns        wasser, wollen 22 Vnd ist        sol rh        sein o 25 n̂eme doch 27 verderben steht über vergehen 27/28 ehebrecher steht über Gottlosen, am Rande steht auch noch durchgestrichen: stoltzen 28/375, 1 an leib vnd güt o]

 

 

 

[Seite 375a]

 

 

[[Zweite Version]] 375b

 

güt. Aber nu ists ein artickel des  glaubens das sonnen hitze, vnd schn̂ee  wasser ynn der helle sey das muste  gleuben odder bist ein ketzer, denn  Hiob hats den Sophisten so gesagt

 

Mich wundert aber, Warumb sie  nicht aus Daniel: ix aüch das fegfeur  beweisen, da

 

[ 1 Aber glaube du, das es von dem hellischen feur sey gesagt wiltu nicht ein ketzer 2 Luther schrieb zuerst: das es leider sey heis vnd kalt ynn der helle 4/5 denn Hiob — so gesagt nachträglich hinzugesetzt.]

 

 

 

[Seite 373b]

 

 

 

[Zweite Version]

[[Erste Version]] 373a

 

Die erste lügen.

Jderman kan jtzt jm Psalter selbs  wol sehen2, das dieser spruch gar  nichts vom fegfeur redet, sondern  wird durch die verlogene Sophisten  felschlich dahin gefuret, Er sagt allein  vom leiden der heiligen hnn dieser zeit,  [Ps. 66, 12] wie denn drinnen stehet: ‘Gott, du lessest  menschen uber unser heubt gehen,’  Nu sagen die Papisten ia selbs, das  nicht menschen, sondern Teuffel jm  fegfeur die seelen plagen.

 

 

 

Die ander lügen.

So gehoeret der Psalm eigentlich  den heiligen zu jm alten Testament  und ist auch jm alten Testament gemacht  und drinnen gefasset, das fegfeur  aber ist da zu mal noch nicht  gewest, Daruemb kan er nicht davon  reden, wie kan ers denn uns jm  newen Testament beweisen?

 

[ 1 wol fehlt C 23 heililigen A 27 davon fehlt C1]

 

 

 

[Seite 374b]

 

[[Erste Version]] 374a

 

Die dritte lügen.

So werden die aus dem fegfeur  ia nicht opfern diese opffer, davon der  Psalm meldet und spricht: ‘Jch wil jnn  dein haus gehen mit brand opffer, ich  wil rinder und boecke zu richten’, welchs  sind opffer des alten Testaments und nu  lengest alle tod und abe, doch pfennige,  groschen, gulden und xjj Tausent drachmas  werden das wol verantworten.1

 

 

 

Die vierde lügen.

Das der Psalm auch vom wasser  sagt, wie droben angezeigt, Aber der  Mammon vermag alle ding jnn dieser  heiligen Sophisten kirchen, auch die  luegen zur warheit und aus dem  Teuffel einen Gott zu machen. Haben  sie doch kalt wasser auch jnn der helle  funden, wie sie aus Hiob xxiiij beweisen,  da er spricht: ‘Sie gehen jnn  grosse hitz vom schnee wasser’, und sol  die meinung sein, das die seelen von  der hitze zur kelte und widderümb  faren muessen, Hiob aber sagt, wie  der schnee neme ein ende und werde  zu wasser von der sonnen hitze. Also  verderben auch die ehebrecher auff er-  [Bl. C 1] den an leib und gut, Aber nu

 

 

[ 5 dein] dem C]

 

 

 

[Seite 375b]

 

[[Erste Version]] 375a

 

ists ein artickel des glaubens, das  sonnen hitze und schnee wasser jnn der  helle sey, das mustu gleuben odder  bist ein ketzer, Denn Hiob hats den  Sophisten so gesagt.

 

Mich wundert aber, Waruemb sie  nicht aus Daniel ix auch das fegfeur  beweisen, da

 

 

 

[Seite 375]

 

[Dan. 9, 4 ff.] er so hertzlich klagt und bittet fur die  sunde der verstorben veter, das sie Gott woelle vergessen, Und Gott selber jm  [2. Mose 20, 5] ersten gebot drewet, Er woelle der veter missethat heimsuchen an den kindern  bis jns dritte und vierde gelied, damit er ia die kinder vermanet, fur der veter  sunde zu buessen. Hieraus solt ia auch ein fegefeur zu bawen sein, so es aus  dem exempel Juda so meisterlich gezimmert ist, Und haben sie so scharff gesicht,  das sie wasser jm fegfeur und schnee jnn der helle auch on brill und latern  ersehen koennen, solten sie ia hie auch zum wenigsten das helle feur sehen jnn  solcher finsternis. Aber ich halt, Es mangelt daran, das an diesen orten nicht  stehet von xij tausent Drachmas noch vom opffer, wo die selbigen nicht hin  leuchten, da ist kein fegefeur zu ersehen, die rechte latern stehet nicht da bey.

 

Das dritte Capitel.

[Off. 14, 13] Stehet Apoc. xiiij: ‘Jch hoeret eine stimme zu mir sagen: Schreibe, Selig  sind die todten, die jnn dem HERRN sterben von nu an, Ja der geist  spricht, das sie rugen von jhrer erbeit, denn jhre werck folgen jhn nach.’

 

Das ist der Text, ders thut, der gehet jnn dem seel ampt jm rechten  schwangk, Und reimet sich zu den seelen jm fegfeur so eben, das lust ist zu  sehen, Auch stoest er die gantze ketzerische lere des Luthers zu boden, Denn  hie stehet klerlich, das jhre werck folgen jhn nach, das ist, wie sie gethan  haben, so wird jhn gelohnet, Aber sonderlich sind es die werck, die man jhn  nach thut, durch Vigilien und seelmessen etc. Was solt sonst dieser text jm  seel ampt zu thun haben? Denn das die selbigen werck hernach folgen, wenn  einer tod ist, mus gewislich war sein, darff keines glaubens, man sihets wol,  Auch so hoeret mans aus des Priesters munde, wenn er fur dem altar zum  volck spricht: Lieben freunde, helfft mir bitten fur die seele N. N., die man  itzt begehet mit Vigilien und seelmessen, das Gott wolt ansehen die guten  werck, die jhm nachgeschehen etce. Ja, dis nachfolgen der werck hat werlich

 

 

 

[Seite 376]

 

viel tausent Drachmas erlauffen und eriagt, Es heissen aber des verstorbenen  werck daruemb, das er sie bestellet und gestifft hat, odder ander von seinen wegen.

 

[Bl. C ij] Lieber, frage nuer hie alle Sophisten aus allen hohen schulen,  stifften, kloestern, pfarhen, ob sie gleuben, das die seelen, dafur sie beten, jm  HERRN verscheiden sind odder nicht. So muessen sie sagen, das sie jm  HERRN verscheiden sind, Denn fur die unchristen und so nicht jm HERRN  verscheiden sind, beten sie nicht, Es muessen eitel rechte Christen seelen sein jm  fegfeur, die andern sind alle verdampt. Und ist auch warhafftig also, das  man fur die unchristen seelen nicht beten sol noch kan. Das ist eins.

 

Nu spricht hie der Text, das solche todten, so jm HERRN sterben, sind  selig, Wie bitten sie denn fur die seligen umb gelt? Und ob sie wolten  eine faule glose furgeben, das solche seelen jnn hoffnung selig weren, noch  nicht jm wesen, das ist nichts denn jhr eigen glose, koennens auch nicht  beweisen, So leidets auch der text nicht, der spricht, sie sind also selig, das  [Jes. 57, 2] sie rugen und jm friede sind, wie auch Jsaias lvij sagt, das die gerechten (Ein  [Röm. 1, 17] Christ aber ist gerecht, Roma. j), wenn sie sterben, gehen jnn den frieden  [Weish. 3, 3] wie jnn ein bette, Und Sap. am iij. zeuget auch: ‘der gerechten seelen sind  jm friede’. So zeigt auch die schrifft hin und widder, als von Abraham,  Jsaac, Jacob, Josia, das sie jm friede sollen sterben, Und heissen auch daruemb  die schlaffenden, und jhr tod ein schlaff durch die gantze schrifft.

 

Und was sagt sonderlich das gantz newe Testament denn das: Wer an  Christo gleubt, der sey gerecht? wie Paulus zun Roemern gewaltig beweiset  und Johannes jnn seinem Euangelio, Daruemb, Wer jm HERRN stirbt,  der mus gerecht und selig sein, wenns gleich nicht hie jnn Apocalip. stuende,  odder Gott mueste selbs liegen, Und wenn der trost und glaube solt nichts  sein, das der selig sey, der jnn Christo stirbt, Was ist denn unser Christen  glaube? so wolt ich eben so mehr ein Tuerck, Juede und Heide sein, Was  huelffen mich so treffliche, herliche verheissung Gottes, das, wer an Christo  [Joh. 3, 18] gleubt, solle nicht gericht werden, Johan. iij, Sondern gerecht, selig, heilig  sein, vergebung der sunde und ewiges leben haben? Last uns eben so mehr  einen andern Gott suchen, der uns nicht so leuget und treugt.

 

Wolan, das ist das ander, das sie selig sind, die jnn Christo sterben,  wie hie der Text und die gantze schrifft sagt, Und das gewaltig Exempel des  schechers am Creutze auch zeuget, dazu Cyprianus an viel orten leret, das  itzt zu lang ist zu erzelen. Nu frage weiter meine lieben Sophisten, waruemb  sie denn sagen, Gott solle die guten werck ansehen, die jhn nachgeschehen, und  nicht das sterben jm HERRN, Denn er sagt ia nicht, das sie durch werck  selig werden, sondern durchs sterben jm HERRN, nicht durchs sterben allein,  sondern das sie jm HERRN sterben, das ist jm glauben Christi, Der thuts,  Unser sterben allein thets nimermehr, wie doch die verfuerer allenthalben  betriegen die ar= [Bl. C iij] men leute, so man richtet und abthut umb jhrer  missethat willen.

 

 

 

[Seite 377]

 

Sihestu nu, was die xij tausent Drachmas vermuegen? Diesen schoenen,  troestlichen, lebendigen spruch verduncklen sie durch jhr schendlich geplerr und  geitz, auff das die Christen ia nicht behalten noch lernen jm HERRN sterben,  Sondern schrecken sie durch jhr Fegefeur ab von solchem trost, das sie den  glauben an Christo muessen faren lassen und solchen trost und verheissung  verachten, Dafur aber auff nachfolgende werck sich verlassen und darauff  sterben und also ewiglich verderben. Sihe, das wolt der Teuffel haben mit  dem fegefeur, das die Christen an jhrem ende, wenn sie des glaubens am  aller meisten und noetigsten beduerfften, als denn muesten gar fallen lassen und  auff jhre eigen werck bawen, ob sie gleich solchen glauben jhr lebenlang bis  daher gehabt hetten, Und fur solche trewe lere des leidigen teuffels haben  sie der welt gueter verdienet und zu sich bracht, Und ist also der undanckbarn  welt jhr undanck fur Christus gnaden redlich bezalet und wol gestrafft.

 

Wenn du nu fragest, Waruemb sie bitten fur die seligen seelen jnn  Christo verschieden? Was woellen sie sagen? Sie muessen sagen: Gott sey nicht  mehr denn schlecht einfeltiglich heilig, Aber der Bapst ist der aller heiligest,  daruemb gibt er den seligen seelen viel eine groesser seligkeit denn Gott selbs,  Und wenn seine andechtigen Vigilien thetten1, die sie lauterlichen umb Gottes  willen beten, so muesten die seligen seelen unselig und die ruegigen unruegig  sein, ob Gott gleich selbs sie allzumal selig gemacht hette.

 

Wie gefallen dir diese gesellen? Jch meine, sie treffens, Noch gehets  also: wer jhrer luegen nicht gleubt, der mus ein ketzer sein und brennen. Sanct  Augustinus2 spricht auch, Es sey eine schande, wo man fur die Merterer  bittet, denn sie sind selig, Und das ist auch war, Denn fur einen Merterer  bitten, ist eben soviel gesagt als, Er ist nicht jnn Gott gestorben, Gott hellt  auch sein wort nicht, da er gered hat, sie sollen selig sein, die umb seinen  [Matth. 5, 10ff. Luk. 6, 22 f.] willen sterben, Matthei v. Luce vj. und viel mehr orten. Aber S. Augustin  hat diesen artickel nicht verstanden, den die Sophisten leren, das die folgenden  frembden werck die seligen jnn Gott verscheiden selig machen. Er ist auch  gewislich ein ketzer und alle, die es mit ihm halten.

 

Also sehen die Esels koepffe, die Sophisten, alle schrifft an, das sie den  text oeffentlich widder sich selbs zwingen, und machen gleichwol artickel des  glaubens draus und morden die leute drueber. Johannes wil hie soviel sagen:  [Ps. 116, 15] die Christen, so jm HERRN sterben, sind selig, wie auch der cxv. Psalm sagt:  ‘Fur dem HERRN ist der tod seiner heiligen koestlich’, wiewol sie fur der welt  verflucht und verdampt heissen und als die ketzer sterben muessen, und also all  jhr lere und thun auch mus [Bl. C 4] jnn schanden stecken, Aber gleich wie sie

 

[ 9 bedoerffen D 34 so] so hie D]

 

 

 

[Seite 378]

 

sterben und dadurch zur seligkeit und zur herrligkeit furhin gehen, also werden  jhre werck auch hernach gehen und auch herrlich werden jnn aller welt, wie  [1. Tim. 5, 25] Paulus davon auch redet j. Timoth. v. Also ist Johannes Hus selig worden  fur seine person, da er starb jm HERRN1, itzt folgen seine werck hernach,  und heissen nu auch selig und heilig, die bis her sind gelestert und verdampt  gewest, Denn es bleibt nichts dahinden von den heiligen, nicht ein har vom  heubt, Es mus alles hinach, und auch selig und heilig werden.

 

[Off. 14, 1 –4] Also haben sie auch (weil ich jnn dem selbigen xiiij. Capitel so eben bin)  genarret, da Johannes von den 144000 Jungfrawen redet, die dem Lam  nach folgen, und machen leibliche iungfrawen draus, So doch der text klerlich  sagt, Es sein mans bilder und seien daher iungfrawen, das sie dem Lam  folgen. Denn so spricht er: ‘Diese sind, die mit weibern nicht befleckt sind,  denn sie sind iungfrawen’, Wenn er nu weibs bilde meinete, mueste er so  sagen: diese sind mit mannen nicht befleckt, Und wenns gleich die alten lerer  von weibs bilden verstehen, so ist der text selbs klar da fur augen und  spricht: Es sind iungfrawen, die mit weibern nicht befleckt sind, das muessen  ia menner sein. Was were es sonst fur eine iungfrewliche iugent2, sich mit  weibern nicht beflecken? Das gehe seinen weg, ist gnug, das man sehe, wie  die katzen meister3 und morder so vleissig jnn der schrifft sind, und wie gewis  sie jhrer truncken trewme sind, daruemb sie die leute so schendlich wuergen.

 

Das vierde Capitel.

[1. Kor. 3, 15] Sanct Paulus j. Cor. iij spricht: ‘Er wird selig werden, so doch als durchs  feur’, (das ist) durchs Fegefeur. Hie mustu gar nichts ansehen, wo  von Paulus vorher redet, und was er fur ein feur meinet, Sondern, weil du  hoerest, das er das wort (feur) nennet, flugs, nicht weiter gedacht noch umbgesehen,  schlecht gegleubt, es ist das fegfeur, so ists denn ein artickel des  glaubens, und must ein ketzer sein und sterben, wo du anders gleubest, Denn  der goldschmide feur ist wasser gegen diesem feur, Sintemal jhr feur schmeltzt  wenig silber und gold, Aber das Fegfeur schmeltzt eitel xij tausent Drachmas.  Ja alle Stifft, Kloester, Kirchen, Capellen, altar mit alle jhrem gut und ehre  ist aus dem fegfeur geschmeltzt, druemb dasselbige zubestettigen, sol mans  setzen jnn die schrifft, wo das wort feur stehet, und als denn nicht zweiveln,  die schrifft rede vom Fegfeur, Und wer anders sagt, der sey verdampt und  verbrand wie ein ketzer.

 

[Bl. D 1] Weil aber mein lieber herr und freund, Er Johann Pomer,  unser zu Wittemberg und wol an mehr orten rechter Ertzbischoff, diesen Text

 

 

 

[Seite 379]

 

hat reichlich ausgelegt und gewaltiglich den fegfeurs Aposteln und Tyrannen  abgeiagt1, So wil ich dis mal die leser zu des selbigen buechlin geweiset haben,  darin sie werden finden, wie redlich und wol die blinden leiter haben Sanct  Paulus wort jns fegfeur gezogen und mit solcher schendlichen luegen der welt  gut ausgesogen und die armen seelen so gar iemerlich betrogen, daruber sie  doch noch nicht buessen odder rewen, sondern verstockte schutzer bleiben wollen.

 

Ein jglicher lese selbs den Text, So wird er spueren muessen den grossen  vleis und das trewe hertz der Sophisten gegen die Christenheit, wie sie mit  ernst der seelen heil gesucht haben. Denn jtzt auffs kurtzest zu sagen, Gibts  der Text klar, das er von den predigern und lerern redet, die da sollen die  [1. Kor. 3, 12] Christliche kirche bawen mit jhrer lere, und heisst etliche lere gold, silber,  eddelsteine, etliche aber holtz, hew, stro, Nicht das gold, silber, eddelsteine, das  die weiber am halse tragen, auch nicht holtz, haw, stro, das die kue und  kelber fressen, Denn die lere und predigt bey den Christen wird keine kue  fressen noch ein weib an den hals hengen, das kan schier eine kue wol selbs  rechen, ob sie schon nicht ein Sophist ist, Also auch das feur, damit die  lere bewerd werden, ist nicht das feur, damit gold, silber, hew, stro bewerd  wird, Sondern ein ander feur, das da bewerd am Tage, jnn welchem es wird  offenbar, was recht odder unrecht ist, Aber davon gnug, und weiter jns  Pomers buchlin.

 

Weil denn das nu eigentlich gewis ist, das Sanct Paulus an diesem  ort redet von den lerern odder predigern, das der selbigen gebew odder lere  muesse durchs feur bewerd werden, So moecht ich aus der massen gerne wissen,  waruemb sie fur die seelen der gemeinen Christen leute bitten, von welchen  dieser Text nichts saget, Und nicht viel mehr widderuemb den gemeinen man  lassen fur sich bitten, und geben sie selbs gelt dafur? Denn redet Paulus  hie vom fegfeur, so triffts ia allein die lerer, prediger und Pfarher, das ist  die geistlichen, die das predigampt haben, und nicht den gemeinen Christen  man, Jst denn nu dieser Text nicht fein auffs fegfeur gefuret? welcher allein  von dem feur redet, das nicht des gemeinen mans, sondern die Pfarher, lerer  und geistlichen leiden muessen, Und sie tichten und zihens auff ein feur, das  der gemein Christen mensch leiden muesse, Ja, lieber gesel, der Mammon ist  ein allmechtiger Gott und gelerter Theologus, der weis die schrifft recht aus  zulegen, wie du hie sihest.

 

 

 

[Seite 380]

 

Hie schreien sie aber (und was koennen sie sonst denn schreien?), Die  heiligen Veter und die Christi- [Bl. D ij] che kirche habens also gedeutet und  fur das fegfeur verstanden, als Augustinus, Gregorius und der viel mehr,  Dazu auch der grosse vater selbst, Mammon, der groessest Muentzemeister auff  erden, der die xij tausent Drachmas glentzen sahe jm alten Testament, und  machet durch sein Alchimey aller welt gut aus den selbigen jm newen  Testament.

 

Hie soltu sagen, und mercks ia wol: Die lieben heiligen veter haben  nicht allein an diesem ort, sondern auch wol an mehr orten die schrifft  gefurt nach jhrem sin und guter meinung, nicht das sie damit haben wollen  Artikel des glaubens stellen, noch jemand drueber ermordet odder verdampt  haben, Wie denn sonderlich Sanct Bernhard offt der schrifft sprueche aus der  massen reichlich braucht, obs gleich nicht der schrifft eigentliche meinung ist,  und doch on schaden wol so mag verstanden werden, so fern das man nicht  ernst noch Artickel daselbst aus mache, Das mus ich mit Exempeln beweisen.

 

[Ps. 4, 9] Als wenn Augustinus1 spricht auff den vierden Psalm: ‘Jn pace in  idipsum dormiam’, Und deutet mit langen worten, das Jdipsum heisse Got  selbs, so es doch jm Latinischen und Griechischem solchs nicht gibt, viel weniger  jm Ebreischen, Solt man dem guten man solche gedancken nicht billich zu gut  halten? weil er doch keinen jrthumb, sondern eitel gute Christliche gedancken  da hat, ob sie wol an dem ort nicht, sondern anderswo gegruendet sind.  Wenn aber hierauff ein toller Sophist, wolt fussen und einen Artickel des  glaubens draus machen und die leute drueber verbrennen, welche nicht gleuben  wolten, das Jdipsum Gott heisse, meinstu, das solchs wurde Sanct Augustin  gefallen, wo er jtzt lebete? Meinstu, er wurde sagen: Jch habs wollen  gebieten und ein Artickel des glaubens haben, was ich sage, Und wer es nicht  helt, den sol man verbrennen? Ja huet dich dafur, er solt wol sagen: Wer  hat dich heissen meine wort zum glaubens Artikel machen?

 

[Matth. 25, 15] Jtem, wenn Sanct Gregorius2 spricht: Funff pfund (Matth. xxv) sind  die funff sinne, und zwey pfund sind verstand und werck und ein pfund ist  verstand allein, Und jemand spreche, lieber vater, haben doch die thier auch  funff sinne, wie koennen es denn funff pfund heissen, die Christus seinen  Aposteln gibt, welche er doch nicht allein hoeher denn alle thier, sondern auch  uber aller menschen vernunfft zu meister setzt durch die gantze welt, und solt  jhn nichts hohers denn funff sinnen dazu geben, welche sie doch vorhin hatten,

 

 

 

[Seite 381]

 

und auch schier die leuse und floehe haben? Wolan, nu leret solchs Sanct  Gregorius, meinstu aber, er wolle solchs fur ein Artikel des glaubens haben  gesetzt und alle die heissen morden, die es nicht gleuben?

 

Jtem, wenn Sanct Hieronymus1 schreibt, Das die Jungfrawschafft mache  den himel vol, [Bl. D iij] Aber der ehestand mache die erden vol, Meinstu, er  habe das mit solchem ernst odder der meinung geschrieben, das ein Artikel  des glaubens sein solle, und jderman das zu gleuben schuldig sey? Was moecht  unchristlicher und ketzerischer gesagt werden, denn das der ehestand nicht zum  himel, sondern auff erden herab gehoere? Solte kein ehelich mensch muegen  selig werden, wo bliebe Abraham und alle veter und Apostel? Und solte  Jungfrawschafft zum himel helffen, so durffte man Christus und seines glaubens  nichts, und muesten gar viel Heiden, so ungetaufft, unchristen und Gotlos  gewesen sind, jm himel sein, denn sie haben warlich viel Jungfrawen gehabt.  Wer sihet nu hie nicht, das Sanct Hieronymus hierin viel zu milde redet?  hats aber dennoch nicht boese gemeinet, ist auch daruemb kein ketzer, Aber viel  weniger sols auch ein Artikel des glaubens sein, der uns solchs zu gleuben zwinge.

 

[Ps. 19, 3] Jtem, wenn Sanct Ambrosius2 (Psalm xjx): ‘Dies diei eructat verbum,  Ein tage sagts dem andern, eine nacht verkuendigts der andern’, also deutet:  Ein tag, das ist, ein Christe sagts dem andern, Eine nacht, das ist, ein Juede  sagts dem andern, Meinstu, Er wolle mich hie gezwungen haben, das jchs  muesse gleuben als einen Artikel, das Tag einen Christen, und Nacht einen  Jueden heisse? So es doch der Psalm nicht gibt noch leidet jm Text.

 

Solche weise die schrifft zu furen heisst Katachresis, abusiuus modus  loquendi, Ein misverstand, das man der schrifft zu weilen einen spruch  abborget und reisset damit einen bossen (wie wirs nennen), doch on schaden  dem Text und dem rechten verstand, welcher den ernst on alle bossen haben  sol. Wie man aus dem Alexandro3 solcher bossen seer viel gemacht hat, als:  ‘U non mutabis, donec plurale videbis’, Man solt alt schuch nicht weg  werffen, man habe denn newe, ‘Jndeclinabile vulgus’4, Der pofel ist ein  ungezogen ding. Wie wol es were besser, man liesse mit solchen bossen die  heilige schrifft unverworren, odder mit grosser vernunfft damit umb gienge,  Denn es ist dabey, das man zu letzt vom Text koempt und den rechten  sin verleuret und aus dem misverstand und bossen ein Artikel des glaubens

 

 

 

[Seite 382]

 

wird, wie die Sophisten und Papisten hie thun jm fegfeur, ia fast eitel solche  Katachreses haben jnn jhren Artikeln.

 

[Matth. 13, 23] Und wenn Gregorius, Hieronymus und der alten lerer viel aus Matth. xiij,  das der Same (Gottes wort) etlicher dreissig, etlicher sechtzig, etlicher hundertfeltig  tregt, also verstehen, das dreissig heisse den ehestand, sechtzig den widwen  stand, hundert den Jungfraw stand1, Welche stende alle drey vorhin jnn der  welt sind (on solchen samen Christi) von Gott geschaffen und eingesetzt, Und  lecherlich ist, das Christus wort nicht mehr thun solt, denn diese drey stende  geben, die vorhin [Bl. D 4] da sind, Wolan, noch ist solchs gesungen und  geklungen durch die gantze Christenheit, Und wer es wolt fur ernst so halten,  da moecht kein grosser ketzerey auff erden komen sein, denn damit were und  gebe Christus und sein wort nichts mehr denn das vorhin da gewesen ist,  bey allen Heiden, Gottlosen und Teuffels dienern.

 

Wer wil nu sagen, das solchs muesse ein Artikel des glaubens sein,  daruber die leute zu toedten seien? Wie viel besser ists, das man sage, die  lieben veter haben solchs unbedacht, aber nicht boeser, ketzerischer meinung  gered. Denn wie Sanct Augustinus sagt, jrren macht nicht ketzer, sondern  wissentlich und halstarriglich jrren macht ketzer, Jrren mag ich (spricht er  abermal), aber ketzern wil ich nicht.2 Waruemb? Er wil den jrthumb nicht  setzen zum Artikel noch verteidingen, sondern sich weisen lassen. Solcher spruche  der lieben heiligen Veter wolt ich uber tausent auff bringen, darin sie etwa  gefeilet, etwa auch gute gedancken, aber nicht an rechtem ort, gehabt, darin sie  doch nicht halstarrig noch hart drauff blieben weren, wo sie anders bericht  weren, Viel weniger haben sie wollen Artikel draus gemacht und die Christen  drueber verdampt und getoedtet haben, wie unser unsinnigen blut hunde thun.

 

Und was sol man viel sagen? Thueren wir doch nicht das wogen, das  wir alle werck und wort unsers Herrn Christi folgen moechten, welcher doch

 

 

 

[Seite 383]

 

[1. Petri 2, 22] nie keine sunde gethan noch geirret odder gefeilet hat, wie Sanct Petrus und  [Jes. 53, 9] Jesaias sagen, das er keine sunde gethan und nie kein falschs jnn seinem  munde erfunden ist, Denn ich thar freilich nicht viertzig tage fasten und auff  dem meer gehen, wie er gethan hat.1 So hat er auch wedder haus noch hoff,  weib noch kind, noch jchtes eigens gehabt auff erden, Er hat auch der keines  befolhen jhm nach zuthun. So hat er auch geleret von den dreyerley verschnitten,  [Matth. 19, 12] Matth. xix, darin auch nicht not ist alles zu halten. Warumb solten  wir denn gezwungen sein als zu Artikel des glaubens, was die lieben Veter  thun und reden, on schrifft, welche doch sundigen und jrren muegen, ja offt  und teglich haben muessen sundigen und jrren, auff das sie das Vater unser  [Ps. 19, 13] und den xix. Psalm liessen war und recht bleiben?

 

Und wenn sie ja wollen der heiligen Exempel folgen jnn allen (auch  unnoetigen) stuecken, Waruemb folgen sie nicht viel lieber dem Herrn Christo  selbs und lassen stifft, kloester und alles eigen gut faren? Ja gesund sehen  wir uns, kom morgen widder!2 Hie ligts, steckts und hafftets, Was dem  Mammon dienet, da koennen wir der Veter Exempel und wort brauchen, was  aber nicht, das mus ketzerey sein, Seid jhr da zurissen, Lieben Papisten, so  flicke euch der Teuffel3, Nu ists nicht wunder, das jhr der Veter sprueche  allzumal zu Artikel ma-[Bl. E 1]chet. Also haben auch die prediger muench  jhren Thomam von Aquino der Christenheit auffgeladen, das alle buchstaben  muessen artickel sein, der doch vol jrthum stickt, bis das die hohen schulen  selbs nicht haben leiden koennen, und etliche stueck an jhm verdamnen  muessen4, Und war schier dahin komen, das wir musten lassen artickel  des glaubens sein, wenn einem vollen Muench der bauch kurret5 odder  einen faulen wind faren lies. Aber nu ists alles vergessen, haben nie nichts  ubels gethan.

 

[1. Kor. 3, 15] Wenn man nu Veter daher fueret uber diesen text Pauli j. Corin. iij  vom fegefeur, das ist gar nicht gnug, Sondern sie muessen weiter beweisen,  das die selbigen Veter haben solchs woellen fur artickel des glaubens und nicht  fur jhre blosse gedancken haben, Dazu noch mehr auch beweisen, das die Veter  von Gott befelh haben, newe artickel des glaubens ausser der schrifft zu setzen  und die Christen dazu zu zwingen oder zu toedten, Wo das nicht geschicht,  so bleiben alle Veter und heiligen, wie gros sie sind, mit alle jhrer lere und  [1. Thess. 5, 21] leben unter diesem spruch j. Thess. v: ‘Pruefet alles und behaltet das gute’,  denn da wirfft sie der heilige geist unter die Christen und verbeut jhnen die  gewalt, artickel des glaubens zu stellen.

 

 

 

[Seite 384]

 

Dasselbige bekennet auch S. Augustinus selbs und schreibt zu Sanct  Hieronymo also1: ‘Lieber bruder, Jch halte nicht, das du deine buecher woltest  gleich der Apostel und Propheten buecher gehalten haben, Denn ich ausser der  heiligen schrifft buecher die andern alle also lese, das ichs nicht daruemb alles  gleube, was sie sagen, sie seien wie gelert und heilig sie sein muegen, es sey  denn, das sie mirs mit der schrifft odder mit heller vernunfft beweisen, Eben  so wil ich auch leser haben uber meine buecher, wie ich bin uber den andern  buecher’. Hec Aug.

 

Weil nu das klar ist, das die lieben Veter offt gestrauchelt und offt  gute gedancken an unebenem ort gehabt, aber nie ketzerisch, halstarrig gewesen,  viel weniger solch jhr straucheln und gedacken zu artickeln des glaubens  (darueber die Christen zu verbrennen) geboten, gesetzt odder geleret haben, So  ist leicht zu rechen, wie redlich und trewlich die Sophisten mit den Christen  umbgehen, die aus jhrem eigen tollen kopff, aus freveler thurst und Teuffels  eingeben, on Gottes befelh, widder der Veter willen, on alle ursach, alles zu  artickel des glaubens machen, was sie woellen, jnn den heiligen Vetern, und  die leut drueber ermorden, ungeacht und mit fuessen getretten den heiligen geist,  [1. Thess. 5, 21] der da sagt: ‘Pruefet alles und behaltet das gute’, Da mus denn nicht feilen,  weil sie der Veter jrthum bestettigen on jhren willen und befelh, das nicht  die Veter, sondern sie selbs ketzer sind unter dem namen und schein der Veter,  wie man spricht: Wer die luegen nach sagt, der leuget noch seerer2, Denn  der leuget nicht, so etwas falsch odder jrrig redet, sondern der drauff beharret  und handelt halstarrig-[Bl. Eij]lich, das ist ein wissentlicher luegener.

 

[ 7 den] der B 8 buechern C]

 

 

 

[Seite 385]

 

Das funfft Capitel.

Hie haben sie nu S. Gregorium jnn seinem Dialogo1, welcher fast der  erst und mechtigest ist, der das fegfeur und die opffer messen auffbracht  und angericht hat, Der selbige zeigt an viel Exempel von den geistern, so  erschienen sind, welchen er (als ein gut frum einfeltig man) gleubet, dazu  auch den fliegenden liechtern und jrrwisschen gegleubt hat, als werens seelen,  welche doch die Heiden vorzeiten nicht fur seelen gehalten, Und nu offenbar  ist, das Teuffel sind. Und des dings setzt er viel, der gute man, und gleubt  alles, on schrifft und zeugnis Gottes, Und das ist fast der sterckest und einiger  grund des gantzen fegfeurs, Dem hat alle welt gefolget, und ist also eingerissen,  das schier kein Gottes dienst, kein gut werck, kein gelt auff erden ist  blieben, es hat jns fegfeur gemuest und den seelen helffen, und ist meins  achtens kein reicher luegen auff erden komen denn das fegfeur, bis das sie mit  dem ablas sich selbs verrhaten und zu boden gestossen haben.

 

Hie sage ich, wie droben: Man lasse Sanct Gregorium einen fromen  man sein, der solchs alles on ketzerey gehalten, auch niemand dazu gezwungen,  noch einigen artickel des glaubens draus gemacht, noch mit schrifft odder  wunder jemals beweiset hat. Aber wie keme ich dazu, das ich mueste das  fur einen artickel des glaubens halten, darueber ich leib und seel verloren solt  haben, das doch S. Gregorius selbst nicht wil fur artickel des glaubens  gehalten haben, hat mirs auch nirgent geboten, hats auch keinen befelh gehat  zu gebieten? Das man aber artickel des glaubens draus macht und die leute  drueber mordet, das ist nicht S. Gregorius meinung, noch der heiligen kirchen,  kans auch niemand beweisen, Sondern es ist ein boshafftiger zusatz, uber mas  und eigen fuendlin der geitz wanste, der luegenhafftigen Sophisten, die damit  der welt leib und gut, seel und heil fahen und umbbringen, und handeln  also aus eigener thurst mit der lieben Christenheit, nicht allein als Ertzketzer  und luegener, Sondern als die verzweivelten verrether, boesewicht, moerder und  lesterer, die lieber durch jhre luegen die gantze welt woellen verdampt haben,  denn der xij tausent drachmas emperen.

 

Und ob sie furgeben, Die kirche hette solcher Veter buecher approbirt  und bestettigt, Wissen sie selbs wol, das die kirche mit jhrem bestetigen nicht  mehr zusetzt der Veter buecher, denn drinnen stehet, wie doch hie die Sophisten  thun, So halten sie auch selbs nicht, das alles recht sey, was jnn einem  bestettigten lerer funden wird. Exemplum de [Bl. E iij] Thoma Aquinate,

 

[ 8 das (1.)] das es D]

 

 

 

[Seite 386]

 

So ist das auch ein zusatz, das die kirche artickel des glaubens mache mit  jhrem bestetigen, Die Sophisten ertichten solchs.

 

So hat zwar der Bapst selbs jnn seinem geistlichen recht gesetzt aus  S. Augustin spruechen 9. c. Noli1, das man keinen Vetern gleuben solle, sie  beweisen es denn mit der schrifft. Sol man nu diesem geistlichen recht  folgen, so mus man warlich S. Gregorio und dem Fegefeur nichts gleuben,  denn da ist keine schrifft fur handen, sondern eitel eigen gedancken, Widderuemb  aber itzt, Wo man nicht gleubt S. Gregorio vom fegefeur, da ist leib  und seele verloren, Jsts nicht ein seltzam wunder umb das Sophistische  Bapstum? Es wil seinem geistlichen recht gegleubt haben, odder man mus  ketzer sein und brennen, Gleubt man jhm denn, so ist man aber mal ketzer  und mus brennen, Denn hie zwinget es mich, S. Gregorio nicht zu gleuben  und doch zu gleuben, Welchs ich nu thu, so bin ich verdampt und verloren,  So sey der Teuffel ein Papist an meine stat. Wiewol solche bueberey alle  sampt ist allein der Sophisten schuld, Denn was die leren, mus Bapst und  Bischoff gleuben und die gantze welt, Denn Bapst und Bisschove nemen sich  des lerens und predigens wenig an.

 

Das sechst Capitel.

Da haben sie die gantze schrifft fur sich mit allen buchstaben und titteln,  Und ist nichts blieben fur dem fegfeur, Denn da sihe jhr vigilien  und seelmessen an, so wirstu finden, wie meisterlich sie die gantze schrifft  auffs fegfeur ziehen und deuten, Es mus alles fegfeur heissen, was new und  alt Testament jhemals gewesen ist, Jch mus hie erzelen etliche Psalmen und  Text, die sie brauchen jnn jhren vigilien und seel ampt, dabey man doch  greiffen muege, wie schendlich sie Gott und die welt geeffet und genarret haben.

 

Funffzehen edler feiner Psalmen haben sie zur vigilien erwelet, die  magstu selbs nu jm deudschen Psalter lesen2, Jch wil dir sie anzeigen, Und  findestu einen buchstaben drinnen, der sich jns fegfeur oder auff die verstorben  seele reime, so wil ich keins menschen mehr werd sein3, Und wie koennen sie  auch, weil sie alle jm alten Testament gemacht sind, da nie kein gedancken  vom fegfeur gewesen ist? Aber sie muessen itzt wol, der Mammon kan sie es  wol leren.

 

Es sind aber diese:

j. Der funfft; ‘HERR, hoere meine wort.’

ij. der sechst: ‘Ach, HERR, straff mich nicht.’

iij. der siebend: ‘Auff dich, HERR, traw ich.’

[Bl. E 4] iiij. der xxiij.: ‘Der HERR ist mein hirte.’

 

 

 

[Seite 387]

 

v. der xxv.: ‘Zu dir, HERR, erhebe ich.’

vi. der xxvij.: ‘Der HERR ist mein liecht.’

vij. der xl.: ‘Jch harret des HERRN.’

viij. der xlj.: ‘Wol dem, der sich annimpt.’

ix. der xlij.: ‘Wie der hirsch schreiet.’

 

Auff diese ix Psalmen haben sie ix Lection aus dem buch Hiob, davon  ein sonderlich buch widder sie zu schreiben were, wei sie die selbigen so lesterlich,  schendlich daher ziehen. Darnach folgen die Laudes Psalmen.  j. der lj.: ‘Gott sey mir gnedig.’

ij. der lxij.: ‘Meine seele schweiget.’

iij. der lxiij.: ‘Gott, du bist mein Gott.’

iiij. der cxxx.: ‘Aus der tieffen.’

v. Isaie xxxviij: ‘Jch sprach: Nu mus ich.’

vj. Die letzten drey Psalmen.

 

Lieber, nim einen Sophisten zu dir und lies diese Vigilj Psalmen alle  odder einen und las dir doch zeigen, jnn welchem wort vom fegfeur gesagt  werde odder wieviel seelen jm alten Testament dadurch aus dem fegfeur  erloeset seien, Denn darauff kanstu ia gewis fussen, das dieser Psalmen etliche,  als der xl. und xlj., allein und sonst nirgent hin denn auff Christus  [Joh. 13, 18, Hebr. 10, 5] eigene person gehen, wie sie denn jm Euangelio Johan. xiij. und Ebre. x. eingefurt  werden, und die andern alle von leiden und trost der heiligen hie auff  erden reden, Und jnn keinen weg zu leiden ist, das man (wo es mit ernst  solte geschehen) die Psalmen wanckeln mache, das sie zu gleich von Christo  und nicht von Christo reden solten, damit unsers glaubens artickel ungewis  wurden, und der glaube fallen muste, und alle unser trost jnn noeten zu  nichte werden.

 

Jch wil hie lassen anstehen die todten vesper und seelmessen, sonderlich  aber die lesterlichen Collecten, darinn sie den himel jhren wolthetern erbitten,  Denn es ist grundlos mit luegen und lestern In dem fegefeur, auff das andere  auch etwas haben hierinn zu dencken, und ob sie widder kemen, ich weiter sie  zwagen2 und baden muege.

 

Fur die edlen theuren Psalmen ist mirs leid, das sie In solchem schendlichen,  lesterlichen, manchfeltigem misbrauch muessen dem stinckenden geitz und  unfletigem bauch dienen. Erstlich, das der rechte verstand von Christo und  seinen heiligen mus umb des fegfeurs willen vertunckelt, verhindert und verderbet  werden, und die hertzen der Christen des beraubet sein, Welchs allein  ursach gnug were, das man druemb alle vigilien sampt Stifft, Kloester, Capellen  (wenns nicht anders sein wolt) aus rottet, das kein gedechtnis mehr davon  bliebe, Denn die Psalmen sind gemacht, den glauben darinn zu uben und

 

 

 

[Seite 388]

 

 zu lernen, und nicht, das man damit die seelen durch misverstand aus dem  fegefeur loesen sollen.

 

Zum andern, das sie muessen Gott zu spot und schanden so vergeblich  und jm nichtigen wahn ge-[Bl. F 1]sungen und gelesen werden, Denn weil  das fegfeur nichts ist noch beweiset kan werden, und man doch mit diesen  Psalmen. Gott drueber bittet, so ists eben, als wenn ich einen fursten umb  etliche gefangen jnn einem thurm bete, und er wueste selbs weder von thurm  noch gefangen, Da mueste ich ia unsinnig sein odder spottet gewis des fursten  als eines narren mit schonen worten, die sich uber das nicht daher reimeten,  Wollen sie nu auch Gottes nicht als eines narren spotten, so muessen sie  warlich das fegfeur zuvor gewis machen, Denn Gott weis nichts druemb,  weil er ia kein wort davon jhemals gesagt hat, Wenn wollen sie es aber  gewis machen?

 

Zum dritten, weil sie der Psalmen nicht zum glauben brauchen, wie sie  denn fur dem misverstand nicht konnen, so folget von not wegen, das sie die  selbigen schlecht hin lesen on hertz, on beten, und handeln damit als mit  einem werck, dadurch sie Gott wollen die seelen abkeuffen, Nu ist ein werck  jnn Gottes dienst on glauben ia ein rechte lauter abgoetterey und versuchung  Gottes, dazu ein gespoette gegen Got, So sihet mans auch wol, das jhr  Vigilien kein beten ist, Denn wo sie drinnen beten wolten, wuerden sie wol  ander personen dazu bestellen, die nicht so leichtfertig drinnen handelten,  duerfften auch soviel Psalmen, lection und gedoene nichts uber all, Es thet wol  ein Psalm.

 

Aber das man sehen solle, es sey ein werck, damit man dem volck das  maul auffsperre, und deste mehr gelt trage, So mus das die beste Vigilj sein,  welche die lengste ist und am meisten plappert, gerade als hette Gott lust zu  [Matth. 6, 7] grossem und vielem geplepper, So er doch spricht Math. vi: ‘Wenn jhr betet,  sollet jhr nicht viel plappern, wie die Heiden.’ Und der Pfaff, so fur dem  altar sagt, das Gott wolle ansehen die guten werck, die jhm nach geschehen,  bekennet frey, das sein Vigilien, Messe und seelampt ein werck sey, damit  sich Gott sol versunen lassen, und duerffen Christus des mitlers nichts dazu,  Gott mus wol fort und sie selbs mit jhren ungleubigen wercken on Christo  erhoeren.

 

Zum vierden, weil solch misverstand, vergebliche erbeit und ungleubig  werck jnn jhren Vigilien ist, so mus weiter folgen auch eusserlicher misbrauch  dieser Psalmen, nemlich, das man sie mit unvleis, unlust, verdrus, unwillen  singnet und liset, das auch solcher unwille ein werck verderbt, wens gleich recht  und gut jnn reinem glauben geschehe, Denn Gott wil luestige und willige  diener haben und mag gezwungen und unwillige dienst nicht haben, Nu sihet  man ia vor augen, wie sie jnn Stifften und kloestern Vigilien singen, da

 

[ 1 zu fehlt D 2 solle D 5 kan] mag D 7 gefangne D]

 

 

 

[Seite 389]

 

schnattern sie die lieben Psalmen dahin1, wie die gense das haberstro, das sie  nicht ein gantz wort machen, wie denn der Teuffel sie selbst spottet, mit dem  sprichwort: Es must ein armer Teuffel sein, dem die solten eine seele abbeten.2

 

[Bl. F ij] Zum funfften, weil denn da eitel misverstand, jrthum,  unglaub, muehe und unlust ist jnn dem werck, so mus zuletzt auch das folgen,  das es mit gelt mus erhalten und allein umb gelts willen und nicht umb  Gottes willen gethan werden, sonst were die erbeit gar umb sonst und mochte  nicht bestehen. Und das ist auch der rechte Vigilien Gott, umb des willen  hellt man sie, man sehe sie sonst nicht an, Das sehen wir fur augen, das  kein Vigilien on gelt gehalten wird, und ist zu allen sonderliche zinse gestifft,  Und sie verkeuffen sie auch warlich unverschampt wie eine ander wahr, on das  es nicht mus gekaufft heissen, und du soltest wol sehen, wo das geld wendet,  ob da nicht auch bald solten die Vigilien und seelmessen wenden.3

 

Solcher lesterlicher misbreuch und grewel wolt ich wol mehr anzeigen,  wenn ich sie gegen alle gepot und lere Christi rechen wolte, Und die lieben  edlen Psalmen muessen hiezu dienen und dem leidigen abgot Mammon hofieren,  die seelen der Christen zu verfueren, Christum und Got zu spotten und lestern,  und fur das alles der welt gueter fressen und mit hurn und buben schendlich  verzeren helffen.

 

Und damit ia alle tugent der Bepstlichen kirchen auff einen hauffen  komen, lassen sie jhn an diesen greweln nicht genuegen, das sie die Psalmen  durch misverstand so verkeren, glauben und trost des geists hindern, die seelen  verfueren, Gott mit glaublosen, faulem, nichtigem werck spotten und jrem  bauch und Mammon dienen, der welt gueter damit rauben und schendlich verbrassen,  Sondern faren zu, und wer solche grewel nicht wil an beten und fur  recht halten, der mus ein verdampt ketzer sein und verbrennen. Also sind  sie denn jhrem vater aller ding ehnliche kinder, Denn wie kan es aussen  bleiben, das, wer ein luegener ist, solt auch nicht ein moerder dazu werden,  [Joh. 8, 44] Weil der Teuffel, sein vater, ein luegener und moerder ist, Johann. viij?

 

Und zur ubergabe4 machen sie uber der keinem kein gewissen, rewen  und buessens nimer mehr, sondern trotzen Gott dazu und rhuemens als den  hohesten Gottes dienst, der sie uber alle heiligen jm himel kroenen werde fur  solchen mord, luegen und blut vergiessen, und mit solchem stueck ubertreffen  sie den Teuffel selbs, jhren vater, und bessern sein reich damit, da er nicht

 

 

 

[Seite 390]

 

kan, Denn wiewol er auch verstockt ist, so kan er doch den hohmut noch  trotz nicht fassen, das jhm Gott fur seinen mord und luegen jm himel herrlich  lohnen werde, wie sie thun, seine lieben kindlin.

 

Also viel wil ich dis mal zum vorrat odder anfang der Historien, zu  stercken die unser und zur warnung unsern nachkomen haben angezeigt, damit  sie ein wissen haben, wie das Bapstum vom fegfeur geleret, und was fur  tugent sie daruber begangen haben. Und auff das sie sich zu hueten wis-  [Bl. F iij] sen fur jhm, damit sie nicht jnn jhr lesterliche grewel etwa bewilligen  und sich teilhafftig machen alle des bluts, das durch die Papisten vergossen  ist, Denn wer jnn des Bapstumbs werck verwilligt, der mus auch auff sich  laden und teilhafftig sein aller grewel, lesterung, luegen, mord und verfurung,  [Matth. 23, 35] die drinnen sind, ja auch wol alle des unschuldigen bluts (wie Christus sagt),  das vergossen ist auff erden, von Abel an bis hieher, Denn es ist ein  hauffe, ein leib, ein geist, ein wille, ein Exempel aller heiligen moerder, Jch  wil entschuldigt sein und trewlich gewarnet haben.

 

Was ich aber hie zu wenig gesagt habe, wil ich jnn dem Artikel von  der Messen und andern (wils Gott) weiter sagen, Denn weil sie obgenante  Psalmen und sprueche thueren auff jhr fegfeur ziehen, wie solten sie nicht auch  wol mehr sprueche daselbst hin zihen? kan man doch wol die gantze schrifft  (wers thun wil) auff eine luegen zihen, Es ist Mammon der aller mechtigste  [2. Thess. 2, 4, Dan. 11, 36] Gott uber alle Goetter, sagt Paulus und Daniel, drumb ists nicht wunder,  das er sich auch erhebt uber unsern Gott und macht aus der heiligen schrifft,  was er wil, Denn das soltestu sehen, Wenn Mammon mein Got were, das  ich der xij tausent Drachmas gnug geben kuende, ich wolt alle Sophisten und  ketzer auff einen tag bekeren und nicht allein das fegfeur, sondern das gantz  Bapstum auffheben, ehe ein mond vergienge, Daruemb mangelt meiner lere  nichts denn die Gottheit des grossen Gottes Mammon, Wenn ich die hette,  so were es keine ketzerey noch jrthum, sondern die liebe reine warheit, Nu  aber ist sie jrrig und ketzerisch, Waruemb? Daruemb, das sie arm ist, Armut  ist mein irthum und ketzerey. Das sey davon gnug, Jch wil bey meinem  armen Got bleiben, dem sey lob und danck jnn ewigkeit Amen.

 

 

 

[Seite 391]

 

Brief an den Kardinal Erzbischof zu Mainz.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 391]

 

 

Auch nach dem Bauernkriege des Jahres 1525 behielt Erzbischof Albrecht noch fast ein Jahrzehnt eine friedliche Verständigung mit den Protestanten im Auge.1 Jnsbesondere suchte er persönlich durch gelegentliche kleine Aufmerksamkeiten die Wittenberger Reformatoren von seinen wohlwollenden Absichten zu überzeugen. So verehrte er 1525 nach Luthers Hochzeit dessen Käte 20 Goldgulden2 und schickte er zu der Vermählung der ältesten Tochter Melanchthons Anna mit Georg Sabinus am 6. November 1536 eine stattliche Gesandtschaft.3 Solche Höflichkeitsbezeugungen verfehlten denn auch ihre Wirkung auf Luther und Melanchthon nicht. Letzterer zeigte in dem Widmungsschreiben an den Erzbischof, das er seiner im August 1527 erschienenen Ausgabe von ‘De bello Rhodio libri tres ... Jacobo Fontano Brugensi auctore’ voranstellte4, welche Hoffnungen er auf Albrecht setzte: Albrecht sei der Primas der deutschen Kirche, im Unterschiede von den meisten andern Bischöfen habe er sich von Gewaltakten gegen die Lutherischen ferngehalten; so sei er der rechte Mann, durch Berufung einer Synode Frieden und Eintracht wiederherzustellen. Auch während des Augsburger Reichstags des Jahres 1530 zeigte sich Erzbischof Albrecht friedlich und den Protestanten freundlich gesinnt. So kann es uns nicht überraschen, in einem erst kürzlich veröffentlichten Briefe5 des Ansbacher Stiftspredigers Johann Rurer6 an den Ansbacher Pfarrer Andreas Althamer7, datiert: Augsburg, 4. Juni 1530, zu lesen, daß Melanchthon zu Anfang der Reichstagsverhandlungen Erzbischof Albrecht brieflich gebeten hat, seinen Einfluß dahin geltend zu machen, ‘ne res ad arma deducatur’.8 Die Kunde von Albrechts Friedfertigkeit9 drang nun

 

 

 

[Seite 392]

 

auch zu Luther auf die Koburg. Am 18. Juni 1530 schrieb ihm Justus Jonas aus Augsburg1: ‘Der Bischof von Mentz hältet sich bis anher wohl, und auch Herzog Heinrich von Brunswig’. Ähnlich berichtete tags darauf Melanchthon2: ‘Duo tantum sunt Principes, qui afficiuntur nostro periculo, Moguntinus et Brunsvicensis’. Und am 30. Juni3: ‘Sublevamur sententiis Moguntini et Augustani et Brunswigii’. So verfestigte sich in Luther das Urteil über Erzbischof Albrecht, das er in einem Briefe an Nikolaus Hausmann in Zwickau am 6. Juli so formulierte4: ‘Moguntinus valde praedicatur pacis studiosus’.

 

Von demselben Tage ist nun der Brief Luthers an den Erzbischof datiert, der uns hier beschäftigt.

 

In der Einleitung erklärt Luther, daß er den Brief am liebsten “heimlich” und in seiner Originalhandschrift an den Erzbischof geschickt hätte; er hätte jedoch gefürchtet, der Brief möchte in “diser schwinden [= bösen] zeyt” “etwa verruckt [= entstellt] ausskomen” und ihn und den Erzbischof in Unannehmlichkeiten verwickeln. Darum habe er vorgezogen, den Brief “frey offentlichen durch den druck ans liecht” zu geben. Er sandte daher — auffälligerweise erst am 13. Juli5 (Enders 8, 98) — das Manuscript an Wenzeslaus Link, damit dieser es in Nürnberg zum Druck beförderte; Luther gedachte damit dem Drucker Georg Rottmaier, für den sich Link früher einmal bei ihm verwandt hatte, einen Verdienst zu verschaffen.6 Sobald ein Exemplar die Presse verlassen hätte, sollte Link es unter Beifügung eines der Manuskriptsendung beiliegenden Briefes nach Augsburg an Johann Rühel, der mansfeldischer Kanzler war, damit aber zugleich auch in den Diensten Erzbischof Albrechts stand7, schicken; Luther bat Rühel in jenem Briefe (de Wette 4, 87, Enders 8, 99), das Exemplar, das ihm zugehen würde, dem Erzbischof zu überreichen. Am 20. Juli wußte Luther, daß sein Manuskript von der Zensurkommission8 des Nürnberger Rats zum Druck zugelassen worden sei (Enders 8, 124). Am 30. Juli meldete ihm Melanchthon aus Augsburg, daß der Bischof von Augsburg während einer Beratung der Fürsten ‘nihil dissimulans’ die ‘παράκλησις ad Moguntinum’ gelesen habe (Enders 8, 155).

 

 

 

[Seite 393]

 

Eine inhaltlich recht unbedeutende Entgegnung auf unsern Brief von dem Altzeller Abt Paul Bachmann (Amnicola) gab Johann Cochläus mit einer Vorrede an Abt Konrad von Kaisersheim vom 6. September 1530 heraus:

 

Antwort auff Luthers||Sendtbrieff, geschribenn gen||Augspurg, and den Cardi-|| nal, Ertzbischoffen zu || Mentz Chur-||fürsten &c.. || P. A. C. || M. D. XXX. || (Blättchen) ||1

 

Wir reproduzieren den Nürnberger Originaldruck und stellen ihm Luthers Originalhandschrift gegenüber, die in Cod. Solg. Mss. Qu. 8 der Nürnberger Stadtbibliothek2 erhalten ist.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A “Ein Brieff an den Car-||dinal Ertzbisschoff || zu Mentz. || Martini Luther. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart, die beiden letzten Blätter leer. Schluß auf Blatt b 2b; Bl. b 2b Z. 20 “1230”, in einzelnen Exemplaren durch Rasur und Überdruck in “1530” gebessert (so: Breslau St.).

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5745), Breslau St., Königsberg U., München H. u. U., Wittenberg; Basel U., London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 3.

 

B “Ein Brieff an den Car-||dinal Ertzbisschoff || zu Mentz. || Martini Luther. ||” Titelrückseite leer. 6 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Schluß auf Blatt b 2a.

Der Satz ist der gleiche wie in A, nur daß auf jeder Seite eine Zeile mehr steht als dort, wodurch die letzte Seite frei geworden ist; dazu kommen einige Änderungen am Satz: Bl. b2 Z. 5 Fuersten > Fuerstē, b2, 6 muesse > muessen, am Ende 1230 > 1530.

Einige Exemplare (B1) z. B. Berlin haben Bl. a2a Z. 3 herrn > Herrn, weitere (B2) dazu Blatt b1a Z. 4 brauch > breuch (z. B. Berlin 5744 u. 5744a).

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5744 u. 5744a), Breslau U., Hamburg, München H. u. U., Nürnberg St., Wernigerode; Zürich St., London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 2.

 

C “Ein Breiff an den Car-||dinal Ertzbisschoff || zu Mentz. || Mart. Luther. ||” Titelrückseite leer. 7 Blätter in Quart.

Druck von Melchior Sachse in Erfurt.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; München H., Wolfenbüttel. — Nicht bei Enders.

 

D “Ein Brieff an || den Cardinal || Ertzbisschoff zu || Mentz. || Martini Luth. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer.

Druck von Jos. Klug in Wittenberg (?).

Vorhanden: Berlin (Luth. 5747); London. — Nicht bei Enders.

 

E “ Ein || Brieff an || den Cardinal Ertz-||bischoff zu Mentz. || Mart. Luth. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart,

 

 

 

[Seite 394]

 

die drei letzen Seiten leer. Am Ende: “Gedrůckt zu Wittemberg || durch Georgen || Rhaw. ||”

In einigen Exemplaren ist Blatt B 3a Zeile 15 die Ziffer “3” der Jahreszahl herabgerutscht und dadurch das “K” der folgenden Zeile ausgefallen, sowie Blatt A 4 a Zeile 1 “blieben” statt “bleiben” gedruckt. — Berlin und Wolfenbüttel haben Exemplare mit beiden Lesarten.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5741 u. 5741a), Breslau U., Freiberg, Hamburg, Königsberg U., München H., Wittbrietzen, Wolfenbüttel, Zwickau; London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 4.

 

F “Ein brieff an den Cardinal Ertz || bischoff zů Mentz. || Jtem viertzig stuck oder artickel, welche Doctor || Martinus Luther, mit Gottes gnaden || erhaltē will, wider die gantze || Satans schůl, vnd alle || porten der hel-||len. || Martinus Luther. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart.

Druck von Joh. Schöffer in Mainz.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5749), München H.; Basel U., London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 5.

 

G “Ein Brieff an den Car||dinal Erczbisschof || zu Mencz. || Martinus Luther. ||” 6 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Adam Dyon in Breslau.

Vorhanden: Knaakesche Slg. 1530, 32, A. — Nicht bei Enders.

 

H “Ein Brieff an den Car||dinal, Ertzbischoff zu Meintz, || vnter dem Reichstag zu Augsburg, || Anno. M. D. XXX. || Geschrieben, durch || D. Mart. Luther, || Mit einer kurtzen Auslegung des || andern Psalms. || Jn dieser zeit nuetzlich zu lesen. || Witteberg. || Gedruckt durch Hans Lufft. || 1546. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5753), Breslau St. u. U., Freiberg, Hamburg, Zwickau. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 6.

 

Niederdeutsch:

 

 

I “Eyn breeff an den Car-||dinal, Ertzbisschop || tho Mentz. || Mit antekinge des an-||deren Psalmes, || Quare fremuerunt || gentes. || Martinus Luther. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruecket tho Magdeborch. ||”

Druck von Hans Walther in Magdeburg.

Vorhanden: Hamburg.

Eine spätere Ausgabe erschien noch im Jahre 1630:

 

 

 

“Ein Brieff D. MARTINI LUTHERI, an den Cardinal, ErtzBischoff zu Maeintz, daß er zum Friede rathen wolte. Anno M. D. XXX. [Brustbild Melanchthons in Medaillonform.] Jetzo aber Auff instehendes Jubel Jahr, Anno 1630. Jedermaenniglichen zur Nachrichtung in Truck gegeben. [Strich.] Gedruckt im Jahr, M. D C. XXX.” 8 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5760), Breslau St. u. U. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 7.

 

 

 

[Seite 395]

 

In den Gesamtausgaben: Wittenberg 9 (1558), 434b –437b; Jena 5 (1557), 110b –114b; Altenburg 5, 198 –201; Leipzig 20, 142 –145; Walch1 16, 1085 –1095; Walch2 16, 916 –924; Erlangen 54, 159 –168; de Wette 4, 72 –79; Enders, Briefwechsel 8, 84 –87. — Lateinisch: Coelestin, Historiae comitiorum Augustae II (1577), 211a –216a; Buddeus, Suppl. epist. Lutheri (1703), 129 –139.

 

Von dem Nürnberger Urdruck A, nach dem der Text von uns gegeben wird, sind unmittelbar abgedruckt D, E, G, H; B, das mit A fast völlig übereinstimmt, war Vorlage für C und F.

 

A hat Luthers Formen ziemlich getreu beibehalten, nur wenige Nürnberger Besonderheiten einfließen lassen. Als Besonderheit sei hervorgehoben, daß es, wie andere Drucke von Stüchs, die Zierform des W als V verwendet. Die mitteldeutschen Drucke C D E G H bleiben dem Urdruck sehr nahe, oft auch, wo dieser oberdeutsche Formen zeigt (weder, oder, glauben). Wir stellen sie deshalb im folgenden zusammen. F weist mit der Form reilich ziemlich sicher nach Mainz, hat aber noch mehr südwestdeutsche Formen als andre Mainzer Drucke (wa, selbert, weyßt), so daß die Annahme nahe liegt, daß es nicht unmittelbar aus B, sondern aus einem (Augsburger?) Zwischendruck abzuleiten sei. Bei H ist hervorzuheben, daß es alle Bibelzitate nach der späteren Übersetzung korrigiert.

 

C (Erfurt), D (Wittenberg?), E (Wittenberg), G (Breslau), H (Wittenberg) verglichen mit AB.

 

I. Vokale: 1) Umlaut. o > oe koenig CDGH (∞ GH), voerig C, oeberkeit C, oeffentlich H, koempt EG, koendte H, hoehest CH; ∞ solch CDH. u > ue duenckel CH, duencken H, entschueldigen, schueldig CDH, suende H, kuendte C, Jueden CEH, Juenger CDH, duerffte CH, gedrueckt (impressum) EH, daruemb, waruemb EH, suechen C; ∞ fur CDEGH, Furst CE (H nur bei großer Schriftgattung), furchten D, zurnen D, wurde E, schut (Subst.) C, mussen C, ruffen CDE, fruchtlin D, stunde DE, schluge C, furen (Konj.) E, lugen D. au > eu gleube (doch nicht immer) CH.

 

2) u > o moegen, genoch, dorch, kortz, erzoernen C, foerchten, zornen G, o > u furcht H; i und ie, u und ů sind in den md. Drucken nicht geschieden; a > o yo, annomen C, ∞ gethan, van, gewanheit C, nach (nec) D.

 

3) unbetontes e zugefügt oft in C ungluecke, alleine, bekentnisse (Sing.), gnade, habe, vielleichte, balde, zu gute, konige (auch H), die rechte; erwuerget (auch D), nichtes (öfter), in H koendte; ∞ erfarn, Gots C, zu nicht DE, untadlich, gesalbten G.

 

4) stummes h beseitigt jr, jnen, jenes H, umgestellt gewher D, yrhem G.

 

II. Konsonanten: d > t, dt yemant, schendtlich C, dt > d entbrand EH, gered, bekand E, dt > t erkante C; th > t teil C, rat E; p > b babst (an beiden Stellen) C, Pabst D; g > ch halsstarrich C, genoch C; g > k dinck C, kegen G, gnugsam > gnusam D.

 

 

 

[Seite 396]

 

Doppelkonsonant vereinfacht: grim CE, wils C, Vater C, vernomen E, tadeln G, angeboten, etliche E, vieleicht H, wider H; ∞ heillig, erbeitten C, odder, widder DG, schuett H.

 

III. Vor- und Nachsilben: ver- > vor z. B. vorfolgen, vorlachen, vornicht C, glimpff > gelimpff H, bescheissery > bescheisserey H.

 

IV. Deklination: die topffen > toepffe H, die Apostel > Aposteln D.

 

Konjugation: kompt > koempt HGE, gangen > gegangen H; woellen, woellt > wollen, wollt CD, muegen > moegen C.

 

V. Wortformen: für (auch in Kompositis) > vor C, hie > hir C, sein lebenlang > s. lebelang C; soelch > solch CD; histori > historie C, Grisogens > Crisogens C, Chrysogoni H, Mentz > Meintz H, Zepter > Scepter H, Sion > Zion H; verdammen > verdamnen CDGE; deudsch öfter > deusch D; schwind > geschwind D.

 

F (Mainz?) gibt neben den oberdeutschen Formen von AB, wie oben angeführt, auch andere (schwäbische), hier mit AB verglichen.

 

I. Vokale: 1) Umlaut: gesetz > gsatz; o > oe oeberkeit, hoehest, ∞ solch, trostlich; u > ü, übel, sünd, züchtigen; ∞ lugen, wurde; eu > au glaubt.

 

2) o > u sunst, sun, kummen, die nachkummen, kuenig, kundten, günne, trutz, sunderheit, sunder; ∞ moegen; o > a wa, i > ü würt; i und ie gut, u und ů z. T. unterschieden, ei > y: verlyhen.

 

3) unbetontes e oft beseitigt: frid, band, gsell, ich foercht, bit, ler, laß, dueck, alweg (< allewege), volgt, folgten, ∞ ins > in des, ewr > ewer; handeln > handlen.

 

4) stummes h ausgefallen: steen, sten, geen, gen, vertauscht steth, gewher.

 

II. Konsonanten: d > t wirt, Teütsch; t > d dück, vnder; b > p sampt, gepoten; g > ch schlechstu, lh > ll befollen.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: gotes, ich bit, etliche, erreten, vater, wider, tadeln, ∞ vill, soll, befollen, woll, nachkummen.

 

III. Vor- und Nachsilben: ge < g gschriben, gwissen, gwest usf., verkomen > fürkummen, zu- > zer-; niß > nuß, nueß; igkeit > ikeit.

 

IV. Konjugation: schlegst > schlechst, komen > kummen; yhr seid > sein, seind, muegen > moegen, wollen > woellen, er weis > weißt, kondten > kundten.

 

V. Wortformen: denn > dann, wenn > wann, fuer (mit Dativ) > vor, nicht > nit, auff > uff, dazu > darzu; selbs > selbert, soelch > solch; handschrifft > handtgschrifft, bekentnis > bekantnueß, vhedbrieff > vhebrieff (Druckfehler oder der Aussprache folgend?), gesetz > gsatz, reichlich > reilich (kein Druckfehler!); feylen > felen, fodern > fordern.

 

 

 

[Seite 397a]

 

 

[Bl. 2a] Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater, durchleuchtigsten hochgebornen

fursten vnd herrn, her̄r̄n Albert, Tit S Grisogens Cardinal

Priester, Ertzbisschoff zu Mentz vnd Magdeburg, Primaten ynn Germanien

vnd Admīstrator zü Halberstat &c̄. Marggrauen zu Brandenburg

&c. meinem gnedigsten her̄r̄n

 

1530

 

 

 

[Seite 397a]

[Vorbemerkungen]

 

Gnad vnd fride ynn Christo Ihesů vnserm herrn̄ Hochwirdigster Durchleuchtigster  hochgeborner fürst gnedigster herr, Jch hette wol lieber  heimlich vnd mit meiner handschrifft diesen brieff an E k f g  geschrieben, So besorget ich mich, dieser schwinden zeit, das er mocht  ettwa verruckt auskomen vnd mir als denn, sonst vnd so gedeutet werden,  Vnd villeicht E k f g selbs auch damit ynn verdacht furen, Dar umb hab  ich denselbigen frey offentlichen, durch den druck ans liecht wollen geben,  den gifftigen argwenigen deutern, damit vrsachen yhrs deutens zu verkomen̂,

 

 

 

[Seite 398a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 398b

 

 Bitte vntertheniglich E k f g wolten mir solch schreiben gnediglich zu gut  halten̄

 

Denn die weil E k f g der furmest vnd hohest prelat ynn deudschen  lan̂den ist, derhalben ynn diesen sachen mehr thun mugen denn sonst ye-  [Bl. 2b] mand, hab ich mich lassen meine gedancken vber mugen E k f g ynn  sonderheit vntertheniglich mit dieser schrifft zu ersuchen, auff das ich ia allenthalben  reichlich das meine thu vnd mein gewissen gegen Gott und der welt  beware, ob villeicht ein vngluck vnd Gottes zorn folgen wurde, (als ich war  lich vbel furchte Jch hie mit en̂tschuldigt sey, als der ich, auff alle wege habe  friden helffen suchen vnd angeboten

 

E k f g haben der vnsern vbergeben bekentnis vnd lere, on zweiuel,  sampt allen andern̄ vernomen, Vnd versehe mich gantz trostlich, Sie sey der  gestallt furgetretten, das sie mit frolichem munde sagen thar, mit Christo  yhrem herrn̄, Hab ich vbel geredt, so beweise, das es vnrecht sey, Hab ich  aber recht geredt, was schlegstu mich? Sie schewet das liecht nicht vnd weis  zu singen aus P̄s̄. 118. Jch rede von deinen zeugnissen fur den konigen, vnd

 

[ 1 Im ersten Buchstaben von Bitte sind die Schriftzüge zum Teil nachgezogen 4 ist o 6 sonderheit zuner 7 das meine reichlich um 8/9 (als —furchte rh 9 vbel mich        ich all]

 

 

 

[Seite 399a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 399b

 

 bestehe nicht mit schanden, Denn wer die warheit thut, der kompt ans liecht,  das sein̂e werck offenbar werden, Denn sie sind ynn Gott gethan̂

 

Da gegen kan ich wol achten, das vnser gegenteil solche lere nicht  annemen werde, viel weniger die selbigen zu verlegen sich vnterstehen, Habe  auch, des, keine hoffnung, das wir der lere solten eines [Bl. 3a] werden, denn  yhr ding kan das liecht, nicht so leiden, Vnd sind zu dem so durch bittert  vnd entbrand, das sie lieber ynn der hellen ewige glut furen, wenn sie gleich  dafur yhnen offen stunde, ehe denn sie vns weichen, vnd yhre weisheit lassen  solten Das mussen wir so lassen gehen vnd geschehen. Wir sind an yhrem  blut vnschüldig,

 

Aber die gedancken habe ich, darumb ich auch an E k f g schreibe, weil  vnser widderteil, nicht kan vnser lere taddeln vnd wir mit dieser bekendnis,  klerlich bezeugen vnd beweisen, das wir nicht vnrecht noch falsch geleret, Vnd  derhalben auch nicht verdienet haben das man vns so schendlich verdamnen,

 

[ 1 schanden, Denn ich weis 4 zu rh 6 so (1.) nicht um 7 ewige rh 9 sind des 14 haben rh]

 

 

 

[Seite 400a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 400b

 

 so grewlich verfolgen solt, wie bis her vnd noch, geschehen, ob doch so viel  zu erlangen were, das vnser widderteil, doch friede hielte, vnd nicht so lestert  vnd todtet, die vnschuldigen, vmb dieser vnstrefflichen lere willen, die sie  selbs mussen loben, züm aller wenigsten, damit, das sie da gegen erstümmen  vnd nichts haben da widder zu reden, Denn das sie von vns nicht wollen  geleret sein, noch vnser lere an nemen mussen wir lassen geschehen, Wir  zwingen niemand auch zur warheit nicht, wie sie doch zwingen zur lugen.

 

Hie bitte ich nu auffs vnterthenigst, weil keine hoffnung da ist, das  wir (wie gesag ist) der lere eines werden [Bl. 3b] E k f g wolten sampt andern  dahin erbeiten, das ihenes teil fride halte, vnd gleube, was es wolle vnd  lasse vns auch gleuben, diese warheit, die itzt fur yhren aügen bekand ist,  vnd vnthaddelich erfunden ist, Man weis ia wol, das man niemand sol noch  kan zum glauben zwingen, stehet auch weder yns keisers noch Bapsts gewallt,

 

[ 1 ob nicht 3 todtet, die vn        vnstrefflichen rh 4 sie still        erstümmen vnd 7 auch rh        nicht o 9 (wie gesag ist) u 13 zwingen, ist        stehet rh]

 

 

 

[Seite 401a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 401b

 Denn auch Gott selbs, der vber alle gewallt ist, hat noch nie keinen menschen,  mit gewallt zum glauben wollen dringen, Was vnterstehen sich denn solchs  seine elenden armen Creaturn̄, nicht allein zum glauben, sondern auch zu  dem, das sie selbs fur falsche lugen halten mussen, zu zwingen?

 

Wo aber solcher friede nicht zu erlangen ist Wolan, so haben wir das  vorteil bey Gott, vnd den glimpff bey aller wellt, das wir vnser lere frey  offentlich bekant fride, gesucht vnd angeboten haben vnd doch nicht erlangen  mugen, So man doch vns ynn der lere nicht schuldig noch strefflich erfunden  hat, Was Gott vnd vnser nach komen hie zu sagen werden, das wird man  wol erfaren, vnd mussen vns trösten des exempels der lieben Apostel, Da  auch die hohen Priester vnd fursten ym volck Jsrael, (wie Lucas sagt Act iij)  nichts kundten widder der Aposteln that vnd wort auffbringen, hatten auch  nichts das sie da widder reden mochten, Noch hielten sie nicht friede,  Sondern vber das, das sie die warheit nicht [Bl. 4a] an namen, da mit sie  vber zeugt vnd vber wunden waren, steupten vnd verfolgeten sie die Apostel  noch dazu

 

[ 1 alle c aus allen 2 gewallt zu        zum glauben wollen rh 6/7 vnser — bekant rh 7 gesucht c aus gesuch        haben rh 9 hat steht über sind 10 Apostel act iij 11 vnd der Rat ab        iij vnd 4 rh 13 sie (2.) o]

 

 

 

[Seite 402a]

 

 

 

Ja wie ists yhn auch zu letzt druber gangen̂? Wo sind sie nǔ? Wo  ist Jerusalem? Es stund zwar auff vnter yhn Gamaliel, vnd gab yhn auch  solchen rat, das sie solten friede halten, vnd die Apostel lassen machen, wenn  sie es ia nicht wolten an nemen, Aber es halff nicht, Wolt Gott, E k f g  kundt, odder wer es were itzt auch ein Gamaliel sein, der solchen rat des  frides den andern̄ furschluge vnd sie beredete, ob villeicht Gott gnade verleyhen  wolte, das sie von yhrem toben ab liessen, vnd nicht so halstarrig,  widder yhr gewissen vnd widder Gott stritten, Es ist ia der beste rat, den  man ynn dieser sachen haben kan, Vnd Lucas solch exempel nicht vmbsonst  so vleissig hat wollen schreiben, So ists ia gewislich eine sǔnde ynn den heiligen  geist, die erkandte warheit anfechten, Vnd zwar wir hetten sonst sunde  gnug, durfften nicht noch dazu die sunde ynn den heiligen geist, aüch auff  vns laden

 

Aber das horen vnd achten sie nicht, Sie wollen faren, da die Juden  hin gefaren sind, Doch ob villeicht etliche zu erretten weren, das sie nicht mit  yhnen fǔren, Sondern den trewen rat Ga-[Bl. 4b]malielis an nemen vnd  folgeten, so theten E k f g hiemit nicht ein geringen Gottes dienst, Lieber  Gott, Schadet doch solche lere euch nicht, hellt sie doch fride vnd leret fride,  lesst euch bleiben, was yhr seid, Lehret auch, das man euch alles lassen vnd

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 402b

[ 2 auch o 4 g w 5 sein vnd nicht allein ein das, son 11 hetten wir um 14 faren steht über gehen 15 hin gangen]

 

 

 

[Seite 403a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 403b

 nichts nemen solle, das solt doch alleine gnugsam zum friede zu be wegen, obs  sonst die warheit an yhr selbs nicht thett, Ja sie hilfft warlich euch alle  erhalten vnd hats bisher gethan Sol sie denn ia singen, Qüi retribüebant  mihi mala pro bonis, aduersantur mihi, So ists nicht fein vnd euch allen  nicht gut, das sie es von euch geistlichen singen vnd vber euch klagen mus

 

Wil aber widder fride noch einigkeit folgen, widder Gamaliels rat,  noch der Apostel vnd der Jǔden exempel helffen, So las faren, was nicht  bleiben wil, Vnd zurne, wers nicht lassen wil Er wird zorns vnd vnfrides,  darnach er ringet, vbrig gnug fin̂den, Wir wollen die weil mit den lieben  Aposteln vnd iungern singen (das werden sie vns ia nicht weren das weis  ich wol) Warumb toben die heiden vnd die volcker tichten vmbsonst Die  konige auff erden lehnen sich auff, vnd die fursten ratschlahen miteinander  widder den HERRN vnd seinen gesalbeten, Vnd sprechen, Lasst vns zu reissen  yhre bande vnd von vns werffen yhre seyle, Wie konige vnd fursten itzt widder

 

[ 1 zu be o 2 nicht thett steht über were 5 geistlichen rh 6 aber steht über nǔ 9 ringet c aus ringen 10/11 das —wol rh 13 seinen s]

 

 

 

[Seite 404a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 404b

 den HERRN [Bl. 5a] vnd seine erkandte warheit toben vnd seine ban̂de wollen  zu reissen, von yhm vngefangen vnd vngelert sein, das sehet yhr alle selbs,  Aber, das solch toben vergeblich sey, sol man nicht itzt, sondern mit der  zeit sehen,

 

Denn es folget her nach, Der ym himel wonet, spottet yhr vnd der  HERR verlacht sie, Als denn wird er mit yhnen reden ynn seinem zorn vnd  wird sie schrecken ynn seinem grim       Solchs sihet vnd gleubt man auch nicht,  Man wills aber sulen, das sol auch geschehen, So wird sichs denn sehen lassen,  wie vergeblich yhr toben sey gewest, wie fein sie die bande des HERRN zu reissen  vnd sein wort vnterdruckt haben, Vns aber, die wir solchs gleuben, vnd gewis  wissen, das geschehen müs, ists die weil trostlich vnd lieblich       Denn wenn  konige vnd fursten lange toben vnd tichten, reissen vnd werffen, So werden sie  vnsern konig sitzen lassen, wie folget

 

Jch aber hab meinen konig gesetzt auff meinen heiligen berg zion, Jch  wil vom satz predigen Der HERR hat zu mir gesagt, Du bist mein son heute  hab ich dich gezeuget Las nu hie konige toben, pabst wueten, fursten reissen,

 

[ 1 erkandte o 1/2 vnd (2.) —sein rh 7 schrecken mit        man vnd gleubt um        gleubt c aus gleubts 8 sichs steht über man        lassen o 11 müs o        die weil o        wenn sie 12 konige vnd [o] fursten rh        sie den 14/16 Jch (1.) —gezeuget mit Rötel un terstrichen, ebenso die folgenden Psalmstellen.]

 

 

 

[Seite 405a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 405b

 heiden werffen Da sitzt der konig vnd ist son zu hause, lieben, zornigen  Junckern, lasst yhn doch noch eine weile sitzen, Wenn yhr vns nicht wollet  frieden lassen, So bitte ich vmb Gottes willen, wollet doch diesen konig sitzen  lassen, vnd nicht so bald her unter reissen [Bl. 5b] als yhr gedenckt, odder  mǔs er ia her unter, lieber, so schickt yhm doch zuuor einen vhedebrieff, das  er ewrn grausamen zorn vnd drewen erfare, villeicht wird er sich rusten mit  schut vnd bolwerg, das er fur euch bleibe, auffs wenigst so lange bis dieser  reichstag fur vber sey, odder ewr zorn vnd vngnade sich lege

 

Es wil auch dieser vnser konig ein pfaff odder priester sein̂, gibt predigen  fur von einem newen satz, nemlich, das er Gottes son sey vnd solchs  solle man gleuben, Aber wenn ich als die konige vnd fursten were, So  wolten wir yhm das predigen verbieten, das er vns nicht aus vnser gewehr  setzet, vnd it seinem satz vnser eigen lere vnd allte gewonheit zu nicht  machet, Hui an yhn flugs, heisst yhn schweigen als einen ketzer Aber sehet  sonst mit zu, das yhr euch an einem Priester nicht vergreifft, vnd das Si

 

[ 1 konig rh 5 ia so 6 vnd gr 9 pfaff odder steht über Bisschoff sein 11 were c aus weren 13 eigen rh]

 

 

 

[Seite 406a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 406b

 süadente, gebe euch den donner vnd blitz, Denn es ist ein grosser Bisschoff der  yhn geweyhet vnd zu predigen befolhen hat, der heisst HERR, vnd hat yhm ein  format gegeben, das heist, Noli me tangere, vnd laut also

 

Heissche von mir, so wil ich dir die heiden zum erbe geben vnd der  wellt ende zum eigenthum du sollt sie mit dem eisen zepter zuschlahen wie  ein topffen soltu sie zuschmeissen Wer hat sein leben lang yhe eine grossere  lugen gehoret? Die heiden, sin̂d der zornigen konige erbe, vnd die wellt, der  grimmigen fursten eigenthǔm, Das sihet man ia wol, das sie es damit machen  wie sie wollen als mit dem yhren, Alle yhre gedancken vnd [Bl. 6a] anschlege,  sonderlich widder diesen konig vnd priester, gehen so fein fur sich, als hetten  sie von krebssen gehen gelernt odder wolten die krebs gehen leren, das freylich  dieser konig, nicht einen stecken zu eigen hat ynn aller wellt, Aber schimpff  lege dich, Hore was folget

 

Und nü yhr konige werdet klug, lasst eüch zuchtigen yhr richter aüff erden

 

[ 1 ein o 5/6 du — zuschmeissen rh 7 zornigen rh 8 grimmigen rh 11 krebssen ler 14 konige seid]

 

 

 

[Seite 407a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 407b

 

So sol man konige vnd fursten an reden, Was wil das werden? Es  ist nie auff erden solch schendlich lesterlich ding geredt Sollen̂ kon̂ige klug  werden? Mein̂stu denn das sie narren sind? Sollen Richter sich lassen  zuchtigen? Mein̂stu denn das es kinder ynn der schulen, sind? Ey konige  sind zuuor klug haben gesetze, landrecht, Juristen vn̂d Rethe, wissen wol was  sie thun sollen, Die Richter auch also haben auch, rechte, sitten, weise vnd  mas, brauch vnd gewonheit, wissen wol was sie richten, vrteilen vnd halten  sollen, Dieser Psalm ist gewislich ein ketzer, schmeht die konige, lestert die  Richter, Vnd handelt als ein auffrurer, widder die oberkeit, vnd alle yhre  rechte vnd gewonheit, weil sie aus der alten gewehr treiben Dazu spricht  sie so verechtlich an, Jhr konige, yhr richter, gleich wie ein herr sein̂en knecht,  Du hans, Du peter, als hellte er sie gar fur nichts vnd weren gantz sein  eigen wie eine kue odder gans

 

Ja lieber geselle, Er beken̂n̂et, das konige vnd richter, wol vernünfft,  rechte vnd weisheit haben Denn es kan kein konig noch Richter sein, der nicht  [Bl. 6b] rechte vnd gesetze ym lande habe, Aber Er wirfft sie mit diesem vers,  alle vnter diesen konig, sampt yhren Rechten, sitten, vernunfft, vnd was sie

 

[ 1 an reden, als werens 1/2 Es —geredt rh quergeschrieben 4 schulen, die man 5 zuuor rh 6 sollen, Vn 8 die (1.) o 11 wie o 12 nichts vnd musten yhn 17 sampt steht über mit]

 

 

 

[Seite 408a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 408b

 an weisheit vnd gewalt vnd spricht, Es sey nicht gnug an dem, das  sie haben, Es sey wie schon recht odder sitten, es wolle. Sie sollen gegen  diesen kon̂ig vnd priester, narren vnd kinder werden yhm zu horen vnd sich  lernen lassen Sein wort fur meister halten vber alles gehen vnd herrschen  lassen, Weil denn der Bapst, so wol als der keiser vnd konige, auch nicht  ober diesen konig sind sondern vnter den richtern auff erden bleiben mussen̂,  so sol sein decret vnd sein lere, auch narr vnd kind sein gegen dieses koniges  wort vnd lere, Vnd sol nicht druber richten, Sondern, sich da durch richten  vnd leren lassen

 

Aber itzt zu Augsburg, werden sie diesen vers wol anderst meistern  vnd mustern, das er müs also laüten, Vnd nǔ du konig zü zion werde klug,  du richter ym himel las dich zuchtigen, denn du bist ein narr vnd kind gegen  vn̂s, Wir mussen vrteilen vnd setzen, was du fur warheit solt halten odder  nicht, Was wir nicht setzen, richten odder bestettigen, da sey dir trotz geboten,  das du es fur warheit haltest, odder must herunter vnd mit den ketzern verbrand  sein, So wirds gewislich diesem konige gehen, Denn sie wollen warlich

 

[ 1 an (1.) —gewalt rh        an (2.) dem o 2 sitten, wie 4 wort lassen        fur o        halten steht über sein (Luther schrieb also ursprünglich: Sein wort lassen meister sein) 5 lassen o 8 wort vnd o 10 anderst o 11 zion l 15 must henn]

 

 

 

[Seite 409a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 409b

 der gewehr unentsetzt sein, das sie bis her [Bl. 7a] vber Gottes wort meister  vnd richter gewest sind Was wil aber dieser konig darzu sagen, der auch ynn der  gewehr sitzt vnd wil vngemeistert vnd vngerichtet sein, son̂dern allein meistern  vnd richten? Da lassen sie yhn fur sorgen, Das wird er auch thun wie folget

 

Dienet dem herrn mit furcht vnd frewet euch mit zittern Kusset den  son, auff das er nicht erzürne vnd yhr auff dem wege vmbkomet, denn sein  zorn wird bald angehen Wol allen, die auff yhn trawen

 

Da stehets, Wer Christus wort nicht horen, sondern meistern wil, der  sol ym zorn vmbkomen vnd dasselbige gar balde, Er wil nicht seǔmen, Man  sol yhm dienen vnd nicht sein wort vnserm kopff zu dienen zwingen, Man  sol yhn kussen vnd hulden vnd nicht Christum odder sein wort vnserm dunckel  vnter werffen. Er wills nicht leiden̂, das ist kurtz und gut

 

Solchs wil ich E k f g vntertheniglich angezeigt haben, ob Gott wolt  gnade verleyhen, durch ewr ettlichen vleis vnd erbeit, das der lesterūg weniger  wǔrde, Wo n̂icht, das doch friede gestifft wurde Den̂n̂ das der Bapst sich  rhumet mit den seinen, ynn einer zedel so gedruckt ist der keyser, werde yhm

 

[ 7 yhn ho[ffen] 12 das —gut nachgetragen 14 vnd mu[he] 16 ynn —ist rh        yhm rh]

 

 

 

[Seite 410a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 410b

 alles widder restituiern vnd ergen̂tzen̂, das wird yhm feylen̂, das weis ich  wol, Denn was were das anders, denn das wir sol-[Bl. 7b]ten alles widderruffen,  was wir yhe geleret haben, auch diese itzige vberantworte Bekentn̂is,  die yhr selbst musset für recht halten, Vnd dagegen alle vorige lügen preisen,  der yhr alle selbst viel bekennet, vnd alle das vnschuldig blut, das von ewrm  teil vergossen ist, auff vns laden, Ja lieber papst vnd papisten gebt vns vor  widder, Lenhard keiser, vnd alle die yhr vnschuldiglich erwürgt habt, alle  seelen, die yhr mit lugen verfuret habt, alles gelt vnd gut, das yhr mit  bescheissery geraubt habt, alle die ehre, die yhr Gott mit lestern, gestolen  habt So wollen wir von der restitution handeln, Es sol ynn eine history  geschrieben werden, das der Bapst vnd seine papisten solch lesterlich ding thar  vnuerschampt vnd offentlich begeren, als weren eitel klotze ynn deudschem  lande vnd auff dem reichstage eitel affen dazu alle fursten, die es mit treiben,  das sie bey vnsern nach komen ein ewiger stanck sein sollen, dafur man speyen  vnd gecken musse

 

[ 4 vorige rh 5 alle (1.) lugen vnd vergossen [rh] blut, recht sprechen        selbst wol vnschuldig o 5/6 von ewrm teil rh 6 lieber —papisten rh 11 das man        der Bapst vnd seine bisch papisten rh 12/13 als —affen rh 14 man steht über sie 15 und gecken o        musse c aus mussen]

 

 

 

[Seite 411a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 411b

 

Aber der teuffel sucht damit ein anders, Wolt Gott, das unser herrn  alle wol drauff acht hetten Wir deudschen̂ horen nicht auff dem Bapst vnd  seinen walen zu gleuben, bis sie vns bringen nicht ynn ein schweis bad,  sondern ynn ein blut bad, Wenn̂ deudsche fursten ynn einander fielen, das  mocht den Bapst das florentzisch fruchtlin frolich machen, das er ynn die  faüst lachen kund vnd sagen, Da yhr deudsche bestien, wolltet mich nicht zum  Babst haben, So habt [Bl. 8a] das, O grosse liebe vnd trewe, hat er zum  keiser, wie er fein beweiset fur paǔia, da er widder den keiser zoch, Deudschland  hat er noch lieber, das er den keiser aus hispanien foddert (Denn wer  kundte solche practick mercken?) vnd darnach on bey sein̂ der deudschen fursten,  kronet, nach laut der bullen, Jch bin kein prophet, Aber ich bitte euch herrn

 

[ 1 vnser c aus vnsern 2 deudschen̂ rh        dem c aus den 2/3 Bapst vnd seinen rh 3 vns ynn e        bringen stand ursprünglich hinter bad 5 Bapst C        fruchtlin rh Jch hett schier was gesagt 7 hat er steht über hat der Bapst 8/9 Deudschland noch 9/10 (Denn —mercken?) rh 10 mercken?) die dazu mal        darnach rh]

 

 

 

[Seite 412a]

 

 

[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...] 412b

 alle, Sehet euch wol fur, Vnd lasst euch ia nicht duncken, das yhr mit  menschen handelt, wenn yhr mit Bapst vnd den seinen handelt, Sondern mit  eitel teuffeln, Denn es sind auch eitel teuffels tucke dahinden, das weis ich,  Gott der allmechtige helffe euch, das zum frieden alles gerate Amen

 

Hie mit wil ich E k f g ynn Gottes gnaden befolhen haben, Vnd was  ich mit beten kan, gar trewlich dienen Vnd E k f g wolte mir solche  schreiben gnediglich zu gut halten Jch kans ia nicht lassen Jch mus auch  sorgen fur das arm, elend, verlassen veracht, verrathen vnd verkaufft deudsch  land dem ich ia kein arges, sondern alles gutes gonne, als ich schuldig bin  meinem lieben vater lande Ex Eremo f4 post Visitationis 1530

 

 

 

E k f g

Vntertheniger

Martinus Luther

 

 

[ 1 fur Jhr ha 2 vnd seinen Wa[len] 3 weis euch        ich rh 7 halten rh 10 vater lande ..]

 

 

 

[Seite 397b]

 

 

[Bl. a 2] Dem hochwirdigsten in Gott Vatter, Durchleuchtigsten hochgebornen

Fuersten und herrn, herrn Albert, Tit. S. Grisogens Cardinal

priester, Ertzbisschoff zu Mentz und Magdeburg, Primaten in Germanien

und Administrator zu Halberstat &c.., Marggraven zu Brandenburg

&c.., meinem gnedigsten herrn.

 

1530

 

 

 

[Seite 397b] [Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 397a

 

Gnad und fride in Christo Jhesu, unserm Herrn, Hochwirdigster Durchleuchtigster  Hochgeborner Fürst, gnedigster Herr! Jch hette wol  lieber heimlich und mit meiner handschrifft disen brieff an E. K. F. G.  geschriben, so besorget ich mich diser schwinden1 zeyt, das er moecht etwa verruckt2  außkomen und mir als denn sonst und so3 gedeutet werden und villeicht  E. K. F. G. selbs auch damit in verdacht fueren. Darumb hab ich den  selbigen frey offentlichen durch den druck ans liecht woellen geben, den gifftigen  argwenigen deutern damit ursachen ihrs deutens zu verkomen.4 Bitte

 

[ 17/18 Marggraven —&c.. fehlt F 22 sorget G        geschwinden D]

 

 

 

[Seite 398b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 398a

 untertheniglich, E. K. F. G. wolten mir solch schreiben gnediglich zu gut  halten.

 

Denn die weil E. K. F. G. der fürnemest und hohest Prelat in Deudschen  landen1 ist, derhalben in disen sachen mehr thun muegen denn sonst yemand,  hab ich mich lassen meine gedancken ubermügen2, E. K. F. G. in sonderheyt  untertheniglich mit diser schrifft zu ersuchen, auff das ich ya allenthalben  reichlich das mein thun und mein gewissen gegen Gott und der welt beware,  ob villeicht ein unglueck und Gottes zorn folgen würde (als ich warlich ubel  fuerchte), ich hiemit entschuldiget sey, als der ich auff alle wege habe friden  helffen suchen und angebotten.

 

E. K. F. G. haben der unsern ubergeben bekentniß unnd lere on zweifel  sambt allen andern vernommen, Und versihe mich gantz troestlich, sie sey der  gestalt fürgetretten, das sie mit froelichem munde sagen thar mit Christo  [Joh. 18, 23] yrhem herrn: ‘Hab ich ubel geredt, so beweise, das es unrecht sey, Hab ich  aber recht geredt, was schlegstu mich?’ Sie schewet das liecht nicht und weis  [Ps. 119, 46] zu singen aus psalm 118: ‘Jch rede von deinen zeugnissen fur den Konigen

 

[ 27 bekentnisse C 32 cxvij C        cxix H]

 

 

 

[Seite 399b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 399a

 [Joh. 3, 21] und bestehe nicht mit schanden’.1 Denn wer die warheit thut, der kompt ans  liecht, das seine werck offenbar werden, denn sie sind inn Gott gethon.2

 

Da gegen kan ich wol achten, das unser gegentheyl solche lere nicht  annemen werde, vil weniger dieselbigen zu verlegen3 sich unterstehen. Habe  auch des gar kein hoffnung, das wir der lere solten eins werden4, denn yhr  ding kan das liecht nicht so leiden, Und sind zu dem so durch bittert5 und  entbrandt, das sie lieber inn die hellen ewige glůt fueren, wenn sie gleich da  für yhnen offen stünde, ehe denn sie uns wichen und yhre weyßheit lassen  solten. Das muessen wir so lassen gehen unnd geschehen. Wir sind an ihrem  blůt unschuldig.

 

Aber die gedancken habe ich, darumb ich auch an E. K. F. G. schreibe,  weil unser widdertheil nicht kan unser lere taddeln, und wir mit diser  bekendtnis klerlich bezeugen und beweisen, daß wir nicht unrecht noch falsch  geleret, Und derhalbenn auch nicht verdienet haben, das man uns so schendlich

 

[ 15 bestehe —schanden] scheme mich nicht H 21 die] der H]

 

 

 

[Seite 400b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 400a

verdamnen, so grewlich verfolgen solt, wie bißher und noch geschehen. Ob  doch so vil zu erlangen were, daß unser widdertheil doch friede hielte1 und  nicht so lestert unnd toedtet die unschuldigen umb dieser unstrefflichen lere  willen, die sie selbs muessen loben2, zum aller wenigsten da mit, das sie da  gegen erstummen und nichts haben da widder zu reden, Denn das sie von  uns nicht wollen geleret sein noch unser lere annemen, müssen wir lassen  geschehen, wir zwingen niemant, auch zur warheit nicht, wie sie doch zwingen  zur lügen.

 

[Bl. a3] Hie bitte ich nu auffs unterthenigst, weil kein hoffnung da ist,  daß wir (wie gesagt ist) der lere eins werden, E. K. F. G. wolten sampt  andern dahin arbeiten, das yhenes teil fride halte und glaube, was es woelle,  und lasse uns auch glauben diese warheit, die itzt für jhren augen bekand und  untaddelich erfunden ist. Mann weis ja wol, das man niemand sol noch  kan zum glauben zwingen, stehet auch weder ins Keisers noch Bapsts gewalt.

 

 

 

[Seite 401b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 401a

 Denn auch Gott selbs, der uber alle gewalt ist, hat noch nie keinen menschen  mit gewalt zum glauben woellen dringen. Was unterstehen sich denn solchs  seine elenden armen creaturn, nicht allein znm glauben, sonder auch zu dem,  das sie selbs für falsche lügen halten muessen, zu zwingen?

 

Wo aber solcher fride nicht zu erlangen ist, wolan, so haben wir das  vorteil bey Gott und den glimpff1 bey aller welt, das wir unser lere frey  offentlich bekant, fride gesucht und angebotten haben, und doch nicht erlangen  muegen, so man doch uns inn der lere nicht schuldig noch strefflich erfundenn  hat. Was Gott und unser nachkomen hie zu sagen werdenn, das wird man  wol erfaren2, Und muessen uns troesten des exempels der lieben Apostel, Da  [Apg. 4, 14] auch die hohen priester und fürsten ym volck Jsrael (wie Lucas sagt Act. 3.)  nichts kondten widder der Apostel that und wort auff bringen, hatten auch  nichts, das sie da wider reden mochten. Noch hielten sie nicht friede, Sonder  uber das, das sie die warheyt nicht annamen, da mit sie uberzeugt und  uberwunden waren, steupten und verfolgeten sie die Apostel noch dazu.

 

[ 24 inn] vmb C 25 hir C]

 

 

 

[Seite 402b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 402a

 

Ja wie ists yhn auch zu letzt drüber gangen̂? Wo sind sie nu? Wo  [Apg. 5, 34 ff.] ist Jerusalem? Es stund zwar auff unter yhn Gamaliel und gab yhn auch  solchen rath, das sie solten fried halten und die Apostel lassen machen, wenn  sie es ya nicht wolten annemen. Aber es halff nicht. Woelt Got, E. K. F. G.  kondt, oder wer es were, ytzt auch ein Gamaliel seyn, der solchen rath des  frides den andern furschluege und sie beredete, ob villeicht Gott gnade verleyhen  wolte, das sie von irem toben abliessen und nicht so halßstarrig wider yhr  gewissen unnd wider Gott stritten. Es ist ya der beste rath, den man inn  diser sachen haben kan, Und Lucas solch exempel nicht umb sonst so vleissig  hat wollen schreiben. So ists ya gewißlich ein sunde in den heyligen geyst,  Die erkante warheit anfechten. Und zwar wir hetten sonst sunde gnug, durfften  nicht noch dazu die sunde in den heiligen geyst auch auff uns laden.

 

Aber das hoeren und achten sie nicht, Sie wollen faren, da die Juden  hingefaren sind. Doch ob villeicht ettliche zu erretten weren, das sie nicht  mit yhnen fueren, sonder den trewen rath Gamalielis annemen und folgeten,  so theten E. K. F. G. hie mit nicht ein geringen Gottes dienst, Lieber Gott,  schadet doch solche lere euch nicht, helt sie doch fride und leret fride, lesst euch

 

[ 21 yhm (1.) E]

 

 

 

[Seite 403b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 403a

 bleiben, was yhr seid, leret auch, das man euch alles lassen und nichts nemen  solle, das solt doch alleine gnugsam zum fride zubewegen, obs sonst die  warheit an yr selbs nicht thet, ja sie hilfft warlich euch alle erhalten, Und  [Ps. 35, 12. 19] hats biß her gethan. Sol sie den ja singen: ‘Qui retribuebant mihi mala  pro bonis, aduersantur mihi’, so ists nicht fein und euch allen nicht gůt, das  sie es von euch geystlichen singen und uber euch klagen můß.

 

Wil aber weder fride noch einigkeit folgen, weder Gamalielis rath noch  der Apostel und der Juden exempel helffen, so laß faren, was nicht bleiben  wil, Und zürne, wers nicht lassen wil. Er wird zorns und unfrides, darnach  er ringet, ubrig gnug finden. Wir woellen die weil mit den lieben Aposteln  und iungern singen (das werden sie uns ya nicht weren, das weiß ich wol):

 

[Ps. 2, 1 ff.] Warumb toben die heyden, und die voelcker tichten umb sonst?1  Die koenige auff erden lehnen sich auff, und die fuersten rathschlahen  mit einander wider den [Bl. a (4)] HERRN und seinen  gesalbeten. Und sprechen:

 

Laßt uns zu reissen yhre bande und von uns werffen  yhre seyle.

 

[ 16 solle] sol F 26 voelcker —sonst] Leute reden so vergeblich H 27 auff erden] im lande H fuersten] Herrn H 30 Las D 31 seyle] seele D]

 

 

 

[Seite 404b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 404a

 

Wie koenige und fuersten ytzt wider den HERRN unnd seine erkandte  warheit toben und seine bande woellen zu reissen, von yhm ungefangen und  ungelert sein, das sehet yhr alle selbs. Aber das solch toben vergeblich sey,  sol man nicht ytzt, sonder mit der zeyt sehen. Denn es folget hernach:

 

[Ps. 2, 4. 5] Der im hymel wonet, spottet yhr, und der HERR verlachet  sie. Als denn wird er mit yhnen reden in seinem zorn und wird  sie schrecken in seinem grimm.

 

Solchs sihet und gleubt man auch nicht, Man wills aber fuelen, das  sol auch geschehen. So wird sichs denn sehen lassen, wie vergeblich ihr toben  sey gewest, wie fein sie die bande des HERRN zurissen und sein wort unterdruckt  haben. Uns aber, die wir solchs glauben und gewiß wissen, das  geschehen muß, ists die weil troestlich und lieblich. Denn wenn Konige unnd  Fürsten lang toben und tichten, reissen und werffen, So werden sie unsern  Konig sitzen lassen, wie folget:

 

[Ps. 2, 6. 7] Jch aber hab meinen Konig gesetzt auff meinen heiligen berg  Sion. Jch wil vom satz predigen: Der HERR hat zu mir gesagt:  du bist mein son, heut hab ich dich gezeuget.

 

 

[ 20 folgen G 21 Der] Aber der H        spottet] lachet H 21/22 verlachet sie] spottet jr H 22 Als denn w. e.] Er wird einest H 22/23 und —grimm] Und in seinem Grim wird er sie schrecken H 31 Aber ich habe H        eingesetzt H 32 Zion H        vom satz] von einer solchen Weise H        Das der H. zu mir g. h. H]

 

 

 

[Seite 405b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 405a

 

Laß nu hie Konige toben, Babst wueten, Fürsten reissen, heyden werffen,  Da sitzt der Konig und ist son zu hause, lieben zornigen iunckern, last yhn  doch noch ein weil sitzen. Wenn yhr uns nicht woellet friden lassen, so bitte  ich umb Gottes willen, woellet doch disen konig sitzen lassen und nicht so bald  herunter reissen, als yhr gedenckt, oder můß er ya herunter, lieber, so schickt  yhm doch zuvor einen vhedbrieff1, das er ewern grausamen zorn und drewen  erfare, villeicht wird er sich ruesten mit schüt2 und bollwerg, das er für euch  bleibe, auffs wenigst so lange, biß disser reichstag fur uber sey oder ewr zorn  und ungnade sich lege.

 

Es wil auch dieser unser konig ein pfaff oder priester seyn, gibt predigen  für von einem newen satz, nemlich, das er Gottes son sey, und solchs solle  man glauben. Aber wenn ich als die konig und fürsten were, so wolten wir  yhm das predigen verbieten, das er uns nicht auß unser gewehr3 setzet unnd  mit seinem satz unser eigen lere und alte gewonheyt zu nicht machet. Hui  an yhn flugs, heißt yhn schweigen als einen ketzer. Aber sehet sonst mit zu,  das yhr euch an einem priester nicht vergreifft, und das ‘Si suadente’4 gebe

 

 

 

[Seite 406b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 406a

 euch den donner und blitz1, Denn es ist ein grosser Bisschoff, der yhn  geweyhet und zu predigen befolhenn hat, der heißt HERR, und hat yhm ein  format2 gegeben, das heißt: Noli me tangere, und laut also:

 

[Ps. 2, 8. 9] Heissche von mir, so wil ich dir die heiden zu erbe geben und  der welt ende zum eigenthum. Du solt sie mit dem eysen zepter  zu schlahen, wie ein topffen soltu sie zu schmeissen.

 

Wer hat sein lebenlang yhe ein groessere lügen gehoeret? Die heyden  sind der zornigen konig erbe, und die welt der grimmigen fuersten eygenthum.  Das sihet man ya wol, das sie es da mit machen, wie sie woellen, als mit  dem yhren. Alle yre gedan [Bl. b (1)] cken und anschlege, sonderlich wider diesen  konig und priester, gehen so fein fuersich3, als hetten sie von krebsen gehen  gelernt, odder wolten die krebs gehen leren4, das freylich diser konig nicht einen  stecken zu eigen hat5 in aller welt. Aber schimpff lege dich.6

 

Hoere, was folget:

 

[Ps 2, 10] Und nu, yhr konige, werdet klug, laßt euch zuechtigen, yhr  richter auff erden.

 

 

[ 18 zum FH 19 einem eisern Scepter H 20 toepffe H 23 ya] je H 29 Undklug] So lasst euch nu weisen jr Koenige H]

 

 

 

[Seite 407b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 407a

 

So sol man konig und fuersten anreden, Was wil das werden? Es  ist nie auff erden solch schendlich, lesterlich ding geredt. Sollen konig klug  werden? Meinstu denn, das sie narren sind? Sollen richter sich lassen  zuchtigen? Meinstu denn, das es kinder inn der schůlen sind? Ey, konig  sind zuvor klug, haben gesetze, landrecht, Juristen und Rethe, wissen wol,  was sie thun sollen. Die richter auch also, haben auch recht, sitten, weise  und maß, brauch und gewonheyt, wissen wol, was sie richten, urteylen und  halten sollen. Diser psalm ist gewißlich ein setzer, schmehet die konig, lestert  die Richter und handelt als ein auffruerer wider die oberkeyt und alle yhre  rechte und gewonheyt, wil sie aus der alten gewehr1 treyben. Da zu spricht  sie so verechtlich an: Jhr konige, yhr richter, gleich wie ein herr seinen knecht:  Du Hans, du Peter, als halte er sie gar vernichts, und weren gantz sein  eygen, wie ein kue oder gans.

 

Ja, lieber geselle, er bekennet, das konige unnd richter wol vernunfft,  recht und weißheyt haben, denn es kan kein konig noch richter seyn, der nicht  recht und gesetz im lande habe, Aber er wirfft sie mit disem verß alle unter  disen konig sampt yhren rechten, sitten, vernunfft, und was sie haben an weißhaben

 

[ 19/20 klug werden] sich weisen lassen und leren H 24 breuch B2 28 so fehlt E]

 

 

 

[Seite 408b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 408a

 heyt und gewalt, und spricht, Es sey nicht gnug an dem, das sie haben, Es  sey, wie schon recht oder sitten es wolle1, Sie sollen gegen disen konig und  priester narren und kinder2 werden, yhm zu hoeren unnd sich lernen lassen,  sein wort für meyster halten, uber alles gehen unnd herrschen lassen. Weil  denn der Bapst so wol als der Keyser und konig auch nicht uber disen konig  sind, sonder unter den richtern auff erden bleiben müssen, so sol sein Decret  und sein lere auch narr und kind2 seyn gegen dises konigs wort und lere,  und sol nicht drüber richten, sonder sich da durch richten und leren lassen.

 

Aber ytzt zu Augsburg werden sie disen Verß wol anderst meistern  und můstern, das er můß also lauten: “Und nu, du konig zu Zion, werde  klug, du richter ym himel laß dich zuchtigen, Denn du bist ein narr und  kind gegen uns, Wir muessen urteylen und setzen, was du für warheyt solt  halten oder nicht, Was wir nicht setzen, richten oder bestetigen, da sey dir  trotz gebotten, das du es für warheit haltest, oder můst herunter und mit  den ketzern verbrandt seyn”, so wirds gewißlich disem koenig gehen, Denn

 

[ 18 schoen F 26/27 werde klug] las dich weisen H]

 

 

 

[Seite 409b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 409a

 sie woellen warlich der gewehr unentsetzt sein1, das sie biß her uber Gottes  wort meister und richter gewest sind. Was wil aber diser konig dazu sagen,  der auch in der gewehr sitzt, und wil ungemeistert und ungerichtet seyn,  sonder allein meistern unnd richten? Da lassen sie yhn für sorgen2, das wird  er auch thun, wie folget:

 

[Ps. 2, 11. 12] Dienet dem HERRN mit forcht, unnd frewet euch mit zittern.  Kuesset den son, auff das er nicht erzuerne, und yhr auff dem weg  umbkomet, Denn sein zorn wird bald angehen. Wol allen, die  auff yhn trawen.

 

Da stehets, Wer Christus wort nicht hoeren, sonder meistern wil, der  sol ym zorn umbkomen, und dasselbig gar bald. Er wil nicht seumen.  Man sol yhm dienen und nicht seyn wort unserm [Bl. b 2] kopff zu dienen  zwingen, Man sol yhn kuessen und hulden, und nicht Christum oder sein  wort unserm dunckel unterwerffen, Er wils nicht leyden, das ist kurtz und gůt.

 

Soelchs wil ich E. K. F. G. untertheniglich angezeygt haben, ob Got  woelt gnad verleyhen durch ewr ettlichen uleiß und arbeit, das der lesterung  weniger würde, wo nicht, das doch fride gestifft würde. Denn das der Babst  sich rhuemet mit den seinen, inn einer zedel, so gedruckt ist3, der Keyser werde  yhm alles wider restituiern und ergentzen, das wird yhm feylen, das weis

 

[ 23 zuerne H 23/24 umbkomet auff d. w. H 24 angehen] anbrennen H        Aber wol H 35 und fehlt C]

 

 

 

[Seite 410b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 410a

 ich wol, Denn was were das anders, denn das wir solten alles widerrueffen,  was wir yhe geleret haben, auch diese ytzige uberantworte bekentnis, die yhr  selbst muesset für recht halten.1 Und da gegen alle vorige luegen preysen, der  yhr alle selbst vil bekennet, Und alle das unschuldig blut, das von ewrm  theyl vergossen ist, auff uns laden? Ja lieber Pabst unnd Papisten, gebt  uns vor wider Lenhard Keyser2 und alle, die yhr unschuldiglich erwürgt  habt, alle seelen, die yr mit lügen verfueret habt, alles gelt und gůt, das yhr  mit bescheissery geraubt habt, alle die ehre, die yhr Gott mit lestern gestoln  habt, So wollen wir von der restitution handeln.3 Es sol ynn eine histori  geschriben werden, das der Pabst und seine Papisten solch lesterlich ding  thar unverschampt und offenlich begeren, als weren eytel kloetze inn Deudschem  lande, und auff dem Reichstage eytel affen, dazu alle Fürsten, die es mit  treiben, das sie bey unsern nachkomen4 ein ewiger stanck seyn sollen, dafür  man speyen und goecken5 muesse.

 

[ 16 das (1.)] es F 23 mit lestern Gott F 26 thar] thoern C 29 muessen BCF]

 

 

 

[Seite 411b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 411a

 

Aber der teufel sucht damit ein anders, Wolt Gott, das unser Herrn  alle wol drauff acht hetten. Wir Deudschen hoeren nicht auff, dem Bapst und  seinen Walen zu glauben1, biß sie uns bringen nicht in ein schweißbad,  sonder in ein blůtbad. Wenn Deudsche Fuersten ynn ein ander fielen2, das  moecht den Bapst, das Florentzisch fruechtlin3, froelich machen, das er in die  faust lachen kundt und sagen: Da, yhr Deudsche bestien, woltet mich nicht zum  Bapst haben, so habt das. O grosse liebe und trewe hat er zum Keyser, wie  er fein beweyset fuer Pavia, da er wider den Keyser zoch. Deudsch land hat  er noch lieber, das er den Keyser auß Hispanien foddert (denn wer kundte  solche practick mercken?) und darnach on bey sein der deudschen Fürsten kroenet4,  nach laut der Bullen.5 Jch bin kein prophet6, aber ich bitte euch Herrn alle,

 

[ 12 such F 19 Deudsche C]

 

 

 

[Seite 412b]

 

[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...] 412a

 sehet euch wol für und laßt euch ia nicht duncken, das yhr mit menschen  handelt, wenn yhr mit Bapst und den seinen handelt, sonder mit eitel teuffeln,  Denn es sind auch eitel teuffels tücke dahinden, das weiß ich, Gott der  almechtig helffe euch, das zum friden alles gerathe, Amen.

 

Hie mit wil ich E. K. F. G. in gottes gnaden befolhen haben, Und was  ich mit beten kan, gar trewlich dienen Und E. K. F. G. wolte mir solch  schreiben gnediglich zu gů halten. Jch kans ia nicht lassen, ich můß auch  sorgen für das arm, elend, verlassen, veracht, verrathen und verkaufft Deudsch  land, dem ich ia kein arges, sonder alles gůtes goenne, als ich schuldig bin  meinem lieben vatterlande.1 Ex Eremo. Feria 4. post Visitationis 1530

 

 

 

E. K. F. G. 

Untertheniger 

Martinus Luther

 

 

[ 23 anno 1230 A]

 

 

 

[Seite 413]

 

Propositiones adversus totam synagogam Sathanae et universas portas inferorum.

Artikel wider die ganze Satansschule und alle Pforten der Hölle.

 

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 413]

 

Gleichzeitig mit Luthers Brief an den Kardinal Erzbischof von Mainz vom 6. Juli 1530 trafen “Freitags Sant Magdalenentag” d. h. am 22. Juli in Augsburg “die viertzig lateynischen setze Dr. Martin Luthers von der Gewalt der kyrchen Gottes gedruckt” ein.1 Wir sehen, daß diese Thesen zuerst lateinisch auftauchten. Daß die lateinisch Formulierung die originale ist, wird unten der Vergleich zwischen der lateinischen und deutschen Fassung bestätigen.

 

Höchstwahrscheinlich hat Luther die lateinischen Thesen in Nürnberg (und zwar wohl bei demselben Drucker, aus dessen Presse de Brief an Kardinal Albrecht hervorging) drucken lassen. In demselben Briefe an Wenzeslaus Link vom 20. Juli nämlich, in dem Luther seine Freude darüber ausspricht, daß sein Brief an Kardinal Albrecht in Nüernberg zum Drucke zugelassen sei2, fährt er fort: ‘Interim spero, advenerint et propositiones illae irritatrices adversariorum, quia fixum est, si illi ita pergant furere, ego quoque rursus cornua sumam et occurram istis papyris in ira furoris mei, ut habeant, quas ita quaerunt, causas furendi et vociferandi. Nam quod iam ita clamant, faciunt otio et inopia causarum’. Enders hat diese Stelle mißverstanden, weil er ‘adversariorum’ als Gen. subiectivus nahm, während es doch Gen. obiectivus ist und man übersetzen muß: “jene Thesen, die bestimmt sind, die Gegner zu reizen.” Nur dieser Sinn paßt zu dem folgenden, besonders zu: ‘ut habeant ... causas furendi et vociferandi ...’, d. h.: “damit sie Grund zu wüten und zu zetern haben, denn wenn sie jetzt schon so schreien, so tun sie es aus Langeweile und weil sie nichts Rechtes zu tun haben.” Auch das ‘ego quoque rursus cornua sumam’3 paßt trefflich zu unsrer Auffassung, denn der Plakatdruck, in dem unsre Thesen ausgingen, konnte als ein Gegenstück zu dem Einblattdruck der 95 Thesen vom 31. Oktober 1517, mit denen der Tanz anhub, erscheinen; daß Luther aber damals das Gefühl hatte, als müsse er den Kampf gegen das Papsttum von frischem beginnen, haben wir schon gesehen.4

 

Dann würde sich also folgendes ergeben: Luther hoffter am 20. Juli, daß seine im Manuskript zum Druck nach Nürnberg gesandten Thesen dort angelangt

 

 

 

[Seite 414]

 

seien. Sie sind in der Tat in diesen Tagen dort gedruckt worden und trafen bereits am 22. Juli in Augsburg ein.

 

Wann hat nun Luther diese Thesen geschrieben?

 

Am 21, Juli1 antwortete er auf einen Brief Melanchthons vom 14.2, in dem dieser gefragt hatte, ob man nicht von gewissen Gesichspunkten aus und unter gewissen Bedingungen sich den traditiones d. h. “den kirchlichen Satzungen für den äußeren Gottesdienst und das äußere sittliche Leben, über Fasten u. dgl.”3 fügen könne. Höchst wahrscheinlich wurde Luther durch diese Anfrage Melanchthons zu unsren Thesen in erster Linie veranlaßt.4 Daraus, daß Luther erst am 21. antwortete, könnte man schließen, daß er erst an diesem Tage Melanchthons Brief erhalten hätte. Dann kämen wir mit den eben gefundenen Daten in Konflikt. Nun ist es aber von vornherein nicht recht wahrscheinlich, daß ein am 14. in Augsburg geschriebener Brief erst am 21. in Koburg eintraf. Ein Bote von Augsburg nach Koburg brauchte damals gewöhnlich 3 –4 Tage.5 Nehmen wir an, Melanchthon habe den Brief am 14. früh geschrieben, so konnte der Bote schon am 16. abends in Koburg sein. Luther hat seine Thesen wohl in einem Zuge niedergeschrieben. Das könnte noch am 16. abends geschehen sein. Spätestens hat er sie am 19. niedergeschrieben, denn am 20. hofft er, wie wir vorhin sahen, — indem er sich allerdings vielleicht in die Seele des Empfängers hineinversetzt und etwa noch die nächsten zwei Tage mit einbezieht —, daß sein Manuskript in Nürnberg eingetroffen sei. So kann man mit ziemlicher Bestimmtheit die Entstehung unsrer Thesen in den Zeitraum vom 16. Juli abends bis 19. Juli setzen. Vergleicht man mit ihnen den am 21. geschriebenen Antwortbrief Luthers an Melanchthon, so zeigt sich zwar einerseits eine bedeutende Übereinstimmung in den Jdeen6, andrerseits aber scheint der Brief von intensiverem Nachdenken über die Frage der traditiones zu zeugen. Dieser Befund paßt also auch zu unsrer Annahme, daß Luther nach Empfang von Melanchthons Brief zuerst unsre Thesen, dann (am 21.) den Antwortsbrief an Melanchthon zu Papier brachte. Daß Luther erst so verhältnismäßig spät an den Brief heranging, braucht uns nicht in Verwunderung

 

 

 

[Seite 415]

 

zu setzen. Luther hatte durch Niederschrift der an das ganze deutsche Volk gerichteten Thesen sich zunächst von den auf ihn einstürmenden Gedanken1 befreit und verspürte erst nach einigen Tagen Lust, das ihm so verdrießliche Thema wieder in Angriff zu nehmen und sich in vielleicht vergebliche Einzelauseinandersetzungen mit dem ängstlichen und bedenklichen Melanchthon einzulassen. Schließt er doch den Brief an diesen folgendermaßen: ‘me fatigas ista sollicitudine tua frustranea, ut me paene taedeat ad te scribere videntem, quod nihil efficiam meis verbis’. Man könnte daraus sogar folgern, daß er über den Brief Melanchthons zunächst so ärgerlich war, daß er ihn überhaupt nicht beantworten wollte.2 Schließlich dürfte auch noch in Betracht zu ziehen sein, daß Luther damals oft durch heftige Kopfschmerzen in seinen Arbeiten unterbrochen wurde.3

 

In der ursprünglichen lateinischen Fassung sind unsre Thesen nur einmal, eben in jenem Nürnberger Plakatdruck, ausgegangen. Er ist vielleicht nur in verhältnismäßig wenig Exemplaren hergestellt worden, und diese waren rasch vergriffen. So war dieser Plakatdruck sehr bald nicht mehr aufzutreiben. Ein Beweis dafür ist, daß eine Abschrift sich in dem in Uns. Ausg. öfters benutzten4 liber Stifelii (= cod. Bos. q. 25a der Jenaer Universitätsbibliothek) befindet.5 In welchem Falle Michael Stifel Abschriften von Drucken seiner Handschriftensammlung einverleibte, das hat er in einem Briefe an Spalatin vom 10. Mai 1528 selbst erklärt: ‘emo omnia, quae possum. Quae non possum emere, victo taedio manu propria scribo, ne quidquam huiusmodi sanctissimarum reliquiarum mihi depereat aliquid.’6 Wenn Stifel also eine Abschrift des Plakatdrucks in seine Handschriftensammlung aufnahm, so tat er es, weil er den Druck nicht erwerben konnte. Gegenwärtig ist von dem Drucke nur noch ein einziges Exemplar in der Mainzer Stadtbibliothek nachweisbar.7 Dagegen sind die Thesen in deutscher Fassung mehrmals ausgegangen, zuerst in einem gleichfalls Nürnberger Plakatdruck, dann in einer derselben Presse entstammenden Buchausgabe.8

 

Es bleibt zum Schlusse nur noch die Frage zu beantworten, von wem die deutsche Übersetzung der Thesen herrührt. Kaum von Luther. Dazu sind die Abweichungen zu bedeutend. Zwar, daß z. B. XVI: ‘Is pastor seu praelatus nihil habet statuere (quia non est Ecclesia) nisi consentiente sua Ecclesia’ in 17 unter Weglassung des letzten Passus einfach durch: “Solcher pfarher oder Bisschoff hat nichts uberal macht zu setzen, denn er ist nicht die Christliche kirch” wiedergegeben ist, kann auf bloßer Nachlässigkeit beruhen, ebenso etwa die Weglassung des ‘ut

 

 

 

[Seite 416]

 

promissi non servans’ in XXI (= 21) und der Zusatz: “wie hoch er auch damit suendigt” in 22 (= XXII). Auch daß die Verteilung des Gedankenmaterials auf 40 Artikel in der lateinischen und deutschen Fassung etwas verschieden ist, fällt nicht so sehr ins Gewicht.1 Aber die folgende Abweichung zeigt doch wohl, daß der Übersetzer und der Thesenverfasser zwei verschiedene Personen sind: [Propos. XI] Etiam sic, ut sint de possibili & quod in eius [= Ecclesiae] manu est. /[Art. 14] Auch das sie müglich seien zu halten und in unser gewalt steh dem leibe und gůt on schaden.

 

Da nun die Originalausgabe der deutschen Übersetzung der Thesen ein Nürnberger Plakatdruck und Wenzeslaus Link in Nürnberg der erste ist, den Luther auf ‘propositiones illae irritatrices adversariorum’ aufmerksam macht (s. o.), so dürfte dieser als Übersetzer anzunehmen sein. Sonst hatte ja Luther zu dem Übersetzertalent des Justus Jonas das größte Zutrauen.2

 

 

 

Einzige Ausgabe der lateinischen Thesen:

 

 

Blatt 1a leer. Blatt 1b Zeile 1: “ SEQVENTES PROPO- || SITIONES SVSTINET, FAVENTE CHRISTO, D. MARTINVS LVTHER || Sanctæ Ecclesiæ Dei Vuittembergensis Doctor, aduersus totam synago- || gam Sathanæ, & uniuersas portas inferorum. || ...” Darauf folgt der Text auf Blatt 1b und 2a, Blatt 2b leer. Es handelt sich also um einen Einblattdruck in Folio, dessen Vorderseite bedruckt und dessen Rückseite leer ist.

Wohl Nürnberger Druck.

Vorhanden: Mainz St.

Außerdem stehen die lateinischen Thesen in folgenden Sammlungen:

 

 

 

1. “PROPO- || SITIONES A MARTINO || LVTHERO SVBINDE || DISPVTATAE. || ADDITAE SVNT QVAE- || DAM, QVAE IN PRI- || ORE EDITIONE || DESIDERAN- || TVR. || VITEBERGAE IN AEDIBVS || IOSEPHI CLVG. || ANNO M. D. XXXI. ||” Titelrückseite leer. 52 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Ohne Jmpressum am Ende. — Erweiterte Ausgabe desselben Druckes vom gleichen Jahre: 56 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “IMPRESSVM VITEBERGAE || per Iosephum Clug. || M. D. XXXI. ||” (= Unsre Ausg. Bd. 1, 222 Druck C). — Bl. E 1a –E 3a.

 

2. in der Ausgabe Wittenberg, Johannes Lufft 1538 (= Unsre Ausgabe Bd. 1, 143 Druck A), sowie dem nur mit erweitertem Titel versehenen Abdruck desselben Jahres (= Unsre Ausg. Bd. 1, 143 Druck B). — Bl. G 6b –H 1a.

 

 

 

[Seite 417]

 

3. in der Ausgabe Basel, Thomas Platter 1538 (= Unsre Ausg. Bd. 1, 222 D). — S. 79 –83.

 

4. in der Ausgabe Wittenberg [Johannes Lufft] 1558 (= Unsre Ausg. Bd. 1, 143 Druck C) und der nur eine erweiterte (Titel-)Auflage bildenden Ausgabe Wittenberg [Johannes Lufft] 1561. — Bl. G 8b —H 2b.

 

Die deutsche Übersetzung unserer Thesen

erschien in folgenden Ausgaben:

 

 

a Blatt 1a leer. Blatt 1b Zeile 1: “Folgende stůck, wil D. Martinus || Luther der heiligē kirchen zu Wittemberg prediger, mit Gottes gnadē, || erhalten, wider die gantze Satans schůle vn̄ alle pforten der hellen. || ...” Darauf folgt der Text auf Blatt 1b und 2a, Blatt 2b leer. Es handelt sich also um einen Einblattdruck in Folio, dessen Vorderseite bedruckt und dessen Rückseite leer ist.

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5771).

 

b1 “Ettlich Artickelstuck, so || Mart. Luther erhalten || wil, wider die gantze || Satans schůle. || Anno 1530. ||” Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. — Blatt 4a Zeile 11: “... groeßten vnd klug || sten heyligen sind.”

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Unbedeutende Änderungen während des Druckes z. B. Blatt 2b Zeile 9 “x.” neben “x”.

Vorhanden: Arnstadt, Berlin (Luth. 5774), Hamburg, München H.; London. — Erl. Ausg. 31, 122 Nr. 3 (ungenau) und 2 (?).

 

b2 Titel wie der des vorstehenden Druckes. Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. — Zwitterdruck zu dem vorstehenden Druck; der Satz im Schöndruck, also auf Blatt 1a 2b 3a ist gleich, im Widerdruck, also auf Blatt 2a 3b 4a verschieden.

Außer den Unterschieden in den Zeilenschlüssen und Formen von r zeigt der Widerdruck von b folgende Verschiedenheiten: [Tabelle: ] [Tabelle: ]

b2 ist offenbar jünger als b1, da es a ferner steht.

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Gotha, Stuttgart L.

 

 

 

[Seite 418]

 

c “Ettlich Artickel, so Martinus || Luther erhalten wil, wider || dye gantzen Satans || schule. Anno. || M. D. xxx. ||” Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Erfurter Druck.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5776), Dresden, Wittenberg, Zwickau; London.

 

d “Etlich Artic || kelstück, so Mart. Luther || erhalten wil, wyder die || ganntze Satans || schule. || Anno 1530. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Joh. Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Arnstadt, München U.; London. — Erl. Ausg. 31, 122 Nr. 1 (ungenau).

 

e “Artickel von der Crist- || lichen kirchen gervalt || D. Martini Luther || Troestlich zu wissen || Jtem Artickel desselbigen || Von kloster gelubden. ||” Titelrückseite bedruckt. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Wittemberg M. D. XXXi. ||”

Druck von Nickel Schirlentz in Wittenberg.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5779), Dresden, Hamburg, Heidelberg, Wernigerode, Wittenberg, Zwickau.

 

f “Artickel von der || Christlichen kirchen || gewalt D. Martini || Luther, Troestlich zu wissen. || Jtem Artickel desselbigē || von kloster gelübden. ||” Titelrückseite bedruckt. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “M. D. XXXI.||”

Druck von Friedrich Peypus in Nürnberg.

Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin (Luth. 5781), Dresden, Hamburg, München H., Wittenberg, Würzburg U.; London.

 

g “Ein brieff an den Cardinal Ertz || bischoff zů Mentz. Jtem viertzig stuck oder artickel, welche Doctor || Martinus Luther, mit Gottes gnaden || erhaltē will, wider die gantze || Satans schůl, vnd alle || porten der hel- || len. || Martinus Luther. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart. — Die vierzig Artikel stehen auf Blatt B 2b bis B 4b.

Straßburger Druck (oder von Schöffer in Mainz?). — Vgl. Unsre Ausg. oben S. 394 Druck F.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5749), München H.; Basel, London.

In den Gesamtausgaben stehen unsre Thesen: Lateinisch: Wittenberg I (1545), 384b –385b; Jena I (1556), 536a –537a; Op. var. arg. IV, 373 –377. Deutsch: Wittenberg 9 (1558), 398a –399b (die Artikel von den Klostergelübden: 399b –400a); Jena 5 (1557), 14b –17a (Art. v. d. Kl.: 17a –18a); Altenburg 5, 9 –10 (Art. v. d. Kl.: 10 –11); Leipzig 20, 233 –234 (Art. v. d. Kl.: 234 –235); Walch 19, 1190 –1194; Walch2 19, 958 –961; Erlangen 31, 121 –125.

 

Der Urdruck der deutschen Übersetzung ist wie verschiedene Urdrucke Lutherscher Schriften der Zeit bei Stüchs in Nürnberg hergestellt, und zwar ist von den drei Stüchs'schen Drucken der Plakatdruck a wegen des Formates und mehr mitteldeutscher Formen der älteste, danach wenig verändert b1, dessen Widerdruck in b2 nen gesetzt ist und hier etwas mehr Nürnberger Formen zeigt als in b1; nach b1 ist mit zahlreichen Nürnberger Formen auch d gedruckt; c (aus Erfurt) stammt wahrscheinlich aus b, e aus a, ebenso f und g. Wir stellen hier die sprachlichen Abweichungen zusammen.

 

 

 

[Seite 419]

 

b, d (Nürnberg) verglichen mit a: b hat nur wenige und nur ausnahmsweise verwendete Nürnberger Formen, d erweist schon durch die ai und ů seine oberdeutsche Herkunft.

 

I. Vokale: 1) Umlaut: u > ü, ue über, uebel, kluegst, sündigt d; en > au glaubig; 2) u > o moegen d; a > o gethon (nur einmal) bd; ie > i Prister (einmal) b; 3) unbetontes e fällt weg: kirch, boeßwicht, herrn b, in b2 auch die Christlich; ∞ straffet b2, bestettiget, sündiget d; e umgestellt in verlewert (< -leuret) d; 4) mer > mehr b1, yhe > ye b2.

 

II. Konsonanten: Bapst > Babst d; Verdoppelung: wappen b2, bestettiget d ∞ oder bd, alein d; das > daß b2. Jn d sind ferner viel mehr große Anfangsbuchstaben.

 

III. Wortformen: dann, nun d, nicht > nit b2.

 

c (Erfurt) verglichen mit b.

 

I. Vokale: Umlaut beseitigt in grosser, muglich, stuck, mussen, ∞ suendiget, gleubt; o > a nach (adhuc); Dehnungs-h beseitigt in mer; unbetontes e eingefügt in suendiget, leute, ∞ am leib (Zeilenschluß); einen > ein (Zeilenschluß).

 

II. Konsonanten: Doppelkonsonant vereinfacht in gueter, bestetigen, oder, halstarrig (< halsst-) ∞ wappen, woll.

 

III. verrether > vorrether, ebs. vordienet.

 

IV. sind > seint.

 

e (Wittenberg) verglichen mit a.

 

I. Vokale: o > oe kloesterey, oeberkeit; ue > u lugner; i > ie viel; unbetontes e angefügt in die christliche, kirche; ye > yhe.

 

II. Doppelkonsonant in widder, odder, bestettigt.

 

f (Nürnberg) verglichen mit a.

 

I. o > oe soelch, oeberkeit, ů > ü sünd, eu > au glaubig; ů auch für ue; e weggefallen in verleurt, boeßwicht, ∞ leute; II. t > tt eittel, ∞ mutermoerder; III. verdamnen > verdammen.

 

g (Straßburg oder Mainz) zeigt eine verhältnismäßig sehr große Zahl von abweichenden Formen; hier verglichen mit a.

 

I. Vokale: e > ae kaetzer, waer, kaercker, verraeter; ue > u lugner, stuck, sunder, ∞ über; ů regelmäßiger als in a; etwo > etwa, gethan > gethon; darauß > daruß; h fehlt in eebrecher, ee, eelich, far, mer, jre; e fällt ab in schůl, weiß, halt, stund, ettlich, Eselskoepff; ihren > jrn.

 

II. Konsonanten; d > t wirt, statt, ∞ er schild; b > p diep; Doppelkonsonant steht in gebott, bestettigt, pfarrherr, vatter, vernem̃en; ∞ gestelt (< gestellet).

 

III. muegen > moegen.

 

IV. nicht > nitt, verdamnen > verdammen.

 

 

 

[Seite 420]

 

Sequentes propositiones sustinet favente Christo D. Martinus Luther, Sanctae Ecclesiae Wittembergensis Doctor, adversus totam synagogam Sathanae & universas portas inferorum. 1530

[Seite 420]

 

 

I.

Ecclesia Dei non habet potestatem condendi ullum articulum1 fidei,  sicut nec ullum unquam condidit nec condet in perpetuum.

 

 

 

II.

Ecclesia Dei non habet potestatem statuendi ullum praeceptum bonorum  operum, sicut nec ullum unquam statuit nec statuet in perpetuum.

 

 

 

III.

Omnes articuli sufficienter sunt in scripturis sanctis conditi2, ut non  sit opus ullum praeterea condi.

 

 

 

IIII.

Omnia praecepta bonorum operum sunt in scripturis sanctis sufficienter  statuta, ut non sit opus ullum praeterea statui.

 

 

 

V.

Ecclesia Dei non habet potestatem approbandi articulos aut praecepta  seu scripturas sanctas more Maioris vel autoritate iudiciali nec id unquam  fecit aut faciet.

 

 

 

VI.

Ecclesia Dei potius contra per scripturas sanctas seu articulos fidei  est approbata & confirmata tanquam a Maiore & authoritate iudiciali.

 

 

 

VII.

Ecclesia Dei approbat articulos fidei seu Scripturas more Minoris, id  est: agnoscit & confitetur, sicut servus sigillum domini sui.

 

 

 

VIII.

Stat sententia: Qui non habet potestatem promittendi & dandi futuram  & praesentem vitam, is non potest condere articulos fidei.

 

 

 

[Seite 421]

 

IX.

Ecclesia dei habet potestatem ordinandi cerimonias in feriis, cibis,  ieiuniis, precibus, vigiliis &c., non super alios, sed solum super seipsam,  nec unquam aliter fecit aut faciet.

 

 

 

X.

Sic tamen, ut eae cerimoniae non pugnent articulis fidei aut praeceptis  operum.

 

 

 

XI.

Etiam sic, ut sint de possibili & quod in eius manu est.

 

 

 

XII.

Etiam sic, ut conscientiam neque ligent neque turbent.

 

 

 

XIII.

Etiam sic, ut temporales, non perpetuae habeantur, quolibet die &  casu mutabiles & omitti potentes.

 

 

 

XIIII.

Caelibatum aut vota non potest mandare, nec sibiipsi quidem Ecclesia,  multo minus aliis, cum non sint in eius manu.

 

 

 

XV.

Ecclesia vero est numerus seu collectio baptizatorum & credentium  sub uno pastore, sive sit unius civitatis sive totius provinciae sive totius  orbis.

 

 

 

XVI.

Is pastor seu praelatus nihil habet statuere (quia non est Ecclesia)  nisi consentiente sua Ecclesia.1

 

 

 

XVII.

Pastor hortari & persuadere potest Ecclesiae, ut consentiat, certis  urgentibus caussis sibiipsi ieiunium, ferias, preces aut alias cerimonias in  tempus imponere & rursum, ubi volet, mutare & omittere.2

 

 

 

XVIII.

Articuli fidei & praecepta operum non possunt mutari, Cerimoniae  vero debent pro tempore mutari.

 

 

 

[Seite 422]

 

XIX.

Nulla fuit ruditas & asinitas maior unquam quam Papistarum, qui  Cerimonias pro articulis fidei, deinde immutabiles & unum membrum Pontificem  solum potestatem hanc habere derudunt.

 

 

 

XX.

Nulla fuit haeresis & malicia maior quam Papistarum, qui omnia in  omnia miscentes & confundentes articulis pares cerimonias faciendo regnum  liberrimum Christi plus quam servitute Aegypti & Babylonis oppresserunt.

 

 

 

XXI.

Haereticus dici non potest, qui contra Ecclesiae ordinationem cerimonias  omittit, licet peccat, ut promissi non servans.

 

 

 

XXII.

Haereticus dici non potest, qui praecepta operum divina transgreditur.

 

 

 

XXIII.

Haereticus dici non potest, qui articulum aliquem fidei ignorat.

 

 

 

XXIIII.

Haereticus dici debet, qui obstinate errat in articulo fidei & idem  asserit.

 

 

 

XXV.

Sicut transgressor praecepti magistratuum non est seditiosus, licet  peccet sitque puniendus,

 

 

 

XXVI.

Sed qui negat aut impugnat Magistratum, is est seditiosus.

 

 

 

XXVII.

Cum Papistae nec furem nec latronem nec adulterum, qui tamen in  divina praecepta peccant, non dicant haereticum, sicuti vere neque haeretici  illi sunt,

 

 

 

XXVIII.

Merito asini asinorum dicendi sunt, quod haereticos clamant eos, qui  contra cerimonias Ecclesiae peccant.

 

 

 

XXIX.

Siquidem asinis digna est sapientia matricidam, patricidam, Sodomitam  haereticum non dici, at vescentem carnibus sexta feria haereticum  iudicari.

 

 

 

[Seite 423]

 

XXX.

Etiam ipsa Papae Ecclesia, quamvis sit malignantium ecclesia, tamen  coniugium sacerdotum sola officii suspensione damnat.1

 

 

 

XXXI.

Concedit igitur Christianum & non haereticum dicendum esse, quisquis  sacerdotum duxerit uxorem.

 

 

 

XXXII.

Quare nec ad infernum damnat animam eius, ut solent haeretici  damnari.

 

 

 

XXXIII.

Concedit simul (necessario) nec morte puniendum esse, sed adempto  dumtaxat officio vivere ut Christianum sinit et fatetur.

 

 

 

XXXIIII.

Quare certum est nec mortale peccatum reputari in ipsa Papae Ecclesia,  si sacerdos duxerit uxorem.

 

 

 

XXXV.

Concedit insuper (necessario) nec corpore puniendum nec incarcerandum  esse, sed adempto solum officio liberum ire & agere.

 

 

 

XXXVI.

Quare certum est nec crimen censeri in Papae Ecclesia, si sacerdos  duxerit uxorem.

 

 

 

XXXVII.

Concedit ultra necessario nec rebus aut propriis bonis esse spoliandum,  sed adempto solum officio suis rebus libere posse uti.

 

 

 

XXXVIII.

Quare nec scandalum aut turpitudinem esse censet, si sacerdos duxerit  uxorem.

 

 

 

XXXIX.

Qui igitur ultra suspensionem ab officio addunt poenam haeresis,  mortis animae & corporis, dehinc spolium rerum & famae, hi sunt publici  latrones, fures, homicidae, proditores, falsarii, tyranni, etiam secundum iura  Papae & in sua Ecclesia.

 

 

 

[Seite 424]

 

XL.

Ex his potest intelligi, quid ex ecclesia Papae tandem factum sit, in  qua tales viri habentur pro sanctissimis & sapientissimis.

 

[Bl. a 1 b]

Folgende stueck wil D. Martinus Luther, der heiligen kirchen zu Wittemberg prediger, mit Gottes gnaden erhalten wider die gantze Satans schůle und alle pforten der hellen. 1530

[Seite 424]

 

 

I.

Die Christliche kirch hat kein macht, einigen artickel des glaubens zu  setzen, hats auch noch nie gethan, wirds auch nimmer mehr thun.

 

 

 

II.

Die Christliche kirch hat kein macht, einiges gebot gůter werck zu stellen,  hats auch nie gethan, wirds auch nimmer mehr thun.

 

 

 

III.

Alle artickel des glaubens sind gnugsam in der heyligen schrifft gesetzt,  das man keinen mehr darff setzen.

 

 

 

IIII.

Alle gebot gůten werck sind gnugsam yn der heyligen schrifft gestellet,  das man keine mer darff stellen.

 

 

 

V.

Die Christlich kirch hat kein macht, artickel des glaubens odder gebot  gůter werck odder die Euangelia und heilige schrifft zu bestettigen als ein  Richter odder oberherr, hats auch noch nie gethan, wirds auch nimmer  mehr thun.

 

 

 

VI.

Die Christliche kirch wird aber wol widerumb von dem Euangelio und  von der heiligen schrifft bestettigt als vom Richter und oberherrn.

 

 

 

VII.

Die Christliche kirch bestetigt das Euangelion und heilige schrifft als ein  unterthan, zeugt und bekennet, gleich wie ein knecht seines herren farbe und  wapen.

 

 

 

VIII.

Denn das ist gewiß, Wer nicht macht hat, das künfftig und zeytig leben  zu verheissen und zu geben, der hat kein macht, artickel des glaubens zu setzen.

 

 

[ 22 odder fehlt bcd 33 zeitlich d]

 

 

 

[Seite 425]

 

IX.

Die Christliche kirch hat macht, sitten und weyse zu stellen, die man  halte, in fasten, feyren, essen, trincken, kleider, wachen und der gleichen.

 

 

 

X.

Doch nicht uber andere on yhren willen, sonder allein uber sich selbs,  hat auch nie anders gethan, wird auch nicht anders thun.

 

 

 

XI.

Auch das solche sitten nicht wider die artickel oder gůte werck streben,  das ist, dem glauben und der liebe on fahr und schaden seien.

 

 

 

XII.

Auch das sie die gewissen nicht verwirren oder beschweren.

 

 

 

XIII.

Auch das sie nicht ewiglich bleyben, sonder alle stunde auß ursachen  muegen nachbleiben und geendert werden.

 

 

 

XIIII.

Auch das sie müglich seien zu halten und in unser gewalt stehe, dem  leibe und gůt on schaden.

 

 

 

XV.

Ehelos leben oder klosterey hat sie kein macht, auch uber sich selbs nicht,  zu gebieten, vil weniger uber ander, weil der keins in ihrer gewalt stehet.

 

 

 

XVI.

Christliche kirch aber heißt die zal oder hauffen der getaufften und  gleubigen, so zu einem pfarher oder Bisschoff gehoeren, es sey in einer stadt  odder inn einem gantzen lande odder in der gantzen welt.

 

 

 

XVII.

Solcher pfarher oder Bisschoff hat nichts uberal macht zu setzen, denn  er ist nicht die Christliche kirche.

 

 

 

XVIII.

Solcher pfarher odder Bisschoff mag seine kirche vermanen, das sie  bewillige ettliche fasten, beten, feyren &c.. umb anligender noth willen ein  zeitlang halte und darnach frey wider fallen lassen.

 

 

 

XIX.

[Bl. a 2 a] Kein groesser groeber Esel sind yhe gewest denn die Papisten und  Sophisten, die alles in einander brewet, auß den sitten eitel artickel des  glaubens gemacht haben.

 

 

[ 3 kleyden f 14 nachblieben e 16 stehen e 33 yhe] hie c]

 

 

 

[Seite 426]

 

XX.

Kein groesser boßheyt ist gewest, denn das die Sophisten, zu verstoeren  das reich Gottes, dem Endechrist als eintzeler person die macht gegeben haben,  artickel des glaubens, gůte werck und sitten zu setzen und zu endern.

 

 

 

XXI.

Der ist kein ketzer, der wider der kirchen satz oder sitten thut, wie wol  er nicht recht thut.

 

 

 

XXII.

Der ist kein ketzer, der wider Gottes gebot mit wercken thut, wie hoch  er auch damit suendigt.

 

 

 

XXIII.

Der ist kein ketzer, der etwo einen artickel nicht gehoeret hat und also  nicht glaubt.

 

 

 

XXIIII.

Der ist ein ketzer, der halßstarrig in einem artickel des glaubens yrret  und das bekennet.

 

 

 

XXV.

Wie ein ubertretter der fuersten odder keisers gebot ist nicht auffruerisch,  ob er wol unrecht thut und zu straffen ist.

 

 

 

XXVI.

Sonder, wer die oberkeit leugnet oder sich wider sie setzt, der ist ein  auffruerer.

 

 

 

XXVII.

Die Papisten sagen selbs, das ein dieb, moerder, ehebrecher, sey nicht ein  ketzer, ob er wol wider Gottes wort sundigt und tod und helle verdienet.

 

 

 

XXVIII.

Darumb sinds yhe grobe Eselskoepffe, das sie den einen ketzer schelten, der  wider der kirchen sitten thut.

 

 

 

XXIX.

Denn Esel muessens ya seyn, die einen můttermoerder, vatermoerder und  Sodomiten nicht ketzerisch halten und schelten den ketzer, der am freitag  fleisch isset.

 

 

 

XXX.

Des Bapsts kirch, obs wol ein tyrannen kirch ist, noch strafft sie die  priester ehe nicht hoeher denn mit absetzen vom priester ampt.

 

 

 

XXXI.

Darauß volget, das sie bekennen, priester ehe sey nicht ketzerisch, sonder  christlich.

 

[ 2/3 verstoeren das reich] verstoerūg des reich c 15 haßstarrig A 34 tyranney c]

 

 

 

[Seite 427]

 

XXXII.

Derhalben sie auch nicht solche eheliche priester zur hellen verdamnen,  wie man die ketzer verdampt.

 

 

 

XXXIII.

Bekennen auch damit, das solche priester nicht zu toedten sind, sonder  allein des ampts beraubt sollen seyn und christlich leben muegen.

 

 

 

XXXIIII.

Damit bekennen sie, das kein todsund noch wider gottes gebot sey, so  ein priester ehelich wird.

 

 

 

XXXV.

Bekennen auch damit, das ein ehe priester auch am leibe nicht zu straffen  noch in kercker zu werffen sey, sonder, wenn er das ampt verleuret, ist er  gestrafft und ist frey.

 

 

 

XXXVI.

Damit bekennen sie, das ein priester kein laster noch ubels thůt, so er  ehelich wird.

 

 

 

XXXVII.

Bekennen auch damit, das er nicht zu straffen sey an gut oder ehre,  sonder ist gnug, das er des ampts entsetzt ist.

 

 

 

XXXVIII.

Damit bekennen sie, das er kein schande noch ergerniß mit seiner ehe  stifftet.

 

 

 

XXXIX.

Wer nu uber die entsetzung vom ampt einen ehepriester strafft an leib  unnd seel, an gut und ehre, dazu einen ketzer schilt, der ist ein offentlicher  moerder, rauber, verrether, luegner und boesewicht, auch nach des Bapsts eygen  recht und in seiner kirchen.

 

 

 

XL.

Darauß man vernemen mag, was für ein kirche des Bapsts kirchen  worden ist, darin solche feine leut die groeßten und kluegsten heiligen sind.

 

 

[ 24 uber] aber e 29 vernemen] vermercken c        was] das c]

 

 

 

[Seite 428]

 

Von den Schlüsseln

[Einleitung]

 

[Seite 428]

 

Über die Entstehung dieser Schrift unterrichten uns folgende Stellen aus Lutherbriefen: Am 20. Juli 1530 schreibt Luther an Wenzeslaus Link in Nürnberg (Enders 8, 124): ‘Iam in manibus habeo mendacia de clavibus.’ Am 24. August an Melanchthon in Augsburg (Enders 8, 204): ‘Mitto hic sermonem de scholis, plane Lutheranum et Lutheri verbositate nihil autorem suum negans, sed planissime referens. Sic sum. Idem erit libellus de clavibus’. Am 8. September an seine Käte in Wittenberg (de Wette 6, 122 f., Enders 8, 248): “Gefellt das exemplar von den Schlüsseln Er Johann pommern vnd Creutzigern, so las ymmer hin drucken.” Daraus ergibt sich folgende Entwicklung: Am 20. Juli hatte Luther die Schrift in Angriff genommen, am 24. August hatte er sie fast zu Ende geführt, so daß er sie übersehen und als ihren hervorstechendsten Charakterzug ihre ‘verbositas’ anführen konnte, vor dem 8. September hatte er sein Manuskript zur Prüfung durch Bugenhagen und Cruciger und eventuell zur Drucklegung nach Wittenberg geschickt. Wir erwähnen ferner, daß am 24. September Melchior Kling1 in Wittenberg an Georg Helt in Dessau schrieb:2 ‘Lutheri libelli, de quibus feci mentionem, et alius de potestate clavium adhuc silent, ad nundinas vero Lipsenses opinor exponendos venum’, daß am 17. Oktober Georg Rörer in Wittenberg ein Exemplar des Originaldrucks an Stephan Roth in Zwickau schickte3, daß am 20. Oktober bereits ein Nachdruck die Presse des Johann Stüchs in Nürnberg verließ, und daß am 23. November Melanchthon damit rechnet, daß Myconius in Gotha die Schrift besitze.4

 

Eine erste Bearbeitung des Themas ist in Luthers Originalmanuskript in dem in diesem Bande schon öfters benutzten5 Cod. Solg. Mss. Qu. 8 der Nürnberger Stadtbibliothek erhalten.6 Die Abhandlung hat hier keinen Titel, trägt aber an der Spitze einen Widmungsbrief an einen gewissen N., aus dem sich folgendes ergibt: Ein Freund hatte sich an Luther mit einer Frage gewendet, auf die dieser

 

 

 

[Seite 429]

 

ihm zu antworten versprochen hatte. Luther hatte jedoch dann die Beantwortung der Anfrage hinausschieben müssen. Jetzt endlich ist er dazu gekommen. Er bittet den Freund, wenn sein “Gegenkämpfer” ein halsstarriger Kopf oder ein Schreier sei, sich nicht weiter mit ihm abgeben zu wollen. Erweise er sich aber der Belehrung zugänglich, dann solle der Freund ihm diese seine Schrift oder Meinung anzeigen. Auf diesen “Gegenkämpfer” nimmt Luther noch dreimal im Anfang der Abhandlung (S. 435, 24. 31; 436, 8) Rücksicht. Dann verschwindet er ebenso wie der Freund N., an den die Widmung gerichtet ist — ein Zeichen dafür, daß die in dem Briefe und dann noch im Anfang der Abhandlung vorausgesetzte Situation Fiktion ist.1 Noch während er die Abhandlung niederschrieb, ließ Luther jene Einkleidung fallen. Schließlich hat er ein ganz anderes Publikum vor sich als den Freund N. und dessen “Gegenkämpfer”. Das beweisen besonders die Schlußworte (S. 464, 19): “Das sey fur vnser nach komen.” Damit tritt die Schrift ein in die Reihe der für die Mit- und Nachwelt bestimmten Streitschriften, die der “Widerruf vom Fegefeuer” eröffnete (vgl. oben S. 361).

 

Veit Dietrich, der ursprüngliche Besitzer des Lutherschen Manuskripts, hat zu Anfang und Ende der Schrift einige interessante Bemerkungen beigefügt. Er schrieb über die ersten Zeilen: ‘Hic libellus non est editus. Sed denuo scriptus & fusius Coburgj’, und am Schluß: ‘Hunc libellum donauit mihi Vito Theodoro Doctor Martinus XXV. Augusti Anno 30 ea lege ne cui eum traderem. Sic enim aiebat, confusius esse omnia tractata. Retractauit igitur eum & tandem edidit sicut vides.’ Wir erkennen daraus, daß Luther diese erste Bearbeitung, weil sie ihm zu wirr erschien, verwarf. Er hat sie der später im Druck erschienenen zweiten Bearbeitung zugrunde gelegt, aber, sobald er diese fertig hatte, — wir sahen oben, daß er am 24. August fast fertig war — am 25. August seinem getreuen Amanuensis geschenkt. Vorher hatte er die Handschrift mit kräftigen Strichen ungültig gemacht. Einzelne Stellen sind gitterförmig durchstrichen, also schon während der Niederschrift der Durchsicht getilgt.

 

Die Handschrift ist 1975 von Adam Wirsing herausgegeben unter dem Titel: D. Martinus Luther von den Schlüsseln. Aus dem in der Nürnbergischen Stadtbibliothek befindlichen Original-Manuskript von Luthers Autographis mit Anmerkungen von Adam Wirsing, Hochgraeflich Puecklerischen Pfarrer zu Brunn vnd Hochholtz. Mit D. Luthers Bildniß. Frankfurt und Leipzig 1795, bei Johann Gottlob Pech, Buchhaendler.

 

Trotz der Beihilfe des Lutherkenners Strobel hat Wirsing an vielen Stellen falsch gelesen (oft ganz sinnlos), Worte und Sätze übersprungen und vielfach die alte Screibung gedankenlos geändert. Seine Ausgabe hat also keinen kritischen, kaum noch historischen Wert.

 

Neuerdings hat A. Freitag2 die erste und zweite Bearbeitung unsrer Schrift einer sorgfältigen Vergleichung unterzogen. Freilich ist der Wert seiner Arbeit

 

 

 

[Seite 430]

 

dadurch beeinträchtigt, daß er bei dem wie gesagt sehr mangelhaften Wirsingschen Abdruck stehengeblieben und nicht auf die Originalhandschrift zurückgegangen ist. Seine Ergebnisse sind: die erste Bearbeitung hat Luther bei der Neubearbeitung des Themas als Unterlage gedient. Dabei ist jene 1. in der Form übersichtlicher disponiert, 2. im Stoff um ein eingeschobenes zusammenhängendes Stück (über den dritten und vierten Mißbrauch) erweitert worden.

 

Wir geben zuerst die erste Bearbeitung aus Luthers Originalmanuskript und dann die zweite Bearbeitung nach dem Lufftschen Originaldruck wieder. Die Abweichungen der beiden Bearbeitungen von einander sind zu bedeutend, als daß wir Paralleldruck anwenden könnten. Mit Hilfe der am Rande in eckigen Klammern beigesetzten Zahlen lassen sich jedoch die beiden Bearbeitungen leicht mit einander vergleichen.

 

 

 

Ausgaben.

 

 

A “Von den || Schlüsseln || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 40 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Hans Lufft. || M D XXX. ||” — Blatt A2a Kustos “Der erst”, K4a Zeile 5 “lere”.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5811), Breslau U., Danzig, Königsberg U., Nürnberg St., Zwickau; London — Erl. Ausg. 31, 126 Nr. 1.

 

B “Von den || Schlüsseln || Mart. Luther. || Wittemberg. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 40 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || Durch Hans Lufft. || M D XXX. ||” — Blatt A2a Kustos “Der Erste”, K4a Zeile 5 “Lere”.

Satz von A gänzlich verschieden.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5812), Hirschberg i. Schl. — Fehlt Erl. Ausg.

 

C “Von den Schlüsseln. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite leer. 30 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Getruckt im .1530. iar, am .20. tag Octob. ||”

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5815), Nürnberg St., Wernigerode; London. — Erl. Ausg. 31, 126 Nr. 2.

 

D “VOn den Schlüsseln. || Martinus Luther. || [Wappen] || Getruckt zů Basel, By Thoman Wolff. || Jn dem Jar. M. CCCCC. XXXI. ||” Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5820). — Fehlt Erl. Ausg.

Jn den Gesamtausgaben ist unsre Schrift abgedruckt: Wittenberg 7 (1554), 418b –436a; Jena 5 (1557), 217a –237b; Altenburg 5, 350 –371; Leipzig 20, 266 –289; Walch 1 19, 1121 –1190; Walch2 19, 902 –957; Erlangen 31, 126 –184.

 

 

 

[Seite 431]

 

Die Überlieferung des Druckes ist dürftig. In A scheint der Urdruck vorzuliegen, B ist eine zweite Auflage mit Verbesserung zahlreicher Druckfehler und zweier Zitate, wie A von Hans Lufft gedruckt; C ein Wittenberger Nachdruck nach A, D ein Basler, gleichfalls nach A.

 

A und B stimmen in der sprachlichen Form in allem Wesentlichen überein; nur daß B mehr große Anfangsbuchstaben und mehr auslautende e hat. C zeigt eine Anzahl Abweichungen, zumal in der Schreibung der s-Laute; ß fehlt in A, B vollständig; D hat alemannische Formen durchgeführt, nur an einzelnen Stellen schlägt die Vorlage oder allgemein mitteldeutscher Einfluß durch (fast kein ou für au). In der folgenden Zusammenfassung sind die ständigen alemannischen Eigenheiten von D (z. B. i, u, ü für ei, au, eu) nicht verzeichnet. Das Fehlen der unbetonten e in D ist nicht weiter belegt, da e überhaupt hier nur zuweilen bei Adjektiven vor Femininen (alle welt, sin liebe brut), vor Pluralen (syne wort, soliche Geberde), bei Subtantiven zur Verhütung von Mißverständnissen erscheint.1

 

1) Der Umlaut von a: e > ä, ae in äffen CD, ferner in D plaerren, laestermul, faest, waeren, in Pluralen Baepst, Cardinael, Vaetter, schaetz, in Ableitungen auf lich: unzaelich, Baepstlich, faelschlich u. aa., ferner waenen; der Umlaut fehlt in narren (Verb.) C, abentheur C, in namlich, haller, zwyfaltig, schwachen, erkantniß, in den starken Verbalformen er fart, halt D; e > oe geschoepfft CD, woelcher D; a > e, verbrent (Partiz.), gewaelt (Plur.), taeschen, weschen D.

 

2) Der Umlaut von â fehlt beim st. Verbum: er laßt (loß) D, e > ae Officiel (Plur.) B, Officiael (Plur.) C, waeren, beschwaerung, bestaetigen, schlaefferig D.

 

3) Umlaut von o: oe > o oberkeit CD, kompt BCD, der losest (Superl.) D, wollen B; o > oe in woellen (auch bisweilen in A), gewoelt, moerden CD, gehoercht C, soellen D, doert, doerthin (neb. dort) D, stoecknarren D, groessest CD, gehoeret CD, getroest D, o > ü absünderung D.

 

4) Uml. von u (schwankt schon in A): u > ue, ü kuendten (possent) BCD, Fuersten BCD, muegen B, wuerde BC, suende BCD, suender B, schluessel BD, Jueden B, für C, fürchten C, luegen C, darümb C, hinfürt D, fünfft D; vber in ABC ist als über zu fassen, da in darüber ü steht, in D über; ue > u in sunde B, schlussel C (auch in A öfter), schuldig CD, naturlich C, abtrunnig C, vnterdruckung CD, stucke C, zurnen C, dunkel (der) C, iunger C, nutze C, kunfftig C, lugen D, wurde D, gulden D, Jud D; ue > i abtrinnig D, > y tytel D.

 

5) Uml. von ů: u > ue fuelen BCD, fueren BCD, stünde C, rueffen CD, kuee C, suechen C, ueben, uebung (A vb-) D, verflücht D ist elsässisch; ue > u in buchlin, bruderlich C.

 

 

 

[Seite 432]

 

6) Uml. zu au: an > eu erleuben, verkeufft (so auch an anderen Stellen meist in A) B, gleubig BD; eu > au verlaugnen C, vor Labialen in haubt, erlauben, glauben, verkauffen, rauberey, getrawmet CD, wanckelglauber C, versumen D, rumen D.

 

7) Die alten Diphthonge ie, uo, üe sind in A von i, u, ue nicht unterschieden, ebenso in B, dagegen trennt C häufig u: ů, i: ie, ü: ue, regelmäßig tut dies nur D.

 

8) ei: ai sind in BC wie in A ungetrennt, in D natürlich i: ei, ebenso hier u: au, wofür nur selten ou, letzteres einmal in roum. ei > ü in rümen D; ei > ae taeding D, > e bede D.

 

9) ë > ae zaehen, zaehend, schraecken, faeder, flaedermuß D, ferner haerschen, haerschafft D.

 

10) o > u, oe > ü frum B, verkumen C, sunst, trutz, gewunnen, wuche D, kuendte B, kuenige C, fuert (< fort) D, absünderung D, u, ue > o, oe koendte CD, jr koendt D, from, forcht, foerchten, moegen, moeglich, thoeren, thoerst, doerffen, doerfft D.

 

11) a > o do CD, domit, worumb usw. D, o weh D, unterlos C, mol, stohn, underthon, gemolt, wor, schoff, wone D; o > a da B.

 

12) ue > i hilffe, abtrinnig D, i > ü würt, würst CD, wüschen D.

 

13) Die Vokallänge wird in C seltener bezeichnet, daher lere, faren, weren, keren, ruemen, ym, yr, verseret, i D ser, ler, wan (= leer), waenen, zwen D, oefter findet sich ehe > ee: steen, geen, meer C, Ee D.

 

14) Unbetontes e: es fällt im Auslaut in C sehr oft, so in die tag, leut, Bischoff, hend, füß, schwentz; hett, hab, sag, brauch (auch B), der dritt, dasselbig, kein, ein; ehr, Heid, Jued, kirch, rew, nuetz; über D s. oben; e ist hinzugefügt of in B: rewe, -unge, thue, moechte, solche, grobe, unsere, der erste; in C duerffte, habe, andere, der Bisschove, das Reiche, gesetze, der brieve, geschwetze; es fällt im Jnlaut in C heiligs, verpflicht (< tet), gebeicht (< tet), heidnisch, luegner, bindschluessel, loeßschluessel, mißbrauchen, wird eingefügt in B Gottes, solches, beraubet, treibet, verdreusset, lasset, gegleubet, straffet usw., in C leuget, betreuget gehoeret, geprediget, regieret, ehere, fegefeur, thuen; e vertauscht seine Stelle in geordnet CD, in zweiflen, enden, handlen D; e > i guldin D, Gottis, heiligist C.

 

Von den Konsonanten sind folgende Schwankungen zu verzeichnen:

 

15) b > p Pabst, Papst C, außgepreit C, haupt, gehapt D; p > b gebot B, Bredig, Betri (!) C, brueffen D; pf > p porten D; ff > pff scharpff D; pf > ff Schimff C.

 

16) t > d vberweldigen B, überpoldert D, gedicht, dichten, doll, under, düstig (A thuerstig) D; d > t deutsch (A deudsch) C, tütsch, kuntten, und oft im Auslaut gelt, wirt, jemant, wert D, von t > th bemerke rathen, authoritas (im lateinischen Text), umgekehrt Luterisch D; d > dt geredt B.

 

 

 

[Seite 433]

 

17) g > k in der Endsilbe -ickeit C, -igklich, -iklich D, gefencknis CD, junckherrn CD, gauckel C (umgekehrt B); h > ch gewicht (geweyhet A), hoechest, nechst, sichstu, sicht, befelch, befelchen, geschmecht D; ck > ch in bachen D, drachen > dracken D; g > ch schlefferich C; ch > g billigen C.

 

Doppelkonsonanten wechseln in A mit einfachen regellos, häufiger ist tt in C eittel, damitt, deutten, seitten, vatter, ähnlich in D witter, verbotten, betten, erraten, rotter, vaetter, bemerckenswert ist wapen > wappen CD, ellend D, frume > frumme D, pfenig > pfennig D; dagegen vereinfacht CD auch oft nach mhd. Weise: oder, weder, muter, kome; D auch gsel, gefült, gefelt, verbant.

 

19) Während A kein ß kennt, ist ß in D sehr ausgebreitet: gloße, loß, pryßte, bewißt usw.

 

20) Vorsilben: ver > zer in zerstoeret D, > er ermanet D, ge > g in gwalt, gwiß, gsetz uff. D, gfasset C ∞ geleich C, genade D, genug, gelauben; empfahen > entpfahen D.

 

21) Nachsilben: nis > nus CD, > nüß D, heit >eit kranckeit C, offenberliche > offenbarliche D, lin > lein C.

 

22) Flexionsformen: des Bapsts > des Bapst C, immer in D, des geystes > des geyst D, des schluessel > schluessel C, schluesseln (Dat. Pl.) > schluessel D, die vnterthan > vnterthonen, der Helle > Hellen C, den sünder (Dat. Pl.) > suendern C, gewalten > gewaelt D, der Gemeinen > Gemeyn D, die Pfarher (Akk. Pl.) den Pfarher (Akk. Sing.) > Pfarrhern; Official (Plur.) > Officiel B, Officiael C; die halbe (Akk. fem.) > halben C; die vntersten > vnderste (Akk. Fem.) D, darffstu > darffst du D, soltu > solt du D, jr seit > sint D, er sey > sige (neben sy) D, er war > was D, gewest > gsin D, sie weren > werent D, jhr mueget > moegen (und ähnlich öfter) D, er weis > weißt D, wollen, wolte > woellen, gewoelt C D, sie sollen > soellen (einmal) D, wir koennen > kuenden D, kuendte > koen(d)te CD, wuste, gewust > wüst, gewüst CD, gewist D, stehen > staan, stahn > ston, staat usw., einmal sie staehn D, haben > han D, gehen > gahn, gan, gaat usw. D, über den Wechsel von oe und ue in thueren, muegen, duerfen, s. o., werde (Jmperat.) > wirt D, er helt, fert, leßt > halt, fart, laßt D; leuget > lügt D, keme > koeme C, ge im Partiz. fällt in D weg bei bunden, geben, than; verbrand > verbrent D, beruffen (Partiz.) > berůfft D.

 

23) Wortformen: Absolution > Absolutio BC, gesetz > gesetze C, Jungher > Junckherr, bisschoff > bisschoue (mehrmals) C, Fegfewer > Fegefewer C, ruge (Ruhe) > ruw CD, trunkenbold > truncknerboltz D, die gewalt > der gewalt, das erkentnis > die erkantnüß, der (das?) schos > die schoß, das finsternis > die finsternüß, die tauffe > der tauff, der Drachen > Dracken, heyligthum > heylthum, hülse > hülschen, Hiob > Job, sprichwort > sprüchwort, eigendünckel > eigenduncken mond > mon, lewe > löw, leüw, schrifft > gschrifft, kirche > kilche D, solch > solich CD, einerley > eineley C, manhfeltig > manigfeltig C, ferlich > gferlich, eisern > ysener D; gegenander > gegen einander CD,

 

 

 

[Seite 434]

 

um deinenwillen > um deinetw. C, dienentw., üwertw. D, desgleich > desgleichen C, selber > selbs D, nichts > nüt, nütz D; handeln, endern, ordent > handlen, endren, ordnet, schnarcken > schnarcklen, foddern > fordern (auch C), feilen > faelen, felen (so auch C), verdamnen >verdammen, ruffen > rueffen (schwach) D, empfahen > entpfahen; schweige (geschweige denn) > schwygen; drein, draus usw. > darein, daraus C, dadurch, dafur, davon > dardurch, darfur, darvon CD, darinnen > darinne C, sondern > sonder CD, sintemal > seintemal C, sytemol D, nicht > nit CD, nüt D, zu (beim Jnfin. und sonst) > ze C, jtzt > netzt CD, jetz C, fur (mit Dativ) vor D sonst für, denn (in allen Verwendg.) > dann, wenn > wann D, droben > doben D, etwa > etwan D, weil > dwyl, die wil D, fort > fürt D, nimer > nyemer D, so > also D, Awe > owe D, dennoch > dennocht, dannoch D, dismal > dißmols D.

 

24) Wortwahl: pfloeglin > zwecklin D, butter > ancke D, beutel > seckel, marterwochen > karwuchen ,starblind > gar blind, dürr (mit d. Worten > klar, goecken > schnocken, kriegen > überkomen D, betreffen > übertreffen (superare) D, setzen (annehmen) > schetzen; bereit (jam) > vorhin, allzu(vil) > nüme, welch ein > wye ein, wedder (nach Kompar.) > dann, seer > fast D.

 

Bemerke ferner gegen mit Akkus. > gegen mit Dativ D.

 

 

[Seite 435]

Von den Schlüsseln.

 

 

 

[Erste Bearbeitung in Cod. Solg. Mss. Qu. 8.]

 

1530

 

 

 

[Seite 435]

 

 

[Bl. 9a] Meinem gonstigen lieben herrn vnd freunde D.  Martinus LutheR

Gnad vnd fride ynn Christo vnserm herren̄

 

Jch hab ein wenig verzogen euch auff die frage zu antworten,  wie yhr mich n̂hest gebeten, vnd ich verheissen hatte.  Es ist aber nicht mein schuld, Sondern des viel schreibens, das  ich sonst habe, Vnd bitte euch vmb eines, das ich dazu mal  vergessen habe, Wo ewr gegen kempfer ein hallstarriger kopff odder ein schreier  ist, So kund yhr nicht bas thun, Denn lasst yhn faren, vnd seid mit yhm  vnuerworren Denn mit solchen leuten von der schrifft zu handeln, ist vmbsonst,  [Matth. 13, 4] Sie horen doch nicht Vnd sind alle gute rede da verloren vnd der same an den  [Spr. 4, 7] weg gestrewet, So sagt auch der weise Salomo, Wo nicht zu horen ist, da  schutte kein wort aus, Auch wil ich (ob Gott wil) hinfurt yhn sonst zu  schreien gnug geben Jsts aber ein man der sich wil weisen lassen vnd begerd  zu lernen mugt yhm diese meine schrifft odder meinūg anzeigen, Gott  geb vns allen seine gnade, Amen

 

 [Matth. 16, 19; 18, 18] Es ist der streit odder frage von dem spruch Christi Matth. xvj. vnd  xviij, Dir wil ich die schlüssel [Bl. 9b] zum himelreich geben, Was du binden  wirst auff erden sol gebunden sein ym himel, Vnd was du losen wirst auff  erden sol los sein ym himel. Welchs doch der recht grundlicher, gewisser  verstand sey dieses sprüchs, weil der Bapst vnd die seinen, diesen spruch auffwerffen,  vnd damit verteydingen wollen yhre gewallt, gesetze zu stellen vber die  Christlichen kirchen, vnd mit menschen gebotten druber zu hersschen, Vnd ewr  kempffer meinet, er hab damit den Luther gar vmbgestossen, vnd man musse  der kirchen (das ist wie sie sagen) des Bapsts vnd der Bisschoue gebot hallten,  bey verlust der seelen heil, Denn sie mugen binden vnd den himel zu schliessen  wie Christus hie sagt.

 

Jch wil hie dismal nicht handeln, ob der Bapst vnd die Bisschoue,  auch die vnd solche Person sind, zu welchen Christus hie redet, Daran doch die  gantze macht ligt, Denn wo sie die person nicht sind zu den Christus hie redet,  so mus ewr kempfer ia selbs bekennen, das vngereymbt ding ist, wo sie sich  solcher wort annemen, vnd der gegebenen schlussel rhǔmen gleich wie ein dieb  sich frembder guter gar vbel rhǔmen kan. Wo mit wollen sie aber beweisen,  das sie solche personen sind? Sagen sie das sie der Apostel stǔlerben sin̂d,  Wo mit wollen [Bl. 10a] sie das selbige auch beweisen? Wir lassens zu vnd

 

[ 11 Vnd ist d 13/14 Auch —geben rh 17 xvj vnd rh 19 erden &c̄. 28 Jch wil rh Erstlich Wil ich hie 32/33 gleich —kan rh 32 rhumen wie]

 

 

 

[Seite 436]

 

 bekennens, das sie der Apostel Stǔel besitzen, Aber ob sie mit recht drauff  sitzen, vnd der Apostel rechte erben seien, das wil wol vnbeweiset bleiben,  Denn sie treiben der Apostel ampt nicht, vnd furen des Stǔels werck nicht,  son̂dern das widerspiel, vnd missebrauchen des Stǔels yhrem eigenthum,  Vnd kan wol ein schalck ein frembd gut besitzen Darumb sind sie freylich nicht  die personen, zu denen hie Christus redet

 

[2 –4] Aber wie gesagt, solchs wollen wir itzt sparen vnd von der sachen selbs  handeln, Weil denn ewr kempffer für gibt (wie sie alle sampt thun) das,  Binden, an diesem ort, solle heissen so viel als gesetze odder gebot stellen, muste  man sie ia fragen, jnn welcher schulen man solche sprache leret, das, Binden,  heisse, gesetz stellen, fur eins, fur das an̂der, ob gleich yrgent eine schule funden  wurde, die also redet vnd reden leret, sollen sie weiter auch beweissen, das,  Bin̂den, hie an diesem ort, auch so viel musse heissen als gesetze stellen,  Vnd dasselbige, mit klarer heller schrifft beybringen Denn weil dieser spruch,  yhr grund vnd heubtstuck ist, mussen sie den selbigen hell vnd gewaltig  beweisen mit klarer schrifft, Thun sie das nicht so sehet vnd greifft yhr hiemit,  das sie ym [Bl. 10b] finstern vnd tünckel gehen̂, Vnd bawen auff den sand vnd  vngewissen grund, ja sie gehen mit lugen vmb, das sie den spruch zum gewissen  grunde legen, und alle wellt damit trotzen vnd vberpochen, so sie doch des  gantz vngewis sind, Vnd damit gar nicht zum grund legen noch haben konn̂en̂,  Denn wer Vngewis fur Gewis leret vnd die leute darauff furet, der leuget  vnd verfuret eben si wol damit, als, der eine eigen lugen ertichtet vnd die  leute darauff furet,

 

Er mag vielleicht sagen, Der Bapst vnd die seinen deǔten diesen spruch  also, vnd den mus man gleuben, als die macht haben die schrifft auszulegen  Antwort ich, Das las ich wol geschehen, das sie die schrifft auslegen, wie sie  wollen Aber wo haben sie die macht, das solch yhr deuten recht musse sein,  vnd das sie mich mugen zwingen, solche auslegung zu gleuben vnd zu halten?  Er wird hie vielleicht sagen, Sagt doch hie Christus, Was yhr bindet, sol  gebunden sein, Antwort, Das ist werlich fein geredt, Du furest diesen spruch  yhre gewalt zu beweisen, Vnd bist itzt ynn dem handel den spruch selbs zü  beweysen vnd gewis zu machen, das solchs seine meinung sey, vnd du furest  yhn nǔ als were er schon gewis vnd beweiset Stehet deine beweisung darauff,  so stehet sie auff eym Peltz erhmel1 [Bl. 11a] Wenn dich yemand einen dieb  scholte, vnd du forderst, das ers solt war machen, Vnd er fieng an, das selb

 

[ 3 nicht (1.) So 5 Vnd —besitzen rh        besitzen gleich wie ein die [b]        Darumb gehet 7 itzt o 13 so viel rh 14 beybringen rh 15 vnd (2.) klerlich        gewaltig rh 20 sind rh 21 darauff c aus damit 25 vnd o 27/28 das —vnd (1.) rh 29 Er c aus Ey        hie (1.) steht über er 31 Nach handel ursprünglich: das du den selbigen spruch selbs solt beweisen 32 vnd (1.) —machen rh        du nimpst 33 nǔ auff sich selbs        als hettestu yhn 35 fieng an, zu b 35/437, 1 das (2.) —machen rh ]

 

 

 

[Seite 437]

 

 war zu machen auf die weise, vnd spreche Soltestu nicht ein dieb sein  Bistu doch ia ein Dieb, Wie wurde dir solche beweisung gefallen? Also hie  auch, do solt beweisen, das Binden heisst, gesetz, vnd gebot stellen, so ferestu  daher, vnd sprichst, Solt Binden, nicht heyssen, gesetz stellen, Bindet vnd gebeut  doch der Bapst durch diesen spruch? Jst das nicht ein fauler grund? Darinn  auch ein kind sehen mag, das sie diesen spruch Christi felschlich furen vnd  eine schedliche lesterliche lugen draus machen zur tyrannen vber die liebe  Christenheit

 

 Vnd zwar, Wo vns Christus nicht mehr hette wollen geben mit den  schlusseln, denn gewalt, eusserlich gesetz vnd gebot zu stellen, hette er sie wol  mugen behalten, Wir kundten yhr wol geraten, Denn da ist Welltliche oberkeit,  Vater, Mutter, HERR, fraw, trewe freunde, Alte leute &c̄. die vns gnugsam  vnd vberflussig mit eusserlich gesetzen vnd geboten versorgen konn̂en, Vnd  solten auch billich nicht der kirchen schlussel, Sondern musten Pfaffen Schlussel,  Bisschoff schlussel odder Bapsts schlussel heissen, Sintemal die kirche hat der  meinūg nach nichts dauon, denn schaden vnd verderben, als da durch sie  mit gesetzen vberweldigt vnd unterdruckt wird [Bl. 11b] Aber Bapst, vnd Bisschoue,  die haben dauon alle gewalt vber ehre gut, leib vnd seele, der gantzen wellt  Haben damit ein keiserthum gestifft, mechtiger vnd schier auch grosser denn  das Romissche yhe gewest ist

 

Nu ist yhe das gewis das Christus die schlussel nicht den Bisschouen  allein sondern viel mehr seiner lieben kirchen, Vnd nicht zum schaden sondern  zum nutz gegeben hat, Auch nicht zum eusserlichen nutz, leibs vnd guts, Sondern  zu der seelen geistlichem nǔtz, So ist ia das auch gewis, das eusserliche  [Ebr. 13, 9] gesetze der seelen nichts helffen̂, wie Ebrȩos xiij stehet, das ein hertz musse fest  werden dürch gnade vnd nicht durch speise, welche keinen nütz geben denen,  so damit Gott dienen wollen, wie auch darumb S. Paulus allenthalben  [Luk. 17, 20] solche lere vnd gesetze verbeut vnd verdampt Vnd Christus spricht selbs, Luce xvij,  das Gottes reich kome nicht mit eusserlichem geberde, wie solt er denn schlussel  dazu geben, das man sein reich an eusserliche gesetz vnd geberde sollt bin̂den?  So heisst er sie auch nicht schlussel des erdreichs, sondern schlussel des himel  reichs, odder zum himel reich, das wir da durch sollen zum himelreicht komen,  Vnd ist doch vm muglich dürch eüsserlich gesetz vnd gebot ia auch durch kein  einich werck yns himelreich zu komen

 

 

[ 1 vnd spreche rh        sein o 3 stellen steht über machen 4 gebeut c aus gebeuts 5 durch —spruch rh 7 lesterliche rh 9 geben durch 10 eusserlich rh 14 solten steht über hiessen        billich rh        nicht billich 15 Sintemal steht über Denn 16 nach rh 18 alle o        vber rh        ehre vnd 21/22 nicht —mehr rh 22 Vnd o 23 Auch steht über Vnd 24 zu rh        So steht über Nu        auch o 25/26 musse —werden rh 27 wie sie 28 solche —gesetze rh 30 geben dazu um        vnd geberde rh 31 heisst er sie c aus heissens 34 einich rh]

 

 

 

[Seite 438]

 

Vnd hie guckt er fur der rechte trachenkopff, der Vater aller lugen, der  sie hat geleret diesen theuren heilsamen spruch, so schendlich vnd lester [Bl. 12a] lich  zur lügen machen, Denn dieser spruch ist ein grund des Christlichen glaubens,  vnd foddert auch den glauben, Erhellt vnd sterckt den glauben, hat aüch sonst  mit nichts zu thun, denn mit dem glauben wie wir her nach horen werden  So furen sie vns Christen eben mit diesem spruch, vom glauben auff werck,  Dazü nicht auff gute werck, sondern auff eusserlich geückel werck vnd kinderwerck,  die sie selbs ertichten vnd Gott nicht geboten hat, Vnd machen beide  diesem spruch vnd aller welt solche nasen1 das Wer dem Bapst gehorsam ist,  der komt gen himel, denn er hat durch die schlussel macht zu binden das  ist, zu gebieten, Wer das hellt, dem thut er den himel auff Also darff man  denn vnsers herrn̄ Christus odder glaubens gar nichts zum himel reich,  Sondern wir haben nǔ eigen werck, dürch des Bapsts binden, vberkomen, die  selbigen furen vns durch die schlussel gen himel,

 

Also sol man die wort Christi auslegen, das wir dadurch lernen den  glauben verlieren, vnd vergessen Christum verleucken verlestern vnd verdamnen  vnd an des stat, vns selbs, vnser eigen werck vnd lere, rhumen vnd drauff bawen,  Das mugen ia trewe hirten vnd seelsorger heissen, Denn sie haben bey diesem spruch,  des lieben glaubens, nie kein mal gedacht, Sondern den selbigen geschwigen, vnterdruckt,  vnd allein die werck, durch Bebstliche [Bl. 12b] gesetze aüffgelegt dürch diesen  spruch getrieben vnd gesterckt zu solchen gesetzen vnd wercken hat er mussen  dienen vnd sonst nirgent zǔ, aüff das sie herren vnd tyrannen wurden vber  die Christenheit, Vnd Christus mit seinem blut vnd leiden vntergienge, Dis  alles konnen sie nicht leucken, Es ist am tage, das man mit diesem spruch  nicht hat Christus blut vnd leiden noch Gottes furcht odder gnaden gepreiset,  Sondern des Bapsts gewalt damit auffgeblasen ynn seinen gesetzen nicht allein  vber alle lebendige menschen auff erden sondern auch vnter der erden yns  fegfewr vber die todten menschen vnd zuletzt ynn den himel vber die engel,  auffs aller vnuerschamptest erhaben, Welcher grewel nicht so sol vergessen  werden, wie sie itzt hoffen̂

 

[] Wo fur sol man nu diese leute doch halten die vns die schrifft so  von der furcht vnd gnaden Gottes redet auff vnser werck deuten? Denn es

 

 

[ 2 vnd o 5 mit (1.) o 6 vns o        eben o 7 Dazü steht über vnd        eusserlich rh 8 hat o 9 solche steht über diese 10 durch die schlussel rh        das steht über das 12 odder glaubens rh 14 himel, da es zisschet2 15/16 den glauben steht über Christum 16 vnd (1.) o        Christum o        verleucken vnd 19 geschwigen hierzu auf dem innern Rande quer geschrieben: Nunquam enim fidei hic meminerunt, sed tacuerunt [Abbreviaturen aufgelöst] 21 vnd gesterckt rh        gesetzen vnd rh 25 furcht odder o 26 gesetzen vnd zu letzt 26/27 nicht —erden (2.) rh 28 zuletzt steht über darnach 31 halten welche vns        die vns steht über So        so steht über welche 32 furcht vnd o        redet c aus reden        deuten? Sinte[mal]        es steht über das]

 

 

 

[Seite 439]

 

 mus auch die naturliche vernunfft bekennen, ob sie gleich on glauben vnd  Gotts wort ist, Das gnade vnd Recht odder gnade vnd werck nicht ein̂erley  sondern zweyerley vnd wie himel vnd erden, geschieden sind, das ein spruch,  so von der gnaden redet, kan nicht zu gleich vom Recht, Werck, Verdienst reden  noch verstanden werden Vnd wer so thurstig ist das er solchs thut, der ist  ein falscher lugener, verkerer, verfurer vnd betrieger der leute, Nu thun ia  solchs diese [Bl. 13a] lugener nicht ynn welltlichen Rechten odder sachen, da es  doch vnleidlich were, sondern hie ynn Gottes wort vnd sachen, das ewige  leben vnd sterben betreffend, Vnd mus dazu artickel des glaubens heissen,  das, wers nicht anbetet, fur Gotts wort, an der seele verdampt vnd am  leibe verbrand sein mus, wie ein ketzer, Wie solten sie schreien vnd wueten,  wo sie vns also kundten eines solchen grewlichen yrthumbs vnd verfurung  so vieler tausent vnd aber viel taüsent seelen, vberzeugen, Noch mussen wir  ketzer, vnd sie früme Christen vnd trewe hirten sein

 

Darumb lasst vns das feste fassen, auffs erst, das die wort an yhn  selbs solchen verstand nicht geben mugen, zum andern, das auch die meynūg  Christi nicht leiden kan, Denn Christus selbs nennet sie Schlussel des himelreichs  und nicht schlussel des erdreichs was aber nicht zum himelreich hilfft,  das ist nicht vnd kan nicht sein ein schlussel zum himelreich, wenns gleich ein  engel vom himel selbs saget, So hastu ia gehoret, das auch die werck von  Gott selbs geboten, nicht zum himel helfen Sondern der glaube an Christum  vnd die blosse gnade Gottes thuts, viel weniger vermugen das die eigen  werck von menschen geboten vnd ertichtet, Darumb sehen wir hie wie felschlich  der Bapst die schlussel ynn seinem wapen füret, Es sind auch nicht die schlussel  der kirchen züm himel, dauon Christus redet, sondern̄ Es sind schlussel des  Bapsts zum abgrǔnd der hellen, den teuffel vnd seine Engel damit los zu  machen vnd ynn die Christenheit zǔ brin [Bl. 13b] gen vnd die christen seelen  [Offenb. 9, 1] damit zu binden vnd ynn die helle zu furen gleich wie Apocalypsis viiij auch  der bosen Engel einer, den schlussel zum abgründ hat, Die Schlǔssel zum himelreich  solt die kirche furen, vnd an die kirchen solt man sie malen, vnd n̂icht  dem Bapst ynn sein wapen setzen, Ein̂ teüffels kopff stunde besser drinnen

 

[] Weiter zum dritten wollen wir yhr narrwerck noch bas rüren, vnd  yhren hubschen verstan̂d anzeigen, Wenn binden sol so viel heissen als gesetz  stellen, So mus widderumb, losen, so viel heissen, als gesetz abthun odder auffheben,

 

[ 1 naturliche rh 3 zweyerley vnd rh        sind, darumb        das steht über wo 4 so o        redet, der        zu gleich rh 4/5 reden noch o 5 werden rh        wer es fur nimpt 6 falscher rh        ia o 7 lugener steht am Rande vor leute 8 hie o        vnd den seelen 8/9 das —betreffend rh 10 vnd rh 13 viel o 15 fassen, das 15/17 auffs —Denn rh 18 vnd —erdreichs rh        erdreichs Vnd [steht über Darumb]        aber o 19 sein der 20 die gebot vn 21/22 Sondern —thuts rh 22 eigen o 23 wir hie o 24 füret, Er sollt 25 der kirchen rh 25/26 Es —Bapsts rh 26 vnd seine Engel rh 27 die (1.) wellt        zǔ o 32 zum dritten o]

 

 

 

[Seite 440]

 

 Nu sage mir wer da wil Wenn hat der Bapst yhe ein mal ein gesetze  abgethan, da mit er die Christenheit so iemerlich gebunden hat? Wenn ist  dieser löse schlussel yhe mals ym brauch odder werck gewest? Binden hat er  wol ymer getrieben, vnd der bindeschlussel ist ynn vbungen vnd brauch gangen,  das er gleisset, Aber der loseschlussel ist gantz mussig, gelegen, verrostet vnd  verdorben, Warumb furet denn der Bapst zween schlussel ynn seinem wapen,  so er doch des einen nimer mehr braüchet, vnd allein des bindeschlussels  braucht? Es solt ia einer so wol ym brauch gehen als der ander, denn  Christus hat sie ia beide gegeben So weis man ia wol, das der Bapst seiner  gesetz keines wil los odder abgethan haben, Sondern mehret sie teglich vnd  hat auch noch nie keins auffgehaben

 

[Bl. 14a] Ja lieber, sollt er, Loesen, vnd die gesetze eins teils auffheben,  das, mocht ein anfang vnd einriß1 werden, die andern gesetz allzumal auffzuheben  vnd seine tyranney zu reformieren vnd ringern̄, Darumb ists besser,  das man ymer dar binde, vnd nymer mehr lose, vnd male doch zween  schlussel, den leuten das maul zu schmieren2 halte aber allein vber dem einen  bindeschlüssel, der Loseschlussel würde zu gros vngluck an richten, beide gewallt,  ehre vnd gut eben mit solchem hauffen wegnemen̂, mit welchem es der bindeschlussel  zutregt, Das sehen wir auch itzt fur augen, wie fest und hart sie  halten, das sie gar nichts losen odder nachlassen wollen, da sie doch wissen,  das sie vnrecht gebǔnden haben, den Loseschlussel konnen sie nicht finden,  Lieber (sagen sie,) Weichen vnd reumen wir ynn einem stück, so mussen wir  ynn mehr stucken weichen, das ist vns nicht zu leiden, Ja freylich, Jhr habt  den schnuppen nicht3, lieben gesellen Aber wolt ÿhr den loseschlussel nicht  finden, So wollen wir yhn also finden, das yhr beide bindeschlussel vnd  löseschlussel verlieren solt, denn ich hore sagen, Sie hengen an einander an  einer keten, kriegen wir einen, so sol der ander auch mit, das yhr hinfurt  nicht mehr binden sollt, kund yhr binden so konnen wir losen

 

[Bl. 14b] Ja sagen sie, der Bapst braucht des loseschlussels auch, wenn  er dispensirt, vnd seine band vnd gesetz vmb gellt nach lesst (ich hette schier  gesagt,) verkeufft Was sol man sagen? Heist das losen, wenn man das  gesetze des bindeschlussels vmb gellt verkeufft? Warumb loset er nicht auch  vmb Gottes willen odder vmb der seelen not willen? Jch meinet aber, der  Loseschlussel solt so gros sein vnd so weit vnd ferne losen, als der bindeschlussel  bindet. So hore ich nǔ, das er dispensirt, das ist, Er lesst den Bindeschlussel  vber den gantzen gemeinen hauffen bleiben vnd ymer fort binden vnd

 

[ 1 ein rh 6 Bapst steht über bose wicht 8/9 denn —gegeben rh 10 los ha[ben] 13 vnd einriß rh 15 dar o        mehr rh        doch o 16 den —schmieren rh 18 eben o 20 losen odder o 21 gebǔnden rh 23 leiden, darumb hat der loseschlussel 25 also rh 26 solt o 27 hinfurt widder 32 verkeufft vmb geld um 33 willen? Awe 34 ferne binden]

 

 

 

[Seite 441]

 

 die seelen gebunden halten, Aber einen odder zween hilfft er aus solchem  banden, doch nicht aus krafft seines loseampts, Sondern aus vorbitt vnd  mittel des grossen Gottes Mammon, on welchen sein loseampt gar tod vnd  abe were, Warumb furet denn der Seelmorder, ynn seinem wapen zween  schlussel gleich gros, so er sie doch nicht gleich gros haben noch leiden wil?  Er sollt allein den bindeschlussel lassen das gantze feld fullen, vnd das arme  lose schlusselin, kaǔm eins monkornlin gros sein lassen, Ja, er solt Mammon  an stat des vnnutzen loseschlussels füren.

 

Also mus nǔ das arme Loseschlusselin, nicht seines ampts brauchen,  sondern dem bin̂de[Bl. 15a] schlussel, helffen gelt vnd gewallt mehren, obs der  bindeschlussel fur sich allein zu weng thet. Also mocht der loseschlussel auch  ein new ampt kriegen, das er die leǔte loset, nicht aus der hellen, sondern  aus der fahr yhr gellts vnd guts, denn der frume trewe loseschlussel sorget,  Sie mochten yhr gellt vnd gut verlieren, odder mocht yhn gestolen werden,  darumb wil ers yns Bapsts beutel legen vnd verschliessen, Das euch buben  Gott straffe allesampt, wie gehet yhr vmb mit dem theuren wort Gottes  vnd mit den armen seelen ynn der lieben Christenheit, verkeufft yhn das  hellische feur vmb yhr gellt vnd gut, ia vmb yhr leib vnd seele

 

Aber hie, zum vierden, hore mir allererst recht zǔ, was grosser kunst  aus dieser sprachen folget, wenn Binden, so viel heisst, als gesetz stellen, Vnd  Losen so viel als gesetze auffheben, Welchs auffheben doch auch nu aber auff  ein ander sprache, heisst, dispensiern, das ist, vmb gellt verkeuffen, Denn sie  konnen alle sprachen anders machen, Vnd weil sie vol heiliges geists sind,  ists nicht wunder, das sie mit newen zungen reden, Jch wolt aber, sie musten  auch mit feurigen zungen reden, wie es doch einmal geschehen wird. Wolan das  wir solch yhr Rotwelssch odder küderwelssch wol lernen, So lasst vns merken, das,  Bin̂den, [Bl. 15b] heisst Gesetz stellen, So mǔs gewislich, Band, ein gesetz heissen,  Gebunden, mǔs ein Christ heissen, der mit solchem bande sich binden lesst  odder gebunden ist, das ist, der das gesetz des Bapsts hellt vnd gehorsam ist, Das  mercke wol (sag ich) das ein gebundener heisst ein gehorsamer dem gesetz des Bapsts,  der sein Band gern leidet vnd hellt. Vnd dar umb auch, als eim gehorsamen  kinde der kirchen, das himelreich gebürt, wie yhm denn der Bapst verheisst  vnd on zweiuel nicht leuget, Sollts gleich ein geuckel himel sein.

 

Nu hallt die sprachen zu samen, Christus heisst den, gebünden, der als  ein ungehorsamer, verbannet ist, vnd seine sunde nicht vergeben sondern  behallten sind, vnd das himelreich yhm verschlossen wie er auch dem heisst  [Matth. 22, 13] hen̂de vnd fusse binden ym Euangelio Matthej 22 vnd yns finsternis werffen  Los aber, der von seinen sunden ledig vnd entbunden ist, dem der himel

 

[ 1 die seelen rh 7 lose steht über binde 8 des binde        vnnutzen rh 15 euch verzweifelten 16 allesampt rh        vmb rh 19 zum vierden o 21 auffheben (2.) o 23 anders rh 24 aber o 28 mit rh 33 on zweiuel rh        geuckel odder trawm 36 vnd —verschlossen am rechten Rande 36/37 wie —werffen am linken Rande 38 ledig vnd rh]

 

 

 

[Seite 442]

 

 auffgethan ist, Dagegen setzt der Bapst, Gebunden heisst der ynn seinen banden  ist, gehorsam vnd sich gerne binden lesst, vnd solle selig sein, Wo nǔ aus?  Christus spricht, gebunden sein, ist verdampt sein, Bapst spricht, Gebunden  sein, ist selig sein, Vnd reden alle beide von einerley spruch vnd wort ym  Euangelio? Wem wollen wir gleuben? Jch acht, wir gleuben dem Bapst,  so sind wir gute Christen, Gleuben wir Christo, so mussen wir ketzer sein̂,  denn Christus hat die schlussel von sich gegeben, Er kan vns dadurch nu nicht  mehr helffen, der Bapst [Bl. 17a] mus hie freundt der beste sein̂, sonst sind  wir verloren,

 

Aber es hat hie widderümb auch einen mangel, Denn sie selbs vn̂ser  lieben papisten, die das, Bin̂den, heissen gesetz stellen, die leute zu leren zum  himel, sagen auch widderǔmb, das es heisse, sünde behalten odder straffen,  das also, das selbige wort Binden gleich eben an einem Ort, heisse zweierley,  nemlich gesetz stellen vnd doch widderumb auch nicht gesetze stellen, sondern  die sunde behalten vnd straffen, Widderumb heisst es auch, Sunde behalten  vnd straffen, vnd doch abermal widderumb nicht sunde behalten, odder strafen,  Sondern gesetze stellen, die leüte damit züm himel zu furen, Denn gesetze  stellen vnd sunde behalten kan nicht einerley verstand sein, Reymen sich auch  nicht yn̂n einerley wort vnd rede Was wil hie nü werden? Christo thar  ich nicht gleuben, ich werde sonst ein ketzer, Dem Bapst kan ich nicht gleuben,  denn er heisst sich selbs ynn sein maul liegen, Vnd hewet sich ynn seine eigen  backen1 vnd ist Ja vnd Nein, ein Ding bei yhm, Noch ists ein artickel des  glaübens, Vnd ist das Binden von gesetz stellen verstanden, so getrieben,  das fast der einige grund ist, da das Babstum auf stehet. Vnd solt dieser  verstand fallen, Vnd wie Christus sagt von den sunden zu binden verstanden  werden so ligt gewislich Bapst vnd teuffel auff einem hauffen ym  abgrund mit allen schanden, als die Lugen Veter vnd Lugen Meister vber alle  lugener.

 

[Bl. 16b]2 Das sie aber ym Binden diesen verstand, die sunde behalten  auch brauchen, da bringt sie Das Loesen zu, das sie dennoch auch sunden  losen vnd ledig lassen, Ja Sie losen weidlich vnd allzu viel, bis sie ynn

 

[ 4 alle o 6 wir (1.) selig 11 lieben HERRN        gesetz gebe 11/12 die (2.) —himel rh 12 behalten odder verurteilen        odder straffen rh 13/14 zweierley, nemlich steht über beide 14 auch o 15 vnd straffen rh        Widderumb steht über Vnd also 16 vnd straffen rh        abermal o 17/19 Denn —rede rh 19 werden? Der 20 sonst o 22 Nein gleich viel 23 das o        verstanden        rh 25/26 Vnd —werden rh 27 schanden, w 28 Nach lugener das auf Bl. 16b wiederholte Verweisungszeichen ÷÷÷ Bl. 16 enthält also ein Einschiebsel. 29 ym Binden o        die steht über Vom        sunde zu o 31 viel, bis sie steht über wie schendlich, das hie ym e sie es ha]

 

 

 

[Seite 443]

 

 diesem andern verstande auch das spiel vmb keren, Vnd gleich wie sie dort  ym ersten verstand, keinen loseschlussel haben noch brauchen, Sondern konnen  nichts denn ymer binden, Also widderumb, ynn diesem andern verstan̂d, haben  sie keinen bindeschlussel, konnen nichts denn eitel los geben, vnd frey ynn allen  sunden vngestrafft leben lassen, wie ein iglicher will, Darumb halt ich, wer  yhn helffen wolt, der mocht yhre beide verstand, noch wohl ynn diesen spruch  Chri reymen vnd teilen, also, das Binden heisse, nach dem ersten verstand,  gesetze stellen, Vnd losen heisse, nach dem andern verstand, sunde nach lassen,  Vnd also, Binden dort hin, vnd Losen hie her gehe, Vnd sey summa die  meinūg, Christus hat dem Bapst vnd den̂ seinen hie macht geben, das sie  ander leute binden vnd alle wellt mit gesetzen plagen sollen, Aber yhnen  selbs hat er macht gegeben, das sie los, frey vngestrafft vnd vnuerschampt  auffs aller schendlichst leben mugen vnd allerley sunde frey nachgelassen  haben

 

[Bl. 16a] Diese meinūg were kostlich vnd der Christlichen kirchen seer  nutzlich vnd trostlich, Denn nach dem ersten verstand, besserten sie die kirchen  mit hubschen leren̂, nach dem andern verstand, besserten sie mit yhrem feinen  guten leben, Vnd hulffen also der kirchen, beide mit worten vnd mit wercken,  beide mit lere vnd exempel, bis eitel Sodoma draus wurde Schimpf vnd  ernst, der Teuffel hat solchs mit yhrem rechten verstand ym Binden warlich  gemeinet vnd auch ausgericht.

 

[Fortsetzung Bl. 17a] Es heisst, Wer von Gott wil vngeschendet sein, der  lasse yhm sein wort vngeschendet, Wil [Bl. 17b] ers nicht vngeschendet lassen,  so gewart er des, das itzt ynn diesem spruch, den lugenern den Papisten  widder feret, Welche diesen spruch, auch geschendet haben, das Binden solle gesetz  stellen heissen, Vnd mussen nǔ als die lugener mit allen schanden das anders  lernen, vnd das gantze Bapstum so darauff gestanden zu grund sehen fallen,  Denn ob sie gleich toll vnd toricht weren odder noch wurden, so thuren sie  das nicht sagen, das Gesetz stellen, seÿ ein Ding, mit, Sunde behalten, Sintemal  gesetz stellen, gehet vber die gantzen gemeine vnd leret, was man hin  furt thun vnd lassen solle, Vnd ist nichts anders denn eine Lere, Aber  Sunde behalten, gehet vber eintzele person odder ettliche vnter der gemeine,  vnd strafft die vergangen sunde widder die gesetze so bereit gestellet sind, Vn̂d  ist nichts anders denn eine straffe der vbergangen lere odder gebot, trifft  auch nicht die gantze gemein̂e

 

[ 2 Sondern bin[den] 4 frey lassen 5 lassen rh 6 wolt steht über kund 7 Chr̄ī rh        vnd teilen o 11 sollen, Vnd 12 selbs o 14 haben Diese meinūg die 15 seer o 16 Denn mit 17 mit (1.) der        hubschen o        leren̂ c aus lere 18 guten rh 19 exempel, Vnd Schimpfflin        bis —wurde rh 20 yhrem Binden vnd gesetz        rechten rh 24 den Papisten rh 25 spruch, auff yhn 26 als die lugener rh 26/27 das —lernen steht über dauon lassen 27 Bapstum druber        so —gestanden rh 33 widder —sind rh 34 gebot, Vnd 35 auch o]

 

 

 

[Seite 444]

 

[8 u. 9] Aüs solchem lugen verstand, haben sie darn̂ach n̂och einen grewel  gesponnen, vnd teilen die schlussel machen ettliche Errantes, denn es mus  ymer eine luge die ander geberen, Der feyl schlussel sol heissen, wenn er  yrret, als wenn der Bapst yemand bindet, der doch fur Gott nicht gebunden  ist, odder loset, der fur Gott nicht los ist, da yrret der schlussel vnd  schaffet nichts, denn er feylet vnd trifft nicht recht zǔ, Es thut mir doch  dieser lesterlicher grewel so mehe, das ich nicht weis [Bl. 18a] wie ich mich  doch an yhm rechen sol, Jch wolt yhm gern vbel fluchen, so hab ich nicht  wort gnug dazǔ, Wolan ich neme den bosen deudschen fluch1, Gott musse  diese lugen vnd grewel schenden, ehe meine augen zugehen Amen. Sprech  Amen, wer Amen sprechen kan, Es ist wol gebettet.

 

Erstlich sehen wir hie, das sie der Schlussel krafft vnd macht grǔnden  aäff vns menschen vnd aǔff menschen werck vnd nicht auff Gott noch aüff  Gottes wort, Vnd halten nicht, das die Schlussel Gottes werck odder ordnūg  seÿ, sondern sehens fur ein menschliche gewalt an wie die Weltliche oberkeit ist.  Denn wo sie es fur Gottes werck odder ordnūg hielten, So kundten sie keinen  feylschlussel draus machen, Sintemal Gottes werck vnd ordnung, sin̂d gewis,  treffen auch, vnd feylen noch yrren nicht, Denn Gott ist kein lugener noch  vngewisser man, Sondern die marheit selbs, gleichwie die tauff vnd sacrament  sind auch Gottes werck vnd ordnūg, gewis vnd feylen nicht, denn man mus  nicht die tauffe zweierley machen, Es ist kein feyle tauffe, Sondern allein ein  einige gewisse, trefftaǔffe, So wenig als nǔ zu leiden ist, das man die tauffe  ein̂e feyltauffe heisse, So wenig ists auch zu leiden, das man die schlussel  feylschlussel heisse odder halte, Es sind eitel treffschlussel ynn Christus kirche.  [Bl. 18b] Jnn des Bapsts kirche mugen sie wol sein, Denn da sind eitel lugen,  lesterung feyl vnd yrthum ynne

 

Das ist nǔ die erste ehre, die sie Gott thun mit dem feylschlussel, das  er mǔs yhr lugener sein, vnd seine ordnung, mus vngewis, yrren vnd feylen  kon̂n̂en, Die ander ehre, Das Christus mit seinem blut nicht mehr erworben  hat, denn vngewisse schlussel, Die dritte, das er seine hertzliche braut, die Christenheit

 

[ 2 machen —Errantes steht über ynn claüem errantem et non errantem, wozu noch das am Rande stehende, versehentlich nicht mit durchgestrichene treffschlussel vnd feylschlussel gehört 3 ymer o        feyl steht über yrrend 4 yrret steht über feylet 6 doch o 7 lesterlicher u 13 vns o        vnd (1.) —werck rh 14 Vnd steht über Denn sie        odder befelh        ordnūg rh 16 ordnūg steht über befelh 17 vnd befelh 18 auch o 18/19 noch —man rh 19 die (2.) steht über seine 20 sind gewis 21 die steht über zwo        zweierley rh        machen, Eine feyl tauffe vnd treff tauffe 24 kirche Am Fuße dieser Seite in kleiner Schrift [Abbreviaturen aufgelöst]: Iubent Deum spectare Docent { nostra opera/ contrit[ionem]/ personam } non suum verbum 28 vngewis, yrren steht über yrrig vn sein]

 

 

 

[Seite 445]

 

 auff einen affenschwan̂tz furet1, gibt yhr vngewisse schlussel, heisst sie  binden vnd losen, da sie doch zweiǔeln mus, obs gewis gebunden odder geloset  sey Vnd mus also Christus auch ein lugener vnd ein teusscher sein der armen  elenden seelen, Das sie aber Christum vnd Gott mit dem feylschlussel zu lugener  machen, das mus man greiffen, Denn da stehen die hellen, klare, durre wort  Christi, da er zu den Aposteln sagt Alles was yhr bindet vnd loset auf erden,  sol gebunden vnd los sein ym Himel, Er verheisst hie, Es sol gewis sein vnd  nicht feylen Was sie binden vnd losen solle gebunden vnd los sein, das  sind seine wort, die leiden keinen feylschlussel

 

Was sagt aber der Bapst hie zǔ? Er spricht, Jch weis warlich nicht,  Jch wil dich wol bin̂den [Bl. 19a] vnd losen auf erden, Aber ob der schlussel  treffe odder feyle, das du drumb seyest ym himel gebunden odder los, da las  ich dich fur sorgen. Denn der schlussel kan yrren vnd feylen, Also sol man  Christum yns maul schlahen, das yhm sehen vnd horen vergehet vnd sagen,  nicht du warhafftiger almechtiger Gott, sonder̄n̄ du lugenhafftiger amechtiger  Gotze, sprichst, Es solle alles gewis sein, was wir binden vnd losen̄ Vnd  sihest nicht, das wir Clauem Errantem, den feyl schlussel auch noch haben  vnd mag wol feylen, Denn weil wirs nicht wissen, ia nicht gleuben konnen̄,  das der gewislich los ist, den wir losen, so soltu es auch nicht wissen, viel  weniger, so frey vnd gewis zu sagen vnd die leute damit so sicher vnd frolich  machen, Jst der gebundene odder gelosete fur Gott, frum vnd hats verdienet,  so losen wir yhn vnd so ist er los, Jst er aber nicht frum, wenn wir schon  losen, so ist er doch nicht los, Weil wir aber nicht wissen ob er frum odder  bose ist, So ist auch schlussel vnd losen vngewis, Denn es stehet der schlussel  vnd sein̄e krafft nicht auf deinem wort, sondern auff vnserm Wissen vnd  des menschen frǔmkeit, Weil denn vnser Wissen vnd seine frumkeit vns  vngewis ist, So mus ia der Schlussel feylen denn vnser feylen mus heissen,  des Schlussels feylen.

 

 [Bl. 19b] Gott grusse euch hie lieben herren, Jch hette ettwas mit euch  zu reden, wenns euch nicht verdrosse. Lieber, sagt vns, was habt yhr vns  bis her ynn deudschen landen, ia ynn aller wellt verkaufft ynn dem Ablas?  da fur habt yhr ia vmmesslich gelt von vns genomen, Jsts auch gewis gewest?  Jsts der feylschlussel odder treffschlussel gewest? Du must mir hie nicht die  schultern zihen vnd das maul rumpfen vnd geg sagen2, Jch wills wissen.

 

[ 2 gewis sey 4 seelen, Es vergehen wir vber diesem grewel, schier alle meine synne vnter 5 das kan 6 zu petr[o] 14 sagen, Du 15 nicht —warhafftiger rh 16 alles rh 17 den feyl schlussel rh 20 damit rh 22 vnd —los rh 24 der steht über dem 25 vnd —krafft rh        auff des 29 hie o 30 sagt vns rh 32 fur o 33 feylschlussel ge[west]        gewest? Heresis Walh [densium?] r        [O. B. liest: Horestu Walh] 34 wissen du magst villeicht sagen]

 

 

 

[Seite 446]

 

 Ey Hastǔ nicht gelesen ynn der bullen? Wer seine sunde berewet vnd gebeicht  hat, der hat den Ablas gewis, Wir geben den Ablas, aber ob er dir werde,  da lassen wir dich fur sorgen, Wir wissen nicht, ob du gerewet vnd gebeicht  habst, ob der schlussel troffen odder gefeylet hat, Er mag wol feylen vnd yrren.  Wie weis ich aber ob meine rew recht sey Wie? das gellt aber das du daǔor  genomen, das hastu doch gewis vnd nicht dem feylschlussel, sondern dem treffschlussel  zu verwaren befolhen? Wie anders, lieber freund? Danck habt,  vnd der liebe Gott musse euch lohnen. Also stehet nu der schlussel mit dem  Ablas auff vnser rew vnd beicht nicht auff Gottes wort. Weiter, wie  werde ich gewis, wenn vnser rew vnd beicht gnugsam, vnd dem schlussel  gewissen grund legen, vnd einen treffschlussel draus schmiden mochten? Da las  ich dich fur sorgen, das gellt hab ich nur gewis dauon, Du wirst deiner rew  vnd beicht wol nimmer mehr gewis.

 

 [Bl. 21a] Weiter, was gebt yhr vns denn ynn der Beicht ierlich, damit  yhr alle wellt geplagt, bezwüngen, erforsscht vnd gewaltiglich gefasset habt,  vnd hat vns leib vnd seel, gut vnd ehre gekostet on vnter las? Was sollten  wir geben? die Absolution. Jst sie denn auch gewis? Nein? Warumb  nicht? Bistu berewet, vnd ists ym himel also, wie wir absoluieren, so bistu  absolüiert, Wo nicht, so bistu nicht absolüiert, Denn der Schlussel mag feylen,  So hore ich aber mal, das der Schlussel ruget auff meiner rew vnd wirdigkeit?  Wie anders? Vnd ich kan mit meiner rew ein solcher feiner kleinschmid  werden, das ich vnserm Herr Gott aus seinem feylschlussel, einen treffschlussel  schmiden kan, Denn Rewe ich, so trifft der schlussel. Rew ich nicht, so feylet  er, das ist, Rew ich, so ist Gott warhafftig, Rew ich nicht, so leuget er. Es  gehet noch alles fein daher, vnd spinnet sich wol. So mus ich mit meiner  Rew hinauff gen himel gaffen, suchen vnd warten, bis ich erfare, ob sie fur  Gott mich los mache, so loset mich denn hie auff erden der schlussel auch vnd  wird ein treffschlussel. Das mustu warlich thun. Ja Wenn wil denn daraus  ettwas werden, das ich erfare, ob meine Rewe mich fur Gott los mache? da  las ich dich fur sorgen, Jst wol geredt, Vnser gellt, gut, leib vnd seel hastu  aber gewis? Wie anders? Du must wol

 

 [Bl. 20b] Weiter, Wenn Bapst, Bisschoff official yemand ynn bann thun,  on Gottes wort vnd befelh, hellt auch solcher bann? Jsts sache, das Gott  ym himel solchem bann bestetigt, So hellt er fest, Wie weis ich aber das  Gott solchen bann bestetigt? da las ich dich fur sorgen Weiter, Wenn der  Bapst konige fursten odder herrn verflucht, bis ynns neunde gelied (wie  [2. Mose 20, 5] man sagt) ob solcher Fluch aǔch gelte, weil doch Gott Exo xx. allein yns  vierde gelied drewet? Awe ia, Er gillt, wo Gott ym himel, ia, dazu sagt.

 

[ 2 den (1.) steht über das 3 du ber 5 Wie (1.) —sey rh 8 schlussel mit dem rh 9 nicht —wort rh 10 gewis, das v[user] 15 bezwüngen c aus gezwüngen 30 Vnser steht über Das 31 Nach wol das Bl. 20b wiederkehrende Verweisungszeichen  (Bl. 20a ist leer). Der mit Weiter beginnende Abschnitt ist also Einschiebsel. 34 himel den 36 konige odder]

 

 

 

[Seite 447]

 

 Wie weis ich aber, das Gott ia dazu sagt? da las ich dich fur sorgen.   Weiter, Wenn der Bapst solche fursten widderumb segenet, treffen auch die  schlussel gleich zu? Wo des segens die fursten fur Gott werd sind, so treffen  sie. Wie weis ich aber obs die fursten werd sind? Da las ich sie fur  sorgen Weiter, die Bulla cenȩ dominj, so man zu Rom am grünen Dornstage  ierlich ausrufft1, trifft sie auch alles, was sie drewet? O die Bulla feylet  nicht Gott mus wol alles halten, was sie schafft, Wie weis ich, das Gott  das thun musse? Da las ich dich fur sorgen

 

[Bl. 21b] Weiter, was verkeufft yhr vns ynn den butter brieǔen vnd  ander mehr freyheiten als das einer seine nachfreundin zur ehe nemen müge  vnd dergleichen? feylet der Schlüssel nicht, so hastu mit Gott vnd ehren was  du keuffest. Jsts aber fur Gott nicht gefellig, so yrret der Schlussel vnd hasts  nicht mit Recht. Wie weis ich aber, das fur Gott gefalle vnd meine vrsach  fur yhm gnüg sey? Da las ich dich fur sorgen. Wo sind aber die hingefaren,  die auff solchen vngewissen kauff gebawet, vnd also drauff gestorben  sind? Da las ich sie fur sorgen

 

[Bl. 22a] Lieber, hatts die meinǖg, Warumb harret yhr denn nicht mit  ewrem schlussel so lange, bis yhr gewis werdet, das die Rew vmb die sunde  gnugsam sey für Gott, damit yhr nicht so feylen odder vngewis sein mustet  mit dem Ablas vnd der Absolution? Man solt ia mit Gottes befelh nicht  so vergeblich vnd leichtfertig handeln, Es ist grose sünde Desgleichen, Warumb  harret yhr nicht so lange mit der Dispensation, bis yhr gewis seid, das die  vrsachen fur Gott angenem sind vnd gefallen? Ja lieber geselle, Sünde hin,  sunde her Solten wir so lange harren, So kriegten wir nimermehr keinen  heller, kein ehre noch gewalt, vnd wurden die schlussel lengest verrostet sein,  Denn Gott schweiget stille vnd saget vns nichts dauon, ob die Rew odder  vrsache yhm gefalle odder nicht So konnen wirs auch nicht erraten vnd  mussen also, vngewis bleiben, sollen die schlussel nǔ nicht verrosten, mussen  wir also ym zweifel dahin̂ handeln, triffts so triffts, feylets so feylets wie  man der blinden kue2 spielet.

 

 Was sol ich sagen? Spielet yhr also mit vns der blinden kue, vnd  maǔset ym finsternis, So merk ich wol, das yhr bruderlich mit vns teilet,  Jhr behalt vnd braucht den treffschlussel zu vnserm kasten vnd lasst vns  den feylschlussel zum himel. Da las ich dich fur sorgen.

 

[ 1 da steht über Da 3 segens rh 4 ich (2.) dich        sie rh 8 thun steht über schaffen 9 butter briefen 10 als o 11 vnd dergleichen rh 13/14 vnd —sey rh 14/16 Wo —sorgen rh 16 Nach sorgen Verweisungszeichen auf Bl. 22a. 18 vmb steht über fur 20/21 Man —sünde rh 23/24 Sünde —her o 27 odder nicht rh 33 vnd braucht rh 34 himel haben dazu noch am Rande, aber durchgestrichen: Jsts nicht so?        sorgen. hic sequitur Kanstu sonst nichts mehr signo Dieses Zeichen ist Bl. 21b wiederholt. Hier wollte Luther also zunächst jetzt fortfahren. Er fügte aber dann erst noch das auf Bl. 22b Stehende ein.]

 

 

 

[Seite 448]

 

Weiter, [Bl. 22b] Was macht yhr denn ym fegfeur, wenn yhr die seelen  herauszihet durchs Ablas? Jsts auch gewis? Wenn Gott ym himel solchs  eraǔszihen fur recht helt, so ists gewis, Wie weis ich aber das fur Gott recht  ist? Da las ich dich fur sorgen Weiter, wenn der Bapst den Engeln gebeut,  das sie der pilger seelen, so auff der Romfart ym gulden iar sterben, gen  himel furen mussen1, Jsts auch gewis? Weil Christus die schluessel gibt allein  auff erden zu bin̂den, Vnd die Engel doch nicht auff erden sind, Jsts sache,  das Gott die Engel heisst, was der Bapst gebeut, So ists gewis. Wie weis  ich aber, das Gott die Engel solchs heisset? Da las ich dich fur sorgen.  Weiter, wenn yhr Pfaffen weyhet, Bischoffe men̂telt2 vnd Bepste krönet, vnd  keiser vnd konige salbet, Munche vnd Nonnen einsegenet, Glocken vnd kirchen,  saltz vnd wasser weyhet, Jsts auch gewis? Wo Gott gefallen dran hat, So  ists gewis. Wie weis ich aber, das Gott gefallen dran hat? Da las ich  dich fur sorgen

 

[Fortsetzung Bl. 21b] Kanstu sonst nichts mehr sagen zun sachen, denn da  las ich dich fur sorgen? Nein, Das gellt aber hastu gleichwol gewis dahin  vnd bist damit ein herr? freylich, da las mich fur sorgen. Lieber, ist das  der verstand vnd brauch der Schlussel, Nu merck ich, warumb sie sylbern  sind vnd ynn roter seiden gefurt werden, das Chr̄9̄ euch damit zu Herrn3  Aber seiner kirchen kein nutz sondern schaden damit gestift Meinet yhr denn  ynn aller teuffel namen, yhr verzweiffelten leüt verrether vnd Gotts  lesterer, das der Christen seelen, alte karten bletter sind, das yhr damit  spielen mugt, wie es euch gelustet, die doch Gottes son, so theǔr, durch sein  eigen blut erarn̂t hat? Was haltet yhr Gott anders, denn einen affen?  Was haltet yhr die leute an̂ders denn gemalete gotzen? Aber wer kan hie  gnug zornen vnd fluchen? Gottes zorn vnd fluchen mus dazu komen, Es ist  die Bosheit zu hoch vbermacht

 

 Wenn ich odder vnser einer solchs hette gesagt vnd geleret, das des  Bapsts Schlussel vngewis were vnd [Bl. 23a] kunde feylen, hilff Gott welch ein  geschrey solt da worden sein, da hette himel vnd erden einfallen wollen, das  weren die ergesten ketzer auff erden, die der kirchen gewalt wolten schwechen  vnd zu nicht machen, da sollts geblitzt vnd gedonnert haben, mit bannen vnd  verdamnen. Nǔ sagen sie es selbs, bekennen fein daher, Das die Absolutio

 

[ 6 allein o 7 binden vnd nicht ym 11/12 Munche —weyhet rh 14 sorgen Wir sind gleich wol herrn damit vnd kriegen das gellt vnd gut der wellt ¶ Kanstu sonst nichts ad signū , womit auf Bl. 21b verwiesen wird. 17 vnd —herr o 19 ynn roter seiden c aus ym Roten felde 19/20 das —gestift rh 21 leüt steht über wellt 21/22 Gotts lesterer steht über himel schender 24 blut erworben 25 gemalete steht über todte 28 solchs o 30 sein als]

 

 

 

[Seite 449]

 

 ynn der beicht mislich sey, Vnd wo die rew fur Gott nicht gnugsam ist, da  sey sie nichts, Vnd konnen doch nimmer mehr anzeigen welche rew, vnd, wenn  sie gnug sey, daraus denn folgen mus, das der Bapst, so lange solche feylschlussel  gestanden, noch nie keinen menschen absoluieret habe, vnd kurtz vmb,  keinen schlüssel noch schlussels brauch gehat. Sondern mit dem feylschlussel  vnd vngewisser absolution die helle gefullet so viel als an yhm ist. Denn  vngewisse absolution ist eben als kein̂e absolution. Das heisst die leute fein  zu Christo gefuret, Das heisst die Christliche kirche regieren, Das heisst, den  glauben vnd Gottes wort geleret, Vnd dennoch dafur der wellt guter geraubt.

 

Also auch mit dem Ablas, weil es auff der menschen rew vnd beicht  stehet, So hat der Bapst, so lange das Bapstum gestanden, nie keinen tag noch  stunde ablas gegeben, vnd sind seine gulden iar die aller grosseste reuberey  vnd buberey gewest. so auff erd komen ist Denn vngewisser ablas ist  kein Ablas

 

[Bl. 23b] Vngewis mus er aber sein, weil die rewe vngewis ist, darauff  er stehet, Denn wer wil sagen das er wisse, Sein̂e Rewe seÿ fur Gott gnug sam?  Ja welche Rewe kan fur Gott gnug sein on des einigen mitlers vnd heilands  Jhesu Chr̄ī der allein fur vns alle gnug gerewet vnd gnug gethan  hat? Da sihet man ia klerlich, das ym Bapstum nichts anders denn vnßer  vngewisse werck geleret sind, vnd gar nichts der glaube vnd aller dinge nicht  gewisses, So hefftig, das sie auch Gottes wort, werck schlussel vnd alle derselbigen  kraff vnd nutz auff solche vngewisse menschen werck gebawet vnd  gegrundet haben, Wie sollte da Christus reich bleiben? Wie solte da Christus  wort vnd glaube nicht vntergehen? Wie solte da das liebe Euangelion nicht  vnter die banck ia ynn abgrund verstossen sein? Denn wer auff seine werck  bawet, der mus Christum verleǔgnen vnd dennoch seine werck vngewis vnd  verloren haben. Vnd hie bawen sie nicht allein auff menschen werck, sondern  setzen auch Gottes gewalt werck vnd ordnung sampt aller seiner krafft vnd  nutz, auff solche vngewisse werck.

 

[] Also auch mit der dispensation butterbriefen vnd dergleichen Weil sie  sich grundet auff die vrsachen, ob die selbigen fur Gott gnugsam seien odder  nicht, Vnd kein mensch dasselbige mag wissen, So hat der Bapst sein lebtag  noch nie keinen rechten butterbrieff noch einige gewisse dispensation gegeben,  Denn [Bl. 24a] vngewisse dispensation ist keine dispensation, Gott ist gewis vnd  warhafftig, vnd wil mit keiner vngewissen sachen zu thun haben, Es mus  [Jak. 1, 6 f.] alles gewis sein, was er thut vnd was fur yhm gelten Sol, wie Jacob. 1.

 

[ 1 beicht nichts        wo sye        ist steht über sey 3 sey o 5/6 dem —vnd rh 6 so —ist rh 9 vnd Gottes wort rh        dennoch rh 12/13 vnd —ist (1.) rh 18 gnug rh 20 vngewisse o 20/21 vnd (2.) —gewisses rh 21/22 derselbigen rh 22 vngewisse o 24 vntergehen steht über verdunckelt werden 25 banck ge 26/27 vnd (1.) —haben rh 28 setzen o 29 vngewisse o 30 dispensation vnd        vnd dergleichen rh 31/32 odder nicht o 36 vnd gethan haben wil]

 

 

 

[Seite 450]

 

 sagt Man solle nicht wancken noch zweiǔeln denn wer da wanckt vnd zweiuelt  der dencke nǔr nicht, das er ettwas von Gott empfahen werde. Was leren  aber diese feylschlussele anders, denn wancken zweiǔeln vnd vngewis sein̂? Ja  sie leren den vnglauben Christum verleugnen verzweiueln vnd verdampt  werden, Denn wer nicht gleubet der ist verdampt, Vnd was nicht aus glauben  geschicht, das ist sünde, Nu ver mugen sie ia nicht gleuben, weil der schlussel  mit seiner krafft auff vnsern vngewissen wercken auff vnser vngewissen  Rew, auff vnserm vngewissen thun vnd sachen stehet, Denn wer kan gleuben  auff sein eigen werck Rew vnd sachen? Niemand denn wer do vngleubig ist  vnd Christum verleugnet hat, Sintemal vnser werck sind ia nicht Gottes wort  [] noch verheissunge, Nu Zeuch hin gen Rom, hole Ablas, gib gelt vnd las mit dir  dispensiern, Nu werde pfaff, Nu las dich weihen vnd werde Bischoff, so kompstu  recht an, Das du nicht weisst, Was du bist odder was du machst odder hast.

 

Sihe, das leren sie von sich selbs vnuerschampt, vnd mus alles artickel  des glaubens sein Wers nicht mit halten wil, der mus ketzer sein vnd  brennen Widderumb, wo wirs sageten vnd lereten, das yhr schlussel ein  solcher vngewisser feyl schlussel were, da musten wir noch erger ketzer sein.  Was sol [Bl. 24b] man doch mit diesen verdampten lugenern machen? Fur den  leuten, wollen sie es gegleubt haben, das eitel gewis ding vnd treffschlussel  sey, was sie binden vnd losen Trotz der anders sage, Aber bey sich selbs, sagen  sie, der Schlussel feyle, vnd sey kein gewisser treffschlussel da, Warumb das?  Darumb. Wenn die leute gleuben, es sey eitel gewis ding so dienet es dazu,  das wir gellt vnd den rechten treffschlussel zu der gantzen wellt kasten kriegen,  Wenn wir aber bey uns selbs wissen, das vngewis vnd eitel feyl vnd lugen  ist, so dienet es dazu, das wir dem teuffel mit der Christen seelen die helle  fullen vnd Christo sein Reich wuste machen, Denn warumb sollt er vns sonst  [] die schlussel gegeben vnd zu solchen Herren gemacht haben? Jch mus hie das  exempel von dem itzigen Bepstlichen Legaten Cardinal Campegio anschreiben,  der lesst sich horen zu Augsburg, der Bapst mochte vielleicht dispensieren  odder erleuben, die beider gestallt des Sacraments, vnd die pfaffen ehe, Aber  Munche vnd Nonnen freyen lassen, das konne er nicht thun, er thetts denn  mit dem feylschlussel1, Vnd ist fein geredt, das der Schlussel mag feylen odder

 

[ 1 zweiǔeln ob 3 wancken vnd 4 den —verleugnen rh        vnglauben sundigen 6 ver o 7 mit seiner krafft rh vngewissen (1.) o        vngewissen (2.) o 8 vngewissen o stehet c aus stehen 9 auff steht über an        vnd o        wer do steht über der 11/13 Nu — hast rh 13 du (1.) aus 15 mit halten rh 17 feyl rh        da steht unter der        musten c aus muste        wir u 19 gewis — vnd rh 20 sie binden        Trotz — sage rh 21 feyle c aus muge feylen 22 es sey steht über das        so steht über sey, das        es (2.) o 23 das wir den zu yhm        der —wellt rh 24 bey — selbs rh 25 so steht über das        es o 28 Bepstlichen rh        Campegio zu A[ugsburg] 32 odder nicht]

 

 

 

[Seite 451]

 

 yrren, Vnd nicht der Bapst, Sondern wenn sie yrren, So mus der Schlussel  geyrret haben, vnd mus nicht der feyl Bapst, sondern der feylschlussel [Bl. 25a]  heissen, weil der Bapst gar viel hoher vnd heiliger ist, denn Gott selbs, mit  seinen schlusseln vnd wort, Jch acht aber, das die Walhen vns deüdschen nicht fur  narren halten, sondern schlecht fur narren kappen, odder fur gemalete leute an  der wand, darumb sie auch so sicher faren, das sie dencken, Wenn einem Cardinal  ein bombart1 entfure, So were den deudschen ein new artickel des glaubens geboren2

 

Denn siehe doch hie, Dieser Cardinal gibt fur, Es sey ein yrthǔm des  feylschlussels, so der Bapst, den Munchen vnd Nonnen die ehe zuliesse, Vnd  der Bapst hatts doch offt gethan, Vnd hat recht mussen heissen vnd kein yrthum  sein, wie man weis, Vnd wenn ich solchs einen yrthum spreche, So hette ich  dem Bapst seine gewalt gelestert, Aber weil es ein Cardinal sagt, so ists  wol geredt, So gehet man mit vns vmb, Wenn sie wollen, so ists ein feylschlussel,  Wenn sie wollen so ists ein treffschlussel, Gestern Ja, Heǔte Nein,  Jst gleich viel, die deǔdschen mussens doch wohl gleuben, Wo sind aber die  hingefaren, die der Bapst also aus den klostern ynn die ehe hat komen lassen,  weil sie gegleübt haben, Es sey Recht gewesen vnd der Bapsts habs macht, So  nu sein Cardinal sagt, Es sey vnrecht? Was [Bl. 25b] fragt Bapst vnd Cardinal  darnach? Jst gnug, das die leute gegleubt haben, Es sey dazu mal recht  gewesen, Aber itzt widderumb gleuben mussen, Es sey nicht recht

 

Wolan lasst die verheyten3 buben liegen vnd triegen, Sie sind keiner  andern tugent werd, Wollen sie nicht dispensirn odder erleuben, das ist yhr  vngewisse lugen verkeuffen das sie es lassen, Der teuffel bitte sie drumb, an  meiner stat, Er thu ynn seine dispensation vnd henge sie an den hals4  Jch wills vngedispensirt vnd vnerleubt haben, Sie sollens vns widdergeben  mit schanden, was sie vns so lesterlich geraubt haben, als die Gotts diebe  vnd morder, vnd keinen danck haben, Kan der Bapst vmb gellt die Munche  frey lassen, so kans das Euangelion vmb Gotts willen auch thun, denn ynn  vnserm glauben ist das Euangelion viel grosser als der bapst Ja lieber  Legat kom her mit deiner dispensation vnd vrlaub Was vns Gott gebeǔt vnd  heisst, da wollen wir dich vmb fragen, ob du es vns zu thun, erleuben  wollest, vnd deinen stuel vber Gottes stǔel setzen deinen vrlaub vber Gottes  gebot heben Wir wollen dich beschmeissen vnd an die sonne setzen5, odder

 

[ 2 mus o 3 vnd heiliger o 5 an ad an 11 einen yrthum rh 15 Jst c aus Jsts 19 dazu mal stand ursprünglich hinter leute 20 mussen o sey nicht mehr 22/23 das —verkeuffen rh 22 yhr steht über vns 24 Er —hals rh 26 als rh        Gotts o 27/29 Kan —bapst rh 30 kom c aus kompt        deiner steht über ewr 31 dich steht über euch        du es steht über yhrs 32 wollest c aus wollet deinen (1.) steht über ewrn        setzen rh        deinen (2.) steht über ewren 33 dich steht über euch]

 

 

 

[Seite 452]

 

 eine krone auff deinen Roten hut hefften, von sew violen, die sie vnter den  zeǔnen aufflesen.1 Solcher ehren bistu wol werd fur deine lesterliche vnd  verfluchie vngewisse dispensation odder vrlaub, Der Endechristissche turck ist  noch ymer dahinden, vnd wil mit seinen vngewissen lugen vber Gott vnd  sein wort herrschen, vnd allein Gott sein̂, Aber es ist aus, das man speck  auf kolen brett2, ob Gott wil.

 

[Bl. 26a] Da haben wir nǔ die frucht, so da folget, nach yhrem eigen  bekendnis aus dem verfluchten lugen verstand, das, Binden, solle heissen, Gesetz  stellen, nemlich die frucht, das alles ynn Bepstlichen regiment, durch vnd durch,  vngewis ist, was er handelt, denn er weis nicht, ob er recht bindet odder loset  So sind seine vnterthan vngewis ob sie recht gebunden odder los sind, recht  [Matth. 15, 14] leben odder thǔn̂ Vnd furet also ein blinder den andern, vnd fallen beide ynn  die gruben, Vnd ist auch nicht wunder, Denn wer eine lugen vnd vngewissen  verstand zum gründe legt, was kan der anders drauff bawen, denn lugen  vnd eitel vngewis ding? Also stehet yhr lere nicht anders Denn das man  mus vngewis seyn, beide des bindens vnd losens, das ist so viel gesagt,  Niemand sol gleuben sondern yderman sol vngewis sein, beide mit leben vnd  thun, mit worten vnd wercken Was ist nǔ seine kirche anders, denn eine  zweifel kirche? Denn er leret vnd heisst sie zweiǔeln vnd vngewis sein, Jsts  ein zweiuels kirche, so ists nicht des glaubens kirche, So ists auch nicht eine  Christliche kirche, So mus es eine vnchristliche, glaublose, Endechristissche kirche  sein, welche, die rechte glaubige Christliche kirche verstoret, Vnd beweisen vnd  zeugen hie mit yhrem eigen maǔl, das der Bapst sey der rechte Endechrist.  Denn es mǔs ia der hohest grewel aller lesterung sein, Mit dem gewissen  wort Gotts vngewis han̂deln vnd damit geückelwerck treiben, vnd Gott fur  einen lugener vnd gaǔckler halten, wie sie thun Also solls gehen alle denen  die Gottes wort, so vom glauben leret, furen auff yhre gedicht, das sie vom  felsen fallen vnd auff den sand bawen, ein verloren gebew

 

[Bl. 26b] Darumb, weil die wort nicht geben, das Binden solle heissen,  gesetz stellen, Vnd Christus meinūg nicht leidet, der sie nicht gesetzsschlussel,

 

[ 1 deinen steht über ewrn 2 bistu steht über seid yhr        Nach werd fuhr Luther ursprünglich fort: mit ewre, korrigierte dann: vmb deiner lesterlichen vnd verfluchten dispensation willen, endlich wie oben. 3 vngewisse o 4 mit —lugen rh 6 Nach wil das Bl. 26a oben wiederkehrende Verweisungszeichen  7/8 nach —bekendnis rh 9 durch vnd durch stand ursprünglich hinter handelt 10 recht rh        loset dazu am Rande in kleiner Schrift: Quia reuera vtraque clauis est incerta 11/12 recht —thǔn̂ rh 12 thǔ^ c aus? 13 auch o 15 stehet steht über ist 16 mus steht über musse vnd solle        beide c aus beides 16/18 das —wercken rh 24/26 Denn —thun rh 27 die steht über so 28 fallen vnd rh 30/453, 1 der —nennet rh 30 sie o]

 

 

 

[Seite 453]

 

 sondern himelschlussel nennet dazu, das wesen an yhm selbs da widder ist,  als das eitel vngewis vnd zweiuel draus folget, So sind wir gewis, das der  Bapst diesen spruch felschlich hat auf seine Gewallt gedeutet, das er gesetze  stellen muge, vnd ist ein rechter ertzboser verstand des teuffels, Des gleichen  der ander verstand, das Binden vnd losen heisse, sunde behalten vnd vergeben  ist wol recht, Aber noch haben sie yhn auch nicht lassen auff dem felsen  bleiben, sondern auf den sand gesetzt. Denn sie grunden solch binden vnd  losen, nicht auff Gottes wort, sondern auff vnser vngewisse rew vnd verdienst,  Vnd gleich wie sie ihenen lugen verstand ertichtet vnd auffgericht,  Also haben sie diesen rechten verstand verderbet vnd niddergeschlagen, auff das  sie ia eine volkomene teuffelskirchen weren vnd nichts vnuerderbt liessen,  Sondern die kirche voll grewel machten, dafur sie leib vnd gut aller wellt  [] verschlingen vnd die helle mit seelen Er fülleten [Bl. 27a] Aber, du lieber  Christ, solt auffs erst ia das fest halten, das Christus keinen feylschlussel  gegeben hat, Vnd das seine schlussel nimer mehr yrren, Vnd hut dich fur yhren  lugen, lestern vnd greweln, darauff yhr Bepstlich pracht ist gebawet Denn  sie sind blind vnd tol, verstehen selbs nicht was sie sagen, viel weniger was  die wort Chr̄ī wollen Denn weil das gewis ist, das die Schlussel Gottes  befelh, ia Gottes wort selbs sind, So kann man on lesterunge nicht sagen, das  sie yrren, feylen odder vngewis seien, Gleich wie das Euangelion ist auch  Gottes wort, das predigampt ist Gottes befelh, Wer nǔ sagt, das sein wort  odder Eüangelion feylen, yrren, vngewis sein mocht, der lestert ia Gott selbs,  Also auch, Wer do sagt, das sein befelh odder predigampt yrren, feylen, vngewis  sein muge, Der lestert Gott auch Darumb las das wort, Clauis Errans,  feylschlussel, ein verflucht, verdampt wort sein vom teuffel selbs erticht vnd  ynn die Christenheit geworffen, damit er den glauben an Christo verstoret,  allen trost vnd rat vnsers gewissens weg genomen hat, Denn  vnser seel odder gewissen mus warlich des gar trefflich gewis sein,  darauff sie sich bawen, verlassen vnd trosten sol widder die sund  vnd ewigen tod. [Bl. 27b] Nu mus sie sich warlich auff die schlussel lassen,  dadurch sie losgesprochen wird, vnd vergebung der sunden kriegt, Sott aber das  vngewis sein vnd feylen, so must sie warlich ewiglich verzweifeln vnd verderben

 

Zum andern, halt das auch ia fest, das du die schlussel odder absolution,  [] ia nicht bawest noch grundest auf deine Rew oder werck, wie ihene verkehrer  thun Sondern widder synnisch1, soltu deine rew odder werck, ia dein hertz vnd  dich selbs, mit allem erwegen2, auff die schlussel odder absolution bawen,

 

[ 8/9 verdienst H 9 lugen rh, daneben noch falschen, eins von beiden sollte wegfallen 12 kirche steht über wellt        kirche dafur        gut ver 15 seine steht über solche 22 mocht, od[der] 25 erticht vnd rh 26/30 damit —tod unterstrichen 30 die steht über solche        lassen darinn 35 thun dazu am Rande: Hoc est anabaptisticum]

 

 

 

[Seite 454]

 

 Vnd bey leibe vnd seelen verlust, ia nicht zweiueln, Es sey gewis, was dir  die schlussel sagen vnd was die Absolütio gibt, nicht anders denn als rede es  Gott selbs, wie ers denn gewislich selbs redet, denn es ist sein wort vnd  befelh, vnd nicht eins menschen wort, noch befelh, Wo du aber zweiǔelst, so  lugenstraffestu Gott, wie die papisten, vnd verkerest auch Gottes ordnūg vnd  bawest seine schlussel auff deine rew odder auff deine werck, Rewen soltǔ das  ist war Aber nicht drauff trawen noch bawen, Vnd las die lere auch verflucht,  verdampt vnd vom teuffel selbs erdacht sein, die vns leret auff vnser  Rew trawen, vnd die Schlussel odder absolution, durch vnser rewen, gewis  [Bl. 28a] machen. Denn damit wird der glaube auch verstoret, vnd Christus  blut zu nicht vnd alle vnser heil vnd trost, vngewis vnd zu wasser gemacht.

 

Lieber Gott, vnser gifftige natur, ist von yhr selbs allzǔ seer geneigt,  auff yhr eigen werck zu trawen vnd sich yhres thuns zu trosten vnd zu  frewen, Widderumb aus der massen schweer, ia, on gnade Gottes, vmmuglich  das sie sich on alles verdienst vnd werck, erheben vnd er schwingen solle, blos  vnd lauterlich an Gottes wort vnd seine schlussel zu hengen, vnd derselbigen  sich trosten, Was solls denn thun, wo man solchs dazu noch leret vnd gebeut,  dahin sie geneigt ist, vnd dem wehret dem, dazu sie vngeneigt vnd vnuermugens  ist, da sie Gott zü seiner schlussel werck foddert, Es ist nicht zur  grunden, was schadens solche lesterliche lere von den schlusseln gethan habe.  Es meinet vnd hoffet vnser herz ymerdar, wenn es Rewe hat, so solle sich  Gott damit bezalen, und yhm gefallen lassen, vnd dadurch die sunde vergeben,  das Rewen wolt es gern ein gros werck fur Gott angesehen haben, Aber es  ist verloren, Rewen on schlussel ist verzweiǔeln du must hoher komen, Denn  yns rewen, nemlich, die schlussel Gottes vnd absolution ergreiffen. Da ist  kein ander hulffe, rat noch trost

 

[] Darumb denck vnd lern diese wort an̂ders, [Bl. 28b] denn die Papisten  verstehen, da Christus spricht, Was yhr bindet vnd loset auff erden, das sol  gebunden vnd los sein ym himel, Da horest du, das er gewis, gewis zusagt,  Es solle gebunden vnd los sein, was wir auff erden binden vnd losen, Er  spricht nicht (wie die papisten sein wort verkeren) was ich ym himel binde  vnd lose, das solt yhr auff erden binden vnd losen, Spricht auch nicht, Harret  so lange bis yhr erfaret, was ich ym himel binde odder lose, Spricht auch  nicht, yhr sollet wissen, was ich ym himel binde odder lose Sondern so  spricht er, Bindet vnd loset yhr auff erden, Thut der schlussel werck, so will  ichs auch thun, Es sollen einerley schlussel sein, mein vnd ewr, Einerley werck,

 

[ 1 nicht steht über daran nicht 3 denn (1.) o 6/7 das ist war rh 8 teuffel c aus teuffels auff o 9 vnser trawen auff die 11 nicht gemacht 12 allzǔ seer rh 13 zu (1.) o zu (2.) o 15 das —on steht über das sie sich solle blos on        er o 17 vnd gebeut rh 18 dem (2.) o 18/19 sie (2.) —sie rh 19 zü steht über durch        seiner c aus seine foddert c aus? 21 vnd hoffet rh 25 Gottes rh 35 Bindet yhr 36 ichs c aus ich        schlussel vnd]

 

 

 

[Seite 455]

 

 mein vnd ewrs, Wartet ewrs wercks, so geschicht meins auch Er verpflicht  vnd verbindet sich an vnser werck, Ja er befilht vns sein werck, vnd wir  solltens noch vngewis machen odder vmkeren vnd furgeben, Er musse vorhin  ym himel binden vnd losen, gerade als were sein binden ym himel ein  anders denn vnser binden auff erden, odder als hette er ander schlussel droben,  denn diese auff erden, So er doch sagt, Es seyen schlussel des himelreichs vnd  kein andere, denn diese hie auff erden, Er kan nicht vber des himelreichs  schlussel, noch andere haben, die nicht ym himel, sondern vber odder ausser  dem himel schliessen? Was sollen sie da machen?

 

[ [Bl. 29a] Solche gedancken komen daher, das man Gotts wort nicht fur  Gottes wort hellt, sondern weil es durch Menschen gesprochen wird, so sihet  man es eben an als werens menschen wort, Vnd gaffet denn hinauff gen  himel vnd tichtet noch andere mehr schlussel. Vnd Christüs spricht doch hie  klerlich, Er wolle Petro die schlussel geben, Sagt nicht, das er zweyerley  schlüssel hab, sondern die schlussel, so er hat, die gibt er Petro, als sollt er  sagen. Was gaffestu gen Himel nach meinen schlusseln? Horest du nicht,  das ich sie auf erden gelassen vnd Petro gegeben habe? Du solt sie nicht ym  himel, sondern ynn Peters mūde finden. Da habe ich sie hin gelegt. Peters  mund ist mein mund, sein ampt ist mein ampt, seine schlussel sind meine  schlüssel Jch hab kein andere, weis auch von keinen andern, Was die binden,  das ist gebvnden, was die losen, das ist los, sind ettwa ander schlussel ynn  himel erden odder helle die gehen mich nichts an frage auch nichts darnach,  was sie binden odder losen, drumb kere du dich auch nicht dran, vnd lasse sie  dich nicht yrren, hallt dich an Petrus, das ist, an meinen schlusseln, die  binden vnd losen ym himel, vnd sonst keine, Sihe, das ist recht von den  schlusseln gedacht vnd geredt. Aber ihene ander meinūg ist gewaltiglich eingerissen  [Bl. 29b] vnd hat diese meinūg gantz geschwecht vnd verdunckelt.

 

Nü wollen wir die wort fur vns nemen von den Schlusseln Vnd erstlich  was die schlussel sin̂d wie wol viel daruber sich bemuhet, So ist doch hie leicht  vnd einfeltig mit Christo beschlossen, das Schlussel sey ein ampt odder macht,  [Matth. 9, 6] die sunde zu behalten vnd züüergeben, Denn also spricht Chr9 Matth. .9.  Auff das yhr wisset, das des menschen son macht hab auff erden, die sunde  [Matth. 9, 8] zu vergeben, sprach er zum Kichbruchigen Steh auff &c., Vnd bald darnach  Vnd das volck preysete Gott, der solche macht den menschen gegeben hat,  Vnd hie las dich nicht yrren das phariseisch geschwetz, da mit ettliche sich  fast bekummern, wie ein mensch muge, svnde vergeben, so er doch die  gnade nicht geben kan noch den heiligen geist Bleib du bey den worten  Chr̄ī vnd las solche gedancken faren, Vnd sey gewis, das Gott kein an̂der  weise hat noch haben wil, die sunde zuuergeben, denn durch das mūdliche

 

[ 4 ym himel (1.) rh        ym himel (2.) rh 7 hie o 13 mehr o 20 schlüssel rh 21/22 ynn —helle rh 27 hat o 29 wol man 35 phariseisch rh steht unter Judissche rh        mit o]

 

 

 

[Seite 456]

 

 wort, so er vns menschen befolhen hat, Wenn du die vergebung nicht ym  wort suchst, da sie Gott hingelegt hat, so wirstu vergebens gen himel nach  der gnade odder (wie sie sagen) nach der ynnerlichen vergebung, gaffen

 

Sprichstu aber, wie die Rottengeister vnd papisten geifern, Ja horen  doch viel das wort vnd die schlussel vnd [Bl. 30a] haben doch keine vergebung,  drumb mus ettwas anders da sein, denn das wort vnd die schlussel der  geist, geist, geist mus thun Horestu wol, was ich dir sage. Wir reden itzt  nicht, Wer die vergebung kriegt, odder wer sie nicht kriegt, das ist alles ein  ander rede, Wir reden daǔon, Wo vnd wo durch man die Vergebung kriege,  Wir wissen fast wol, das nicht alle die vergebung kriegen, so das wort  horen, Aber das wissen wir auch widderumb, das Wer sie kriegen sol, der  kan vnd mǔs sie nirgent anders, denn durchs wort vnd mit dem wort  kriegen, Vnd mussen das wort nicht drumb verachten, noch vntuchtig rechen,  vmb boser leüte willen, die solche vergebung ym wort nicht annemen, Es ist  nicht des worts schuld, sondern yhrs vnglaubens, Solt nǔ yhr vnglaub  [Röm. 1, 18] Gotts wort auffheben odder vntuchtig machen, sagt Paulus Ro .1.? kriegen  sie es nicht, fo kriegens andere, Denn es ist beschlossen, das Gott wil die  sunde erlassen, gnade vnd geist geben, Durch sein eusserlich mundlich wort,  das er vnd menschen befolhen hat, Vnd suche nǔr niemand keinen andern  weg, noch weise, odder sey ewiglich verloren, Denn Christus wird vns nicht  [Matth. 18, 18] liegen, da er sagt, Was die Apostel binden vnd losen, solle gebunden vnd los  sein, Die Apostel sind menschen vnd reden mundlich, noch binden [Bl. 30b] vnd  losen sie mit solchen mündlichen reden, Vnd heisst gebunden vnd los sein ym  himel, Da bleib bey

 

So sind nu die Schlussel nichts anders, denn ein Gottlicher befelh odder  Gottlich wort, darinn Christus befilhet odder macht gibt, seiner kirchen, die  sünden zu behalten vnd zuuergeben, himel zu schliessen vnd auff schliessen,  die sunder binden vnd losen, Denn er setzt alle beide stuck, Binden vnd Losen,  das erst, Bin̂den, odder sunde behalten, ist die macht odder ampt, den sunder  zu straffen, drewen, vnd yhm verkundigen den zorn vnd vngnade Gottes, das  er ewiglich verdampt vnd nimermehr nicht selig solle werden, Vnd auch ein  solch vrteil vber yhn fellen vnd schliessen, Welchs denn heisst ynn ban̂n thun̂  vnd dem teuffel vbergeben, Vnd wenn das geschicht, so sol es eben so viel  gelten, als hettes Gott selber gethan, Vnd ist gewislich verdampt, Es dienet  aber solch binden dazu, das dem sunder seine sunde offenbart, er vermanet  werde zur furcht Gottes, vnd erschreckt vnd bewegt werde zur büsse vnd nicht  zum verderben. Vnd treibt also dieser schlussel vnd richtet aus das ampt des  gesetzes, das auch die sunde zeigt vnd zur furcht Gottes treibt, der ander schlussel

 

[ 1 vns rh 5 vnd —schlussel u 6 vnd —schlussel rh 10 fast rh 12 kan vnd rh 14 wort verachten 18 erlassen steht über vergeben        sein rh 29 ist nicht 30 verkundigen die v[ngnade] 31 ewiglich o        nimermehr o 36 erschreckt —werde rh 37 vnd —aus rh 38 der an Der]

 

 

 

[Seite 457]

 

 treibt vnd richtet aus des Euangelij ampt, lockt zur gnade vnd barmhertzigkeit,  trostet vnd verheisst, leben vnd seligkeit, verkundigt vergebung der sunden, Vnd  schleusst auch das urteil [Bl. 32a] vber den sunder, das seine sunde los vnd weg  sind, der himel offen vnd die helle zu sey, vnd bringt yhn zu Gott [Bl. 31b]  Vnd ist hie mit grossem vleis drauff zu sehen, das man dem exempel vnd  wort Christi nach, ia nicht einen schlussel on den andern, Sondern alle beide  zusamen lere, vnd fasse, damit wir nicht die seelen plagen, wie vnter dem  Bapstum geschehen, da der liebe Löseschlussel so verschwigen vnd seine krafft  so gar verborgen war, das yderman den schlusseln must fein̂d werden, vmb  der grewlichen tyranney willen des Bindeschlussels, Denn yhr lere war die,  das ein mensch solte seine sunde bedencken vnd zusamen lesen, dadurch eine  rewe zu machen durch die furcht der hellen &c. vnd selbs gnade verdienen  vor den schlusseln Vnd war doch vmmuglich alle sunde zu bedencken Dazu so  lereten sie allein die gemeinen groben sunden bedencken, Der grossen starcken  sunde als vnglaube, Gotts verachtung vnd dergleichen ym hertzen, verstunden  sie keine Offt auch die stucke, so gar keine sunde waren wie droben gesagt  Hie liessen sie es bleiben, gerade als were solch furchten vnd schrecken gar  gnug zur busse, da ward nichts von Christo vnserm mittler, nichts vom trost  der schlussel, nichts vom glauben, sondern allein von der vntreglichen marter  der beicht, gnug thuūg vnd vnser werck gep̄digt, dazu aller heiligen furbitt,  aller pfaffen mess, aller munche verdienst helfen musten, Vnd war doch ia  eine verfluchte schendliche busse, ia ein lauter verzweiueln [Bl. 31a] vnd anfang  der hellen, Welche busse, da ich sie verdamnet, verdienet ich durch Bepstliche  Bullen so viel, das ich ketzer heissen mus,

 

Aber man mus dem sundigen gewissen auch den loseschlussel furhalten,  auff das er nicht allein furcht, (wie sie lereten) sondern auch trost empfahe.  damit die busse aus lust vnd liebe mit willen werde angefangen, Denn bussen  on liebe vnd lust zur gerechtigkeit, das ist, zur gnade ist, das ist Gott vnd  allen seinen worten feind sein, lestern vnd fluchen ym herzen, Vnd wer  wollt gern bussen, wo er nicht hoffnūg vnd gewissen trost fur sich hette der  gnaden, vnd also durch die lust vnd liebe, vom loseschlussel empfangen, das  schrecken durch den bindeschlussel eingetrieben, muge misschen, lindern vnd  ertragen, das ist denn eine rechtschaffene busse, die Gott nicht flucht noch feind  ist, sondern lobet vnd liebet mit furcht vnd zittern, Die gefellet denn Gott  wol, vnd schafft rechtschaffen hass vnd feindschafft widder die svnde, da sonst

 

[ 4 Nach Gott das auf Bl. 31b verweisende Zeichen ÷÷÷. Bl. 31 enthält also ein Einschiebsel. 5 drauff o 10 war erstlich 11 lesen o 12/13 vnd —schlusseln rh 16 Offt c aus?        wie —gesagt o 17 schrecken zu weilen auch ertichtet 20 beicht vnd        vnd —werck o 22 Nach verzweiueln unten am Fuße der Seite: Vertatur retro, also Rückverweis auf Bl. 31a 23 hellen bey vnter yhn        busse o 25 loseschlussel mit 27 angefangen Denn wer 28 gnade das ist (2.) versehentlich nicht mit durchgestrichen 29 vnd verachten 30 hoffnūg vnd rh        fur sich rh 32 misschen, ver 33/34 nicht —sondern rh]

 

 

 

[Seite 458]

 

 die furcht vnd das sunde bedencken, eitel hass vnd feindschafft erregt widder  Gotts gebot, Dis (sage ich) mus man wol mercken, das die Schlussel ia aneinander  bleiben, Viel sind, die es nicht wissen, So achtens die papisten gar  nicht, Auch ob sie es horen, so konnen sie es nicht verstehen

 

[Fortsetzung Bl. 32a] Da sind nǔ zwey Stück odder ampt, die alle beide vber  alle masse not sind, vnd dafur man Gott nimer mehr voldancken mag, denn der  Bindeschlussel, odder sunde verdammen, obs wol dem fleisch schrecklich vnd den  bosen leuten verdrieslich ist so ists yhn doch uber die massen nutze vnd gut,  das sie nicht allzu frech vnd frey, ynn sunden verderben, sondern sich fur  solcher ruten furchten, vnd zu letzt sich bekeren mussen, Auch wo der binde  schlussel nicht were, so kundten die Christen fur sich selbs nicht sicher sein,  vnd muste beide Loseschlussel, Euangelion, glaube vnd kirche zu grund gehen,  Denn wo keine straffe noch furcht da were, so wurden die rechten Christen fur  den falschen Christen keine ruge haben, vnd nirgent bleiben noch fort kon̂n̂en.  Hatts doch also noch muhe, wie scharff vnd gros solche straff vnd drewen ist.  Darumb ist dieser eisern vnd harter schlussel den frumen Christen ein grosser  trost, schutz, maur vnd burg, widder die bosen, Vnd doch daneben den bosen  auch ein heilsame, ertzney, nutz vnd frumen, Derhalben wir billich alle beide  schlussel von grund vnsers hertzen sollen lieb haben, kussen vnd hertzen, als  vnser zween vnaussprechliche schetze vnd vm messlicher reichtum der seelen

 

[Bl. 32b] Aus diesem siehestu nǔ, das die Schlussel ein ernst ding sind,  vnd nicht mit wercken vmbgehen, noch auff vnser werck sich grun̂den, auch  nichts von wercken, der gnugthuung sagen, wie die papisten yhr binden lugenhafftig  deuten Sondern sie foddern den glauben, Denn der Bindeschlussel wil,  das man seinem drewen, vnd vrteil gleube, vnd dadurch Gott furchte, Vnd  wer yhm gleǔbt, der hat mit solchem glauben diesem Schlussel gnug gethan,  Vnd ist kein ander werck, das er foddere, Darnach wird solcher glaube wol  werck thun Also der Loseschlussel wil, das man seinem trosten vnd vrteil  gleube, vnd da durch Gott liebgewinne, ein frolich, sicher fridlich hertz vberkome,  Vnd wer yhm gleubt, der hat mit solchem glauben, diesem schlussel  gnug gethan. Vnd ist kein ander werck, das er fordere Darnach wird solcher  glaube wohl gute werck thun, Sihe, solchs hat man nicht gelernt, noch  gewust ynn dem Bapstum, Solchs glaubens vnd was er grosses schafft haben  sie gar geschwiegen, vnd die schlussel die Gotts wort vnd befelh sind auff  menschen werck gegrundet, So doch vnser glaube auff die schlussel solt on alle  werck gebawet sein,

 

 

[ 6 der steht über das Bindeam[pt] 7 den sun[dern] 8 ist o 10 binde o 13 furcht were 14 bleiben noch rh        kon̂n̂en c aus komen 15 Hatts doch steht über Vnd hat 20 vnser rh        um messlicher u 22 vnser rh 22/24 auch —deuten rh 23 binden schen 25 vnd vrteil rh 26 diesem steht über dem 33 Solchs steht über des        vnd —schafft rh 34 gar o die (2.) —sind rh 36 sein, So grunden sich die Schlussel selbs auch auff Gottes wort, Weil sie der selbige heisst schliessen, so schliessen sie [o] von yhrs b gewissen befehls vnd ampts wegen, vnd nicht von der men̂schen vngewissen rew odder werck wegen Denn die schlussel heissen ia kein werck thun, sondern drewen vnd verheissen durch yhr wort, Nu kan man ia dem drewen vnd verheissen mit keinem werck erfullen [steht unter gnugthun], Sondern mussen gegleubt sein, das kan man ia wol greiffen Das Ganze mehrfach durchstrichen.]

 

 

 

[Seite 459]

 

[Bl. 33a] Denn es kan vnd müs ia ein iglicher wol greiffen, das die  Schlussel nichts gebieten noch heissen, Sondern der eine drewet der ander verheisset,  Sagen alle beide, nicht was wir thun vnd lassen sollen, Sondern  was Gott thun vnd lassen wolle, Gottes werck zeigen sie an, die wir empfahen  sollen, nemlich zorn vnd gnade, nicht vnser werck, die wir thun sollen odder  lassen, Vnd sind eigentlich der bindeschlussel eine gottliche drawe vnd der  loseschlussel eine Gottliche verheissung, Darumb mus ia ein vngereimbt ding  sein, das die papisten dürch die schlussel wollen, gesetz vnd lere stellen, was  wir menschen thun vnd lassen sollen, Damit sie Gottes drewen vnd verheissen  dempffen, vnd also den glauben verstoren, der dem drewen vnd verheissen  geburt, So grunden sich auch die schlussel nicht auf vnser werck, sondern auch  auff Gottes wort, Denn sie binden odder losen nicht darumb, das du  berewet bist odder nicht, Sondern aus Gottes befelh der sie heisst binden vnd  losen Solch befelh vnd ampt ist yhrs bindens vnd losens grvnd vnd vrsach  Gott gebe deine Rew sey odder sey nicht, Rew mag feylen, glaube mag auch  nicht da sein, aber das binden vnd losen ist gleichwol recht vnd gewis Gleich  wie das Euāgelion tauffe vnd sacrament recht vnd ge [Bl. 33b] wis sind, thun  was sie sollen Gott gebe, du gleubest odder lassest es, feylet ettwas, so feylet  dein vnglaube

 

[] Ja sprichstu, der schleussel feylet gleich wol so yemand seinem binden  odder losen nicht gleubt, denn da geschicht nicht, was er bindet odder loset  vnd must gleichwol den feylschlussel lassen bleiben, Antwort, Das heisst nicht  gefeylet, So yemand dem schlussel nicht gleubt, Sonst must man auch sagen  das Gott selbs feylet, wenn die leute nicht gleuben noch halten was er redt  vnd gebeut, Sein wort ist gleich wol recht vnd gewis, man gleube odder  gleube nicht, Also auch seins schlussels bin̂den ist gewis, vnd recht, Gott  gebe, man gleubs odder gleubs nicht Denn er weis, was er bindet vnd loset,  Vnd kan gewislich sagen also Jch weis das mein binden vnd losen gewis ist,  denn Gott hat michs geheissen vnd also befolhen Vnd der odder dieser mensch  ist gewislich fur Gott im himel gebunden odder los, Er gleubs odder gleubs  nicht, Er wirds zuletzt wol erfaren Aber des Bapsts feylschlussel kan nicht

 

[ 1 vnd müs o        das der bindeschlussel 6/7 Vnd —verheissung rh 6 gottliche o 8 stellen von vns 9 menschen rh        Gottes werck 13 berewet c aus berewest 15 auch o 17 tauffe —sacrament u 20 Zu dem mit Ja beginnenden Abschnitt steht am Rande in kleiner Schrift [Abbreviaturen aufgelöst]: Nec sic intelligunt Sed non posse credi clauibus scilicet ipsas claues erroneas esse differunt clauem esse erroneam et claui non credi hoc est labium [labrum?] confundere        so der gebvndene [steht unter man] odde nicht gleubt        seinem steht über dem 21 da steht über es 29/31 Vnd —erfaren rh]

 

 

 

[Seite 460]

 

 so sagen, Sondern spricht, Jch weis warlich nicht, ob ich gewis gebunden  odder geloset habe. Denn ich acht nicht, das mich Gott geheissen hat zu  binden, Sondern ich wages auff die Rew vnd werck der menschen, Auch binde  ich offt, aus meinē gutduncken, vngeacht, obs mich Gott heisse odder befelhet  Solchs mus denn wol vngewis ding vnd feylschlussel sein, weil menschen  werck [Bl. 34a] vnd eigen dunckel, on Gottes befelh, schliessen heissen

 

[] Das merckt man auch dabey, Denn sie straffen vnd verdamnen den  zweiuel nicht, ob yemant nicht gleubt, das er los ist, odder ob sie nicht  gleuben, das sie gebunden vnd getroffen haben, Gehen sicher dahin vnd dencken,  hab ich gefeylt so sey es gefeylet, vnd machen solchs vnglaubens, kein gewissen  noch furcht. So es doch eine grewliche sunde des vnglaubens ist, auff beiden  teilen, beide des, der gebvnden odder geloset hat, vnd des, der gebvnden odder  geloset ist, Denn es ist Gotts wort vnd befelh, das dieser spricht vnd ihener  horet, Sind beide schuldig, solchs so gewis zu gleuben, als all ander artickel  des glaubens, Darumb wer da bindet adder loset, Vnd gleubt nicht sondern  zweiuelt, ob ers troffen, gebunden odder geloset hat, odder denckt so leichtfertig  dahin, oh triffts so triffts, der lestert Gott, verleugnet Christum, tritt seine  schlussel mit fussen vnd ist kurz umb ein heide, denn es sind Gottes wort, die  man gleuben sol vnd mus, Wer nicht gleubet, der lasse die schlussel mit friden,  Er bindet sonst vnd loset sich ynn abgrund der hellen hinein

 

Es ist nicht eins ydermans werck, die schlussel brauchen, Wer sie braucht  vnd gleubt nicht, der mocht lieber mit Judas odder Herodes [Bl. 34b] ynn der  hellen sein, denn Gott wil ungeschmeht sein durch vnglauben an sein wort  [Matth. 13, 58] Matth. 13. Wer aber gleubt, der thut Gott den hohesten dienst mit dem  schlussel, darumb leren wir die vnsern also, Wer durch den schlussel gebunden  odder geloset wird, der sol solchem binden vnd losen so gewis gleuben, das er  lieber zehen mal sterben sollt, denn daran zweiueln. Es ist Gotts wort vnd  vrteil, dem kein grosser vnehre geschehen kan, denn so man dies nicht gleubt  welchs eben so viel gesagt ist, als sprechstu Gott du leugest, Es ist nicht  war was du sagest Jch gleubs nicht, Eben so gewis sol vnd mus auch der  sein, der solch vrteil spricht, bindet odder loset, odder der teuffel wird sein  abgot werden. Nu sage mir, wo vnd wenn leret man also von den schlusseln  ym Bapstum? Wie viel sind official vnd Bisschoue, die den schlussel ym  glauben also brauchen? Warumb? Dar umb, sie gleuben nicht das Gottes  wort sey, Sinds also gewonet, wie eins allten welltlichen herkomens, Solten  sie aber dencken, das es Gottes vrteil were, dem sie gleuben musten, bey der  seelen seligkeit, sie wurden nicht leichtfertig, sondern mit zittern vnd angst

 

[ 2 mich c aus michs 3 Auch steht über Vnd 4 ich steht über auch 8 yemant rh        das er steht über der 11 des vnglaubens rh 18 die c aus dem 21 Darumb sagen wir Es 23/24 denn —Matth. 13 rh 29 sprechstu rh 30 was —sagest o auch o 32 werden steht über sein 33/34 ym glauben rh 35 welltlichen rh 36/37 dem —seligkeit, o 37 leichtfertig, vnd]

 

 

 

[Seite 461]

 

 damit vmbgehen? Ja, wo wollt man official kriegen? Wo wollten die Consistoria  bleiben? Es wurde eine wuste reformation sich heben, Vnd ist doch  not vnd mus sein, Aber weil sie die helle vnd Gottes zorn nicht furchten,  noch die schlussel fur Gottes wort halten, sind sie sicher Junghernn, So lange  es weret

 

[] [Bl. 35a] Denn wie ehrlich vnd hoch sie die schlussel halten, kanstu da bey  wol mercken auffs erst das sie derselbigen allein zum vngewissen werck,  doch aber zum gewissen gellt brauchen, Vnd ist gewis, wo die schlussel nicht  gellt brechten, sie nemen lieber einen hultzen schlussel zǔm heiligen stock1, denn  die wellt vol Gottsschlussel zum himel, zum andern aüch dabei, Sie haben  fur war so grosse heiligkeit, das kein gemeiner Christ thar einen geweyheten  kelch anruren, vnangesehen, das derselbige Christ gestaufft, vnd durch Christus  eigen blut erworben, geheiliget vnd geweihet ist, der geweyhete kelch ist tausend  mal heiliger, denn ein Christ, der mit Christus blut geheiliget ist, Es ist  auch nichts mit Christus blut gegen einem geweiheten Corporal, welchs auch  kein heilige Nonne, (ob sie gleich Christus sonderliche braut heisst) wasschen  thar, schweige denn das sie es besüddeln sollte.2 Aber die schlussel, welche  der edlesten, heiligsten kleinot eins ist, Gotts, Christi vnd seiner kirchen,  vnd kurtz vmb lauter hoh hoh heiligthum, oh die selbigen mugen nicht  allein anruren, vnd wasschen, sondern auch auffs allerschendlichst missbrauchen,  die allerleichtfertigsten, losesten buben, die sie haben konnen als Cortisanen,  officiale, Sodomiten, Puseronen3 vnd dergleichen, Vnd solchen befelhen sie  auch die Schlussel, Gott vnd seinen schlusseln zu sonderlichen grossen ehren,  damit man sehen musse, wie lieb vnd werd sie die Schlussel haben.

 

[Bl. 35b] Jch meine ia des Bapsts kirche sey eine heilige kirche, vnd er  billich der allerheiligeste, So lange die schlussel gellt schlussel sind, vnd mit  eitel vngewissem lesterlichem missebrauch den himel zuschliessen, Solltens aber  widderumb himelschlussel werden, hilff Gott, welch eine scharffe rechnung  solt vber den Bapst gehen, Jch mus bekennen, Sie haben die schlussel lieb  vnd ehren sie hoch, aber sihe du die weil auff deinen kasten vnd beutel, Deiner  seel haben sie lengst vergessen

 

[Bl. 36a] Es ist aber nicht wunder, das sie so thun, yhr ab Gott leret  sie also vnd heisst sie zweiueln vnd nicht gleuben ym schlussel ampt, Ja er

 

[ 5 Nach weret das Bl. 35a oben sich wiederholende Verweisungszeichen ÷÷ 6 kanstu auffs erst o 7 auffs erst o        allein o 8 gellt allein 10 zum (2.) —dabei rh 11 kein mensch        gemeiner rh        geweyheten kelch 12 kelch rh 15 auch (1.) o        geweiheten kelch odder        welchs steht über das 16 sonderliche rh 18 der o        kirchen, oh die m[ugen] 20 vnd o 22 vnd dergleichen rh 23 Schlussel, Wen̂n̂ 25 Wenn Jch 26 vnd eitel 28 hilff Gott steht über teuffel        eine wuste [steht unter starke] reformation        scharffe rechnung rh]

 

 

 

[Seite 462]

 

 thut noch wol mehr, Er darff sagen der leidige grewel Sententiȩ nostrȩ etiam  iniustȩ tamen sunt metuendȩ Hie ist keine hohe schule noch doctor, der solchem  schendlichen lestermaul widderstunde, schweigen alle stille, willigen, vnd ehren  solchen teuffel als den allerheiligsten Vater ynn Gott, Lieber Gott, was sol  man doch sagen zu solchem teüffels ubermut? Er leret vngewis sein, vnd  spricht doch Unser vrteil sol man furchten, wenn sie gleich vnrecht sind, Wie  dunckt dich umb Jungher Bapst vnd die sein̂en? der schlussel vrteil sol Gottes  wort sein, odder sind nicht Gottes schlussel, Denn sie sollen mit dem glauben  angenomen werden, So sagt hie der Bapst, Man musse auch sein̂ vnrecht  vrteil furchten, Das ist eben so viel gesagt, Gott, der durch die Schlussel redet,  der kan vnrecht thun, Vnd die Christen sollen solchs vnrecht gleuben, ehren  vnd furchten, vnd lugen fur artickel des glaubens halten, das Gott vnd  vnrecht sey ein ding Jch meine, das heisse ia frey einen offentlichen seind  Gottes vnd Endechrist sich selbs bekennen, dazu auch rhumen vnuerschempt,  vnd doch ehre dauon wollen haben, Nu bete Bapst an, wer Gotte nicht gleuben  wil, Es geschicht yhm doch ia recht,

 

[] [Bl. 36b] Sprichstu, Wie sol ich denn wissen, wenn ich der schlussel  brauchen musse, damit ich gewis sey, das mein vrteil Gottes wort sey?  [Matth. 18, 15 –17] Antwort, da hast du Matth xviij einen gewissen Text, da Christus der schlussel  ampt so gewis fasset, das du nicht feylen kan̂st, so du dem folgest vnd spricht  Sundigt dein Brudder widder dich, So gehe hin vnd straffe yhn zwisschen dir  vnd yhm alleine, Gehorcht er dir, so hastu deinen Bruder gewonnen̂. Hie ist  noch nicht not der schlussel zu brauchen, Weiter spricht er, Gehorcht er dir  nicht, so nim noch einen odder zween zu dir, auff das alle sachen bestehen  ynn zweier odder dreyer zeugen mvnde, Hie ist auch noch nicht der schlussel  ampt, Es folget aber nu, da er spricht, Gehorcht er denen nicht, So sage es  der gemeine, Hie gehen die schlussel recht an, wie folget, Gehorcht er der  Gemeine nicht, so halt yhn wie einen heiden vnd zolner, Da hastu eine gewisse  form vnd weise, die ynn Gotts wort gefasset ist, das du nicht dich furchten  durffest, Vnd ausser dieser form vnd weise sol man der schlussel nicht brauchen,  Denn du wurdest vngewis, vnd kundtest nicht sagen, Gotts wort heisst michs,  Jch mus thun vnd thu recht, Sondern dein gewissen wurde dich straffen, vnd  sagen, du brauchest der schlussel nach deinem mutwillen on Gotts wort, so  sinds denn auch nicht mehr Gottes schlussel, sondern deine trewme vnd vermessenheit  ia dein lesterung vnd mis bietung1 des Gott [Bl. 37a]lichen namens

 

[ 1 leidige grewel steht über verflucht vnflat 2 metuende Ja das hellische feǔr auff deinen kopff, wenn du fort reden wilt2 3 schendlichen rh 5 ubermut steht über wesen Er spricht 5/6 leret —doch rh 8 Gottes o 9 sein̂ o 11 Vnd man        gleuben l[ugen] 12/13 vnd (2.) —ding rh 14 selbs o 18 das es        mein vrteil rh 20 so (2.) —folgest rh 23 er (1.) W 35 bietung steht über brauch]

 

 

 

[Seite 463]

 

 vnd worts, schweig, was der vnglaube noch dazu ist, vnd vnrecht deinem  nehesten widder die liebe gethan

 

[] Es ist itzt nicht der brauch (sprichstu) zu Bischoffs hofen also, Da  schlag gluck zu1, Ein Bisschoff ist auch nicht Gott, So ist sein hoff nicht  Gotts wort, konnen sie es aber besser machen, denn es hie Gottes son  geordent hat, So las sie machen, Jsts aber misbrauch, so bringe mans  widder zum rechten brauch, Christus wird sein wort vmb der Bisschoffs hofe  odder misbrauch willen, nicht endern, du horest hie, Es mussen gewisse sün̂de  sein, da mit die schlussel handeln sollen. Vnd dazu solche sunde, die züüor  heimlich gestrafft vnd darnach offentlich vberzeugt sind fur der Gemeine, Was  aber sünde sind, leren dich die zehen gebot vnd Euangelia, Wo nu yemand,  Es sey Bapst, Bischoff, official odder Probst, der Schlussel ander weise  braucht, denn sie Christus hie gefasset hat, da sind es nicht Christus Schlussel,  da sol man auch Gott zu ehren beide bann vnd vrteil, als Gottslesterung,  enhindern furen auffs heimlich gemach vnd die nasen dran wisschen2, Denn  on Gottes wort, sol man keinen menschen vrteilen, Gott wills nicht haben  Matth. 7. Vnd sol auch niemand solch vrteil leiden, willigen, noch an nemen,  sonst wirstu dich solcher lesterung teilhafftig machen Jst auch nicht Gotts  vrteil, sondern ein lesterlicher mutwille vnter Gottlichem namen geubt widder  das ander gebot, das kein mensch leiden noch willigen sol, Das sey dauon gnug

 

[] Das wir aüch zum ende komen, So sehen wir hie, wie einen hertzlichen  trewen lieben Vater, vnd [Bl. 37b] bisschoff wir haben an vnserm Herrn Jhesu  Christo, das er vns solchen trostlichen schatz gelassen vnd befolhen hat Denn  er hat gesehen, das seine lieben Christen gebrechlich, dazu vom teuffel, wellt,  fleisch, manch feltiglich angefochten, zuweilen fallen vnd sundigen wurden, da  hat er gegen diese ertzney gesetzt, das einer den andern straffen vnd trosten  sol, vnd vns alle zu seinen schlusseln hallten Er weis aüch wol das vns  not ist, weil ein sundlich gewissen blode vnd schwach ym glauben ist, vnd  sich schwerlich trosten lesst, Vnd sonderlich hat er solche Schlussel wider die  ketzer Nouatianer3 gegeben, Welche da lereten, das nach der tauffe keine todsunde  auff erden mochte vergeben werden, Aber Christus gibt ia seine schlussel  den getaufften, Welchs were vergeblich, so die getaufften nicht sundigen  vnd nicht durch die schlussel los werden solten Er spricht auch von den  selbigen getaufften dazu, So dein bruder sundigen wurde, Bruder ist ia  getaufft, noch sagt er, wo er sundigen wurde, Spricht auch nicht, So er einmal  sundigen wurde, Sondern schlecht, So er sundigen wird, Auch setzt er

 

[ 3 itzt o 5 hie o 6 aber rh 7 Bisschoffs hoffe 8 willen o        mussen steht über sollen 9 dazu o 12 ander c aus anders        weise rh 14 Gott —ehren rh 15 auffs —gemach rh 17/18 Matth. 7. —machen rh 20 das (2.) —sol rh 27 alle o 28 vnd —glauben rh 32 svndigen vnd 33 auch nicht rh 33/34 von —getaufften rh 36 wird o]

 

 

 

[Seite 464]

 

 nicht, das die schlussel gemessen sind auff ein mal, sondern frey auff alle sunde,  allerley zeit vnd stunde, vnd spricht, Alles was yhr loset, Spricht nicht, loset  ettliche sunde, odder einmal odder ettlich mal, Sondern schlecht alles was yhr  loset &c̄. Davon gehoret weiter ynn den predigen zu sagen

 

[] [Bl. 38a] Vnd das wort (Alles) welches der Bapst hat gezogen auff seine  allmechtige gewallt, ynn himel vnd erden vnd vnter der erden, sol man nicht  weiter zihen, denn auff die sunde die vergangen vnd offentlich vberzeuget  ist Denn man mus die wort Christi verstehen, ßm̄ materiā subiectam, Das  ist, man mus sehen, wo von Christus an einem ort redet, Vnd also denn seine  wort, dem selbigen nach, nicht weiter deǔten, denn derselbige ort leidet odder  gibt, Vnd nicht damit an ander orter lauffen, vnd alle Ding an allen orten  leren, wie die Rottengeister auch thun, die viel spruche furen zum sacrament,  welche doch nichts, vom sacrament reden, Weil wir aber hie sehen, das Christus  von der bruder odder seiner Christen sunden redet, wie die sollen gebunden  vnd geloset werden, mus das wort (Alles was du bindest vnd losest) allein  von solchen sunden verstanden werden, Vnd nicht von gesetz stellen uber alles,  das ynn himel vnd erden ist, wie die schendlichen lugener furgeben, vnd  wollen auch die Engel ym himel binden vnd Gott selbs mit yhren geboten

 

Das sey fur vnser nach komen, das ander stucke, darin sie sehen, was  ym Bapstum geleret ist, vnd waruber wir gefochten vnd ketzer gescholten sind,  Vnd haben (hoff ich) hie mit die schreier [Bl. 38b] abermal ein supplin, daruber  sie mordio vnd zeter schreien konnen, So Gott wil, sol mehr hernach komen,  damit sie doch wissen, war umb sie schreien, Christus aber vnser lieber  herr vnd heiland, der angefangen hat seine Engel zu senden, vnd alle ergernis  [Matth 13, 41] aus seinem Reich zu samlen, vnd den Endechrist mit dem geist seines mundes zu  todten, der wolte vollend nachdrucken vnd herein brechen, mit seiner herrlichen  Zukunft vnd des teuffels reich ein Ende machen, vnd vns von allem ubel  erlosen, Dem sey lob vnd danck lieb vnd ehre sampt dem Vater vnd heiligen  geist vnserm trewen gnedigen Gott vnd herrn, ynn ewigkeit Amen

 

[ 1 alle zeit vnd st[unde ] 3 einmal odder rh 4 sagen, Der selbige vnser lieber herr, helffe vnd rat vns aus allem yrthum vnd vbel zu lob seinem namen gebenedeiet ynn Ewigkeit Amen 7 sunde so 7/8 die (2.) —ist rh 7 vnd vbe 14 seiner rh 16 werden o von (2.) allem gesetz —alles rh 17 vnd (2.) o 20 sind o 22 So —komen rh 27 ein —machen steht über zerstoren]

 

 

 

[Seite 465]

 

[Zweite Bearbeitung, Druck 1530 (A).]

 

1530

 

 

 

[Seite 465]

 

[Bl. A ij]

Von den Schlüsseln. Martinus Luther.

 

 

 

 

[Einleitung]

Das ist freilich der grossesten plagen eine, so durch Gottes zorn  uber die undanckbare welt ist gangen, das der lieben Schluessel  grewlicher misbrauch und misverstand In der Christenheit so  gewaltiglich hat uberhand genomen, das fast an keinem ort  der welt der rechte brauch und verstand blieben ist, Und sind  doch so grob und greifliche misbreuche, das sie schier mercken solt ein kind, so  reden und zelen gelernt hette. So tieff haben alle geistlichen und gelereten  geschlaffen und geschnarckt, ja stock star blind1 sind sie gewest. Darumb wil  ich hie mit Gottes huelffe und gnaden der selbigen misbreuche etliche anzeigen,  [Matth. 13, 41] und, wie Christus sagt, solche ergernisse aus seinem reiche samlen helffen, damit  unser nachkomen sehen2, wie es jnn der Christenheit gestanden sey, vnd hinfurt  sich fur solchem jamer wissen zu hueten vnd die Schluessel recht erkennen vnd  wol brauchen lernen, Denn es ist an diesem erkentnis gros gelegen, unzeliche  grewel zu verkomen vnd zu vermeiden.

 

Der Erst Misbrauch.

[] DA haben sie den edlen lieben spruch Christi gefueret, da er zu Petro spricht  [Matth. 16, 19, Matth. 18, 18] Matthej am xvj. vnd xviij. ‘Was du binden wirst auff erden, sol  gebunden sein jm himel &c.’ Aus diesem spruch haben sie das wort Binden  genomen und dahin gedeutet und gezogen, das es sol heissen so viel als gebieten  und verbieten odder gesetz und gebot stellen uber die Christenheit, Und daher geben  sie dem Bapst die gewalt und rhuemen, das er macht habe, der Christen seele  und gewissen mit gesetzen zu binden, das man jhm muesse gehorsam darinnen  sein bey verlust der seligkeit und bey ewiger verdamnis. Widderumb, wer  jhm darinn gehorsam ist, der werde selig. Haben alle sprueche der schrifft vom  gehorsam und ungehorsam hieher gezogen, Und ist alle welt mit solchem frechem  deuten des worts Christi erschreckt und uberpoltert, bis sie endlich jnn ein  bockshorn ist geiagt3 und eitel menschen lere hat leiden muessen. Wolan, solch  deuten wollen wir sehen und fur den richtstuel Christi, das ist fur sein eigen  wort, stellen vnd sie gegen ander halten.

 

 

 

[Seite 466]

 

[] Erstlich: Lieber, sage mir, ists auch wol und recht gethan, wenn man also  ein wœrtlin aus einem spruch Christi reisst und gibt jhm aus eigenem mutwillen  eine glose und verstand, der uns gefellet, unangese [Bl. A iij] hen, ob sichs mit  dem Text und spruch reime odder nicht? Solt man nicht Christo und seinem  wort so viel ehre thun, das man mit aller trew und vleis den gantzen spruch  von wort zu wort fur sich neme und gegen ander hielte, damit man sehe,  obs auch der spruch leiden wolt, das ich ein woertlin so und so zu verstehen  gedecht? Denn hetten sie mit schlummenden1 und halbwachenden augen den  Text muegen ansehen, So hette sie das helle klare liecht so gestossen, das sie  die augen hetten muessen auffthun und wacker2 werden und also sehen, das  Binden hie nicht mœchte solche glose leiden, das es solle gesetz stellen heissen.  Nu sie aber das nicht gethan, sondern allein das wort Binden gleich als jm  traum gehoeret, reden sie auch davon wie ein schlefferiger trunckenbold, wenn  man fragt, ob er heim gehen woelle, Und er antwortet “Mir zu”, meinet,  man bringe jhm eins.

 

Denn las doch hoeren: Jnn welcher schulen lernt man solch latin odder  deudsch, das Binden solle gebieten odder gesetz stellen heissen? Welche mutter  leret jhr kind also reden? Wo her kompt denn unsern schluessel deutern diese  glose, das Binden heisse gebieten? Wie kan man hie anders zu sagen, denn  das es kome aus eigenem mutwilligem getichte odder aus einem truncken  traum? das ist so viel gesagt, das sie Gottes wort und warheit mit jhren  luegen felschen und die Christen damit verfueren und dem Teuffel dienen. Aber  ich setze: Es sey etwa eine schule, da man lerne, das Binden heisse gebieten,  Und sey etwa ein newe rotwelsche sprache, die also rede, Wie werden wir  aber gewis, das darumb hie jm spruch Christi auch so geredt werde, das  Binden heisse gebieten, und sey Christus meinung gewis? Man mus es ja  mit heller schrifft beweisen, das gewis also sey zuverstehen, Denn weil dieser  spruch jhr einiger grund und heubtstein ist, darauff das gantz Bapstum stehet,  So mus es gar gewis beweiset sein, das Binden nichts anders heissen koenne,  denn gesetz stellen.

 

Machet man das nicht gewis, so mus jederman wol greiffen, warauff  das Bapstum stehet, sampt seiner allmechtigen gewalt, nemlich auff einem  ungewissen grunde; Stehet und gehet jm finstern und nicht jm liecht, kan auch  selbs nicht wissen, wo es stehet odder gehet. Ja es stehet auff eitel luegen, das  ist gewis, Denn wer ungewis ding fur gewis leret und die leute drauff fueret,  der leuget und verfueret eben so wol damit, als der eine offenberliche luegen  redet, Und ist dazu ungewis leren wol erger und ferlicher gelogen denn  offenberlich liegen, Sonderlich jnn solchen grossen sachen, die das ewige leben

 

[ 4 rüme D 18 lernt C 21 also vil D 22 damit] also D 23 setze] schetze D 37 gferlicher D]

 

 

 

[Seite 467]

 

 und sterben betreffen. Wo mit und wenn woellen sie aber jhr glose gewis  machen? Wenn der Teuffel gen himel feret.1 Jnn des stehet das Bapstum  aueff eitel luegen mit seinen bindeschluesseln (ich solt sagen blindeschluesseln).

 

[] Zum andern: Jst ja das gewis, das Christus jm obgenanten spruch redet  von dem Binden, da die suende gebunden odder behalten wird, gleich wie er  auch redet von dem Loesen, da die suende geloeset odder vergeben wird. Das  Binden hie muß heissen Suende binden, und Loesen mus heissen Suende loesen,  [Matth. 18, 15 ff.] Denn er leret ja daselbs, wie man unsern bruder, [Bl. A 4] so er suendigt, solle  vermanen, straffen, verklagen, Und wo er nicht hoeren wil, als einen Heiden  halten &c., wie wir hernach weiter hoeren werden. Nu ist das auch gewis, das  suende binden nicht so viel sein kan als Gebieten odder gesetz stellen, wie die  Papisten deuten, Denn Gebieten und gesetz sind ja nicht die suende selbs,  Sondern die suende ist etwas widder das gesetz und gebot gethan, Das hat  ja keinen zweivel, und mus jederman bekennen. Darumb wird sichs nicht  leiden, das einerley wort, als da Binden, solt heissen zu gleich Gebieten und  suende behalten. Eins mus falsch und unrecht sein, Gesetz bindet keine suende,  Sondern Es gebeut zukuenfftige suende zu meiden und guts zu thun und ist  natuerlicher weise vor den suenden, die noch nicht sind, Aber der Schluessel  bindet vergangne sünde, widder das gesetz gethan, und ist von not wegen beide  nach dem gesetze und nach der sunden, Das also des Bapsts Binden und Christus  Binden gleich stracks widdernander sind, und keins mit dem andern sich jnn  dem spruch vertragen kan: Einer mus falsch sein und liegen, das feilet nicht.

 

Zum dritten: so ist Christus Binden dahin gericht, das es den suender  wil von den suenden erloesen, und sucht mit seinem binden nicht anders, denn  das des suenders gewissen frey und ledig werde von suenden, denn darumb  strafft und bindet er den suender, das er solle die suende lassen, buessen und  meiden, Und mag solch Binden wol heissen Ein errettung des gewissens und  huelffe von suenden, Aber des Bapsts Binden ist dahin gericht, das es die  unschueldigen gewissen fahen und nicht frey, sondern gebunden haben wil, Und  sucht nicht anders, denn wie die gewissen bestrickt und jhrer freiheit beraubt  werden, das solch binden wol mag heissen Ein gefengnis und ursach zu den  [Röm. 7, 8] suenden, wie Sanct Paulus sagt zun Roemern am vij., das alle gesetze ursachen  geben zu suendigen. Also ist ja, meine ich, hie ein starcke, grosse, mechtige unterscheid  gnug zwisschen Christus und des Bapsts Binden, das sie ja nicht muegen einerley  sein, noch jnn einerley spruch zu gleich verstanden werden, Christus Binden  gehet mit eitel suenden und suendern umb und gibt ursache damit, das sie frum  und on suende seien, Des Bapsts Binden gehet mit eitel heiligen und gerechten  umb, gibt ursache damit, das sie zu suenden komen und suender werden, denn  seine gesetze gehen uber alle frumen unschueldige Christen. Aber Christus

 

[ 3 sagen) ABCD [so auch unten] 11 so viel] zů uil D 39 unschuldigen D]

 

 

 

[Seite 468]

 

 schluessel gehen allein uber die suender unter den Christen, So gar fein reimet  sich des Bapsts schluessel mit Christus schluessel.

 

[] Zum vierden: So dienen und helffen Christus schluessel zum himel und  zum ewigen leben, Denn er nennet sie ja selbs schluessel des himelreichs,  nemlich, das sie dem verstockten suender den himel zuschliessen, Aber dem  buessenden suender den himel auff thun. Darumb mus jnn den schluesseln  Christi verborgen ligen sein blut, tod und aufferstehen, damit er uns den  himel eroeffenet hat, und teilet also durch die schluessel den armen suendern mit,  was er durch sein blut erworben hat, Und ist der schluessel ampt ein hohes  Goettlichs ampt, das den seelen von suenden und tod zur gnaden und leben  hilfft, und gibt jhn die gerechtigkeit on allen verdienst der werck, allein durch  verge [Bl. B 1] bung der sünden. Was thut da gegen des Bapsts schluessel? Sie gebieten  und stellen eusserliche gesetze, Lieber, was helffen die selbigen widder die  suende, tod und helle? Wie bringen sie eine seele zur gnade und leben? Wie  thun sie den armen suendern den himel auff? Ja hinder sich!1 Wir wissen  nu fast wol, das auch die werck der Zehen gebot Gottes nicht selig noch  frum machen, Sondern allein die gnade Christi durch vergebung der suenden  macht frum und selig, wie soltens denn thun die eusserlichen gesetze und  Bepstliche werck von menschen ertichtet, die ein lauter unflat sind gegen die  werck der Zehen gebot?

 

Zum funfften: So foddern die Schluessel Christi kein werck, sondern  eitel glauben, Denn der Bindeschluessel ist ja nichts anders und kan nichts  anders sein wedder2 ein Goettlich drewen, damit er dem verstockten suender die  helle drewet. Und der Loeseschluessel ist nichts anders, kan auch nichts anders  sein, denn ein Goettlich verheissen, damit er dem demuetigen suender das himelreich  verheisst. Nu weis das ja jederman wol, das man Goettlich drewen  und verheissen mit keinen wercken kan erfuellen, Sondern mus allein mit dem  glauben fassen on alle werck, Denn drewen und verheissen sind nicht gebot,  Sagen auch nicht, was wir Gotte thun sollen, sondern zeigen uns an, was  Gott uns thun wil, leren uns also Gottes werck und nicht unser werck.  Dagegen leren uns des Bapsts schluessel unser eigen werck, was wir thun  sollen, Denn sein binden gibt uns gesetze, darnach wir thun sollen, wie wir  gehoeret haben. Treffen sie nu nicht fein uber eins, Christus Schluessel und  des Bapsts schluessel? Jhenen leren Gottes werck und kein menschen werck,  Diese leren menschen werck und kein Gottes werck. Warumb heisst denn der  Bapst seine schluessel des himels schluessel? So sie doch wedder zum himel  noch zum glauben odder zur Christenheit helffen, sondern allein eusserliche

 

[ 7 vfferstehung D 19/20 der werck D 23 wedder] dann ein D 35 Goettes [wohl Druckfehler] A]

 

 

 

[Seite 469]

 

 jrdissche geberden stellen, Sie solten jrdissche schluessel heissen, Ja, wenn sie  noch so gut weren.

 

[[5b]] [Hebr. 13, 9] Zum sechsten: So spricht Ebre. xij., das die eusserlichen jrdisschen gesetze  und geberden nichts nuetze sind. Ein hertz (sagt er) mus durch gnade feste  werden und nich0t durch speise, welche keinen nutz geben denen, so damit Gott  dienen wollen, wie auch Sanct Paulus solche lere und gesetze allenthalben  [Luk. 17, 20 f.] verbeut und verdampt, Und Christus spricht selbs Luc. xvij: ‘Das reich  Gottes kompt nicht mit eusserlichem geberde, Sondern ist jnnwendig jnn euch.’  Wie solt er denn so toll sein, das er schluessel dazu gebe, auff das man sein  reich mit eusserlichen geberden solt binden? Solt zu gleich verdamnen aus  seinem reich alle eusserliche geberde und solt doch schluessel dazu geben und  befelhen mit eusserlichen geberden drinnen zu herschen, Denn er nennet sie  ja himels schluessel, die zum reich Gottes dienen, dazu kein eusserlich werck  odder gesetze hilfft, wie Christus sagt. Widderumb, so kan des Bapsts schluessel  ja nichts anders thun denn Binden, das ist, wie sie sagen, eusserliche menschliche  werck gebieten. Was ist nu das anders gesagt Denn: des Bapsts schluessel  sind wol himels schluessel, aber sie thun und koennen nichts anders thun,  wedder1 allein das, so gantz und gar kein nutz [Bl. Bij] zum himel ist, auch  zum Christenthum nicht hilfft, Sondern viel mehr von Christo selbst und  seinen Aposteln verdampt, verboten und aus seinem reich verbannet ist. Das  muegen mir seltzame himels schluessel sein.

 

Aber solcher unrat fleusst aller daher, das man Christum verleugnet  hat, und wil durch eigen werck selig werden, auff das Christus ja vergeblich  [Gal. 2, 21] gestorben sey (wie Paulus sagt) und wir jnn unser eigen gerechtigkeit uber  und ausser der gnaden heilig seien. Darumb mus uns der Bapst gesetze auff  binden, welche so wir halten und gehorsam sind, so komen wir jnn den  himel, Wo nicht, so faren wir jnn die helle. Also bezeugen sie hie mit  jhrem eigen maul, das sie abtruennige Christen sind und Christum sampt  seinem Tod verleugnen, dazu sich uber Christum selbs erheben, Denn weil  jhr schluessel nichts kan denn binden, das ist gesetz stellen, und sol doch ein  himel schluessel sein, gibts sichs selber, das sie zum himel wollen durch gesetz  und werck als durch jhres schluessels ampt, das heisst ja der rechte Widder  Christ, der unser seligkeit auff unser werck bawet durch seine schluessel und  nicht auff Gottes gnaden, Und das ist die liebe frucht dieser hohen kunst,  das Binden heisse gesetz geben, nemlich, das Christus damit verleugnet und  der ertzgrewel unser eigen gerechtigkeit damit auffgericht und erhalten ist.

 

Doch wir wollen hie der sachen raten und den Papisten auch mit einer  glosen dienen, Das sol die sein: Gleich wie Christus und der Bapst zweierley  schluessel haben, also sind auch zweierley himelreich, da solche zweierley schluessel

 

[ 15 nicht C]

 

 

 

[Seite 470]

 

 zu gehoeren. Das eine himelreich ist das ewige leben, dazu uns armen suender  die schluessel Christi helffen durch vergebung der suenden, so uns Christus durch  seinen tod und nicht durch unser werck erworben hat, Dis ist Gottes himelreich.  Das ander himelreich ist droben jnn den luefften, da die Teuffel regieren,  [Eph. 2, 2] wie S. Paulus sagt, da zu helffen die schluessel des Bapsts allen seinen heiligen,  die seine bande und gesetze halten. Denn solchen heiligen gehoeret solcher  himel, und solchen himel verdienet man mit menschen gesetzen und wercken,  Also sind denn auff beidem teil eitel himelschluessel, doch mit grossem unterscheid,  wie gesagt ist. Daher auch der Bapst jnn allen bullen wie ein lewe  bruellet, das man sich nicht solle jnn ferligkeit der seelen seligkeit mit ungehorsam  gegen seine schluessel begeben, Und ist die helle hie seer heis, Wer  aber seinen schluesseln gehorsam ist, der ist jm schos der heiligen kirchen und  selig, darff wedder Christus noch seiner schluessel da zu.

 

[[5a]] Zum siebenden: Und zwar, Wo uns Christus nicht mehr hette wollen  geben mit den schluesseln denn gewalt, eusserliche gesetze und gebot zu stellen,  hette er sie wol muegen behalten, die Christenheit kuendte jhr wol geraten.  Denn da sind weltliche oeberkeit, Vater, Mutter, Herr, Fraw, freunde, alte  leute &c.., die uns eusserlich mit gesetzen, zucht, sitten und geberden reichlich  gnug koennen versorgen, und on not ist, das Christus schluessel hiezu gebe.  Denn was kan des Bapsts schluessel mit seinem binden odder gesetz stellen,  schaffen, das nicht die vernunfft erdencken, fassen und auch schaffen kan, so wol  als seine schluessel? Solt [Bl. Biij] nu Christus mit seinen schluesseln der kirchen  nichts hoehers noch bessers geben, denn er zuvorhin aller welt durch die vernunfft  gegeben hat, So stuende unser glaube und die kirche selbs dazu nicht  auff dem fels Goettlichs worts, sondern auff menschen vernunfft. Ah do stuende  sie wol, Und gewislich stehet des Bapsts kirche also, Denn gleich wie seine  schluessel ein ertichte menschen glose ist, so ist auch die kirche, die er damit  bindet, Gleich und gleich gesellet sich gern.11

 

Zum achten: Hat die Christenheit auch schaden von solchen Bapsts  schluesseln, nicht allein den grossen heubtschaden und verderben, das Christus  gnade da durch verleugnet und verlestert und eitel eigen gerechtigkeit damit  auffgericht wird, sondern auch, das sie uberschuettet und uberweldigt wird mit  teglichen, newen, unzelichen und untreglichen gesetzen, und die gewissen auffs  aller hoehest damit betruebt und verwirret werden, das unter der sonnen kein  elender volck auch dieses stuecks halben gewest ist noch werden kan. Nu weis  man wol, das Christus seine schluessel nicht zum schaden noch verderben, Auch  nicht zu beschwerung noch unterdrueckung seiner kirchen gegeben hat, Sondern  das sie sollen jr nuetzlich und heilsam sein. Es solten auch nicht der kirchen  noch des himels schluessel heissen, Sondern des Bapsts schluessel, Denn der

 

[ 1 sündern C 10 gferligkeit D 11 synen schlüsseln D seer] fast D 12 in der schoß D]

 

 

 

[Seite 471]

 

 Bapst und die seinen haben damit alle gewalt uber leib und seele, uber gut  und ehre uberkomen, Die kirche hat nichts denn beide leiblich und geistlich  schaden davon und ist drueber unter solche wuetige Tyrannen der seelen komen.

 

Das alles koennen sie nicht leugnen, Es ist am tage durch jhre bullen,  buecher, schrifft und werck offenbar, das sie bey den schluesseln den lieben glauben  nie geleret, sondern geschwigen und mit diesem spruch Christus blut und Gottes  gnaden nicht gepreiset noch geleret, sondern allein des Bapsts gewalt damit  auffgeblasen haben, wie er binden koenne, und man jhm muesse gehorsam sein  jnn seinen gesetzen. Das haben sie geblewet, gebrewen und getrieben1 on  unterlas, bis das sie seine gewalt nicht allein uber alle Christen, sondern auch  uber alle weltliche Keiser, Koenige und Fursten jnn aller welt haben erhebt,  darnach auch unter der erden uber die todten jm Fegfeur, zuletzt auch jnn  den himel uber die Engel auffs aller unverschamptest, Und da sie nicht weiter  kundten, machten sie aus dem Bapst einen Got auff erden, der ein gemengeter  Got und mensch were und nicht ein lauter mensch, davon wir ein ander mal  weiter sagen wollen2, und den Schreiern zuschreien geben.3 Denn es sollen  (ob Gott wil) solche hellissche und teuffelissche grewel nicht so zugedeckt4  werden, wie sie jtzt hoffen und meinen.

 

[] Also haben wir, wie trewlich die frume leute mit der Christenheit sind  umbgangen, das sie aus dem schluessel ampt ein gesetz stellen gemacht haben,  deuten die wort, so von Gottes werck und gnaden reden, auff unser eigen werck  und verdienst, Mus doch die natuerliche vernunfft, wie blind und on glauben  sie ist, bekennen, das Gnade und Recht nicht einerley ist und einerley spruch  zu gleich nicht mag von Gnaden und Recht reden noch verstanden werden.  Wers aber thet, den hielte auch die welt fur einen boeswicht odder unsinnigen,  Nu thun solchs ja hierin diese leu[Bl. B 4]te, dazu nicht jnn weltlichen sachen, da  es doch unleidlich ist, sondern hie jnn Gottes wort und Christus sachen, Und  thuns also, das es muessen artickel des glaubens sein. Wers nicht gleubt, der  mus ein ketzer sein, an der seelen ewiglich verdampt und am leibe zeitlich verbrand,  Wie solten die Schreier toben und plerren, wenn sie uns etwa jnn

 

[ 1 gewaelt D [Plur.?] 9 gebrewen fehlt D 12/13 in dem D]

 

 

 

[Seite 472]

 

 einer solchen verfluchten, hellisschen, lesterlichen luegen ergreiffen kundten, wie  wir sie jtzt hie ergriffen haben.

 

Zum neunden: Lasst uns aber gleich setzen, das Binden moecht so viel  heissen als gesetz stellen, So mus Loesen widderumb so viel heissen als gesetz  auff heben und abthun, denn es sind zwo gleiche gewalt gegen ander, alle beide  von Christo gegeben jnn dem selbigen spruch, und sind beide schluessel gleich gros.  Hat nu der Bapst odder seine kirche gewalt zu binden, das ist gesetze zustellen,  So mus er auch gewalt haben, gesetze auffzuheben, Denn sol man das binden  auff das gesetz deuten, So mus man das loesen auch drauff deuten. Wolan,  so mag der Bapst die Zehen gebot Gottes, die Euangelia und die gantze schrifft  auffheben und alle welt davon entbinden und loesen. Kan er das nicht thun,  so kan er auch nicht binden oder gesetz geben, Denn er mus eins so wol thun  koennen als das ander, Kan er keinen buchstaben der heiligen schrifft loesen  und auff heben, so kan er auch keinen buchstaben gesetz stellen.

 

Und warlich, Er hats auch gethan, Mit der that hat er Christum (wie  droben gesagt) ausgerott und verleugnet, dafur seine gesetz und werck gestifftet,  So sind auch viel, die da leren, das er uber die heilige schrifft sey, mag sie  deuten und endern wie er wil, als er denn auch gethan hat, Und rhuemet sein  heiliges geistlichs recht, das die heilige schrifft habe das von jhm, das sie heilige  schrifft heisse und bey den Christen gelte. Denn wo er sie nicht bestettigt  hette, so wuerde sie nichts gelten, noch die heilige schrifft sein muegen, Aber  das sol jhm der Teufel gesegenen, Und hoffe, solch lestermaul sey nu ein wenig  gestopfft, wie wol noch etliche mucken und goecken.1 Denn Es heisset: ‘Verbum  [Matth. 5, 18] Domini manet jnn eternum’, Und Christus Matth. vij.: ‘Es sol nicht ein jota  noch tuettel von dem gesetze vergehen, Es mus alles geschehen’, Und aber mal  [Joh. 10, 35 Luk. 21, 33] Johan. viij: ‘Die schrifft kan nicht zebrochen werden’, Und Luce xxj: ‘Himel  und erden vergehen, Aber meine wort vergehen nicht’. Das ist der man, der  dem Bapst ein pfloeglin dafur gesteckt hat2, das er nicht sol koennen auffheben  noch loesen einigen buchstaben noch tuetel jnn der schrifft, Darumb sol er auch  nicht einigen buchstaben binden odder gebieten uber die Christen.

 

Ja, moechtestu sagen, Er mag loesen seine eigen gesetz, Das ist war,  Aber es ist nicht gnug, Denn der Loese schluessel were damit nicht gleich dem  Bindeschluessel, Sondern gleich wie er Bindern kan, da Gott noch niemand nicht  gebunden hat, und alles frey ungebunden ist, So mus er auch Loesen koennen,  da Gott noch niemand nicht geloeset hat, und alles gebunden ist, Sonst weren  die zwo gewalt nicht gleich gros. Das were mir ein schlecht loesen, wo ich

 

[ 4 gesetze (2.) C 23 goecken] schnockē D 24 in B vij] v B 26 viij] x B 28 pfloecklin B] zwecklin D 33 Bindschluessel D 36 zwen gwaelt D]

 

 

 

[Seite 473]

 

 alleine das loesen kuendte, was ich gebunden hette, was aber ein ander gebunden  hette, das kuendte ich nicht loesen. [Bl. C1] Was solt mir denn der Loese schluessel?  So were loesen nichts anders, denn das ich abliesse und auff hoeret mit meinem  binden, So kuendte ich auch keine seele loesen, die der Teuffel gebunden hette,  das were doch ein nichtiger Loeseschluessel. Aber Christus spricht hie, das es  sol jm himel los sein, was der Loeseschluessel auff erden loeset, da gibt er ja  die gewalt, zu loesen auch das ein ander gebunden hat, nemlich auch Gott selbs  jm himel, Und so thun auch Christus schluessel, denn sie loesen auff erden,  was fur Gott jm himel gebunden ist, wie die wort da duerre stehen und zeugen:  ‘Was du loesest auff erden, sol los sein jm himel’, Es mus beide binden und  loesen eitel Gottes wort sein, wie wir hoeren werden.

 

Und kurtz umb, der Bapst mus Gottes gebot und wort koennen loesen,  die kein mensch als ein mensch gebunden hat, odder mus auch nicht binden  koennen, da Gott nicht gebunden hat, odder wird gewislich die rechte schluessel  nicht haben. Da mus einer darnidder ligen, Entweder Gott odder der Bapst,  nemlich, das der Bapst Gottes wort auffhebe und loese, odder Gott wehret  jhm, das er auch nicht binden kan, Sondern alle seine gesetze muessen fallen.  Denn die zwo gewalt sind gleich und mit einander gegeben, Wer eine nicht  hat, der hat keine, Wo bleibt nu hie das Bindrecht odder Bindeschluessel?  Zu wasser ists worden, und man mus greiffen, das es verfelscher der schrifft  sind alle, die da sagen, das Binden heisse gesetz stellen, und das Christus habe  hie mit dem Bapst und Bisschoven gewalt gegeben, gesetze zu stellen. Denn  er kan keinen buchstaben vom gesetz loesen (wie droben beweiset ist), Drumb  kan er auch keines binden.

 

Zum zehenden: Hie las uns aller erst die rechte kunst hoeren, so aus  diesem Binden folget. Weil nu Binden heisst gesetz stellen, So mus gewislich  Band ein gesetz heissen, Gebunden mus einen frumen Christen heissen, der  sich mit solchem bande lesst binden, das ist, der des Bapsts band und gesetze  hellt und gehorsam ist. Nu halt die sprachen gegenander: Christus heisst  den gebunden, der als ein ungehorsamer verbannet ist, und seine suende behalten  [Matth. 22, 13] und nicht vergeben sind, wie er Matth. xxij. einem heisst hende und fuesse  binden und jns finsternis hinaus werffen, Los aber heisst er den, so von  seinen fuenden ledig und frey ist, und sie ihm vergeben sind. Dagegen sagt  der Bapst also: Gebunden ist, der meinem binden gehorsam ist und sol selig  sein, Los ist, der von allen Gottes geboten ledig und frey ist, und mus doch  ungehorsam und verdampt sein. Wo nu aus? Christus spricht: Gebunden  sein ist verdampt sein, Bapst spricht: Gebunden sein ist selig sein, Und reden  alle beide von einerley spruch und wort jm Euangelio, Jsts nicht ein zart,  holdselig ding, wenn man die schrifft so fein weis zu deuten, das sie stracks  Nein mus sagen, da sie Ja saget, und schlecht widder sich reden und streben?

 

[ 7 den gwalt D 9 duerre st.] klar stan D 32 die finsternüß D 33 ist fehlt D]

 

 

 

[Seite 474]

 

 Danck muessen haben unser lieben Jungherrn, die uns das Binden so meisterlich  gedeutet haben.

 

[] Und weil wir so eben drauff komen sind, das der Bapst muege sein  eigen gesetz auffheben, mus ich fragen: Lieber, Wenn hat der Bapst jemals sein  eigen gesetze auffgehaben, da mit er die Christenheit so je[Bl. C ij] merlich hat  geplagt? Wenn ist der Loese schluessel jhemals jm brauch und werck gewest?  Binden hat er wol jmer getrieben, Und der Binde schluessel ist jm brauch und  ubung gangen, das er gleisset, Aber der Loese schluessel ist gantz muessig  gelegen, verrostet und verdorben. Warumb fueret denn der Bapst zween schluessel  jnn seinem wapen, so er doch des einen nimer braucht? Es solt ja einer so  wol jm brauch gehen als der ander, Denn Christus hat sie beide gegeben,  das sie beide sollen jm brauch gehen und seinen Christen helffen, So weis  man ja wol, das der Bapst und die seinen woellen kurtz kein jhr gesetz noch  gewonheit abgethan odder geloeset haben, Sondern dringen jmer fort mit dem  Binden und mehren teglich jhr gesetze. Warumb das?

 

Ey lieber, so der Loese schluessel solt jnn brauch komen und die bande  odder gesetze eins teils auff heben, das moecht ein anfang und boeser einriss1  werden, die andern gesetz alle auffzuheben. Da wuerde eine starcke reformatio  uber die geistlichen Tyrannen gehen, Darumb ists besser, das man jmer  binde und nimer loese, Und male doch zween schluessel, den leuten das maul  zuschmieren2, halte aber allein uber dem Bindeschluessel. Der Loese schluessel  wuerde zu gros unglueck anrichten, beide gewalt, ehre und gut eben mit so  grossen hauffen weg nemen, mit welchen es der Binde schluessel zu tregt, Das  sehen wir auch jtzt fur augen, wie fest und hart sie halten, das sie gar nichts  loesen odder nach lassen woellen, da sie doch wissen, das sie mit unrecht und  widder Gott gebunden haben. Den Loeseschluessel koennen sie nicht finden,  Lieber (sagen sie), Weichen und reumen wir jnn einem stueck, so muessen wir  jnn mehr stuecken weichen, das ist uns nicht zu thun. Teuffel, das ist ein  kluger rat und weiser anschlag solcher grossen herrn und hochgelerten, der jhn  (als wol zuvermuten) trefflich helffen wird, Sie haben warlich den schnuppen  nicht.3 Was wird aber Christus dazu sagen, das jhr des Loese schluessels seine  Christen ewiglich beraubt habt? Ach, Was Christus? Christus? Das sind  Lutherische bossen. Wolan, werdet jhr den Loeseschluessel nicht finden, So wil  ich jhn mit diesem buechlin suchen, und also finden, das jhr wedder Binde  schluessel noch Loese schluessel behalten solt, Was gillts? Denn ich hoere sagen,  sie sind beide aneinander gebunden, Kriegen wir einen, so haben wir sie  beide, Künd jhr binden, so koennen wir loesen.

 

Ja sagen sie, der Bapst braucht des Loeseschluessels auch, wenn er dispensirt  odder erleubet und seine band und gesetze nach lesst (ich hette schier gesagt)

 

[ 1 liebe C 12 sollen] solten D 18 andere D 22 wirt D 36 kriegen] überkomen D 39 gesagt) ABC]

 

 

 

[Seite 475]

 

 umb geld verkeufft, Was sol man sagen? Heisst das Loesen, wenn man  die band des Binde schluessels umb geld verkeufft? Warumb loeset er nicht  auch umb Gottes willen odder umb der seelen not willen? Ah, das sind  eitel Lutherissche teydinge, Nihil ad propositum, Dienet hieher nicht. Weiter:  Warumb ist denn der Loese schluessel nicht so gros als der Binde schluessel und  loeset nicht so fern, weit und breit, als der Binde schluessel bindet? Denn der  Binde schluessel gehet uber die gantze Christenheit, lesst nimer nichts loesen  durch den gantzen hauffen, bindet jmer fort und hellt fest gebunden, Aber der  Loeseschluessel hilfft einem odder zweien aus solchen banden, doch auch nicht aus  [Bl. C iij] freier macht seines Loesen ampts, Sondern aus furbit, mittel und krafft  des grossen Gottes Mammon, on welchen sein Loesen ampt gar tod und nichts  were. Warumb fueret denn der Bapst jnn seinem wapen zween schluessel gleich  gros, So er sie doch nicht gleich gros haben noch leiden wil? Er solt allein  den Binde shcluessel das feld lassen fuellen und das Loeseschluesselin kaum eins  monkoernlin lassen sein, Ja er solt Mammon an desselbigen stat fueren und  einen teuffels kopff dabey. Also mus das arme Loeseschluesselin seines ampts  nicht brauchen, sondern dem Binde schluessel helffen, geld und gewalt mehren,  obs der Binde schluessel fur sich allein zu wenig thet.

 

[[8 u. 9]] Der ander Misbrauch.

Da nemen sie nu die lieben schluessel fur sich, Und haben sie den Text  odder die wort jm spruch Christi wol gemartert mit jhrem deuten, so  martern sie nu die schluessel selbs noch erger, die durch die wort uns gegeben  sind, Heben an und machens mit den schluesseln also, das einer heisse zu weilen  Clavis Errans, das ist ein Feil schluessel odder jrrend schluessel, Als wenn der  Bapst jemand bindet odder bannet, der doch fur Gott nicht gebunden ist,  odder loeset, der fur Gott nicht los ist, da jrret der schluessel und schaffet  nichts, Denn er feilet und trifft nicht recht zu. Und sonderlich mus der  Loese schluessel die fahr haben, das er feile, Denn der Binde schluessel, sonderlich  der die gesetze stellet, jrret nimer mehr, kan auch nicht jrren, denn der  heilige geist regirt den Bapst jnn dem Binde schluessel so starck, das er nicht  jrren kan, Aber den Loese schluessel kennet er nicht, da lesst er den Bapst  allein mit bezemen1, Villeicht darumb, das Christus den Loese schluessel on  wissen und willen des heiligen geists uns gegeben hat, das verdreusst den  heiligen geist und wil jhn nicht so gewis fueren als den Binde schluessel, Das  gleube odder du bist ein ketzer.

 

Denn dis alles ist so gewis, das auch der Binde schluessel, wenn er nicht  gesetze stellet (wie droben gesagt), sondern, wenn er bannet, dennoch nicht jrren

 

[ 1 sol] solt C 7 gantzen D 18 thet] were C 33/34 geists —heiligen fehlt D]

 

 

 

[Seite 476]

 

 kan, Denn da haben sie einen spruch (acht ich) aus S. Gregorio: ‘Sententie  nostre, etiam iniuste metuende sund’1, das ist ‘Wenn wir schon jemand mit  unrecht jnn den bann thun, so sol man doch solchen unsern bann furchten’.  Kanstu wol rechen, wenn man den unrechten und den Feil bann furchten mus,  so hat er nicht gefeilet, Warumb solt man sich sonst fur unrechtem bann  furchten, wo er nicht treffe, sondern gefeilet hette? Denn du must dencken,  das der Bapst so gros ist jm himel, das sich Gott selbs fur jhm furchten mus,  Und wenn der Bapst jemand unrecht jnn bann thut, so erzittert Gott mit  allem himelischen heer fur solchem Bepstlichem blitzen und donnern auff erden  und mus den verbanneten verdammen und den unrechten bann bestetigen und  volfueren und also seine Goetliche warheit faren lassen und ein bube werden  umb des Bapsts willen, das der Binde schluessel ja nicht [Bl. C4] feile, Jch  wolt aber jtzt lieber fluchen denn schreiben uber diesem grewel, wenn ichs  thuerst thun, Aber hernach wollen wir den spruch Gregorij ansehen.

 

[] Wolan, Gott gruesse euch hie lieben Herrn, Jch hette etwas mit euch zu  reden, wenns euch verdruesse, Jhr sprecht, das jhr einen Feil schluessel  habt, Lieber, sagt uns doch: Was habt jhr uns bis her jnn Deudschen landen,  ja jnn aller wellt verkaufft jnn dem Ablas? dafur habt jhr ja unermeslich  geld von uns genomen, Jsts der Feilschluessel oder Treffschluessel gewest? Jch  wollts gern wissen. Ey hastu nicht gelesen jnn der bullen: Wer seine suende  berewet und gebeicht hat, der hat den Ablas gewis? Wir geben Ablas, ob  er dir aber werde, da lassen wir dich fur sorgen, Denn wir koennen nicht  wissen, ob du recht gerewet und gebeicht hast, Darumb sind wir auch nicht  gewis, ob der schluessel troffen odder gefeilet hat, Er kan wol feilen und jrren.  Wie? das geld aber, das du dafur genomen hast, das hastu doch gewis und  nicht dem Feilschluessel zu bewaren befolhen? Wie anders? Du narr, Wer  wolt dem Feil schluessel geld befelhen? Were es nicht besser, die seelen, die  ewig leben und nicht widder komen koennen, dem Treffschluessel und das geld,  das man alle stunde widder kriegen kan, dem Feilschluessel befelhen? Lieber,  das ist Lutherisch geredt, Wir handeln jtzt Bepstisch.

 

Danck habt, und der liebe Gott muesse euch lohnen fur die gute troestliche  unterricht, Denn nu mercke ich wol, das der Schlussel mit dem Ablas stehet  nicht auff Gottes wort, sondern auff meiner rew und beicht, Denn rewe und  beicht ich recht, so hilfft mir der schluessel zum Ablas, Wo nicht, so ists alles  verloren, beide Ablas und geld, das ich dafur gegeben habe. Lieber, wie werde  ich aber gewis, das ich recht gerewet und gebeicht habe, damit der Feil schluessel  ein Treffschluessel werde und Gott gnug an mir habe? Lieber, Da las ich  dich fur sorgen, Das kan ich nicht wissen. Jsts denn auch recht, und heissts

 

[ 5 vor dem unrechten D 13 diesem] dise D 28 koennen] koenten D 29 kriegen] überkomen D]

 

 

 

[Seite 477]

 

 nicht gestolen das geld, so du von mir nimpfst fur solch ungewisse wahr?  Denn du hast nu mein geld, gibst mir Ablas dafur Und sagest doch, Es sey  nicht gewis, ob jchs habe, Und ist mir eben nach dem kauff wie vor dem kauff,  denn ich habe jtzt eben so viel als vorhin, nemlich ungewissen Ablas, das ist  keinen Ablas. Wie? solts gestolen sein? Hastu mirs doch willig gegeben,  und ist nu dem Treffschluessel befolhen, der kan nicht jrren. Dem recht.

 

[] Weiter: Was gebt jhr uns denn jnn der Beicht jerlich, damit jhr die  welt bezwungen und erforsschet habt, das uns leib und seel, gut und ehre  gekostet hat on unterlas? Was solten wir geben? Die Absolution. Jst sie  denn auch gewis? Bistu berewet, und ists jm himel also, wie wir absolvirn,  so bistu gewis absolvirt, Wo nicht, so bistu nicht absolvirt, denn der Schluessel  kan feilen. So hoere ich aber mal, das der Schluessel stehet auff meiner rew  und wirdigkeit fur Gott, Und ich kan mit meiner rew ein solcher feiner kleinschmid1  werden, das ich unserm Herrn Gott kan aus seinen schluesseln machen  beide Feilschluessel und Treffschluessel, Denn rewe ich, so mache ich seinen schluessel  zum Treffschluessel, Rewe ich nicht, so [Bl. D1] mache ich jhn zum Feil schluessel,  Das ist: Rew ich, so ist Gott warhafftig, Rewe ich nicht, so leuget Gott, Es  gehet noch alles fein daher. Wie weis ich aber, das meine rew und wirdigkeit  fur Gott gnug sey? Sol ich hinauff gen himel gaffen und warten so lange,  bis ich erfare und gewis werde, das meine rew gnugsam sey? Wenn wil  daraus etwas werden? Da las ich dich fur sorgen. Wol geredt, Den beicht  pfennig, der wol der welt gut werd ist, hastu gleich wol dahin, und mir eine  sorge und zweivel dafur geben? Da las mich fur sorgen.

 

Weiter: Was verkeufft jhr uns jnn den butter briefen und andern mehr  freyheiten, als das einer seine nahe freundin zur ehe nemen muege und der  gleichen? Feilet der Schluessel nicht, so hastu mit Gott und ehren, was du  keuffest, Jsts aber fur Gott nicht gefellig noch ursachen gnugsam, So jrret  der Schluessel und hasts nicht mit recht. Wie weis ich aber, das fur Gott  gefalle, und meine ursache jhm gnugsam sey? Da las ich dich fur sorgen.  Wo sind aber die hin gefaren, so auff solchen ungewissen kauff gebawet und  also drauff gestorben sind? Da las ich sie fur sorgen.

 

[] Weiter: Wenn Bapst, Bisschove, Proebste, Official jemand jnn bann  thun, auch on Gottes wort und befelh: Hellt auch solcher bann? O das ist  kein zweivel, Denn hie gehet der Bindeschluessel, der kan nicht feilen noch  jrren, wie du gehoeret hast. Wie kanstu aber wissen, das er hie nicht feile?  Da las mich fur sorgen. So hoere ich wol, wenn es ewer gewalt, gut und  ehre antrifft, so sind eitel Treffschluessel da, und kan keiner jrren noch feilen,  Aber wenn jhr unser seelen helffen und raten sollet, so habt jhr nichts denn  eitel Feilschluessel? Rat bas, das hastu troffen.

 

[ 24 butter] ancken D 26 hast C 28 das] das es D]

 

 

 

[Seite 478]

 

Weiter: Wenn der Bapst Koenige und Fursten verflucht bis jns neunde  gelied (wie man sagt), gillt und hellt auch solcher fluch gewis? So doch Gott  [2. Mose 20, 5] Exodi am xx. allein jns vierde gelied drewet zu straffen und doch niemand  verflucht? Awe ja, Er gillt gewislich, Denn das thut der Binde schluessel, der  nicht feilen kan. Wie weistu, das Gott solchen fluch bestettiget? Da las  mich fur sorgen.

 

Weiter: Wenn der Bapst solche Fursten und Koenige widderumb segenet,  treffen auch die schluessel gleich zu? Wo die Fursten fur Gott des segens werd  sind, so treffen sie gewis, Wo aber nicht, so feilen sie. Denn hie handelt  der Loeseschluessel, der wol feilen kan. Wie weis ich aber, ob die Fursten des  segens fur Gott werd sind? Da las ich sie fur sorgen.

 

[] Weiter: Die Fluch bulla, so man jerlich zu Rom am gruenen Dornstag  ausrufft1, trifft sie auch alles, was sie verflucht? Solt die bulla nicht  treffen, welche des Binde schluessels furnemest werck ist? So hoerestu ja, das  der Bindeschluessel nicht feilen kan, der heilige geist fueret jhn, Wie werde  ich gewis, das der heilige geist jhn so fuere? Da las mich fur sorgen.

 

Weiter: Was macht jhr jm Fegefeur, wenn jhr die seelen durchs Ablas  heraus zihet? Jsts auch gewis? Wenn Gott jm himel solch eraus zihen fur  recht [Bl. Dij] hellt, so ists gewis, Wie weis ich aber, das Gott fur recht hellt?  Da las ich dich fur sorgen. Wo bleibt denn das grosse geld, das jhr mit  dem Fegfeur durch solchen Feil schluessel gestolen und geraubt (ich wolt sagen)  gewonnen habt? Da las mich fur sorgen, Der Treffschluessel wirds wol  bewaren. Recht.

 

Weiter: Wenn der Bapst den Engeln gebeut, das sie der Pilger seelen  (so auff der Romfart sterben jm guelden jar) gen himel fueren muessen2, Jsts  auch gewis? Weil Christus die Schluessel allein auff erden gibt, Und die  Engel auff erden nicht sind, Jsts sachen, das Gott die Engel heisst, was der  Bapst gebeut, So ists gewis. Wie weis ich aber, das Gott die Engel solchs  heisst? Da las ich dich fur sorgen.

 

Weiter: Wenn jhr Pfaffen weyhet, Bisschove mentelt3, Bepste kroenet,  Keiser und Koenige salbet, Muenche und Nonnen einsegenet, Glocken und  kirchen, Saltz und wasser weyhet und der gleichen, Jsts auch gewis? Was  darffestu so viel fragens? Hoerestu nicht? Alles, was der Binde schluessel  schaffet, das ist gewis, Was aber der Loese schluessel schaffet, das ist ungewis.  Darumb, was des Binde schluessels jnn genanten stuecken ist, das hellt und ist  gewis, Was aber des Loese schluessels ist, das mag feilen und ist ungewis.  Wie weis ich aber, das dem allen so sey? Trawen, Was des Binde schluessels

 

[ 4 Awe] O we D gillt] hilfft C 11 sin [Konj.?] D 16 ich] ichs D 28 ich] ichs C 33 darffst du D 37 allem C]

 

 

 

[Seite 479]

 

 ist, da las mich fur sorgen, Was des Loese schluessels ist, da las ich dich fur  sorgen.

 

Lieber, hatts die meinung, Warumb harret jhr denn nicht mit ewrem  Feilschluessel so lange bis jhr gewis werdet, das die rew fur die suende gnugsam  sey fur Gott, damit jhr nicht so feilen und ungewis handeln muestet mit  dem Ablas und Absolution? Des gleichen: Warum harret jhr nicht so lange  mit den butter brieven und allen andern stuecken, bis jhr aller sachen gewis  werdet? Man solt mit Gottes befelh nicht so vergeblich jnn den wind  handeln und so leichtfertig damit umbgehen, Es ist grosse suende. Ja lieber  geselle, Solten wir so lange harren, so kriegeten wir nimer mehr keinen  heller, kein ehre noch gewalt, und wurden die schluessel lengest verrostet, und  wir ermer und elender sein, denn die Aposteln, Propheten und Christus selber  gewest sind, So handeln wir auch nicht vergeblich noch leichtfertig mit den  schluesseln, denn sie bringen uns volle, wichtige, schwere beutel und kasten  gnug, Die Apostel sind leichtfertig damit umbgangen, haben nichts damit  koennen erheben.

 

Noch eins: umb Gotts willen, Sagt mir doch, Wo her habt jhr den  Feilschluessel uberkomen? So doch die gantze schrifft gar nichts davon weis,  Sondern hat eitel gewisse Treffschluessel? Ey daher haben wir jhn: Gott  schweigt stille und sagt uns nichts, ob deine rewe recht odder die ursachen zu  loesen und dispensiern gnugsam seien, So koennen wirs auch nicht erraten.  Sollen nu die schluessel nicht verrosten, muessen wir also jm zweivel dahin  handeln, triffts, so triffts, feilts, so feilts, wie man der blinden kue spielet.1   Was sol ich sagen? Spielet jhr also der blinden kue mit unsern seelen, leib  und gut, und mauset jm finsternis? Das habe ich vorhin nicht gewust, Nu  wercke ich, das jhr bruederlich mit uns teilet, Jhr behallt den [Bl. D iij] Treffschluessel  zu unserm kasten, geld und gut, und lasst uns den Feilschluessel zum himel,  Was euch angehet, da habt jhr den Treffschluessel, Was uns angehet, da habt  jhr den Feilschluessel. Da las ich dich fur forgen. Kanstu sonst nichts mehr  sagen zun sachen, Denn “Da las ich dich fur sorgen”? Solt ich nicht mehr  sagen koennen? Jch sage dazu auch: Was den Bindeschluessel und Treffschluessel  angehet, da soltu mich lassen fur sorgen, Jsts nicht gnug? O mehr  denn gnug und allzu viel, leider, Jhr seid hochgelerte Doctores und erfaren  leute, das mus ich zeugen, fur war, Nu merck ich, warumb die schluessel  silbern sind und jnn roter seiden gefueret werden, Und das Christus euch mit  den schluesseln zu herrn auff erden und euch die Christenheit zur gefangen  elenden magd hat woellen machen und gar nicht umb der Christenheit, sondern

 

[ 5 by Gott D 7 butter] ancken D 10 kriegeten] überkemen [so gewöhnlich] D 14 beutel] seckel D 33 allzu viel] nüme zůuil D        hochgelerte] gelerte D]

 

 

 

[Seite 480]

 

 allein umb ewer willen die schluessel gegeben hat. Freilich, Wie kans  anders sein?

 

 Wie gefallen dir die leute, Mein lieber bruder? Jch meine ja, das  heisst mit Gottes wort gewuerffelt, wie die spitz buben thun, Und mit der  lieben Christenheit und den armen seelen gespielet, als werens allte karten  bletter1, die doch Gott selbs so theur durch seines lieben Sons blut und tod  erarnt hat, Wolan, Es ubertrifft die bosheit alles klagen, fluchen und  zuernen. Wenn ich odder unser einer hette solchs gesagt und geleret, das des  Bapsts schluessel ungewis were und feilen moecht, Hilff Gott, welch ein geschrey  solt da worden sein, Da hette himel und erden woellen einfallen, da solt  man uns aller erst geketzert haben, da solts geblitzt und gedonnert haben mit  bannen, fluchen und verdamnen, als die wir der kirchen gewalt schwechen wolten,  Denn sie habens nie leiden koennen, das man sagt: Der Bapst kan jrren und  feilen jnn glaubens sachen. Dis aber sind alles glaubens sachen, Nu sagen  sie es selbs, leren und bekennen frey daher, das die Absolutio jnn der beicht  mislich sey, und wo die rew fur Gott nicht gnugsam ist, da sey sie nichts,  Koennen doch nimer mehr anzeigen, welche rew und wenn sie gnugsam sey,  und setzen damit die armen, elenden gewissen auff einen zweivel, das sie nicht  wissen muegen, wie sie dran sind, was sie haben odder nicht haben, Nemen  gleichwol alle jhr geld und gut fur solche ungewisse wort und wercke.

 

Daraus folget, das der Bapst, so lange er den Feil schluessel gehabt, noch  nie keinen menschen jnn seinem gantzen Baptsum absolvirt und wedder schluessel  noch schluessel brauch gehabt hat, Sondern, so viel an jhm gewest mit dem  Feil schluessel und ungewisser Absolution die Helle gefuellet, Denn ungewisse  Absolution ist eben so viel als keine Absolution, Ja es ist eben so viel als  luegen und betrug, Das heisst die kirche Christi regieret und die schaff Christi  geweidet. Also auch mit dem Ablas: weil es ungewis und auff der menschen  rew stehet, So hat der Bapst, so lange das Ablas gestanden, nie keinen tag  noch stunde Ablas gegeben, Und muessen seine bullen und guelden jare die groessest  reuberey und bueberey gewest sein, so auff erden komen ist, Denn ungewisser  Ablas ist kein Ablas, ja es ist triegerey und bueberey, Ungewis mus er aber  sein, weil die rewe ungewis ist, darauff er stehet, Denn wer wil sagen, das  seine rew [Bl. D 4] fur Gott gnugsam sey? Ja welche rewe kan fur Gott  gnugsam sein? Sintemal nicht unser rewe, Sondern Christus selbs mus  fur Got unser rew und gnugthun sein mit seinem leiden.

 

 Also auch mit der dispensation, butter brieven und der gleichen, Weil  sie sich gruenden auff die ursachen, ob die selbigen fur Gott gnugsam sind

 

[ 1 üwert D 7 ubertrifft] betrifft D 9 welch ein] wye ein D 12 die wir] die so wir D 13 sagte B 14 sachen — sachen fehlt C 36 butter] ancken [so immer] D 37 sich fehlt D]

 

 

 

[Seite 481]

 

 odder nicht, Und doch kein mensch dasselbige wissen mag, So hat der Bapst  sein lebtage noch nie keinen rechten butter brieff, noch einige gewisse dispensation  gegeben, Denn ungewisse dispensation ist keine dispensation, Ja es ist eitel  liegen und triegen, Gott ist gewis und warhafftig, wil mit keiner ungewissen  sachen zu thun haben, Es mus alles gewis sein, was er thut, und was fur  [Jak. 1, 6 f.] jhm gelten sol, wie Jacob am j. spricht: ‘Man solle nicht wancken noch zweiveln,  Wer aber wanckt odder zweivelt, der dencke nicht, das er etwas von Gott  empfahen werde.’ Was leren aber diese Feilschluessel anders, denn wancken,  zweiveln und ungewis sein? Das ist, Sie leren verzweiveln, Christum verleugnen  [Mark. 16, 16] und verdampt werden, Denn wer nicht gleubt, der ist verdampt,  [Röm. 14, 23] Und was nicht aus glauben geschicht, das ist suende, Nu muegen sie ja hie  nicht gleuben, weil der schluessel mit seiner krafft auff unser ungewissen rewe,  auff unserm ungewissen thun und sachen stehet, Denn wer kan auff sein eigen  werck, rew odder sachen gleuben? Niemand, denn wer ungleubig ist und  Christum verleugnet, Sintemal unser werck ja nicht Gottes wort sind.

 

 Nu zeuch hin gen Rom, hole Ablas und butter brieve, gib geld und las  mit dir dispensirn, Las dich weyhen odder werde Bisschoff, Lauff der Walfart  nach, Ruffe heiligen an, Loese das Fegfeur, Beichte solchen pfaffen &c., So kompstu  recht an, das du nicht weissest, was du thust, hast odder bist fur Gott. Ja  du bist betrogen und belogen, Und geschicht beiden teilen recht, Warumb verachten  wir Gotts wort und sind so undanckbar unserm HERRN Christo.  Zwar fur den leuten wollen sie es warlich gegleubt haben, das gewis ding  und eitel Treffschluessel sey, was sie loesen und dispensirn, Trotz der anders  sage, Aber bey sich selbs sagen sie, Der Schluessel koenne feilen, Das thun  sie darumb: Wenn die leute gleuben, das gewis sey, so kriegen sie damit den  rechten Treffschluessel zu der gantzen welt kasten, Wenn sie aber wissen, das  ungewis feil und luegen sind, so dienet es dazu, das sie dem Teuffel mit der  Christen seelen die Helle fuellen und Christo sein reich wueste machen, Denn  wo zu solt er sonst jhn die schluessel gegeben haben?

 

Nu sihe, was die lere vom Feil schluessel fur frucht geschafft hat, Erstlich  mus Gott jhr luegener sein, Denn Gott hat fest und gewis zugesagt durch  Christum: ‘Was jhr bindet auff erden, sol gebunden sein jm himel, Und was  jhr loeset auff erden, sol los sein jm himel’. Das sind klar, helle, duerre  wort, die leiden keinen Clavem errantem, Feil schluessel. Er spricht, Er solle  gewis sein und nicht feilen, Was sie binden und loesen, sol gebunden und  los sein, Was sagt aber Meister Bapst hie zu? Jch weis warlich nicht  (spricht er), Jch wil wol auff erden loesen, obs aber drumb auch jm himel los  sein wird, da las ich dich fur sorgen, Stracks strafft er Gott jns maul. Gott  spricht: [Bl. E 1] Es mus los sein jm himel, ists auff erden los, Der Bapst

 

[ 2 sin lebtag D 17 werde] wirt D]

 

 

 

[Seite 482]

 

 spricht: Es mus nicht los sein jm himel, obs auff erden los ist, Der Schluessel  mag wol feilen.

 

Was ist das anders gesagt, denn als spreche er zu Gott: Gott, du  luegener, spricht, Es solle gewis los sein, was wir loesen, Und sihest nicht, das  wir Clavem Errantem, den Feilschluessel, auch noch haben, Denn weil wirs  nicht wissen noch gleuben, das der gewislich los sey, den wir loesen, So soltu  es auch nicht wissen, viel weniger so frey und gewis zu sagen, und damit die  leute so sicher und froelich machen, Denn was woltestu wissen, das wir nicht  wissen solten? Was darffestu den leuten verheissen, das wir nicht verheissen?  Jst der geloesete frum und wirdig, so wird er durch unser loesen los, Jst er  nicht frum, wenn wir schon loesen, so ist er doch nicht los, Weil wir aber  nicht wissen, ob er frum sey, So ist auch beide schluessel und loesen ungewis,  Denn es stehet der Schluessel sampt seiner krafft nicht auff deinem wort, sondern  auff unserm wissen, ob der mensch frum sey odder nicht, Nu aber solchs  wissen ewiglich ungewis ist, so mus auch unser loesen ewiglich ungewis bleiben,  Und du must liegen, der so thuerstig daher sagt, Es solle gewis los sein, was  wir loesen.

 

Eben solche ehre thun sie mit dem selbigen auch unserm Herrn Christo,  als der mit seinem blut nicht mehr erworben hat denn. Feil schluessel und  ungewis loesen, Und habe seine liebe braut, die Christenheit, auff einen affen  schwantz gefueret1 als ein teusscher odder blas tuecker2, Gibt jr ungewisse schluessel,  Heisst sie binden und loesen, da sie doch mus ungewis sein, obs gebunden odder  geloeset sey, weil sie der menschen hertzen nicht sehen noch wissen kan, wie der  Bapst sagt, Aber das der Binde schluessel gewis sey, damit sie die Christenheit  fahen durch jhre luegen und grewel, da mus Gott warhafftig sein und solche  Tyranney und bueberey durch seinen namen und wort stercken lassen, Und mus  hoeren, das Gott solchs thu. Also mus er zu beiden seiten durch beide schluessel  auffs aller grewlichst geschendet und gelestert werden, Dort mus er ein luegener  sein jm Loese schluessel, Hie mus er ein bube sein jm Binde schluessel, So sol  man Gott reden leren.

 

Hieraus ist leicht zu mercken, das diese leute die Schluessel nicht halten  fur ein Goettlich stifft werck, ordnung odder ampt, Sondern wie die Tuercken  und Heiden sehen sie es an fur eine menschliche ordnung odder ampt, als das  jnn jhrer macht stehe wie eine weltliche gewalt, Denn sie gruendens nicht  auff Gottes wort, Sondern auff menschen thun und sache, Sind die menschen  frum, so loeset der schluessel, Sind sie nicht frum, so loeset er nicht, Darnach die  menschen sind, darnach ist, gilt und schafft der Schluessel auch und sonst nicht.  Des gleichen auch der Binde schluessel stehet nicht auff Gottes wort, Sondern

 

[ 3 denn als] dañ das er D 11 wir (1.)] wir jn D 16 dürstig D 38 Desgleichen BC]

 

 

 

[Seite 483]

 

 auffs Bapsts wolgefallen, Wenn sie bereit werden, so mus er gesetz stellen,  dazu auch binden, Gott gebe, Es sey widder Gottes wort odder nicht und mus  auch gebunden heissen, Denn da stehets: ‘Sic volo, sic iubeo, sit pro ratione  voluntas’1, Gott mus wol billichen, Wo wil er hin, der arme man?

 

[Bl. E ij] Auch wo sie es fur Gottes ordnung odder ampt hielten, were  es unmueglich, das sie solten einen Feil schluessel draus machen, Denn Gottes  ordnung sind gewis und koennen nicht feilen, So wenig als sein wort liegen  und triegen kan, Gleich wie die Tauffe und Sacrament und Predig ampt, sind  auch Gottes ordnung, jrren und feilen nicht, Und ist nicht zu leiden, das  man wolte zweierley Tauffe machen, eine Treff tauffe und Feil tauffe, odder  zweierley Euangelia, Ein Treff Euangelion und Feil Euangelion, odder zwey  Sacrament, Ein Feil sacrament und Treff sacrament. Denn es ist alles  eitel warheit, was Gott redet und thut, Sonst mueste man auch sagen, das  Gott ein zwifeltiger Gott were, Ein Treff Gott und ein Feil Gott, und alle  seine Creatur muesten der weise nach zweierley werden. Also auch, wo sie den  Binde schluessel fur Gottes ordnung hielten, wuerden sie nimer mehr sagen  odder leren koennen, das es recht odder zu halten were, wenn sie damit gesetz  stellen odder unrecht bannen, Denn solchs alles thut der schluessel nicht, sondern  sie selbs unter dem schein des schluessels und unter dem namen Gottes, damit  sie jhre Tyranney und bueberey decken mit lesterlichem misbrauch.

 

Zum andern, Jst solcher lere frucht auch, das sie die Christenheit und  den glauben verstoeret, Denn wo ein Christen hoeret und des beredt wird, das  die schluessel jrren und feilen muegen, So ists nicht mueglich, das er gewis drauff  fussen und gleuben muege, was jhm der Schluessel zu sagt, Denn was man  sol gleuben, da mus man gewis sein odder jhe gewis dafur halten, das es  Gottes wort und die warheit sey on allen zweivel, Sonst bleibt da nichts  denn ein ungewisser wahn und wanckel glaube, ja ein rechter unglaube, das  kan nicht feilen. Weil denn der Bapst und die seinen hiemit frey bekennen  und rhuemen, das jhre schluessel jrren und feilen muegen, So mus alles und  alles jm Bapstum durch und durch ungewis sein, was sie handeln, Denn er  weis nicht, ob er recht bindet odder loeset, So muessen seine unterthane auch  ungewis sein, ob sie los odder gebunden sind, ob sie recht odder unrecht leben  odder thun, das ist, sie muessen wanckel gleuber, ja eitel unglaubige, unchristen,  Tuercken und Heiden sein, Also fueret ein blinder den andern, und fallen beide  jnn die gruben.

 

Was ist nu des Bapsts kirche fur eine kirche? Eine ungewisse wanckel  kirche odder schlutter kirche2, ja eine falsche luegen kirche, die jm zweivel und

 

[ 10 einer D 15 Creaturn C 24 fůsse D]

 

 

 

[Seite 484]

 

 unglauben schwebt on Gottes wort, Denn er leret sie zweiveln und ungewis  sein mit seinen Feilschluesseln, Jsts eine wanckel kirche, So ists nicht des  glaubens kirche, Denn die selbige stehet auff einem gewissen fels, auch widder  [Matth. 16, 18] die hellisschen pforten Matth. xvj. Jst sie nicht des glaubens kirche, so ist sie  auch nicht die Christliche kirche, sondern mus eine unchristliche, Endechristissche,  glaublose kirche sein, welche verstoeret und verderbt die rechte heilige Christliche  kirche, Also bezeugen sie hie mit jhrem eigen maul, das der Bapst muesse der  rechte Endechrist sein, der jm tempel Gottes sitzt und ein verderber und suenden  [2. Thess. 2, 4] meister ist, wie S. Paulus sagt ij. Thess. ij. Lieber Gott, man duerfft die schluessel  nicht ungewis und wanckel machen, Man predige auffs aller hefftigest, das sie  gewis, [Bl. E iij] gewis Gottes wort sagen, dem on allen zweivel zu gleuben sey.  Es hat dennoch muehe gnug, das ein elen gewissen gleuben koenne, Was solts  denn thun, wo man aller erst das auch ungewis macht, daran es gleuben sol  und seinen zweivel und verzagen damit sterckt und bestettigt?

 

Die dritte frucht: das sie menschen werck und eigen gerechtigkeit auff richt  widder die gerechtigkeit Christi, uns durch gnaden jm glauben geschenckt, Des  grewels kan man sie hie mit gewaltiglich uberzeugen, Denn sie machen mit  jhren ungewissen Feil schluesseln nicht allein Gottes wort zu nichte, Sondern  weisen auch die leute von solchem wort Gottes auff jhr eigen werck und verdienst  und sprechen: Bistu berewet und frum und hast rechte sachen, so helffen  dir die schluessel und sonst nicht. Was ist das anders gesagt Denn so viel: Du  must die gnade verdienen und der selbigen wirdig werden durch deine eigen werck  fur Gott, darnach helffen dir auch die schluessel? Sage mir: Wie koendte man  einen Christen tieffer jnn seine werck stecken und hefftiger auff sein verdienst  reitzen und weiter von Gottes gnaden und Christus blut treiben, denn mit  solcher lere? Leren dazu hie mit, aus Gott einen falschen Richter machen, der  die personen und unser werck solle und muesse ansehen und seine gnade verkeuffen  und nicht aus barmhertzigkeit geben. Sol ich zuvor die gnade fur  Gott mit meinem thun verdienen, Was den teuffel sollen mir denn die schluessel,  so sie mir nicht die gnade geben koennen, sondern ich mus zuvor die gnade  verdienet haben fur Gott? Hab ich die gnade zuvor, So sehe ich wedder  [Röm. 8, 31.] schluessel noch Bapst an, Denn, ‘so Gott fur uns ist, wer wil widder uns sein?’

 

Hieraus mustu greiffen, das des Bapsts schluessel, nicht schluessel, sondern die  huelsen odder die schalen von den schluesseln sind, odder, wie er mit der that zeigt,  und fueret sie jm wapen, sind es warlich gemalete, ledige schluessel, die wol die  augen fuellen, aber der seelen nichts geben, Denn du hoerest hie, das sie selbs  bekennen, Die schluessel geben nicht gnade, ist auch keine gnade Gottes drinnen,  Sondern der mensch muesse zuvor on die schluessel gnade erwerben, durch sich  selbs, Sind es nu so ledige, lehre schluessel, das sie die gnade nicht bringen,

 

[ 11 gewis] fehlt einmal D 32 fur uns] mit uns D 34 die (1.) fehlt D 38 muesse] můß D]

 

 

 

[Seite 485]

 

 sondern foddern, so muessens nicht rechte schluessel sein, Denn die rechten schluessel  sind voller gnaden, bringen und geben gnade (wie wir hoeren werden) auch  den unwirdigen und unverdieneten, Ja allein den unwirdigen und unverdieneten.  Weil denn nu jhre schluessel so wahn1 und lehr sind, so sihestu ja  wol, wie rein und fein sie den HERREN Christum damit ausgerottet, verleugnet  und verdampt haben, Und geben die schluessel bey jhn nichts mehr denn  die gnade des Bapsts, odder wie sie reden, die gnade der kirchen, das der  sunder mit dem Bapst odder der kirchen versuenet wird. Aber Gottes gnaden  mus er selbs, on die schluessel verdienen, Das ist fein umbgekeret, das Christus  seine schlussel sol gegeben haben dazu, das man menschen gnade damit kriege,  Aber Gottes gnade musse man durch uns selbs, on schlussel und on Christo  erwerben, Das mugen ja grewliche grewel sein, So doch gewislich Christus  die schlussel gegeben hat, das man allein [Bl. E 4] Gottes gnade dadurch kriege,  Menschen und kirchen gnade zu kriegen, hat er ander wege und weise gestellet.

 

 Uber dis alles, haben sie noch eine hoehere gewalt, Das sie der schlussel  so gar mechtig sind, wenn sie wollen, so mus er ein Feil schlussel sein, Widderumb,  wenn sie wollen, so mus er ein Treff schlussel sein, Des wil ich dir  ein fein Exempel erzelen. Jtzt auff dem Reichstage hat sich des Bapsts Legat,  Cardinal Campegius lassen hoeren, Der Bapst moechte villeicht dispensirn odder  erleuben beider gestalt des Sacraments und die Pfaffen ehe, Aber das er solt  Munche und Nonnen die ehe erleuben, kan er nicht thun, es muste der schlussel  feilen und jrren2, Nu hats der Bapst offt gethan, und hat mussen kein Feil  schlussel noch jrthum heissen, wie man weis, Und wer es hette jrthum  geheissen, der were jnn die untersten helle verdampt worden. Aber weil ein  Cardinal, sein Legat, solchs ein jrthum heisst, So ists ein artikel des glaubens.  Also gehet man mit uns armen Christen umb, Heute Ja, Morgen Nein, heute  Feil schlussel, morgen Treffschlussel, und doch alles beides eitel artickel des  glaubens, Jst gleich viel, die Deudschen mussens wol gleuben. Wo sind aber  die hin gefaren, die der Bapst aus den Kloestern zur ehe hat komen lassen,  weil sie gegleubt haben, Es sey recht gewest, Und der Cardinal sagt jtzt, Es  sey unrecht? Was fraget Bapst und Cardinal darnach? Jst gnug, das die  leute gleuben, Es sey recht, wenn sie wollen, Und widderumb auch gleuben  mussen, Es sey unrecht, wenn sie woellen.

 

Wolan, wir wissens fast wol, das die Walen uns Deudschen nicht fur  menschen, sondern fur eitel huelsen odder schemen halten, so gar stoltz und sicher,  das sie meinen, wenn einem Cardinal ein fauler bombart3 entfure, so were  den Deudschen ein newer artickel des glaubens geboren4, Das machen wir selbs

 

[ 10 musse] můß D 19 Capegius D 22 hat es B 23 were [!] C 35 hülschen D]

 

 

 

[Seite 486]

 

 und ist unser schuld, das wir solche Maulaffen1 sind, und lassen uns so effen  und nerren. Doch hoffe ich, Sie sollen uns maulaffen jtzt schier ein wenig  [4. Mose 22, 28] gefulet haben, und der unsinnige Balaam musse auch ein mal seine eselin  hoeren. Wollen sie nicht dispensirn und erleuben, das sie es lassen, der leidige  teufel bitte sie drumb an meiner stat, Er thu jnn seine dispensation und  henge sie an den hals2, Jch wil thun und lassen, was ich weis, das Gottes  wort ist, und nicht aller erst seine feinde und lesterer, die maul esel3 zu Rom  drumb fragen, ob sie es erleuben wollen, Sondern dem sprich wort nach faren  und sagen: Urlaub kome hernach.4 Denn sie sollen mir jhren stuel nicht setzen  uber Gottes wort und jhn leren, was er uns heissen solle, das wil ich jhn  fur meine person wol wehren, ob Got wil.

 

Und summa, wir wollen das wort Feil schlussel nicht leiden jnn der  Christenheit, Der leidige Teuffel hats aus der hellen erauffbracht, damit den  glauben, Euangelion und Gottes reich zuverstoeren. Es kans auch kein frum  Christlich hertz nicht leiden, Es sollen eitel gewisse Treffschlussel jnn der Christlichen  kirchen sein, Und sol niemand disputirn odder fragen, ob der schlussel jrren  odder feilen muge, denn das ist gleich so viel gefragt, ob Gottes wort liegen  oder feilen muge, Sondern darnach sol man vleissig fragen und [Bl. F1] wol  drauff mercken, obs der schluessel sey odder nicht. Jsts der schluessel, so sey  gewis, das da kein feilen noch jrren ist, Sondern eitel treffen und sicher gewis  Gottes geschefft, Gleich wie ich nicht fragen sol, ob das Euangelion recht odder  unrecht sey, Denn das Euangelion ist recht und kan nicht unrecht sein. Aber  da ist not fragens und zusehens, obs das Euangelion sey odder nicht, Jsts  das Euangelion, So gilts nicht mehr fragens, obs recht sey, Sondern gilt  schlecht fest gleubens und darnach zu leben.

 

Jch hoeret ein mal von einem weisen man, der sprach: Clavis non errat,  Sed Papa errat, Der schluessel feilet nicht (sprach er), Aber der Bapst feilet  wol, Und das ist auch recht geredt, Gleich wie ich sagen mag: Das Euangelion  jrret nicht, Aber der Prediger odder Pfarher jrret wol, wenn er unter dem  schein des Euangelij seine trewme leret, Also jrret der schluessel auch nicht,  Aber der Bapst jrret, wenn er unter dem namen und schein der schluessel  seinen mutwillen und eigen dueckel treibt. Solchs keren sie umb und sprechen:  Clavis errat, Papa non errat, Der schluessel feilet, der Bapst feilet nicht,  Und ehe sie wollen einen menschen feilen lassen, wollen sie lieber sagen, das Gott  feile jnn seinem wort und werck. Darauff haben die Bapsts maul esel, seine

 

[ 4 und erleuben] odder erleuben BCD 6 an hals D 32 duenckel] duncken D]

 

 

 

[Seite 487]

 

 Curtisanen einen heubt spruch ‘Non est presumendum, quod tante celsitudinis  Apex erret.’ Es ist nicht zuvermuten, das solch hohe maiestet jrre. Das ist  ein rechter Tuerckisscher spruch, die sagen von jhrem Keiserthum auch also: Ey  es ist nicht zuvermuten, das Gott so ein gros volck jrren und verdampt werden  lasse. Ja verlasse dich drauff und backe nicht.1 Man mueste auch das bedencken,  das solche hohe maiesteten dennoch nicht Gott, sondern menschen sind, Ein  mensch aber sundiget, feilet, leuget und treugt, wie die schrifft saget.

 

Sagt mir aber, lieben Maul esel: So es nicht zuvermuten ist, das  solche hohe maiestet jrre, Warumb ists denn zuvermuten, das die schluessel  und die Goettliche Maiestet jrre? odder ist der schluessel und Gott nicht so hoch  als der Bapst? Die schluessel sind ja nicht menschen, sondern Gottes wort  und werck uber alle menschen, Darumb auch Gott seine Christliche kirchen  keinem menschen hat woellen befelhen zu regieren, Sondern hatts fur und bey  sich selbs behalten und geboten, das man nichts denn sein wort leren solle.  Denn er weis, wenn wir on sein wort leren aus uns selber, das es eitel feil,  jrthum, luegen und sunde ist, auff das wir allein sein werkzeug sein und jhm  unser zungen dazu geben sollen, das er selbs und alleine durch uns rede und  regiere, So heissts. Dagegen leren diese maul Esel, das der Bapst regieren  solle und nicht Gott, Und das man dem Bapst gleuben solle und nicht den  schluesseln, Denn weil der Bapst nicht jrren kan, so gleubt man jhm billich,  weil aber die schluessel Gottes jrren, so kan man jhm nicht gleuben. So sol  man die Christliche Kirche leren und regieren, das ein teuffels reich draus  [2. Thess. 2, 3] werde voller luegen, unglaubens und aller grewel, das gehoeret zu ‘hominibus  peccati et filijs perditionis’, die mit sunden die gantze welt verderben.

 

[Bl. F ij] Der dritte Misbrauch.

Bisher haben wir gehoret, wie sie die schluessel haben zweierley weise  geteilet, Ein mal Bindeschluessel und Loese schluessel draus gemacht, damit  gesetze zu stellen und gesetze auff zu heben odder zu erleuben, Zum andern mal  Feil schluessel und Treffschluessel draus gemacht, Daran ists nicht genug. Haben  sie zum dritten mal geteilet in Clavem Potestatis et Scientie, Das ist: Ein  schluessel heisst Schluessel der gewalt, Und der ander heisst Schluessel des erkentnis,  Und das sind die rechten zween schluessel, die der Bapst fueret, Die er auch mit  ernst meinet. Also gehets, wo man ein mal aus der bahn koempt, da ist des

 

[ 15 nach eitel Komma AB 27 Binde- | A]

 

 

 

[Seite 488]

 

 jrre gehens kein ende noch auffhoeren und mus jmer eine luegen sieben ander  haben zum deckel und hilfft doch nicht.

 

Der gewalt Schluessel heisst, das der Bapst macht hat jnn himel und  erden, zu gebieten und zuverbieten, wie und was er wil. Er kan Keiser,  Koenige, Fursten Ein und absetzen, Er kan alle oeberkeit meistern und regieren,  Er kan den Engeln jm himel gebieten1, Er kan das Fegfeur ledig machen,  Und was sol man viel sagen? Sie handeln drueber und haben sich lange  drumb gezanckt, ob der Bapst ein mensch odder Gott sey, Haben aber endlich  beschlossen, Er sey Gottes stathalter auff erden und ein jrdisscher Gott, eine  person aus Gott und mensch zu samen geschmoltzen, mixtus deus et homo2,  Das thut der Gewalt schluessel.

 

Daher bruellen und donnern die schrecklichen Decret jm geistlichen recht,  Das Gott, habe Sanct Peter gegeben ‘Jura simul celestis et terreni imperij’,  wie Nicolaus iij schreiet3, Das ist: Der Bapst ist Keiser jnn himel und auff  erden, das hat Christus Sanct Peter gegeben, Und aber mal C. Pastoralis4  rhuemet der Bapst, das gar kein zweivel sey, wenn das Reich Keiserlos ist, So  sey er der rechte Keiser, Und jnn C. Solite5 spricht er, das der Bapst sey uber  den Keiser so weit als die sonne uber den monden, Und der gresslichen, grewlichen  donner spruechen sind viel mehr jm geistlichen recht, Das wol jnn  [Offenb. 10, 1 –3] Apocalypsi cap. x. Johannes schreibet, das der wolcken Engel bruellet wie ein  lewe, und sieben donner antworten jhm. Dem nach haben sie auch gethan  bis auff den heutigen tag, viel Keiser und Koenige abgesetzt und eingesetzt,  Fursten verflucht und vertrieben und sich zu Herrn uber alle Herrn, zu Koenige  uber alle Koenige gemacht aus krafft dieses schluessels der gewalt.

 

Der schluessel des erkentnis ist, Das der Bapst gewalt hat uber alle Rechte,  beide geistlich und weltlich, uber alle lere, beide Gottes und der menschen,  uber alle hendel und sachen, uber alle fragen und jrrungen, Und Summa:  Er ist richter uber alles, was man reden und dencken kan jnn himel und erden,  durch diesen schluessel, Gleich wie er ein Herr ist uber alles, das man thun kan  jnn himel und erden durch [Bl. F iij] den schluessel der gewalt, Und das ist und  heisst recht6 der Bapst mit seiner dreyfeltigen kronen: Ein Keiser jm himel,  Ein Keiser auff erden, Ein Keiser unter der erden. Hette Got etwas mehr,  so were er auch ein Keiser drueber und mueste vier kronen tragen. Was er nu  thun und leben heisst durch den schluessel der gewalt, das ist gethan und  gelebt jnn allen Koenigreichen auff erden, Was er aber nicht gethan noch gelebt  wil haben, das ist nichts gethan noch gelebt, Also auch, was er wil geleret,

 

[ 4 nach erden Komma A 14 schreiet] schribt D]

 

 

 

[Seite 489]

 

 gepredigt, gerichtet, gehandelt haben, das mus geleret, gepredigt, gerichtet,  gehandelt heissen. Was er nicht wil geleret, gepredigt, gerichtet, gehandelt  haben, das ist nicht geleret, gepredigt, gerichtet, gehandelt, Gott gebe, es sey  Gottes wort odder weltlich recht, so mus es ketzerey sein, Denn er ist Herr  uber alle gewalt und lere, uber alle reich und recht jnn himel und auff erden.  Lieber, Wer moechte solchs Keiserthumbs nicht, wenns jhm kuend werden?

 

Daher bruellet er aber mal jnn seinem geistlichen Recht, das ‘Judicantium  throni &c.’: Aller Keiser und Koenige stuele, so da richten, muessen das recht  von jhm lernen und zu lehen empfahen.1 Und Cuncta2, Die gantze Christenheit  durch die gantze welt weis, das man den Bapst nicht leren noch richten kan,  Sondern allzu mal muessen sie von jhm sich richten lassen. Jtem, das auch  die heilige schrifft und Gottes wort muesse von jhm lehen empfahen, das ist  ‘robur et autoritatem accipere’, wie seine wort lauten3, Und ist die summa  davon: Es darff wedder Gott noch mensch sagen zum Bapst: ‘Was machstu?’  odder ‘warumb thustu das?’ Sondern er mag thun und leren, was er wil,  ungestrafft, ungehindert und ungemeistert. Solchs grewlichs bruellens ist viel  jnn seinen geistlichen rechten und bullen, Und dis sind alles die hoehesten  artickel des Christlichen glaubens, das du lieber moechtest Gott selbs verleugnen  denn dieser einen, Und sind viel frumer leute drueber verbrand und erwuerget.

 

Wolan, Da hastu ein mal gruendlich, was Christus gemeinet hat mit  dem spruch zu Petro ‘Was du binden wirst auff erden, sol gebunden sein  jm himel, und was du loesen wirst auff erden, sol los sein jm himel’,  Nemlich: Peter, Wenn du Keiser und Koenige mit fuessen trittest, so sols  recht sein, Wenn du mein wort auffloesest, sos sols auff geloeset sein, Du  solt Gott sein, Jch wil nimer Gott sein. Jsts nicht sein gedeutet? Es  ist aber nicht not, hie widder viel zu fechten, Es wuerde allzu gros buch  machen, Sintemal solche deutunge dieses spruchs fast jederman, auch den  jhenigen, so am Bapst hangen, bekand ist, das es falsch und erlogen sey,  Denn Christus hat Sanct Peter keine gewalt gegeben, wedder jnn himel noch  auff erden zu herrschen, sondern scheidet sein reich von dem weltlichen reich  [Joh. 18, 36] und bekennet fur Pilato, das sein reich sey nicht von dieser welt, Es sey  [Mark. 10, 42] aber ein reich der warheit, Und aber mal zu seinen juengern; ‘Weltliche  Fursten herrschen und haben gewalt uber sie, Jhr aber solt nicht so thun’.  Mit den und der gleichen hellen spruechen verbeut Christus Petro und seinen  juengern die weltliche herrschaft und vermanet sie zu jhrem ampt und dienst,  dazu er sie beruffen hat, und sollen weltliche Herrn lassen das jhre warten.

 

 

[ 2 heissen] haben D 5 allen gewalt D 8 stuele] stůl D 10 weis] wiß D 16 grülich D 19 verbrand] verband D]

 

 

 

[Seite 490]

 

[Bl. F 4] Wie wol aber dieser schendlicher misbrauch und misverstand nicht  so grewlich ist als die vorigen zween, haben auch der seelen nicht so moerdlichen  schaden gethan. Denn wo sonst Gottes wort bleibt, mag ein Christen dennoch  wol bleiben und selig werden, sein Bisschoff odder Pfarher werde ein weltlicher  Herr odder nicht, Sintemal weltliche herrschafft seinem glauben nichts  schadet, Kuend auch noch wol leiden, das Bapst und Bisschove weltliche  Herrn weren und blieben, weil sie doch der Bisschofflichen ampt sich eussern  und schewen, wenn sie allein das geistlich ampt huelffen durch andere treiben  und fordern. Doch hat solcher misverstand grossen leiblichen schaden gethan,  Denn der Bapst und die seinen da durch viel krieg, blut, mord und jamer  unter Keisern, Koenigen, Fursten, landen und leuten gestifft haben, wie es  denn sein mus. Wer ein luegener ist, mus auch ein moerder werden, wie der  [Joh. 8, 44] Teuffel sein Vater auch ist, Das freilich durch diese deutung der Bapst  lengest ist vom erbthum Sanct Peters gefallen und nicht mehr hat muegen  Sanct Peters nach komen sein, Sondern des Keisers odder viel mehr des Teufels.

 

Christus hat seine schluessel der Kirchen gegeben zum himelreich und  nicht zum erdreich, wie er spricht: Es sol jm himel los sein. Was hilfft  aber einen Christen das weltlich reich zum himel? Ja, wenns zum himel  helffen kuendte, So hette Christus nicht duerffen von himel komen, Es sind  wol so feine Koenigreiche zuvor und hernach gewest, beide mit gewalt geruestet  und mit rechten gefasset, Auch so hette er selbs wol muegen weltlicher Koenig  werden, wenns nuetze odder not zum himel were. Nu er aber das nicht  gethan, ists gut zu rechen, das er seine schluessel nicht zur weltlichen gewalt  gegeben hat, und der Bapst sampt den seinen felschlich und boeslich den feinen  spruch Christi auff weltliche gewalt deutet, Und rewen odder buessens doch noch  nicht, gehen verstockt hindurch, bis sie zu scheitern gehen.

 

Aber das mus ich unangezeigt nicht lassen, das sie Clavem scientie, Den  schluessel des erkentnis, hieher zihen zu den schluesseln, Sanct Petro und den  [Matth. 16, 19; 18, 18] Aposteln gegeben Matth. xvj. und xviij. Und wie wol etliche lerer solchs  auch thun, so ists doch nicht recht, und man solt der lerer wort nicht so  unbedacht auffraffen und sich drauff gruenden on gewisse zeugnis der schrifft.  Denn aus diesem misverstand ist fast komen der leidige grewel des Feil  schluessels, das sie gemeinet haben, der schluessel muege nicht binden noch loesen,  man wisse denn eigentlich, wie die sachen fur Gott stehen, welchs doch  unmueglich ist, gerade als hette Christus geboten mit dem schluessel des erkentnis,  das sie nichts binden noch loesen solten, sie wuesten denn vorhin, wie es umb  den menschen fur Gott gethan were. Haben doch solch erticht gepot selbs  nicht gehalten, sondern einhin1 gebunden und geloeset wie die blinden, haben  sich darnach mit dem Feil schluessel ausgeredt, als sey es jhr schuld nicht, das

 

[ 31 gschrifft D]

 

 

 

[Seite 491]

 

 sie jrren und feilen. Nu reimet sichs ja nicht fein, das sie gleuben, Man  muesse es wissen und muege doch on wissen binden auff ungewis ebentheur1,  Also mus jmer dar eine luegen die andern geberen und sich selbs unternander  verrhaten.

 

[Bl. G 1] Wir aber sagen also, das der schluessel des erkentnis gar nichts  [Matth. 16, 19; 18, 18.] gehoeret zu den schluesseln, davon wir jtzt handeln aus Matth. xvj und xviij und  ist gantz und gar ein ander schluessel. Die zween schluessel heissen wir Bindeschluessel  und Loeseschluessel nach den worten Christi ‘Was jhr bindet, was jhr  [Luk. 11, 52] loeset &c..’ Aber vom schluessel des ekentnis redet er Luce am xj zu den Phariseern  also: ‘Wehe euch schrifft gelerten, Jhr habt den schluessel des erkentnis,  Jhr kompt nicht hinein und weret denen, die hinein woellen.’ Hie gibt Christus  nicht schluessel, Sondern spricht, sie haben jhnen und muessen allte schluessel  sein, ehe denn Christus den himel auffgethan hat, Drumb nennet er jhn  auch schluessel des erkentnis odder zum erkentnis, das er dienen solle zum  erkentnis, Und spricht dazu, das sie selbs nicht hinein komen. Wo hinein?  zum erkentnis, da sie den schluessel zu haben, Und weren denen, die gern  hinein zum erkentnis wolten.

 

Daraus acht ich ja, Es sey klar gnug, das Christus hie rede wedder  von binden noch von loesen, sondern von predigen und leren, und dieser schluessel  sey nichts anders, denn der Lere schluessel, das ist Lere ampt, Predig ampt, Pfarr  ampt, dadurch man die leute zum erkentnis fueren sol, das sie lernen und  wissen, wie sie Gott dienen und selig werden sollen, das ist dis erkentnis, so  er hie nennet, Welchs auch manch frum hertz gern wueste und gern hinein  und dazu keme, so wirds verhindert und verfueret eben durch die, von denen  es lernen und hinzu komen solte, als die den schluessel und das ampt dazu  haben. Also thetten die Phariseer, solten die leute zum erkentnis Christi und  der warheit bringen, So furen sie zu, verbotens, wehreten und lereten da  widder und muste ketzerey sein, damit sie viel verhinderten, die wol gern die  warheit gewust hetten, wiees allwege und bisher gangen ist, das die fruemesten,  so gern die warheit wuesten, am aller meisten verfueret werden, Denn welche  die warheit verachten und ruchlosen, kan der Teuffel nicht verfueren, Sie sind  bereit sein.

 

[Matth. 23, 13] Darumb nennet Matt. xxiij solch jhr hindern und wehren auch einen  schluessel, das sie misbrauchen, den himel zu verschliessen, und spricht: ‘Weh  euch schrifftgelerten und Phariseer, Jhr heuchler, die jhr das himelreich zu  schliesset fur den menschen, Jhr komet nicht hinein, Und die hinein wollen,  lasst jhr nicht hinein gehen.’ Nu hatten die Phariseer ja nicht Sanct Peters  schluessel, das ist gewis, So redet auch Christus hie nichts von binden und  loesen, Sondern er redet von frumen leuten, die gern gen himel wolten, und

 

[ 9 am fehlt B 14 auch fehlt D 20 nichts [sonst nüt] D 22 das erkantnus [sonst Fem.] D 32 bereit] vorhin D 34 beschliessen D]

 

 

 

[Seite 492]

 

 wird jhn mit gewalt, unrecht, liegen und triegen gewehret. Darumb ists  vom gemeinen Predigamt gesagt, welchs dem gantzen volck sol den himel auff  thun und verkuendigen. Aber die schluessel Sanct Petri gehen allein uber  etliche, nemlich uber die sunder, Darumb sollen wir nicht die schluessel so  jnn einander mengen, wie die unvleissigen schlefferigen Theologen thun,  Sondern wol und fein unterscheiden, so koennen wir bey der reinen und  gewissen warheit bleiben und allen misverstand meiden.

 

Wol ists war, das man wissen mus und gewis sein sol, Wer und was  man binden und loesen sol [Bl. G ij], Denn Gottes ordnung sol nicht der blinden  kue spielen1, wie wir hernach hoeren werden. Aber das wissen, davon sie den  schluessel nennen, nemlich, das man wissen sol, wie der mensch fur Gott stehe,  das ist nichts und machet den schluessel zum Feil schluessel, Darumb wollen  wir solchen Wisseschluessel nicht haben noch leiden, so wenig als den Feil  schluessel, Und sollen alle beide jnn der Christenheit nicht sein. Also auch den  Gewalt schluessel, odder den Herr schluessel wollen und sollen wir auch nicht  leiden, Und sol auch jnn der Christenheit nicht sein, So wenig als wir auch  leiden wollen den Binde schluessel, der da gesetz stellet, und den Loese schluessel, der  da dispensiert und umb geld urlaub verkeufft, Wir wollen den gemeine  Lere schluessel und darnach fur die, so da sundigen, den rechten Bindeschluessel  und Loeseschluessel haben und behalten.

 

Der vierde Misbrauch.

Da mus nu her hallten der allte rechte verstand dieses spruchs, so von  der Apostel zeit her komen und gar kaum blieben ist, auff das sie ja  nichts ungemartert und ungeplagt lassen jnn diesem spruch. Sechserley schluessel  haben sie gemacht und die wort zu deutet, wie sie gewolt haben, Nu nemen  sie die rechten schluessel und den rechten verstand auch fur sich und faren  damit, wie wir sehen werden. Der rechte verstand aber und die rechten  schluessel sind nicht gesetze stellen odder urlaub verkeuffen, auch nicht Feil  binden odder Feil loesen, auch nicht gewalt suchen odder heimlich ding wissen,  Sondern allein Suende binden und suende loesen, das ist Bannen und absolvieren  odder jnn den bann und aus dem bann thun, Denn davon redet  Christus und daselbst zu gibt er die schluessel. Wir sehen aber auch Bannens  und absolvierens gnug bey diesen leuten, Aber wie gehen sie damit umb?

 

Erstlich: Die rechten suende, die man mit dem bann straffen sol, dazu  auch die schluessel gegeben sind, das man sie binden und loesen solle, achten sie  nichts, nemen sich der selbigen gar wenig an und lassen die schluessel hie gar

 

[ 9 kuee C 11 nennen] nemen D 16 Und — sein fehlt C 17 gesetze B        da gesetz] das gesetz D 18 gemeine A]

 

 

 

[Seite 493]

 

 verligen und verrosten, Denn wo sie der schluessel wolten brauchen, Lieber,  wie viel Bepste, Cardinel, Bischove, Pfaffen, Muenche, Fursten, Herrn, Adel,  Buerger und Baur wuerden frey sein fur dem bann und Binderschluessel? Jst  doch allenthalben so ein frey, frech, ungestrafft leben, sonderlich bey den geistlichen,  da allerley schendliche laster wie eine sindflut regiert mit geitz, raub,  stelen, pracht, unzucht &c., das auch Gott und die welt nicht lenger tragen  koennen. Jch wil noch schweigen der grewlichen suende, das sie alle den namen  Christi fueren und verachten doch seine wort so hoch, das die geistlichen nicht  muegen dieselbigen lesen noch leren und die andern nicht hoeren noch lernen,  Welchs alles die rechten heubtsuende sind, die man mit dem schluessel binden,  straffen und bannen solt, Und hette der selbige schluessel jtzt wol uber die masse  viel zu thun, Aber wie [Bl. G iij] koennen sie binden, weil sie erger und mehr  schlueldig sind denn alle andere?

 

Darumb stehet jhr regiment also, das sie den Binde schluessel getrost uben  mit gesetze stellen und den Loese schluessel mit nach lassen der sunden, leider allzu  seer, als solten sie mit der that sagen: Christus hat uns durch die schluessel  macht gegeben, das wir andere leute jnn aller welt binden und mit gesetzen  plagen sollen, Aber uns hat er macht gegeben, das wir los, frey, ungestrafft  und unverschampt auffs aller schendlichst leben muegen und allerley sunde frey  [2. Petri 2, 14] nachgelassen haben, wie denn Sanct Peter ij. Pet. ij von jhnen sagt: ‘Jncessabiles  delicto’, ‘jhrer sunden ist kein wehren’. Also moecht sich denn binden und loesen  fein mit einander reymen, und jhr newer verstand mit dem alten stand uber  ein komen, Das binden dorthin gehoere, andere leute mit gesetzen zu bestricken,  Loesen aber hie her auff sie, das sie ungebunden frey leben muegen, Das moecht  denn ein mal den spruch Christi recht getroffen heissen ‘Was jhr bindet sol  gebunden sein’, nemlich alle welt, Und ‘was jhr loeset, sol los sein’, nemlich  wir geistlichen. Dieser verstand were koestlich und der Christlichen Kirchen seer  nuetzlich und troestlich, Denn nach dem ersten verstand besserten sie die Kirche  durch jhr heilige gesetze, Nach dem andern verstand besserten sie sie mit jhrem  schoenen leben, Das hiesse denn der Kirchen beide mit worten und wercken,  beide mit lere und exempel geholffen. Schimpff und ernst, Es gehet gleich  wol also zu, Der Teuffel hat solchs mit jhrem binden gemeinet und auch  ausgericht.

 

Zum andern: An stat der rechten sunde uben sie die schluessel an eitel  ertichten falschen sunden und gaugkgeln also mit dem befelh und wort Gottes  wie die stock narren odder lotterbuben. Denn jhr binden und loesen gehet  allein uber die sunde, so widder jhr gesetze geschehen, und das es den lieben  pfennig und die platten betrifft, Das muessen die heubt sunde heissen, Mord,  ehebruch, Gottes lesterung und die gantze Sodoma ist nichts, Aber der Kirchen

 

[ 15/16 allzu seer] zůfast D 22 rümen D 29 sie sie] sie sich C 34 ueben D sie] sich D 35 gaugk geln A]

 

 

 

[Seite 494]

 

geitz und pracht rueren, hindern odder verseumen, da blitzt und donnert der  Binde schluessel, Widderumb, Wer jhn den geitz und pracht lesst, da lachet  und scheinet der Loeseschluessel. Nu haben wir droben gehoeret, das sie keine  macht haben, gesetze zu stellen uber die Christenheit, darumb kan auch da keine  rechte sunde sein, wo man sie nicht hellt, Denn es sol niemand bewilligen  mit der that jnn die gesetze der geistlichen, als weren sie billich und zu halten,  auff das man sich jhres frevels und unrechter gewalt nicht teilhafftig mache.

 

Sind nu keine sunde hie, So mus beide binden und loesen ein lauter  gauckel werck und affenspiel sein, damit die schluessel Gottes geschendet und die  Christen betruebt on alle ursach, ja auch betrogen werden, das sie muessen sich  [Ps. 53, 6] furchten, da keine furcht ist, wie der xiiij. Psalm sagt, und Gott vergeblich  [Matth. 15, 9] dienen, wie Christus Matth. xv sagt, Ja zum falschen und schedlichem Gottes  dienst gezwungen werden, vom glauben und Gottes gebot auff jhre ertichte  falsche gesetze und werck, Denn dieser bann odder binden sterckt und erhellt jhenes  binden, da sie gesetz mit stellen. Aber ein Christ weis und sol auch wissen,  das beide [Bl. G 4] solch binden und loesen ein spinweb ist, Und sols meiden und  verachten, ja verdamnen als eine Gottes lesterung und sagen aus Psal. cix  [Ps. 109, 28] ‘Fluchen sie, so segenestu, Bannen sie, so loesestu, Zuernen sie, so lachestu.’  Denn gleich wie jhr gesetze sind, so ist auch jhr bann, Wie gesetz und bann,  so ist auch jhre kirche, Wie die kirche, so ist auch jhr Gott, alles und alles  eitel gaugel werck, doch unter dem namen der heiligen Gottes schluessel, Der  name Gottes mus jhr gauckel sack1 sein, die liebe Christenheit zu verfueren,  beide Sacrament und glauben zu verderben und Christum zu verleugnen und  Gott zu vergessen, O des leidigen grewels.

 

Zum dritten, Machen sie es noch erger, Binden und bannen, auch verfolgen,  morden und brennen dazu die heiligen menschen Christi, da sie wissen,  das keine sunde, sondern eitel recht und warheit da ist, nemlich das Euangelion  verbannen sie wissentlich, Denn sie bekennen, das beider gestalt des Sacraments  recht, die ehe und speise frey und die lere des Euangelij die warheit sey, noch  weil sie selbs nicht solchs geleret haben, mus es ketzerey sein, Da gehet der  Bindeschluessel recht beide uber leib und seele. Widderumb: Wer mit jhn  pfeifft und heulet, hilfft solch lesterung, bannen, binden und morden handhaben,  der wird nicht allein los und frey von allen sunden und ketzerey,  Sondern ist das liebe kind und der groessest heilige, mus Bisschoff und Cardinal,  Thumherr und Prelat werden, Das heisst der schluessel recht gebraucht und  die rechten sunde binden und die rechten buesser loesen, nemlich Barrabam loesen  und Gottes son Creutzigen, Denn die Juden wusten auch wol, das Barrabas  ein offentlicher moerder und Christus ein heiliger man war. Noch must  Barrabas als ein heiliger man los werden und Christus als ein moerder  sterben, Also sol man sunde suchen, finden und machen, auff das der Bindeschluessel

 

 

 

[Seite 495]

 

 zu thun habe und nicht verroste, sondern straffe und verdamne die  frumen Christen hie und dort. Und also sol man tugent und gute werck  finden, da mit der Loese schluessel auch zuthun habe, belohne und kroene die  moerder, verfuerer, lesterer und ketzer beide und dort, Das ist ein loeblicher  brauch der schluessel. Aus dem allen sihestu, das der Bapst jnn diesen stuecken  nie keinen menschen wedder gebunden noch geloeset, jnn bann noch aus dem  bann gethan hat, Sondern ist alles eitel spiegel fechten und blinde schirmschlege1  gewest, Und findet sich, das niemand so wenig von den schluesseln hat  als der sich am meisten der schluessel rhuemet, allenthalben jm wapen fueret und  an die wende malet, Und wie kan er auch die schluessel haben, so er Gottes  wort nicht hat noch leiden kan? Warlich, wo Gottes wort nicht ist, da  bleiben die schluessel nicht. Sie wollen bey Gottes wort jnn der Kirchen  sein odder wollen nicht schluessel sein, Darumb hat sich Christus mit dem  Bapst warlich fein geteilet jnn die schluessel, Er behellt die rechten schluessel  und lesst dem Bapst die gemaleten schluessel, die mag er setzen jnn sein wapen  odder an die wand, Jnn der Kirchen Christi haben sie wedder feld noch raum.

 

Was sagestu aber zu dem spruch Gregorij, droben2 angezeigt: ‘Unser bann  ist zu furchten, wenn er gleich unrecht were?’ Das sage ich dazu: Der spruch  [Bl. H 1] sey Gregorij odder seiner mutter, so hat jhn der Teufel gesprochen,  Den Doctor thuerst ich noch wol froelich ansehen, der so leren wolt, das ich  mich fur dem unrecht und lugen solt furchten, wenns gleich ein Engel vom  himel were, und thuerst seinen schrecklichen bann heissen nemen und enhindern  fueren und die nasen dran wischen, da Adamskinder auff sitzen3, Was sol  denn auch solch schendliche lesterung, die uns Christen thar unverschampt  gebieten, offentlich unrecht und bekandte luegen furchten und fur einen Gott  anbeten? Wo S. Gregorius solchs gesagt, gemeinet und nicht gebuesst hette,  so muest er jm abgrund der Hellen sein, das darff keines fragens, Doch ich  wil Gregorium nicht verdammen, Aber das ist jhe eine grosse plage, damit  uns die Roemischen Maul esel und die Sophisten jnn hohen schulen und kloestern  geplagt haben, das sie der lieben Veter sprueche allzu mal zu artickel des  [1. Thess. 5, 21] glaubens gemacht haben, Und hoeren S. Paulum nicht, das man alles zuvor  solle pruefen, Dencken auch nicht, das die lieben Veter, jhe heiliger sie gewest,  jhe mehr anfechtung boeser gedancken und heimlicher tuecke sie vom Teufel  haben, on unterlas leiden und gewarten muessen, welcher denn etliche ja haben  zu weilen muessen eraus faren durch die zunge und fedder, wie wir sehen,  das der liebe Hiob ungeschwungen4 ding widder Gott redet jnn seiner anfechtung.  Sie sind menschen gewesen so wol als wir, haben auch muessen beten

 

[ 15 setzten B 22 enhindern] an hindern D 27 in abgrund D 34 welcher] woelche D]

 

 

 

[Seite 496]

 

 ‘Vergib uns unser schuld, Und fuere uns nicht jnn anfechtung &c..’ Was nu  unrats aus diesem spruch komen ist, das gebe ich nicht so fast Gregorio schuld  als den Mauleseln und Sophisten, die gleich wie die sew alles on unterscheid  fressen, was sie jnn den lieben Vetern finden, und fressen wol den unflat  und das boese lieber, denn das gute odder wo etwas rein und heilig drinnen  ist, allein das sie den bauch wol weiden muegen.

 

Das sey von der schluessel misbreuche jtzt auffs aller schlechtest angezeigt.  Sonst, wo ich hette wollen zuernen und mich rechen, solt es anders geklungen  haben. Wer nu ein Christ sein wil, der dencke, das er von allen schluesseln  des Bapsts nichts halte, Und bleibe bey diesen zween rechten schluesseln Christi  und seiner Kirchen, Welche nicht gesetze stellen und widder umb geld verkeuffen,  wie die ersten zween schluessel des Bapsts thun, Auch nicht ungewis sind,  wenn sie feilen odder treffen mit jhrem binden und loesen, wie die andern  zween, der Feilschluessel und Treffschluessel thun, Auch nicht mit weltlicher  herrschafft noch heimlicher sachen wissen zu thun haben, wie die dritten zween  schluessel thun, Auch nicht mit ertichten sunden und tugenden umb gehen, wie   die letzten zween thun. Diese schluessel alle achte, sechse, viere, zween, oder wie  viel sie draus machen wollen, las jmer hin faren und den Bapst jnn seinem  wapen fueren, Denn sie verstoeren den glauben an Christum, nemen weg allen  trost und rat unsers gewissens und richten auff eigen gerechtigkeit der werck  widder Gott und leren Christum vergessen und verleugnen, wie wir gehoeret  haben, Denn unser seele mus warlich des gar trefflich gewis sein, darauff  sie sich verlassen und troesten sol widder die sunde und ewigen tod, Darumb  muessen der schluessel urteil eitel gewisse Gottes wort sein, odder sind nicht die  rechte schluessel.

 

 [Bl. Hij] Darnach dencke, das die schluessel odder vergebung der sunden nicht  stehet auff unser rew odder wirdigkeit, wie sie leren und verkeren, Denn das ist  gantz Pelagianisch, Tuerckisch, Heidenisch, Juedisch, Widderteuffisch, Schwermerisch  und Endechristisch, Sondern widderumb, das unser rew, werck, hertz und  was wir sind, sollen sich auff die schluessel bawen und mit gantzem erwegen1  getrost drauff verlassen, als auff Gottes wort, Und bey leibs und seelen verlust  ja nicht zweiveln, Was dir die schluessel sagen und geben, Es sey so  gewis, als rede es Gott selber, wie ers denn gewislich selbs redet, Denn es  ist sein befelh und wort und nicht eins menschen wort odder befelh. Zweivelstu  aber, so luegen straffestu Gott, verkerest seine ordnung und bawest seine  schluessel auff deine rew und wirdigkeit. Rewen soltu (das ist war), Aber  das darumb die vergebunge der sunden solt gewis werden und des schluessels  werck bestettigen, das heisst den glauben verlassen und Christum verleugnet,  Er wil dir die sunde nicht umb deinen willen, sondern umb seins selbs willen  aus lauter gnaden durch den schluessel vergeben und schencken.

 

 

[ 7 mißbreuch C 10 zweien C 25 rechten B 39 deinet C dinent D               sein C]

 

 

 

[Seite 497]

 

 So wollen wir nu ein wenig von den Schluesseln reden aus  [Matth. 18, 18] rechtem grunde und nach der warheit. Christus spricht: ‘Was jhr  bindet auff erden, sol gebunden sein jm himel, Und was jhr loeset auff erden, sol  los sein jm himel.’ Merck hie, das er gewis, gewis zusagt, Es solle gebunden  und los sein, was wir auff erden binden und loesen, Hie ist kein Feil schluessel. Er  spricht nicht: ‘Was ich jm himel binde und loese, das solt jhr auff erden auch  binden und loesen,’ wie die lerer des Feilschluessels narren, Wenn wolten wir  erfaren, was Gott jm himel buende odder loesete? Nimer mehr, Und weren  die schluessel vergebens und kein nuetze. Spricht auch nicht: ‘Jhr solt wissen,  was ich jm himel binde und loese.’ Wer wollts odder kuendts wissen? Sondern  so spricht er: ‘Bindet jhr und loeset auff erden, So wil ich mit binden und  loesen jm himel, Thut jhr der schluessel werck, So wil jchs auch thun. Ja,  wenn jhrs thut, so solls gethan sein, und ist nicht not, das jchs euch nach  thue, Was jhr bindet und loeset (spreche ich), das wil ich wedder binden noch  loesen, Sondern es sol gebunden und los sein on mein binden und loesen, Es  sol einerley werck sein, mein und ewers, nicht zweierley, Einerley schluessel,  meine und ewre, nicht zweierley, Thut ewer werck, so ist meins schon geschehen,  Bindet und loeset jhr, so hab ich schon gebunden und geloeset.’

 

Er verpflichtet und verbindet sich an unser werck, Ja er befilhet uns sein  selbs eigen werck. Warumb solten wirs denn ungewis machen odder umbkehren  [Bl. H iij] und furgeben, Er muesse vorhin binden und loesen jm himel? Gerade,  als were sein binden und loesen jm himel ein anders denn unser binden und  loesen auff erden, odder als hette er andere schluessel droben jm himel denn diese  auff erden, So er doch deutlich und klerlich sagt, Es seien des himels schluessel  und nicht der erden schluessel. Meine schluessel (spricht er) solt jhr haben und  keine andere, und solt sie hie auff erden haben. Er kan ja nicht uber und  ausser diesen schluesseln des himels noch andere schluessel haben, die nicht jm  himel, sondern uber odder ausser dem himel schliessen solten, Was wolten sie  daselbst schliessen? Sinds nu des himels schluessel, so sinds nicht zweierley,  sondern einerley schluessel, die hie auff erden und droben jm himel schliessen,  Einerley binden und loesen, hie auff erden und droben jm himel.

 

 Es komen aber solche gedancken von zweierley schluesseln daher, das man  Gottes wort nicht fur Gottes wort hellt, Sondern weil es durch menschen  gesprochen wird, so sihet man es eben an, als werens menschen wort, und  denckt, Gott sey hoch droben und weit, weit, weit von solchem wort, das auff  erden ist, Gaffet darnach gen himel hinauff und tichtet noch andere schluessel,  Und Christus spricht doch ja hie klerlich, Er wolle die schluessel Petro geben,  Saget nicht, das er zweierley schluessel habe, Sondern die selbigen schluessel, die  er selbs hat und kein andere hat, die gibt er Petro, Als solt er sagen: Was

 

[ 4 solle] sol CD]

 

 

 

[Seite 498]

 

 gaffestu gen himel nach meinen schluesseln? Hoerestu nicht, das ich sie Petro  gegeben habe? Es sind wol himels schluessel (das ist war), Aber sie sind nicht  jm himel, Jch hab sie herunter auff erden gelassen, Du solt sie nicht jm  himel noch jrgent anders wo suchen, Sondern jnn Peters munde finden, Da  hab ich sie hin gelegt. Peters mund ist mein mund, und seine zunge ist  meiner schluessel beutel, Sein ampt ist mein ampt, Sein binden ist mein  binden, Sein loesen ist mein loesen, Seine schluessel sind meine schluessel, Jch  hab kein andere, weis auch von keinen andern, Was die binden, das ist  gebunden, Was die loesen, das ist los, nicht anders, denn als were sonst kein  binder odder loeser jm himel noch auff erden. Sind etwa mehr odder ander  schluessel, es sey jm himel, auff erden odder jnn der helle, die gehen mich nichts  an, Jch weis nichts drumb. Was sie auch binden odder loesen, da frage ich  nicht nach, Drumb kere du dich auch nicht dran und las sie dich nicht jrren,  Jch sehe allein darauff, was mein Petrus bindet und loeset, Des halte ich  mich, Des halte du dich auch, so bistu mir schon gebunden und los. Denn  Petrus bindet und loeset jm himel und sonst neimand. Sihe, das ist recht  von den schluesseln gedacht und geredt.

 

 Da haben wir nu, was die schluessel sind, Nemlich ein Ampt, macht  odder befelh von Gott der Christenheit gegeben durch Christum, den menschen  die sunden zu behalten und zu vergeben, Denn also spricht Christus Matth. 9  [Matth. 9, 6] ‘Auff das jhr wisset, das des menschen son macht hab auff erden, die sunde  zu vergeben’, sprach er zu dem gichtbruechigen: ‘Stehe auff &c..’ Und bald darnach:  [Matth. 9, 8] ‘Das volck preisete Gott, der solche macht den menschen gegeben hat. Las  dich hie nicht jrren das Phariseisch geschwetz, damit [Bl. H 4] sich etliche selbst  nerren, wie ein mensch muege sunde vergeben, so er doch die gnade nicht geben  kan noch den heiligen geist, Bleibe du bey den worten Christi, Und sey du  gewis, das Gott keine andere weise hat, die sunden zu vergeben denn durch  das muendliche wort, so er uns menschen befolhen hat, Wo du nicht die vergebung  jm wort suchest, wirstu umb sonst gen himel gaffen nach der gnade  odder (wie sie sagen) nach der jnnerlichen vergebunge.

 

Sprichstu aber, wie die rotten geister und Sophisten auch thun: Hoeren  doch viel der schluessel binden und loesen, keren sich dennoch nicht dran und  bleiben ungebunden und ungeloeset, Drumb mus etwas anders da sein denn  das wort und die schluessel, Der geist, geist, geist mus thun. Meinstu aber,  das der nicht gebunden sey, der dem Binde schluessel nicht gleubet? Er sols  wol erfaren zu seiner zeit, das umb seines unglaubens willen das binden  nicht vergeblich gewest ist, noch gefeilet hat. Also auch, Wer nicht gleubet,  das er los sey und seine sund vergeben, der sols mit der zeit auch wol erfaren,  wie gar gewis jhm seine sunde jtzt vergeben sind gewest, und ers nicht hat  [Röm. 3, 3] woellen gleuben. S. Paulus spricht Ro. 3: ‘Umb unsers unglaubens willen wird

 

[ 6 beutel] seckel D 20 Matthej .9. B]

 

 

 

[Seite 499]

 

 Gott nicht feilen’, So reden wir auch jtzt nicht, wer den schluesseln gleubt  odder nicht, Wissen fast wol, das wenig gleuben, Sondern wir reden davon,  was die schluessel thun und geben. Wers nicht an nimpt, der hat freilich  nichts, der schluessel feilet drumb nicht, Viel gleuben dem Euangelio nicht,  Aber das Euangelion feilet und leuget darumb nicht, Ein Koenig gibt dir  ein Schlos, Nimpstu es nicht an, So hat der Koenig darumb nicht gelogen  noch gefeilet, Sondern du hast dich betrogen, und ist deine schuld, Der  Koenig hats gewis gegeben.

 

 Ja sprichstu: Hie lerestu selbs den Feil schluessel, Denn es geschicht nicht  alles, was die schluessel schaffen, weil es etliche nicht gleuben noch annemen.  Ey lieber, wenn das gefeilet sol heissen, So feilet Gott mit allen seinen  worten und wercken, Denn wenig gleubens odder nemens an, was er doch  gegen alle on unterlas redt und thut, Das heisst gar die zungen verkehret  und aus der sprachen gegangen1, Denn solchs heisst nicht gefeilet odder geirret,  wenn ich etwas thu odder rede, und ein ander verachts odder lessts anstehen.  Aber des Bapsts Feil schluessel ist also geleret, verstanden und gehalten, das er  selb der schluessel an jhm selbs jrren mag, obs gleich ein mensch gern gleuben  und annemen wolt, Denn es ist ein ‘Conditionalis Clavis’, Ein wanckel  schluessel, der uns nicht auff Gottes wort, fondern auff unser rew weiset,  Spricht nicht frey: Jch loese dich gewislich, das soltu gleuben, Sondern so  spricht er: Bistu berewet und frum, so loese ich dich, Wo nicht, so feile ich.  Das heisst Clavis errans, Und kan selbs nicht drauff fussen noch sagen: Jch  weis gewis, das ich dich fur Gott geloeset habe, du gleubest odder gleubest  nicht, wie Petersschluessel sagen kan, Sondern mus also sagen: Jch loese dich  auff erden, weis aber warlich nicht, ob du fur Got drumb los seiest, Denn  sie haben den glauben nicht geleret bey den schluesseln, wie man sihet jnn allen  Ablas bullen, da rew und beicht und pfennige gefoddert werden und gar nichts  vom glauben gemeldet wird.

 

 [Bl. I 1] Auch kan mans da bey wol mercken, denn sie berewen und straffen  solchen ungewissen wahn weder an jhn selbs noch an andern, Gehen fein  sicher dahin, als were solcher zweivel gar keine sunde, und dencken: hab ich  getroffen, so hab ich getroffen, hab ich gefeilet, so hab ich gefeilet, Jst gleich  viel. Haben also solchs unglaubens weder gewissen noch sorge, So es doch  eine grewliche sunde ist des unglaubens auff beiden teilen, beide des, der da  bindet oder loeset, und des, der gebunden odder geloeset wird, Denn es ist  Gottes befelh und wort, das jhener spricht und dieser hoeret, Sind beide  schueldig bey jhr seelen seligkeit, solchs so gewis und fest zu gleuben als alle  ander artikel des glaubens. Denn wer da bindet und loeset, gleubt aber nicht,  sondern zweivelt, ob ers troffen, gebunden odder geloeset habe, odder denckt so

 

[ 8 hats] hat dirs D]

 

 

 

[Seite 500]

 

leichtfertig dahin: Oh, triffts, so triffts, der lestert Gott, verleugnet Christum,  tritt die schluessel mit fuessen, Und ist erger denn ein Heide, Tuerck oder Juede,  Des gleichen thut der auch, so gebunden odder geloeset wird, wo er nicht gleubet,  zweivelt odder geringe achtet, Denn man sol und mus Gottes worten gleuben  mit gantzem ernst und mit aller zuversicht. Wer nicht gleubet, der lasse die  schluessel mit frieden, Er moecht sonst lieber mit Judas und Herodes jnn der  Helle sein, Denn Gott wil ungeschmeht sein durch unsern unglauben. Es ist  warlich nicht eins jedermans ding, der schluessel wol brauchen.

 

Widderumb, wer da gleubt odder jhe gern gleuben wil, das die schluessel  gewis sind, der sey froelich und brauch jhr getrost, Du kanst Gott jnn seinen  schluesseln nicht groesser ehre thun, denn so du jhnen gleubest, Darumb leren  wir die unsern also: Wer durch den schluessel gebunden odder geloeset wird, der sol  solchem binden und loesen so gewis gleuben, das er lieber zehen mal sterben  solt denn daran zweiveln. Es ist Gotts wort und urteil, dem kein groesser  unehre geschehen kan, denn so man des nicht gleubt, welchs eben so viel gesagt  ist als: Got du leugest, Es ist nicht war, was du sagest, Jch gleubs nicht,  Und mus also Gott sein luegener sein. Eben so gewis sol der auch sein, so  da bindet odder loeset, odder ist gleicher grewel schueldig. Wo hat man aber  solchs jhemals jm Bapstum geleret odder gehoeret? Ja, wo mans hette geleret,  die Feil schluessel und seine gesellen weren nimer mehr auff komen, weren wol  diese zween schluessel allein und fein rein blieben. Wie viel sind wol Bisschove  und Official, die der schluessel also brauchen? Sie gleuben nicht, das Gottes  wort sey, was die schluessel urteilen, Sinds also gewonet wie eines allten weltlichen  herkomens, Solten sie aber dencken, das es Gottes urteil were, dem sie  selbs zuvor gleuben muesten bey der seelen seligkeit, sie wuerden nicht so leichtfertig,  sondern mit zittern und furcht damit umb gehen, Aber wo wolt man  Official nemen? Wo wolten die Consistoria bleiben? Eine wueste reformation  wuerde sich hie heben, Und mus und sol doch sein.

 

 Aber sie haben dagegen ein vorteil1, das sie verstockt und verblendet  nicht sehen, was die schluessel sind, Achten jhr auch nicht hoeher, denn so fern  sie geld zutragen, Sonst nemen sie wol lieber einen nagel etwa zur tasschen2  denn die welt vol Gottes schluessel [Bl. J ij] zum himel, Das freilich die schluessel  nirgend jnn groessern unehren sind denn bey denen, die sie haben odder sich  rhuemen zu haben, Das mercke an diesem beyspiel: Einen geweyheten kelch thar  kein Christ anrueren, unangesehen, das er getaufft und durch Christus blut  erworben, geweyhet und geheiliget ist, Nein, Christus blut ist nichts gegen  einem geweiheten kelch, Ein Corporal thar kein Christen weib, Ja keine

 

 

 

[Seite 501]

 

 Nonne, die doch Christus sonderliche braut sein sol, wasschen, unangesehen, das  es sonst wol die fliegen, so doch ungeweyhet sind, beschmeissen thueren1, So  grosse heiligkeit ist hie furhanden. Aber die schluessel, das rechte heiligthum,  welche der edlesten, heiligsten kleinot eins sind, Gottes, Christi und der Kirchen  mit Christus blut geheiliget, und die noch teglich Christus blut austeilen, Oh,  die selbigen muegen nicht allein anrueren, Sondern auch auffs aller schendlichst  missebrauchen die aller leichtfertigsten, boesesten buben, die man finden solt,  Und solchen befelhen sie auch die schluessel zum zeichen, wie werd und heilig  sie die schluessel haben, damit sie doch Herren auff erden sein wollen.

 

 Wie sol man denn thun, so man der schluessel wil recht brauchen, das  [Matth. 18, 15 –17] es gewis sey fur Gott? Da hastu Matthej am xviij. einen gewissen Text, da  Christus selbs der schluessel ampt also fasset, das du nicht feilen kanst, wo du dem  folgest, Wo du aber nicht folgest, sondern ein newe eigene weise fur nimpst,  So wisse auch dagegen, das du feilest und die rechten schluessel nicht hast. So  laut aber der Text: ‘Suendigt dein bruder wider dich, So gehe hin und  straffe jhn zwisschen dir und jhm alleine, Gehorcht er dir, so hastu deinen  bruder gewonnen, Gehorcht er dir nicht, so nim noch einen oder zween zu  dir, auff das alle sachen bestehen jnn zwey oder dreier zeugen munde2, Gehorcht  er denen nicht, so sage es der Gemeinen, Gehorcht er der Gemeinen nicht, so  halt jhn fur einen heiden und zoelner. Da hastu eine gewisse masse und weise  jnn Gottes wort gefasset, die dich nicht lesst feilen und kanst der schluessel on  furcht und sorge Goettlich und wol brauchen, Denn darauff folget der Text  von Schluesseln ‘Was jhr bindet auff erden &c..’

 

Wo du aber diese masse und weise nicht heltest, So wirstu ungewis,  und dein hertz kan nicht sagen: Jch weis, das ich nicht feile, Sondern es wird  dich beissen und also sagen: Du hast on Gottes wort gebunden und geloeset,  Gott hat dichs so nicht geheissen, Sondern ist dein eigener mutwille, Drumb  hastu da keine schluessel gehabt, sondern es hat dir von schluesseln getrewmet.  Daraus wird denn weiter dein gewissen dich urteilen und sagen: Du hast  Gottes namen gelestert, die schluessel geschendet und dazu deinem nehesten gewalt  und unrecht gethan, sein gewissen mit luegen erschreckt, auff jrthum und falschen  verstand der schluessel gefueret und geistlich getoedtet. Wo wiltu denn bleiben?   Ja, Es ist itzt nicht der brauch (sprichstu) zu Bisschoffs und Bapsts hoefen. So  hoere ich wol, Es ist aber der brauch zu Christus hofe, Und sol zu Bisschoffs  hoefen auch sein, odder sollen nicht Christen Bisschove sein, Ein Bisschoff ist  nicht Gott, So ist sein hoff nicht Gottes wort, Koennen sie es besser machen,  denn es hie Gottes son geordent hat, so las sie her machen, So wollen

 

[ 3 heiligthum] heylthum D 7 loesesten A 19 Gemeyn D 27 so] also D 36 Koennen] Koenten D]

 

 

 

[Seite 502]

 

 wir [Bl. J iij] Gottes son heissen, die pfeiffen ein zihen1 und schweigen, Koennen  sie es aber nicht besser machen, So thu man den misbrauch abe und brings  widder zum rechten brauch, Christus wird sein wort umb der Bisschoffs  hoefe und misbreuche willen nicht endern.

 

Du hoerest hie, das es muessen gewisse offentliche sunde sein gewisser  bekandter personen, da ein bruder den andern sundigen sihet, Dazu solche  sunde, die zuvor bruederlich gestrafft und zu letzt offentlich fur der Gemeine  uberzeugt sind, Darumb die bullen und bann brieve, darinnen also stehet:  ‘Excommunicamus ipso facto lata sententia, trina tamen monitione premissa’,  Jtem ‘de plenitudine potestatis’, Das heisst man auff Deudsch Ein Scheisbann,  Jch heisse es des Teuffels bann und nicht Gottes bann, da man die  leute bannet mit freveler that, ehe sie offentlich uberzeugt sind fur der Gemeine  widder Christus ordnung. Des gleichen sind alle die Bann, damit die Officiel  und geistliche richtheuser gaugkeln, da man uber x. xx. xxx meile wegs die  leute mit einer zedel fur einer Gemeine jnn bann thut, So sie doch jnn der  selbigen Gemeine und fur dem Pfarher nie gestrafft, verklagt noch uberzeuget  sind, Sondern kompt daher eine fleddermaus aus eines Officials winckel, on  zeugen und on Gottes befelh. Fur solchen Scheisbannen darffestu dich nicht  furchten, Wil ein Bisschoff odder Official jemand jnn bann thun, so gehe  odder schicke er hin jnn die Gemeine und fur den Pfarher, da der selbige sol  jnn bann gethan werden, und thu jhm, wie recht ist, nach diesen worten Christi.

 

Und das alles sage ich darumb, Denn die Gemeine, so solchen sol bennisch  halten, sol wissen und gewis sein, wie der den bann verdienet und drein  komen ist, wie hie der Text Christi gibt, Sonst moecht sie betrogen werden  und einen luegen bann an nemen und dem nehesten damit unrecht thun, Das  were denn die schluessel gelestert und Gott geschendet und die liebe gegen dem  nehesten verseeret, welchs einer Christlichen Gemeine nicht zu leiden ist, Denn  sie gehoeret auch dazu, wenn jemand bey jhr sol verbannet werden, spricht hie  Christus, Und ist nicht schueldig des Officials zedel noch des Bisschoves brieve  zu gleuben, Ja sie ist schueldig, hie nicht zu gleuben, Denn menschen sol man  nicht gleuben jnn Gottes sachen. So ist eine Christliche Gemeine nicht des  Officials dienstmagd noch des Bisschoves stockmeister, das er muege zu jhr sagen:  Da Greta, Da Hans, hallt mir den odder den jm bann, Awe ja, Seid uns  wilkomen, lieber Official. Jnn weltlicher oeberkeit hette solchs wol eine meinung,  Aber hie, da es die seelen betrifft, Sol die Gemeine auch mit richter und  fraw sein. Sanct Paulus war ein Apostel, Noch wolt er den nicht jnn bann  thun, der seine stieff mutter genomen hatte, Er wolte die Gemeine auch  [1. Kor. 5, 4 (2. Kor. 2, 10)] dabey haben 1. Corinth. 5. Und da die Gemeine nicht dazu thet, lies er den

 

[ 33 Sind D]

 

 

 

[Seite 503]

 

 bann auch faren und war zufrieden, das jhener sonst gestrafft war fur  der Gemeine.

 

Wie? Wenn einer selbs seine sunde bekennet, es were offentlich odder  heimlich, der ist ja nicht uberzeuget und kuendte doch wol felschlich bekennen,  da muesten ja die schluessel feilen. Antwort: Christus spri[Bl. J 4] cht Matthej am xij:  [Matth. 12, 37] ‘Aus deinem munde wirstu gerechtfertiget, Aus deinem munde wirstu verdampt’,  Darumb Wer selbs bekennet und thuts aus demut, dem sol man gleuben  und vergeben, Thut ers aus trotz mit luegen, so sol man jhm aber mal  gleuben und sprechen: Dir geschehe, wie du sagest, Denn ob er gleich eine  falsche sunde bekennet, So ist doch das eine zwifeltige sunde, das er leuget  und triegen wil, Darumb geschicht jhm recht, und der schluessel feilet nicht,  Gleich wie Davids schwert feilete nicht, da er den juengling lies toedten, der  sich fur jhm rhuemet, Er hette Saul erstochen, und war doch erlogen, 2. Regum 1.  [2. Sam. 1, 16] Denn David sprach: ‘Dein blut sey auff deinem kopffe, Dein mund hat widder  dich selbs gered, das du sprichst, du habest den Koenig erstochen’ &c.. Und alle  recht zeugen, Eigen bekentnis widder sich selbs ist die beste uberweisunge.

 

 Und das wir auch zum ende komen, So haben wir nu aus Christus  befelh diese zween schluessel: Der Binde schluessel ist die macht odder ampt, den  sunder (so nicht buessen wil) zu straffen mit einem offentlichen urteil zum  ewigen tod durch absonderung von der Christenheit. Und wenn solch urteil  gehet, so ists eben so viel, als urteilete Christus selbs, Und wo er so bleibet,  ist er gewis ewiglich verdampt. Der Loese schluessel ist die macht oder ampt,  den sunder, so da bekennet und sich bekeret, los zu sprechen von sunden und  ewiges leben widder zu verheissen, Und ist auch so viel, als urteilete Christus  selbs, Und wo er das gleubet und so bleibt, ist er gewis ewiglich selig, Denn  der Binde schluessel treibt das werck des gesetzes und ist dem sunder nuetz und  gut, damit das er jhm dienet, offenbart jhm seine sunde, vermanet jhn zur  furcht Gottes, erschreckt und bewegt jhn zur busse und nicht zum verderben,  Der Loeseschluessel treibt das werck des Euangelij, locket zur gnade und barmhertzigkeit,  troestet und verheisst leben und seligkeit durch vergebung der sunde,  Und summa: sie sind Executores, ausrichter und treiber des Euangelij, welches  schlecht dahin predigt diese zwey stuecke, Busse und vergebung der sunde,  [Luk. 24, 47] Luce ult.

 

Und sind alle beide schluessel aus der massen noetige stueck jnn der Christenheit,  dafur man Gott nimer mehr vol dancken kan, Denn ein recht erschrocken  sundiges gewissen kan kein mensch troesten jnn seinen sunden, Es hat noch  muehe, das der Loeseschluessel solchs ausrichte, So ein grosse kranckheit ists umb  ein bloede schwach gewissen, das hie der glaube auff des schluessels urteil gar  gewaltiglich mus getrieben werden durch Prediger, Pfarher und andere Christen,

 

[ 12 jünglin A 16 Recht B 21 Vnn A 27 ermant D 35 vol fehlt D 37 ist C]

 

 

 

[Seite 504]

 

 Von welchem glauben jm Bapstum nie kein wort jemals gehoeret ist. Widderumb  sind unter den Christen etliche rohe, freche hertzen und wilde leute, das  die frumen fur solchen falschen Christen kein ruge noch friede haben kundten,  wo der Bindeschluessel mit seiner ruten nicht da were, und eitel gnade und  sicherheit gespueret wuerde, Hatts doch also noch muehe, wie scharff und gros  solche straffe und urteil ist. Also ist der eisern und harter Bindeschluessel den  frumen Christen ein grosser trost, schutz, maur und burg widder die boesen,  Und doch daneben auch den boesen selbs eine heilsame ertzney, nutz und fromen,  obs [Bl. K 1] gleich dem fleisch schrecklich und verdrieslich ist, Der halben wir die  lieben schluessel alle beide theur und werd sollen haben von grund unsers hertzen  als unser zween unaussprechliche schetze und kleinot fur unser seelen.

 

Denn der liebe man, der trewer hertzlicher Bisschoff unser seelen Jhesus  Christus, hat wol gesehen, das seine lieben Christen gebrechlich, dazu vom  Teuffel, fleisch, wellt manchfeltiglich und on auffhoeren angefochten, zu weilen  fallen und sundigen wuerden. Dagegen hat er diese ertzney gesetzt: Den Bindeschluessel,  das wir nicht zu sicher jnn der sunden vermessen, rohe und verrucht  blieben, Den Loeseschluessel, das wir auch nicht jnn sunden verzweiveln muesten  und uns also damit auff der mittel strasse zwisschen vermessenheit und verzagen  jnn rechter demut und zuversicht erhalten, Auff das wir ja auff allen seiten  reichlich versorget weren, Denn Wer nicht sundigt (wer sundigt aber nicht?),  odder worin er nicht sundigt, der hat das gemeine Euangelion, Wer aber  etwa sundigt, der hat uber das Euangelion auch die schluessel.

 

Auch hat er mit den schluesseln gewaltiglich wehren wollen den kuenfftigen  Novatianer1, welche lereten, das nach der Tauffe keine tod sunde moechte auff  erden vergeben werden, Aber hie sehen wir ja, das Christus nicht den Heiden  noch ungetaufften, sondern seinen juengern und getaufften die schluessel gibt,  Welchs were gantz vergeblich, so der getaufften sunde nicht solten dadurch vergeben  werden, Spricht auch von den selbigen: ‘So dein bruder sundiget.’  Bruder aber ist ja ein getauffter Christ, noch spricht er: So er sundiget,  Spricht auch nicht: So er ein mal sundiget, Sondern schlecht: ‘So er sundiget’,  setzt dem schluessel wedder mas, zal noch zeit, Ja er deutet sie selbs on alle  mas, zal und zeit, Und spricht: ‘Alles, was jhr bindet und loeset’, Spricht  nicht: Etlichs, Sondern: Alles. Da ist des schluessel ampt aus gebreit uber  alle menge, groesse, lenge und gestalt der sunden, wie sie auch muegen einen  namen haben, Denn wer ‘Alles’ sagt, der nimpt nichts aus.

 

 Doch sol man das selbige wort ‘Alles’ nicht so deuten wie der Bapst,  das die schluessel solten alles binden und loesen, was jm himel und auff erden  ist, und damit eine allmechtige gewalt uns zu eigenen, Sondern allein auff die  sunde sol mans zihen und nicht weiter, wie jtzt gesagt ist, Denn wir muessen  die wort Christi verstehen ‘secundum materiam subiectam’, Das ist, wir

 

[ 5 doch also] noch also D 8 heilsamẽ C]

 

 

 

[Seite 505]

 

muessen sehen, wo von Christus an dem odder dem ort handelt, und dem nach  die wort auch behalten und nicht weiter auff ander sachen da mit lauffen, da  Christus nichts von redet, gerade als wolt einer alle ding an einem ort leren  odder ein wort auff allerley sachen reimen, wie die rotten geister thun, Die  fueren schier alle sprueche der schrifft auffs Sacrament, welche doch nichts vom  Sacrament reden. Weil wir denn sehen klerlich, das Christus hie nicht redet  von der gewalt jm himel odder auff erden, Sondern von den sunden unser  brueder, wie die zu bessern sollen sein, kan man seine wort nicht weiter zihen  noch deuten denn auff solche sunde, Und muessen das wort ‘Alles’ so wol als  die Wort ‘Binden und Loesen’ schlecht bey und auff den selbigen sunden behalten.

 

[Bl. K ij] Denn Christus wil damit hertzlich und gewaltig uns armen sunder  getroestet und nicht dem Bapst gewalt uber die Engel jm himel noch uber die  Keiser auff erden gegeben haben. Und ist das der trost, Das Alle, Ja Alle  sunde (keine ausgenomen) sollen Petro odder dem schluessel unterworffen sein,  das sie sollen gebunden und los sein, wenn er sie bindet und loeset, wenn  gleich da widder sich streubten alle Teuffel, alle wellt, alle Engel, alle gedanken  und verzagen unsers hertzen, alle anblick des todes und alle boese zeichen, Das ein  bloedes hertz sich darauff kecklich verlassen und widder sein eigen boeses gewissen  zur zeit der not also sagen koenne: Wolan, meine sunde, wie viel und gros  sie sind, sind sie mir doch alle los gesprochen durch den schluessel, da verlas  ich mich auff und wil von keiner sunde mehr wissen, Alle abe, alle vergeben,  alle vergessen, Der mir zusagt: Alles, was du loesest, sol los sein, der leuget  mir nicht, das weis ich, Jst mein rewe nicht gnugsam, so ist sein wort  gnugsam, Bin ich nicht wirdig gnug, so sind seine schluessel wirdig gnug, Er  ist trew und warhafftig, Meine sunde sollen mir jhn nicht zum luegener  machen.

 

Sihe, solchen glauben solt man neben den schluesseln getrieben und geleret  haben, Denn die schluessel foddern den glauben jnn unserm hertzen, Und on  glauben kanstu jhr nicht nuetzlich brauchen. Gleubstu aber an jhr urteil, so  bringen sie dich widder jnn die unschuld deiner tauffe, wirst von newen widder  geborn und ein rechter newer heilige, Denn Gottes wort ist heilig, die schluessel  sind heilig, sie muessen auch heiligen alles, was dran gleubet, Und ist gar  ein ungereimbt lesterlich ding, das man bey den schluesseln so hefftig hat allein  auff rew und werck getrieben, So man doch Schluessel und unser werck solte  scheiden, so weit als himel und erden von ein ander, Denn es mus auch die  vernunfft, so sie den Text ansihet, bekennen, das die schluessel mit keinem werck  umb gehen, heissen und gebieten nichts, Sondern drewen und verheissen, Nu  ist drewen und verheissen ja nicht gebieten. Der Bindeschluessel wil, das man  seinem drewen gleube und dadurch Gott furchte, Wer jhm gleubt, der hat  mit solchem glauben vor und on alle werck dem schluessel gnug gethan, Er  foddert auch kein ander werck, Darnach wird solcher glaube wol werck thun.  Also der Loese schluessel wil, das man seinem trost und verheissen gleube und

 

 

 

[Seite 506]

 

 dadurch Gott lieb gewinne und ein froelich, sicher, fridlich hertz uberkome,  Wer jhm gleubt, der hat mit solchem glauben vor und on alle werck diesem  schluessel gnug gethan, Er foddert auch kein ander werck, Darnach wird  solcher glaube wol werck thun.

 

Und mit sonderm vleis solt man zu sehen, das man dem exempel und  wort Christi nach ja nicht einen schluessel on den andern lerete und triebe,  Sondern alle beide zu samen fassete, wie sie Christus hie zusamen fasset.  Unter dem Bapstum ist der Bindeschluessel so grewlich und Tyrannisch getrieben  und der Loeseschluessel mit seiner krafft so gar verschwigen, das jederman hat  den schluesseln feind muessen sein und zu keiner rechtschaffen rew noch busse  komen muegen, Denn jhr lere war diese, das ein mensch solt seine sunde  bedencken und zusamen lesen, damit eine rewe zu [Bl. K iij] machen durch die furcht  der hellen und also die gnade mit wercken verdienen vor den schluesseln, Und war  doch unmueglich, alle sunde zu bedencken, Dazu lereten sie allein die schupen1,  die gemeinen groben sunde bedencken, Aber die starcken rechten grewel und  Teuffels koepffe und gifftigen geistlichen Drachen schwentze, nemlich Unglauben,  murren widder Gott, Gottes hass, zweiveln, lestern, Gotts verachtung und der  gleichen, kenneten sie nicht, schweige, das sie rew darueber solten leren, Darumb  auch jhr busse ein lauter schein war und weret kaum die halbe marter  wochen, Denn es war kein gruendliche busse noch verstand da, Aber an  solcher grewel stat lereten sie die gauckel sunde, so widder jhr luegen gesetz  geschehen waren, was solt da guts an solcher busse sein?

 

Und gleich, wie nichts gruendlichs von sunden geleret ward, So ward  auch nichts von Christo unserm mitler, nichts vom trost der schluessel, nichts  vom glauben geleret, Sondern allein von der untreglichen, doch vergeblichen  marter der rew, beicht, gnugthun und unser werck, Und muste Christus ein  grausamer richter heissen, welchen wir neben unser rew, beicht und gnugthun  mit furbitt seiner Mutter und aller heiligen, mit aller Pfaffen mess, mit aller  Muenche und Nonnen verdienst versuenen musten, und halff doch nicht, Bleib  gleich wol ein unsicher gewissen, ein bloedes hertz, ein lauter verzweiveln und  anfang der Hellen. Jsts nicht also? Wer kan das leugnen? Sind nicht die  bullen und buecher furhanden? Noch do ich solche weise zu buessen straffet,  verdienet ich so viel, das mich der Bapst Leo durch seine Maul Esel verdammet  als einen Ketzer, Denn solch jhr schedliche, lesterliche grewel musten  eitel artickel des glaubens heissen.

 

Aber Christus leret hie, das man einem sundigen gewissen auch den  trost des andern schluessels solle furhalten und nicht allein die furcht des einen

 

[ 12 furcht B] frucht ACD, in D handschriftlich in furcht korrigiert 13 was D 14 unmueglich] moeglich [un- handschriftlich] D 18 schwygen D 19/20 marterwochen] karwuchen D]

 

 

 

[Seite 507]

 

schluessels, damit die busse auch aus lust liebe werde angefangen, Denn  on lust und liebe zur gerechtigkeit, allein aus furcht der pein buessen, wie sie  lereten, das ist Gott heimlich feind werden, lestern, sunde groessern und nichts  denn Judas busse, Wer kan aber mit lust und liebe buessen, wo er nicht  gewissen trost und verheissung fur sich hat der gnaden, nicht aus eigen gedancken  geschepfft (denn das hellt nicht und gillt nicht), Sondern durch ein gewis wort  Gottes dar geboten und furgestellet? Der selbige trost misschet und lindert  denn das schrecken des Bindeschluessels, also das unser hertz ertragen und bleiben  kan, Das ist denn eine rechtschaffen busse, die Gott nicht flucht noch heimlich  feind ist, Sondern liebet und lobet und fleusst daher aus einer luestigen furcht  [Ps. 2, 11] und froelichem zittern, Psalm 2. Die gefellet denn Gott, und ist auch bestendig,  macht einen andern, newen menschen und gibt rechten hass widder die sunde,  Welchs nimer mehr thut das sunde bedencken und Helle furcht und die Bepstliche  busse. Dis stuecke (sage ich) von beiden schluesseln zu leren, solt man wol treiben  und widder auffrichten, Viel wehnen, sie koennens allzu wol und verstehens  doch nicht, So achtens die Papisten nicht, Und ob sie es gleich hoeren odder  lesen, muegen sie es doch nicht verstehen, [Bl. K 4] Denn jhr hertz ist auff ander  [2. Mose 34, 33] gedancken gericht, und haben Moses decke fur den augen.

 

Das sey dis mal gnug von den Schluesseln, ob Gott wolt etwa gnade  verleihen, das der Bann moecht widder zu recht komen, und die lere von der  Busse und Schluesseln widderumb bekand werden. Des helffe uns der Vater  aller weisheit und trosts durch seinen heiligen geist jnn Christo Jhesu unserm  HERRN, dem sey lob und danck jnn ewigkeit,

 

 

 

 

AMEN.

 

 

 

[Seite 508]

 

Eine Predigt, daß man Kinder zur Schulen halten solle.

 

[Einleitung]

 

[Seite 508]

 

Schon in seiner an den Wittenberger Amtmann Hans Metsch1 gerichteten Vorrede2 zu dem um Mitte April 1529 erschienenen3 Büchlein des Justus Menius: “Oeconomia Christiana d. i. von christlicher Haushaltung” suchte Luther es den Eltern zu Gemüte zu führen, daß sie verpflichtet seien, ihre Kinder etwas Rechtes lernen zu lassen. Eltern, die nur auf den künftigen Erwerb ihrer Kinder bedacht seien, sollte die Obrigkeit, wenn sie sich nicht bessern wollten, an Leib und Gut strafen oder zur Welt ausjagen. Denn solche Leute seien die allergiftigsten und schädlichsten Menschen auf Erden, schädlicher als Türken und Tartaren. So viel an ihnen ist, täten sie nichts anders, “denn daß beide, geistlich und weltlich Stand untergehe und beide, Haushalten und Kinderzucht verderbe, und bleiben eitel wilde Tiere und Säue in der Welt, die zu nichts nütze sind denn zu Fressen und Saufen”. Wenn man Kinder zu eitel Säuferkeln mache, die allein nach dem Futter trachten, wo wolle man einst Pfarrer und Prediger hernehmen? “Wo wollen Könige, Fürsten und Herrn, Städte und Länder nehmen Kanzler, Räte, Schreiber, Amtleute?” Luther redet dann noch jedem einzelnen ins Gewissen: “Mein lieber Geselle, hast du ein Kind, das zur Lehre geschickt ist, so bist du nicht frei, dasselbe aufzuziehen, wie dich's gelüstet, stehet auch nicht in deiner Willkür, damit zu fahren, wie du willt, sondern du mußt darauf sehen, daß du Gott schuldig bist, seine beiden Regiment zu fördern und ihm darin zu dienen. Ziehst du dein Kind zu einem Seelsorger, so schenkst du der Welt einen Heiland und Gottesdiener, der viel tausend Seelen zum Himmel helfen kann.” “Also auch im weltlichen Regiment kannst du deinem Herrn oder Stadt mit der Kinderzucht mehr dienen denn daß du ihm Schlösser und Städte bautest und aller Welt Schätze sammeltest.” Luther weist

 

 

 

[Seite 509]

 

endlich auf den reichen zeitlichen Nutzen und ewigen Lohn hin, der bei rechter Kinderzucht für Eltern und Kinder zu erwarten stehe, und schließt: “Davon ich ein andermal weiter und mit einem sonderlichen Büchlein vermahnen will, so Gott gibt, wider solche schändliche, schädliche, verdammte Eltern, welche nicht Eltern, sondern schädliche Säue und giftige Tiere sind, die ihre eigenen Jungen selbst fressen.”

 

Also schon damals, im April 1529, plante Luther einen Schrift über das Thema, “daß man Kinder zur Schulen halten solle”, und das Büchlein, das er damals ankündigte, ist eben unsre “Predigt”. Wir werden sehen, daß eine ganze Anzahl Gedanken, die bereits in jener Vorrede zum Ausdruck gebracht sind, in unsrer Predigt, zum Teil wörtlich, wiederkehren. Übrigens handelt es sich nicht um eine Predigt im eigentlichen Sinne, sondern, wie Luther selbst andeutet1, um eine Verarbeitung von Gedanken, die er “mehr denn einmal” in Wittenberger Predigten vorgebracht hat.

 

Erst während seiner unfreiwilligen Mußezeit auf der Veste Koburg kam Luther zur Ausführung des Planes. Am 5. Juli 1530 schreibt er an Melanchthon: ‘Nunc sermonem meditor exhortatorium pro scholis aut pro pueris potius ad scholas tradendis. Mirum, si etiam antea sui tam verbosus, ut nunc fieri mihi videor, nisi senectutis ista garrulitas sit ...’2 Daraus, daß Luther sich hier selbst den Vorwurf der Geschwätzigkeit macht (in der Tat ist unsre “Predigt” zum Teil von ermüdender Breite und reich an Weitschweifigkeiten und Wiederholungen), ersehen wir, daß er damals schon tief in der Ausarbeitung steckte. Ein Entwurf in lateinischer Sprache, der sich in Veit Dietrichs Tischredensammlung erhalten hat (Mss. cent. 5 Append. 75 fol. 216b –218a; Nürnberger Stadtbibliothek)3, wird also wohl in eine etwas frühere Zeit gehören. Wir fügen ihn am besten gleich hier ein:

 

[fol. 216b] Exhortandi ciues pro liberis ad scholam tradendis & prouidendis.

 

Primum obijciatur eis prȩceptum Dej & Conscienciȩ necessitas, Quia Deus exigit personas idoneas ad regnum spirituale & temporale. Nec sunt liberi hac in parte in arbitrio ipsorum, Sed coguntur eos educare. Quos ipsi impediunt & maximo damno diabolum iuuant in hac parte Contra Ecclesiam & Politiam.

 

Secundo expendant, quantum fructus vna persona educata prȩstet mundo toti & quantum noceat Contrarium, scilicet multȩ personȩ impeditȩ.

 

Tercio quod plus honoris & opum acquirent filij ex Schola benedicente Deo, quam omnes eorum operȩ & artes aut artificia.

 

[fol. 217a] Quarto proponantur per ordinem, quot sint genera & species personarum tam Ecclesiasticarum quam Politicarum, Similiter & officia talium, Quȩ omnia intra decennium necessario vacabunt, nisi personȩ educatȩ succedant, in quibus officijs multas opes, honores & glorias Deus posuit, vt sic non solum spirituales fructus, sed eciam temporalia commoda opulentissima videant proposita Doctis et eruditis filijs suis. Hȩc confirmentur Exemplis als der Cantzler, Jonas,

 

 

 

[Seite 510]

 

Lutherus, Philippus & multi alij. Quia mundus non potest carere personis eiusmodi. Ideo non deerit eis substancia & prȩmia, sed personȩ pocius deerunt. Hȩc fortiter inculcanda prȩceptis, promissionibus, beneficijs, minis, peccatis, consciencia, Damnis, malis ob oculos propositis, vt supra recitaui.

 

[fol. 217b] Horrendum, si non contribuant ciues.

 

Primum, quod ipsi nihil expendunt in toto numero censuum, Sed Papa per eorum prȩdecessores & maiores ista dedit, quȩ sunt in cista communi, ./· opes sub papatu partȩ.

 

Secundum Quod Papa alit eorum ministros, Scholas vtrasque & pauperes omniaque officia Ecclesiȩ, Cum tamen ipsi tenerentur eosdem alere secundum Paulum, Christum & totam scripturam.

 

Tercium hactenus oneribus intollerabilibus sunt liberati, quibus aluerunt {Monachos/Tyrannos episcopos/Mendicos vagos}Et tot tribuerunt ad {Aedificia/clinodia & infinita alia./vigilias}

 

Horrendum igitur esset [fol. 218a] talem ac tantam ciuitatem prorsus recipere omnia ab Euangelio, quȩ ipsi tenentur dare, Et tamen nihil velle contribuere. Hoc esset Deum prouocare horribili ingratitudine, vt Sodomȩ [!] peior esset & plane fidem abnegaret, Quasi Eungelion doceret aliena gracia & eleemosina frui ac non pocius propria.

 

Um Mitte Juli war Luther mit der Ausarbeitung fertig und schickte das Manuskript nach Wittenberg in die Presse des Nickel Schirlentz. Zu Luthers Verdruß verzog die Drucklegung. Schon schrieb er am 15. August unmutig an seine Käte, daß sie “den Sermon (wo er nicht angefangen) von Schirlenz nehmen und Georgen Rau geben solle”.1 Wenige Tage darauf aber wurde seine Ungeduld befriedigt, er erhielt einige Exemplare der Predigt aus Wittenberg zugeschickt. Eines derselben schickte er alsbald am 24. August an Melanchthon nach Augsburg, wobei er wieder in seiner liebenswürdig-ehrlichen Selbstironie den Sermon charakterisierte als ‘plane Lutheranum et Lutheri verbositate nihil autorem suum negans, sed planissime referens’.2 Ein anderes aber sandte er an demselben Tage an Lazarus Spengler nach Nürnberg, dem er die Predigt zugeeignet hatte.3 Diese Zueignung hatte Veit Dietrich, Luthers Vertrauter auf der Veste Koburg, veranlaßt. Dietrich hatte auch schon vorher dem Stadtschreiber seiner Vaterstadt unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt, welche Ehre ihm zugedacht sei. Spenglers Antwortschreiben vom 24. Juli ist “ein schönes Zeugnis seiner Demut und Einfalt”: “Es ist mir von euch ain brieflein zukommen, darinn ir mir anzaigt, was ir bey Doctor Martino deß puchleins halben, so er neulicher tag gefertigt vnd darinn zur lerrnung der iugendt ermant hat, habt gehanndelt, Nemlich mir dasselb zu dedicirn, wie dann beschehen sey. Disen euern genaigten willen, vnd das ich bei dem frommen Christenlichen mann, dem Doctor, dermassen soll geacht werden, mir seine werck zuzuschreiben, Nym ich ganntz danckbarlich vnd doch solcher gestallt an, das ich mir derhalben kainen rum zuschreiben soll, Alls ob ich so groß, verstenndig

 

 

 

[Seite 511]

 

und ansehlich were, mir dises oder anndere dergleichen werck zu dediciren, Sonnder in solchem gedenck ich allain dem allen rum vnd lob haimzustellen, dem auch billich alle eere schuldigklich gepurt, vnd mit dem frommen David zuschreien: Non nobis, Domine! non nobis, sed nomini tuo da gloriam.”1

 

Luthers Originalmanuskript (ohne die Vorrede an Spengler) ist in Cod. Pal. Germ. 40 der Heidelberger Universitätsbibliothek2 erhalten. Welche Schicksale die in schwarzes Leder mit Goldpressung gebundene Handschrift gehabt hat, ersieht man aus dem vorn auf dem Schmutzpapier aufgeklebten Kupferstich, der das bayerische Wappen und darüber und darunter die Jnschrift zeigt:

 

 

Sum de Bibliotheca, quam Heidelberga capta Spolium fecit, & P. M. GREGORIO XV. trophaeum misit. Maximilianus Vtriusqz Bauariae Dux &c. S. R. I. Archidapifer et Princeps Elector Anno Christi MDCXXIII

 

Wir stellen unsrer Gewohnheit gemäß das Originalmanuskript und den Schirlentzschen Originaldruck einander gegenüber.

 

Erwähnt sei noch, daß Johann Jakob Rambach3, damals Professor primarius der Theologie und erster Superintendent in Gießen, unsre Lutherschrift “zur Erweckung eines neuen Ernstes im Schulgehen” mit einer doppelten Anrede an die Eltern und Kinder neu herausgab, s. a. u. ‘Spätere Ausgaben’.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A “Eine Pre- || digt, Mart. Lu- || ther, das man kin- || der zur Schu- || len halten || solle. || Wittemberg. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 34 Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || duch Nickel Schir- || lentz. ||”

Während des Druckes wurde der Satz in Bogen A und D gelegentlich gebessert, vgl. z. B. Blatt A 2a Zeile 7 “vnserm liebern Herrn” neben “vnserm lieben Herrn”, Blatt D 1a Zeile 1 v. u. “zuechtig” neben “tuechtig”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5831), Danzig, Eisleben A., Erfurt Martinsstift, Hamburg, Heidelberg, Nürnberg St., Stuttgart, Wittenberg, Wolfenbüttel, Zwickau. — Erl. Ausg.2 17, 378 Nr. 1 (sehr ungenau).

In dem Neudruck v. Jsrael (s. S. 512) erscheint (wohl durch Versehen) die Titelrückseite bedruckt und alle Bezifferungen um eine Seite verschoben.

 

B “Eine Predigt, || Marti. Luther, || das man Kin- || der zur Schu- || len halten || solle. || Wittemberg. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung,

 

 

 

[Seite 512]

 

Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Nickel Schir- || lentz. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5832), Breslau U., Dresden, Heidelberg, Stuttgart.

 

C “Ein predig Mart. Lu- || thers, das man kinder || zur Schůlen hal- || ten solle. || M· D· XXX· ||” Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer.

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Während des Druckes wurde der Satz gelegentlich gebessert, vgl. z. B. Blatt b 3a Zeile 1 “berst” neben “besserst”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5835), Dresden, Heidelberg, Stuttgart, Wernigerode, Wittenberg, Würzburg U.; London. — Erl. Ausg.2 17, 378 Nr. 2.

 

D “Eine Bre- || dig Mar. Luther, || Das man die Kinder || zůr Schůlen hal- || ten solle. || || M. D. XXX. || ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 26 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Getruckt nach Christi geburt, || als man zalt. 1531. ||”, darunter eine Leiste.

Druck von Johann Knoblauch oder Joh. Preuß in Straßburg.

Vorhanden: Knaakesche Slg.

 

Ausgabe mit neuer Vorrede vom Jahre 1541:

 

 

E “Eine Predigt, || D. Marti. Luther, || Das man Kinder || zur Schulen || halten solle. || Wittemberg || M D XLI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, Blatt A 4 und letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Nickel Schir- || letz. ||”

Der letzte Bogen (H) ist während des Druckes neu gesetzt, so daß er in zwei Varianten vorhanden ist, von denen die eine vielfach Druckfehler zeigt. Vgl. z. B. Blatt H 1b Zeile 1 “schuelbig” neben “schuldig”, Blatt H 2b Zeile 2 “schweer” neben “schwere”, Blatt H 3b Zeile 2 “Zwingen” neben “zwingen”. Exemplare mit dem fehlerhaften Satz (Beispiel: Berlin Luth. 5839a) sind häufiger als diejenigen mit dem besseren Satz (Beispiel: Berlin Luth. 5839).

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5839 u. 5839a), Breslau U., Dresden, Heidelberg, Stuttgart, Wittbrietzen, Zwickau; London. — Erl. Ausg.2 17, 378 Nr. 3 (ungenau).

 

F “Ein Predig, || D. Marti. Luther, || Das man Kinder zur || Schůlen hal- || ten solle. || Wittemberg || M. D. XLI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 28 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Getruckt zů Straßburg bey || Hans Preüssen. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5841), Wittenberg. — Erl. Ausg. 217, 378 Nr. 4 (ungenau).

Spätere Ausgaben: Dörpt in Liefflandt, J. Becker 1633 (hrsg. von J. Weideling); Gießen, E. H. Lammers 1733, und Jena, J. F. Ritter 1742 (hrsg. von J. J. Rambach); Zschopau, F. A. Raschke 1880 (= Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts, hrsg. von A. Jsrael, Nr. 5; mit Anmerkungen von G. Kießling). — Abdruck der Vorrede bei Joh. Fr. Coelestinus “Von den Schulen” Straßburg 1568.

 

 

 

[Seite 513]

 

In den Gesamtausgaben steht unsre “Predigt”: Wittenberg 6 (1553), 344b –358b; Jena 5 (1557), 168a –184a; Altenburg 5, 302 –318; Leipzig 22, 208 –225; Walch1 10, 478 –533; Walch2 10, 416 –459; Erlangen1 20, 1 –45; Erlangen2 17, 377 –422. Die Widmung an Spengler findet man auch Erlangen 54, 183; de Wette 4, 116 –120; s. a. Enders, Briefwechsel 8, 158.

 

Der Urdruck A lief in mehr oder weniger korrigierten Exemplaren um (s. ob. S. 511), das läßt sich auch aus den Nachdrucken ersehen, die bald Lesarten von AI (unkorrigierte Bogen), bald von AII (korrigierte Bogen) darbieten. B ist ein verbesserter Neudruck; C wie D stammen unmittelbar aus A, ersteres ziemlich getreu, letzteres nicht nur reich an Versehen sondern auch an willkürlichen Änderungen an der Sprachform, wie am Text. Die neue Ausgabe von 1541 (E) hat B als Vorlage, daran außer der Vorrede fast nichts geändert, auch die Zeilenteilung völlig beibehalten; F ist getreu nach E gedruckt.

 

B (Wittenberg) zeigt fast nur genauere Wiedergabe des Umlautes.

 

[i] I. Vokale: 1) o > oe boete, froelich, verstoeren, verstoerung, Moencherey, koest (Dat. Akk. mehrmals), toelpel, troester, troesten, hoeher, hoehest, gehoeret, Goettlich, koempt, koennen, ploetzlich. — u > ue luestig, tuegen, Kuesterei, stueck, unterdruecken, drueckt, kuendten, bruenne (= Brunnen), Muenche, duerffen, erwuergten, Fuerstlich, Tuerck, Kuerisser, huelffe (Konj.), schueldig, unnuetz, buecher, muesse, mueste, gueter, verfuerer, natuerlich, rhuemen; ∞ des nutzes.

 

2) unbetontes e ist sehr selten ergänzt: jhre (suos), die rechtschaffene; enhlich > ehnlich.

 

[ii] II. Konsonanten: reihen > reigen; Doppelkonsonant vereinfacht in du wilt, weltlich, helm, Scharhansen (nicht immer), ∞ Capplan.

 

[iii] III. Verbum: Umlaut in koempt, huelffe, kuendten, duerffen, tuegen, koennen.

 

[iv] IV. latin > latein.

 

C (Nürnberg).

 

[i] I. Vorkale: 1) Umlaut e > ae kaeme, aempter, vaeter, aecker; e > a arbeit, arbeiten; — o > oe loeblich, soelch, moerden, woellen, froelich (auch ∞), goennen, schloesser, oeberkeit, voegel, stoesse (Verb.) usw. wie B (außer Moncherei, kost, plotzlich); ∞ oe > o frolich, kloster, gehoret; — u > ue, ü wie B (außer schuldig, Kusterei, brunne, seltener unnutz), dazu für, fürsichtig, würde, fürst, verbürge, gebürt (natu), Nürmberg, muegen, guelden, huelffe (Subst.) geruestet, zukuenfftig, duencken, juengst, suenden, ausgehuengert, glueck, der ruecken, kuechen, schuetz (und schůtz), Jueden; beruembt, fueren, Küster, suecht (ue = ů?), versuecht, auffruerisch, betrübt; ∞ tugent, wunderlich, schůler; — eu > au glauben (nicht immer).

 

2) o > u kuerre, suenst, sun, guennen; u > o forcht, foerchten, ich dorffe, koendte, toechte, frommer; a > o do; i und ie meist geschieden, aber gemieden, gechlieffen, zihen, regiren, ligen (mentiri), ei und ai, ů und u

 

 

 

[Seite 514]

 

oft unterschieden, ue und ü fast ohne Unterschied gebraucht, auch ue und ů scheinen verwechselt, so ist wohl saür nur Versehen.

 

3) h fehlt in ym, yn, yr, yren.

 

4) unbetontes e fehlt oft: boß, lang, stend, unfried, leut, am tag, gut Christen, ehr, ein (una), ich bit; die Engel, groesser (Plur.) Blůthundt (Plur.), im Jnnern: luegner, fuellstein, mißbrauche, boeßwicht, diente; ∞ die rechte, das lande; theüer, ewer, sauer, geboren, grewelen.

 

[ii] II. Konsonanten: d > t, dt deutsch, teutsch, schentlich, sint, miltiglich, redent, schendtlich, Blůthundt, heilandt usw. nach n, wirdt, leidt, t > th, dt rath, ebentheurlich, schadten (umbra), th > t Luterisch, keten; dt > t kuente, steten; g > k vergencklich, kegen, gnůck, gauckeln; k > g auffwegte; g > ch schuldich; reihen > reyen.

 

Doppelkonsonant vereinfacht in wider, weder, oder, nider, hader, erhelt, Edelman, gemieden, gewalt, alzu, goetlich, etlich, Got, ich bit, herschafft, Pfarher (< herr), wens, den (nam), vergiesen; ∞ ymmer (nicht durchaus), zeitten, hierinn.

 

Zu erwähnen ist, daß in C öfter kleine Anfangsbuchstaben stehen als in A, merkwürdigerweise oft got, aber Teuffel.

 

[iii] III. Vor- und Nachsilben: zurhalten > zu erhalten, ge > g gwislich, ver > vor vorsencken, vorderben, -lin hie und da > -lein.

 

[iv] IV. Deklination: seinem geistlichem > s. geistlichen, Umlaut in den Pluralen vorbuerge, voegel.

 

Konjugation: Umlaut in er stoesse; in duerffen, woellen, muegen, kuendte, gekuent, soellen, soelle, kuende > koendte, goennen > guennen, gewust > gewist, doerffe > dorffe.

 

[v] V. Wortformen: nun, yetzt, sonder, nit, druber > darueber, fur > vor (auch mit Akkus.), wen > wan (einmal); das > des (einmal), yglich > ieglich, yderman > yederman (nicht immer), wz, dz; latin > latein, zwentzig > zweintzig; lare > lere, Johannes > Joannes, George > Goerg, Erfford > Erdford, Jeremias > Hieremias, Frantzosen > Frantzhosen, Gotten > Goeten, Egypten > Egipten, die lust > der lust, nachbar > nachtbar, pfreunde > pfrunde, pfruende, harnsch > harnisch; verdamnen > verdammen; gegen den > gegen dem.

 

D (Straßburg) ist auch in der Sprachform stark geändert.

 

[i] I. Vokale: 1) Umlaut e > ae aempter, vaetter, taeglich, gegaecke, kraeen; a > ae gelaerte, laere, Maegdstand, Geitzwaenste; e > a arbeit, hanget; e > oe außerwoelt; o > oe koennen, ploetzlich, doerffer, Schloesser, hoehest; ∞ loblich, kost, komet; — u > ü, ue thuerste, Fürsten, für (auch = vor), gürten, Türcke, huelffe, sünden, jüngst, Münch, glük, tügen, unnütz, züchtigen, gerüstet, über, fueren, muessen, betruebt, uebet, verhueten (< ue), suesse, fuelen, stueln (< ue), rhuemen usw.; ∞ durffe, stuck, kundte, tugent, schuldig, Kuster, duncken, wunderlich; eu > au haubtman, einraumen, versaumen.

 

 

 

[Seite 515]

 

2) i > e fettich; her = haer; o > u kumme, kumpt, nachkummen, sunst, sun, sůn, künige (doch auch son, koenig); ∞ forcht; a > o vnderloß, allzumol, do; ∞ wassen neben woffen; i > ü speuen, würstu; ie ist öfter von i unterschieden fride, gelid: ziehen, aber auch hirinn, regirt usw.; u und ů unterschieden, auch zůr, zům; ü und ue meist unterschieden, doch auch ue an unrechter Stelle.

 

3) h fehlt in jre, ir, jn, lon, lonen, mer, ere, geerth, verraten, verreter, versteen, ye, enhlich > ehnlich.

 

4) unbetontes e fällt weg in end, pferd, hund, stueck, sünd, koepff, wer, gering; herrn, darffst, versorgt, hoechst; ehlose, füllstein, boeßwicht; ∞ gantze (Plur.), unsere kinder, die rechtschaffene, das zehende, oberste, das Künigreiche, ich kunthe (Zeilenschluß), moechte, solte; heisset, suchet, wesschet, gelernet, du weissest, bleibest, ich wehere; die Stellung des e ist vertauscht in gerechnet, handlen.

 

[ii] II. Konsonanten: d > t, dt Stette, deutsch, teutsch, gelt, wirt, hantwerck, gelitten, gemitten; werdt, erdtreich; dt > th kunthe; t > d under, > dt nodt; t > th betthe, ∞ Luterisch; b > p huepsch; g > k vergengklich, vergencklich, gaucklen; h > ch hoechst, sichst.

 

Doppelkonsonant vereinfacht in oder, weder, wider (nicht immer), feder (aber hadder bleibt), helm, solte, weltlich, herlich, Pfarhe, hern, es geret, hate (Zeilenschluß), treten, seiten, eitel, thetts, es geret, hate, reisig, vernunst (< ff); ∞ frumme, fromme, kumme, komme, hymmel, botten, ochssen (auch ochßen).

 

[iii] III. Vorsilben: ingesetzt, ent > en enzeuchst, emperen > enperen.

 

[iv] IV. Deklination: Umlaut fehlt in kost (Dat. Akk.), tugent (Plur.), -s fehlt in des leidens uns blůtt, der (quorum) > deren.

 

Konjugation: meinstu > meinst du, yhr sehet > sehent (vereinzelt), ebenso sie thun > thůnd; hulffe > huelffe, koemet > komet; sind > seind, Umlaut in duerffet (seltener ∞), tuegen, muegen > moegen, gehen > gon (einmal).

 

[v] V. Wortformen: yetzt (dafür auch yetzundt), nit, dennocht sonder, uff das, hieruff, sonder, sittemal, pfu > pfue, dazu > darzů, dann (selten), allbereit > allgereit; sollichs (Zeilenschluß), unternander > undereinander; yetzig; Jhesu > Jesu, nachbaur, pfrunde (< eu), schwefel > schwebel; feilen > felen, rechen > rechnen (entsprechend gerechnet), begegen > begegnen, foddern > fordern (poscere), hengen > hangen.

 

[vi] VI. Wortwahl: lippen > lefftzen, kriegen > ueberkummen; Rabe > kraeen, welch ein > was fuer ein, solch ein > so ein, tuechtig > tueglich (einmal), zu boden stossen > um̄stossen.

 

E (Wittenberg 1541). Diese spätere Auflage bleibt B sehr nahe, sie ist hier mit B verglichen.

 

[i] I. Vokale: 1) Umlaut: o > oe goenner, oeberst, Schloesser, loeblich, hoehest, vom toede (Druckf.?), groessest; ∞ frolich (nicht immer), kompt (ebenso), kost (neben koest); u > ue fuer, Fuerst (nicht immer), buerger, Buergermeister, Tuercken, guerten, wuerde, Thuer, Ruecken, zurueck, glueck, duenckel, juengst, suender, suendlich, kuenfftig, schueldig, huelffe, guelden (Subst.), geruestet,

 

 

 

[Seite 516]

 

Cuester, darueber, hierueber, Jueden, rhuemen, fuelen, fueren, gueter, schueler, stuende, stuele (< ue); ∞ rustet, wuster (Adj.), musten, gewust, sturtzen, kurtzweile, stuck, kundte, unzuchtig, unnutze, lugner; o > u fruemlin, kuendte; ∞ from, Vermoegen, vermoegen, Moenche; ie > i schir, briffe, Thire, ∞ frieden; freunde > frunde (einmal); behueten > behueeten (einmal).

 

2) h fällt weg: jre, jn.

 

3) unbetontes e ist weggefallen: ich duerff, gieng er, schweer (< schwere), das gering; Canzler (< Cantzeler); ∞ nuetze (Adj.), kuende, bleibet; harnsch > Harnisch, ebenso geharnischt.

 

[ii] II. Konsonanten: d > t, dt Schwert, Stadt; Vorstedte > Vorstete; b > p Heuptman; K > C Cuester; g > ch unzeliche. Doppelkonsonant ist vereinfacht in etliche, thetest (oft), thets, nenet, erhelt (oft), behelt, welt, gewalt, wils, Reisige, bisweilen in oder; ∞ ratten, guetter, mitt, Schweffel. Viele große Anfangsbuchstaben, auch bei Verben.

 

[iii] III. Konjugation: koeme > keme; Umlaut in kuendten, woelten, goennen, ∞ gewuest > gewust, vermuegen > vermoegen.

 

[iv] IV. Wortformen: willen > wille, weltlich > wetlich (kaum Druckfehler, da wetlich auch anderwärts vorkommt, vgl. z. B. Bd. 302, 115, 17), verdammen, beschedigen > bescheidigen; in Deudschen landen > in Deutschenlanden.

 

F (Straßburg) verglichen mit E.

 

[i] I. Vokale: 1) Umlaut e > ae wie in D (außer gegecke), dazu Maerterer, daechte, klärlich; e > a arbeit, Maiestat; a > e, ae Geitzwaenste, lere, weschen; — o > oe bischoeffe, groesser, trooesten, ∞ kost, vom tode, kloster, gehort; u > ü, ue für, fürhanden, Türcken, stürtzen, Nürmberg, dürstig, sünden, jüngst, luegner, rüsten, fueren, betruebt; ∞ duncken (oft), der dunckel, dem brunne, stuck (aber zůrück bleibt), wuster (Adj., so auch E an anderer Stelle), Kuster, Kusterey, kurtzlich (öfter), in kurtz, burger, wurde, schuldig, drucken, Juden, tugent (Pl.), wůlen, schůler; eu > au glaubt, Hauptman, gehaufft; beumlin > bäumlin.

 

2) o > sůn, umbsunst, genummen, frumme, kummen, ∞ forcht; ü > i auffririsch; frunde > freunde; ie und i, ů und u sind ziemlich genau geschieden, weniger ue und ü.

 

3) h ist weggelassen in jre, jm, jnen, weret, vorrede, oren, verreter, mer, Pfarren, Ere, ee, ye, gee; ∞ gehn (= gegen).

 

4) unbetontes e ist selten weggeblieben: thier, ein (una), Georg; geht, steht, verkerte, luegner, ordnung, jeglichs, mißbrauchen; ∞ opfferen, schreien, Ewre, Herren.

 

[ii] II. Konsonanten: d > t, dt wirt, teutsch, stat, schentlich, gekunt, verblente (Partiz.), gelte, undertrucken, Stetten, gelidten, litten, niemandt, gesandt usw.; t > d under; t > th reichthumb, theyl, Rath; g > k junckfraw, gauckeln; C > K Kuster; g > ch er schlecht.

 

Doppelkonsonant ist vereinfacht in oder, weder, wider, hader (nicht immer), Edelman, erhelt, Betler, Pfarher (< Pfarr-), goetlich, seiten,

 

 

 

[Seite 517]

 

herlich, vileicht, es gereet, ∞ kommen, nachkommen, kummen, fromme, frumme, himmel, genommen, nimmer, nemmen, vatter, anbetten, mann (vir), zu hoffe.

 

F zeigt viel weniger große Anfangsbuchstaben als E.

 

[iii] III. Nachsilben: -lickeit > -lichkeit.

 

[iv] IV. Deklination: Umlaut im Plur. geitzwaenst, ∞ tugent.

 

Konjugation: Umlaut fehlt: der laßt, lasset, du lassest; er kom̄et, wurde, gehort; schlegt > schlecht; Umlaut in woellen, woelle, kuente, muegen > moegen.

 

[v] V. Wortformen: yetzt, nun, dann, sonder; Jhesus > Jesus, nachbaur, lare > lere, Pfarrhen > Pfarren; jeglich, undereinander; zuletzt > zuletst, jtzig > jetzig, plaetzlich, lateinisch öfter als in B; foddern > fordern (poscere), verdammen.

 

[vi] VI. jm vergenglichem > vergenglichen.

 

 

 

[Bl. A ij]

Dem Erbarn Fursichtigen Lasaro Spengler, der Stad Nurmberg Syndico, meinem besondern lieben herrn und freunde. 1530

 

 

 

[Seite 517] [Vorbemerkungen]

 

Gnad und fride inn Christo unserm lieben Herrn und trewen  Heilande, Amen.

 

Erbar, fursichtiger lieber herr und freund, Jch hab einen  sermon gefasset an die Prediger, so hin und widder sind, das  sie die leute vermanen, jhre kinder zur schulen zu halten, Und  ist mir unter henden gewachsen und schier ein buch worden, wie wol ich mit  gewallt hab mussen mich auffhalten, das nicht allzu gros wurde, so reich und  vol ist solch Thema, Und wolt ja gern, das er viel nutz schaffet. Hab den  selbigen auch unter ewrem namen lassen aus gehen, keiner ander meinung,  denn das er moecht damit deste mehr ansehens haben, und wo ers werd, auch  bey euch unter ewern burgern gelesen wuerde, Denn ob ich wol achten kan,  das ewre Prediger hierin vleissig gnug sein werden und die sachen (als von  Gott hochbegnadete leute) so kennen und fordern, das sie weder meins vermanens  noch berichts (Gott lob) duerffen, So schadets doch nicht, das viel mit  einander stimmen und dem teuffel deste stercker begegen.

 

 

[ 517, 1 –520, 18 fehlt EF, dafür die unten S. 520, 19 –521, 40 abgedruckte neue Vorrede 4 Gnad —Christo gesperrt A        Christo Jesu D        lieben AII] liebern AI 10 allzu] zů D        würde C ]

 

 

 

[Seite 518]

 

Denn es kan freilich nicht wol feilen, das jnn einer solchen grossen  Stad, unter solchem grossem hauffen burger, der teuffel auch seine kunst nicht  solt versuchen und ettliche anfechten, das sie das wort Gottes und die schulen  verachten, Und sonderlich, weil da ursachen viel sind (nemlich der kauffhandel),  die kinder von der schulen zum dienst des Mammon zu keren, Und  on zweivel seine gedancken da hin richtet: Wenn er zu Nurmberg das wort und  die Schule veracht hette gemacht, so were jhm seines anschlags nicht ein geringes  stueck gelungen, Weil er damit ein exempel hette gestifft, das jnn gantzem  Deudschen lande ein gewaltig ansehen und fur war allen schulen jnn andern  stedten einen harten stos thun wuerde. Denn Nurmberg leucht warlich jnn  gantz Deudsches land wie eine sonne unter mon und sternen, und gar krefftiglich  andere Stedte bewegt, was da selbst jm schwang gehet.

 

Aber Gott sey gelobt und gedanckt, der des teuffels gedancken lange verkomen  hat Und einem Erbarn fursichtigen Rat eingegeben, eine solche feine,  herrliche Schule zu stifften und anzurichten, mit grosser kost und darlegung1,  die aller feinesten leute dazu erwelet und verordent2, das freilich (Jch wil  nicht zu hoch rhumen) vorhin keine hohe schule, wens gleich Paris were, so  wol mit legenten versorget gewesen ist, wie mir das zeugen mussen, so mit  mir auffgezogen sind jnn hohen schulen. Denn ich weis und hab jhre kunst  auch gelernt und kan sie auch noch leider allzu wol, Das mag doch ja ein  herrlich fein Catorthoma3  sein und eine tugent solcher berumbten Stad und  weit beruffen weisen Rat [Bl. A iij] enhlich und ehrlich, dar jnn sie ja Christlich  und reichlich jhr unterthan bedacht und mit allen trewen zu jhrem heil ewiglich  und auch zu nutz und ehren zeitlich gefordert haben, Welch werck Gott auch  gewislich mit reichem segen und gnaden stercken wird, jhe lenger jhe mehr, ob  sich gleich der teuffel eine zeitlang da widder sperren mus, denn er kan ja  nicht lustig dazu sein, das unserm Herrn ein solch fein tabernakel gebawet ist  [Mark. 9, 5] jnn dieser sonnen. Er mus wolcken, nebel und staub zu samen treiben und  allenthalben weren, das solcher glantz ja nicht weit leuchte odder doch ja tunckel  werde, Wie solt er anders thun?

 

Dem nach hoffe ich auch, das die burgerschafft werden solcher jhrer herrn  trew und liebe erkennen und mit anhalten jhrer kinder zur schulen solch werck  helffen redlich stercken, Weil sie sehen, das on jhr kost fur jhr kinder so reichlich  und vleissig gesorgt und alles bestellet ist, Sonderlich so es die prediger weidlich

 

[ 21 und (2.)] vn̄ einē C 22 im Kustos ehnlich A]

 

 

 

[Seite 519]

 

treiben. Denn wo es die selben nicht treiben, da wird der gemeine man  mit gedancken vom Satan angefochten und uberteubet, das er leichtlich da von  fellet und fur andern geschefften ja nicht so kan der sachen nach dencken, was  dran lige, wie gros nutz odder schaden hie sey, als ein prediger thun kan,  darumb mus man auch gedult mit jhnen haben, wo sie nicht verstockt, boese  sind. Denn ich kenne Nurmberg so fern wol, das Gott lob viel feiner, Christlicher  burger hat, die von hertzen gern thun, was sie thun sollen, wo sie es  allein wissen odder jhn gesagt wird, Welchen rhum sie nicht allein bey mir,  sondern auch allenthalben haben.

 

Jst nichts mangels hie zu fuerchten, Denn das etwa ein Goetzer1 odder  goetzen knecht (Jch meine den Mammon), der seinen son von der schul zeucht  und furgibt: “Wenn mein son rechen und lesen kan, so kan er gnug, Man  hat nu deutsche bucher &c..”, da mit ein bose exempel gebe den andern frumen  burgern, dem sie denn unversehens jhres schadens folgen, guter meinung, als  sey es gar wol gethan und muesse also sein, Welchem mangel die prediger  wol raten koennen. Denn es mus eine gemeine und sonderlich eine solche stad  mehr menschen denn kauffleute haben, Auch andere leute, die mehr koennen  denn rechen und deudsche bucher lesen, Deudsche bucher sind furnemlich dem  gemeinen man gemacht, jm hause zu lesen. Aber zu predigen, regiern und  richten, beide jm geistlichem und weltlichem stande, sind wol alle kuenst2 und  sprachen jnn der welt zu wenig, schweige denn die deudsche allein, sonderlich  jtzt zu unser zeit, da man mit mehr und andern leuten zu reden hat denn  mit nachbar Hans. Aber solche Goetzer dencken an das regiern nicht, Mercken  auch nicht, das, wo predigen und regiern nicht were, das sie jhrem Gotzen auch  nicht eine stunde dienen moechten.

 

Wol wil ich gleuben, das unter so vielen leuten ein Goetzer odder etliche  seien, die nichts darnach fragten, ob die lobliche stad Nurmberg ehre odder  schande uberkeme, wenn sie allein jhren pfennig hetten, Aber da muest man  widderumb nach solch- [Bl. A 4]em schedlichen Goetzer auch nicht fragen und jhn  faren lassen mit seinem boesen exempel Und da gegen dencken: So hoher rhum  es ist solcher stad, das ein Erbar Rat so trewlich und redlich thut mit der  schulen, so grosse schande were es widderumb, das die Burger solten solche  trew und wolthat jhrer herrn verachten Und sich da mit teilhafftig machen  des boesen exempels und ergernis, so allen andern Stedten da mit gegeben were,  die darnach sagen thursten: “Ja, so thut man zu Nurmberg, da auch leute sind,  Warumb solten wirs denn besser machen?”

 

Wiltu, Goetzer, nicht bedencken, was Goettlich und ehrlich ist, und allein  auff deinen Goetzen trachten, So wird Gott dennoch leute finden, die es  bedencken, Denn ich hab, Gott lob, etliche viel stedte erfaren, da der Rat

 

 

 

[Seite 520]

 

 nicht wol am wort und schulen gewest, Aber so viel frumer burger funden  sind, die mit teglichem anhalten dennoch den Rat ubermoecht haben, Schulen  und pfarhen anzurichten. So wird, ob Gott wil, zu Nurmberg umb deinen  willen die schande auch nicht aus gehen, das die burger solten deinem exempel  nach die schulen verachten, welche mit solcher grosser trew und kost ein Erbar  Rat stifft und hellt, So es jnn viel geringern stedten die burger gleich mit  verachtung des Rats dennoch zu wegen bringen.

 

Aber wo kome ich hin mit meinem geschwetz, lieber herr und freund?  Jch meine, es sey die art dieser sachen, das man viel da von wasschen musse,  Aber ich wil hie mit unter ewrem namen mit allen ewr Stad burgern also  geschwetzt haben, bitte freundlich, mir das zu gut halten Und, wie jhr on das bis  her und noch gethan, solche sache helffen heben und treiben, Denn ich meine  es ja gut, das weis Gott. Christus unser HERR stercke und halt euch bis  auff jhenen tag, da wir uns, ob Gott wil, frolichen sehen werden jnn einer  andern gestalt, Denn der euch so viel gegeben hat, an seinem werck und wort  zu thun, wie bis her geschehen, der wird auch fort faren und das alles vollenden,  Dem sey lob und danck jnn ewigkeit. AMEN.

 

 

 

Ewr williger Marti. Luther.

 

 

[Bl. A ij] [Matth. 19, 14] Unser lieber Herre Jhesus spricht Matth. 18: ‘Lasst die Kindlin zu  mir komen und wehret In nicht, Denn solcher ist das Himelreich etc.’

 

Das were wol gnug gepredigt zur vorrhede auff ein Buechlin von der  Schule, wenn augen oder ohren da weren, die sehen und hoeren kuenden oder  wolten. Denn hie hoeren wir ja deudlich, das die Kinder, so man zu Christo  bringt oder komen lesst, seien Kinder und Erben im Himelreich, das ist Richter  und Herren uber die welt und jren Gott, den Teuffel und alle jre macht.  Wie selig solt sich nu ein armer mensch duencken lassen, wenn er wirdig fur  Gott moechte erfunden werden, das er einem Kinde moechte forderlich sein und  helffen zu Christo zu komen, Da mueste er ja wissen, wie ein trefflich, koestlich,  Christlich gut werck er daran thete.

 

Nu ists ja gewis: wo man Kinder zur schulen hilfft, zeucht, hellt, auch  dazu gelt und rat gibt, auff das solchs geschehe, Das heisst ja gewislich die  kinder zu Christo gebracht und gefordert. Jch rede ja itzt nicht von Bubenschulen  noch von unzuuechtigen heusern, Sondern von den schulen, da man kinder  auffzeucht in kuensten, zuechten und rechten Gottes dienst, da sie lernen Gott  und sein wort erkennen und hernach Leute werden, tuechtig zu regiern Kirchen,  Land und Leute, Heuser, Kind und Gesinde. Denn man ja kinder nicht in  die Schule thut, das sie sollen unzuechtig, leichtfertig, lose, unnuetze ding lernen,  Sondern Erbarliche, Ernste, Nuetzliche, Zuechtige, Christliche ubung anfahen,

 

[ 9 wasschen] reden D        520, 19 –521, 40 nur in EF]

 

 

 

[Seite 521]

 

 welchs man neben andern auch daran mercken moecht (wenn man nicht wueste,  das an jm selbs so sey), das der Teuffel und die Welt solch werck so hoch  veracht, anficht, sich sperret und hindert, wo er kan, das man greiffen mus,  Es sey ein Goettlich werck, dem der Teuffel und Welt so hefftig feind und  wider ist, dazu die Jugent noch im fleisch verteufft, selbs gar ungeneigt ist  zu studirn und leichtlich davon sich reitzen lesst. Es geschicht auch, das etliche  ubel geraten und hernach schaden thun. Aber das sol darumb niemand von den  Schulen abschrecken: Gottes Creatur allesampt sind dem Misbrauch unterworfen,  [Röm. 8, 20] wie S. Paulus sagt Rom. 8. Umb des Misbrauchs willen mus man Gottes  gu[Bl. A iij]te Creatur nicht verachten. Sonst mueste man alle Engel verachten,  darumb das aus Engeln die Teuffel komen sind, Auch mueste man alle Koenige,  Fuersten, Herrn und Oberkeit verachten, Darumb das Tyrannen, Moerder,  Mordbrenner und die ergesten schelck draus komen sind, Und kein Apostel  muste ehren werd sein, weil Judas der Verrehter aus jnen komen ist, kein  Jungfraw noch frome Fraw mueste in ehren sein, weil alle Huren aus Jungfrawen  herkomen und alle Buben aus fromen Leuten. Es bleibt doch zu letzt  und behelt den platz Gottes gute Creatur, und mus der Misbrauch zuschanden  werden und untergehen.

 

Es ist bis daher von Schulen und Kinder zucht viel geschrieben, das es  auch schier zu viel ist, Aber des thuns ist wenig erfolget und bey wenigen zu  hertzen genomen. Die aber sichs angenomen und dazu gethan haben oder noch  thun werden, Denen wirds Gott reichlich gnug vergelten. Den andern wird  jr lohn auch komen sampt den Papisten, die sich lassen duencken, sie thun Gott  einen dienst dran, das sie Kirchen und Schulen verwuesten, beide Jung und  Alt lassen verterben on Gottes Wort, Zucht und Huelffe. In des wollen sie  den Tuercken fressen und die Ketzer tilgen, so sie selbs vom Teuffel lengst  gefressen und vertilget sind, On das sie damit dem Tuercken und den Ketzern  gnad und huelffe, raum und stercke verdienen fur Gott, das Gott mus den  Tuercken from, die Ketzer heilig und den Teuffel recht achten gegen sie, und  were nicht wunder, das uns umb solcher verzweivelt boeser Leute willen viel  erger gienge weder uns Tuercken und Teuffel thun kuendten.

 

Aber uns Christen lasst dencken und thun, als weren wir Lot in Sodoma  und Daniel zu Babylon, das wir doch helffen, wo wir jmer koennen, die wir  wissen, das wir nicht umbsonst erbeiten, Sondern einem trewen, reichen, lieben  HERRN und Gott dienen, es sey mit thun oder leiden, Der unser nicht vergessen  wil, Sondern an uns grossen gefallen hat, auch zur rechten zeit unsers  hertzen lust und freude an dem Teuffel und seinem hauffen wird sehen lassen,  wenn er komen wird (das Gott wolt bald) zu richten die Lebendigen und  Todten.

 

Dem sey lob und ehre in ewigkeit. AMEN.

 

[ 10 Cretur E (im Kustoden richtig)]

 

 

 

[Seite 522a]

 

 

 

Hs] [Bl. 1a]

 

Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle 1530

[Seite 522a]

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 522b

 

 

 

 

[Bl. 2a] Allen mein̂en lieben herrn̂ vnd freun̂den,

Pfarherrû vn̂d predigern, die Christum mit trewen meinen

Martin̂us LutheR

Gnad vnd friede ynn Christo Jhesu vnserm̄ herrn̄ Mein aller liebsten  herrn vnd freunde, yhr sehet fur augen, wie der leidig Satan itzt  vns zu allen seitten, beide mit gewallt vnd list, manichfeltiglich  angreifft vnd alle Plage an legt, auff das er das heilige Euangelion vnd  reich Gottes verstöre, odder, wo ers nicht verstoren kan, doch ynn alle wege  hindere, vnd wehre, das ia nicht fort gehe, odder vber hand kriege, Vnter  welchen seinen tucken dis fast der grossesten (ists nicht gar das grossest) einer  ist, da er den gemeinen man also beteubet vnd betreuget, das sie yhre kinder  nicht zur schulen hallten noch zur lere zihen wollen, gibt yhn diese schedliche  gedancken ein, weil nicht hoffnūg da ist, der Moncherey, Nonnerey, Pfafferey,

 

[ 1 Komma nach Luther ro 2 unter dem ersten Buchstaben von Schulen roter Strich 3 freun̂den ynn Christo 10 Gottes reich um        doch steht über dennoch 11 ia o 12 einer c aus eines 13 da c aus das 14 zur (2) le        wollen, gib]

 

 

 

[Seite 523a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 523b

 wie bisher gewesen, so durffe man [Bl. 2b] keiner gelerten, noch viel studiern̂s  mehr, Sondern musse trachten, wie man narung vnd reichtumb vberkome.

 

Das mag mir doch ia ein recht meister stuck sein der teufflisschen kunst,,  weil er sihet, das ers bey vnsern zeiten nicht machen noch schaffen kan, wie  er gern wollte, So denckt er dennoch bey vnsern nachkomen sein̂en willen zuhaben,  als die er itzt also fur|[Bl. Bb]vnsern augen zü rustet, das sie nichts lernen  noch wissen sollen, vnd also wenn wir n̂u tod sind, ein n̂acket, blos, wehrlos  volck für sich habe, mit den ers machen müge, wie er will Denn wo die  schrifft vnd künst vntergehet, Was wil da bleiben ynn deudschen landen, denn  ein wuster wilder hauffen Tattern odder Turcken ia villeicht ein sewstall vnd  eine rotte von eitel wilden thieren? Solchs lesst er sie aber itzt nicht sehen  vnd blendet sie meisterlich, auff das, wenn es dahin keme vnd sie durch  erfarung solchs sehen musten, er denn aller klage vnd heulen mochte ynn die  faust lachen als die nu nicht mehr kundten [Bl. 3a] ob sie gern̂ wolten̂ der  sachen̂ raten̂ noch helffen̂, vnd sagen̂ musten̂, Es ist zu lan̂ge geharret vnd  denn gern wolten hundert gulden geben für einen halben gelerten, da sie itzt  nicht zehen gegeben hetten fur zween gantz gelerten

 

 

[ 1 wie —gewesen u 6 zü steht über so zu 7 wehrlos k 11 Solchs c aus V        itzt trug Luther erst am Ende der Zeile am rechten Rande nach, strich es, setzte es dann aber wieder am linken Rande vor die nächste Zeile 13 Nach musten schrieb Luther zuerst: denn zu lange geharret were, vnd aller klage er moc, korrigierte dann als wenn̂s für denn, strich aber schließlich dies alles. 15 noch steht über vnd 16 wolten zehe]

 

 

 

[Seite 524a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 524b

 

¶ Vnd geschehe yhn auch kaum recht Weil sie itzt nicht wollen neeren  noch halten frume ehrliche zuchtige, schulmeister vnd lerer von Gott dar  geboten die yhre kinder, zu Gotts furcht  zucht  kunst lere vnd ehre zihen, mit  grosser erbeit, vleis vnd mühe, dazu mit geringer kost vnd gelt, So sollen sie  dafur kriegen Locaten vnd Bachanten grobe esel vnd tolpel, wie sie vorhin̂  gehabt haben, die yhre kinder mit grosser kost, vnd gellt den noch nichts anders  leren, denn eitel esel sein, Vnd dafur yhre weiber, tochter, megde zu schanden  machen, vnd dazu herrn vber yhr haus vnd gueter seien, wie bis her geschehen  ist, Solchs sol der lohn sein, yhrer grossen schendlichen vndanckbarkeit, darein  sie der teuffel so listiglich furet

 

Weil wir nu sollen widder solche vnd andere bose tücke als die seel  sorger wachen aus pflicht vnsers ampts, mussen wir warlich hie [Bl. 3b] nicht  schlaffen, an welchem so grosse macht ligt, Sondern anregen, vermanen, reitzen̂,  hetzen, mit aller macht, vleis vn̂d sorge, das sich der gemeine man nicht so  iemerlich lasse betriegen vnd verfuren vom teuffel, Darumb sehe, ein iglicher

 

[ 1 wollen leiden        neeren rh 2 halten steht über zihen        ehrliche rh 2/3 von —geboten rh 3 kunst rh        Da das vor kunst am Rande wiederholte Fehlzeichen im Text sowohl hinter furcht als auch hinter zucht steht, ist nicht ganz klar, wo Luther kunst eingefügt haben wollte. 6 anders o 7 eitel o        yhre weiber c aus bey yhren weibern 11 tücke al 12 mussen steht unter Sollen        hie rinn auch 13 an steht über ynn        so so 15 verfuren vom]

 

 

 

[Seite 525a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 525b

 auff sich vnd neme sein̂s ampts war, das er hie nicht schlaffe vnd den teufel  lasse Gott vnd herrn sein Denn wo wir hie schweigen vnd schlaffen, das die  iugent so verseümet vnd vnser nachkomen Tattern odder wilde thier werden,  So wird es vnsers schweigens vnd schnarckens schuld sein, vnd werden mussen  schwere rechenschafft dafur geben

 

Wie wol ich aber weis, das ewr viel, on mein vermanen, vnd auch sonst  besser solchs treiben, denn ichs geben kan̂, Dazu ich auch zuuor an die Ratherrn  ynn Stedten ein sonderlich buchlin dauon hab auslassen gehen, Doch ob  irgent ettliche solchs vergessen, odder meinem exempel nach, vleissiger wolten  anhalten, hab ich diese meine predigt, die ich mehr denn ein mal bey den  vnsern gethan, euch zu komen lassen, damit yhr spuret, das ich [Bl. 4a] ia  auch trewlich mit euch hierinn erbeite, Vnd wir also allenthalben das vnser  thun vnd fur gott vnsers ampts halben entschuldigt seien. Es ligt warlich  itzt an vns, weil wir sehen, das aüch | [Bl. Bija] die, so man die geistlichen heisst,  sich also zür sachen stellen, als wolten sie alle schulen, zucht vnd lere lassen zu  grunde gehen odder auch selbs helffen nidderstürtzen, weil sie yhren mutwillen

 

[ 2 Gott vnd herrn sein steht über meister sein 3 Nach nachkomen fuhr Luther erst fort: verderbt werden, so vnwissend vnd, korrigierte dann: wilde thier odder, strich aber schließlich dies alles. 9 ettliche meins d .. vleisses        odder nicht 13 seien denn was des Bapsts 15 zür sachen rh]

 

 

 

[Seite 526a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 526b

 nicht sollen frey, wie bisher erhallten, welchs auch der teuffel durch sie treibt  Gott helff vn̂s, Amen

 

Ein Sermon odder p̄digt

das man solle kinder zur schulen hallten

Lieben freünde, Weil ich sehe, das sich der gemein man, frembd stellet gegen  die schulen zu erhalten, vnd yhre kin̂der, gantz vnd gar, von der lere  zihen, vnd allein auff die narunge vnd bauchs sorge sich geben, Vnd daneben  nicht wollen odder mugen bedencken welch ein grewlich vnchristlich din̂g sie  damit für nemen̂, vnd wie grossen mordlichen schaden, dem teuffel zu dienst,  sie ynn aller wellt thün, hab ich mir furgenomen [Bl. 4b] diese vermanung  an euch zu thun, ob villeicht noch ettliche leute weren, die noch ein wenig  gleubten, das ein Gott ym himel vnd eine helle fur die vngleubigen bereit  sey (Denn es stellet sich schier alle wellt, als were widder Gott ym himel  noch teuffel ynn der helle.) vnd sich an diese vermanūg kereten, Vnd wil also  erzelen was nutzes vnd schadens ynn diesem stuck sey

 

Erstlich wollen wir den geistlichen odder ewigen nütz vnd schaden für  vns nemen, darnach den zeitlichen odder welltlichen Jch hoffe ia das die

 

[ 3 p̄digt Odd 5 der c aus ... 7 sich richten 10 diese c aus dieser 12 himel sey 13 ym himel rh 14 Luther schrieb erst: ynn der helle, korrigierte dann: zur hellen verdampt und stellte schließlich den alten Text wieder her. 16 odder ewigen rh]

 

 

 

[Seite 527a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 527b

 gleubigen vnd was Christen heissen wil, fast wol wissen, das der geistliche  stan̂d sey von Gott eingesetzt vnd gestifftet nicht mit gold noch silber, sondern  mit dem theüren blüte vnd bittern tode seines ein̂igen sons vnsers herrn̄  Jhesu Christi Denn aus | [Bl. B iija] seinen wunden fliessen, warlich (wie man  vor zeiten auch auff die briefe malete.) die Sacrament vnd hatts warlich theur  erarn̂t das man ynn der gantzen wellt solch ampt hat, zu predigen teüffen  lösen bin̂den, sacrament reichen, trosten warnen vermanen, mit Gottes wort  vnd was mehr zum ampt der seelsorgen gehoret Denn auch solch ampt,  nicht allein hie das zeitlich leben vnd alle welltliche stende foddert vnd halten  hilfft, Son [Bl. 5a] dern das ewige leben gibt vnd vom tode vnd sunden  erloset, welchs denn sein eigentlich furnemlich werck ist, Vnd zwar die wellt  allzumal stehet vnd bleibt, allein vmb dieses standes willen, sonst were sie  lange zu boden gangen

 

 

[ 5 Sacrament der        vnd ist 6 gantzen rh 9 vnd —stende rh]

 

 

 

[Seite 528a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 528b

 

Jch meine aber nicht den itzigen geistlichen stand ynn klostern vnd  stifften mit seinem ehelosen wesen, Denn der selbige ist lengest von seiner  ersten loblichen stifftung gefallen vnd nu nicht mehr denn ein stand zum geld  vnd zinsen gestifftet, durch menschliche weisheit, hat auch nichts geistlichs an  sich, on das sie nicht ehlich sind, des sie auch nicht bedurffen haben wol ein  anders dafur Sonst ists alles eitel eusserlich, zeitlich, vergenglich geprenge  Denn sie achten des worts vnd predigampt nichts, wo aber das wort nicht  gehet. da mus schlechte geistlichkeit sein̂ Sondern den stand meine ich der das  predig ampt vnd dienst des worts vnd der sacrament hat, welchs gibt den  geist, vnd alle seligkeit, die man mit keinem gesenge noch geprenge erlangen  kan, als da ist, das pfarr ampt, Lerer prediger leser priester (die man Capplan  n̂en̂n̂et) küster, Schülmeister, Vnd was zü solchen emptern̂ vnd personen mehr  gehoret Welchen stand, die schrifft warlich hoch rhumet vnd lobet (S. Paulus  nennet sie Gottes haus halter vnd knechte Bisschoue doctores propheten dazu  auch Gottes boten zu versün̂en die wellt mit Gott 2. Cor. 6. Joel nennet  sie, die Heilande, Da [Bl. 5b] uid nennet sie konige vnd fürsten p̄s 67. Haggeus  nennet sie Engele Vnd Malachias 2 spricht, Die lippen des priesters behalten

 

[ 1 itzigen o        stand der 2 ist mit 2/3 lengest —zum rh 5 sind Diesen 6 Sonst ists c aus Das ander ist 7/8 Denn —sein̂ rh 8 stand o 9 worts fur        vnd der sacrament rh 11 Lerer rh        leser rh 14 sie o        knechte S. Petrus dazü aüch 14/15 Bisschoue —auch rh 15 boten zur versünung [?] 17/529,1 Vnd —Zebaoth rh]

 

 

 

[Seite 529a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 529b

 Dar ümb haben die allten solchen stan̂d seer gemidden vnd gescheucht  anzünemen vmb seiner grossen wirde vn̂d hoehe willen, das mā sie hat dazu  müssen zwingen vnd treiben, wiewol hernach vnd bis her viel gewesen sind,  die solchen stand haben gepreiset vmb des messhaltens willen mehr denn vmbs  predigens willen welcher preis vnd rhum bis an̂her gewachsen ist, so hoch, das  sie das priesterlich ampt vnd stand (messe zu opfern) vber Maria vnd Engel  gesetzt haben, weil die Engel vnd Maria nicht sollen mess halten konnen, das  doch ein priester kon̂n̂e, Vnd ist ein herrlich din̂g gewest vmb einen newen  priester vnd erste messe, Vnd selig war die frawe die einen priester getragen  hatte, So doch das wort vnd predig ampt das aller hohest vnd furnemest ist,,  das man nicht so hoch geacht hat Vnd | [Bl. B 4] ynn Summa, Ein priester hat  geheissen, der messe halten kon̂n̂e, ob er gleich nicht ein wort hat wissen zu  predigen vnd ein vngelerter esel gewest ist, Das ist fast der itzige geistliche  stand noch heutigs tages

 

[ 6 hernach —her rh        viel auch 8 willen haben solch r bis do        so gr 9 (messe zu opfern) rh 10 vnd Maria rh        nicht ko 12 war o 17 noch heutigs tages r ]

 

das gesetz, Denn er ist ein engel des HERRN Zebaoth wie sie Christus selbs  nennet nicht allein Matth xi, da er den teuffer Johannem ein̂en en̂gel  nennet, Sondern auch dürchs gantze buch der offenbarung Johannis

 

 

 

[Seite 530a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 530b

 

[Bl. 6a] Jst nü das gewis vnd war, das Gott den geistlichen stand selbst  hat ein̂gesetzt vnd gestifft mit sein̂em eigen blut vnd todte, Jst gut zu rechen,  das er den selbigen wil hoch geehret haben, vnd nicht leiden, das er solle  vntergehen odder auffhoren, Sondern erhalten haben bis an̂ iungsten tag.  Denn es müs ia das Euangelion vnd die Christenheit bleiben bis an iüngsten  tag, wie Christus spricht Matth vlt. Sihe, ich bin bey euch bis an der wellt  ende        Durch wen, sol er aber erhalten werden? ochsen vnd pferde, hunde  vnd sew werdens nicht thun, Holtz vnd steine auch nicht? Es werden wir  menschen thun mussen, Denn es ist ia solch ampt nicht ochsen noch pferden  befolhen, Sondern vns menschen, Wo sol man aber menschen dazu nemen, on  bey denen die kinder haben? Wenn du nicht wilt dein kind dazu zihen,  ihener auch nicht, vnd so fort an, kein̂ Vater noch mütter, sein kind vnserm  Gott hiezu geben, Wo wil denn das geistlich ampt vnd stund bleiben? Die  alten so itzt drinnen sind, werden nicht ewig leben, sondern sterben teglich  dahin̂, Vnd sin̂d kein ander da an yhre stad, Was wird Gott zu letzt dazu  sagen? Meinstu, er werde des ein gefallen [Bl. 6b] haben, das wir sein  gottlich gestifft ampt zu seinem lobe vnd ehren, Vnd zu vnserm heil, so theur  erworben, so schendlich verachten, vnd mit solchem vndanck lassen fallen vnd  vntergehen?

 

[ 3 wil erhalten vnd rh 4 Sondern —haben rh 7 werden? küe        ochsen r 12 kind hie h 13 vnd stand rh 14 drińnen rh        nicht l 15 sin̂d steht über ist        an sei]

 

 

 

[Seite 531a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 531b

 

| [Bl. Ca] Er hat die kinder geben, vnd narüng dazu, nicht darumb, das dü  allein deine lust an yhnen sollt haben odder zur wellt pracht zihen, Es ist dir  ernstlich gepotten, das dü sie solt zihen zü Gottes dienst, odder solt mit kind  vnd allem rein ausgewortzelt werden, das alles verdampt sey, was du an sie legest,  wie das erste gebot sagt. Jch suche heim der Veter missethat an den kindern̂,  bis yn̂s dritte vnd vierde gelied denen, die mich hassen̂, Wo wiltu sie aber  zu Gottes dienst zihen, wenn das predigampt vnd geistlicher stand ligt vnd  gefallen ist? Vnd deińe schüld ist, der du wol hettest jonnen dazu thun vnd  helffen erhalten wo du dein kin̂d hettest lassen lernen, Denn wo du es thun kanst,  vnd dein kind dazu tuchtig ist odder lust hat, Vnd du thust es nicht sondern  hinderst es, horestu es wol? So bistu schuldig an dem schaden, das der geistliche  stand fellet, vnd wedder Gott noch Gottes wort ynn der wellt bleibt,  Denn so viel an dir ist lessestu yhn fallen, vnd weil du ein kind nicht [Bl. 7a]  wilt dazugeben, so thettestu eben auch mit allen, wenn du die wellt vol kinder  hettest, das deinet halben Gottes dienst schlecht zü gründe gehet

 

Vnd hilfft dicht n̂icht, das du sagen woltest, mein nachbar hellt sein̂en  son zur schule, ich darffs nicht &c̄. Denn dein nachbar kan aüch so sagen, Vnd

 

[ 1 die steht über d..        allein rh 8 ist? D 11 der gantze 12 vnd c aus Vnd 14 mit allen o        du die steht über alle]

 

 

 

[Seite 532a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 532b

 so fort an alle nachbarn Wo krieget Gott die weil leüte zu seinem geistlichem  ampt? Du hast die person vnd kanst sie geben, Aber du willts nicht thun,  Dein nachbar auch nicht, Also gehets denn zu boden̂, So viel an euch ist, Weil  du denn lessest dei | [Bl. Cb]nem Gott sein stifft vnd eingesetzt ampt, so hoch vnd  theur erarnt, verwüsten, vnd mit solcher grewlicher vn̂danckbarkeit vntergehen,  so soltu auch widderumb verflucht sein, vnd beide an deinen kindern vnd an  dir selbs, eitel schande vnd iamer erleben, odder doch sonst also geplagt werden,  das du nicht alleine hie auff erden, Sondern aüch dort ewiglich ynn der helle,  sampt yhn verdampt werdest, Das sol dir auch n̂icht feylen, auff das du  lernest, die kinder seień nicht so gantz vnd gar dein, das du Gott n̂ichts  müssest dauon thun Er wil auch recht dran̂ haben, Vnd sie sind auch mehr  sein denn dein̂

 

[Bl. 7b] Vnd das du nicht den̂ckest, Jch spreche dir hiemit zu hart zu,  So wil ich dir beide nutz vnd schaden zum teil fur legen (denn wer kan sie  alle erzelen.) die du thust, das du selbst sagen müssest, du seiest mit allem  recht des teufels eigen, vnd billich zur hellen ewiglich verdampt, wo dü dich  hierinn strefflich findest vnd n̂icht besserst, Widderumb auch dich von hertzen  frewen vnd frolich sein mugest wo dü dich hierin̂n̂ findest, das dü von Gott

 

[ 1 leüte zu seinem rh        geistlichem c aus geistliche 5 grewlicher rh        vntergehen rh 7 erleben steht über ersehen 8 du entwe 13 Jch sage 14 beide rh        nutz c aus nutze 15 sagen solle 17 von hertzen rh 18 mugest ynn Gott]

 

 

 

[Seite 533a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 533b

 dazu er welet bist, mit deinem gut vnd erbeit einen son zü erzihen, der ein  fromer christlicher pfarher, prediger odder Schule meister wird, Vnd damit  Gott selbs erzogen hast ein̂en̂ sonderlichen diener, ia, wie droben gesagt ist,  ein̂en Engel Gottes, einen rechten Bisschoff fur Gott, einen heiland vieler leute,  einen konig vnd fursten ynn Christüs reich vnd ynn Gottes volck einen lerer,  ein liecht der wellt, Vnd wer wil odder kan alle ehre vnd tugent erzelen eines  rechten trewen pfarhers, so er fur Gott hat? Es ist ia kein theurer schatz,  noch edler ding aüff erden vnd ynn diesem leben, denn ein rechter, trewer  pfarher odder prediger

 

Denn rechen du selbs, was nutzes das liebe predig ampt vnd die seel  sorge schaffet Die selbigen [Bl. 8a] schaffet gewislich auch dein son, der solch  ampt trewlich furet, Als, das so viel seelen teglich durch yhn geleret, bekeret,  getaufft vnd zu Christo bracht vnd selig gemacht werden, vn̂d von sunden tod,  helle vnd teuffel erloset, zur ewigen gerechtikeit, zum ewigen leben vnd himel  durch yhn komen, das wol Daniel xij sagt, Das die so andere leren, sollen  leuchten wie der himel vnd die so viele zur gerechtigkeit weisen, sollen sein  wie die sternen ynn ewigkeit Denn weil Gotts wort vnd ampt, wo es recht  gehet mus on vnterlas, grosse din̂g thun, vnd eitel wunder werck treiben, So

 

[ 1 bist, e 2 odder o 5 Christüs ko 6 wil alles g 10 die u 11 schaffet (1.) stand ursprünglich hinter 10 nutzes 12 teglich rh 14 erloset, vnd        ewigen (beidemal) rh 15 leren, wer 16 weisen, wer 17 ampt, on]

 

 

 

[Seite 534a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 534b

 mus dein son auch on vn̂terlas grosse vnd eitel wunder thun fur Gott, Als  todten auff wecken, teuffel aus treiben blinden sehend, tauben horend aussetzigen  rein, stümmen redend, lamen gehen machen, obs nicht leiblich geschicht, so  geschichts doch geistlich ynn der seelen, da es viel grosser ist, Wie Christus  spricht Joh 14 Wer an mich gleubt, der wird die werck thun, die ich thu vnd  noch grossere werck thun Kan solchs ein gleübiger thun gegen einzele personen  Wie viel mehr wird solchs thun ein offentlicher prediger, gegen vnd ynn einem  gan̂tzen haüffen?, Nicht das ers thue, als ein mensch, son̂dern sein̂ ampt, von  Gott dazu geordent, das thuts, vnd das wort Gottes, das er leret Denn er  ist ia das wergzeug da selbest zu

 

[Bl. 8b] Thut er nu solche grosse werck vnd wünder geistlich So folget  daraus, das er sie auch leiblich thut odder yhe ein anfenger vnd vrsach dazu  ist Denn wo her kompts, das die Christen am iungsten tage von den todten  aufferstehen werden, das alle tauben, blinden, lamen, vnd was fur plagen  am leibe gewest sind, müssen ab lassen, vnd yhre leichnam, nicht allein, fein,  hubsch, gesund, sondern auch so helle vnd schon leuchten werden, als die sonnen,  wie Christus spricht? kompts nicht da her, das sie durchs wort Gottes, hie  aüff erden, sind bekeret, gleubig, getaufft vnd Christo eingeleibt? wie Paulus  sagt Ro. 8. das Gott, wird vnsere sterbliche leichnam aufferwecken vmb seines

 

[ 1 fur Gott rh 2 teuffel aus treiben rh 3 stümmen redend rh        gehen, Vnd        machen o 5 Joh 14 rh [14 a d ?] 6 Kan a d c aus kan        gegen einzele personen rh 7 gemein offentlicher rh        prediger, d 9 leret Vnd 10 selbest u 11 grosse o 12/13 odder —ist rh 18 eingeleibt? sind,]

 

 

 

[Seite 535a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 535b

 geists willen, der ynn vns wonet, Wer hilfft nu den menschen, zu solchem  glauben vnd anfang der leiblichen aüfferstehüng, on das predig ampt vnd wort  Gottes, das dein son furet? Jst nu das nicht ein vm messlich, grosser  herrlicher werck vnd wünder denn so er leiblich odder zeitlich todten auffweckte,  widder zu diesem leben, odder blinden, tauben, stummen, aussetzigen hulffe ynn  der wellt vnd ym vergenglichem wesen? wie

 

Wenn du gewis werest, das dein son dieser werck eines, an einem einigen  menschen solte thün, nemlich, das er nur einen blinden [Bl. 9a] solt sehend  machen, einen todten aufferwecken eine seele dem teuffel nemen, einen menschen  aus der hellen erretten, odder welchs der ein̂s were, soltestu nicht billich mit  allen freuden, dein gut dran wogen, das er zu solchem ampt vnd werck mocht  erzogen werden̂? vnd fur | [Bl. Ciija] grossen freuden springen, das du mit deinem  gelt, fur Gott, so ein̂ gros ding hettest gestifft? Denn was sind alle stifft vnd  kloster, wie sie itzt sin̂d vnd ym brauch gehe, mit yhren eigen wercken, gegen  einen solchen pfarher, prediger, odder Schulmeister? Wie wol sie vorzeiten  vnd anfenglich von frumen konigen vnd herrn, all zu mal, zu diesem theuren  werck gestifft sin̂d, das man solche prediger vnd pfar herr drinnen erziehen  sollte, nu aber leider durch den teuffel ynn den iamer geraten, das es mordgruben

 

[ 1 vns ist 3 ein rh        grosser c aus grosses 4 herrlicher c aus herrliches 6 ym o 8 menschen &c.        nur u 9 einen menschen c aus eine seele 12 erzogen vnd gefoddert da hin 16 vnd anfenglich rh 18 durch den teuffel rh        es schandheuser raübschlosser diesbslocher]

 

 

 

[Seite 536a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 536b

 vnd eitel vorburge der hellen worden sind zum verderben vnd schaden  der Christen̂heit

 

Nu sihe, dein̂ son thut solcher werck nicht eins allein, Sondern viel, ia  alle sampt, dazu teglich, Vnd das das aller beste ist, fur Gott thut er sie,  der selbige sihet sie dafur an, vnd hellt sie so theur vnd hoch, wie gesagt ist,  obs gleich die menschen nicht erken̂n̂en noch achten Ja wenn yhn die wellt  gleich einen ketzer, verfurer [Bl. 9b] lugener, auffrurer, schilt, das ist, so viel  deste besser, vnd ein gut zeichen, das er ein rechtschaffener man̂ ist. vnd seinem  herren Christo enhlich Muste doch Christus selbs auch ein auffrürisscher, morder,  verfurer sein, vnd also mit den mordern gerichtet vnd gecreutzigt werden Was  lege mir daran wenn ich ein prediger were das mich die wellt einen teuffel  hiesse, wenn ich weis, das mich Gott sein̂en Engel heist? Die wellt heisse  mich einen verfürer wie lange sie wil Jnn des heisst mich Gott sein̂en trewen  diener vnd hausknecht, die Engel heissen mich yhren gesellen, die heiligen heissen  mich yhren bruder, die gleubigen, heissen mich yhren | [Bl. Ciijb] Vater, Die elenden  seelen, heissen mich yhren heiland, die vnwissenden heissen mich yhr liecht, Vnd  Gott spricht, Ja dazü Es sey also, die Engel auch sampt allen Creaturn, Ey  wie hubsch hatt mich denn die wellt sampt dem teuffel geteusscht mit yhrem

 

[ 4 das (1.) noch 6 wenn sie        die wellt u 8 gut rh 8/9 vnd (2.) —enhlich rh 9 selbs o 11 wenn —were rh 12 heist? Vnd das        Die c aus die 13 verfürer Danck habe sie,        wie — wil rh 17 dazü o 18 sampt dem c aus vnd der]

 

 

 

[Seite 537a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 537b

 lestern vnd schmehen? Ey wie gros hat sie an mir gewonnen? Wie grossen  schaden hat sie mir gethan? die liebe trawte

 

Das ist nu gesagt von den wercken vnd wündern, die dein̂ son thut gegen  die seelen von sunden, tod vnd teuffel zu helffen Vber das thut er auch  gegen der wellt eitel grosse mechtige werck, nemlich, das er alle stende berichtet  vnd vnter weiset, wie sie eusserlich ynn [Bl. 10a] yhren amptern vnd stenden  sich halten sollen, damit sie fur Gott recht thun, kan die betrubten trosten,  rat geben, bose sachen schlichten, yrrige gewissen entrichten, friede helffen halten,  Sunen, vertragen vnd der werck on zal viel vnd teglich, Denn ein prediger  bestettigt sterckt vnd hilfft erhallten alle oberkeit, allen zeitlichen friede steüret  den auffrurischen,, leret gehorsam, sitten, zucht vnd ehre, Vnterricht Vater  ampt, mutter ampt, kinder ampt, knecht ampt vnd summa, alle welltliche  empter vnd stende, Das sind wol die gerin̂gsten guten werck eines pfarhers,  noch sind sie so hoch vnd eddel, das sie noch nie kein̂e Weisen vnter allen  heiden erkant noch verstanden, viel weniger zuthun vermocht haben, auch noch  nicht, kein Jurist, kein hohe schule, stifft noch kloster solche werck weis, vnd  weder ym geistlichen noch welltlichen recht, gelert werden, Denn da ist niemand,

 

[ 2 trawte n̂errin 4 seelen ge        von — helffen rh        auch o 7 die betrubten rh 10 bestettigt vnd        allen — friede rh 11 sitten o        vnd o 13 Das c aus das        guten rh 14 Weisen c aus weisen 15 weniger thun 16 solche werck o]

 

 

 

[Seite 538a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 538b

 der solche welltliche ampt, Gottes grosse gaben odder gn̂edige ordnūg heissen,  Sondern das wort Gotts vnd predig ampt allein̂e preiset vnd ehret sie  so hoch

 

¶ Darumb, so man die warheit sagen wil, Der zeitlich friede der das  grosseste gut auff erden ist, darinn auch alle andere zeitliche guter begriffen  sind, ist eigentlich eine frücht des rechten predig ampts Denn wo dasselbige  gehet, bleibt der krieg [Bl. 10b] hadder vnd blutvergiessen wol nach, Wo es  aber nicht recht gehet da ists auch nicht wunder, das da krieg sey odder yhe  stettige vnruge vnd lust vnd willen zu kriegen vnd blut zu vergiessen wie wir  itzt sehen das die Sophisten nichts anders, denn blut schreien vnd feur speyen  końńen, Vergiessen der vnschuldigen Pfaffen blut vmb der ehe willen, So doch  der Bapst vnd yhr eigen geistlich recht selbst wenn sie solche ehe hoch straffen  so setzen sie die Pfaffen vom Priester ampt, lassen sie aber bey leib vnd gut  vnd bey Christlichen ehren bleiben viel weniger verdamnen sie dieselbigen zur  hellen, halten sie auch fur keine ketzer, wie das mussen alle Juristen vnd alle

 

[ 1 der ve        grosse rh        gn̂edige rh        heissen mag 2 das eddele r 6 des Wo fur 7 krieg vnd        vnd blutvergiessen o 9 vnd (1.) c aus? 10 Sophisten steht über Papisten 11 Vergiessen c aus? 12 yhr eigen o        selbst o        solche ehe rh 13 die Pfaffen steht über sie 14 sie dieselbigen steht über yhr s]

 

 

 

[Seite 539a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 539b

 wellt zeugen vnd auff dem Reichstage zu Nurmberg auch gesetzt ist Aber die  blinden bluthunde haben sich vom predig ampt ynn die lugen ergeben, dar  umb konnen sie auch das morden nicht lassen wie der teuffel yhr Gott auch  thut .Joh. 8. der von anfang ein lugener vnd morder ist gewest, vnd bleibt

 

Das heisst nu menschen an leib vnd seel an gut vnd ehre gedien̂et von  einem rechten pfarher, Vber das, Sihe nu, wie er Gott dienet, vnd was fur  herrliche opffer vnd Gotts dienst er vbet. Denn durch sein ampt vnd wort  wird erhalten, das reich Gottes, ynn der welt, die ehre, der name, vnd rhum  Gottes, die recht erkentnis Gottes, der recht glaube vnd verstand Christi, die  frucht des leidens vnd [Bl. 11a] bluts vnd sterbens Christi, die gaben werck,  vnd krafft des heiligen geists, der recht selige brauch der tauffe vnd sacrament,  die rechtschaffen reine | [Bl. C 4b] lere des Euangelii, die rechte weise den leib zu zuchtigen  vnd creutzigen Vnd der gleichen viel Vnd wer kundte dieser itzt gesagten  stucke eines ymer mehr gnugsam preisen? Vnd was ist dauon noch zu sagen?  wie viel er damit thut, das er widder den teuffel, wellt weisheit und fleischlichen  dunckel, so viel streit erhellt, so viel sieg dauon bringet so viel yrthum

 

[ 1 vnd —ist rh 2 blinden rh        vom predig ampt rh 3 yhr Gott rh 7 vnd (2.) wort rh 8 der name o 9 glaube vnd rh 10 werck o 13 Vnd (1.) — viel rh 14 mehr erzelen schweige denn rh        ist — sagen? steht über solt man dazu noch finden]

 

 

 

[Seite 540a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 540b

 nidderschlegt, so viel ketzereyen weret, Denn er mus widder der hellen pforten  streiten vnd kempffen, vnd dem teuffel abgewinnen, Vnd thuts auch, nicht er,  sondern sein ampt und wort, Das sind alles vnzelige vnd vnaussprechliche  werck vnd wunder des predig ampts. Sum̄a, wenn man Gott selbs ausloben  wird, so wird man sein wort vnd p̄digampt auch ausloben Denn es ist  Gottes ampt vnd wort,

 

Wenn du nu gleich ein konig werest, so soltestu doch dich nicht werd  lassen duncken Das du deinen son mit allem deinem gut dran gewagt zu  solchem ampt vnd werck, geben vnd ziehen mochtest Jst nicht hie dein pfennig  odder erbeit so du an solchen son wendest, alzu hoch, geehret allzu herrlich  gesegenet, allzu kostlich angelegt vnd besser denn kein konigreich noch keiserthum  ist fur Gottes augen gerechen̂t?, Auff den knien sollt ein̂er [Bl. 11b] solchen  pfennig an der wellt ende tragen, wenn er wuste, das er sollte daselbs, so  herrlich vnd theur angelegt werden. Vnd sihe, du hassts ynn deinem hause  vnd ynn deinem schos, daran du es so herrlich kanst anlegen, pfu vnd aber

 

[ 4/6 Sum̄a, — wort, nachgetragen 6 wort, das 8 gewagt steht über gewogen 9 soltest mochtest rh 11 konigreich noch rh 12 ein̂er hadder wol nach Wo es nicht recht [o] gehet, da ist auch nicht wunder [rh] das krieg da sey odder yhe stetige vnruge vnd willen zu kriegen wie wir itzt sehen die papisten das sie [das sie rh] nichts anders, denn blut schreien [rh] vnd feur speyen — Luther fuhr, nachdem er Bl. 10a vollgeschrieben hatte, versehentlich, unter Überschlagung der zwei nächsten Seiten, auf Bl. 11b fort, strich das Geschriebene, nachdem er seinen Jrrtum bemerkt hatte, und fing auf Bl. 10b noch einmal von frischem an. 14 werden kündte o 15 pfu c aus pfur]

 

 

 

[Seite 541a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 541b

 pfu vnd widder pfur vnser blinden vnd schendlichen vndanckbarkeit, das wir  nicht sehen | wie trefflich schonen Gottes dienst thun, ia welche grosse herrn  wir sein kundten, fur Gott mit geringem thun dazu mit vnserm eigen gelt  vnd gut

 

Die Sophisten schelten vns, das wir Lutherisschen nicht gute werck leren,  Ja es sind feine gesellen, Sie verstehen sich nicht vbel aüff gute werck, Sind  diese obgen̂an̂te stücke nicht güte werck? Was sind aller stifft vn̂d kloster  werck gegen diese herrliche wunder? Es ist ein dolen vnd raben gegecke.  Vnd noch nicht so gut als das gecken der dolen, Den̂n̂ die selben gecken doch  mit liebe vnd lust, Sie aber heulen yhr gegeck mit vnlust, wie Vhü vnd nacht  eulen Hat man nu vorhin gros, von den ersten messen vnd newen priestern,  gehalten, Vnd ist Vater vnd mutter sampt allen freunden frolich gewesen,  das sie einen son zum [Bl. 12a] mussigen, faulen, vnnützem messpfaffen, odder  fresspfaffen haben erzogen, der Gott mit seinem lesterlichen messopffern vnd  verlorn̂em gebet. geschendet. Vnd die wellt mit vnzuchtigem leben geergert  vnd geschunden hat wie viel hoher soltestu dich hie frewen, wenn du ein̂en̂

 

[ 2 wie — ia rh 3 geringem thun c aus geringen sachen        eigen c aus eigenthum 5 Die Sophisten schelten steht über Man schilt        wir steht über die 7 werck? on was noch hienach folgen wird 8 vnd raben rh 10 yhr gegeck rh 11 man rh 13 sie u        faulen o 16 vnd geschunden hat rh]

 

 

 

[Seite 542a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 542b

 son zu dieser ampt einem erzogen hettest? Da du gewis bist, das er Gott  so herrlich dienet, den menschen so reichlich hilfft vnd den teuffel so ritterlich  schlegt? Da hastu ia dein kind, Gotte recht vnd fein geopffert, das dich die  engel selbs fur ein schoenes wunder ansehen müssen.

 

Widderumb auch solltu wissen, was du fur schaden thust, wo du hierinn  das widder spiel thust, Denn so dir Gott ein kind gegeben hat, tüchtig vnd |  [Bl. Db] geschickt zu solchem ampt vnd dǔ zeuchsts nicht dazu, Sihest, allein̂ auff  den bauch vnd zeitliche narung, So nim fur dich, das register droben gestellet,  vnd durchlauff dasselbige ynn seinen angezeigten guten wercken vnd wundern,  so wirstu sehen vnd finden, welch ein froemlin vnd kreütlin du bist Denn so  viel an dir ist, so entzeuchstu Gott ein̂en Engel, einen diener, einen konig vnd  fursten ynn seinem reich Einen heiland vnd troster der menschen an leib  vnd seel an gut vnd ehre, Einen heubtman̂ [Bl. 12b] vnd ritter widder den  teuffel, damit du einreumest dem teuffel vnd forderst yhm sein reich, also,  das er die seelen ynn sunden, tod, hellen, behellt, vnd viel mehr hin ein  teglich bringt. vnd allenthalben obligt, die wellt ynn ketzerey yrthum, vnfriede,  krieg vnd hadder bleibt vnd teglich erger wird Dazu Gottes reich, Christlicher

 

[ 1 dieser c aus diesem 4 selbs rh 5 hierinn blind odder t 9 dasselbige c aus dasselbigen 14 yhm o 15 ein c aus nein 16 ketzerey rh 17 teglich c aus tegliche]

 

 

 

[Seite 543a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 543b

 glaube, die frucht des leidens vnd bluts Christi, das werck des heiligen  geists, das Euangelion vnd aller Gottes dienst vntergehet, vnd alle teuffels  dienst vnd misglauben vberhand nimpt welchs alles hette mugen nach bleiben  vnd verhindert dazu auch gebessert werden, wo dein kind dazu gezogen vnd  komen were

 

Wie willtu bestehen? wenn dich Gott am tod bette, odder iungsten  gericht hie mit wird ansprechen vnd sagen, Jch bin hungerig, dürstig, gast,  nacket, kranck, gefangen gewest, vnd du hast mir nicht gedienet, Denn was  du den leuten auff erden vnd meinem reich odder Euangelio nicht gethan  hast, Sonderst hast es helffen vnter drucken die seelen lassen verderben, das  hastu mir selbs gethan, Denn du hettest wol helffen konnen, Jch hatte dir  auch kind vnd güt dazu gegeben, Aber du hast mutwilliglich mich vnd mein  reich vnd alle seelen lassen not leiden vnd verschmachten, da mit dem teuffel  vnd seinem reich, mir vnd meinem reich zu widder gedienet, der sey auch nu  dein lohn, far mit yhm hin ynn der hellen abgrund, Mein himelreich [Bl. 13a]  vnd erdreich hastu nicht helffen bawen vnd bessern, sondern zerstoren vnd  schwechen, Dem teuffel aber hastu seine helle helffen bawen vnd mehren. So  wone auch nu ynn dem hause, das du dir gebawest hast &c..

 

[ 1 des — bluts rh 2 geists, da. 2/3 vnd (2.) — nimpt rh 3 welchs will 4 verhindert werden 4/5 dazu — were nachgetragen 6/7 odder — gericht rh 7 gast rh 12 mutwilliglich rh 14 gedienet rh 15 Mein steht unter das 16 vnd bessern o        zerstoren die helle 16/17 vnd schwechen rh 18 nu drinnen, das du d]

 

 

 

[Seite 544a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 544b

 

¶ Wie meinstu? ob dich hie nicht vberfallen werden plotzlich nicht allein  tropffen, sondern eitel wolckbrueche mit sunden, der du itzt nichts achtest vnd  sicher dahin gehest, als thettestu gar wol, das du dein kind nicht zur lere  zeuchst Aber als denn wirstu mussen sagen, das du billich ynn abgrund der  hellen verdampt seiest als der ergesten, schedlichsten, menschen einer, so auff  erden gelebt haben, Vnd zwar, wenn du es auch itzt ym leben woltest  bedencken, mustestu warlich für dir selbs erschrecken, Denn es vermag kein  gewissen ertragen, wo es an der obgenanten stucken einem sich schuldig findet,  Wie viel weniger kans ertragen, so solche stucke alle sampt plotzlich, daher  fallen, die nicht zu zelen sind das dein hertz denn schreien mus deiner sunde  seien mehr denn laub vnd gras Dazu grosser denn himel vnd erden, vnd  wirst mit Manasse dem konige Juda sagen Meiner sunde ist mehr denn des |  sands | [Bl. D ijb] am meer, vnd meine missethat ist gros &c̄. Denn das sagt auch  das naturlich recht Wer schaden verhueten kan vnd thuts nicht, Der ist auch  selbschuldig an solchem schaden, als der gewislich lust vnd willen dazu hat, vnd  thetts selber, wo er vrsachen odder gelegenheit dazu hette [Bl. 13b] Darumb  sind solche leute gewislich eben so gut als der teüfel selbs weil sie beide Gott

 

[ 1 dich rh        nicht (1.) d        plotzlich o        allein o 4 zeuchst Denn aber 8 es steht über sichs        der st 10/12 deiner —wirst rh 11 denn (2.) Berg vnd mehr 12 mit steht über wie 14/15 selbschuldig am]

 

 

 

[Seite 545a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 545b

 vnd der wellt so feind sin̂d, das sie beyde das himelreich vnd erdreich helffen  verderben vnd dem teuffel so trewlich dienen. Vnd summa. Wenn man den  teuffel gnug schelten kan, So kan man solche leute auch gnug schelten die  solche werck vnd ampt Gottes hindern. Denn sie sind des teuffels diener.

 

Hie mit wil ich nicht darauff gedrungen haben das ein iglicher sein  kind musse zu solchem ampt ziehen, Denn es mussen nicht alle knaben, pfar  her prediger schulmeister &c. werden [Lücke] sonderlich der armen leute kinder Denn  dazu sind aller stifft vnd kloster, pfreunden vnd zinsen verordent Wie wol  daneben dennoch auch die andern knaben, ob sie nicht so wol geschickt weren,  auch sollten lernen, zum wenigsten latin verstehen schreiben vnd lesen, Denn  man darff nicht allein hochgelarte doctores vnd magister ynn der schrifft,

 

[ 1 das (2.) steht über sein 2 vnd yhr le 2/4 Vnd —diener nachgetragen 6 mussen viel mehr leute 6/7 pfar her o 7 Nach werden fuhr Luther zuerst fort: Sondern, das man sehe, welcher knabe da zu geschickt vnd tuchtig ist, das man denselbigen aus sondere vnd dazu halte, Welchs auch wol sollte die oberkeit thun, fügte dann nach halte am linken Rande ein: vnd ia nicht hindere odder dauon halte, strich dann dies alles und schrieb dafür auf den rechten Rand: Man mus auch mehr leute auff erden haben vnd ist gut zu wissen das grosser herrn kinder vnd erben hie zu nicht zu brauchen sind, Sondern, strich dann auch dies und verwies durch ÷÷÷ auf einen Zettel, der verloren gegangen ist.        sonderlich mit 10 lesen, auff d]

 

 

 

[Seite 546a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 546b

 man mus auch gemeine pfarhern haben, die das Euangelion vnd Catechismus  treiben, ym iun̂gen vnd groben volck, teuffen vnd sacrament reichen &c. ob sie  nicht zum streit widder die ketzer tugen, da ligt nicht macht an, Man mus  zum guten gebew nicht allein werckstuck, sondern auch fulle stein haben So  mus man auch kuster vnd ander p̱son haben, die da dienen vnd helffen zum  predig ampt vnd wort Gottes

 

[Bl. 14a] Vnd wenn schon ein solcher knabe, so latin gelernt hat, darnach  ein handwerg lernt vnd burger wird, hat man denselbigen ym vorrat,  ob man sein ettwa zum pfarher odder sonst zum wort brauchen muste,  Schadet yhm auch solche lere nichts zur narung, kan sein haus deste bas  regiern vnd ist vber das zugericht vnd bereit, zum predig ampt odder pfarr  ampt, wo man sein bedarff Vnd sonderlich zu unsern zeiten. ists ia leicht  solche personen zu erzihen, die das Euangelion vnd den Catechismus lernen  mugen, weil itzt nicht allein die heilige schrifft, sondern auch allerley künst  reichlich am tage ist, mit so viel buchern lesen predigen (.Gott lob.) das man  ynn dreyen iaren, mehr kan lernen, denn vor hin ynn zwentzigen das auch

 

[ 1 haben o 2 ym —&c. rh 5 da helffen        dienen vnd helffen u 7 hat, ein burger 9 zum wort rh 10 auch o 12 wo — bedarff rh 13 solche rh 14 allein allerley k 15 buchern vnd guten meistern r]

 

 

 

[Seite 547a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 547b

 weiber vnd kinder aus den deudschen buchern vnd predigen itzt mehr | [Bl. D iijb]  konnen (ich sage die warheit) von Gott vnd Christo, denn vorhin, alle hoheschulen,  stifft, kloster, das gantz Bapstum vnd alle wellt gekund habeń, [Bl. 14b] Aber  Latin̂sch mussen die gemein̂en pfarher vnd prediger kon̂n̂en vnd mugen des  nicht emperen So wenig als die gelerten des Griechisschen vnd Ebreischen  emperen sollen, wie S. Aügüstin̂us spricht, vnd das geistlich recht selbs setzt

 

Ja sprichstu, Wie wen̂n̂ es vbel gerett, das mein son ein ketzer, odder  sońst ein bube wird Denn die gelerten heisst man̂ die verkereten &c̄., Wolan,  das muste wogen Dein̂ vleis vnd erbeit ist darumb nicht verloren, Gott  wird dennoch ansehen deinen trewen dienst, vnd dafur rechen, als were es  gleich wol angelegt. Müstu doch wogen, wie er gerate ynn allen andern  sachen, wo zu du yhn ziehen wilt Wie giengs dem lieben Abraham dem  sein son Ismael auch nicht geriet, Isaac, sein son Esau auch nicht, Adam  sein son Cain auch nicht? Solte Abraham dar umb haben abgelassen, seinen  son Isaac, vnd Isaac seinen son Jacob, Vnd Adam seinen son Habel, zu  Gottes dienst zu zihen? Wie viel sind boser konige vnd leute gewest ynn

 

[ 1 itzt rh 3 habeń, Aber Latinsch mus man haben vnd kan̂s nicht emperen, vmb vieler vrsachen willen, Ja des Griechisschen vnd Ebreischen auch nicht an den — dazu am Rande: an den pfarherrn vnd lerern 8 wird steht über wurde        Denn c aus denn 9 vleis vnd rh 11 angelegt Du solts auch nicht besser haben 11/12 Müstu —wilt rh 13 nicht (2.), Jacob, 13/14 Adam —nicht? rh 15 vnd Jaco]

 

 

 

[Seite 548a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 548b

 dem heiligen ausserweleten volck Jsrael, die mit ketzereien vnd abgottereyen  all vngluck anrichten vnd alle propheten erwurgten, Solten drumb die Priester  Leüi das gantze volck haben lassen faren vnd niemand mehr zum Gottes dienst  zihen? Wie viel waren boser priester vnd Leuiten vnter dem stam Leui, den  Gott selbs zum priester ampt erwelet hatte? Wie viel hatt Gott leute auff  erden, die aller seiner guete vnd Crea[Bl. 15a]tur missebraüchen? Solt er  darümb seine guete lassen, vnd kein̂em men̂schen leben lassen odder auffhoren  wolzüthun?

 

Aüch das dü n̂icht zu seer sorgest, wo dein son erneeret werde, wen̂n̂  er sich auff die lere gibt vnd zu solchem Gottlichen ampt vnd dien̂st, So hat  dich Gott auch nicht hierinn gelassen noch vergessen auff das du ia nicht  sorgen noch klagen sollest, Er hat verheissen durch .S. Paulus .1. Cor 9 Wer  dem Euangelio dienet, sol vom Euangelio erneeret werden Vnd Christus selbs  Matt. X. Ein erbeiter ist seins lohns werd, Esset vnd trinckt, was sie haben  Jm alten testamen̂t, auff das sein predig ampt nicht vntergienge erwelet er  vnd nam das gantze geschlecht Leui nemlich das zwelfft teil des gantzen volcks  Jsrael, vnd gab yhn den zehenden vom gantzen volck, daruber die ersten  fruchte, allerley opffer, eigen stedte, vorstedte, ecker, wisen, vieh vnd was dazu

 

[ 2 Solten c aus Solte        drumb Gott 2/3 die Priester Leüi rh 4/5 Wie —hatte rh 10 Gottlichen rh 11 noch vergessen rh 14 haben steht über euch geben 15 /16 erwelet er vnd rh 16 nam dazu rh        gantze c aus gantz        nemlich o        volcks dazu 18 eigen heu[ser]]

 

 

 

[Seite 549a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 549b

 gehoret, Jm newen testament sihe zu, wie reichlich vorzeiten keiser, konige,  fursten, vnd herrn gegeben haben zu solchem ampt, das itzt die stifft vnd  kloester ynne haben vnd damit konige vnd fursten vbertreffen, Er wird vnd  kan nicht lassen, die yhm trewlich dienen Er hat sich zu hoch versprochen  vnd gesagt, Ebre. 13. Jch wil dich nicht lassen noch verseumen

 

[Bl. 15b] Auch so rechen du selbs, wie viel pfarhen vnd predig stuele,  Schulen, kustereien furhanden sind die noch itzt das mehrer teil gnugsam versorget  sind, vnd teglich ledig werden. Was sind das anders denn kuchen vnd  keller von Gott bestellet deinem son, das er seine narung schon hat zubereit  ehe er sie brauchet vnd dazu nicht erwerben darff? Da ich ein Junger student  war, horet ich sagen das ym furstenthum zusachen (ist mir recht) bey achtzehen  hundert pfarhen weren̂, Wo das war ist, vnd auff ein igliche pfarhe  gehoren züm wenigsten zwo person nemlich Ein pfarher vnd kuster, ausgenomen  was ynn Stedten prediger Caplan helffer Schulmeister vnd Collaboranten  sind das allein ynn solch furstenthum bey den vier tausent gelerter

 

[ 2 Nach die fuhr Luther erst fort: bisschoue, dann: pfaffen vnd munche, strich schließlich aber beides 2/3 stifft vnd kloester rh 3 damit o 4 hoch verheissen 7 furhanden sind rh 10 brauchet c aus brauchen k[an] 12 hundert rh 13 nemlich o 13/14 ausgenomen Stedte die 14 prediger —helffer rh 15 solch c aus solchen]

 

 

 

[Seite 550a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 550b

 person gehoren der teglich ynn zehen iaren wol das dritte teil absterben Nu  wolt ich wetten, ob ynn halben deudschem lande, itzt vier tausent schuler  weren, Nu ich setze, das kaum acht hundert pfarhen ynn dem furstenthum  sind wie viel wil der wol ym gantzen deudschen lan̂de sein? Jch wil gern  sehen, wo man vber drey iar wolle pfarher, Schulmeister, kuster nemen?  Werden wir hie nicht zu thun vnd sonderlich die fursten dran sein, das beide  knaben Schulen vnd hohen schulen recht angericht werden̂, So wird ein solcher  mangel an person̂en werden, das man wird drey [Bl. 16a] odder vier stedte  einem pfarher, vnd zehen dorffer einem Capplan befelhen mussen kan man  sie dennoch auch noch haben

 

Da ligen die hohen Schulen Erfford, leiptzig | [Bl. Ea] vnd ander mehr wust  so wol als die knaben schulen hin vnd wider, das iamer zu sehen ist Vnd  fast allein das gerin̂ge Wittemberg mus itzt das beste thun, Vnd solchen  mangel werden ia die stifft vnd kloster auch (acht ich) fulen, solten sie ein  gut iar haben, Sie werdens ia nicht so hoch hinaus singen wie sie es  angefangen haben weren sie noch so kraus, odder sollen die personen mussen

 

[ 1 gehoren rh 6 das die 6/7 beide knaben rh 9 mussen rh 11 wust rh 14 die gotzen 15 werdens ia steht über sollens]

 

 

 

[Seite 551a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 551b

 leiden vnd anbeten ynn yhren Capiteln von denen sie sich vorhin nicht gern  hetten lassen ansehen, Darumb las nur getrost lernen dein kind, Es wird an  leuten ehe mangeln denn an gutern Villeicht, wo die wellt lenger stehet  vnd Gott gnade gibt, das die fursten vnd Stedte dazu thun mügen der stifft  vnd kloster guter, auch widder zu solchem brauch komen, dazu sie gestifft sind  Vnd was darffs viel sorgens fur den bauch? da stehet Christus vnd spricht  Matthei. 5. Sorget nicht, was yhr essen vnd trincken werden, Ewr himlisscher  Vater weis wol. das yhr solchs bedurffet Sucht zum ersten das reich Gottes  vnd seine gerechtigkeit, so sol euch das alles, zu komen, Wer dem nicht gleubt,  der sorge ymer hin vnd sterbe hungers [Bl. 16b] dazu

 

Wie wol es war ist, das ettliche iar her, viel pfarher grossen hünger  gelidden vnd noch leiden Das mus man schuld geben, dem paroxysmo ynn  der welt, das die leute so bose, vndanckbar vnd geitzig sind, Vnd dazu das  Euangelion verfolgen, damit vns Gott versucht ob wir recht schaffen sind,  Vnd nicht anders zu rechen ist, Denn als sey es vmb die zeit der merterer,  da die frumen lerer auch grosse | [Bl. Eb] not vnd armut liden wie Paulus selbs

 

[ 1 anbeten D        ynn —Capiteln rh        vorhin h        gern o 2 wird an        an steht über vor 4 vnd Stedte rh 5 auch ettliche        sind 11 her, die 15 vmb rh 16 da must]

 

 

 

[Seite 552a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 552b

 rhumet vnd Christus auch verkundigt Matt. 9. Wenn der breutgam von  yhn genomen wird, denn werden sie fasten Das ist die recht Euangelissche  fasten Es ist aüch selten Gotts wort auffgangen Es ist ein theüre zeit  mit komen, als zu Abraham, Isaac, Jacob, Josseph, Elias, Eliseus zeiten  waren graüsame theurung neben so grossem liecht der warheit, Vnd ym  anfang des Euangelij war eine grosse theurung durch die gantze wellt Act. XI.  Das mus denn des lieben Euangelii vnd Gottes wort schuld sein vnd nicht  der wellt vorigen missethat vnd gegen wertiger verstockter vndanckbarkeit, Also  gaben die Juden alle yhren iamer schuld der lere Jeremie Jere. 44. Vnd  die Romer, da sie von den Gotten wurden verstoret, wustens auch niemand  schuld zu geben denn das sie Christen worden weren, Da widder S. Aug, ein  gros buch geschrieben hat, De ciuitate Dej

 

[Bl. 17a] Aber las wasschen wer do wesscht Die welt ist wellt, Wie  ihene zu lugenern worden vnd vntergangen sind, So sollen diese auch zu  lugenern werden vnd vergehen, das dennoch Christus vnd sein wort bleibe,  Er sitzt wol so fest vnd hoch, wie geschrieben stehet, Der HERR sprach zu  meinem herrn Setze dich zu meiner rechten, Da sitzt er, Wer lust dazu hat

 

[ 3 aüch o 6 war o        grosse o 7 vnd Gottes wort rh 9 gaben steht über legten 10 wurden o 14 lugenern s]

 

 

 

[Seite 553a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 553b

 vnd bose ist, der reiss yhr herunter, So lange aber er da sitzen bleibt, wollen  wir auch bleiben, Was gillts? Vnd ynn summa, Es mag leicht dein kind,  so viel narung vom predig ampt haben, als von einem hand werck Es were  denn sache, das du nach grossem gut trachtest, aus deinem son einen grossen  herr̄n̄ zu machen fur der wellt, wie die Bisschoue vnd thumherrn sind, Bistu  des gesin̂n̂et, so gehet dich diese rede nicht an, Jch rede itzt mit den gleubigen,  die das predig ampt ehren vnd hoch achten vber allen reichtum als nehest  Gott selber, den hohesten schatz den menschen gegeben, das sie wissen, wie  grossen dienst sie Gott daran thun konnen vnd sollen, Vnd als, die da lieber  wollen dieses wercks teilhafftig sein auch mit gerin̂gem gut. Denn der wellt  guter haben vnd dieses emperen, Die selbigen werden wol erkennen, das die  seele mehr ist denn der bauch Vnd der bauch leicht mag gnug haben vnd doch  das vbrige hinder sich lassen musse, Aber [Bl. 17b] die reichtüm süchen, die  werden alle yhr gut mit sich n̂emen̂, vnd n̂ichts hindersich lassen, Wie kans  yhn feylen? Das sey zu einem teil dieses Sermons eilend vnd kurtzlich  angezeigt vom geistlichen nutz vnd schaden, so man hat aus der Schülen  erhaltung vnd verachtung

 

 

[ 3 narung rh 6 Jch s 7 vber —reichtum rh 8 hohesten c aus hohest 9 die da steht über das sie 11 vnd sein        dieses rh 13 das ande 15/16 eilend —angezeigt rh]

 

 

 

[Seite 554a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 554b

 

¶ Das an̂der teil sol sein̂ vom zeitlichen odder welltlichen nütz vnd  schaden̂, Vnd zum ersten ists wol war, das die welltliche oberkeit odder ampt,  gar ynn kein̂em weg, zuuergleichen ist dem geistlichen predigampt, wie es  S. Paulus nennet, Denn es ist nicht so theür vnd hoch erarn̂t, durch das  blut vnd sterben des sons Gottes, wie das predig ampt, So kans auch nicht  solche grosse wunder vnd werck thun, wie das predig ampt Denn alle werck  dieses standes gehen vnd gehoren allein̂ ynn dis zeitlich vergen̂glich leben, zu  erhalten, leib, weib, kind, haus gut vnd ehre vn̂d was zu dieses lebens not  durfft gehoret, So viel nu das ewige leben vbertrifft das zeitliche leben, so  weit vnd hoch gehet auch das predig ampt vber welltliche ampt das ist, gleich,  wie ein schatten̂ gegen̂ dem corper selbs, Denn welltliche herrschafft ist ein  bilde, schatten vnd figur der herrschafft Christi, Denn das p̄dig ampt, (wo es  ist, wie es Gott geordent hat.) bringt vnd gibt ewige gerechtigkeit [Bl. 18a]  ewigen fride vnd ewiges leben wie S Paulus solchs hoch preiset .2. Cor 4.  Aber das welltlich regiment erhellt zeitlichen vnd vergenglichen friede recht  vnd leben̂

 

Aber dennoch ists eine herrlich Gottliche ordnüng vnd eine treffliche  gabe Gottes, der es auch gestifft und eingesetzt hat, vnd auch wil erhalten  haben, als des man aller ding nicht emperen kan̂, Vnd wo es nicht were

 

[ 1 Das Absatzzeichen mit roter Tinte geschrieben und Das —zeitlichen rot unterstrichen 5 Gottes, sondern schlecht 8 haus ehre 11 welltliche c aus welltlicher 13 hat gibt 14 ewigen fride rh]

 

 

 

[Seite 555a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 555b

 kundte kein mensch fur dem an | [Bl. Eiija] dern bleiben Es muste einer den andern  fressen, wie die vnuernunfftigen thier vnternander thun, Darumb, gleich wie  des predigampts werck vnd ehre ist das es aus sundern eitel heiligen, aus todten  lebendige, aus verdampten seligen, aus teuffels diener, Gottes kinder macht.  Also ist des welltlichen regiments werck vnd ehre, das es aus wilden thieren,  menschen macht vnd men̂schen erhellt, das sie nicht wilde thiere werden Es  erhellt einem iglichen seinen leib, das den nicht iederman erwurgen musse, Es  erhellt iglichem sein weib, das nicht yderman das selbige nemen vnd schenden  musse, Es erhellt iglichem sein kind tochter vnd son, das yhm dasselbig nicht  yeder [Bl. 18b] man entfuren, noch entwenden musse, Es erhellt iglichem, sein  haus vnd hoff, Das nicht ein yederman hinein brechen, noch drin̂ńen freueln  musse, Es erhellt iglichem sein acker, vihe vnd allerley guter, das dieselbigen,  nicht ein yderman angreiffen, stelen, rauben, beschedigen musse, Welchs alles  vnter den thieren nicht ist Vnd wurde auch vnter den menschen nicht sein,  wo welltlich regiment nicht were, Sondern wurden gewislich aus menschen  eitel thiere werden Mein̂stu n̂icht, wenn die vogel vnd thiere reden kondten,  vnd das welltliche regiment vn̂ter den menschen sehen solten, Sie wurden  sagen, O yhr lieben menschen, yhr seid nicht men̂schen son̂dern eitel Gotter

 

[ 2 wie (2.) .. 6 vnd erhe        wilde rh        Es ehe 7 einem steht über einigem iglichen zu erst r 8 selbige c aus selbigen 14 den (1.) wilden 15/16 Sondern —werden rh 18 lieben rh]

 

 

 

[Seite 556a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 556b

 gegen vns, wie gar sicher sitzt, lebt vnd habt yhr alle ding, Wir aber so  gar keins fur dem andern eine stunde sicher ist, weder lebens, haüses noch  narung, Wehe ewr vndanckbarkeit, das yhr nicht se | [Bl. Eiijb] het, wie | ein  herrlich leben eüch vnser aller Gott fur vn̂s thieren gegeben hat.

 

Weil denn nu das gewis ist, das es ein Gottliche Creatur vnd ordnūg,  dazu vns menschen ynn diesem leben, ein notiges ampt vnd stand ist, des  wir eben so wenig emperen̂ konnen als des lebens selber, Sintemal, on dasselbige  ampt das leben nicht bleiben kan, So ists leicht zu [Bl. 19a] rechen,  das Gott nicht darumb befolhen vnd gestifft hat, das es solle vntergehen,  Sondern wils erhalten haben wie Paulus Ro. 13. vnd 1 Pe. 3. klerlich  stehet, das sie sollen die frumen schutzen vnd die bosen straffen̂ Wer wills nu  erhalten, on wir menschen den es Gott befolhen hat vnd die sein auch selbs  warlich durffen? Die wilden thier werdens nicht thun, Holtz, vnd steine  auch nicht, Welche menschen aber konnens erhalten̂? fur war nicht allein̂ die  mit der faust herrschen wollen, wie itzt viel sich lassen duncken, Denn wo die  faust allein sol regieren, So wird gewislich zu letzt, ein thier wesen draus,  das wer den andern vbermag, stosse yhn ynn den sack, wie wir fur augen  wol exempel gnüg sehen, was faust on weisheit odder vernunfft gutts schafft

 

[ 1 wie s        Wir aber steht über Und wie 2 noch esse 10 haben Wer wie 12 selbs o 18 on —vernunfft steht über on recht]

 

 

 

[Seite 557a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 557b

 

Darumb sagt auch Salomon p̱uerb 8. das Weisheit musse regieren vnd  nicht die gewalt, vnd spricht von derselbigen also Mein ist beide rat vnd  hulffe, Mein ist beid verstand vnd vermugen, Durch mich mussen konige konige  sein, vnd Rethe recht setzen Vnd Eccs ix Weisheit ist besser denn harnsch  odder woffen Vnd aber mal, Weisheit ist besser denn krafft [Bl. 19b] Dis alles  beweiset alle erfarung ynn allen historien das nie kein mal, gewallt on vernunfft  odder weisheit hette ettwas ausgericht Also gar, das auch die morder  vnd tyrannen wo sie nicht kluglich faren vnd ettliche recht rat vnd gesetze  vnter sich vnd fur sich nemen, obs sie gleich bose sind, dar n̂ach sie die faust  vnd yhr gewallt richten vnd brauchen, so konnen sie nicht bleiben sondern  werden vnterander vnein̂s vnd vergehen von sich selbs. Das kurtz vmb nicht  faustrecht, sondern kopffrecht, nicht gewalt, sondern Weisheit odder vernunfft  mus regieren vnter den bosen so wol als vnter den guten

 

Dem n̂ach, weil vnser regiment ynn deudschen lan̂den̂, nach dem Romischen  keiserlichen recht sich richten mus vnd sol, Welchs auch vnsers regiments  Weisheit vnd vernunfft ist, von Gott gegeben, So folget, das solch regiment  nicht kan erhalten werden, sondern, müs zü grun̂d gehen wo man solche recht

 

[ 1 Weisheit nicht 2 beide o 3 beid rh 5 krafft steht unter gewallt 6 beweiset c aus weiset 7 odder weisheit rh 8 rat o        gesetze wie bose sie sind o 9 obs —sind rh 11 nicht rh 16 von —gegeben rh]

 

 

 

[Seite 558a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 558b

 n̂icht erhellt Nu wer wills erhalten? faüst vnd harn̂sch thuns nicht, Es  müssen die koepffe vnd bücher thun Es mus gelernt vnd gewust sein, was  vnsers welltlichen reichs Recht vnd Weisheit ist Wie wol es fein ist, wo  ein keiser, furst herr selbst von natur so weise vnd klug ist, das er das recht  auswendig treffen kan wis [Bl. 20a] hertzog Fridrich zu Sachsen, Vnd Er  Fabian von Feylitz (die ich erfaren habe) kundten, (die lebendigen wil ich  nicht nennen) Aber weil solche | vogel | [Bl. E 4b] seltzam | sind, Vnd dazu das  exempel ferlich, auch vmb der andern willen, die solchs von natur nicht vermugen,  ists besser, ynn stettigem regiern das gemein buchrecht halten, so hats  deste mehr ansehen vnd glimpff vnd darff keines wunders noch sonders,

 

So sind nu die Jüristen vnd gelerten ynn diesem welltlichen reich die  Personen, so solch recht vn̂d da durch das welltlich reich erhalten, Vn̂d gleich  wie ein frumer Theologus vnd rechtschaffen̂er prediger ynn Chr9 reich Gottes  En̂gel ein heiland prophet priester hausknecht vnd lerer heisst (wie droben  gesagt) Also mocht man einen frummen Juristen vnd einen trewen gelerten  ym welltlichen reich, wol des keisers prophet, priester, Engel vnd heiland

 

[ 1 erhalten?        die 7 nach seltzam roter Trennungsstrich 9 stettigem h 13 prediger fur Gott 14 ein heiland prophet rh        priester steht über diener        vnd o lerer ist o        heisst rh        furnemlicher r 15 mocht man einen steht über ist ein frummen Juristen c aus frummer Jurist        vnd steht über Vnd        einen trewen gelerten c aus ein trewer gelerter        gelerten ein 16 wol rh        über keisers steht nochmals wohl keisers, Engel, hausknecht, priester, prophet, lerer dazu ein fürer vnd herr        prophet Rat]

 

 

 

[Seite 559a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 559b

 heissen Widderumb Wie ein ketzer odder falscher prediger, ym reich Christi ein  teuffel, dieb, morder, lesterer ist, Also ist ein̂ falscher vntrewer Jurist yns  keisers hause odder reich ein dieb vnd schalck ein verrether, bosewicht vnd des  gantzen reichs teuffel, Wenn ich aber von den Juristen sage, meine ich nicht  allein die [Bl. 20b] Doctores, sondern das gantze handwerck, als Cantzler,  schreiber, Richter, fursprechen, Notarius vnd was zum rechte des regiments  gehoret Auch die grossen Hansen, so man, die Rethe zu hofe nennet, Denn  sie vben auch das werck der rechten odder ampt der Juristen, Vnd wie das  wort Rethe, nicht weit vom wort Verether ist, So ist dersselbigen auch viel  nicht weit von der that, Raten zu weilen yhren herr̄n̄ mit solchen trewen,  das sie kein verrheter so wol Verrhaten kün̂dte

 

| [Bl. Fa] Nu sihestu, was nutz ein frumer rechtskundiger odder Jurist thün  kan, Ja, wer wills odder kans alles erzelen? Denn was Gottes werck vnd  ordnung ist, das schafft ymer dar, so viel vnd grosser frucht, das sie nicht  zur zelen noch zu begreiffen sind, Erstlich Erhellt er vnd hilfft foddern mit  seinem buch (durch Gottlich ordnūg.) das gantz welltlich regiment (keiser,

 

[ 1 Widderumb ein 3 ein —schalck rh 6 rechte des rh        regiments c aus regiment 7 nennet c aur nennen 11 kün̂dte c aus kün̂dten 13 alles rh 15 Erstlich schützt sein ampt odder das recht deinen leib fur allen bosen leuten, feinden, es seien nachbar, gesinde odder feinde, Wer wolt allein das einige werck gnug preisen, De 15/16 mit —ordnūg) rh 16 regiment wie v]

 

 

 

[Seite 560a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 560b

 fursten, herrn, Stedt, land vnd leute (Wie droben gesagt) Denn solche alle  mussen durch weisheit vnd recht erhalten werden, Wer wil aber dis werck  allein gnug preisen? Daraus hastu denn, Schutz vnd schirm deines leibes  vnd lebens, widder nachbar [Bl. 21a] fein̂de, morder, Dar nach schutz vnd friede  deines weibs, tochter, sons, haüs, hof, gesind gelt, gut, acker, vnd was du  hast, Denn das ist alles ym recht verfasset, bemauret vnd wol gehegt, Wie  gros das alles sey, kund man mit kein̂en buchern nimer mehr aus schreiben  Denn wer wil aus sprechen, Was der Liebe fride für ein vnaussprechlich gut  ist? Wie viel er ein iar allein, beide gibt vnd ersparet?

 

Solche grosse werck kan nu dein̂ son alle thun vnd solch ein nützliche  person̂ werden, wo du yhn dazu heltest, vnd lernen lesst, Vnd du desselbigen  alles teilhafftig kan̂st werden, Vnd dein gellt also kostlich anlegen, Solt dirs  nicht sanfft thun vnd ein̂ grosse ehre sein? wenn du sehest, deinen son, ein̂en  en̂gel ym reich vnd einen Apostel des keisers dazü einen eckstein vnd grundfest,  des zeitlichen frides aüff erden? Vnd solch alles gewis, das es Gott selbs  da | [Bl. Fb] fur helt vnd ynn der warheit also ist? Denn wie wol | man durch  solche werck fur Gott nicht frum noch selig wird, So ist doch das ein frolicher

 

[ 4 friede steht über schirm 5 tochter vnd kind        sons steht über sone 9 ersparet? da ein 12 anlegen, Dü gibst warlich deinem herrn, schos vnd zin̂se 13 du we 14 einen (1.) c aus ein        einen (2.) ruckha 16 helt c aus hielte        ist steht über were]

 

 

 

[Seite 561a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 561b

 trost, das Gotte solche werck so wol gefallen,, Vnd noch mehr gefallen,  wo ein solcher man dazu auch ein [Bl. 21b] gleubiger vnd ynn Christus reich  ist, Denn damit danckt man yhm fur seine wolthat vnd opffert, das schonest  danckopffer, den hohesten Gotts dienst.

 

Du mustest ia ein grober vndanckbarer klotz vnd billich von den menschen  vnter die thiere zu iagen sein, wenn du sehest, das dein son kundte ein man  werden, der dem keiser sein reich schwert vnd kroneń erhalten hulffe, dem  fursten sein land regieren, Stedten vnd landen raten vnd helffen, So manchem  man seinen leib, sein weib, kin̂d, gut vnd ehre helffen schutzen, vnd n̂icht  woltest, so viel dran wogen, das er lernen vnd hie zu komen mocht. Sage  mir, was thun alle stifft vnd kloster der gleichen? Jch wolt eines trewen  frumen Juristen vnd schreibers werck nemen fur aller pfaffen munch vnd  nonnen heiligkeit, wo sie am besten sind, Vnd wenn dich solche grosse gute  werck nicht bewegen, solt dich doch wol allein Gottes ehre vnd wolgefallen  bewegen, da du weisst, das du Gott damit so herrlich danckest vnd einen  solchen grossen dienst thust, wie gesagt ist Es ist ye eine schendliche verachtung  Gottes, das man solche herrliche Gottliche werck vnsern kindern nicht gonnen  vnd stecken sie allein ynn des Bauchs vnd geitzs dienst, lassen sie nichts

 

[ 5 klotz sein 7 schwert rh 9 man sein w 13 heiligkeit        nemen dich nichts 13/14 solche —nicht rh 14 wol allein o 15 damit —vnd rh 17 herrliche Gottliche rh ]

 

 

 

[Seite 562a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 562b

 lern̂en̂, denn narung suchen gleich wie eine sew mit der nasen ymer ym kot  wulen, vnd nicht zihen zü solchem wirdigen [Bl. 22a] stand vnd wesen. Wir  werden gewislich vnsinnig sein mussen odder haben vnser kinder nicht recht lieb

 

Hore aber weiter zu, Wie? Wenns Gott von dir haben wil vnd foddert  dein kind zu solchem ampt?, Denn du bist ia schuldig dein̂em Gott solchen  stand helffen zurhalten, wo du kanst Nu kan er nicht erhalten werden, wo  man knaben nicht zur lere vnd zün schulen hellt, das hat ia keinen zweiuel  Vnd darff wol ynn diesem stande geschickter leute, denn ym predigampt, das  hie not sein wil, die besten knaben her zu halten, Denn ym predig ampt,  thuts Christus fast gar, durch seinen geist, Aber ynn weltlichem reich, müs  man aus der vernūfft (daher die rechte auch komen sind) handeln Denn Gott  hat der vernunfft vnterworffen solch zeitlich regiment vnd leiblich wesen̂ Gen̄ 2  Vnd nicht den heiligen geist vom himel dazu gesand, dar umb ists auch  schwerer, weil es die gewissen nicht regieren kan, vnd mus, so zu rechen, ym  finstern handeln,

 

Hastu nu ein kind das zur lere tüchtig, vnd kanst yhn dazu halten,  Thusts aber nicht, Gehest hin vnd fragest nicht dar nach, wo welltlich reich

 

[ 1/2 gleich wie —wulen u        mit der nasen stand ursprünglich hinter wulen 2 zü steht über so 12 leiblich rh        wesen vber he        Gen̄ 2 rh 16 ein o 17 Gehest —vnd rh]

 

 

 

[Seite 563a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 563b

 bleibe beide mit recht vnd friede, &c.. So thustu so viel [Bl. 22b] an dir ist,  widder welltliche oberkeit, wie der Turcke ia wie der teuffel selbs, Denn du  entzeuchst dem reich, fürstenthüm, land, Stad, einen heiland trost, eckstein,,  helffer vnd retter, Vnd deinethalben verleuret | der keiser, beide schwert vnd  kronen̄ das land ver | leuret, schutz vnd friden, Vnd du bist der man, durch  des schuld (so viel an dir ist,) kein man sein, leib, weib, kind, haus, hoff  guter sicher haben muege, Sondern du opfferst sie alle frey dahin auff die  fleisch banck, Vnd gibst vrsach, das aus allen menschen eitel thier werden,  vnd fresse zu letzt eins das ander, Solchs alles thustu gewislich, sonderlich,  wo du wissentlich dein kind von solchem heilsamen stand vmb des bauchs  willen zeuchst Bistu nü nicht ein feiner nutzer man ynn der wellt, der du  brauchest teglich, des reichs vnd seines frieden, vnd du widderumb zu danck,  raubest dem selben deinen son vnd steckest yhn ynn den geitz vnd strebst damit  darnach mit allem vleis, das niemand sey der das reich recht und friede helffe  erhalten, Sondern alles zu boden gehe, So du doch selbs, dein leib vnd leben,  gut vnd ehre durch solch regiment hast vnd beheltest

 

Was meinestu, das du hie mit verdienest? Bistu auch werd, das du  bey menschen wonen [Bl. 23a] sollest? Was wird Gott aber dazu sagen, der

 

[ 1 thustu eben 10 wissentlich wol solchs thust, sol 11 nü o 13 dem selben rh 14 reich vnd den f 15 zu tage        So steht über dauon 16 ehre hast von solche]

 

 

 

[Seite 564a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 564b

 dir kind vnd gut dazu geben hat, das du solt yhm da mit dienen vnd dein  kind zu Gotts dienst halten? Jsts aber nicht Gott gedienet, So man seine  ordnūg vnd welltlich regiment hilfft erhalten? Nu lesst du solchen dienst,  als gienge er dich nicht an, odder als werestu fur allen menschen frey vnd  nicht schuldig Gott zu dienen, Sondern mit deinem kind vnd gut zu machen  was dir gefellet, Es falle Gott beyde mit welltlichem vnd geistlichem reich ynn  abgrund, | [Bl. F iija] wilt gleichwol teglich des reichs, schutz, friede, vnd rechts  brauchen, vnd das Predig ampt vnd Gottes wort, dir bereit haben vnd dienen  lassen, das also Gott dein diener musse sein gar vmb sonst, beide mit Predig  ampt vnd welltlichem stande, auff das du on sorge mogest dein kind die weil  von yhm wenden vnd allein dem Mammon dienen leren, meinstu nicht, Got  werde deinem geitz vnd bauch sorge ein benedicite sprechen ein mal, das du  beide mit kind vnd mit allem hie vnd dort verderbest Lieber, erschrickt dein  hertz nicht fur solchen grewlichen grewel, deiner abgotterey, gotts verachtung,  vndanckbarkeit, verstorunge, aller beider Gottes stifft vnd ordnūg, ia aller  menschen schaden vnd verderbung? Wolan, ich wil dirs gesagt, vnd dich

 

[ 1 dienen ? 2 halten? Du 4 fur allen menschen rh 6 vnd geistlichem rh 7 vnd o 8 haben steht über sei 10 stande o        die weil rh 11 allein rh        dienen lassen 11/13 meinstu —verderbest rh 13 dort vnte]

 

 

 

[Seite 565a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 565b

 gewarnet haben, Sich du zǔ du horest, beide nutz vnd schaden, den du thun  kanst, Thu welchs du willt, So wird dirs Gott wol vergelten

 

[Bl. 23b] Jch wil hie schweigen, wie eine feine lust es ist, das ein man  gelert ist, ob er gleich kein ampt nimer mehr hette, das er daheimen bey sich  selbs allerley lesen, mit gelerten leuten reden vnd vmbgehen, ynn frembden  landen reisen vnd handeln kan, Denn was solcher lüst ist, bewegt villeicht  wenig leute, Aber weil du denn ia den mam̄on vnd narung so fast süchest.  So sihe, doch hie, wie viel vnd grosse güter Gott auff die schulen vnd gelerten  gestifft hat, das du die lare vnd kün̂st, nicht von des armuts wegen darffst  verachten, Da sihe, keiser und konige mussen Cantzeler, vnd schreiber, Rethe  Juristen vnd ge | [Bl. Fiijb] lerten haben, Kein furst ist er mus Cantzeler, Juristen,  Rethe gelerte vnd schreiber haben, Also auch alle grauen, herr̄n̄, Stedte, schlosser  mussen Sindicos stat schreiber vnd sonst gelerte haben Jst doch kein eddel  man, er mus einen schreiber haben, Vnd das ich von gemeinen gelerten auch  sage, Wo sind noch die bergwerck, kauffleute, hantierer, zele doch, wie viele  sind, konige, fursten grauen herrn Stedte, vnd flecken &c̄. Wo wil man vber  drey iar doch gelerte, leute nemen so alle bereit, hin vnd widder der mangel  an fehet? Jch halt warlich, konige mussen Juristen, fursten mussen Cantzler  graüen vnd herrn mussen schreiber, Burgermeister mussen kuster werden

 

[ 5 allerley c aus alles        vmbgehen c aus vmgehen        ynn steht über mit 7 du rh 8 Gott rh 9 du darumb        von des steht über vmb des 10 verachten, Vnd 11 Juristen rh        mus Juristen 13 mussen —haben rh 14/15 Vnd —sage rh]

 

 

 

[Seite 566a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 566b

 

[Bl. 24a] Thut man hie zu nicht anders bey zeit, So mussen wir  Tattern vnd Turcken werden, odder wird widderumb ein vngelerter Locat  odder Baccchan̂t ein Doctor vnd Rat zu hofe werden Darumb halt ich das  nie kein besser zeit gewesen sey zu studiern denn itzt, nicht allein des halben,  das die kunst itzt so reichlich vnd wol feil fur handen ist. Sondern auch,  das gros gut vnd ehre folgen mus, Vnd die so zu dieser zeit studiern, werden  theure leute sein, da sich noch vmb einen gelerten zween fursten vnd drey  stedt reissen werden, Denn du sihest ia vber dich odder vmb dich, so findestu,  das vnzelige empter auff die gelerten warten ehe noch zehen iar verlauffen,  vnd doch wenig sind, die darzu gezogen werden, Vnd ist nicht allein solch  gros gut auff solche schulen vnd schuler von Gott bestellet, Jst dazu auch  ein ehrlich Gottlich gut, Denn es wird verdienet, durch gottlichen ehrlichen  stand, mit vielen herrlichen guten nutzlichen wercken, die Gott gefallen vnd  sein dienst heissen Dagegen der geitz wanst sein gut mit verachten (sinds nicht  auch Gottlose vnd sundliche werck) vnd mit feindseligen wercken erwirbt, darinn  er kein frolich gewissen haben auch nicht sagen kan, das es Gotte gedienet heisse  Nu wolt ich ia lieber zehen gulden ver dienen mit eym werck, das Gotts

 

[ 1 zu o 2 vngelerter rh 4 sey zun 7 noch rh 8 du sihest ia steh über sihe doch        odder steht über vnd 8/9 so findestu, das vnzelige steht über wie viel stuel vnd 9 ehe —verlauffen rh 10 doch o        die daz        werden̂, das macht der solch rh 12 ein erh 13/14 die —heissen rh]

 

 

 

[Seite 567a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 567b

 dienst hiesse, denn [Bl. 24b] tausent gulden mit eym werck, das nicht Gottes  dienst hiesse, sondern allein mein eigen nutz vnd Mammon were

 

Vber solchs ehrlich güt haben sie auch ehre Denn Cantzeler Stadschreiber,  Juristen vnd das volck ynn seinen ampten, mus mit oben an sitzen, helffen  raten vnd regieren, wie droben gsagt ist, vnd sie sind mit der that die herrn  auff erden, obs sie es wol der Person, geburt vnd stands halben nicht sind,  Den̂n̂ Daniel spricht Er habe des konigs werck mussen thun Vnd ist auch  war, Ein Cantzler mus keiserlich, konigliche, furstliche werck odder geschefft  ausrichten Ein Stadschreiber mus des Rats vnd der Stad werck thun, Vnd  das alles mit Gott vnd mit ehren, da zu Gott segen, gluck vnd heil gibt  Vnd was ist ein keiser, konig, furst, selbs, wenn sie nicht kriegen sondern mit  dem recht regiern Denn eitel schreiber odder Juristen̂, so man nach dem werck  dauon redet?, Denn sie gehen ia mit dem recht vmb welchs ist ein Jurisstisch  vnd schreiberisch werck Vnd wer regirt lan̂d vnd leute, wenn friede vnd  nicht krieg ist? Thuns die reissigen odder feld heubtleute? | Jch meine ia es  thu die schreibfedder, Was macht nu ynndes, der geitz wanst, mit seinem  māmon? der zu solchen ehren nicht komet [Bl. 25a] vnd beschmutzt sich die weil,  mit seinem rostfressigem gelde?

 

[ 1 denn hun 2 allein rh 3 Stadschreiber, vnd 11/12 sondern —regiern rh 12 so du        man das we 14 werck Was macht die 15 feld rh]

 

 

 

[Seite 568a]

 

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 568b

 

Also rhumet der keiser Justinianüs selbs oportet maiestatem imp̱atoriam,  non solum armis decoratam, sed et legibus armatā esse, Keyserliche maiestet  (spricht er,) mues nicht allein mit harnsch odder woffen gezieret sondern auch  mit rechten geharnscht odder gerustet sein, Da sihe, wie ebenteurlich verkeret  dieser keiser seine wort, das er die rechte nennet, seinen harnsch vnd woffen,,  vnd die woffen, nennet er seinen schmuck vnd zierde, wil seine schreiber auch  zu kurisscher vnd krieger machen, Vnd ist warlich fein geredt, Denn die recht  sind auch warlich der rechte harnsch vnd woffen, die land vnd leute, ia das  reich vnd welltlich regiment erhalten, vnd schirmen, wie droben gnugsam  erzelet ist, das weisheit besser sey denn macht, Vnd sind auch die frumen  Juristen die rechten1 [.....] keiser vnd fursten bew [.....]  auch aus den poeten vn [.....] aber es wird zü la [.....]  das ein armer m [.....] ne weisheit err [.....]

 

Nicht das [.....] [Bl. 25b] reissigen,, vnd was zum streit  gehoret, wolle abgebrochen veracht odder verworffen haben, Sie helffen auch (wo |  [Bl. Ga] sie gehorsam sind.) friede vnd alles schutzen mit der faust Ein iglichs

 

[ 2 esse, r 3 mit w 7 kurisscher c aus kurisschen 10 ist o        die Jur 11 die o 15 abgebrochen o 16 faust ver]

 

 

 

[Seite 569a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 569b

 hat seine ehre von Gott so wol, als seine ordenūg vnd werck. Jch mus aber  mein handwerg auch ein mal preisen, weil mir die nachbarn, so vbel geraten  sind, vnd so veracht wil werden gleich wie auch. S. Paulus sein ampt ymer  dar preiset, das ettliche meinen er thu zu viel, vnd sey hoffertig, Wer die  faust vnd kriegs leut loben vnd ehren wil, der findet gnug, damit sie zu loben  sind, So hab ichs auch ynn andern buchlin (hoff ich) redlich vnd weydlich  gethan Denn es gefallen mir die Juristen vnd schreiberlin̂ge auch nichts,  die sich also loben, das sie andere stende verachten odder spotten, als weren  sie es alleine, vnd tüchte sonst nieman̂d ynn der wellt denn sie, wie die  schurlin̂ge bis her auch gethan sampt dem gātzen bapstum Man sol alle  stende vnd werck Gotts auffs hohest loben, als man ymer kan, vnd keins vmb  der andern willen verachten, Denn es stehet geschrieben Confessio & magnificentia  opus ei9, Was Gott macht das ist hubsch vnd fein vnd aber mal.  ps ciiij, Gott gefallen seine werck wol Vnd sonderlich [.....] leuten,  vnd Schul [.....] Elter den kindern, solche [.....] einbilden,  das sie wol [.....] empter Gottes heissen [.....] d,

 

[ 1 Gott vnd seine we        aber steht über itzt 2 Unter mal steht wenig 3 vnd —werden rh        ampt offt 5 vnd ehren o 7 Juristen vnd o 8 das —spotten rh 9 vnd steht über als 9/10 wie —bapstum rh 15 vnd kna 16 heissen steht über sind]

 

 

 

[Seite 570a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 570b

 Wenn sie es denn [.....] chten, spotten noch [.....] sampt  ehren [.....] gefellt Gott wol [Bl. 26a] vnd dienet zu fride  vnd einigkeit, Denn Gott ist ein grosser herr, hat mancherley hausgesinde

 

Widderumb findet man auch ettliche Scharrhansen, die sich lassen duncken,  der name Schreiber sey kaum werd, das sie yhn nennen odder horen sollen,  Wolan, da kere dich nicht an, dencke also, die guten gesellen mussen auch  ettwa eine kurtzweile vnd lust haben. So lass doch diese lust sein, Du bleibst  dennoch wol ein schreiber fur Gott vnd der wellt, wenn sie lange scharren,  so sihestu dennoch das sie die fedder auffs aller hohest dagegen ehren, setzen  sie oben aüff hut vnd hellm, als solten sie mit der that bekennen, das die  fedder sey das oberst ynn der wellt, on welche, sie auch nicht gerust zum streit  noch ym friden daher gehen kün̂dten, viel weniger so sicher scharren, Denn  sie mussen auch, des frides brauchen, den des keisers prediger vnd lerer die  Juristen leren vnd erhalten, Darumb so sihestu, das sie vnsers handwergs  zeug die lieben fedder zu oberst setzen, (vnd billich) da sie yhrs hand wergks  zeug, das schwert vmb die lenden gurten da hen̂gets auch fein vnd wol zu

 

[ 3 hausgesinde, vnd keines nicht vnehrlich von yhm 7 doch o        lust o 9 dagegen c aus dagen 10 oben rh        die st 11 gerust steht über gepu 12 noch ym steht über da mit        daher o 13 prediger steht über Apostel        vnd lerer steht über vnd Engel 13/14 die Juristen stand ursprünglich hinter den        lerer prediger vnd 15 (vnd billich) rh 16 vmb steht über auff]

 

 

 

[Seite 571a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 571b

 yhrem werck Auff den kopff stund es nicht wol, da mus die fedder schweben  haben sie gesundigt an dir, wolan so bussen sie hie mit vnd sollts yhn  vergeben

 

Doch weil ich so eben drauff kome (das die schreiberey so feindselig ist  bey vielen, Hansen, [Bl. 26b] Denn sie wissen, odder achtens nicht, das ein  Gottlich ampt vnd werck ist, Sehen auch nicht, wie nott vnd nutz es der wellt  sey, Vnd wenn sie es (. da Gott für sey .) sehen wurden, so were es mit allen  sachen zu lange geharret, So soltu also thun, Las sie faren, vnd sihe dich  umb n̂ach feinen frumen eddel leuten, als graue Gorge von Werdheim seliger  Herr Hans von schwartzenberg Herr George von fronsberg vnd der gleichen  seligen. Jch wil der lebendigen schweigen An den selbigen labe vnd troste  dich, vnd dencke, Gott ehret vmb, eines mannes Lot willen die gantze stad  zoar vnd vmb eines Naaman willen das gantz land Syria vnd vmb eines  Jossephs willen das gantz konigreich Egypten, Warumb woltestu nicht auch den  gantzen adel ehren vmb vieler redlicher eddel leute willen, der du on zweiuel  viel fur dir hast, vnd wenn du dieselbigen ansihest, mustu dencken, Es sey

 

[ 2/3 haben —vergeben rh 4 Doch steht über Vnd        das steht über denn 5 Hansen, weil 6 ist o 9/11 als —schweigen rh 12 Lot rh        die steht über ein̂e 13 zoar o eines (1.) rh        das steht über ein        Syria o        eines (2.) rh 16 du sie        dencken, Sie sind Es]

 

 

 

[Seite 572a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 572b

 kein boser mehr da, Wie keme der schone baum der liebe Adel dazu, das nicht  auch vnzeitige fruchte dauon fallen, vnd ettliche nicht auch wormstichig odder  wartzicht sein solten, Der baum ist drumb nicht verdampt noch bose,

 

Also thun die [Bl. 27a] kinder Gottes, Denn Gott selbs verschonet dem  gantzen menschlichem geschlecht vmb eines menschen willen, der Jhesus Christus  heisst Solt er die menschen ansehen allein so were eitel zorn da Doch sol  predigampt vnd wellt lich oberkeit solchs nicht thun das sie kein boses wolten  achten noch ansehen Denn die sollen die bosen straffen ihen̂es mit dem wort,  dis mit dem schwert, Jch rede itzt mit ein̂tzelen personen, als mit Christen̄,  das sie lernen sollen vnterscheiden, was Gottes werck sey, vnd was menschen  bosheit sey, Es sind ynn allen Gottlichen ampten vnd stenden viel boser  menschen Aber der stand ist vnd bleibt dennoch gut, wie hoch auch die  menschen des missbrauchen, Man̂ findet viel boser weiber, viel falscher knecht,  viel vntrewer meg | [Bl. Gijb] de, viel schedlicher amptleute vnd Rethe, Aber nichts  deste weniger, ist frawen stand, kn̂echt vnd magd stand vnd alle ampt gleichwol,  Gottes stifft, werck vnd ordnūg, die sonne bleibt gut, ob wol die gantze wellt

 

[ 1 boser vn 2 fruchte herab        dauon vielen        fallen rh 3 sein steht über vor solten sein        bose, So thet ihene frume fraw, die einen bruder ym kloster hatte vnd sprach vmb des munchs willen bin ich allen munchen gonstig, Man sol vmb eines frumen weibs willen alle weiber ehren, vmb einer iungfrawen willen allen Jungfrawen schonen, Das sind 6 Solt rh er c aus Wer        allein o        zorn da doch sol predigampt        da o 7/8 das —ansehen rh 8 straffen die bosen um 9 itzt von        mit (2.) o 11 Gottlichen —vnd rh 12 hoch steht über fast 13 missbrauchen, Viel boser 16 ordnūg vnd ein r]

 

 

 

[Seite 573a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 573b

 derselbigen missebraucht, einer zu rauben, einer zu morden einer dis, der ander  das vbel aus zurichten, Vnd wer kundte ettwas vbels thun?, wo yhm die  sonne nicht dazu leuchtet, die erde truge vnd erneerete, die lufft erhielte Vnd  Gott selbs yhn so behuetet? Es heisst vnd bleibt Omīs Creatura [Bl. 27b]  subiecta est vanitati, Sed non volens Ro. 8.

 

Es meinen wol ettliche, das Schreiberampt sey ein leicht geringe ampt,  Aber ym harnissch reiten hitz frost, staub, dürst vnd ander vngemach leiden,  das sey eine erbeit,, Ja das ist das allte gemein teglich liedlin̂, das keiner  sihet, wo den andern der schüch druckt, Jderman fulet allein sein vngemach,  vnd gaffet auff des andern gut gemach., War ists, Mir were es schweer ym  harnissch zu reiten, Aber Jch wolt auch gern widder umb den reuter sehen,  der mir kundte einen gantzen tag still sitzen vnd ynn ein buch sehen, wenn er  schon nichts sorgen, tichten, dencken, noch lesen solt, frage einen Cantzel schreiber,  prediger vnd Redener, was schreiben vnd reden fur erbeit sey, frage einen  Schulmeister, was leren vnd knaben zihen fur erbeit sey, Leicht ist die schreibfedder,  das ist war, ist auch kein han̂dzeug vnter allen hand wercken bas zu  erzeugen denn der schreiberey, denn sie bedarff allein der gen̂se fittich, der man  vmbsonst allenthalben gnug findet Aber es mus gleich wol das beste stucke

 

[ 1 einer zu (2.) o 3 erde ernee 4 behuetet c aus behueten 7 reiten vnd hitz vnd 8 ist aller        gemein teglich rh 10 andern gemach        Mir ists en 11 Aber so 12 gantzen rh        still sitzen vnd rh 13 schon solt 14 prediger rh 17 gen̂se fe        der (2.) c aus die 18 wol o        stucke am menschen]

 

 

 

[Seite 574a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 574b

 (als der kopff.) vnd das edleste gelied (als die zunge) vnd das hohest werck  (als die rede) so am menschlichem leibe sind, hie her halten vnd am meisten  erbeiten, da sonst bey andern entweder, die fausst, fuß, rucken odder der gleichen  glied allein erbeiten vnd konnen da [Bl. 28a] neben frolich singen vnd frey  schertzen, das ein schreiber wol lassen mus, Drey finger thuns (sagt man von  schreibern) Aber gantz leib vnd seel erbeiten dran

 

Jch hab von dem loblichen theuren keiser Maximilian horen sagen,,  wenn die grossen Hansen drumb murreten, das er der schreiber so viel brauchte  zu Bottschafften vnd sonst, das er sol gesagt haben Wie sol ich thun? Sie  wollen sich nicht brauchen lassen, so müs ich schreiber dazu nemen? Vnd  weiter, Ritter kan ich machen, Aber doctor kan ich nicht machen, So hab ich  auch von einem feinen Eddel man gehoret das er sagt, Jch wil meinen son  lassen studiern Es ist nicht grosse kunst, zwey beyn vber ein ros hen̂gen  vnd reüter werden das hat er mir bald gelernt, vnd ist fein vnd wol geredt  Das wil ich aber mal nicht zu verachtung des reissigen standes noch einiges

 

[ 2 her halten vnd rh 3 bey andern r        fausst steht über fausst        odder steht über vnd 4 glied o        frey o 5/6 Drey —dran rh Schon Bl. 27b unten steht, aber wieder durchgestrichen: Drey finger thuns (spricht man von schreibern) Aber leib vnd seel erbeiten 7 dem —theuren rh 9 Wie w 10 nemen? W 11 weiter, Jch wil bald        kan ich (1.) steht über gnug        doctor vnd ge r 12 gehoret d 13 Es —kunst steht über <Darnach wil sol er mir bald gnug lernen> 14 vnd (2.) steht neben Das, Das über Vnd 15 aber z        standes die nichts denn yhr        einiges c aus einigen]

 

 

 

[Seite 575a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 575b

 andern sondern wider die losen scharrhansen gesagt haben, die alle lere vnd  kunst verachten vnd nichts rhumen konnen, denn das sie harnissch füren vnd  zwey bein vber ein roß hengen wie wol sie solchs selten thun müssen, vnd  dafur, das gantze iar, gemach, lüsst, freude, ehre vnd guts gnüg haben (Es  ist wol war, kunst ist leicht zu tragen (sagt man) vnd harnisch schwerer | zu  tragen, Aber widderumb ist harnisch bald gelernt, Aber [Bl. 28b] kunst ist  nicht bald gelernt, vnd nicht leicht zu vben vnd zü brauchen̂

 

Vnd das ich dieses gewesschs ein mal ein ende mache, So sollen wir  Wissen, das Gott ein wünderlicher herr ist, Sein handwerck ist, aus bettler  HERRN machen gleich wie er aus nichte alle ding macht Solch handwerck  wird yhm niemand legen noch hindern, Er lessts gar herrlich ynn aller wellt  von sich singen p̄s̄. 112. Wer ist wie der HERR, der so hoch sitzt vnd so  tieff hernidder sihet? Der den gerin̂gen auffricht aus dem staube, vnd erhohet  den armen aus dem kot das er yhn sitzen lasse vnter den fursten, ia vnter  den fursten seines volcks, Sihe dich vmb, ynn aller konige vnd fursten hofe  vnd ynn Stedten vnd pfarhen was gillts, ob nicht dieser psalm mit vielen  starcken exempeln drinnen regieret?, da wirstu finden, Juristen, doctores,

 

[ 1 gesagt haben stand ursprünglich hinter 574, 15 standes 2 nichts zu        rhumen konnen 2/3 vnd (2.) —hengen rh 7 zü o 10 gleich —Solch rh        das hand werck 16 vnd (1.) —pfarhen rh 16/17 mit —exempeln rh 17 wirstu gemeiniglich]

 

 

 

[Seite 576a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 576b

 Rethe, Schreiber prediger die gemeiniglich arm gewest, vnd ia gwislich allzumal  schüler gewest sind, vnd durch die fedder so empor geschwungen vnd aüff  geflogen, das sie herrn sin̂d, wie dieser Psalm sagt, vnd, wie die fursten, land  vnd leute regiern helffen Gott wills nicht haben, das geborne konige, fursten,  herrn vnd Adel, sollen allein regiern vnd herrn sein, wil auch seine Bettler  da bey haben, Sie dechten sonst, die eddel geburt macht alleine herrn vnd  regenten, vnd nicht Gott alleine.

 

[Bl. 29a] Man spricht vnd ist die warheit, der Bapst ist auch ein schuler  gewest. Darumb verachte mir nicht die gesellen, die fur der thür panem propter  Deum sagen vnd den brot reigen sin̂gen Du horest (wie dieser psalm sagt,)  grosse fursten vnd herrn sin̂gen Jch bin auch ein solcher parteken hen̂gst  gewest vnd hab das brot fur den heusern genomen sonderlich zu Eisenach ynn  meiner lieben stad, wie wol mich hernach mein lieber Vater mit aller lieb  vnd trew, ynn der hohen schulen zu Erffort hielt, vnd durch seinen sauren  schweis vnd erbeit, dahin geholffen hat, da ich hin komen bin, Aber dennoch  bin ich ein parteckenhengst gewest Und nach diesem psalm, durch die schreib  fedder so fern komen̂, das ich itzt nicht wolt mit dem Turckisschen keiser beüten,  das ich sein gut solt haben vnd mein̂er kunst emperen, Ja ich wolt der wellt

 

[ 1 prediger rh        gemeiniglich sind sehr 2 schüler vnd schreiber 3 die o 5 sein .. auch Bett 12 hab o        genomen rh 13 wol wol        lieber rh 14 hielt c aus erhielt 15 da steht über das 16 ich auch        schreib rh]

 

 

 

[Seite 577a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 577b

 gut, viel mal geheufft, nicht dafur nemen, Vnd were doch on zweiuel nicht  dahin komen, wo ich nicht ynn die schule vnd ynns schreiber handwerck were  geraten

 

Darumb las deinen son getrost studirn, vnd solt er auch die weil nach  brot gehen, So gibstu vnserm herr Gott, ein feines holtzlin, da er dir einen  herrn aus schnitzen kan, Es wird doch da bey bleiben, das dein vnd mein son,  das ist [Bl. 29b] gemeiner leute kinder, werden die wellt mussen regiern beide  ynn geistlichem vnd welltlichem stande, wie dieser psalm zeüget, Denn die  reichen geitz wanste konnens vnd wollens nicht thun, Sie sind des Mammon  Cartheuser vnd munche, des mussen sie tag vnd nacht warten So vermugens  die gebornen fursten vnd herrn alleine nicht, Vnd sonderlich vermugen sie | das  geistlich ampt gar nichts bestehen, Also mus wol beide regiment auff erden  bleiben bey den armen mittel messigen vnd gemeinen leuten vnd bey yhren  kindern

 

Vnd kere dich n̂ichts dran, das itzt der gemeine geitz wanst, die kunst so  hoch veracht, vnd sprechen Ha, wenn mein son deudsch schreiben, lesen vnd  rechen kan, so kan̂ er gnug, Jch wil yhn zum kauffman thun, Sie sollen

 

[ 1 dafur r 2 ynn —vnd rh        ynns steht über ynns 2/3 were        komen geraten rh 5 feines rh        dir o 9 reichen gitz        Sie steht über Es 10 Cartheuser vnd rh munche, dem dien 12 gar rh        bestehen steht über versorgen        beide steht über das 13 mittel messigen rh 15 das ist        wanst, seine 16 son sch]

 

 

 

[Seite 578a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 578b

 ynn kurtz, so koerre werden, das sie einen gelerten, gern̂ aus der erden zehen  ellen tieff mit den fingern gruben, Denn der kauff man sol mir nicht lange  kauff man sein, wo die predigt vnd Recht fallen, das weis ich fur war, Wir  Theologen vnd Juristen, mussen bleiben, odder sollen allesampt mit vns vntergehen,  das wird mir nicht feylen, Wo die Theologen wenden, da wendet Gottes  wort, vnd bleiben eitel heiden, ia eitel teuffel, Wo die Juristen wenden, da  wendet das Recht sampt dem friede vnd bleibt eitel raub, mord, freuel  vnd gewallt ia eitel wilde thiere, [Bl. 30a] Was aber der kauffman werben  vnd gewinnen wird, wo der friede wendet, das wil ich yhm als denn sein  register sagen lassen̂ Vnd wie nutze yhm als denn alle sein gut sein wird, wo  die predigt fellet, des sol yhm sein gewissen wol zeigen̂

 

Vnd ist ynn sonderheit verdrieslich, das solche vngeschliffen vnchristliche wort  die reden, so gantz Euangelisch sein wollen, wissen yderman zu mei | [Bl. H 1a] stern  vnd zu vberschreien mit der schrifft, Vnd gon̂n̂en die weil weder Gott selbs  noch yhren eigen kindern, so viel ehre odder guts, das sie die selbigen zur  schulen zogen, damit sie zu solchen herrlichen Gottlichen stenden, Gott vnd der

 

[ 5 nicht steht über auch 6 ia —teuffel rh 7 sampt —friede rh 8 gewallt vn 8/9 werben vnd o 12 ynn sonderheit c aus sonderlich        vngeschliffen vnchristliche rh 14 weil widder selbs o 15 kindern selbs 16 Gottlichen rh]

 

 

 

[Seite 579a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 579b

 wellt zu dienen, komen mochten, die sie doch gewis fur augen sehen, gestifft,  bereit vnd wol versorget mit gut vnd ehren Sondern wenden sie dauon vnd  stossen sie ynn des Mammon dienst, da sie doch nicht gewisses fur augen haben  dazu voller fahr, beide, leibs, guts vnd der seelen sein mussen vnd vber das  da nicht ein Gottes dienst ist noch sein kan,

 

Hie sollt ich auch erzelen, wie viel gelerten man haben mus, ynn der  ertzney vnd andern freyen kün̂sten Von welchen beiden stucken wol ein gros  buch zu schreiben vnd ein halb [Bl. 30b] iar dauon zu predigen were. Wo  wolten prediger vnd Juristen vnd Ertzte her komen, wo nicht die grammatica  vnd ander rede kunste fur handen weren?, Aus diesem brunn, mussen sie alle  her fliessen, Aber es wil mir itzt zu lang vnd zu viel werden, Das sage ich  kurtzlich Einen vleissigen frumen schulmeister, odder magister, odder wer es  ist der knaben trewlich zeucht vnd leret, dem kan man nimer mehr gnug  lohnen, vnd mit keinem gelde bezalen, wie auch der heide Aristoteles sagt.  Noch ists bey vns so schendlich veracht, als sey es gar nichts Vnd wollen  dennoch Christen sein Vnd ich, wenn ich vom predig ampt vnd andern sachen  ablassen kundte . odder muste. So wolt ich kein ampt lieber haben, denn

 

[ 1 mochten, Vnd stoss 2 mit —ehren rh 3 haben, vnd 4 dazu d .. o        beide c aus beides        sein mussen steht über ist 5 da o        kan, sondern 8 schreiben steht unter machen were 12 odder (1.) artiū 12/13 odder (2.) —ist rh 13 trewlich rh 15 vns Christen        gar o 15/16 Vnd —sein rh]

 

 

 

[Seite 580a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 580b

 Schulmeister odder knaben lerer sein. Denn ich weis, das dis werck, nehest  dem predig ampt das aller nutzlichst, grossest vnd beste ist, Vnd weis dazu  noch nicht, welchs vnter beiden das beste ist, denn es ist schweer alte hunde  bendig vnd allte schelcke frum zu machen, daran doch das predig ampt erbeit,  vnd viel vmbsonst erbeiten mus, Aber die iungen bewmlin kan man besser  biegen vnd ziehen, ob gleich auch ettliche druber zu brechen Lieber lass es  der hochsten tugent eine sein auff erden frembden leuten yhre kinder trewlich  zihen, welchs gar wenig vnd schier niemand thut an seinen eigenen

 

Das aber die ertzte herrn sind, das sihet man fur augen wol, Vnd das  man yhr auch nicht emperen kan̂, leret die erfarung wol, Das [Bl. 31a] es aber  der wellt ein nutzlicher trostlicher, heilsamer stand, dazu ein angenemer Gottes  dienst sey, von Gott geschaffen vnd gestifft, gibt nicht allein das werck an  yhm selber, Sondern zeugt auch die schrifft Eccci 38. da schier ein gantz Capitel  von den̂ ertzten daher rhumet. Vnd spricht Du solt den artzt ehren, denn  man kan sein nicht geraten, Vnd Got hat yhn gestifft, Denn alle ertzney ist  von Gott, die kunst des artztes bringt yhn zu ehren, vnd er wird fur den  grossen herrn werd gehalten, Gott hat die ertzney aus der erden geschaffen,  vnd kein vernunfftiger mensch ist, der sie veracht, Denn gleich wie zur zeit

 

[ 3 Nach denn fuhr Luther ursprünglich fort: aus den alten schelcken, dann: allte schelcke sind bose 10 es steht über sie 11 der c aus des        stand steht über sein 15 geraten, So hat        Vnd Gott rh        hat o 16 zu grossen̂        er o]

 

 

 

[Seite 581a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 581b

 Mose, das bitter wasser vom holtz susse ward Also hat er wollen auch hierin  den menschen kund thun, was ertzney vermag, Vnd hat solche kunst darumb  auch den menschen gegeben, das man seine wunder preisen solle, Denn hiemit  kan der artzt, allerley schmertzen lindern, vnd viel susser guter confect machen,  vnd salben zurichten, dauon die krancken gesund werden, vnd solcher seiner  werck ist kein zal &c̄.. Wolan es ist mir itzt zu viel, die prediger konnen alle  diese stuck wol reichlicher ausstreichen vnd den leüten einbilden was schadens  vnd nutzs sie hie schaffen konnen der gantzen wellt vnd vnsern nachkomen  besser denn ichs schreiben̂ kan̂

 

[Bl. 31b] Jch wills hie lassen bleiben, Vnd einen iglichen, der hie zu  helffen kan, trewlich vermanet vnd gebeten haben, Denn gedenck doch selbs,  wie viel guter dein Gott dir vmbsonst gegeben vnd noch teglich gibt, nemlich  leib vnd seel, haus, hoff, weib vnd kind, dazu welltlichen friede, dienst vnd  brauch aller seiner Creatur ym himel vnd erden, Vber das alles, auch das  Euangelion vnd predig ampt, tauffe, sacrament vnd den gantzen schatz seines  sons vnd seines geists, nicht allein on dein verdienst Sondern auch on deine kost  vnd muhe Denn du darffest itzt weder schulen noch pfarhen erneeren, wie  du doch nach dem Euangelio wol schuldig werest Vnd du soltest noch ein  solcher verfluchter vndanckbar schelm sein̂, das du nicht woltest ein kind daher

 

[ 1 das holtz 4 Nach allerley schrieb Luther erst: schmertzen, dann: kranckeit, endlich wieder: schmertzen 6 ist (2.) o 7/8 was —nachkomen rh 11 gedenck doch steht über rechen du 12 vmbsonst teglich 13 dienst rh]

 

 

 

[Seite 582a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 582b

 geben, das zu solchen gaben Gottes zu erhalten erzogen wurde, Alles vnd  alles vmbsonst haben, vnd nicht ein tropfflin danck erzeigen, sondern Gottes  reich vnd der seelen heil lassen vntergehen vnd helffen zu boden stossen,

 

Sollt Gott hieruber nicht zornig werden? Sollt nicht theurzeit  komen? Solt nicht Pestilentz vnd Schweis, frantzosen vnd ander plagen vns  finden? Solten nicht verblendte, leute, wilde wuste tyrannen regiern?, Sollt  nicht krieg [Bl. 32a] vnd hadder entstehen? Solt nicht bose regiment ynn  deudschen landen werden? Solt nicht Turck vnd Tattern vns plundern? Ja  es were nicht wünder, das Gott beide thur vnd fenster ynn der hellen auff  thet, vnd liesse vnter vns eitel teuffel schneyen vnd schlacken, , odder liesse vom  himel regen schwefel vnd hellisch feur vnd versenckt vns alle sampt ynn ab grund  der hellen,, wie Sodoma vnd Gomorra, Denn hette Sodoma vnd Gomorra,  so viel gehabt, so viel gehoret odder gesehen, Sie stunden freylich noch heutigs  tags Denn sie sind das zehend teil nicht so bose gewest, als itzt deudsch  land ist, Denn sie haben Gottes wort vnd predig ampt nicht gehabt, So  haben wirs vmbsonst vnd stellen vns, als die da wolten das beide Gott, sein

 

[ 1 solchen dinge 2/3 Gottes —heil rh 3 stossen, Solt Go 7 nicht (1.) Turck        Am Fuß von Bl. 31b steht noch Solt nicht 10 liesse (1.) ve 11 ab o 13/14 heutigs tags rh 15 ist, das 16 vmbsonst rh]

 

 

 

[Seite 583a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 583b

 wort, alle zucht vnd ehre vntergieng, Vnd zwar fahen die rotten geister mit  Gotts wort vnter zu drucken redlich an, So greiffts der adel vnd die reichen  auch weidlich an zucht vnd ehre zu stortzen auff das wir leute werden wie  wir verdienet haben

 

Denn das wir das Eüangelion vnd p̄digampt, haben, was ists anders,  denn blut schweis vnsers herr̄n̄? Er hatts ia durch seinen engstlichen blutigen  schweis, erworben, durch sein blut vnd Creutz verdienet vnd vns geschenckt,  ha |[Bl. J 1a] bens gar vmbsonst vnd nichts drumb gethan noch gegeben [Bl. 32b]  Ach herr Gott, wie hertzlich bitter vnd saur ists yhm worden? Wie freundlich  vnd gern hat ers dennoch gethan? Wie viel haben die lieben Apostel vnd  alle heiligen druber gelitten, auff das es bis auff vns komen mochte? Wie  viel sind zu vnser zeit druber getodtet? Vnd das ich mich auch rhume, wie  manch mal hab ich den tod druber mussen leiden, vnd ist mir auch, so hertzlich  saur worden vnd noch wird, auff das ich meinen deudschen hierinn dienet,  Aber alles nichts gegen dem, das Christus Gottes son vnser liebes hertz dran  gelegt hat Vnd sol nü nicht anders damit verdienet haben bey vns den̂n̂  das etliche solch sein theur erworben ampt verfolgen, verdamnen lestern vnter

 

[ 2 So greiffts steht über Vnd 3 auch weidlich an stand ursprünglich hinter stortzen 6 denn d 8 gar u 15 liebes rh        hertz vnd heil leben 16 nü o 17 sein theur erworben rh]

 

 

 

[Seite 584a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 584b

 alle teufel hinuntern Die andern aber, die hand abzihen, weder Pfarher  noch p̄diger neeren noch ettwas dazu geben, das doch er halten würde, Vber  das, die kinder auch daǔon wenden, auff das solch ampt ia bald zü boden  gehe, vnd Christus blut vnd marter vmbsonst sey, Vnd dennoch sicher dahin  gehen, kein gewissen kein rew noch leid fur solche hellische vnd mehr denn  hellische vndanckbarkeit vnd viel vnaussprechliche sunde vnd laster, haben, kein  furcht noch schew fur Gottes zorn, kein lust noch liebe zu dem lieben Heilande,  fur sein saur schwere marter, erzeigen Sondern wollen mit solchen schrecklichen  greweln dazu noch gut Euangelisch vnd Christen sein

 

[Bl. 33a] Wenns so sol ynn deudschen landen gehen, | [Bl. J 1b] So ist mirs  leid, das ich ein deudscher geborn bin odder yhe deudsch geredt odder geschrieben  habe Vnd wo ichs fur meinem gewissen thun kundt, wolt ich widder dazu  helffen vnd raten das der Bapst mit allen seinen greweln widder vmb vber  vns komen muste, vnd erger drucken, schenden vnd verderben, denn zuuor ye  geschehen ist. Vorhin da man̂ dem teufel dienete vnd Christus blut schendete  da stunden alle beutel offen vnd war des gebens zu kirchen, schulen vnd allen  greweln kein̂ masse, da kundte man kinder ynn kloster stifft, kirchen, schulen,

 

[ 1 hand ha 2 doch o 3 auff das steht über das sie nicht 4 sey, wollen 5 gewissen kein rh 8/9 wollen —greweln rh 12 fur steht über mit fur 15 vnd —schendete rh 16 vnd (1.) was]

 

 

 

[Seite 585a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 585b

 treiben, stossen vnd zwingen mit vnsaglicher kost, das alles verloren war, Nu  man aber rechte schulen vnd rechte kirchen sol stifften, ia nicht stifften, sondern  allein erhalten ym gebew, Denn Gott hatts gestifftet vnd gnug dazu geben,  auch zu erhalten vnd wir wissens, das Gotts wort, ist vnd das es die rechte  kirche gebawet heist, Christus blut vnd marter geehret, da sind alle beutel  mit eisern kethen zu geschlossen, da kan niemand zu geben Vnd vber das,  auch die kinder dauon reissen vnd yhn nicht gonnen, das sie doch von der kirchen  (da wir nichts zu geben.) erneeret wurden vnd zu solchen heilsamen emptern,  darinn sie doch auch zeitlich, on yhr zuthun, versorgt sin̂d, komen mochten  Gott zu dienen, Christus blut vnd marter zu ehren vnd zu erhalten, Sondern  stossen sie lieber dem Mammon ynn den rachen, vnd tretten Christus blut  [Bl. 33b] die weil mit füssen, vnd sind dennoch gute Christen

 

Jch bitte Gott, vmb ein gnedigs stündlin, das er mich von hińǹen  neme, vnd nicht sehen lasse den iamer,, so vber deudsch land gehen mus,  Denn ich hallt, wenn zehen Mose stunden vnd fur vns betten, so würden sie  nichts ausrichten, So fule ichs auch, wenn ich fur mein liebes deudsch land  beten wil, das mir das gebet zu ruck prallet vnd wil nicht hinauff dringen,

 

[ 1 war steht über ist 2/4 ia —erhalten rh 4 wir o        das es o 5 Christus —geehret rh 6 eisern rh 7 reissen ob sie gern        gonnen yhn nicht um 8 wir steht über sie        heilsamen rh 9 mochten steht über vnd 10 zu (1.) o        zu (2.) o 11 sie de        den hal[s] ]

 

 

 

[Seite 586a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 586b

 wie es sonst thut, wenn ich fur ander sachen bitte, denn Es wil werden, Das  Gott wird Lot, erlosen vnd Sodoma versencken, Gott gebe, das ich liegen  musse vnd In disem stucke ein falscher prophet sey, Welchs geschehen wurde,  so wir vns besserten vn̂d vnsers herrn Wort vnd sein theures blut vnd sterben  anders ehreten,, denn bis her geschehen, vnd dem iungen volck zu den Gottlichen  ampten (wie gesagt ist.) hulffen vnd erzogen

 

Jch halt aber, das auch die oberkeit hie schuldig sey die vnterthanen zü  zwingen, yhre kinder zur schulen zu halten̂ sonderlich die, dauon droben gesagt  ist. Denn sie ist werlich schuldig, die obgesagten empter vnd stende zu erhalten,  das prediger, Juristen, Pfarher, Schreiber, Ertzte, Schulmeister vnd der gleichen  bleiben Denn man kan der nicht emperen kan sie die vnterthan zwingen, so  da tuchtig dazu [Bl. 34a] sind das sie mussen spies vnd buchsen tragen, auff  die mauren lauffen vnd anders thún wenn man kriegen sol. Wie viel mehr  kan vnd sol sie hie die vnterthan zwingen, das sie yhre kinder zu schulen halten,  weil hie wol ein erger krieg fur han | [Bl. J ijb] den ist mit dem leidigen teuffel,  der damit vmb gehet, das er Stedte vnd fursten | thum wil so heimlich aussaugen  vnd von tuchtigen personen leer machen, bis er den kern gar aus  geboret, eine ledige hulsen da lasse stehen von eitel vnnutzen leuten da er mit

 

[ 3 Jn disem stucke a sch 4 vns hierin vnd son 5 dem stet über das 6 ist.) zogen 7 auch o 11 bleiben o 12 tragen zur zeit des 12/13 auff — thun rh 15 mit steht über mit 18 von —leuten rh]

 

 

 

[Seite 587a]

 

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 587b

 spielen vnd gaugeln konne, wie er wil, Das heisst freylich eine Stad odder  land, ausgehungert, vnd on streit, ynn sich selbs verderbt, ehe man sich vmbsihet.  Thut doch der Turck wol ein anders, vnd nimpt das dritte kind ynn  seinē gantzen reich, vnd zeuchts wo zu er wil. Wie viel mehr solten vnser  herrn        Das kind nicht genomen, sondern zu  yhrem besten, vnd zu gemeinem nutz erzogen wurde, zu dem ampt, da yhm  gnug geben wird

 

Darumb wache hie, wer wachen kan Die oberkeit wo sie einen tuchtigen  knaben sihet das sie den zur schulen halten lasse Jst der Vater arm, so helffe  man mit kirchen gutern dazu Hie sollten die reichen yhre testament zu geben  wie denn die gethan haben, die ettliche stipendia gestifft haben, das hiesse recht  zur kirchen dein̂ gellt bescheiden, Hie losestu nicht der verstorbenen seelen aus  dem fegfeur, Sondern hilffest, durch erhaltung der Gottlichen empter, beide  den lebendigen vnd den zukunfftigen die noch nicht geborn sind, das sie nicht  hinein yns fegfeur komen, ia das sie aus der hellen [Bl. 34b] erloset werden  vnd gen himel faren vnd den lebendigen, das sie friede vnd gemach haben,  Das moecht ein loblich Christlich testament sein. da hette Gott lust zu vnd  gefallen dran Vnd wurde dich widderumb segen vnd ehren, das du auch lust

 

[ 3/7 Thut —geben wird steht auf dem untern Rande von Bl. 33b und 34a nachgetragen 4 wil. Aber 4/5 vnser herrn steht über ? 5 Nach herrn eine Zeile vom Buchbinder weggeschnitten 6 wurde, ynn 12 der verstorbenen rh 13 der steht über des        beide rh 15 sie o 16 vnd (1.) ynn 17 moecht steht am Rande rechts neben mag]

 

 

 

[Seite 588a]

 

[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 588b

 vnd freude an yhm haben wurdest, Wolan yhr lieben, deudschen, Jch habs  euch gnug gesagt yhr habt ewrn Propheten gehort, Gott gebe vns. das wir  seinem Wort folgen zu lob vnd danck vnserm lieben herrn, fur sein theurs  blut fur vns so mildiglich dargestreckt, Vnd behuete vns fur dem grewlichen  laster, der vndanckbarkeit vnd vergessung seiner wolthat Amen

 

 

[ 3 seinem Wort rh        folgen zu seinem lob vnd ehre ynn ewigkeit Amen 4 so mildiglich rh]

 

 

 

[Seite 522b]

 

 

 

[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther] 1530

 

 

 

[Seite 522b] [Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 522a

 

 

 

 

Dr] [Bl. B 1] Allen meinen lieben herrn und freunden,

Pfarherrn̂ und Predigern, die Christum mit trewen meinen,

Martinus Luther.

Gnad und friede inn Christo Jhesu unserm Herrn.

 

Mein aller liebsten herrn und freunde, jhr sehet fur augen, wie  der leidige Satan jtzt uns zu allen seitten beide mit gewalt und list  manichfeltiglich angreifft und alle plage an legt, auff das er das heilige  Euangelion und Gottes reich verstoere odder, wo ers nicht verstoren kan, doch  jnn alle wege hindere und wehre, das ja nicht fort gehe odder uberhand kriege.  Unter welchen seinen tuecken dis fast der groessesten (ists nicht gar das groessest)  einer ist, da er den gemeinen man also beteubet und betreuget, das sie jhre  kinder nicht zur schulen halten noch zur lere zihen wollen, gibt jhn diese  schedliche gedancken ein: weil nicht hoffnung da ist der Moncherey, Nonnerey,  Pfafferey, wie bis her gewesen, so durffe man keiner gelerten noch viel

 

[ 22 plage] plagen D]

 

 

 

[Seite 523b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 523a

 studierns mehr, Sondern musse trachten, wie man narung und reichtumb  uberkome.

 

Das mag mir doch ja ein recht meister stuck sein der teufflisschen kunst:  weil er sihet, das ers bey unsern zeiten nicht machen noch schaffen kan, wie  er gern wolte, So denckt er dennoch bey unsern nachkomen seinen willen zu  haben, als die er jtzt also fur unsern augen zu ruestet, das sie nichts lernen  noch wissen sollen und also, wenn wir nu tod sind, ein nacket, blos, wehrlos  volck fur sich habe, mit den ers machen muege, wie er will. Denn wo die  schrifft und kunst untergehet, was will da bleiben jnn deudschen landen denn  ein wuester, wilder hauffen Tattern odder Turcken, ja villeicht ein sew stall  und eine rotte von eitel wilden thieren? Solchs lesset er sie aber jtzt nicht  sehen und blendet sie meisterlich, auff das, wenn es dahin keme und sie durch  erfarung solchs sehen musten, er denn aller klage und heulen moechte jnn die  faust lachen, als die nu nicht mehr kundten, ob sie gern wolten, der sachen  raten noch helffen und sagen muesten: Es ist zu lange geharret, und denn gern  wolten hundert gulden geben fur einen halben gelerten, da sie jtzt nicht zehen  gegeben hetten fur zween gantz gelerten.1

 

 

[ 4 gantzen EF]

 

 

 

[Seite 524b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 524a

 

Und geschehe jhn auch kaum1 recht, Weil sie jtzt nicht wollen neeren  noch halten frume, ehrliche, zuechtige schulmeister und lerer, von Gott dar  geboten, die jhre kinder zu Gottesfurcht, zucht, kunst, lere und ehre zihen, mit  grosser erbeit, vleis und mühe, dazu mit geringer kost und gelt, So sollen sie  da fur kriegen Locaten, Bachanten2, grobe esel und tolpel, wie sie vorhin  gehabt haben, die jhre kinder mit grosser kost und gellt dennoch nichts anders  leren denn eitel esel sein, Und da fur jhre weiber, toechter, megde zu schanden  machen und da zu herrn uber jhr haus und guter seien, wie bis her geschehen  ist. Solchs sol der lohn sein jhrer gro-[Bl. B ij]ssen schendlichen undanckbarkeit,  dar ein sie der teuffel so listiglich furet.

 

Weil wir nu sollen widder solche und andere boese tuecke als die seel sorger  wachen aus pflicht unsers ampts, mussen wir warlich hie nicht schlaffen, an  welchem so grosse macht ligt, Sondern anregen, vermanen, reitzen, hetzen mit  aller macht, vleis und sorge, das sich der gemeine man nicht so jemerlich lasse  betriegen und verfuren vom teuffel. Darumb sehe ein jglicher auff sich und

 

[ 28 hetzen] hertzen EF]

 

 

 

[Seite 525b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 525a

 

neme seins ampts war, das er hie nicht schlaffe und den Teuffel lasse Gott  und herre sein, Denn wo wir hie schweigen und schlaffen, das die iugent so  verseumet und unser nachkomen Tattern odder wilde thier werden, so wird  es unsers schweigens und schnarckens schuld sein und werden mussen schweere  rechenschafft da fur geben.

 

Wie wol ich aber weis, das ewr viel on mein vermanen und auch sonst  besser solchs treiben, denn ichs geben kan, dazu ich auch zuvor an die Rat herrn  jnn Stedten ein sonderlich buechlin da von habe aus lassen gehen1, Doch ob  irgent ettliche solchs vergessen odder meinem exempel nach vleissiger wolten  anhalten, hab ich diese meine predigt, die ich mehr denn ein mal bey den  unsern gethan, euch zu komen lassen, da mit jhr spueret, das ich ja auch trewlich  mit euch hierin erbeite, und wir also allenthalben das unser thun und fur  Gott unsers ampts halben entschuldigt seien. Es ligt warlich jtzt an uns,  weil wir sehen, das auch die, so man die geistlichen heisset, sich also zur  sachen stellen, als wollten sie alle Schulen, zucht und lere lassen zu grunde  gehen odder auch selbs helffen nidder stuertzen, weil sie jhren mutwillen nicht

 

 

 

[Seite 526b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 526a

sollen frey wie bis her erhalten, welches auch der teuffel durch sie treibt.  Gott helff uns. AMEN.

 

[Bl. B iij]

Ein Sermon odder Predigt, das man solle kinder zur Schulen halten.

Lieben freunde, weil ich sehe, das sich der gemeine man frembd stellet  gegen die Schulen zu erhalten und jhre kinder gantz und gar von der  lare zihen und allein auff die narunge und bauchs sorge sich geben, Und  daneben nicht wollen odder muegen bedencken, welch ein grewlich unchristlich  ding sie damit fur nemen, und wie grossen moerdlichen schaden, dem teuffel zu  dienst, sie jnn aller wellt thun, Hab ich mir furgenomen diese vermanung an  euch zu thun, ob villeicht noch ettliche leute weren, die noch ein wenig gleubten,  das ein Gott jm himel und eine helle fur die ungleubigen bereit sey (Denn  es stellet sich schier alle welt, als were wedder Gott jm himel noch teuffel jnn  der helle) und sich an diese vermanung kereten, Und will also erzelen, was  nuetzes und schadens jnn diesem stueck sey.

 

Erstlich wollen wir den geistlichen odder ewigen nutz und schaden fur  uns nemen, dar nach den zeitlichen odder weltlichen. Jch hoffe ja, das die

 

 

 

[Seite 527b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 527a

gleubigen vnd was Christen heissen wil, fast wol wissen, das der geistliche  [1. Petri 1, 18 f.] stand sey von Gott ein gesetzt und gestifftet nicht mit gold noch silber, sondern  mit dem theuren blut und bittern tode seines einigen sons unsers Herrn Jhesu  Christi. Denn aus seinen wunden fliessen warlich (wie man vorzeiten  auff die brieffe malete1, die Sacrament, und hatts warlich theur erarnt,  das man jnn der gantzen welt solch ampt hat, zu predigen, teuffen, loesen,  binden, Sacrament reichen, trosten, warnen, vermanen, mit Gottes wort, und  was mehr zum ampt der seel sorgen gehoret. Denn auch solch ampt nicht  allein hie das zeitlich leben und alle weltliche stende fordert und halten hilfft,  sondern das ewige leben gibt und vom tode und sunden erloeset, welchs denn  sein eigentlich furnemlich werck ist, Und zwar die welt allzumal stehet und  bleibt allein umb dieses standes willen, sonst were sie lange zu boden gangen.

 

 

 

[Seite 528b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 528a

 

Jch meine aber nicht den jtzigen geistlichen stand jnn Kloestern und  stifften mit seinem ehelosen wesen, Denn der selbige ist lengest von seiner ersten  loeblichen stifftung gefallen und nu nicht mehr denn ein stand zum geld und  zinsen gestifftet durch menschliche weisheit, hat auch nichts geistlichs an sich,  on das sie nicht ehlich sind, des sie auch nicht bedurffen, haben wol ein anders  da fur, Sonst ists alles eitel eusserlich, zeitlich, vergenglich geprenge. Denn sie  achten des worts und predigampt nichts, wo aber das wort nicht gehet, da  mus schlechte geistlikeit sein, Sondern den stand meine ich, der das predigt  ampt und dienst des worts und der Sacrament hat, welchs gibt den geist und  alle seligkeit, die man mit keinem gesenge noch geprenge erlangen kan, als da  ist das Pfarr ampt, Lerer, Prediger, Leser, Priester (die man Capplan  nen-[Bl. B4] net), Kuester, Schulmeister und was zu solchen emptern und personen  mehr gehoeret, Welchen stand die schrifft warlich hoch rhumet und lobet.  Sanct Paulus nennet sie Gottes haus halter und knechte, Bisschoffe, Doctores,  Propheten, da zu auch Gottes boten, zu versuenen die welt mit Gott,  [2. Kor. 5, 20, Joel 2, 23, Ps. 68, 13, Hag. 1, 13, Mal. 2, 7] 2. Corinthi. 6, Joel nennet sie die Heilande, David nennet sie Koenige und  Fursten, Psalm 67, Haggeus nennet sie Engele, und Malachias 2 spricht: ‘Die

 

[ 24 predig amts B 25 das] des C]

 

 

 

[Seite 529b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 529a

 lippen des Priesters behalten das gesetz, denn er ist ein Engel des HERRN  [Matth. 11, 10] Zebaoth’, wie sie Christus selbs nennet, nicht allein Matth. 11, da er den  Teuffer Johannen einen Engel nennet, Sondern auch durchs gantze buch der  Offenbarung Johannis.

 

Darumb haben die Alten solchen stand seer gemidden und gescheucht  anzunemen umb seiner grossen wirde und hoehe willen, das man sie hat da  zu mussen zwingen und treiben1, wie wol hernach und bis her viel gewesen  sind, die solchen stand haben gepreiset umb des Messhaltens willen, mehr denn  umbs predigens willen, welcher preis und rhum bis anher gewachsen ist so  hoch, das sie das priesterlich ampt und stand (Messe zu opffern) uber Maria  und Engel gesetzt haben, weil die Engel und Maria nicht sollen mess halten  koennen, das doch ein priester koenne, Und ist ein herrlich ding gewest umb  [Luk. 11, 27] einen newen Priester und erste Messe, Und selig war die frawe, die einen  priester getragen hatte, so doch das wort und predigampt das aller hohest und  furnemest ist, des man nicht so hoch geachtet hat, jnn Summa: Ein  Priester hat geheissen, der messe halten koenne, ob er gleich nicht ein wort hat  wissen zu predigen und ein ungelerter esel gewest ist, Das ist fast der jtzige  geistliche stand noch heutigs tages.2

 

 

[ 32 jnn] Kustode auf Bl. B 4a: vnd jnn A]

 

 

 

[Seite 530b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 530a

 

Jst nu das gewis und war, das Gott den geistlichen stand selbst hat eingesetzt  und gestifft mit seinem eigen blut und tode, Jst gut zurechen, das er  den selbigen wil hoch geehret haben und nicht leiden, das er solle untergehen  odder auff hoeren, sondern erhalten haben bis an Jungsten tag. Denn es mus  ia das Euangelion und die Christenheit bleiben bis an Jungsten tag, wie  [Matth. 28, 20] Christus spricht Matthei ulti.: ‘Sihe, ich bin bey euch bis an der welt ende.’  Durch wen sol er aber erhalten werden? Ochsen und pferde, hunde und sew  werdens nicht thun, holtz und steine auch nicht. Es werden wir menschen  thun mussen, Denn es ist ja solch ampt nicht ochsen noch pferden befolhen,  sondern uns menschen, Wo sol man aber menschen dazu nemen, on bey denen,  die kinder haben? Wenn du nicht wilt dein kind da zu zihen, jhener auch  nicht, und so fortan kein vater noch mutter sein kind unserm Gott hie zu  geben, Wo wil denn das geistlich ampt und stand bleiben? Die alten, so  jtzt drinnen sind, werden nicht ewig leben, sondern sterben teglich da hin, und  sind kein ander da an jhre stad, Was wird Gott zu letzt da zu sagen?  Meinstu, er werde des ein gefallen haben, das wir sein Gottlich gestifft ampt,  zu seinem lobe und ehren und zu unserm heil so theur erworben, so schendlich  verachten und mit solchem undanck lassen fallen und untergehen?

 

 

 

[Seite 531b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 531a

 

[Bl. C 1] Er hat die kinder geben und narung da zu, nicht darumb, das  du allein deine lust an jhnen solt haben odder zur welt pracht zihen. Es ist  dir ernstlich gepotten, das du sie solt zihen zu Gottes dienst, odder solt mit  kind und allem rein aus gewortzelt werden, das alles verdampt sey, was du  [2. Mose 20, 5] an sie legest, wie das erste gebot sagt: ‘Jch suche heim der veter missethat an  den kindern bis jns dritte und vierde gelied denen, die mich hassen.’ Wo wiltu  sie aber zu Gottes dienst zihen, wenn das predig ampt und geistlicher stand  ligt und gefallen ist? Und deine schuld ist, der du wol hettest konnen dazu  thun und helffen erhalten, wo du dein kind hettest lassen lernen. Denn wo  du es thun kanst, und dein kind da zu tuechtig ist odder lust hat, Und du thust  es nicht, sondern hinderst es, — hoerestu es wol? — So bistu schuldig an  dem schaden, das der geistliche stand fellet, und wedder Gott noch Gottes wort  jnn der welt bleibt, Denn so viel an dir ist, lessestu jhn fallen, und weil  du ein kind nicht wilt da zu geben, so thettestu eben auch mit allen, wenn du  die welt vol kinder hettest, das deinet halben Gottes dienst schlecht zu  grunde gehet.

 

Und hilfft dich nicht, das du sagen woltest: mein nachbar hellt seinen  son zur schule, jch darffs nicht &c.. Denn dein nachbar kan auch so sagen,  Und so fort an alle nachbarn, Wo kriegt Gott die weil leute zu seinem

 

[ 36 kriegt] überkumpt D]

 

 

 

[Seite 532b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 532a

 geistlichem ampt? Du hast die person und kanst sie geben, aber du willts  nicht thun, dein nachbar auch nicht, Also gehets denn zu boden, so viel an  euch ist. Weil du denn lessest deinem Gott sein stifft und eingesetzt ampt,  so hoch und theur erarnt1, verwuesten und mit solcher greulicher undanckbarkeit  untergehen, so soltu auch widderumb verflucht sein, und beide an deinen  kindern und an dir selbs eitel schande und jamer erleben odder doch sonst  also geplagt werden, das du nicht alleine hie auff erden, sondern auch dort  ewiglich jnn der helle sampt jhn verdampt werdest, Das soll dir auch nicht  feilen, auff das du lernest, die kinder seien nicht so gantz und gar dein, das  du Gott nichts muessest da von thun, Er wil auch recht dran haben, Und sie  sind auch mehr sein denn dein.

 

Und das du nicht denckest, Jch spreche dir hie mit zu hart zu, So wil  ich dir beide nutz und schaden zum teil fur legen (denn wer kan sie alle  erzelen?), die du thust, das du selbst sagen muessest, du seiest mit allem recht  des teuffels eigen und billich zur hellen ewiglich verdampt, wo du dich hierinn  strefflich findet und nicht besserst, Widderumb auch dich von hertzen frewen  und frolich sein muegest, wo du dich hierinn findest, das du von Gott da zu

 

[ 27 gantz und fehlt C]

 

 

 

[Seite 533b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 533a

erwelet bist, mit deinem gut und erbeit einen son zu erzihen, der ein fromer  Christlicher Pfarher, Prediger odder Schulmeister wird, Und da mit Gott selbs  erzogen hast einen sonderlichen diener, ja, wie droben gesagt ist, einen Engel  Gottes, einen rechten Bisschoff fur Gott, einen heiland vieler leute, einen  Koenig und Fursten jnn Christus reich und jnn Gottes volck, einen lerer, ein  liecht der welt. Und wer wil odder kan alle ehre und tuegent erzelen eines  rechten trewen Pfarhers, so er fur Gott hat? Es ist [Bl. C ij] ja kein theurer  schatz noch edler ding auff erden und jnn diesem leben denn ein rechter trewer  Pfarherr odder Prediger.

 

Denn rechen du selbs: was nutzes das liebe predig ampt und die seel  sorge schaffet, die selbigen schaffet gewislich auch dein son, der solch ampt  trewlich furet, Als das so viel seelen teglich durch jhn geleret, bekeret,  getaufft und zu Christo bracht und selig gemacht werden und von sunden,  tod, helle und teuffel erloeset zur ewigen gerechtikeit, zum ewigen leben und  [Dan. 12, 3] himel durch jhn komen, das wol Daniel 12 sagt, Das die, so andere leren,  sollen leuchten wie der himel, und die, so viele zur gerechtigkeit weisen, sollen  sein wie die sternen jnn ewigkeit, Denn weil Gottes wort und ampt, wo es  recht gehet, mus on unterlas grosse ding thun und eitel wunder werck treiben,  So mus dein son auch on unterlas grosse und eitel wunder thun fur Gott,

 

 

 

[Seite 534b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 534a

Als todten auff wecken, teuffel aus treiben, blinden sehend, tauben hoerend,  aussetzigen rein, stummen redend, lamen gehen machen, Obs nicht leiblich  geschicht, so geschichts doch geistlich jnn der seelen, da es viel groesser ist, Wie  [Joh. 14, 12] Christus spricht Joh. 14: ‘Wer an mich gleubt, der wird die werck thun, die  ich thu, und noch grossere werck thun.’ Kan solchs ein gleubiger thun gegen  einzele personen, Wie viel mehr wird solchs thun ein offentlicher prediger  gegen und jnn einem gantzen hauffen? Nicht das ers thue als ein mensch,  sondern sein ampt, von Gott da zu geordent, das thuts, und das wort Gottes,  das er leret, Denn er ist ja das werckzeug da selbest zu.

 

Thut er nu solche grosse werck und wunder geistlich, so folget daraus,  das er sie auch leiblich thut odder jhe ein anfenger und ursach da zu ist, Denn  wo her kompts, das die Christen am Jungsten tage von den todten aufferstehen  werden, das alle tauben, blinden, lamen, und was fur plagen am leibe gewest  sind, mussen ablassen und jhre leichnam nicht allein fein, huebsch, gesund,  [Matth. 13, 43] sondern auch so helle und schoen leuchten werden als die sonnen, wie Christus  spricht? Kompts nicht da her, das sie durchs wort Gottes hie auff erden sind  [Röm. 8, 11] bekeret, gleubig, getaufft und Christo eingeleibt? wie Paulus sagt Roma. 8,

 

 

 

[Seite 535b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 535a

das Gott wird unsere sterbliche leichnam aufferwecken umb seines geists willen,  der jnn uns wonet. Wer hilfft nu den menschen zu solchem glauben und  anfang der leiblichen aufferstehung on das predig ampt und wort Gottes, das  dein son furet? Jst nu das nicht ein unmesslich groesser, herrlicher werck  und wunder, denn so er leiblich odder zeitlich todten auffweckte widder zu  diesem leben odder blinden, tauben, stummen, aussetzigen hulffe jnn der wellt  und jm vergenglichem wesen?

 

Wenn du gewis werest, das dein son dieser werck eines an einem einigen  menschen solte thun, Nemlich, das er nur einen blinden solt sehend machen,  einen todten aufferwecken, eine seele dem teuffel nemen, einen menschen aus  der hellen erretten, odder welchs der eines were, soltestu nicht billich mit allen  freuden dein gut dran wogen, das er zu solchem ampt und werck moecht erzogen  werden und fur [Bl. C iij] grossen freuden springen, das du mit deinem gelt  fur Gott so ein gros ding hettest gestifft? Denn was sind alle stifft und  kloester, wie sie jtzt sind und jm brauch gehen, mit jhren eigen wercken gegen  einen solchen Pfarher, Prediger odder Schulmeister? Wie wol sie vorzeiten  und anfenglich von frumen koenigen und herrn allzu mal zu diesem theuren  werck gestifft sind, das man solche prediger und pfarherr drinnen erzihen  sollte, nu aber leider durch den teuffel jnn den jamer geraten, das es mord

 

 

 

[Seite 536b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 536a

gruben und eitel vorburge der hellen worden sind, zum verderben und schaden  der Christenheit.

 

Nu sihe, Dein son thut solcher werck nicht eins allein, sondern viel, ja  alle sampt, da zu teglich, Und das das aller beste ist, fur Gott thut er sie,  der selbige sihet sie da fur an und hellt sie so theur und hoch, wie gesagt ist,  obs gleich die menschen nicht erkennen noch achten, ja wenn jhn die wellt  gleich einen ketzer, verfurer, luegener, auffrurer schilt, das ist so viel deste besser  und ein gut zeichen, das er ein rechtschaffener man ist und seinem Herrn  Christo enhlich, Muste doch Christus selbs auch ein auffrurisscher, moerder,  verfurer sein und also mit den moerdern gerichtet und gecreutzigt werden.  Was lege mir daran, wenn ich ein prediger were, das mich die wellt einen  teuffel hiesse, wenn ich weis, das mich Gott seinen Engel heisst? Die wellt  heisse mich einen verfuerer, wie lange sie wil, Jnn des heisst mich Gott seinen  trewen diener und haus knecht, die Engel heissen mich jhren gesellen, die heiligen  heissen mich jhren bruder, die gleubigen heissen mich jhren vater, die elenden  seelen heissen mich jhren heiland, die unwissenden heissen mich jhr liecht, Und  Gott spricht ja da zu, Es sey also, die Engel auch sampt allen Creaturn. Ey  wie huebsch hat mich denn die welt sampt dem teuffel geteusscht mit jhrem

 

 

 

[Seite 537b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 537a

lestern und schmehen? Ey wie gros hat sie an mir gewunnen? Wie grossen  schaden hat sie mir gethan? die liebe trawte.

 

Das ist nu gesagt von den wercken und wundern, die dein son thut  gegen die seelen, von sunden, tod und teuffel zu helffen. Uber das thut er  auch gegen der wellt eitel grosse, mechtige werck, Nemlich, das er alle stende  berichtet und unterweiset, wie sie eusserlich jnn jhren ampten und stenden  sich halten sollen, da mit sie fur Gott recht thun, kan die betrubten trosten,  rat geben, boese sachen schlichten, jrrige gewissen entrichten1, fride helffen  halten, suenen, vertragen und der werck on zal viel und teglich, Denn ein  prediger bestettigt, sterckt und hilfft erhalten alle Oberkeit, allen zeitlichen  friede, steuret den auffrurischen, leret gehorsam, sitten, zucht und ehre, Unterricht  Vater ampt, mutter ampt, kinder ampt, knecht ampt, und summa alle  weltliche empter und stende. Dis sind wol die geringsten guten werck eines  Pfarhers, noch sind sie so hoch und eddel, das sie noch nie keine Weisen  unter allen Heiden erkant noch verstanden, viel weniger zuthun vermocht  haben, auch noch nicht kein Jurist, kein hohe schule, stifft noch kloster solche  werck weis, und weder jm geistlichen noch weltlichen recht geleret werden,  Denn da ist niemand, der solche weltliche ampt Gottes grosse gaben odder

 

 

 

[Seite 538b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 538a

 gnedige ordnung heisse, sondern das wort Gottes und predig ampt alleine  preiset und ehret sie so hoch.

 

[Bl. C 4] Darumb, so man die warheit sagen wil: Der zeitlich fried,  der das groesseste gut auff erden ist, darinn auch alle andere zeitliche gueter  begriffen sind, ist eigentlich eine frucht des rechten predig ampts, denn wo  dasselbige gehet, bleibt der krieg, hadder und blut vergiessen wol nach, Wo  es aber nicht recht gehet, da ists auch nicht wunder, das da krieg sey odder  jhe stettige unruge, lust und willen zu kriegen und blut zu vergiessen, Wie  wir jtzt sehen, das die Sophisten nichts anders den blut schreien und feuer  speien konnen1, Vergiessen der unschuldigen pfaffen blut umb der ehe willen2,  so doch der Bapst und jhr eigen geistlich recht selbst, wenn sie solche ehe hoch  straffen, so setzen sie die pfaffen vom priester ampt, lassen sie aber bey leib  und gut und bey Christlichen ehren bleiben, viel weniger verdamnen sie die  selbigen zur hellen, halten sie auch fur keine ketzer, wie das mussen alle  Juristen und alle welt zeugen, und auff dem Reichstage zu Nurmberg auch

 

[ 19 groesseste] zeitlich D]

 

 

 

[Seite 539b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 539a

 gesetzt ist,1 Aber die blinden blut hunde haben sich vom predig ampt In die  luegen ergeben, darumb koennen sie auch das morden nicht lassen, wie der  [Joh. 8, 44] teuffel jhr Got auch thut, Jo. 8, der von anfang ein lugener und morder  gewest ist und bleibt.

 

Das heisst nu menschen an leib und seel, an gut und ehre gedienet von  einem rechten pfarher, Uber das Sihe nu, wie er Got dienet und was fur  herrliche opffer und Gots dienst er ubet, denn durch sein ampt und wort wird  erhalten das reich Gottes jnn der welt, Die ehre, der name und rhum Gotts,  die recht erkentnis Gottes, der recht glaube und verstand Christi, die frucht  des leidens und bluts und sterbens Christi, die gaben, werck und krafft des  heiligen geists, der recht selige brauch der tauffe und sacrament, die rechtschaffen  reine lere des Euangelij, die rechte weis den leib zu zuchtigen und  creutzigen und der gleichen viel, Und wer kundte dieser jtzt gesagten stucke eines  jmer mehr gnugsam preisen? Und was ist da von noch zu sagen? wie viel  er da mit thut, das er widder den teuffel, wellt weisheit und fleischlichen  dunckel so viel streit erhellt, so viel sieg da von bringet, so viel jrthum nidderschlegt,

 

[ 22/23 was fur herrliche] was herlicher D 27 selige fehlt BDEF 29/30 Vnd bis vor Vnd fehlt D]

 

 

 

[Seite 540b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 540a

 so viel ketzereien weret? Denn er mus widder die Hellen pforten  streiten und kempffen und dem teuffel abgewinnen und thuts auch, nicht er,  sondern sein ampt und wort, Das sind alles unzelige und unaussprechliche  werck und wunder des predig ampts. Summa: wenn man Gott selbs aus  loben1 wird, so wird man sein wort und predigt auch aus loben, Denn es ist  Gottes ampt und wort.

 

Wenn du nu gleich ein koenig werest, so soltestu doch dich nicht werd  lassen duencken, das du deinen son mit allem deinem gut dran gewagt, zu  solchem ampt und werck geben und ziehen moechtest. Jst nicht hie dein pfennig  odder erbeit, so du an solchen son wendest, allzu hoch geehret, allzu herrlich  gesegenet, alzu koestlich angelegt und besser denn kein koenigreich noch keiserthum  ist fur Gottes augen gerechent? Auff den knien solt einer solchen  pfennig an der welt ende tragen2, wenn er wueste, das er solte da selbs so herrlich  und theur angeleget wèrden, Und sihe, du hassts jnn deinem hause und jnn  deinem schos, dar an du es so herrlich kanst anlegen, Pfu und aber pfu

 

[ 17 streiten und fehlt D 20 ausloben] auch loben F]

 

 

 

[Seite 541b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 541a

 und widder pfu unser blinden und schendlichen undanckbarkeit, das wir nicht  se-[Bl. D1] hen, wie trefflich schoenen Gottes dienst thun, ja welche grosse herrn  wir sein kundten fur Gott mit geringem thun, da zu mit unserm eigen gelt  und gut.

 

Die Sophisten schelten uns, das wir Lutherischen nicht gute werck leren,  Ja es sind feine gesellen, sie verstehen sich nicht ubel auff gute werck, Sind  diese obgenante stuecke nicht gute werck? Was sind aller stifft und kloester  werck gegen diese herrliche wunder? Es ist ein dolen und raben gegecke, und  noch nicht so gut als das gecken der dolen1, Denn die selben gecken doch mit  liebe und lust, Sie aber heulen jhr gegeck mit unlust, wie die Uhu und nacht  eulen. Hat man nu vorhin gros von den ersten messen und newen priestern  gehalten, Und ist vater und mutter sampt allen freunden frolich gewesen, das  sie einen son zum mussigen, faulen, unnuetzem messpfaffen odder fresspfaffen  haben erzogen, der Gott mit seinem lesterlichen messopffern und verlornem  gebet geschendet und die wellt mit unzuchtigem leben geergert und geschunden  hat, Wie viel hoher soltestu dich hie frewen, wenn du einen son zu dieser

 

[ 24 raben] kraeen D]

 

 

 

[Seite 542b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 542a

 ampt einem erzogen hettest? da du gewis bist, das er Gott so herrlich dienet,  den menschen so reichlich hilfft und den teuffel so ritterlich schlegt? Da hastu  ja dein kind Gotte recht und fein geopffert, das dich die Engel selbs fur ein  schoenes wunder ansehen mussen.

 

Widderumb auch solltu wissen, was du fur schaden thust, wo du hierinn  das widder spiel thust, Denn so dir Gott ein kind gegeben hat, tuechtig und  geschickt zu solchem ampt, und du zeuchsts nicht da zu, sihest allein auff den  bauch und zeitliche narung, So nim fur dich das register droben gestellet1 und  durch lauff das selbige jnn seinen angezeigten guten wercken und wundern,  so wirstu sehen und finden, welch ein froemlin2 und kreutlein3 du bist, Denn  so viel an dir ist, so entzeuchstu Gott einen Engel, | einen diener, einen koenig  und fursten jnn seinem reich, Einen heiland und troster der menschen an  leib und seel, an gut und ehre, Einen Heubtman und Ritter widder den  teuffel, damit du einreumest dem teuffel und forderst jhm sein reich, also,  das er die seelen jnn sunden, tod, hellen behellt und viel mehr hinein teglich  bringt und allenthalben obligt, Die wellt jnn ketzerey, jrthum, unfriede, krieg  und hadder bleibt und teglich erger wird, Dazu Gottes reich, Christlicher

 

[ 23 tuechtig AII] zuechtig AI D 24 siehe stallein A 27 welch ein] was du für ein D        froemlin und fehlt C]

 

 

 

[Seite 543b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 543a

 glaube, die frucht des leidens und bluts Christi, das werck des heiligen geists,  das Euangelion und aller Gottes dienst untergehet und alle teuffels dienst  und misglauben uberhand nimpt, Welchs alles hette mugen nach bleiben und  verhindert, da zu auch gebessert werden, wo dein kind da zu gezogen und  komen were.

 

Wie wiltu bestehen? wenn dich Gott am todbette odder iungsten gericht  [Matth. 25, 42 ff.] hie mit wird ansprechen, und sagen: “Jch bin hungerig, durstig, gast, nacket,  kranck, gefangen gewest und du hast mir nicht gedienet, Denn was du den  leuten auff erden und meinem reich odder Euangelio nicht gethan hast, sondern  hast es helffen unterdrucken, die seelen [Bl. Dij] lassen verderben, das hastu mir  selbs gethan, denn du hettest wol helffen konnen, Jch hatte dir auch kind und  gut dazu gegeben, Aber du hast mutwilliglich mich und mein reich und alle  seelen lassen not leiden und verschmachten, da mit dem teuffel und seinem reich,  mir und meinem reich zu widder gedienet, der sey auch nu dein lohn, far mit  jhm hin jnn der hellen abgrund. Mein himel reich und erdreich hastu nicht  helffen bawen und bessern, sondern zerstoren und schwechen, Dem teuffel aber  hastu seine helle helffen bawen und mehren, so wone auch nu jnn dem hause,  das du dir gebawet hast &c..”

 

[ 32 mir] mit A]

 

 

 

[Seite 544b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 544a

 

Wie meinstu? Ob dich hie nicht uberfallen werden plotzlich nicht allein  tropffen, sondern eitel wolckbrueche mit sunden, der du jtzt nichts achtest und  sicher dahin gehest, als thettestu gar wol, das du dein kind nicht zur lere  zeuchst? Aber als denn wirstu mussen sagen, das du billich jnn abgrund der  hellen verdampt seiest als der ergesten, schedlichsten menschen einer, so auff  erden gelebt haben, Und zwar, wenn du es auch jtzt jm leben woltest bedencken,  muestestu warlich fur dir selbs erschrecken, denn es vermag kein gewissen ertragen,  wo es an der obgenanten stuecken einem sich schuldig findet, Wie viel weniger  kans ertragen, so solche stuecke alle sampt ploetzlich da her fallen, die nicht zu  zelen sind? das dein hertz denn schreien mus, deiner sunde seien mehr denn  [Gebet Manasses v. 9] laub und gras, dazu groesser denn himel und erden, und wirst mit Manasse,  dem koenige Juda, sagen: ‘Meiner sunde ist mehr denn des sands am meer,  und meine missethat ist gros’ &c.. Denn das sagt auch das naturlich recht:  Wer schaden verhueten kan und thuts nicht, der ist auch selbschuldig an solchem  schaden, als der gewislich lust und willen da zu hat und thetts selber, wo er  ursachen odder gelegenheit da zu hette, Darumb sind solche leute gewislich eben  so gut als der teuffel selbs, weil sie beide Gott und der welt so feind sind,

 

[ 33 gelehenheit A]

 

 

 

[Seite 545b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 545a

 das sie beide das himelreich und erdreich helffen verderben und dem teuffel so  trewlich dienen. Und Summa: Wenn man den teuffel gnug schelten kan, so  kan man solche leute auch gnug schelten, die solch werck und ampt Gottes  hindern, Denn sie sind des teuffels diener.

 

Hie mit wil ich nicht dar auff gedrungen haben, das ein jglicher sein  kind musse zu solchem ampt zihen, denn es mussen nicht alle knaben Pfarher,  Prediger, Schulmeister werden, Und ist gut zu wissen, das herrn und grosser  leute kinder hie zu nicht zu brauchen sein werden, denn die welt mus auch  erben und leute haben, man zurisse sonst die Weltliche oberkeit. Jch rede von  den gemeinen leuten, die doch sonst vorhin hetten jhre kinder umb der pfreunde  und lehen willen lassen lernen Und nu allein umb der narung willen da von  halten, ob sie gleich keiner erben durffen, und dennoch von der schule halten,  unangesehen, das die kinder geschickt und tuechtig zu diesen ampten weren, und  sie wol damit kundten on alle not und hindernis Gott dienen. Solche tuechtige  knaben solt man zur lere halten, sonderlich der armen leute kinder, denn da zu  [Bl. D iij] sind aller stifft und kloester pfreunden und zinse verordent, Wie wol  daneben dennoch auch die andern knaben, ob sie nicht so wol geschickt weren,  auch sollten lernen, zum wenigsten latein verstehen, schreiben und lesen, denn  man darff nicht allein hochgelarte Doctores und Magister jnn der schrifft,

 

[ 22 lehen] leben EF 25 tuechtige] tuegliche D]

 

 

 

[Seite 546b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 546a

 man mus auch gemeine Pfarherr haben, die das Euangelion und Catechismus  treiben jm jungen und groben volck, teuffen und sacrament reichen &c.. Ob sie  nicht zum streit widder die Ketzer tugen, da ligt nicht macht an, Man mus zum  guten gebew nicht allein werckstuck, sondern auch fuelle stein1 haben, so mus  man auch Kuster und ander person haben, die da dienen und helffen zum  predig ampt und wort Gottes.

 

Und wenn schon ein solcher knabe, so latin gelernt hat, darnach ein  handwerck lernt und burger wird, hat man den selbigen jm vorrat, ob man  sein etwa zum Pfarher odder sonst zum wort brauchen muste, schadet jhm  auch solche lere nichts zur narung, kan sein haus deste bas regieren und ist  uber das zugericht und bereit zum predig ampt odder pfarr ampt, wo man sein  bedarff, Und sonderlich zu unsern zeiten ists ja leicht solche personen zu  erzihen, die das Euangelion und den Catechismus lernen muegen, weil jtzt  nicht allein die heilige schrifft, sondern auch allerley kunst reichlich am tage  ist mit so viel buechern, lesen, predigen (Gott lob), das man jnn dreien jaren  mehr kan lernen denn vorhin jnn zwentzigen, das auch weiber und kinder

 

[ 31 mit] nicht D]

 

 

 

[Seite 547b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 547a

aus den deudschen buchern und predigen jtzt mehr koennen (ich sage die warheit)  von Gott und Christo, denn vorhin alle hohe schulen, stifft, kloester, das gantze  Bapstum und alle welt gekund haben.1 Aber latinisch mussen die gemeinen  Pfarrher und Prediger koennen und muegen des nicht emperen, so wenig als die  gelerten des Griechisschen und Ebreischen emperen sollen, wie S. Augustinus  spricht, und das geistliche recht selbs setzt.

 

Ja, sprichstu, Wie? wenn es ubel gerett, das mein son ein ketzer odder  sonst ein bube wird? Denn die gelerten heisst man die verkereten &c..2 Wolan,  das mustu wogen, dein vleis und erbeit ist darumb nicht verloren, Gott  wird dennoch ansehen deinen trewen dienst und da fur rechen, als were es  gleich wol angelegt, Mustu doch wogen, wie er gerate jnn allen andern  sachen, wo zu du jhn ziehen wilt, Wie giengs dem lieben Abraham, dem sein  son Ismael auch nicht geriet, Isaac sein son Esau auch nicht, Adam sein son  Cain auch nicht? Solte Abraham darumb haben abgelassen seinen son Isaac,  und Isaac seinen son Jacob und Adam seinen son Habel zu Gottes dienst zu  zihen? Wie viel sind boeser koenige und leute gewest jnn dem heiligen ausserweleten

 

 

 

[Seite 548b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 548a

volck Jsrael, die mit ketzereien und abgoettereien all unglueck anrichten  und alle Propheten erwurgten, Solten drumb die priester Levi das gantze  volck haben lassen faren und niemand mehr zum Gottes dienst zihen? Wie  viel waren boeser priester und Leviten unter dem stam Levi, den Gott  selbs [Bl. D4] zum priester ampt erwelet hatte? Wie viel hat Gott leute auff  erden, die aller seiner guete und Creatur missebrauchen? Solt er darumb seine  guete lassen und keinen menschen leben lassen odder auff hoeren wol zuthun?

 

Auch das du nicht zu seer sorgest, wo dein son erneeret werde, wenn er  sich auff die lare gibt und zu solchem Goettlichen ampt und dienst, So hat  dich Gott auch nicht hierinn gelassen noch vergessen, auff das du ja nicht  [1. Kor. 9, 14] sorgen noch klagen sollest, Er hat verheissen durch Sanct Paulus 1. Corinthi. 9:  ‘Wer dem Euangelio dienet, sol vom Euangelio erneeret werden.’ Und Christus  [Matth. 10, 10] selbs Matthei 10: ‘Ein erbeiter ist seins lohns werd.’ Esset und trinckt, was  sie haben. Jm Alten testament, auff das sein predig ampt nicht untergienge,  erwelet er und nam das gantze geschlecht Levi, Nemlich das zwelfft teil des  gantzen volcks Jsrael, und gab jhn den zehenden vom gantzen volck, daruber  die ersten fruechte, allerley opffer, eigen stedte, vorstedte1, ecker, wisen, vieh und

 

 

 

[Seite 549b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 549a

was da zu gehoeret. Jm Newen Testament sihe zu, wie reichlich vorzeiten Keiser,  Koenige, Fursten und herrn gegeben haben zu solchem ampt, das jtzt die stifft  und kloester jnne haben und da mit Koenige und Fursten ubertreffen, Er wird  und kan nicht lassen, die jhm trewlich dienen, Er hat sich zu hoch versprochen  [Hebr. 13, 5] und gesagt Ebre. am dreitzehenden Capitel: ‘Jch will dich nicht lassen noch  verseumen.’

 

Auch so rechen du selbs, wie viel pfarrhen und Predigstuele, Schulen,  Kustereien fur handen sind, die noch jtzt das mehrer teil gnugsam versorget  sind und teglich ledig werden. Was sind das anders denn kuchen und keller  von Gott bestellet deinem son, das er seine narung schon hat zubereit, ehe er  sie brauchet und da zu nicht erwerben darff? Da ich ein junger student war,  hoeret ich sagen, das jm Furstenthum zu Sachssen (ist mir recht1) bey achtzehen  hundert pfarrhen weren2, Wo das war ist, und auff ein jgliche pfarrhe  gehoeren zum wenigsten zwo person, nemlich ein Pfarher und Kuster, aus  genomen, was jnn stedten Prediger, Caplan, Helffer, Schulmeister und  Collaboranten sind, das allein jnn solch Furstenthum bey den viertausent  gelerter personen gehoren, der teglich jnn zehen jaren wol das dritte teil  absterben. Nu wolt ich wetten, ob jnn halben deudschem lande jtzt vier

 

 

 

[Seite 550b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 550a

tausent schueler weren, Nu ich setze, das kaum acht hundert pfarrhen jnn dem  Furstenthum sind, wie viel wil der wol jm gantzen deudschen lande sein?  Jch wil gern sehen, wo man uber drey jar wolle Pfarher, Schulmeister,  Kuester nemen. Werden wir hie nicht zu thun, und sonderlich die Fursten  dran sein, das beide knaben Schulen und hohen schulen recht angericht werden,  so wird ein solcher mangel an personen werden, das man wird drey odder  vier stedte einem Pfarher und zehen dorffer einem Capplan befelhen mussen,  kan man sie dennoch1 auch noch haben.

 

Da ligen die hohen Schulen Erfford, Leiptzig [Bl. E 1] und ander mehr  wuest so wol als die knaben schulen hin und wider, das jamer zu sehen ist,  Und fast allein das geringe Wittemberg mus jtzt das beste thun2, Und solchen  mangel werden ja die stifft und kloester auch (acht ich) fulen, solten sie ein  gut jar haben3, Sie werdens ja nicht so hoch hinaus singen4, wie sie es  angefangen haben, weren sie noch so kraus5, odder sollen die personen mussen6

 

 

 

[Seite 551b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 551a

 leiden und anbeten jnn jhren Capiteln, von denen sie sich vorhin nicht gern  hetten lassen ansehen. Darumb las nur getrost lernen dein kind, Es wird  an leuten ehe mangeln denn an gutern, Villeicht, wo die welt lenger stehet,  und Gott gnade gibt, das die Fursten und Stedte da zu thun, muegen der  stifft und kloester guter auch widder zu solchem brauch komen, da zu gestifft  sind, Und was darffs vil sorgens fur den bauch? Da stehet Christus und  [Matth. 6, 31 –33] spricht Matth. 6: ‘Sorget nicht, was jhr essen und trincken werdet, Ewr himlisscher  Vater weis wol, das jhr solchs bedurffet, Sucht zum ersten das reich  Gottes und seine gerechtigkeit, so sol euch das alles zu komen.’ Wer dem  nicht gleubt, der sorge jmer hin und sterbe hungers da zu!

 

Wie wol es war ist, das ettliche jar her viel Pfarher grossen hunger  gelidden und noch leiden, Das mus man schuld geben dem paroxysmo1 jnn  der welt, das die leute so boese, undanckbar und geitzig sind Und da zu das  Euangelion verfolgen, da mit uns Gott versucht, ob wir rechtschaffen sind,  Und nicht anders zu rechen ist, denn als sey es umb die zeit der Merterer,  [2. Kor. 11, 27] da die frumen lerer auch grosse not und armut lidden, wie Paulus selbs

 

[ 21 da zu] dazu sie BCEF 31 sey] sie D]

 

 

 

[Seite 552b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 552a

 [Matth. 9, 15] rhumet, und Christus auch verkuendigt Matthei. 9: ‘Wenn der breutgam von jhn  genomen wird, denn werden sie fasten.’ Das ist die recht Euangelische fasten.  [1. Mose 12, 10; 26, 1; 41, 56 f.; 1. Kön. 18, 2; 2. Kön. 4, 38] Es ist auch selten Gottes wort auff gangen, es ist eine theure zeit mit komen1,  als zu Abraham, Isaac, Jacob, Joseph, Elias, Elisens zeiten waren grausame  theurung neben so grossem liecht der warheit, Und jm anfang des Euangelij  [Apg. 11, 28] war eine grosse theurung durch die gantze welt Act. 11. Das mus denn des  lieben Euangelij und Gottes wort schuld sein und nicht der wellt vorigen missethat  und gegenwertiger verstockter undanckbarkeit. Also gaben die Juden alle  [Jer. 44, 16 ff.] jhren jamer schuld der lere Jeremie Jere. 44, Und die Roemer, da sie von den  Gotten wurden zerstoeret, wustens auch niemand schuld zu geben, denn das sie  Christen worden weren, Da widder Sanct Augustinus ein gros buch geschrieben  hat, De Civitate Dei.

 

Aber las wasschen, wer da wesscht, die wellt ist welt, Wie jhene zu  luegenern worden und untergangen sind, so sollen diese auch zu luegenern  werden und vergehen, das dennoch Christus und sein wort bleibe, Er sitzt  [Ps. 110, 1] wol so fest und hoch, wie geschrieben stehet: ‘Der HERR sprach zu meinem  HErrn: setze dich zu meiner rechten.’ Da sitzt er, Wer lust da zu hat und

 

[ 31 luegener (1.) E (F) 32 vergehen] under gehen D]

 

 

 

[Seite 553b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 553a

boese ist, der reiss jhn herunter, so lange aber er da sitzen bleibt, wollen wir  auch bleiben.1 Was gilts? Und jnn Summa: Es mag leicht dein kind so  viel narung vom predig [Bl. Eij] ampt haben als von einem hand werck, Es  were denn sache, das du nach grossem gut trachtest, aus deinem son einen  grossen herrn zu machen fur der welt, wie die Bischoffe und Thum herrn  sind. Bistu des gesinnet, so gehet dich diese rede nicht an, Jch rede jtzt mit  den gleubigen, die das predig ampt ehren und hoch achten uber allen reichtum  als nehest Gott selber den hoehesten schatz, den menschen gegeben, Das sie wissen,  wie grossen dienst sie Gott daran thun koennen und sollen, als die da lieber  wollen dieses wercks teilhafftig sein auch mit geringem gut, denn der wellt  gueter haben und dieses emperen, die selbigen werden wol erkennen, das die  seele mehr ist denn der bauch, und der bauch leicht mag gnug haben und doch  das ubrige hinder sich lassen muesse. Aber die reichtum suchen, die werden  alle jhr gut mit sich nemen und nichts hindersich lassen, Wie kans jhn  feilen? Das sey zu einem teil dieses Sermons eilend und kuertzlich angezeigt  vom geistlichen nutz und schaden, so man hat aus der Schulen erhaltung und  verachtung.

 

 

 

[Seite 554b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 554a

 

Das Ander teil sol sein vom zeitlichen odder welltlichen nutz  und schaden. Und zum ersten jsts wol war, das die weltliche oberkeit  odder ampt gar jnn keinen weg zuvergleichen ist dem geistlichen predig ampt, wie  [Kol 1, 25] es S. Paulus nennet, Denn es ist nicht so theur und hoch erarnt durch das  blut und sterben des sons Gottes wie das predig ampt, So kans auch nicht  solche grosse wunder und werck thun, wie das predig ampt, Denn alle werck  dieses standes gehen und gehoeren allein jnn dis zeitlich, vergenglich leben, zu  erhalten leib, weib, kind, haus, gut und ehre, und was zu dieses lebens not  durfft gehoeret. So viel nu das ewigeleben ubertrifft dis zeitliche leben, so  weit und hoch gehet auch das predig ampt uber welltliche ampt, das ist: gleich  wie ein schatten gegen dem coerper selbs, Denn welltliche herrschafft ist ein  bilde, schatten und figur der herrschafft Christi, Denn das predig ampt (wo  es ist, wie es Gott geordent hat) bringt und gibt ewige gerechtigkeit, ewigen  [2. Kor. 4, 1 ff.] fride und ewiges leben, wie S. Paulus solchs hoch preiset 2. Corint. 4. Aber  das welltlich regiment erhelt zeitlichen und vergenglichen frieden, recht und leben.

 

Aber dennoch ists eine herrliche Goettliche ordnung und eine treffliche  gabe Gottes, der es auch gestifft und eingesetzt hat und auch wil erhalten  haben, als des man aller ding nicht emperen kan, Und wo es nicht were, kundte

 

 

 

[Seite 555b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 555a

kein mensch fur dem an- [Bl. Eiij] dern bleiben, Es muste einer den andern  fressen, wie die unvernunfftigen thier unternander thun, Darumb gleich wie  des predig ampts werck und ehre ist, das es aus sundern eitel heiligen, aus  todten lebendige, aus verdampten seligen, aus teuffels dienern Gottes kinder  macht, Also ist des welltlichen regiments werck und ehre, das es aus wilden  thieren menschen macht und menschen erhellt, das sie nicht wilde thiere werden.  Es erhellt einem jglichen seinen leib, das den nicht jederman erwurgen musse,  Es erhellt jglichem sein weip, das nicht jederman das selbige nemen und  schenden muesse, Es erhellt jglichem sein kind, tochter und son, das jhm das  selbige nicht jederman entfuren noch entwenden muesse, Es erhellt jglichem sein  haus und hoff, das nicht ein jderman hinein brechen noch drinnen freveln  muesse, Es erhellt jglichem sein acker, vihe und allerley gueter, das die selbigen  nicht ein jderman angreiffen, stelen, rauben, beschedigen muesse, Welchs alles  unter den thieren nicht ist, Und wurde auch unter den menschen nicht sein,  wo weltlich regiment nicht were, sondern wurden gewislich aus menschen eitel  thiere werden. Meinstu nicht, wenn die vogel und thiere reden koendten und  das weltliche regiment unter den menschen sehen solten, sie wurden sagen:  “O jhr lieben menschen, jhr seid nicht menschen, sondern eitel Gotter gegen

 

 

 

[Seite 556b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 556a

 uns, wie gar sicher sitzt, lebt und habt jhr alle ding, Wir aber so gar  keins fur dem andern eine stunde sicher sind, weder lebens, hauses noch narung,  Wehe ewr undanckbarkeit, das jhr nicht sehet, wie ein herrlich leben euch  unser aller Gott fur uns thieren gegeben hat!”

 

Weil denn nu das gewis ist, das es ein Goettliche creatur und ordnung,  da zu uns menschen jnn diesem leben ein noetiges ampt und stand ist, des  wir eben so wenig emperen koennen als des lebens selber, Sintemal on das  selbige ampt dis leben nicht bleiben kan, So ists leicht zu rechen, das Gott  nicht darumb befolhen und gestifft hat, das es solle untergehen, sondern wils  [Röm. 13, 4 1. Petri 2, 13 f.] erhalten haben, wie Paulus Rom. 13 und 1. Petri 3 klerlich stehet, das sie  sollen die frumen schuetzen und die boesen straffen. Wer wils nu erhalten on  wir menschen, den es Gott befolhen hat und die sein auch selbs warlich  durffen? Die wilden thier werdens nicht thun, holtz und steine auch nicht.  Welche menschen aber koennens erhalten? Fur war nicht allein die mit der  faust herrschen wollen, wie jtzt viel sich lassen duncken, denn wo die faust  allein sol regieren, so wird gewislich zu letzt ein thier wesen draus, das, wer  den andern ubermag, stosse jhn jnn den sack, wie wir fur augen wol exempel  gnug sehen, was faust on weisheit odder vernunfft guts schafft.

 

[ 20 dem] den D]

 

 

 

[Seite 557b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 557a

 

[Spr. 8, 14 f.] Darumb sagt auch Salomon Proverb. 8, das Weisheit musse regieren  und nicht die gewalt, und spricht von der selbigen also: ‘Mein ist beide rat  und hulffe, Mein ist beide verstand und vermuegen, Durch mich mussen  [Pred. 9, 18] Koenige koenige sein, und Rethe recht sitzen.’ Und Ecclesiastis 10: ‘Weisheit ist  [Pred. 9, 16] [Bl. E4] besser denn harnsch odder woffen’, Und aber mal: ‘Weisheit ist besser  denn krafft.’ Das alles beweiset alle erfarung jnn allen Historien, das nie  kein mal gewalt on vernunfft odder weisheit hette etwas ausgericht. Also  gar, das auch die moerder und tyrannen, wo sie nicht klueglich faren und  ettliche recht, rat und gesetze unter sich und fur sich nemen (ob sie gleich boese  sind), darnach sie die faust und jhre gewalt richten und brauchen, so konnen  sie nicht bleiben, sondern werden unter einander uneins und vergehen von sich  selbs. Das kurtz umb nicht faust recht, sondern kopffrecht, nicht gewalt,  sondern Weisheit odder vernunfft mus regieren unter den boesen so wol als  unter den guten.

 

Dem nach, weil unser regiment jnn deudschen landen nach dem Roemischen  Keiserlichen recht sich richten mus und sol, Welchs auch unsers regiments  Weisheit und vernunfft ist, von Gott gegeben, So folget, das solch regiment  nicht kan erhalten werden, sondern mus zu grund gehen, wo man solche recht  nicht erhellt, Nu wer wills erhalten? Faust und harnsch thuns nicht, es

 

[ 23 alle] die EF        nie] noch nie D 25 klueglich] weißlich D 36 thuns nicht] werdens fürwar nit thůn D]

 

 

 

[Seite 558b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 558a

mussen die koepffe und bucher thun, Es mus gelernt und gewuest sein, was  unsers welltlichen reichs Recht und Weisheit ist, Wie wol es fein ist, wo ein  Keiser, Furst, Herr selbst von natur so weise und klug ist, das er das recht  auswendig treffen kan, wie Hertzog Fridrich zu Sachsen, Und Er Fabian von  Feylitz1 (die ich erfaren habe) kundten (Die lebendigen wil ich nicht nennen).  Aber weil solche vogel seltzam sind und da zu das exempel ferlich, Auch umb  der andern willen, die solchs von natur nicht vermuegen, ists besser jnn  stettigem regiern das gemein buchrecht halten, so hats deste mehr ansehen  und glimpff2 und darff keines wunders noch sonders.

 

So sind nu die Juristen und gelerten jnn diesem welltlichen reich die  personen, so solch recht und da durch das welltlich reich erhalten, Und gleich  wie ein frumer Theologus und rechtschaffener prediger jnn Christus reich  Gottes Engel, ein Heiland, Prophet, Priester, Haus knecht und lerer heisst  (wie droben3 gesagt), Also moecht man einen frumen Juristen und einen trewen  gelerten jm welltlichen reich des Keisers wol Prophet, priester, Engel und

 

 

 

[Seite 559b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 559a

 heiland heissen. Widderumb, wie ein ketzer odder falscher prediger jm reich  Christi ein Teuffel, dieb, morder, lesterer ist, Also ist ein falscher, untrewer  Jurist jns keisers hause odder reich ein dieb und schalck, ein verrether, boesewicht  und des gantzen reichs teuffel. Wenn ich aber von den Juristen sage,  meine ich nicht allein die Doctores, sondern das gantze handwerck als Cantzler,  schreiber, Richter, Fursprechen1, Notarius und was zum rechte des regiments  gehoeret, Auch die grossen Hansen2, so man die Rethe zu hofe nennet, Denn sie  uben auch das werck der rechten odder ampt der Juristen, Und wie das wort  Rethe nicht weit vom wort Verrether ist, So ist der selbigen auch viel nicht  weit von der that, Raten zu weilen jhren herrn mit solchen trewen, das sie  kein Verrheter so wol verrhaten kuendte.

 

[Bl. F 1] Nu sihestu, was nutz ein frumer rechts kuendiger odder Jurist  thun kan, Ja, wer wills odder kans alles erzelen? Denn was Gottes werck  und ordnung ist, das schaffet jmer dar so viel und grosse fruecht, das sie nicht  zur zelen noch zu begreiffen sind, Erstlich: Erhellt er und hilfft fordern mit  seinem buch (durch Goettlich ordnung) das gantz welltlich regiment, Keiser,

 

[ 31 zu zelen C]

 

 

 

[Seite 560b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 560a

 Fursten, Herrn, Stedt, Land und leute (Wie droben gesagt), Denn solche  alle muessen durch weisheit und recht erhalten werden, Wer wil aber dis  werck allein gnug preisen? Dar aus hastu denn schutz und schirm deines  leibes und lebens widder nachbar, feinde, moerder, Darnach schutz und friede  deines weibs, tochter, sons, haus, hoff, gesind, gelt, gut, acker und was du  hast, Denn das ist alles jm Recht verfasset, bemauret1 und wol gehegt,  Wie gros das alles sey, kund man mit keinen buchern nimer mehr aus  schreiben, denn wer wil aus spreche, was der liebe fride fur ein unaussprechlich  gut ist? Wie viel er ein jar allein beide gibt und ersparet?

 

Solche grosse werck kan nu dein son alle thun und solch ein nuetzliche  person werden, wo du jhn da zu heltest und lernen lesst, Und du desselbigen  alles teilhafftig kanst werden und dein gellt also koestlich an legen, Solt dirs  nicht sanfft thun und ein grosse ehre sein, wenn du sehest deinen son einen  Engel jm Reich und einen Apostel des Keisers, da zu einen eckstein und grundfest  des zeitlichen frides auff erden? Und solch alles gewis, das es Gott selbs  da furhelt und jnn der warheit also ist? Denn wie wol man durch solche  werck fur Gott nicht frum noch selig wird, So ist doch das ein froelicher

 

[ 22 acker] aecker C 26 ersparet] sparet EF 27 solch] so D]

 

 

 

[Seite 561b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 561a

trost, das Gotte solche werck so wol gefallen Und noch mehr gefallen, wo ein  solcher man da zu auch ein gleubiger und jnn Christus reich ist, Denn da  mit danckt man jhm fur seine wolthat und opffert das schoenest danckopffer,  den hoehesten Gottes dienst.

 

Du muestest ja ein grober, undanckbarer klotz und billich von den  menschen unter die thiere zu jagen sein, wenn du sehest, das dein son kundte  ein man werden, der dem Keiser sein Reich, schwert und kronen erhalten  hulffe, dem Fursten sein land regieren, Stedten und landen raten und helffen,  So manchem man seinen leib, sein weib, kind, gut und ehre helffen schuetzen,  und nicht woltest so viel dran wogen, das er lernen und hie zu komen moecht.  Sage mir, was thun alle Stifft und kloester der gleichen? Jch wolt eines  trewen, frumen Juristen und schreibers werck nemen fur aller Pfaffen, Munch  und Nonnen heiligkeit, wo sie am besten sind, Und wenn dich solche grosse,  gute werck nicht bewegen, solt dich doch wol allein Gottes ehre und wolgefallen  bewegen, da du weisst, das du Gott da mit so herrlich danckest und  einen solchen grossen dienst thust, wie gesagt ist. Es ist jhe eine schendliche  verachtung Gottes, das wir solche herrliche Goettliche werck unsern kindern  nicht goennen und stecken sie allein jnn des bauchs und geitzs dienst, lassen sie

 

 

 

[Seite 562b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 562a

 nichts lernen denn narung suchen, gleich wie eine saw mit [Bl. Fij] der nasen  jmer jm kot wuelen, und nicht zihen zu solchem wirdigen stand und wesen.  Wir werden gewislich unsinnig sein muessen odder haben unser kinder nicht  recht lieb.

 

Hoere aber weiter zu. Wie? wens Gott von dir haben wil und foddert  dein kind zu solchem ampt? Denn du bist ja schuldig deinem Gott solchen  stand helffen zurhalten, wo du kanst, Nu kan er nicht erhalten werden, wo  man knaben nicht zur lere und zun schulen hellt, das hat ja keinen zweivel,  Und darff wol jnn diesem stande geschickter leute denn jm predig ampt, das  hie not sein wil, die besten knaben her zu halten, Denn jm predig ampt  thuts Christus fast gar durch seinen geist, Aber jnn welltlichem reich mus  man aus der vernunfft (da her die Rechte auch komen sind) handeln, denn  Gott hat der vernunfft unterworffen solch zeitlich regiment und leiblich wesen,  [1. Mose 2, 19] Gene. 2, und nicht den heiligen geist vom himel da zu gesand, darumb ists  auch schwerer, weil es die gewissen nicht regieren kan, und mus, so zu rechen1,  jm finstern handeln.

 

Hastu nu ein kind, das zur lare tuechtig, und kanst jhn da zu halten,  Thusts aber nicht, gehest hin und fragest nicht dar nach, wo welltlich Reich

 

[ 34 nu fehlt D]

 

 

 

[Seite 563b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 563a

bleibe, beide mit recht und friede &c.., So thustu, so viel an dir ist, widder  welltliche oberkeit, wie der Turcke, ja wie der teuffel selbs, Denn du entzeuchst  dem Reich, Furstenthum, Land, Stad einen heiland, trost, eckstein,  helffer und Retter, Und deinet halben verleuret der Keiser beide schwerd und  kronen, Das land verleuret schutz und friden, Und du bist der man, durch  des schuld (so viel an dir ist) kein man sein leib, weib, kind, haus, hoff,  guter sicher haben muege, Sondern du opfferst sie alle frey da hin, auff die  fleissch banck1, Und gibst ursach, das aus allen menschen eitel thier werden,  und fresse zu letzt eins das ander, Solchs alles thustu gewislich, sonderlich,  wo du wissentlich dein kind von solchem heilsamen stand umb des bauchs  willen zeuchst. Bistu nu nicht ein feiner nuetzer man jnn der wellt? der du  brauchest teglich des Reichs und seines frieden, und du widderumb zu danck  raubest dem selben deinen son und steckest jhn jnn den geitz und strebst da  mit darnach mit allem vleis, das niemand sey, der das Reich, recht und  friede helffe erhalten, sondern alles zu boden gehe, so du doch selbs, dein leib  und leben, gut und ehre durch solch regiment hast und beheltest.

 

Was meinestu, das du hie mit verdienest? Bistu auch werd, das du  bey menschen wonen sollest? Was wird Gott aber da zu sagen, der dir kind

 

 

 

[Seite 564b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 564a

und gut da zu geben hat, das du solt jhm da mit dienen und dein kind zu  Gottes dienst halten? Jsts aber nicht Gott gedienet, so man seine ordnung  und welltlich regiment hilfft erhalten? Nu lesst du solchen dienst, als gienge  er dich nicht an, odder als werestu fur allen menschen frey und nicht schueldig  Gott zu dienen, Sondern mit deinem kind und gut zu machen, was dir gefellet,  es falle Gott beide mit welltlichem und geistlichem reich jnn abgrund, [Bl. Fiij]  Wilt gleichwol teglich des Reichs schutz, fride und rechts brauchen und das  predig ampt und Gottes wort dir bereit haben und dienen lassen, das also  Gott dein diener muesse sein gar umb sonst, beide mit predig ampt und welltlichem  stande, auff das du one sorge muegest dein kind die weil von jhm  wenden und allein dem Mammon dienen leren. Meinstu nicht, Gott werde  deinem geitz und bauch sorge ein Benedicite sprechen1 ein mal, das du beide  mit kind und mit allem hie und dort verderbest? Lieber, erschrickt dein hertz  nicht fur solchen grewlichen grewel deiner Abgoetterey, Gottes verachtung,  undanckbarkeit, verstorunge aller beider Gottes stifft und ordnung, ja aller  menschen schaden und verderbung? Wolan, ich wil dirs gesagt und dich

 

 

 

[Seite 565b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 565a

gewarnet haben, Sihe du zu, du hoerest beide nutz und schaden, den du thun  kanst, Thu, welchs du willt, so wird dirs Gott wol vergelten.

 

Jch wil hie schweigen, wie eine feine lust es ist, das ein man gelert  ist, ob er gleich kein ampt nimer mehr hette, das er daheimen bey sich selbs  allerley lesen, mit gelerten leuten reden und umbgehen, jnn frembden landen  reisen und handeln kan, Denn was solcher lust ist, bewegt villeicht wenig  leute, Aber weil du denn ja den Mammon und narung so fast suchest, so  sihe doch hie, wie viel und grosse gueter Gott auff die schulen und gelerten  gestifft hat, das du die lare und kunst nicht von des armuts wegen darffst  verachten. Da sihe: Keiser und Koenige muessen Cantzler und schreiber, Rethe,  Juristen und gelerten haben, Kein Furst ist, er mus Cantzeler, Juristen, Rethe,  gelerte und Schreiber haben, Also auch alle Graven, Herrn, Stedte, Schlosser  muessen Sindicos, Stad schreiber und sonst gelerte haben, Jst doch kein Eddel  man, er mus einen schreiber haben, Und das ich von gemeinen gelerten auch  sage, wo sind noch die Berckwerck, Kauff leute, Hantierer? Zele doch: wie  viel sind Koenige, Fursten, Graven, Herrn, Stedte und Flecken &c..? Wo wil  man uber drey jar doch gelerte leute nemen, so all bereit hin und widder der  mangel anhebet? Jch halt warlich: Koenige muessen Juristen, Fursten muessen  Cantzler, Graven und Herrn muessen schreiber, Burgermeister muessen Kuester werden.

 

 

 

[Seite 566b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 566a

 

Thut man hie zu nicht anders bey zeit, so muessen wir Tattern und  Turcken werden, odder wird widderumb ein ungelerter Locat oder baccchant1  ein Doctor und Rat zu hofe werden. Darumb halt ich, das nie kein besser  zeit gewesen sey zu studiern denn jtzt, nicht allein des halben, das die kunst  jtzt so reichlich und wolfeil fur handen ist, Sondern auch, das gros gut und  ehre folgen mus, und die, so zu dieser zeit studiern, werden theure leute sein,  da sich noch umb einen gelerten zween Fursten und drey Stedte reissen werden,  Denn du sihest ja uber dich odder umb dich, so findestu, das unzelige empter  auff die gelerten warten, ehe noch zehen jar verlauffen, und doch wenig sind,  die da zu gezogen werden, Und ist nicht allein solch gros gut auff solche  schulen und schuler von Gott bestellet, Jst da zu auch ein ehrlich [Bl. F4]  Goettlich gut, Denn es wird verdienet durch Goettlichen ehrlichen stand mit  vielen herrlichen, guten, nuetzlichen wercken, die Gott gefallen und sein dienst  heissen, Da gegen der geitz wanst sein gut mit verachten (sinds nicht auch  Gottlose und sundliche werck) und mit feindseligen wercken erwirbt, dar jnn  er kein frolich gewissen haben, auch nicht sagen kan, das es Gotte gedienet

 

 

 

[Seite 567b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 567a

 heisse, Nu wolt ich ja lieber zehen gulden verdienen mit eim werck, das Gottes  dienst hiesse, denn tausent gulden mit einem werck, das nicht Gottes dienst  hiesse, sondern allein mein eigen nutz und Mammon were.

 

Uber solchs ehrlich gut haben sie auch ehre, Denn Cantzler, Stadschreiber,  Juristen und das volck jnn seinen ampten mus mit oben an sitzen,  helffen raten und regieren, wie droben gesagt ist, und sie sind mit der that  die herrn auff erden, obs sie es wol der person, geburt und stands halben  [Dan. 6, 27] nicht sind, Denn Daniel spricht, Er habe des Koenigs werck muessen thun,  Und ist auch war: Ein Cantzler mus Keiserliche, Koenigliche, Furstliche werck  odder geschefft aus richten, Ein Stadschreiber mus des Rats und der stad  werck thun, Und das alles mit Gott und mit ehren, dazu Gott segen, gluck  und heil gibt, Und was ist ein Keiser, Koenig, Furst selbs, wenn sie nicht  kriegen, sondern mit dem recht regiern, denn eitel Schreiber odder Juristen,  so man nach dem werck da von redet? Denn sie gehen ja mit dem recht  umb, welchs ist ein Juristisch und Schreiberisch werck, Und wer regirt land  und leute, wenn friede und nicht krieg ist? Thuns die reissigen odder feld  heubt [Bl. F 4b] leute? Jch meine ja, es thu die schreibfedder, Was macht nu  jnn des der geitz wanst mit seinem Mammon, der zu solchen ehren nicht koemet  und beschmutzt sich die weil mit seinem rost fressigem gelde?

 

 

[ 35 leute? Jch] leute? fehlt im Text, steht nur im Kustoden A]

 

 

 

[Seite 568b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 568a

 

Also rhumet der Keiser Justinianus selbs: Oportet maiestatem imperatoriam  non solum armis decoratam, sed etiam legibus armatam esse &c..,  Keiserliche maiestet (spricht er) mus nicht allein mit harnsch odder woffen  gezieret, sondern auch mit Rechten geharnscht oder gerustet sein. Da sihe,  wie ebenteurlich verkeret dieser Keiser seine wort, das er die Rechte nennet  seinen harnsch und woffen, und die woffen nennet er seinen schmuck und zierde,  wil seine Schreiber auch zu Kurisser1 und krieger machen, und ist warlich  fein geredt, Denn die Rechte sind auch warlich der rechte harnsch und woffen,  die land und leute, ja das Reich und welltlich regiment erhalten und schirmen,  wie droben1 gnugsam erzelet ist, das weisheit besser sey denn macht, Und sind  auch die frumen Juristen die rechten Kuerisser, die den Keiser und Fursten  bewaren, Welcher sprueche viel auch aus den Poeten und Historien zu furen  [Pred. 9, 15] weren, aber es wird zu lang. Salomon rhumet selbs Ecclesiastis 9, das ein  armer man habe eine stad durch seine weisheit errettet widder einen mechtigen  Koenig.

 

Nicht das ich hie mit den kriegern, reissigen, und was zum streit gehoeret,  wolle abgebrochen, veracht odder verworffen haben, Sie helffen auch (wo  [Bl. G 1] sie gehorsam sind) friede und alles schuetzen mit der faust, Ein iglichs

 

 

 

[Seite 569b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 569a

hat seine ehre von Gott so wol als seine ordenung und werck. Jch mus aber  mein handwerck auch ein mal preisen, weil mir die nachbarn so ubel geraten  sind, und veracht wil werden, gleich wie auch Sanct Paulus sein ampt jmer  dar preiset, das etliche meinen, er thu zu viel und sey hoffertig, Wer die  faust und kriegs leut loben und ehren wil, der findet gnug, da mit sie zu  loben sind, So habe ichs auch jnn andern buechlin (hoff ich) redlich und  weidlich gethan.1 Denn es gefallen mir die Juristen und Schreiberlinge auch  nichts, die sich also loben, das sie andere stende verachten odder spotten, als  weren sie es alleine und tuechte sonst niemand jnn der welt denn sie, wie die  Schuerlinge2 bis her auch gethan sampt dem gantzen Bapsttum, Man sol  alle stende und werck Gottes auffs hohest loben als man jmer kan, und keins  [Ps. 111, 3] umb des andern willen verachten, denn es stehet geschrieben: ‘Confessio et  magnificentia opus eius’, ‘Was Gott macht, das ist huebsch und fein’, Und  [Ps. 104, 31] aber mal Psalm 104: ‘Gott gefallen seine werck wol.’ Und sonderlich sollen  prediger den leuten und Schulmeister den knaben und Elter den kindern solche  gedancken von jugent auff ein bilden, das sie wol lernen, welche stende und  empter Gottes heissen odder von Gott geordent sind, Wenn sie es denn

 

 

 

[Seite 570b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 570a

[ 17 nu] so EF 23 nicht] glat nicht D 24 lust (2.)] kurtzweile und lust D 25 Wenn sie] Und wenn sie schon so D 26 dennoch das] dennocht anders nichts, den̄ das D]

 

nu wissen, das sie ja keinen verachten, spotten, noch ubel da von reden, sondern  alle sampt ehren und herrlich da von halten, das gefellt Gott wol und  dienet zu fride und einigkeit, Denn Gott ist ein grosser Herr, hat mancherley  haus gesinde.

 

Widderumb findet man auch ettliche Scharrhansen1, die sich lassen  duencken, der name Schreiber sey kaum werd, das sie jhn nennen oder hoeren  sollen, Wolan, da kere dich nicht an, denke also, die guten gesellen muessen  auch ettwa eine kuertzweile und lust haben. So las doch diese lust sein, Du  bleibst dennoch wol ein Schreiber fur Gott und der wellt, Wenn sie lange  scharren, so sihestu dennoch, das sie die fedder auffs aller hohest da gegen  ehren, setzen sie oben auff hut und hellm, als solten sie mit der that bekennen,  das die fedder sey das oberst jnn der wellt, on welche sie auch nicht gerust  zum streit noch jm friden da her gehen kuendten, viel weniger so sicher scharren,  Denn sie muessen auch des friedes brauchen, den des Keisers prediger und lerer  (die Juristen) leren und erhalten, Darumb so sihestu, das sie unsers handwercks  zeug, die liebe fedder, zu oberst setzen (und billich), da sie jhrs hand  wercks zeug, das schwert, umb die lenden gurten, da hengets auch fein und

 

 

 

[Seite 571b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 571a

wol zu jhrem werck, Auff dem kopff stuend es nicht wol, da mus die fedder  schweben, Haben sie gesundigt an dir, wolan, so buessen sie hie mit, und  sollts jhn vergeben.

 

Doch weil ich so eben drauff kome, das die Schreiberey so feindselig ist  bey vielen Hansen, — denn sie wissen odder achtens nicht, das ein Goettlich  ampt und werck ist, sehen auch nicht, wie not und nuetz es der wellt sey, Und  wenn sie es (da Gott fur sey) sehen wuerden, so were es mit allen sachen  zu lange geharret — So soltu also thun: Las sie faren und sihe dich umb  nach feinen frumen Eddel leu-[Bl. Gij]ten als Grave George von Werdheim  seliger1, Herr Hans von Schwarzenberg2 Herr George von Fronsberg3 und  der gleichen seligen (Jch wil der lebendigen schweigen), An den selbigen labe  [1. Mose 19, 21] und troeste dich und dencke: Gott ehret umb eines mannes Lot willen die  [2. Kön. 5, 1] gantze stad Zoar und umb eines Naaman willen das gantz land Syria und  [1. Mose 41, 47] umb eines Josephs willen das gantze Koenigreich Egypten, Warumb woltestu  nicht auch den gantzen Adel ehren umb vieler redlicher eddel leute willen, der  du on zweivel viel fur dir hast? Und wenn du die selbigen ansihest, mustu

 

 

 

[Seite 572b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 572a

 dencken, Es sey kein boeser mehr da, Wie koeme der schoene baum, der liebe  Adel, dazu, das nicht auch unzeitige fruechte da von fallen und ettliche nicht  auch wormstichig odder wartzicht sein solten? Der baum ist darumb nicht  verdampt noch boese. Also thun die kinder Gottes, Denn Gott selbs verschonet  dem gantzen menschlichem geschlecht umb eines menschen willen, der Jhesus  Christus heist, Solt er die menschen ansehen allein, so were eitel zorn da,  Doch sol predig ampt und weltlich oberkeit solchs nicht thun, das sie kein  boeses wolten achten noch ansehen, Denn die sollen die boesen straffen, jhenes  mit dem wort, dis mit dem schwert, Jch rede jtzt mit eintzelen personen als  mit Christen, das sie lernen sollen unterscheiden, was Gotts werck sey und  was menschen bosheit sey, Es sind In allen Goettlichen ampten und stenden  viel boeser menschen. Aber der stand ist und bleibt dennoch gut, wie hoch  auch die menschen des misbrauchen, Man findet viel boeser weiber, viel falscher  knecht, viel untrewer megde, viel schedlicher Amptleute und Rethe, Aber nichts  deste weniger ist Frawen stand, Knecht und Magd stand und alle ampt gleich  wol Gottes stifft, werck und ordnung, Die sonne bleibt gut, ob wol die

 

[ 31alle ampt] alle sampt C]

 

 

 

[Seite 573b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 573a

gantze wellt der selbigen missebraucht, einer zu rauben, einer zu morden, einer  dis, der ander das ubel aus zurichten, Und wer kundte etwas ubels thun,  wo jhm die sonne nicht da zu leuchtet, die erde truege und ernerete, die lufft  erhielte, Und Gott selbs jhn so behuetet? Es heisst und bleibt: ‘Omnis creatura  [Röm. 8, 20] subiecta est vanitati, sed non volens’, Roma. 8.

 

Es meinen wol ettliche, das Schreiber ampt sey ein leicht geringe ampt,  Aber jm harnissch reiten, hitz, frost, staub, durst und ander ungemach leiden,  das sey eine erbeit, Ja, das ist das allte gemein teglich liedlin, das keiner  sihet, wo den andern der schuch druckt1, Jderman fulet allein sein ungemach  und gaffet auff des andern gut gemach.2 War ists, Mir were es schweer jm  harnissch zu reiten, Aber ich wolt auch gern widderumb den reuter sehen,  der mir kundte einen gantzen tag still sitzen und jnn ein buch sehen, wenn er  schon nichts sorgen, tichten, dencken noch lesen solt, Frage einen Cantzel  schreiber, Prediger und Redener, was schreiben und reden fur erbeit sey, frage  einen Schulmeister, was leren und knaben zihen fur erbeit sey. Leicht ist die  schreibfedder, das ist war, ist auch kein handzeug unter allen handwercken bas  zu erzeugen denn der schreiberey, denn sie bedarff allein der gense fittich, der  man umb sonst allent halben gnug findet, Aber [Bl. G iij] es mus gleich

 

 

 

[Seite 574b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 574a

 wol das beste stuecke (als der kopff) und das edleste gelied (als die zunge) und  das hohest werck (als die rede), so am menschem leibe sind, hie her halten  und am meisten erbeiten, da sonst bey andern entweder die faust, fuss, rucken  odder der gleichen glied allein erbeiten, und koennen da neben froelich singen  und frey schertzen, das ein schreiber wol lassen mus, Drey finger thuns (sagt  man von Schreibern), Aber gantz leib und seel erbeiten dran.

 

Jch hab von dem loeblichen theuren Keiser Maximilian hoeren sagen,  Wenn die grossen Hansen drumb murreten, das er der Schreiber so viel brauchte  zu Bottschafften und sonst, das er sol gesagt haben: Wie sol ich thun? sie  wollen sich nicht brauchen lassen, so mus ich Schreiber da zu nemen. Und  weiter: Ritter kan ich machen, Aber Doctor kan ich nicht machen1, So  hab ich auch von einem feinen Eddel man gehoeret, das er sagt: Jch wil  meinen son lassen studieren, Es ist nicht grosse kunst, zwey bein uber ein  ross hengen und reuter werden, das hat er mir bald gelernt, und ist fein  und wol geredt2, Das wil ich aber mal nicht zu verachtung des reissigen  standes noch einiges andern standes, sondern widder die losen Scharr hansen

 

[ 17 menschen] menschem A 29 hat er mir BCEF] her mir A hend wir D]

 

 

 

[Seite 575b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 575a

 gesagt haben, die alle lere und kunst verachten und nichts rhumen koennen,  denn das sie harnissch furen und zwey bein uber ein ross hengen, wiel wol  sie solchs selten thun muessen und da fur das gantze jar gemach, lusst, freude,  ehre und guts gnug haben, Es ist wol war, kunst ist leicht zu tragen (sagt  man) und harnissch schweer zu tragen, Aber widderumb ist harnissch furen  bald gelernt. Aber kunst ist nicht bald gelernt, und nicht leicht zu uben und  zu brauchen.

 

Und das ich dieses gewesschs ein mal ein ende mache, So sollen wir  wissen, das Gott ein wuenderlicher Herr ist, Sein handwerck ist, aus bettler  Herrn machen, gleich wie er aus nichte alle ding macht, Solch handwerck  wird jhm niemand legen noch hindern, Er lessts gar herrlich jnn aller wellt  [Ps. 113, 5 –8] von sich singen Psalm 112: ‘Wer ist wie der HERR, der so hoch sitzt und  so tieff hernidder sihet? Der den geringen auffricht aus dem staube und  erhoehet den armen aus dem kot, Das er jhn sitzen lasse unter den Fursten,  ja unter den Fursten seines volcks?’ Sihe dich umb jnn aller Koenige und  Fursten hoefe und jnn Stedten und Pfarhen, was gillts, ob nicht dieser Psalm  mit vielen starcken exempeln drinnen regieret? da wirstu finden Juristen,  Doctores, Rethe, Schreiber, Prediger, die gemeiniglich arm gewest und ja

 

[ 23 gelernt —gelernt fehlt D        nicht (2.)] nilht A]

 

 

 

[Seite 576b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 576a

gewislich allzumal Schueler gewest sind und durch die fedder so empor  geschwungen und auff geflogen, das sie herrn sind, wie dieser Psalm sagt und  wie die Fursten land und leute regiern helffen. Gott wills nicht haben,  das geborne Koenige, Fursten, Herrn und Adel sollen allein regieren und herrn  sein, Er wil auch seine Betler da bey haben, Sie dechten sonst, die Eddel  geburt macht alleine Herrn und regenten und nicht Gott alleine.

 

Man spricht, und ist die warheit: Der Bapst ist [Bl. G4] auch ein schueler  gewest. Darumb verachte mir nicht die gesellen, die fur der thur Panem  propter Deum sagen und den brot reihen singen1, du hoerest (wie dieser  Psalm sagt) grosse Fursten und Herrn singen. Jch bin auch ein solcher  parteken hengst2 gewest und hab das brot fur den heusern genomen, sonderlich  zu Eisenach jnn meiner lieben stad, wie wol mich hernach mein lieber Vater  mit aller lieb und trew jnn der hohen schulen zu Erffort hielt und durch  seinen sauren schweis und erbeit da hin geholffen hat, da ich hin komen bin3,  Aber dennoch bin ich ein partecken hengst gewest, Und nach diesem Psalm durch  die schreibfedder so fern komen, das ich jtzt nicht wolt mit dem Tuerckisschen  Keiser beuten4, das ich sein gut solt haben und meiner kunst emperen, Ja,

 

 

 

[Seite 577b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 577a

 ich wolt der wellt gut, viel mal geheufft, nicht da fur nemen, Und were  doch on zweivel nicht da hin komen, wo ich nicht jnn die schule und jns  Schreiber handwerck were geraten.

 

Darumb las deinen son getrost studirn, und solt er auch die weil nach  brot gehen, so gibstu unserm Herr Gott ein feines hoeltzlin, da er dir einen  Herrn aus schnitzen kan.1 Es wird doch da bey bleiben, das dein und mein  son, das ist: gemeiner leute kinder werden die welt muessen regiern, beide jnn  geistlichem und weltlichem stande, wie dieser Psalm zeuget, Denn die reichen  geitz wanste koennens und wollens nicht thun, Sie sind des Mammon Cartheuser  und Munche, des muessen sie tag und nacht warten, So vermuegens  dir gebornen Fursten und Herrn alleine nicht, Und sonderlich vermuegen sie  das geistlich ampt gar nichts verstehen, Also mus wol beide regiment auff  erden bleiben bey den armen mittelmessigen und gemeinen leuten und bey  jhren kindern.

 

Und kere dich nichts dran, das jtzt der gemeine geitz wanst die kunst so  hoch veracht und sprechen: “Ha, wenn mein son deudsch schreiben, lesen und  rechen kan, so kan er gnug, Jch wil jhn zum Kauffman thun.” Sie sollen

 

[ 24 werden] werd D]

 

 

 

[Seite 578b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 578a

jnn kuertz so koerre1 werden, das sie einen gelerten gern aus der erden zehen  ellen tieff mit den fingern grueben2, Denn der kauffman sol wir nicht lange  kauffman sein, wo die predigt und Recht fallen, das weis ich fur war, Wir  Theologen und Juristen muessen bleiben odder sollen allesampt mit uns untergehen,  das wird mir nicht feilen, Wo die Theologen wenden3, da wendet  Gottes wort und bleiben eitel Heiden, ja eitel teuffel, Wo die Juristen  wenden, da wendet das Recht sampt dem friede, und bleibt eitel raub, mord,  frevel und gewallt, ja eitel wilde thiere. Was aber der kauffman werben4  und gewinnen wird, wo fride wendet, das wil ich jhm als denn sein register5  sagen lassen, Und wie nuetze jhm als denn alle sein gut sein wird, wo die  predigt fellet, das sol jhm sein gewissen wol zeigen.

 

Und ist jnn sonderheit verdrieslich, das solche ungeschliffen, unchristliche  wort die reden, so gantz Euangelisch sein wollen, wissen jderman zu mei-[Bl. H 1]  stern und zu uberschreien mit der schrifft Und gonnen die weil weder Gott  selbs noch jhren eigen kindern so viel ehre odder guts, das sie die selbigen zur  schulen zoegen, da mit sie zu solchen herrlichen Goettlichen stenden, Gott und

 

 

 

[Seite 579b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 579a

 der wellt zu dienen, komen moechten, die sie doch gewis fur augen sehen, gestifft,  bereit und wol versorget mit gut und ehren, Sondern wenden sie da von und  stossen sie jnn der Mammon dienst, da sie doch nicht gewisses fur augen haben,  da zu voller fahr, beide leibs, guts und der seelen sein muessen, und uber das,  da nicht ein Gottes dienst ist noch sein kan.

 

Hie sollt ich auch erzelen, wie viel gelerten man haben mus jnn der  ertzney und andern freyen kuensten, Von welchen beiden stuecken wol ein gros  buch zu schreiben und ein halb jar da von zu predigen were. Wo wolten  Prediger und Juristen und Ertzte her komen, wo nicht die Grammatica und  ander rede kuenste fur handen weren? Aus diesem brunne muessen sie alle her  fliessen. Aber es wil mir jtzt zu lang und zu viel werden. Das sage ich  kuertzlich: Einen vleissigen frumen Schulmeister odder Magister odder wer es  ist, der knaben trewlich zeucht und leret, dem kan man nimer mehr gnug  lohnen und mit keinem gelde bezalen, wie auch der Heide Aristoteles sagt.1  Noch ists bey uns so schendlich veracht, als sey es gar nichts, und wollen  dennoch Christen sein, Und ich, wenn ich vom predig ampt und andern sachen  ablassen kundte odder mueste, So wolt ich kein ampt lieber haben denn Schulmeister

 

[ 27 bruenne BE]

 

 

 

[Seite 580b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 580a

odder knaben lerer sein. Denn ich weis, das dis werck nehest dem  Predig ampt das aller nuetzlichst, groessest und beste ist, Und weis da zu noch  nicht, welchs unter beiden das beste ist, denn es ist schweer, alte hunde bendig  und alte schelcke frum zu machen1, dar an doch das predig ampt erbeit, und  viel umbsonst erbeiten mus, Aber die iungen bewmlin kan man besser biegen  und ziehen, ob gleich auch ettliche druber zu brechen.2 Lieber, lass es der  hoechsten tuegent eine sein auff erden, frembden leuten jhre kinder trewlich zihen,  welchs gar wenig und schier niemand thut an seinen eigenen.

 

Das aber die Ertzte herrn sind, das sihet man fur augen wol, Und das  man jhr auch nicht emperen kan, leret die erfarung wol, Das es aber der  wellt ein nuetzlicher, troestlicher, heilsamer stand, da zu ein angenemer Gottes  dienst sey, von Gott geschaffen und gestifft, gibt nicht allein das werck an  [Sir. 38, 1 –8] jhm selber, Sondern zeugt auch die schrifft Ecclesi. 38, da schier ein gantz  Capitel von den Ertzten da her rhumet und spricht: “Du solt den Artzt ehren,  denn man kan sein nicht geraten, und Gott hat jhn gestifft, Denn alle  ertzney ist von Gott, Die kunst des Artztes bringt jhn zu ehren, und er wird  fur den grossen herrn werd gehalten, Gott hat die ertzney aus der erden  geschaffen, und kein vernuenfftiger mensch ist, der sie veracht, Denn gleich wie

 

 

 

[Seite 581b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 581a

zur zeit Mose das bitter wasser vom holtz susse ward, Also hat er wollen auch  hierin den menschen kund thun, was ertzney vermag, Und hat solche kunst  darumb [Bl. H ij] auch den menschen gegeben, das man seine wunder preisen solle,  Denn hie mit kan der Artzt allerley schmertzen lindern und viel susser guter  confect machen und salben zu richten, da von die krancken gesund werden, und  solcher seiner werck ist kein zal &c..” Wolan, es ist mir jtzt zu viel, die  Prediger koennen alle diese stuecke wol reichlicher aus streichen und den leuten  ein bilden, was schadens und nutzs sie hie schaffen koennen der gantzen wellt und  unsern nach komen, besser denn ichs schreiben kan.

 

Jch wills hie lassen bleiben, Und einen jglichen, der hie zu helffen kan,  trewlich vermanet und gebeten haben, Denn gedenck doch selbs, wie viel gueter  dein Gott dir umb sonst gegeben und noch teglich gibt, Nemlich leib und seel,  haus, hoff, weib und kind, da zu weltlichen fride, dienst und brauch aller  seiner Creatur jnn himel und erden, Uber das alles auch das Euangelion und  predig ampt, tauffe, Sacrament und den gantzen schatz seines sons und seines  geists, nicht allein on dein verdienst, sondern auch on deine koest und muehe,  Denn du darffest jtzt weder Schulen noch Pfarhen erneeren, wie du doch nach  dem Euangelio wol schuldig werest. Und du soltest noch ein solcher verfluchter,

 

 

 

[Seite 582b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 582a

 vndanckbar schelm sein, das du nicht woltest ein kind da her geben, das zu  solchen gaben Gottes zu erhalten erzogen wurde, Alles und alles umb sonst  haben und nicht ein troepfflin danck erzeigen, sondern Gottes reich und der  seelen heil lassen untergehen und helffen zu boden stossen?

 

Solt Gott hieruber nicht zornig werden? Solt nicht theurzeit komen?  Solt nicht Pestilentz, Schweis1, Frantzosen und ander plagen uns finden?  Solten nicht verblendte leute, wilde, wueste Tyrannen regieren? Solt nicht  krieg und hadder entstehen? Solt nicht boese regiment jnn deudschen landen  werden? Solt nicht Turck und Tattern uns plundern? Ja es were nicht  wunder, das Gott beide thur und fenster jnn der hellen auff thet und liesse  unter uns eitel Teuffel schneien und schlacken2 odder liesse vom himel regen  schwefel und hellisch feur und versenckt uns alle sampt jnn abgrund der hellen  wie Sodoma und Gomorra, Denn hette Sodoma und Gomorra so viel gehabt,  so viel gehoeret odder gesehen, sie stunden freilich noch heutigs tags, Denn sie  sind das zehend teil nicht so boese gewest als jtzt deudsch land ist, Denn sie  haben Gottes wort und predig ampt nicht gehabt, So haben wirs umb sonst  und stellen uns, als die da wolten, das beide Gott, sein wort, alle zucht und

 

[ 20 zu boden stossen] v̄m stossen D]

 

 

 

[Seite 583b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 583a

 ehre untergieng. Und zwar fahen die Rotten geister mit Gottes wort unter  zu drucken redlich an, So greiffts der Adel und die reichen auch weidlich  an, zucht und ehre zu stoertzen, auff das wir leute werden, wie wir verdienet  haben.

 

Denn das wir das Euangelion und predig ampt haben, was ists anders  denn blut und schweis unsers Herrn? Er hats ja durch seinen engstlichen  blutigen schweis erworben, durch sein blut und Creutz verdienet und uns  geschenckt, ha-[Bl. J 1] bens gar umb sonst und nichts drumb gethan noch gegeben.  Ach Herr Gott, wie hertzlich bitter und saur ists jhm worden! Wie freundlich  und gern hat ers dennoch gethan! Wie viel haben die lieben Apostel und  alle heiligen druber gelitten, auff das es bis auff uns komen moechte! Wie  viel sind zu unser zeit druber getoedtet! Und das ich mich auch rhume, wie  manch mal hab ich den tod1 druber muessen leiden, und ist mir auch so hertzlich  saur worden und noch wird, auff das ich meinen deudschen hierinn dienet!  Aber alles nichts gegen dem, das Christus, Gottes son, unser liebes hertz, dran  gelegt hat, Und sol nu nicht anders da mit verdienet haben bey uns, denn  das ettliche solch sein theur erworben ampt verfolgen, verdamnen, lestern, unter

 

[ 24 verdineet A]

 

 

 

[Seite 584b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 584a

 alle Teuffel hinuntern, Die andern aber die hand abzihen, weder Pfarher noch  Prediger neeren, noch etwas da zu geben, das doch erhalten wurde, Uber das  die kinder auch da von wenden, auff das solch ampt ja bald zu boden gehe  und Christus blut und marter umb sonst sey, Und dennoch sicher da hin gehen,  kein gewissen, kein rew noch leid fur solche hellische und mehr denn hellische  undanckbarkeit und viel unausprechliche sunde und laster haben, Kein furcht  noch schew fur Gottes zorn, kein lust noch liebe zu dem lieben heilande, fur  sein saur schwere marter erzeigen, sondern wollen mit solchen schrecklichen  greweln da zu noch Euangelisch und Christen sein.

 

Wenns so sol jnn deudschen landen gehen, So ist mirs leid, das ich ein  deudscher geborn bin odder jhe deudsch geredt odder geschrieben habe, Und wo  ichs fur meinem gewissen thun kundt, wolt ich widder da zu helffen und raten,  das der Bapst mit allen seinen greweln widderumb uber uns komen muste  und erger druecken, schenden und verderben, denn zuvor jhe geschehen ist. Vor  hin, da man dem Teuffel dienete und Christus blut schendete, da stunden alle  beutel offen und war des gebens zu kirchen, schulen und allen greweln kein  masse, da kundte man kinder jnn kloester, stifft, kirchen, schulen treiben, stossen

 

[ 30 widderumb] widder BEF 32 dienete] hat gedienet D]

 

 

 

[Seite 585b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 585a

 und zwingen mit unsaglicher kost, das alles verloren war, Nu man aber  rechte schulen und rechte kirchen sol stifften, ja nicht stifften, sondern allein  erhalten jm gebew, Denn Gott hatts gestifftet und gnug da zu geben, auch  zu erhalten, und wir wissens, das Gottes wort ist, und das es die rechte kirche  gebawet heisst, Christus blut und marter geehret, Da sind alle beutel mit  eisern kethen zu geschlossen, da kan niemand zu geben, Und uber das auch  die kinder da von reissen und jhn nicht goennen, das sie doch von der kirchen  (da wir nichts zu geben) erneeret wuerden und zu solchen heilsamen emptern,  dar jnn sie doch auch zeitlich on jhr zuthun versorget sind, komen moechten  Gott zu dienen, Christus blut und marter zu ehren und zu erhalten, Sondern  stossen sie lieber dem Mammon jnn den rachen und tretten Christus blut die  weil mit fuessen und sind dennoch gute Christen.

 

[Bl. Jij] Jch bitte Gott umb ein gnedigs stuendlin, das er mich von  hinnen neme und nicht sehen lasse den jamer, so uber deudsch land gehen mus,  [2. Mose 17, 11] Denn ich hallt: wenn zehen Mose stunden und fur uns betten, so wuerden sie  nichts aus richten, So fule ichs auch, wenn ich fur mein liebes deudsch land  beten wil, das mir das gebet zu ruck prallet und wil nicht hinauff dringen,

 

[ 23 Eisernketten EF]

 

 

 

[Seite 586b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 586a

wie es sonst thut, wenn ich fur ander sachen bitte, Denn es wil werden,  das Gott wird Lot erloesen und Sodoman versencken. Gott gebe, das ich  liegen muesse und jnn diesem stuecke ein falscher Prophet sey, Welchs geschehen  wurde, so wir uns besserten und unsers Herrn wort und sein theures blut  und sterben anders ehreten, denn bis her geschehen, Und dem iungen volck zu  den Goettlichen ampten (wie gesagt ist) huelffen und erzoegen.

 

Jch halt aber, das auch die oberkeit hie schuldig sey die unterthanen zu  zwingen, jhre kinder zur schulen zu halten, sonderlich die, da von droben  gesagt ist. Denn sie ist warlich schuldig, die obgesagten empter und stende  zu erhalten, das Prediger, Juristen, Pfarher, Schreiber, Ertzte, Schulmeister  und der gleichen bleiben, denn man kan der nicht emperen, Kan sie die  unterthanen zwingen, so da tuechtig da zu sind, das sie muessen spies und  buechsen tragen, auff die mauren lauffen und anders thun, wenn man kriegen  sol, Wie viel mehr kan und sol sie hie die unterthan zwingen, das sie jhre  kinder zu Schulen halten, weil hie wol ein erger krieg fur handen ist mit  dem leidigen teuffel, der da mit umb gehet, das er Stedte und Furstenthum  wil so heimlich aussaugen und von tuechtigen personen leer machen, bis er den  kern gar aus geboret, eine ledige huelsen da lasse stehen von eitel unnutzen leuten,  da er mit spielen und gaugeln koenne, wie er wil, Das heisset freilich eine

 

 

 

[Seite 587b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 587a

stad odder land aus gehungert und on streit jnn sich selbs verderbt, ehe man  sich umbsihet. Thut doch der Turck wol ein anders und nimpt das dritte  kind jnn seinem gantzen reich und zeuchts, wo zu er wil. Wie viel mehr solten  unser herrn doch ettliche knaben nemen zur Schulen, so doch da mit den  Eltern das kind nicht genomen, sondern zu jhrem besten und zu gemeinem  nutz erzogen wurde zu dem ampt, da jhm gnug geben wird.

 

Darumb wache hie, wer wachen kan! Die oberkeit, wo sie einen tuechtigen  knaben sihet, das sie den zur schulen halten lasse, Jst der vater arm, so  helffe man mit kirchen guetern da zu. Hie solten die reichen jhre testament  zu geben, wie denn die gethan haben, die ettliche stipendia gestifft haben,  das hiesse recht zur kirchen dein gellt bescheiden. Hie loesestu nicht der verstorbenen  seelen aus dem fegfeur, sondern hilffest durch erhaltung der Gottlichen  empter beide den lebendigen und den zukunfftigen, die noch nicht geboren  sind, das sie nicht hinein jns Fegfeur komen, ja das sie aus der hellen erloeset  werden und gen himel faren, und die lebendigen, das sie friede und gemach  haben, Das moecht ein loblich Christlich testament sein, da het-[Bl. J3] te  Gott lust zu und gefallen dran und wurde dich widderumb segen und ehren,  das du auch lust und freude an jhm haben wurdest. Wolan, jhr lieben

 

 

 

[Seite 588b]

 

[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder zur Schulen halten solle] 588a

deudschen, Jch habs euch gnug gesagt, jhr habt ewrn Propheten1 gehoert. Gott  gebe uns, das wir seinem wort folgen, zu lob und danck unserm lieben Herrn  fur sein theurs blut fur uns so mildiglich dar gestreckt, Und behuete uns fur  dem grewlichen laster der undanckbarkeit und vergessung seiner wolthat!  AMEN.

 

 

 

[Seite 589]

 

Vermahnung zum Sakrament des Leibes und Blutes Christi.

 

[Einleitung]

 

[Seite 589]

 

In einem Briefe, den Luther am 8. September 1530 von der Veste Koburg herab an seine Käte in Wittenberg schrieb, widerlegte er das Gerücht, daß er krank sei, durch den Hinweis auf die stattliche Reihe Bücher, die er jetzt teils abgeschlossen, teils in Arbeit habe. Unter letzteren nennt er einen “Sermon vom Sacrament” — die erste Erwähnung unsrer “Vermahnung”.1Am 17. Oktober meldet sodann Georg Rörer aus Wittenberg seinem Zwickauer Freunde Stephan Roth: ‘Sub prelo sunt Adhortatio ad sacramentum Eucharistiae et Ps. CXI Confitebor’2 (d. i. Luthers Erklärung des 111. Psalms3), und Ende Oktober oder Anfang November: ‘Nihil iam novi habent typographi nostri, brevi autem ps. CXI4 et Adhortatio ad Eucharistiam sacram edentur.’5 Dieselben beiden Bücher meint Luther, wenn er am 31. Oktober in einem an Amsdorf in Magdeburg gerichteten Briefe über die Bummelei der Wittenberger Drucker (Klug und Weiß) klagt: ‘duos libellos adhuc sub prelo habent iamdudum scriptos’.6 Am 23. November endlich kann Melanchthon ein fertiges Druckexemplar der “Vermahnung” an Myconius nach Gotha senden7, und dazu stimmt, daß Luther selbst in der Widmung an Kaspar von Koeckritz8, die er am 28. November nachträglich in Wittenberg zu seiner obenerwähnten, schon seit längerer Zeit im Druck befindlichen Erklärung des 111. Psalms niederschrieb, die “Vermahnung” als erschienen voraussetzt.9

 

 

 

[Seite 590]

 

Während wir somit über die Zeit der Drucklegung unsrer Schrift recht gut unterrichtet sind, können wir die Zeit, in der Luther sie während seines Aufenthalts auf der Veste Koburg verfaßt hat, nicht genauer bestimmen — auch nicht mit Hilfe des oben zitierten Briefes an Amsdorf vom 31. Oktober, in dem Luther die “Vermahnung” und die Erklärung des 111. Psalms libellos iamdudum scriptos nennt.1

 

 

 

Ausgaben.

 

 

A “ Verma- || nung zum Sacra || ment des leibs vnd || bluts vnsers || HERRN. || Mart. Luther. || rVittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu rvittemberg || durch Joseph klug. || M. D. XXX. ||”

Kleine Druckänderungen z. B. Bl. B 2 a Kustos “eige” neben “eigen”, Bl. F 2 a Kustos “solche” neben “solcher”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5871), Breslau U. (nur Bogen A –E), Dresden, Heidelberg, München U., Nürnberg St., Wittenberg, Wolfenbüttel; London. — Erl. Ausg. 23, 162 Nr. 1.

 

B “Verman- || ung zum Sa- || crament des leybs vnd || blůts vnsers HER- || REN. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zů Nüremberg || durch Künigund || Hergotin. ||

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5875), Dresden, Greifswald, Heidelberg, Königsberg U., München U., Nürnberg St., Wernigerode, Wittenberg; London. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 2 (ungenau).

 

C “ Verma- || nung zum Sacra || ment des leibs vnd || bluts vnsers || HERRN. || Mart. Luther. || rVittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 24 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu rvittemberg || durch Joseph klug. || M. D. XXXJ. ||”

Kleine Druckänderungen z. B. Bl. C4 a Kustos “wie” neben “wi”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5872), Jena, Zwickau. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 3 (ungenau).

 

D “Vermanūg zum || Sacrament des || leibs vnd bluts || vnsers HERRN. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXXI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nüremberg || durch Künigund || Hergotin. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Heidelberg, München U., Wernigerode, Wittenberg, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 4 (ungenau).

 

 

 

[Seite 591]

 

E “Verma-||nung zum Sacra-||ment des leibs || vnd bluts vnsers || HERRN. || Mart. Luther. || Auffs new vberse-||hen. || rVittemberg. || M. D. XXXVij. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu rVittenberg || durch Joseph klug. || M. D. XXX. Vij ||”

Einige Exemplare haben im Titel Z. 1 “Verma || nung”, auch in der Druckangabe den Fehler “Gedurckt”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5879a und 5879), Dresden, Heidelberg, Zwickau. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 5.

 

F “Verm̃a- || nung zum Sa || crament des Lei- || bes vnd Bluts || vnsers HER || REN. || * || Mart. Luther. || Gedruckt zu Leipzig || durch Nicolaum || Wolrab. || 1540. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt (Bild, das Abendmahl vorstellend, mit Überschrift und Unterschrift aus 1. Cor. 11.). 55 Blätter in Oktav, Vlatt G 2 b und die letzte Seite leer. Blatt G 3 a Zeile 1 ff.: “Die Fünff Fra || gen vom Sacra- || ment des Al- || tars. || Vorrede Johan Po- || mers. || ...”

Vorhanden: Berlin (Luth. 5880, aus der Knaakeschen Slg.), München U. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 6 (ungenau).

 

G “Vermanung || zum Sacrament || des Leibes vnnd || Blůts vnsers || HERREN. || Mart. Luther. || Wittemberg. || 1 5 41. ||” Mit Titeleinfassung, auf der Titelrückseite Bild, das Abendmahl darstellend. 56 Blätter in Oktav, Blatt G 2 b und die drei letzten Seiten leer. Blatt G 3 a Zeile 1 ff.: “Die Fünff Fra || gen ...”

Oberdeutscher Druck.

Vorhanden: London. — Geisenhof, Bibliotheca Bugenhagiana Nr. 245 (ungenau).

 

H “Verm̃a- || nung zum Sacra- || ment des Leibes || vnd Bluts vn || sers HER- || REN. || * || Mart. Luther. || 1542. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt mit Bild und Text wie in F. 64 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Leipzig, || durch Nicolaum || Wolrab. || 1542. ||” Blatt H 3 b Zeile 1 ff.: “Die fünff Fra || gen ...”

Vorhanden: Berlin (Luth. 5882; aus der Knaakeschen Slg.).

 

Niederdeutsch:

Vorm̃aninge || thom Sacramente des || lyues vnde blodes || vnses HEREN. || Martinus Luther. || M. D. XXXI. || [Bild: Abendmahlsszene] ||” Titelrückseite leer. 31 Blätter in Oktav. Am Ende: “Gedrücket ynn || der Keyserliken fryen || Stadt Magdeborg, || by Hans Walther. ||”

Vorhanden: Kopenhagen.

 

 

 

[Seite 592]

 

Spätere Einzelausgaben von Johann Jacob Rambach1 (auf Grund des Abdruckes im 5. Bande der Jenaer Ausgabe): Halle und Leipzig, Johann Christian Hendel (1731 ff.: Jena, Joh. Friedrich Ritter) 1723, 1726, 1731, 1736, 1742.

 

In den Gesamtausgaben: Wittenberg 4 (1551), 394a –408a; Jena 5 (1557), 184a –200a; Altenburg 5, 318 –334; Leipzig 20, 248 –265; Walch1 10, 2664 –2717; Walch2 10, 2170 –2209; Erlangen 23, 162 –207.

 

Nach dem Urdruck A ist in der gleichen Druckerei C und hiernach sieben Jahre später E gedruckt; C hält sich sehr enge an A, E dagegen (von Luther selbst durchgesehen) weicht von seiner Vorlage in der Umlautsbezeichnung und in den unbetonten e erheblich ab. Nach A ist auch B (Nürnberg), nach B D gedruckt. Letzteres greift, obwohl im Text ganz von B abhängig, in den Formen vielfach auf A zurück. Aus A stammt ferner der Oktavdruck F (Leipzig), der in H fast buchstäblich wiederholt ist. Auch G hält sich in Ausstattung und Text, soweit sich aus der Beschreibung (s. oben S. 591) und einer Anzahl Stichproben2 schließen läßt, sehr enge an F. Eine vollständige Vergleichung dieses bedeutungslosen Druckes verbot sich, da das einzige ermittelte Exemplar in London liegt, aus bekannten Gründen.

 

B, D (Nürnberg) verglichen mit A. D bringt die Nürnberger Formen häufiger als B.

 

I.Vokale. 1) Umlaut: e > ae taeglich, vaeter, vaeterlich, schaecher, laer, jaerlich; e > a arbeit und im st. Berb. empfahet, lassest; o > oe in allen gewöhnlichen Fällen wie moecht, goetlich, hoeren, boeß, groesser, schoen, toedten, erloesung, kloester, roerlin, aber auch in zweifelhaften: woel, froelich, soelch B, soellest, spoetter, gespoett, verroeret; u > ue Tuercken, Tuerckisch, duerffen, fuer, fuerst, wuerd, stuermen, fuerchten, hinfuert, duerstig, thuer, wuerff, gebuert, nottuerfftig, spueren, stuendlin, suende (D nicht immer). Muenche, gegruendet, kluenge, abtruennig, muendtlich, gewuenscht, stueck, schmuecken (nicht immer), nuetz, huelse, hueltzen, erfuellet, guelden, drueber, muegen, luegen, mueglich, geruest (Verb.), uberdruessig, huette, tuechtig; fruechte D; mhue, muesse, unruegig; eu > au glauben, glaubig, kauffen, gaugler, tauffen, Widertauffer;

 

2) i > e herschet; o > u kumen, genummen, kuennen, sunst, kuenig, sun, sunst; ∞ forcht, moegen (nicht immer); u und ů, ei und ai in B seltener, in D öfter geschieden, i und ie bisweilen geschieden: dise, glider, ziehen aber auch spissen; ou > au in taub.

 

3) unechtes h fiel in mer, jr, meren, oren, laer, steen, geen, ye, wee, wan, rum, wal, muhe > mhue B, dagegen schewen > scheuhen.

 

 

 

[Seite 593]

 

4) unbetontes e kann an allen Stellen fallen: hauff, tauff, suend, Tuerck, gnad, boeß, sonn, maß, tropff (nur B), dest, schoen, gering, leut, tag, Got (Dat.), sein (suam), ich werd, moecht, besorg, bleyb, sol (< solle); im Jnlaut vermant, verdienten, gehoert, nechst, erlangt, seins, glaubstu, hoechst, luegner, genent, ordnung, verdunckeln, D auch vergißt, stelt, gezeugt (Zeilenschluß); e wird an- oder eingefügt: huette dich, du lassest, scheuhet, treffelich1 in D auch bleybe, boese, steine (= A), glaubest, gestifftet (Zeilenschluß). Die Zahl der auslautenden e in B und D verhält sich zu denen von A etwa wie 20 : 42.

 

II. Konsonanten: d > t, dt wirt, niemant, yemant, unentlich, thon (B), erlitten, deutopffer, mundtlich, vertunckeln, in D verplendt, yemandt; dt > t verblent B, kuente; b > p (in D häufiger als in B) gepeut, gepot (aber verbeut bleibt), gepeten, geprauchen, in D auch ploß, verplendt; puessen; h > ch hoechst, nechst; g > k: kranckeit, c > k in kreutz B (D wieder creutz).

 

Doppelkonsonant vereinfacht: oder, wider, weder, nider, fodern, etlich, goetlich, der drit, Got, genent, woel (D woell), D auch stelt, vileicht; ∞Bischoffe, geratten, genummen, kummen, ymmer, zollner, D auch frumme, gebetten, hette, satt.

 

III. Vor- und Nachsilben: vor > fuer, fuersehen, ∞vorlesen; ge > g gwalt, glider (D ∞), nis > nus, ickeit > igkeit.

 

IV. Deklination: einen > ein (in B Zeilenschluß).

 

Konjugation: komen, kompt > kum(m)en, kumpt; Umlaut fehlt in starken Verbis: lassest B, empfahet; ∞ wuerd, kluenge, wuerff, huelff; Umlaut in woellen, woel(le), duerffen, muegen (neben moegen), kuente, soellest, soelle (D sol); konnen > kuennen; begonst > begund.

 

V. Wortformen: jtzt > yetz (häufiger in D), yetzt; dann, wann (in D seltener), dester, nit B, vor B, nun, sonder, erfur > herfuer, hinubern > hinueber, genung > gnůg; yeglich, soelch (seltener in D); kunfftig > zůkuenfftig; predigt > predig (besonders B), threnen > trehern D, fordern, foddern (= befoerdern) > fuerdern, verdamnen > verdamen B.

 

C und E (Wittenberg) verglichen mit A. C bleibt A fast ganz gleich.

 

I. Vokale: 1) Umlaut: o > oe in E im gleichen Umfang wie BD nur bleiben wollen, sollest; u > ue ebenso, dazu schueldig, entschueldigt, luestig, Muecken, Jueden, schuechtern, kluegeln, dagegen bleibt sunde, hinfurt, falsche ue sind in CE korrigiert (gezwuengen u. a.); heupt > haubt CE;

 

 

 

[Seite 594]

 

2) u > o Moench, from, zoernt, moegest, ruffen > roffen C (einmal), o > a nach (etiam) E (einmal); i > ie lieber, verdienst E, ∞ hinein E, brive C, dinst C; toub > taub E.

 

3) h fällt aus jm, jr, jrer, jn, ∞ scheuhet, fehrlich; h vertauscht in orhen, erhen C.

 

4) unbetontes e fällt in E öfter weg: seel, Engel (Plur.), boes, opffermeß, -ung; im Jnlaut Hern C, gefelt, gleubstu, ordnung, luegner (Zeilenschluß), groeste, mechtigsten, kriegs, heutigs, Stillmesse, oft wird e anoder eingefuegt: hertze, huelffe, balde, eine (una), muentze; geraubet, trincket, zeuchet, kluglen > kluegeln E.

 

II. Konsonanten: dt > t konte CE, munter E, t > d notdurfft E; b > p gepot, ∞ Babst ( < Pabst); h > ch rauche CE, ∞ zeuhet E.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: E nider, weder, wider, oder, betweise, huet dich, gefelt, ∞ gebetten E, nott, vorrig C.

 

III. Vorsilben: ge > g glieder E, empfehet > emptfehet C, entfehet E.

 

IV. Deklination: jhn > jhnen E, s fällt ab des verdienst, Bapst C.

 

Konjugation: Umlaut in den Konjunktiven: wuerde, huelffe, wuerffe usw., unterdruckt > untergedruckt; mugen > moegen, moegest, Umlaut in kuende, wuestest.

 

V. Wortformen: noch > nocht C (einmal); denselbigen, dasselbige > denselben, dasselbe E; iarmarck > iarmarckt (auch in A) E, foddern > fordern, fordern > foerdern, verdamnen > verdam(m)en E.

 

VI. gegen den > gegen dem E.

 

VII. Wortwahl: werser > weher E.

 

F. H (Leipzig), G (Oberdeutschland) verglichen mit A. Obwohl F im Text ganz unabhängig von E ist, stimmt es in den Formen mit diesem zeitlich näher stehenden Druck auffällig überein; H ist fast ganz gleich mit F, von G konnten Abweichungen nur in ganz geringer Zahl festgestellt werden.

 

I. Vokale: 1) Umlaut: e > ae Baepstlich H; o > oe wie E, dazu woellen, koempt, Spoetter, gloeslin, koestlich, schoen; in H auch soelch, moechte, ebenso u > ue, nur bleiben schuldig, entschuldigt, mucken, bisweilen schmucken; dazu unmuendig, suende, suender, duerffen, stuendlin, daruemb, druemb, wuenderlich, zwuenge, in H auch schueldig, fuer (= vor), thuerst.

 

2) o > u guelten, H auch fuerdern ( = E); ou > au in taub H (= E); i > e herschet.

 

3) h fehlt in jm, jn, jrer; befelh > befehl H.

 

4) kluglen > kluegeln; unbetontes e fehlt in wuerd, erschreck, ∞ ordenung, gesaget.

 

II. Konsonanten vereinfacht in: weder (auch ∞), wider, etlich (H auch etwas), goetlich, weltlich, gilt, H auch oder, vernunft; d > t drunter, deutopffer, begert, H auch gruntloser; h > ch siche (Jmperat.), h > g schlage, h fehlt in Kirchove.

 

 

 

[Seite 595]

 

III. Nachsilben: lin > lein gloeslein (seltener), ickeit > igkeit.

 

IV. Deklination: jhn > jnen (immer), eim > einem.

 

Konjugation: mugen > moegen, wustest > wuestest, wollen > woellen.

 

V. Wortformen: nicht > nit, hinvbern > hinueber, selbs > selb (Zeilenschluß); verdamnen > verdammen H, fordern > fuerdern H.

 

Jn G u und ů geschieden, beruffen > berueffen, blut > bluet.

 

 

 

[Bl. A ij]

Vermanung zum Sacrament des leibs und bluts unsers Herrn, Martinus Luther. 1530

 

[Seite 595]

 

 

 

 

[Erster Abschnitt]

DAs man durch die gantzen Christenheit jnn aller welt die unmundigen  kinder teuffet und nicht harret, bis sie gros werden  odder zur vernunfft komen, dunckt mich aus sonderlichem rat  und vorsehen Gottes geschehen und auffkomen sein. Und wo  man jtzt solt die grossen und alten teuffen, hallt ich warlich,  das sich das zehende teil nicht liesse teuffen, Ja wir weren gewislich (so viel  an uns lege) lengest, lengest, eitel, eitel Turcken worden, Denn welche nicht  getaufft weren, die wurden zu der Christen predigt nicht gehen und alle jhr  lere und wesen, weil es eitel heilige frume leute machen wil, verachten, wie  sie doch jtzt thun, ob sie gleich getaufft sind und Christen sein wollen. Wenn  nu solcher ungetauffter hauffe uberhand neme, was solt anders bald draus  werden, denn ein lauter Turckenthum odder heidenschafft? Und ob gleich  ettliche wenig drunder weren, die zu der Christen predigt giengen, die wurden  doch die tauffe auffschieben bis auff das letzte stundlin, wie man jtzt thut mit  der busse und besserung des lebens.

 

Und ich thurst wol theur und hoch drumb wetten, ob nicht der teuffel  durch die Rotten geister und Widder teuffer solchs alles im sinn habe, damit  das er die Kinder tauffe auffhebt, und wil eitel alte grossen teuffen, Denn  seine gedancken stehen gewislich also: Wenn ich die kinder tauffe weg hette,  So wolt ich mit den alten denn wol handeln, das sie die Tauffe wurden  verzihen und auffschieben, bis sie ausgebubet hetten, odder bis auffs letzte

 

[ 23 denn fehlt E]

[Seite 596]

 

 stundlin. Neben solchem auffschub wolt ich sie sein von der predigt halten,  das sie mir nichts wedder von Christo noch der tauffe lernten noch hielten,  so hette ich zuvor den grossen hauffen jnn der welt mit gewaltigen exempeln  als Turcken, Persen, Tattern, Jueden und heiden, das sie zu letzt wurden verruchen1  und sagen: Was tauffe? Was Christen? wo der hauffe bleibt, da  bleibe ich auch, Meinstu, das Gott umb dreij odder vier Christen willen alle  welt verdamnen werde? Was sollt ich bey den verachten, wenigen, bettlern  und elenden leuten leben?

 

S. Augustinus2 schreibt von sich selbs, das seine mutter und andere  guten freunde mit seiner tauffe verzogen haben und wolten ihn nicht lassen  teuffen jnn der iugent, auff das er nicht hernach drauff jnn sunden fiele,  Sondern wolten harren, bis er uber die jugent hin were und die tauffe  deste fester halten mochte. Diese gute meinung geriet dahin, [Bl. A iij] das  S. Augustinus jhe lenger jhe weiter beide von tauffe und Euangelio kam, bis  er jnn der Manicheer Ketzerey fiel und beide aus Christo und seiner tauffe  das gespotte hielt bis inn sein dreissigst iar und aus der massen schwerlich  widder zu Christo aus der Ketzerey kam, das seine mutter manche heisse  threnen druber vergos und also buessen muste jhr gute meinung und andacht,  das sie jhres sons tauffe hatte helffen verzihen.

 

Denn der teufel sihet wol, wie on das die leute so roh und Gottlos  sind, das das zehende teil nichts dar nach fragt, was die tauffe sey, und auch  schier nimer dran gedenckt noch Gotte danckt, das es getaufft sei, viel weniger,  das sie der tauffe sich solten annemen und mit wirdigem wandel der selbigen  gleich leben, Was solt denn werden, wenn sie gar nicht getaufft und die  predigt nicht horeten? So es jtzt muehe hat, Christen zu sein und bleiben, wenn  man gleich teglich leret, bittet und die tauffe ubet, und ist dennoch solche tauffe  und lere ein gros vorteil und starcke vermanung, die zu letzt ettliche mus  bewegen, das sie weiter dencken denn ein ungetauffter Heide.

 

Das alles kan jederman wol mercken und greiffen an diesem stucke,  das jtzt die leute so geringe achten das heilige Sacrament des leibs und bluts  unsers HERREN und stellen sich dagegen, als sey nichts auff erden, des sie  weniger durffen, denn eben dieses Sacraments, und wollen dennoch Christen  heissen, Lassen sich duncken, weil sie nu vom Bepstlichen zwange frey sind  worden, Sie seien gar nicht mehr schuldig dis Sacraments zu brauchen,  Sondern mugen sein wol emperen und frey on alle sunde verachten, Und  wenn solch Sacrament nirgent gebraucht wurde odder gar untergienge, das  were jhn gleich viel. Damit zeigen sie an und bekennen mit der that, wie  gar mit grosser andacht und liebe sie vorhin zu diesem Sacrament gangen

 

[ 23 sie] es C 26 bettet F betet H 33 Bep-[Bl. A iijb] chlichen A (im Kustos richtig).]

 

 

 

[Seite 597]

 

 sind, da sie vom Bapst dazu gezwungen worden, Und wie feine Christen sie gewest  sind, Auch lernt man daraus, wie gar fein man die leute mit zwang Christen  und frum machen kan, wie der Bapst mit seinen gesetzen sich unterstanden  hat, nemlich, das eitel falsche heuchler, unwillige und gezwungene Christen  draus worden sind. Ein gezwuengen Christen aber ist ein seer frolicher angenemer  gast im himelreich, da Gott sonderliche lust zu hat, und wird ihn  freilich unter die Engel oben an setzen, da die Helle am tieffesten ist.

 

Jch besorge aber und halts dafur, das solchs alles sey ein gros teil  auch unser schuld, die wir prediger, Pfarherr, Bisschove und seelsorger sind,  als die wir die leute so lassen hin gehen inn ihrem eigen sode1, vermanen  nicht, treiben nicht, halten nicht an, wie doch unser ampt foddert, Sondern  schnarcken und schlaffen ia so sicher, als sie thun, dencken nicht weiter denn:  wer da kompt, der kompt, Wer nicht kompt, der bleibe aussen, Und faren so  zu beiden teilen, das wol besser tuechte. Denn die weil wir wissen, das der  hellissche Satan und furst dieser welt nicht feiret, sondern mit seinen engeln  tag und nacht umb her gehet und beide uns selbs und [Bl. A4] die leute an  ficht, auffhelt, hindert, faul und lessig macht zu allem Gottes dienst, damit  er beide tauffe, Sacrament, Euangelion und alle Gottes ordnung zum wenigsten  schweche, wo er sie nicht mag gar dempffen, So solten wir ia widderumb  dagegen dencken, das wir unsers HERRN Christi Engel und wechter weren,  die widder solche teuffels engel teglich solten uber das volck wachen und wacker  sein mit unablessigem treiben, leren, vermanen, reitzen und locken, wie  [1. Tim. 4, 13] S. Paulus seinem lieben Timotheo befilhet, damit der Teuffel doch nicht so  gar sicher und on widderstand unter den Christen seinen mutwillen uben mueste.

 

Derhalben wil jch hie mit beide mich selbs und alle Pfarher und  Prediger mit vleis und gantzem ernst gar bruderlich gebeten haben, sie wolten  hierinn sampt mir ein vleissig auffsehen auff das volck haben, welchs Gott,  als sein eigenthum durch seines sons blut erworben und zur tauffe und seinem  reich beruffen und bracht, uns befolhen hat und gar strenge rechnung dafur  foddern wird, wie wir das alles wol wissen, Denn wo wir, so das ampt  und befelh haben, hierin lessig und faul sind, So mussen wir lange harren,  ehe das volck von jhm selber sich vermanet und er zu komet, So es doch noch  schwerlich kompt, wenn wir gleich auffs hertest anhalten, Denn, wie gesagt,  Der teufel ist da mit seinen Engeln und wehret, Auch so mussen die leute  auff uns sehen und unser wort horen, und nicht widderumb wir auff sie und  ihr thun sehen. Und was solt das predig ampt und Pfarr ampt, wo sich das  volck selbs leren und vermanen kuendte? Christus hette es wol mugen behalten  und nicht so theur durffen erarnten2, Und was sitzen wir denn auch jnn

 

[ 24 muesten C 32 komen C kome E]

 

 

 

[Seite 598]

 

 solchem ampt, so wir nicht das leren und vermanen treiben wollen? Mit  der weise wurden wir gar nichts besser odder villeicht erger sein, denn bis her  gewesen sind Bepste, Bisschove, Pfarher und Munche, die auch des volcks lauter  nichts sich haben angenomen, weder mit leren noch vermanen.

 

Wie wol jch weis, das ettliche leute so gar verrucht und verstockt sind,  das sie sich gar an kein lere noch vermanen keren, Wie sollen wir dem thun?1  Wir werdens nicht besser haben denn Christus und seine Apostel sampt allen  [Matth. 11, 17] Propheten selbs gehabt haben, Christus spricht Matthei 11, Das seine Juden  weder tantzen noch trauren wollen, man pfeiffe odder heuele, Und S. Paulus  [2. Tim. 4, 3] 2. Timo. 4 Spricht: ‘es wird die zeit komen, das man der heilsamen lere  nicht leiden wird’, Noch gebeut er, das man darumb nicht solle ablassen,  sondern getrost anhalten, mit fug und unfug.2 Denn wir wissen widderuemb,  [Jes. 55, 11] das Leren und Vermanen Gottes wort, ampt und befelh ist, und, wie Jsa. 55  sagt, on frucht nicht abgehen kan, und sollts auch nur einen Zacheum odder  einen Zolner odder einen schecher am Creutze gewinnen, Es werden ia noch  etliche vorhanden sein, wenn sie horen die vermanung, das sie an ihre tauffe  gedencken werden und nicht gern wolten als die unchristen ihr Sacrament  verachten, welchs jhn Christus so reichlich geschenckt und so [Bl. B1] theur  erworben hat, An welcher exempel sich zu letzt die rauhen, rohen, losen Christen  auch stossen wurden und villeicht anders werden, wie ein messer das ander  wetzet.3

 

Nicht, das ich hiemit wil geraten haben, die leute mit gesetzen auff  bestimpte zeit und tage zum Sacrament zu treiben, wie es der Bapst gefasset  hat, Denn damit hat der Bapst ihm selbs und den pfarherrn faule, sicher  tage geschafft, das sie nicht haben durffen erbeiten mit leren und treiben zum  Sacrament, Sondern hat die gewissen gefangen und gezwungen, das sie on  lust und willen, on nutz und heil, hin zu gelauffen sind und nicht ein  Sacrament des glaubens, sondern ein werck des verdiensts draus gemacht, Und  hette freilich der teuffel kein neher noch mechtiger griffe erdencken konnen, das  Sacrament gar zu vernichtigen, denn mit solchen gesetzen, Da ist der schein  und die hulsen blieben, Aber der kern und krafft weg genomen, das niemand  gemerckt hat. Mus gleichwol heissen ein Sacrament Christi, so doch nichts  denn opffer und werck der menchen draus gemacht war, Und das predig  ampt hat doch Gott nicht dazu gestifft, das es jhm solle sichere, faule prediger  und unwillige, gezwungene Christen machen, Und wer nicht willig und gern  ein Christ ist odder zum Sacrament gehet, der bleibe nur weit davon und  fare, wo hin er feret, Gott mag keinen gezwungen dienst haben, wie Paulus

 

[ 3 Bischouee A 16 die vermanung hoeren E 28 verdiensts] diensts B]

 

 

 

[Seite 599]

 

 [2. Kor. 9, 7] sagt 2. Cor. 9: ‘Einen frolichen geber hat Gott lieb’, Sondern dazu ists  gestifft, das es die leute sol er zu bringen, locken und zihen, das sie williglich  und gerne komen, ja das sie darnach mit gewalt lauffen, ringen und dringen,  [Matth. 11, 12] wie Christus spricht, Matt. 11: ‘Das Reich Gottes leidet gewalt, und die  gewalt uben, reissen es zu sich.’ Er wil nicht haben die uber drussigen,  ekeln, satsamen seelen, sondern die hungerigen und durstigen, die sich drumb  [Matth. 5, 6] dringen und reissen, wie er sagt, Matt. 5: ‘Selig sind die hungerigen und  durstigen nach der gerechigkeit, Denn sie sollen satt werden.’

 

Darumb wil ich hie mit den Pfarhern und Predigern ursachen geben,  jhr volck zu vermanen und zum Sacrament zu locken, und ettlich sachen  anzeigen, damit man sie bewegen sol, das sie williglich und on menschen  zwang zum Sacrament gehen und mit lust dasselbige empfahen, wie ich solchs  auch zuvor jm Catechismo1 gethan habe, Welche prediger nu solchs besser  konnen machen, die durffen dieses sermons nicht, ist gnug, das sie dazu vermanet  sind, Die andern aber, so es nicht besser konnen, mochten wol hieraus  ettliche stuck auff zeichen odder von wort zu wort dem volck fur lesen, wo es  jhn gefellet, Da mit doch nicht dis Sacrament so gar darnidder lige und  veracht werde. Und wil die ursachen jnn zwey teil stellen. Die erste betrifft  Christum selbs, Die ander uns, die wir Christen sein wollen.

 

[Bl. Bij]

Von der Ersten.

Es solt ia billich einem Christen wol bewust sein, das solch Sacrament nicht  von menschen ertichtet noch erfunden ist, Sondern von Christo selbs aus  Gottes seines Vaters willen und befelh gestifft und auffgericht ist. Auch  nicht fur die hunde, sew, holtz odder steine, sondern fur uns menschen, und  sonderlich fur uns Christen aus grosser, hertzlicher, grundloser liebe geordent  und eingesetzt ist, zu gebrauchen, Wo aber ein Christlich hertz solchs bedenckt,  wie ists muglich, das nicht solt mit andacht bewegt werden, dasselbige williglich,  mit lust und liebe, zusuchen und zu begeren, on allen zwang und gesetze?  Wirds aber davon nicht bewegt, So ist kein funcke noch tropffen Christlicher  gedancken jnn dem selbigen hertzen, und ist on zweivel ein unchristlichs, Turckisch,  Heidenisch hertz, das da gewislich nicht gleubt, das dis Sacrament Christus  eingesetzt und befolen habe, zu gebrauchen, Viel weniger gleubt es, das  Christus uns solchs aus grundloser hertzlicher liebe geordent habe, Denn wo  der eines warhafftig gegleubt wird, da kan ein hertz sich nicht so lass, faul  und verechtlich dazu stellen.

 

Darumb sehe ein iglicher auff sich und prufe sein eigen hertz, Erstlich:  ob er auch gleube, das Christus Gottes son solch Sacrament uns menschen  gestifft und gelassen habe, Zum andern: ob er auch gleube, das ers so hertzlich

 

[ 7/8 hungerigen vnd durstigen] hungert vnd duerstet E 24 steyn B 37 auch fehlt E]

 

 

 

[Seite 600]

 

 und treulich, aus grundloser liebe mit uns gemeinet habe, Gleubestu des  nicht, So wisse, das du kein Christen, sondern ein abtrunniger, verdampter  heide und Turcke bist. Denn du heltest gar nichts, weder von Christo, noch  von seinem befelh, weder von seiner liebe noch trew gegen dir, Sondern du  stellest dich, als sey es alles erlogen und eitel narrn werck, Gleubestu es  aber, so wird der selbige glaube dir jnn deinem hertzen eine solche predigt  thun und sagen: “Du wilt ein Christ sein und weissest, das Christus befelh  und ordenung ist, dis Sacrament zu brauchen, Aber du lesst es anstehen ein  halb iar, gantz iar, drei jar und wol lenger.” Hoerestu es, lieber Juncker?  Wie reimet sich das mit einem Christen? Was gillts, du wirst uber solcher  predigt dich fur dir selbs schemen und furchten? Geschicht solche predigt nicht  ynn deinem hertzen, so ist der glaube nicht da, das dis Sacrament Christus  stifft sey, und dein maul leuget, wenn es sagt, das du solchs wol gleubest.  Und bist ein zweifeltiger heide und erger denn kein Turcke, Denn du gleubest  nicht (das ist eins) und leugest noch dazu, das du spricht, du gleubest es.

 

Also sihestu und must bekennen, das alle lugen, falschs leben, verachtung  Gottlicher ordnung, tragheit, faulheit und laffheit zum Sacrament, da zu  undanckbarkeit und vergessung solcher unaussprechlicher liebe Christi zu uns  fleusst und kompt alles und alles aus dem unglauben, das ein hertz nicht  gleubt, [Bl. B iij] dis Sacrament sey Christus liebe und hertzliche ordnung,  Denn was ein hertz nicht gleubt, das kans auch nicht achten, ehren, lieben  noch loben, Und was man veracht, lesst odder vergisset, da ist ein gewis  zeichen, das man nichts davon helt, gleubt auch nicht davon, nimpt sichs auch  nichts an. Widderumb, was man gleubt und fur gewis helt, das kan man  nicht verachten, es sey gut odder bose, Jsts gut, so liebet und begerd es das  hertz, jsts boese, so furcht und schewt es das hertz, wie wir erfaren, das solchs  auch jm falschen glauben und jrrigen wahn geschicht, da sich einer furcht, da  kein furcht ist, und frewet, da keine freude ist, So gar ein unrugig und  schefftig ding ists umb einen glauben.

 

Darumb sollen die prediger dem volck diese erste ursache wol fur bilden,  das sie zu sehen und ia gleuben, das dis Sacrament Gottes gnedige und  veterlich ordnung ist, fur uns menschen gestifft, Niemand zwingen wir hie  mit zum glauben, Aber wir zeigen an, was zum glauben gehoret, und wer  ein Christ sein wil, das er wisse, was und wie er gleuben solle, Damit er  sich selbs nicht unter dem Christlichen namen und schein betriege und halte  sich fur Christen, so er doch ein unchrist und Heide, ia wol erger denn ein  Heide und unchrist ist. Wil jemand daruber Christum verleugnen, ein unchrist  sein und ungleubig bleiben, den lassen wir faren ungezwungen, und fragen  [Mark. 16, 16] auch nach jhm nicht, on das wir jhm sagen: Wer nicht gleubt, der ist verdampt,

 

[ 14 kein] der CE 36 ein Christen E]

 

 

 

[Seite 601]

 

Er wird seinen richter und zwinger wol finden, Wir sind entschuldigt  und haben das unser gethan. Denn es ist Gott kein schertz noch vergeblicher  anschlag gewest, das er uns menschen dis Sacrament gestifft und eingesetzt  hat, Darumb wil ers auch nicht veracht, mussig noch ungebraucht haben,  viel weniger, das mans fur ein unnotig und geringe ding halte, Sondern  wil, das mans brauchen und wol uben sol.

 

Und wenn es gleich ein solch schlecht Sacrament were, das uns weder  nutz noch not, als das uns weder gnad noch hulff gebe, Sondern allein ein  blos ledig gebot und gesetz Gottes were, der es von uns foddert, zu gebrauchen,  aus seiner Gottlichen macht, der wir unterthan und gehorsam schuldig sind,  so solt es doch, desselbigen gebots halben allein, uns gnugsam treiben und  reitzen, das wirs nicht verachten noch unnotig odder geringe hielten, Sondern  mit allem ernst und trewem gehorsam vleissig ubeten und hoch ehreten, Sintemal  nichts grossers und herrlicher sein kan, denn was Gott gebeut und durch  sein wort befilhet. Nu aber ists nicht ein solch schlecht Sacrament, das ein  ledig, blos gebot sey, das wir on nutz und not uben musten, wie die Juden  jhr opffer und eusserliche geberde on nutz und not, allein zur last und pflicht  halten musten, damit sie gezwungen und gefangen waren, wie die leibeigen  oder fronleute sind ym welltlichen regiment, Sondern es ist ein gnaden reich  Sacrament, voller nutz und heils, dazu unzelicher und unaussprechlicher guter,  Darumb es nicht allein unveracht und unvergessen, sondern auffs hohest  geehret und vleissigst sol gebraucht werden.

 

[Bl. B 4] Und das wir das zum teil anzeigen, So sihe zum ersten das an,  Das er dis Sacrament hat eingesetzt zu seinem gedechtnis, wie er spricht:  ‘Solchs thut zu meinem gedechtnis’, Dis wort ‘Gedechtnis’ mercke und bedencke  wol, Es wird dir viel anzeigen und dich fast seer reitzen. Jch rede aber itzt  noch nicht von unserm nutz und not, so wir jm Sacrament suchen mugen,  Sondern vom nutz, der Christo und Gott selber draus komet, und wie not es  ist zu seiner Gottlichen ehre und dienst, das mans vleissig brauche und ehre,  Denn du horest hie, das er seine Gottliche ehre und Gottes dienst jnn dis  Sacrament stellet, das man sein hierin gedencken sol, Was ist aber sein  gedencken anders, denn seine gnade und barmhertzigkeit preisen, zuhoeren,  predigen, loben, dancken und ehren, die er uns jnn Christo erzeigt hat? Auff  welchen Christum er alle seine ehre und Gotts dienst gewisen und gezogen hat,  das er ausser dem Christo kein ehre noch Gottes dienst wissen wil, ia auch  nicht erkennet, noch jemandes Gott sein wil und daruber auch seinen eigen  alten Gotts dienst, jm gesetz Mosi gegeben, verdampt und auffgehaben hat,  sampt allen Gottesdiensten jnn der gantzen welt, sie seien wie gros, schon, alt  oder herrlich sie jmer sein mugen.

 

Weil nu ein iglicher geneigt und andechtig sein wil, Christus leiden zu  ehren und Gott einen dienst zu thun, und einer dis, der ander das fur nimpt:  Einer leufft gen Rom, der ander wird ein Munch, Der dritte fastet. Und

 

 

 

[Seite 602]

 

 wer kan alle die Gottes dienst erzelen, die wir das aus teufels eingeben und  eigener andacht bis her gestifftet und gehalten haben, damit wir diesen  hohen, schonen Gottes dienst, nemlich sein gedechtnis und die ehre des leidens  Christi, verfinstert und vergessen haben, welchen Gott selbs gestifft und bezeugt  hat, das er jhm hertzlich wol gefalle? Und hat jhn also gestifft, das er nimer  mehr kan ausgedienet noch gnug gehalten werden, Denn wer kan Gottes  gnugsam gedencken? Wer kan jhn zu viel loben? Wer kan jhm zu seer  dancken? Wer kan Christus leiden zu viel ehren? Warumb haben denn wir  tollen heiligen so schendlich dahin geschwermet, als hetten wir jnn diesem  Sacrament keinen Gotts dienst odder hetten den selbigen lengest ausgericht  und gar ab gedienet? Haben daneben und daruber so viel schendlicher, grewlicher,  stinckender Gottes dienst eigener andacht und selb erweleten werck angericht  und die welt damit erfullet, dazu diesen rechten Gottes dienst verleugnet,  geschendet und gelestert, Wiltu nu Gott einen herrlichen grossen Gotts dienst  thun und Christus leiden recht ehren, so dencke und gehe zum Sacrament,  darinn (wie du horest) sein gedechtnis ist, das ist: sein lob und ehre, Und  ube damit odder hilff das selbige gedechtnis mit vleis uben, so wirstu der  selb erweleten Gotts dienste wol vergessen, Denn (wie gesagt) du kanst Gott  nicht zu offt odder zu viel loben und dancken fur seine gnade jnn Christo  erzeigt.

 

Es scheinet wol ein geringer Gotts dienst sein, solch gedechtnis, weil es  nicht viel eusserlichs prangens treibt mit kleidern, geberden, gebewen und der  [Bl. C 1] gleichen, damit die augen und ohren gefullet werden, Sondern allein  mit dem mundlichen wort wird aus gericht, welchs fur den augen auff erden  ein geringes ansehen hat. Aber wie hoch und herrlich es sey fur Gott und  [1. Kor. 2, 9] seinen Engeln, kan kein auge sehen noch ohre horen noch hertz begreiffen, Gottes  wort und werck sind allzu mal am ersten geringes ansehens, darumb wollen  sie mit vleis und ernst bedacht sein, Wer das thut, der findet sie, wie gros  [Ps. 50, 23] sie sind. Er spricht selber Psalm 50: ‘Danckopffer preiset mich’, Was ist  das anders gesagt denn so viel?: Danckopffer gibt mir meine Gottliche ehre,  Es macht mich zum Gott und behelt mich zum Gott, Gleich wie widderumb  die Werckopffer nemen jhm seine Gotliche ehre und machen ihn zum Goetzen  und lassen jhn nicht Gott bleiben, Denn wer nicht danckt, sondern verdienen  wil, der hat keinen Gott und macht jnnwendig jnn seinem hertzen und auswendig  jnn seinen wercken einen andern Gott aus dem rechten Gott, das ist:  unter dem namen des rechten Gottes, wie er offt jnn Jesaia und andern  Propheten klagt und jm ersten gebot gar hart verbeut, das man keine Gotter  machen, auch jhn selbs nicht anders machen sol.

 

Wiltu nu ein Gott macher werden, so kom her, hore zu, Er wil dich  die kunst leren, das du nicht feilest und einen Gotzen, sondern den rechten

 

[ 1 das aus] aus des E 39 nu fehlt CE]

 

 

 

[Seite 603]

 

 Gott zum rechten Gott machest, Nicht das du sein Gottliche natur machen  sollest, denn dieselbige ist und bleibt ungemacht ewiglich, Sondern, das du jhn  kanst dir zum Gott machen, das er dir, dir, dir, auch ein rechter Gott werde,  wie er fur sich selber ein rechter Gott ist, Das ist aber die kunst, kurtz und  gewis dargegeben: Das thut zu meinem gedechtnis1, Lerne sein gedencken, das  ist (wie gesagt): Predigen, preisen, loben, zuhoren und dancken fur die gnade  jnn Christo erzeigt. Thustu das, sihe, so bekennestu mit hertzen und munde,  mit ohren und augen, mit leib und seele, das du Gott nichts gegeben habest,  noch mugest, Sondern alles und alles von jhm habest und nemest, sonderlich  das ewige leben und unendliche gerechtigkeit jnn Christo, Wo aber das geschicht,  So hastu jhn dir zum rechten Gott gemacht und mit solchem bekentnis seine  Gottliche ehre erhalten. Denn das heisst ein rechter Gott, der da gibt und  nicht nimpt, der da hilfft und nicht jhm helffen lesst, der da leret und regirt  und sich nicht leren noch regieren lesst, Summa, der alles thut und gibt, und  er2 niemands darff, und thut solchs alles umbsonst, aus lauter gnaden on  verdienst, den unwirdigen und unverdieneten, ia den verdampten und verlornen,  Solch gedechtnis, bekentnis und ehre wil er haben.

 

Sihe, dieser Gotts dienst gehet daher wol on alle pracht und fullet die  augen nicht nach dem fleisch, Er fullet aber das hertz, welchs doch sonst weder  himel und erden fullen mag, Wenn aber das hertz vol ist, mus auch als  denn beide, augen und ohren, mund und nasen, leib und seele und alle gelieder  vol sein, Denn wie sich das hertz hellt, darnach halten und stellen sich alle  gelieder, und ist alles und alles eitel zungen, vol lobens und danckens gegen  Gott. Das ist denn wol [Bl. Cij] ein ander schmuck und zierde wedder3 die  gulden Kaseln4, Ja, Keiser, Konige, Bapst kronen, aller kirchen und aller  welt schmuck und prangen ist ein unflat gegen diese herrliche Gedechtnis Christi,  Und eine gedancken5 von diesem Gotts dienst klinget heller, lautet besser, schallet  weiter, denn alle drummeln, posaunen, orgeln, glocken und was auff erden  lauten mag, wenn sie auch alle auff einem hauffen weren und alle zu gleich  mit aller macht klungen. Sihe, das ist wol ein ander klang und gesang  wedder aller gesang und klang auff erden, und lautet doch gering von aussen  zun ohren hienein, aber von jnnen aus dem hertzen heraus lautet er also  starck, das dich alle Creatur duncken dasselbige klingen und aller menschen  gesang eitel stummen6 und toub sein.

 

Das aber Gott loben und dancken sey eben so viel als Gotte schmucken  [2. Mose 15, 2] und zieren, stehet klerlich jm liede Mosi Exo. 15: ‘Das ist mein Gott, den

 

[ 9 noch mugest] noch geben moegest E        und alles fehlt CE 27 ein gedancken E3 33/34 das — sein] das dich alle Creatur vnd aller menschen gesang, eitel stummen vnd taub sein duencken, gegen dis klingen E]

 

 

 

[Seite 604]

 

 wil ich zieren, meins Vaters Gott, denn ich wil hoch loben.’ Sihe, da  horestu, wie du kanst deinen Gott schoene machen, schmucken, zieren und auffs  aller feinest malen, krantz und kronen auff setzen, mit spangen und keten  behengen, und darffest kein gelt noch ertz dazu, Sondern mit hertzen gleuben  und mit dem munde loben, mit den oren sein lob und gnade horen, und wie  mehr droben gesagt ist, Wer solch zieren und schmucken seinem Gott nicht  geben wil, Was solt dem anders widderfaren, Denn das er jns teufels namen  verblendt und tol werde, Fare die weil zu und schmucke dafur hultzen und  steinen bilde, male tafeln und wende, ziere altar und kirchen, kleide mit gold  und seiden die Opfferpfaffen, Und wende alle sein gut und macht an stifft,  kloster, walfarten und ander mehr falsche, verdampte eigen Gotts dienste?  Nicht, das ich eusserlichen schmuck gantz verwerffe, Sondern das er nicht sol  ein Gotts dienst heissen, viel weniger diesen einigen rechten Gottes dienst  hindern odder verdunckelen, Sondern, wil er nutze sein, das er diesen Gottes  dienst des danckes fordere und dazu helffe, odder sey verdampt, sampt allen  andern wercken und verdienst, damit man Gotts gnaden gewinnen odder  keuffen wil.

 

Wenn du nu kein ander ursach noch nutz hettest jnn diesem Sacrament  denn allein solch gedechtnis, soltestu nicht an dem selbigen treibens und reitzens  gnug finden? Solt nicht dein hertz also zu dir sagen?: Wolan, wenn ich  sonst gleich keinen nutz davon hette, So wil ich doch meinem Gott zu lob  und ehren hingehen, wil jhm helffen seine Gottliche ehre erhalten und auch  mit daran sein, das er ein rechter Gott gemacht werde, Kan oder mus ich  nicht predigen, So wil ich doch zu horen, Denn wer zu horet, der hilfft  auch dancken und Gott ehren, Sintemal, wo kein zuhorer were, da kund kein  prediger sein, Kan jch nicht zu horen, So wil ich dennoch unter den zu  horern sein, und wil zum wenigsten mit der that, mit dem leibe und meinen  geliedern da sein, da man Gott lobet und ehret. Und wenn ich gleich nicht  mehr thun kundte, so wil ich doch das Sacrament eben darumb empfahen,  das jch mit solchem empfahem bekennen und zeugen mag, das ich auch der  einer sey, der Gott loben und dancken wolle, und wil also meinem Gott zu  ehren das Sacrament empfahen, [Bl. Ciij] und solch empfahen sol mein gedechtnis  sein, da mit ich an seine gnade dencke und dafur dancke, jnn Christo mir erzeigt.

 

Denn es ist nicht ein geringes thun, das jemand gern unter dem hauffen  ist, da man Gott lobet und danckt, welchs die alten Veter mit tieffem seufftzen  [Ps. 42, 5] gewundscht haben, wie der 42. Psalm sagt: ‘Jch wolt gern hinuber faren mit  dem hauffen und mit jhnen zum hause Gottes gehen, jm dohn des rhumes und  [Ps. 118, 15] dancks unter dem hauffen, die da feiren’, Und jm Schonen Confitemini1: ‘Es  ist eine stim der freuden und des heils jnn den hutten der gerechten’, und der

 

[ 4 mit hertzen] mit dem hertzen E]

 

 

 

[Seite 605]

 

 gleichen viel mehr, Denn wer unter dem hauffen ist, (So er nicht falsch ist)  der ist teilhafftig aller ehren und dancks, so Gott daselbs geschicht. Darumb  mustu ia ein verzweivelter schelm sein, weil du Gotte solchen dienst und solche  grosse ehre thun kanst, und dich weder kost noch muhe gestehet1, Sondern mit  willigem zuhoren oder mit leiblichem empfahen und mit danckbarm hertzen  alles kanst ausrichten, und wilt doch deinem Gott dasselbige nicht erzeigen,  So du doch soltest billich gern an der welt ende lauffen, wo du wustest, einen  solchen hauffen zu finden, da man Gott lobet und ehret, und also der heiligen  geselschafft dich teilhafftig machen, Wie hastu vorhin gelauffen zu der heiligen  greber, kleider, gebeine? Wie ist man gen Rom, gen Jerusalem, zu S. Jacob  gewallet, allein das man stein, bein, holtz und erden sehen mocht, und nichts  von Christo gedacht ward? Und hie ist jnn deiner stad odder dorff, fur deiner  thur, Christus selbs gegenwertig mit leib und blut, mit seinem gedechtnis, lob  und ehren lebendig, und du magst nicht hinzu gehen und auch helffen dancken  und loben? Du bist gewis nicht ein Christ, auch nicht ein mensch, sondern  ein teuffel odder teuffels gesinde.

 

Es were unrecht, das solchen verechtern und verleugten Christen anders  gienge, denn das sie zur straffe jhrer schendlichen undanckbarckeit durch den  teuffel besessen, betrogen und verfuret wurden, damit sie nimer mehr nichts  vom Sacrament horeten noch lernten, Sondern sollen Papisten odder Schwermer  zu lerer haben, das die Schwermer eitel brot und wein draus machen, den  kern aus schelen und jhn die hulsen geben, Die Papisten aber ein opffer und  kauffs handel draus machen, die sunden zu vergeben und aus aller not zu  helffen, darnach jnn die monstrantz und Ciboria2 setzen, Procession machen und  spiel tragen3 und eitel gauckel werck damit treiben, bis sie auch nur eine gestalt  davon behalten, und dennoch on frucht, mit eitel schaden. Dafur sollen sie  geben gelt und gut, bis das sie Keiser, Konige und Fursten machen aus  solchen jhren lerern, Recht, allerding recht, Mit den verkereten verkerestu dich,  [Ps. 18, 27] spricht Psalm 18. Warumb haben sie diesen Gottes dienst sampt Christus  gedechtnis veracht, der so herrlich, schon und gros ist, und den on kost und  muhe haben mochten? Wolan, so las man sie die hulsen davon haben, mit  allem schaden an leib und seele, gut und ehre, Wie sie wollen, so geschicht jhn!

 

Wer aber obangezeigter meinung Christus gedechtnis hellt und sein leiden  ehret, der ist sicher und frey [Bl. C4] fur allen jrthum und fur aller teufel  betrug, darff auch kein kost noch muehe dran wagen und schafft unzelichen nutz  dazu, Denn er thut Gott zween grosse Gottes dienst, zwo grosse ehre, Die  erste, das er sein stifft und ordnung nicht veracht, sondern untertheniglich und  gern braucht, Welche ehre on zweivel Gott wol gefellet, als der solch Sacrament

 

[ 10 gepeins B 11 nichts] da nichts E 19 wurden] werden B 27 Ronige A 28 Recht] Recht, recht E 29 spricht] spricht David FH 31 moechten E 37 ordunng A ]

 

 

 

[Seite 606]

 

 nicht vergeblich, sondern zu gebrauchen hat eingesetzt und kein gefallen dran  haben kan, wo mans so ledig stehen lesst und nicht gebraucht, Denn damit  stellet man sich fast, als hielte man Gott fur einen narren, der unnotige  stiffte uns ordenet und nicht wuste, was er uns stifften solle, odder als were  er ein knapsack1, der faule, untuchtige wahr umbher truge und uns anboete,  Und wer kan es aus rechen, was unehre Gott und unserm Herrn Christo  allein mit dem selbigen stuck geschicht, das man sein Sacrament so veracht,  ungeuebet und ungebraucht lesst, und wollen dennoch nicht Papistissch, sondern  Euangelisch sein? Welche unehre auffhebt und hilfft abthun, wer sich zu dem  lieben Sacrament helt und solch Gottes stifft ehret und braucht, Dafur wird  [1. Sam. 2, 30] jhn Gott widderumb ehren, wie geschrieben stehet 1. Reg. 2: ‘Wer mich ehret,  den wil ich widder ehren, Wer mich aber veracht, sol widder veracht werden.’

 

Die ander ehre ist, Das er Christus Gedechtnis hellt und hilfft erhalten,  Das ist das predigen, loben und dancken fur die gnade Christi, uns armen  sundern durch sein leiden erzeigt, Umb welchs gedechtnis willen furnemlich  Gott dis Sacrament gestifft hat, und auch solche ehre drinnen sucht und  foddert, auff das er jnn Christo unser Gott erkennet und gehalten werde,  Wie ein grosse ehre und herrlicher Gottes dienst das sey, ist droben gesagt,  das damit Gottliche ehre erhalten und Gott zum rechten Gott gemacht wird.  Da fur wird er on zweivel widderumb denselbigen zur Gottlichen ehre bringen  und auch einen Gott und Gottes kind draus machen, Und wer kan auch hie  ausrechen, was guts solche ehre und Gottes dienst schaffen? Denn damit  danckt und lobet er nicht allein Gott jnn Christo, welchs dieses Gottlichen  stiffts eigentlich thun ist, Sondern bekennet auch damit offentlich fur der welt  seinen HERRN Christum, und das er ein Christ sey und sein wil, Und richtet  also zu gleich auff ein mal aus eins rechten Priesters beiderley hochste ampt:  Mit dem dancken, loben und ehren gegen Gott thut er das schonest opffer,  den hohesten Gottes dienst und herrlichst werck, nemlich ein Danckopffer, Mit  dem bekentnis gegen die menschen thut er so viel, als predigt er und lerete  die leute an Christum gleuben, Damit hilfft er die Christenheit mehren und  erhalten, hilfft stercken das Euangelion und Sacrament, hilfft die sunder  bekeren und dem teufel sein reich sturmen, Und jnn summa: Was die lere des  worts thut jnn der welt, da hilfft er mit und ist desselbigen wercks teilhafftig,  Wer kan aber erzelen, wie grosser nutz hie geschehe?

 

Dagegen widderumb zu bedencken ist, was die fur unselige leute sind,  die das Sacrament verachten und so faul und lass sind zugebrauchen, Denn  die selbigen mugen aus dem widderspiel dieses registers jhre untugent zelen  und rechen. Erstlich, das sie Gott [Bl. D 1] selbs unehren jnn seinem stifft  und achten jhn fur einen narren, das er solch unnotig Gottes dienst ordent,

 

[ 5 untuchtige] vnnoetige E uns anboete] ausboete E 33 dasselbigen AC 34 hie] daran E]

 

 

 

[Seite 607]

 

 Ja weil sie nicht gleuben, das ein Gottes dienst seine gottliche ordnung und  gnadenreich gestifft ist, so schenden sie jhn mit solchem unglauben als einen  lugener und nichtigen man. Denn Unglaube ist nichts anders denn Gotts  lesterung, da mit er fur ein lugener gehalten wird. Darnach verachten sie  auch das gedechtnis Christi, so inn solchem Sacrament Gott gestifft hat und  gehalten wird, und thun dem leiden Christi keine ehre, Dancken jhm nichts  dafur, Sondern begehen das aller grewlichst laster der undanckbarkeit, Dazu,  das noch erger ist, stellen sie sich, als die ungern vom danck und ehre des  leidens Christi horeten odder nicht gern da bey sein mugen, da mans ehret  und danckt, Damit sie Gott seine Gottliche ehre nemen, hindern und wehren,  das er nicht kan ihr Gott sein noch inn Christo fur einen Gott erkennet  werden, wie droben gesagt, Und so viel an ihn ligt, wolten sie, das beide,  Christus leiden und alle Gottliche ehre, inn aller welt gar nichts golten und  rein auff gehaben weren und eitel teuffel unser Gotter wurden. Denn sie  fragen nichts darnach, wie Christus leiden geehret, sein gedechtnis gehalten,  sein wort gepredigt odder Gott erkennet werden mocht, Das ist vielmal erger,  denn so jemand Gottes bilde mit kot wurffe odder Chistum selbs unehrete.

 

Uber das geben sie den andern damit ein bose ergerlich exempel und  sind schuldig an allen denen, die ihrem exempel nach dis Sacrament auch  lassen und verachten, Damit, so viel an jhnen ist, Christus gedechtnis vergessen  wird, Sein leiden gar umb sonst und unnutz, und endlich der Christlich  glaube gar unter gehen, On was des guten noch ist, das sie lassen und  hindern, das sie Gott kein danckopffer thun, ihren Herrn Christum nicht  bekennen, jhren nehesten mit der that und exempel nicht leren, reitzen und  bessern, Sondern Gott das danckopffer enzihen, Christum verleugnen und  jhren nehesten abfuren. Lieber, was were es wunder, das Gott eitel teufel  uber uns liesse wueten mit teglicher pestilentz, krieg, theurung, mord und  iamer? Es ist hie Turcke, Tattern und alle teuffel zu wenig, solche bosheit  zu plagen, da nicht allein solche grosse, grewliche uneher und verachtung Gottes,  sondern auch so schendliche und verfluchte undanckbarkeit gegen Christo uber  die masse jm Christlichen volck ist.

 

Die Juden musten jhren auszug und erlosunge aus Egypten land und  durchs rote meer jerlich gar herrlich preisen, loben und dancken, Und konnen  die lieben Propheten das selbige wunder werck Gottes nirgent gnugsam erheben  und schmucken, Und wir Heiden, die sonst des teufels eigen sind gewest, und  uns nichts von Christo zu wissen noch zu haben geburt hat, sind zu solcher  gnaden und ehren komen, das wir der erlosung Christi sind teilhaftig worden,  welcher uns nicht aus Egypten und roten meer, sonder von der sunden, tod,  hellen, teuffeln, Gotts zorn und allem iamer erloset hat, auch nicht jnn das  leibliche land Canaan, sondern jnn eine ewige gerechtigkeit, leben, himel, gnade,

 

[ 12 gesagt] gesagt ist E 36 uns] aus E]

 

 

 

[Seite 608]

 

 und zu Gott selbs bracht hat, Und das alles nicht [Bl. D ij] durch Mosen, noch  durch Engele, Sondern durch sich selbs, hatts jhm so hertzlich saur lassen werden,  blut druber geschwitzt, sein hertz wie ein wachs zurschmeltzen lassen, am Creutz  sich todten lassen, fur uns geweinet und geseufftzet, auffs aller schendlichst sich  lestern lassen, Und ach, welche zunge, welch hertz ist hie gnug zu, solche liebe,  gnade und barmhertzigkeit zu bedencken odder zu reden?

 

Und fur das alles sol er von denen (fur die er solchs gethan) nicht  mehr verdienet haben, denn solchen danck und ehre, das man sein nicht  gedencken mag, noch davon etwas horen, odder unter denen sein, die sein  gedechtnis halten und dancken, und mugen sein Sacrament zu seinen ehren  nicht brauchen, Sondern jhn da lassen mit seinem Sacrament vergeblich sitzen,  und umbsonst uns dazu foddern, die weil hin gehen, fressen und sauffen odder  wol ergers thun. Es ist wunder, das die sonne lengst nicht kolschwartz worden  ist, Es solte kein laub noch gras wachsen, kein tropfe wassers noch lufft jnn  der welt bleiben fur solcher unmenschlicher undanckbarkeit, Die Juden sind  boese gewest, die jhn gecreutzigt haben, Aber wir heiden sind viel erger, die wir  so schendlich sein leiden verachten und so undanckbar dafur sind, die wir nicht  so viel jhm zu liebe und ehren thun, das wir solchs Sacraments gebrauchten  und hulffen solch sein gedechtnis halten. O Bapst, O Bisschove, O Sophisten,  O Munche, O Pfaffen, was habt jhr gethan, das jhr solchs alles schuld und  ursachen seid, die jhr dis Sacrament zu opfer Messen und werck gemacht,  damit den leuten diesen rechten brauch, ehre und danck vertunckelt und geraubt  habt? Denn sie haben nichts anders drinnen gesucht on jhr eigen werck,  gehorsam und verdienst. das habt jhr sie geleret und mit gebot zu solchem  werck gezwungen, Und dennoch die eine gestalt genomen.

 

[Matth. 23, 24] Jhr mucken seiger und kamel schlinger, habt fur gegeben grosse ehre des  Sacraments, das mans jnn gulden kostliche monstrantz setzen, mit gulden  kelchen und Patenen handeln solle, und den Priestern die finger dazu sonderlich  geschmirt mit salben, kostliche Corporal1, messgewand und altar tucher, Tafel,  Kertzen und fanen und mancherley procession und gesang dazu gebraucht, gerade  als lege viel daran. Und das man ia den grossen trefflichen ernst spuren  musse, habt jhr bedacht, das man mit rorlin aus dem kelche trincken solle,  damit das blut Christi nicht verroret2 werde, Und fur war den glauben scharff  angesehen, und geboten, das man ia unter iglicher gestalt den gantzen Christum

 

[ 1 und fehlt E 18 gebrauchten] gebrauchen BCE 33 verroret (verroeret BD) EFH]

 

 

 

[Seite 609]

 

 gleuben solle, Aber da gegen hat das liebe Sacrament mussen ein opffer und  werck sein, damit jhr aller welt gut und ehre zu euch gekaufft. Wo ist hie  blieben die lere vom Gedechtnis Christi? Wenn habt ihr das volck unterricht,  das sie solchs Sacrament solten aus liebe brauchen, als ein Gottes stifft ehren  und Christum hierinn preisen, loben und dancken, zu ehren seines leidens dasselbe  empfahen und seine gnade erkennen, on unser werck und verdienst uns geschenckt?  Ja ihr habt sie zu widder solchem gedechtnis leren eigen werck und den freien  willen und aus dem Sacrament selbs auch [Bl. Diij] ein werck gemacht und alles  verkeret, Und wollet solchs nicht bussen, Sondern verteidingts auch noch dazu,  O spotter, O Geugler, O Heuchler, O Lesterer, Ach mein Herr Christe, kom doch  bald mit feur und schwefel vom himel und machs mit solchem spotten und lestern  ein ende, wie uber machen1 sie es doch so gantz unleidlich und untreglich!

 

Das ich aber ein mal von diesem stuck kome, So hastu hie eine mechtige  und treffliche ursache, die dich reitze zum Sacrament zu gehen, das dein hertz  dich mag ermanen auff die weise: Wolan, ich wil zum Sacrament gehen,  Nicht, das ich damit ein gut werck odder verdienst wolle thun, auch nicht  umb gehorsam odder gebot willen des Bapsts odder der kirchen, Sondern zu  lobe und ehren meinem Gott, der mir solchs zu empfahen gestifft hat, und zu  liebe und danck meinem HERRN und Heiland, der mir solchs zu ehren seines  leidens eingesetzt hat, zu gebrauchen und zu dancken, Damit ich der einer sey,  der jhm seines leidens dancke, Und nicht erfunden werde unter den verechtern  und undanckbarn, auch nicht den andern ein bose exempel zum ergernis gebe  und also mich teilhafftig mache jhres verachten und undanckbarkeit, Sondern  viel mehr ein gut exempel gebe und andere herzu locke, das sie es auch ehren  und loben, Und also das gedechtnis des leidens Christi helffe halten und  stercken, Und zu gleich als ein Christ meinen Herrn bekenne fur der welt.  Solch danckopffer wil ich jhm thun, wenn ich gleich kein andern nutz davon  solt haben, Denn es sol mein danck sein dem HERRN fur sein bitter leiden,  das er umb meinet willen erlidden hat.

 

Jch hoffe aber, Es sey nicht not, hie lange zu leren, Was da heisse  Christus gedechtnis, davon wir anders wo offt und viel geleret haben:  Nemlich, das es nicht sey das betrachten des leidens, damit etliche als mit  einem gutem werck wollen Gott gedienet und gnade erlanget haben, gehen  umb mit trauren fur das bitter leiden Christi &c.. Sondern das ist Christus  gedechtnis, so man die krafft und frucht seines leidens leret und gleubt, Also,  das unser werck und verdienst nichts sind, der frey wille tod und verloren  sey, Sondern allein durch Christus leiden und tod von sunden los und frum  werden, Das es sey ein leren odder gedechtnis von der gnaden Gottes jnn  Christo, und nicht ein werck von uns gegen Gotte gethan. Widder solche lere

 

[ 15 die] diese E 30 da] das F]

 

 

 

[Seite 610]

 

und glauben strebt das gantz Pabstum mit seinen stifften, klostern und eigen  wercken, und haben dazu aus dem Sacrament auch das gemeineste grosseste  werck gemacht, da man doch am aller wenigsten solt von unsern wercken,  sondern alles von eitel blosser gnade handeln, Haben also Christus gedechtnis  aller dinge unterdruckt und dis gnadenreiche gestifft Gottes jnn solchen engstlichen  grewel verkeret. Da huet dich fur und lerne hie nichts mehr thun, denn  deinem HERRN Christo dancken fur sein leiden, Und Gott fur seine gnade  und barmhertzigkeit, Zum zeichen und bekentnis solchs dancks und lobes nim  und empfahe das Sacrament mit freuden.

 

Ob hie die Papisten wurden kluglen wollen [Bl. D 4] aus meiner rede  (wie sie pflegen) und wider mich rhumen, das ich hie selbst jm Sacrament  ein opffer mache, so ich doch bis her fast gestritten1 habe, die Messe sey kein  opffer, Dar auff soltu also sagen: Jch mache wedder messe noch Sacrament  zum opffer, Sondern das gedechtnis Christi, das ist die lere und glauben von  der gnaden widder unser verdienst und werck, das ist ein opffer, Und ist ein  Danckopffer, Denn mit dem selbigen gedechtnis bekennen und dancken wir  Gott, das wir aus lauter gnaden durch Christus leiden erloset, frum und  selig werden. Aber die Papisten haben solch gedechtnis verworffen, verdampt  und gelestert, Verdamnen es auch noch heutiges tages, denn sie wollen jhr werck  und verdienst verteidingen, Kloster und opffer Messen behalten, welchs strebt  widder solch gedechtnis Christi, wie wir denn wissen, das sie die selbigen jhre  werck und messen verkeuffen und mitteilen jhren stifftern und brudern, das  jhr werck, als der sie fur sich selbs zu viel und ubrig haben, auch andern  leuten helffen sollen zur gnade. Und thun also damit, das doch Christus allein  durch sein leiden thut, Setzen sich jnn Christus ampt und werck Und sagen:  [Matth. 24, 5] Jch bin Christus, Mathei 24. Das ist eins, da widder ich gestritten habe.

 

Zum andern haben sie nicht allein solch danckopffer odder gedechtnis  unterdruckt, Sondern an des selbigen stat ertichtet ein ander opffer, nemlich,  das sie das Sacrament, das sie empfahen und von Gott nemen solten, nemlich  den leib und das blut Christi, zum opffer gemacht und den selbigen Gotte  geopffert, Und wo sie das opffer nicht hetten ertichtet, sie solten mir solche  Herrn nicht worden sein. Dazu halten sie Christus leib und blut nicht fur  ein danckopffer, sondern als ein werckopffer, damit sie nicht Gott dancken fur  seine gnade, Sondern jhn selbs und andern damit verdienen und gnad aller  erst erwerben, das also nicht Christus uns gnade hab erworben, Sondern wir  wollen die gnade selbs erwerben, durch unser werck, da mit wir Gott seins  sons leib und blut opffern, Das ist der rechte heubtgrewel und grund aller  lesterung jm Bapstum. Widder solch lesterlich opffer hab ich gefochten und  fechte noch, das wir das Sacrament nicht wollen weder opffer sein lassen noch  opffer heissen, Sondern ein Sacrament odder gestifft Gottes, uns gegeben.

 

 

 

[Seite 611]

 

Mit solchem fechten haben wir so viel ausgericht, das sie selbs nu fulen,  wie sie unrecht haben und die messe kein opffer sein muge, wollen aber solch  unrecht nicht widderuffen noch bussen, heben an am schlegel zu flicken1,  wolten sich gern schmucken mit dem gloslin, das die Messe odder Sacrament  sol Ein misteriale odder memoriale sacrificium, das ist Ein deud opffer und  werck opffer2 sein, Als damit man deutet und dencket an das opffer Christi, so  er am Creutz gethan hat, Ja wer siegel und brieve hette, das solch glose  Gotte wolgefalle, Wer wil uns des versichern? Auch wird dis gloslin eine  unverschampte, greiffliche lugen, wenn man die siegel und brieve jnn stifften  und klostern erfur zeucht, darinn sie den stifftern die Messen und vigilien  beide fur lebendigen und todten verkeuffen, als ein [Bl. E 1] werck opffer oder  werbopffer, des gleichen zeugen auch jhr bucher und schrifft, so noch fur  handen sind. Und ist gut zu rechen, Das sie mit solchen lugen gloslin  gedencken die selbigen alte grewel zu bestetigen, weil sie die selbigen nicht  widderruffen noch bussen, sondern verteidingen, wie denn auch S. Gregorius  schreibt, Das er dreissig tage habe lassen die Messe opffern fur einen todten3,  Was hilffts aber, also mit offenberlichen luegen die alten grewel stercken widder  die helle warheit? On das eins das ander deste mehr zu schanden macht.

 

Es hilfft auch solch gloslin nichts zur sachen, Denn weil sie das  Sacrament damit wollen ein deutopffer odder denckopffer nennen, so machen  sie gleichwol ein werck draus, das wir gegen Gott thun umb verdienst, Und  wird also gleich wol da mit unser werck gegen Gott, und nicht Gottes gnade  gegen uns, gepreiset. Gleich wie bis her ettliche haben die Passion lassen  malen und jnn buechlin gelesen, Und solchem werck grosse ehre gegeben, wie  der spruch Alberti hat geleret, das ein mal das leiden Christi schlecht oben  hin betrachten sey besser, denn ob einer ein gantz iar fastet, alle tage einen  Psalter betet und sich selbs bis auffs blut steupet.4  Ein solch werck wurde  aus dem Sacrament auch, wenn es solt heissen ein deut opffer odder denck  opffer, damit man allein die historia und geschicht des leidens Christi bedecht,  Solch werck kan ein Gottloser und der teufel auch wol thun, Darumb hat  Christus das Sacrament nicht dazu eingesetzt, sondern zu seinem gedechtnis,

 

[ 6 werck opffer] denckopffer E Merckopffer FH 27 wurde] wuerbe E]

 

 

 

[Seite 612]

 

Das man von seiner gnade recht leren, gleuben, lieben und loben solle, welchs  werck vermag kein Gottloser nicht. Darumb meinen es die Papisten nicht gut  mit solchem gloslin, Sondern wollen jhr opffer messe dadurch mit listen und  blinden griffen1 erhalten, suchen und meinen gar nicht das Sacrament, sondern  jhren Bauch und Mammon.

 

Das mercke da bey: Sie wollen, als die Priester, ein sonderlichs, hohers  und bessers an dem Sacrament haben, fur allen andern Christen, Denn ob  gleich die gantze Christenheit das Sacrament gebraucht, empfehet, gleubet und  danckt, So mus es doch da selbs kein opffer heissen, Und kan hie keiner das  Sacrament brauchen odder handeln fur einen andern, sondern ein iglicher fur  sich selbs allein. Aber wenn es die Pfaffen handeln, so ists ein opffer, das  sie nicht allein fur sich selbs, auch nicht fur dancksagunge, Sondern fur alle  ander Christen thun, damit jhnen gnade und hulff zurlangen, Sihestu und  greiffestu hie nicht, das die wort Christi nicht ein opffer aus dem Sacrament  machen, Und an jhm selbs auch kein opffer ist? Aber wenn die kasel2 und  platte dazu kompt, so wirds ein opffer, Denn ob schon die gantze heilige  Christenheit das Sacrament handelt, mit henden und munde, jnn kelchen und  tuechern, mit glauben und liebe, mit lob und danck, ia alle Engele jm himel  da zu, dennoch ists kein opffer, Aber wenn die platten uber dem alltar damit  umbgehet, da ists ein opffer. So ein mechtig ding ists umb die weihe, beide  der person und des alltars, Und, lieber, frage mir sie doch, Warumb das  Sacrament nicht auch ein opffer ist, [Bl. Eij] wenn es die leien empfahen  und brauchen, odder ob sie ander Sacrament haben weder3 die leien.

 

So haben nu die kirchen jm Bapstum zweierley Sacrament des altars:  Der gemein Christen man hat kein opffer Sacrament, sondern das schlecht  Sacrament (wie wol dennoch die helfft allein), Die priester haben ein opffer  Sacrament, und dasselbe gantz, Es gehet bruderlich zu, und haben sich fein  geteilet. Nu hat doch ia Christus allen seinen Christen zu gleich einerley tauffe,  Sacrament, Euangelion gegeben und gelassen, und kein unterscheid der personen  wollen haben, Wo kompt denn solcher unterscheid her, das unser lieber trostlicher  schatz jnn des priesters hand und maul ein opffer wird, und jnn unsern  henden und munde nicht kan ein opffer sein, Sondern ein schlecht Sacrament  sein mus, und ist doch beides einerley und gleich Sacrament? Es kompt  freilich daher: Sic volo, sic iubeo4, aus der vollen gewalt des Bapsts, durch  welche er auch aus dem Euangelio kan machen, das es mus heissen Ketzerey odder  warheit, Als: da der Luther das Euangelion leret, Munche und Nunnen  mugen ehlich werden, da ists ketzerey, Wenn aber der Bapst solchs Munchen  und Nonnen erleubt, da ists das recht Euangelion, Und wenn jemand der  kirchen guter misbraucht odder hindert, da heisst es dem erbgut Christi zu

 

 

 

[Seite 613]

 

 nahe gegriffen, Aber, wenn sie es den armen entwenden, mit hurerey und  krieg umbbringen, da heisst es das erbgut Christi geheiliget. Es ist ein  gewaltiger Schepffer und Gott.

 

Aber, das sie nicht meinen, Jch wolle umb wort zancken (Denn wo die  sachen sonst recht stehen, sol an den worten nicht so viel liggen, wie wol doch  jnn der schrifft solchs ferlich ist)1, Wolan, so wollen wir das ein reumen und  nicht das Sacrament selbs, sondern empfahen odder brauch des Sacraments ein  opffer nennen lassen, Mit solchem unterscheid und verstand, Erstlich: das es nicht  ein deut opffer odder werck opffer, sondern ein danck opffer heisse, also, das wer  das Sacrament empfehet, sol das, zum zeichen seiner dancksagung gethan haben,  damit er anzeigt, das er Christo fur sein leiden und gnade jnn seinem hertzen  danckbar sey, fur sich selbs. Zum andern: das die priester auch kein ander  opffer draus machen uber dem altar, Sondern auch sie das selbige nicht anders  noch anderer meinung empfahen, denn zum zeichen, damit sie anzeigen, das sie  Christo jm hertzen dancken fur sich selbs, gleich wie die andern Christen,  welchen sie es reichen vom altar, Auff das es einerley und ein gleich Sacrament  sey, beide der priester und der leien, und die priester nicht bessers noch anders,  noch mehr am Sacrament haben denn die leien, gleich wie sie nicht besser tauffe  noch Euangelion haben, denn so man von jhnen empfehet. Zum dritten:  das sie hin furt niemand das Sacrament odder messe als ein werck opffer  verkeuffen noch fur andere opffern, umb gnade zurlangen, weder den todten  noch den lebendigen, Sondern schlecht ein iglicher Priester, fur sich selbs allein  (wie ein ander Christ) damit Gott danck erzeige. Zum vierden (O thar ich das  auch ruren?): Wenn der Messe odder Sacraments brauch nu also [Bl. E iij] ein  danck opffer ist worden, das sie wolten bussen und widder geben alle guter,  siegel und brieve, dazu aller kloster und stifft renten, die sie durch die Messe,  als mit eim werckopffer, uberkomen haben und besitzen, weil doch solche guter  mit liegen und triegen, ia mit Gottes lesterung und Christus verretherey  erworben sind, Denn hettens konige und fursten gewust, das ein Priester mit  dem Sacrament nichts mehr thet auff dem altar denn der leie, der es  empfehet, nemlich, das er Gott fur sich selbs allein danckt, meinstu, das sie  so tol gewest weren, und solche guter dem gegeben, der nicht fur sie opffert  noch Gott versunet, sondern fur sich selbst allein dancket? Usch, Usch, Usch,  wie kribbelt mir das jnn den zeenen2, Dis stuck traw ich nicht bey jhn zu  erheben3, das weis ich wol.

 

Weiter wil ich auch das ein reumen, das sie solch danckopffer mugen  fur andere auch thun, gleich wie ich auch ausser der messe mag Gott dancken,

 

[ 9 werckopffer] Merckopffer FH Merckopffer odder Denckopffer E]

 

 

 

[Seite 614]

 

 fur Christo und alle seine heiligen, ia fur alle Creaturn, das also der priester  muge jnn seinem hertzen dencken: Sihe, lieber Gott, dis Sacrament brauch  und neme ich dir zu lob, danck, das du Christum und alle deine heiligen so  herrlich gemacht hast, Denn wer weis das nicht, das wir on das schuldig  sind, Gott zu dancken, fur uns selbs, fur alle menschen, fur alle Creaturn,  [1. Tim. 4, 4] wie S. Paulus leret? Darumb kan ichs wol leiden, das die Priester jnn  der Messe Gott dancken fur uns alle, Allein, das sie dasselbige nicht als  ettwas sonderlichs und anders achten uber der leien Sacrament, Als kundte  und solt der leie nicht auch eben mit solchem danck das Sacrament nemen  odder brauchen. Den Sonderling1 wil ich nicht leiden jm gleichen und aller  gemeinem Sacrament, Viel weniger wil ich leiden, das sie fur die andern  (das ist, an stat der andern) dancken sollen, als solts gleich viel sein, wenn  der Priester danckt, als danckt ich, und ich jhm gelt gebe, das er fur mich  und an meiner stat dancke, Nein, den jarmarckt wil ich nicht haben, noch  solchen wechsel2 und gedinge3 leiden.

 

Wollen sie diese stucke nicht an nemen, So wollen wir auch jhr listiges,  falsches gloslin vom Deutopffer odder denck opffer nicht leiden noch das Sacrament  also nenne lassen, Es ist abusus et Katachresis, der misverstand zu grob  und ferlich. Denn Christus scheidet hie die zwey stuck weit von einander,  Sacrament und Gedechtnis, da er spricht: ‘Solchs thut zu meinem gedechtnis.’  Ein ander ding ist das Sacrament, und ein ander ding ist das Gedechtnis,  Das Sacrament sollen wir uben und thun (spricht er) und daneben sein  gedencken, das ist: leren, gleuben und dancken, Das gedechtnis sol wol ein  danckopffer sein, aber das Sacrament selbs sol nicht eine opffer, sondern ein  gabe Gottes sein, uns geschenckt, welchs wir zu danck an nemen und mit  danck empfahen sollen. Und ich halt, das daher die alten solch ampt haben  Eucharistia odder Sacramentum Eucharistie, das ist dancksagung, genennet,  das man nach dem befelh Christi bey diesem Sacrament Gott dancken und  dasselb mit danck brauchen und empfahen sol, Welchs wort darnach durch  misverstand auch hat mussen allein das Sacra-[Bl. E 4]ment heissen, Und were  noch nicht ubel geredt, Wo man itzt sagte, wenn man zur Messe odder predigt  gienge: Jch wil zur Eucharistia gehen, das ist: Jch wil zur dancksagung  gehen, nemlich zu dem ampt, da man Gott danckt und lobt jnn seinem  Sacrament, wie es scheinet, das die alten gemeinet haben.

 

Und daher acht ich, das viel gesang jnn der Messe, so sein und herrlich  vom dancken und loben gemacht und bis her blieben ist, als das Gloria in  excelsis Et in terra, Das Alleluia, Das Patrem, Die Prefation, Das Sanctus,

 

[ 1 nach priester] wenn er das Sacrament jnn der gemeine reicht vnd nimpt E 24 eine fehlt B        ein B]

 

 

 

[Seite 615]

 

Das Benedictus, das Agnus Dei, In welchen stuecken findestu nichts vom opffer,  Sondern eitel lob und danck, Darumb wir sie auch jnn unser Messen behalten,  Und sonderlich dienet das Agnus uber allen gesengen aus der massen wol  zum Sacrament, Denn es klerlich daher singet und lobet Christum, das er  unser sunde getragen habe, und mit schonen kurtzen worten das Gedechtnis  Christi gewaltiglich und lieblich treibt. Und summa, was bose jnn der Messe  ist vom opffer und werck, das hat Gott wunderlich geschickt, das fast1 alles  der priester heimlich lieset, und heisset die stillmesse, Was aber offentlich durch  den Kor und unter dem hauffen gesungen wird, fast eitel gut ding und lobesang  ist, als solt Gott mit der that sagen, Er wolle seiner Christen mit der  stille Messen schonen, das jhr oren solch grewel nicht musten horen, und also  die geistlichen mit jhrem eigen grewel sich plagen lassen.

 

Das sey von dem ersten stucke odder ursachen gesagt, die uns sol reitzen  und bewegen, mit lust und liebe zum Sacrament zu gehen, nemlich, das wir  Gott zu lob und danck, Christo zu liebe und bekentnis, unserm nehesten zum  guten exempel und besserung, und endlich zu erhaltung des Sacraments,  lerens, glaubens und gantzer Christenheit solchs thun, ungeacht, ob wir gleich  dadurch nichts verdienen solten noch kundten, Sintemal wir on das solchs  alles schuldig sind zu thun, denn es ia ein gemein Gottes gebot ist, das wir  jhn sollen loben und dancken, Christus leiden lieben und ehren, den nehesten  bessern und die lere, glauben und Christenheit erhalten helffen. Wie vielmehr  sollen wirs hie thun, da er ein sonderlich gestifft dazu ein gesetzt hat, und  uns auch dazu rufft und locket? Und ob wirs nicht wolten odder kundten  empfahen, doch gern da bey sein, und sehen dasselbe empfahen, und horen  Gott loben und Christo dancken, Denn solchs gehet nicht aus eigener andacht  odder menschen wahl, sondern stehet hie gegrundet jm wort Christi: ‘Solchs  thut zu meinem gedechtnis.’

 

[Bl. F 1]

Das Ander teil.

Bis daher haben wir nichts gesagt von unserm nutz, so wir jm Sacrament  suchen und holen konnen, Sondern allein vom nutz, den du Gott selbs,  Christo, dem nehesten, dem Euangelio und Sacrament, dazu der gantzen  Christenheit thun kanst, Wie wol, wer kans begreiffen, was das alles fur  grosser nutz ist, wenn du Gott lobest, Christo danckest, sein leiden ehrest, deinen  nehesten besserst, das Sacrament und Euangelion sampt der Christenheit hilffest  fordern und erhalten, Dazu dem widderspiel aller dieser fruchte hilffest steuren  und weren? Dennoch, das wir ia sehen, welch ein vol, vol, gnadenreich  gestifft Gottes es sey, damit wirs ia hertzlich lieb gewinnen und gern brauchen,

 

 

 

[Seite 616]

 

 wollen wir nu sehen, was fur nutz auch sonderlich uns selbs darinn angeboten  und gegeben wird, Und wie Christus unser nicht vergessen hat jnn diesem  Sacrament, Wie wol ich aber solchs zuvor jm kleinen Catechismo1 fast alles  gerurt habe, das ein Pfarher, so vleissig sein wil odder des bedarff, sich wol  damit behelffen kan, Doch wil ichs widderumb hie auch handeln.

 

Auffs erst, wie ich droben2 vermanet habe, das du sollest das wort ‘zu  Meinem Gedechtnis’ wol mercken, als damit dich Christus reitzet und locket,  das du jhm zu lieb und danck und seinem leiden zu lob und ehren sollest  gern zum Sacrament gehen odder doch jhe gern dabey sein, Also ist hie auch  mit vleis zu mercken das wort ‘Fur Euch’, Da er spricht: ‘Das fur euch  gegeben, das fur euch vergossen wird.’ Denn die zwey wort ‘MEIN’ und  ‘EUCH’ sind ia gewaltige wort, die dich billich treiben solten, das du gern uber  hundert und tausent meilen zu diesem Sacrament lauffen mustest, Denn wo  du bedenckest, wer der sey, der da spricht ‘MEIN’, da er sagt: ‘das thut zu  meinem gedechtnis’, So wirstu ia finden, das es dein lieber Herr Christus  Jhesus, Gottes son, sey, der fur dich sein blut vergossen und gestorben ist,  und begert mit diesem wort ‘MEIN’ nicht mehr, denn das du doch solchs  erkennen woltest und gleuben, liessest es doch dir gefallen und jhm dafur  danckest, das jhm so hertzlich saur ist worden, Und nicht so schendlich verachtest  und sein Sacrament so geringe hieltest und nach liesest, so dichs doch  gar nichts kostet noch gestehet.3

 

Also wenn du bedenckest, wer die sind, davon er sagt ‘Fur Euch’, So  wirstu ia finden, das es sey du und ich, sampt allen menschen, fur die er  gestorben ist, Sind wir aber die, fur welche er gestorben ist, So mus das  folgen, das wir jnn sunden, tod, helle und unter dem teufel gewest sind, wie  auch die wort [Bl. F ij] klerlich mit bringen ‘Fur euch vergossen zur vergebunge  der sunden’. Sind sunde da, so ist gewislich der tod auch da, Jst der tod  da, so ist gewislich auch die helle und der teufel da, So hilfft solch  bedencken, das du must deste vleissiger jhm dancken und deste lieber zu seines  leidens ehren zum Sacrament gehen, Denn welch hertz kan jmer mehr  gnugsam begreiffen, welch eine wolthat und gnade das ist, das er vom tode  und teuffel, von sunden und allem ubel erloset, gerecht, lebendig und selig  wird, on sein verdienst und zuthun, allein durch das blut und sterben des  Sons Gottes? Welcher begerd doch nichts dafur, denn lob und danck, das  mans erkenne und gleube und nicht so schendlich verachte odder anstehen lasse.

 

So ist nu das der erste nutz und frucht, so dir kompt aus dem brauch  des Sacraments, das du solcher wolthat und gnade damit erinnert wirst, und  dein glaube und liebe gereitzt, ernewert und gesterckt wird, auff das du nicht  komest jnn ein vergessen odder verachtung deines lieben heilands und seines

 

[ 34 begerd —dafur] doch nichts dafur begerd E]

 

 

 

[Seite 617]

 

 bittern leidens und deiner grossen, manchfeltigen, ewigen not und tod, daraus  er dir geholffen hat. Lieber, las solchen nutz nicht geringe sein, Ja wenn  sonst kein nutz jm brauch des Sacraments were denn diese erinnerung solcher  wolthat Christi und deiner not, da mit du zum glauben und liebe gegen deinen  lieben Heiland gereitzt wirst, So were es dennoch uber aus gnug nutz und  frucht, Sintemal solcher glaube uns hoch von noten ist, das wir bey Christo  bleiben muegen, Bey welchen kein bleiben ist on solchen glauben. Und dagegen  der unglaube ein ferlicher, teglicher, unableslicher teuffel ist, der uns von  unserm lieben heilande und seinem leiden, beide mit gewalt und list, reissen  wil, Es ist muhe und erbeit, wo man teglich solchen glauben treibt, reitzt  und ubet, das wir Christus leiden und wolthat nicht vergessen, Was sollts  denn werden, wenn man sich davon zeucht, selten treibt, und sein gedechtnis  und Sacrament verachtet odder nach lesset?

 

Der ander nutz ist: Wo solcher glaube jmer also erfrisschet und  ernewert wird, da wird auch mit zu das hertz jmer von newem erfrisschet  zur liebe des nehesten und zu allen guten wercken starck und gerust, der  sunden und aller anfechtung des teuffels widder zu stehen, Sintemal der  glaub nicht kan mussig sein, Er mus frucht der liebe uben mit gut thun  und boeses meiden. Der heilige geist ist da bey, der uns nicht feiren lesst,  sondern willig und geneigt macht zu allem guten, und ernst und vleissig  widder alles boeses, Das also ein Christ durch solchen rechten brauch des  Sacraments jmer dar, jhe mehr und mehr, von tage zu tage, sich vernewert  [Eph. 4, 23] und zu nimpt jnn Christo, wie uns Paulus auch leret, das wir sollen jmerdar  uns vernewen und zu nemen. Widderumb: Wo man sich enthelt vom Sacrament  und braucht sein nicht, da mus der schade folgen und kan nicht feilen,  das sein glaube teglich jhe mehr und [Bl. F iij] mehr schwach und kalt wird,  daraus denn weiter mus folgen, das er faul und kalt wird jnn der liebe  gegen den nehesten, lass und unlustig zu guten wercken, ungeschickt und  unwillig dem boesen widder zustehen, und gewinnet also jhe lenger jhe weniger  lust zum Sacrament, bis das er gantz uberdrussig wird, an seinen lieben  heiland zu dencken, und verachtet und verdirbt also jnn selbs von tage  zu tage, und wird geneigt und lustig zu allem ubel. Denn der teuffel ist  da, der feiret auch nicht, bis das er In fellet jnn sunde und schande.

 

Jch wil zum exempel allen, die sich wollen warnen lassen, mein selbs  eigen erfarung hie anzeigen, da mit man lerne, welch ein listiger schalck der  teuffel sey. Es ist mir etliche mal widderfaren, das ich mir fur gesetzt hab,  auff den odder den tag zum Sacrament zu gehen, Wenn der selbige tag komen  ist, so ist solch andacht weg gewest, odder sonst ettwas hindernis komen, odder  hab mich ungeschickt gedaucht, das ich sprach: “Wolan, Uber acht tage wil  ichs thun.” Der achte tag fand mich aber mal eben so ungeschickt und

 

[ 7 welchem EFH 18 Es] Er CE 29 gewinnet] gewinnen CE 39/618, 1 Wolan — jhener fehlt E]

 

 

 

[Seite 618]

 

 gehindert als jhener: “Wolan, abermal uber acht tage wil ichs thun,”  Solcher acht tage wurden mir so viel, das ich wol were gar davon komen  und nimer nicht zum Sacrament gangen. Als mir aber Gott die gnad gab,  das ich merckt des teuffels buberei, Sprach ich: “Wollen wir des, Satan?1  So habe dir ein gut iar2 mit deiner und meiner geschicklickeit!” Und reiss3  hindurch und gieng hinzu, auch etlich mal wol ungebeicht (welchs ich doch  sonst nicht thu) zu trotz dem teuffel, sonderlich weil ich mir keiner groben  sunden bewust war.

 

Und hab also bey mir selbs erfunden: Wenn einer schon keine lust noch  andacht zum Sacrament hat, Und doch mit ernst sich erwegt dahin zu gehen,  So machen jhm solch gedancken und das werck an jhm selbs auch andacht  und lust gnug, vertreiben auch fein solche faule, unlustige gedancken, die einen  hindern und ungeschickt machen, Denn es ist ein gnadenreich, krefftig Sacrament:  Wenn man nur ein wenig dran mit ernst gedenckt und sich hinzu  schickt, so zundet es an, reitzt und zeucht weiter ein hertz zu sich. Versuchs  nur, und wo du es nicht so findest, so straff mich der lugen, Was gilts,  du wirst auch finden, wie dich der teuffel so meisterlich generret und so listig  vom Sacrament gehalten hat, damit er dich mit der zeit gar vom glauben  und jns vergessen deines lieben Heilandes und aller deiner not bringen moecht.

 

Und wenn du sonst keine ursach noch not hettest zum Sacrament zu  gehen, Lieber, were das nicht boese und not gnug, das du dich kalt und  unluestig findest zum Sacrament? Was ist das anders, denn das du dich  kalt und unlustig findest, zu gleuben, zu dancken und zu dencken an deinen  lieben Heiland und an alle wolthat, die er durch sein bitter leiden dir  [Bl. F 4] erzeigt hat, auff das er dich von sunden, tod und teuffel erloesete und  gerecht, lebendig und selig machte? Wo mit wiltu dich aber widder solchen  frost und unlust erwermen? Wo mit wiltu deinen glauben erwecken? Wo  mit wiltu dich reitzen zum danck sagen? Wiltu harren, bis es dich selber an  kome, odder der teuffel dir raum dazu gebe, odder seine mutter4 dich dahin  halte? Da wird nimer mehr nichts aus, Hie an das Sacrament mustu  dich reiben und hinzu halten, da ist ein feur, das die hertzen kan anzuenden,  Da mustu deine not und durfft bedencken und dir wolthat deines Heilandes  hoeren und gleuben. So wird dir dein hertz anders werden und ander  gedancken fassen.

 

Darumb hat Gott recht und wol daran gethan, das er uns hat lassen  bleiben jnn solchem stande, da wir muessen mit der sunden, tod, teuffel, welt,  fleisch und allerley anfechtung kempffen und ringen, auff das wir genoetigt

 

[ 8 suend FH 14 dran mit ernst E]

 

 

 

[Seite 619]

 

 und gezwungen werden, seine gnade, huelff, wort und Sacrament zu suchen  und zu begeren, Sonst, wo das nicht were, wurde kein mensch ein har breit,  weder nach seinem wort noch seinem Sacrament fragen, wedder gnade noch  [Ps. 22, 17. 21] huelffe suchen. Nu aber solche iag hunde, ia teuffel hinter uns sind und uns  auff steubern, so muessen wir wol mundter werden, Und wie ein geiagter hirs  [Ps. 42, 2] zum frischen wasser, also auch Wir nach Gott schreien, wie der 42. Psalm  sagt, Damit unser glaube wol geuebt, erfaren und starck werde und wir also  jnn Christo bleiben und feste werden.

 

Sprichstu aber, du fulest keine sunde, tod, welt, teuffel &c.. und hast  keinen kampff noch streit mit jhnen, drumb zwinge dich auch der not keine  zum Sacrament, Antwort: Jch hoffs nicht, das solchs dein ernst sey, das  du allein unter allen heiligen und menschen auff erden on solch fulen sein  soltest. Und wo ich wuste, das dein ernst were, so wolt ichs warlich bestellen,  das man auff allen gassen, wo du giengest, alle glocken leuten muste und fur  dir her ausruffen: Hie gehet daher ein newer heilige uber alle heiligen, der  keine sunde fulet noch hat. Aber ich wil dir ungeschertzt sagen: Fulestu kein  sunde nicht, so bistu gewislich jnn sunden gar tod, tod, und die sunde hirschet  mit gewalt uber dich, Und das ich der groben eusserlichen sunde schweige, als  lust zu unzucht, ehbruch, zorn, hass, neid, rache, hoffart, geitz, wollust &c.., So  ist das schon allzu viel und grosse sunde, das du keine not noch lust hast zum  Sacrament, denn daran mercket man, das du auch keinen glauben hast, das  wort Gottes nicht achtest, Christus leiden vergessen hast, und vol undanckbarkeit  steckest und aller geistlichen grewel.

 

Darumb ist mein rat: Wenn du ia so gar unempfindlich dich findest,  das du nicht sunde, tod &c.. [Bl. G 1] fulest, so greiff an dein maul, nasen,  ohren, hende, und fule, obs fleisch odder stein sey, Jsts fleisch, wolan, so  gleube doch der schrifft, kanstu deinem fulen nicht gleuben, Die schrifft sagt  [Gal. 5, 17, Röm. 7, 18] aber: ‘das fleisch streitet widder den geist’, jtem Ro. 7: ‘Jm fleisch ist nichts  gutes’, und der gleichen. Den selbigen spruchen nach sprich also: “Warlich,  ich fule, das ich fleich habe an meinem leibe, So wird gewislich nichts guts  drinnen sein, Darumb, so lange ich fleisch habe, ist mir freilich not zum  Sacrament zu gehen, meinen glauben und geist zu stercken, widder das fleisch,  welchs meinem geist widder ist.” Die schrifft leuget dir nicht, aber dein fulen  und nicht fulen treuget dich, Denn ob wol die sunde durch Christum vergeben  und also uberwunden ist, das sie uns nicht verdamnen noch das  gewissen beschuldigen kan, So ist doch so fern noch da blieben, das sie  uns an fechten und also unsern glauben uben kan.

 

 

 

[ 1 huelff] huelff im E 3 seinem (2.) fehlt E 6 wie der am Seitenwechsel zweimal A 15 her fehlt E 16 dir fehlt E 28 Ko A Rom. E Ro BC usw. 34 treuget] betreuget E 37 also fehlt E]

 

 

 

[Seite 620]

 

Also auch, fulestu die welt nicht, so sihe dich umb, wo du bist, ob du  nicht untern leuten wonest, da du sihest, horest und erferest mord, ehebruch,  raub, jrthum, ketzerey, verfolgen, und allerley untugent, Wenn du das sihest,  [1. Kor. 10, 12] so gleube der schrifft, die da sagt: ‘Wer stehet, der sehe zu, das er nicht falle.’  Denn jnn solche stucke kanstu auch alle stunde fallen, nicht allein mit dem  hertzen, sondern auch mit der that, denn du kanst wol deinen feind hassen und  schaden thun, odder hindern am guten &c.. Dem nach mustu sagen: “Warlich,  Jch sehe, das ich jnn der welt bin, mitten unter allerley sunden und laster,  darein ich wol fallen kan, Darumb, so lange ich jnn der welt bin, darff ichs  wol, das ich zum Sacrament gehe, auff das ich mich an meinen heiland halte  und meinen glauben stercke, damit ich solcher boesen welt widder stehen  und fur sunden und laster behutet werden muge, Denn ob uns Christus wol  hat die welt uberwunden, das sie uns nicht kan zur sunden zwingen, So ist  sie doch so fern da blieben, das sie uns anfechten, plagen und verfolgen und  damit unsern glauben uben kan.”

 

Des gleichen, fulestu den tod nicht, So gehe zum bein hause und zun  [Hebr. 9, 27] grebern auff dem kirch hofe, odder gleube der schrifft, die sagt: ‘Allen menschen  ist gesetzt, ein mal zu sterben’, So wirstu finden, das du noch nicht jm himel  bist leibhafftig, sondern hast den tod auch noch fur dir, und dein grab wartet  dein auch unter den andern, und bist des kein augenblick sicher. Wenn du  das sihest, So gedencke: “Warlich, ich bin noch nicht hin ubern, ich mus mit  dem tod auch noch kempfen, So lange ich nu noch lebe, ist mir not zum  Sacrament zu gehen, auff das ich meinen glauben stercke, damit der tod mich  (so er mich ubereilet) nicht erschrecke und verzagt mache, Denn es ist ein  grausamer feind, den ungleubigen untreglich, ia auch den schwachgleubigen  erschrecklich, Und ob jhn Christus wol uberwunden hat, das er uns nicht  fressen noch behalten kan, So ist er doch so fern da blieben, das er uns  erschrecken und mit verzagen anfechten und also unsern glauben uben kan.”

 

Also, fulestu den teufel nicht, wie er zum [Bl. G ij] misglauben, verzweiveln,  Gott lestern und hassen treiben kan, So gleube der schrifft, die uns  [Hiob 2, 7; 1. Chron. 22, 1; 2. Kor. 12, 7] zeigt, wie er mit solchen stucken Hiob, David und S. Paul und ander mehr  zu plagt hat, und dich auch noch so plagen kan, Dem nach sprich: “Warlich  der teufel ist noch ein furst jnn der welt, und ich bin jhm noch nicht entrunnen,  So lange ich aber jnn seinem furstenthum bin, bin ich sein nicht  sicher, darumb mus ich zum Sacrament gehen und mich zu meinem lieben  helffer und heilande halten, damit mein hertz und glauben teglich gesterckt  [2. Kor. 12, 7] werde, auff das mich der teufel mit seinem pfal nicht auch speisse, odder mit  [Eph. 6, 16] seinen feurigen verlipten1 pfeilen erwurge. Denn ob wol Christus uns den

 

[ 9 ichs] ich B]

 

 

 

[Seite 621]

 

 teufel uberwunden hat, So ist er dennoch so fern noch ein herr der welt  blieben, das er uns mit den hohen geistlichen anfechtungen bestreiten und also  unsern glauben uben kan.”

 

Solchs hab ich so grob und alber1 daher mussen sagen umb der groben,  faulen Christen willen, die nicht weit den sachen nach zu dencken wissen und  also unversehens lass und sicher werden, als durfften sie weder Gottes noch  seines wortes, gehen dahin, als hette es weder fahr noch not mit jhn, daruber  verlieren sie denn den glauben und werden untuchtig zu guten wercken. Aber  Gott hat uns solche feinde uber bleiben lassen, das wir zu kempffen hetten  [Richt. 1, 21 ff.] und nicht faul und sicher wurden, Gleich wie geschrieben stehet Judic. 1, Das  er seinem volck Jsrael auch ettliche Koenige und fursten umbher lies bleiben,  auff das sie kriegen lernten und jnn krieges gewonheit bleiben. Denn Gottes  wort ist allmechtig, so ist der glaube und geist schefftig und unrugig, mus  jmer zu thun haben und zu felde ligen, So mus das wort Gottes nicht  geringe, sondern die aller mechtigesten feinde haben, an welchen es kan ehre  ein legen, nach seiner grossen gewalt, als denn diese vier gesellen sind: Fleisch,  Welt, Tod, Teufel, daher Christus heisst der HERR Zebaoth, das ist ein  Gott der heerfart odder heerscharen, der jmer krieget und jnn uns zu  felde ligt.

 

Der halben durfften wir uber die massen wol, das wir einen gnedigen  Gott haben, der uns halffen kan, Und nicht alleine das, Sondern mussen  auch gewis und sicher sein, das er uns on zweivel gnedig sein und helffen  wolle, Wie konnen wir aber des gewis und sicher sein, wo er uns nicht ein  gewis ungezweivelt zeichen gebe seiner gnade und liebe gegen uns? Wer kondte  es sonst erraten, was er gegen uns gedecht? Das hat er nu hie mit dem  Sacrament gethan und uns ein gewis zeichen seiner liebe und gnade gestellet,  Denn das Sacrament ist ia kein zeichen seines zornes, und er wurd es uns  nimer mehr geben, wo er mit uns zurnet, Sondern es ist ein zeichen seiner  hohesten liebe und grundlosen barmhertzigkeit. Und wie kan er hoher liebe  und tieffer barmhertzigkeit erzeigen, denn das er uns warhafftig da gibt sein  eigen leib und blut zur speise? Das nicht allein ein gnediges zeichen, Sondern  auch eine speise sein sol, als damit wir uns laben und stercken sollen, alle  die jnn seinem heer mit jhm zu felde ligen, Und ist eigentlich der sold  [Bl. G iij] und provant, damit er sein heer und kriegs volck besoldet und speiset,  bis sie endlich obligen und das feld behalten mit jhm. O es ist gute muntz,  kostlich rot gold und rein weis silber, niedlich, schon brod und guter susser  wein, Und des alles die fulle und reichlich vol auff, das gar lieblich ist jnn  dieser heerfart zu sein.

 

 

[ 11 Roenige A 15 welchen CEFH] welcher AB 34 proueant A]

 

 

 

[Seite 622]

 

Sprichstu aber: “Ja, S. Paulus machts zumal schrecklich 1. Cor. 11,  [1. Kor. 11, 27. 29] Da er spricht: ‘Wer unwirdig von diesem brod jsset und von diesem kelch  trinckt, der isset und trinckt ein gericht und ist schuldig am leibe und blut des  HERRN’, Damit macht er uns blode und schuchtern zum Sacrament, Denn  wer ist, der sich wirdig achten konne?” Antwort: Ey lieber, Sihestu auch,  widder welche S. Paulus redet? Nemlich widder die, so als die sew herein  fielen und aus dem Sacrament ein leiblich gefresse macheten und nicht anders  handelten, denn als sonst ein teglich brod und wein, dazu unternander verachten  und ein iglicher ein eigens mal hielt, Wir aber reden von denen, die  es gleuben, des nicht ein sew mal sey, sondern der warhafftige leib und blut  Christi, Und die da wissen, das Christus ein gesetzt hat zu seinem gedechtnis  und unserm trost, Und gerne wolten auch Christen sein, jhren, Herrn loben,  dancken und ehren, dazu auch gerne wolten seine gnade und liebe haben, Und  furchten sich jhrer person und unwirdigkeit halben, und bleiben also davon,  durch solche falsche furcht gehindert und abgeschreckt.

 

Lieber, du must nicht auff dich sehen, wie wirdig odder unwirdig du  seiest, Sondern auff deine notturfft, wie du der gnaden Christi wol bedarffest,  Wenn du die notturfft sihest und fulest, So bistu wirdig und geschickt gnug,  Denn er hats uns nicht zur gifft odder ungnaden, sondern zu trost und heil  eingesetzt. Fur allen dingen aber mustu ansehen, das gleichwol dein Herr  Christus, wie unwirdig du bist, allzu wirdig ist, den du loben, ehren und  dancken solt und seine ordnung und stifft (wie droben gesagt) helffen handhaben,  wie du jhm schuldig bist und jnn der tauffe gelobt hast, Das dein  hertz sol also dencken: “Wolan, bin ich unwirdig, das Sacrament zu empfahen,  So ist mein Herr Christus deste wirdiger, das ich jhm damit dancke und lobe  und sein stifft ehre, wie ich schuldig bin und gelobt habe jnn meiner tauffe”,  Und aber mal: :“Bin ich unwirdig, so bin ichs aber notturfftig, Wer betteln  wil, der mus sich nicht schemen, Scham ist ein unnutz hausgesind jnn eins  armen betlers hause1, So lobet Christus auch selbs einen unverschampten geiler,  [Luk. 11, 8] Luce 11.”

 

Sihe, also hastu denn zwo weise und ursachen das Sacrament zu  empfahen, Die erste: das du Christo damit danckest und lobest, Die ander:  das du fur dich auch trost und gnade holest, Diese zwo weise konnen nicht  boese, noch misbrauch sein, sondern mussen recht sein und Gott wolgefallen.  Denn gegen Gott konnen wir nicht mehr handeln denn auff zwo weise, nemlich,  mit dancken und bitten, Mit dem danck, eh-[Bl G4]ren wir jhn umb die guter  und gnaden, die wir schon bereit empfangen haben, Mit dem beten ehren wir  jhn umb die guter und gnaden, die wir hinfurt gerne hetten, Denn wer  solcher meinung zum Sacrament gehet, was thut der anders, denn als spreche

 

[ 33 diese AE] die C]

 

 

 

[Seite 623]

 

 er mit der that?: “Herr, ich dancke dir fur alle deine gnade mir gegeben,  Und bitte weiter, wollest meiner notturfft noch mehr helffen”, Das ist  sacrificium laudis et sacrificium orationis. Mehr kanstu Gott nicht thun,  noch hoher ehren.

 

So sihe doch, welch ein fein Sacrament das ist, da du gleich fur die  vorigen gnade danckest und umb die kunfftigen gnaden bittest. Wer kan aber  jmer mehr gnung dancken und bitten? Darumb ist ia hie kein ursache, lass  und faul zu werden, sondern eitel brunstige hefftige reitzung, das man das  Sacrament ia gerna mit lust und freuden empfahen sol. O hetten die lieben  Propheten und alte Veter solch Sacrament allein sollen sehen und horen, wie  solten sie so frolich und begirig dazu gewesen sein, wie solten sie sich unser  verwundert haben, das wir solche selige leute gegen sie weren. Aber wie wehe  solts jhn auch widderumb gethan haben, wenn sie solten gesehen haben, Das  wirs so schendlich verachten, Aber noch viel werser1 solts jhn gethan haben,  wenn sie gesehen hetten den verfluchten grewlichen iarmarckt, den die Papisten  und Sophisten draus gemacht haben, mit winckelmessen und der gleichen.

 

Darumb sihe ia zu, das du dis Sacrament nicht anders denn dieser zwo  weise brauchest, Nemlich auff danckweise und bett weise, Opinione laudis et  precis. Und hutt dich fur der Papisten grewel, die machen ein opffer draus,  da mit sie nicht dancken fur die vorigen gnade, Sondern als mit einem werck  die kunfftigen gnade erwerben und verdienen wollen, dazu nicht fur sich selbs,  sondern auch fur andere, welchen sie solch opffermesse verkeuffen, wie wir  droben gehoret haben. Aber du solt jm Sacrament Gott dancken und helffen  loben fur die vorigen gnade, sonderlich die dir jnn Christo erzeigt ist, und  begeren und bitten umb kunfftige gnade fur deine notturfft, So wirstu keinen  iarmarck noch verdienst draus machen konnen, den du andern mitteilen odder  verkeuffen mugest, Ein iglicher mus hie fur sich Gott dancken und beten, mit  allen andern.

 

So viel wil ich dis mal den Predigern, so es nicht besser wissen, angezeigt  und daneben gebeten haben, das sie solchs wolten helffen wol jnn das volck  treiben und ausstreichen, Denn ob wol ettliche verstockte, unbusfertige, rohe  leute solchs nicht achten werden, So wirds doch bey vielen frucht schaffen.  Wie man spricht: Ein gut wort findet eine gute stet2, Und Gott selbs spricht  [Jes. 55, 11] Jsa. 55: ‘Wein wort sol nicht lehr widder komen, Sondern ausrichten, dazu  ichs sende.’ Wo aber derselbigen verechter ettliche funden werden, die sich an  solche vermanung nicht keren, daruber das Sacrament bey gesundem und  lebendigem leibe nicht [Bl. H 1] brauchen, Da sol man auch an jhrem tode und  letzten ende sie lassen ligen und das Sacrament nicht geben, Haben sie gelebd  wie die hunde und sewe, so las man sie auch sterben wie hunde und sewe3,

 

[ 6 zůkuenfftigen B 14 werser] weher E 31 ettliche] ettlche A]

 

 

 

[Seite 624]

 

 Es sey denn, das sie gar starcke zeichen eines rewigen glewbigen hertzens  beweisen, Denn wir sollen das heiligthum nicht den hunden geben, noch die  [Matth. 7, 6] perlen fur die sew werffen, Spricht Christus. Und Gott wird auch selbs mit  zu schmeissen unter solche verechter, das sie des abends mal Christi nicht werd  sein noch geniessen mussen, Davon wil ich hie ein exempel erzelen, das unlangest  geschehen ist jnn der stad Torgaw, da man des noch kan beide, Pfarher und  Caplan1, zu zeugen haben.

 

Es ist auch ein solcher man gewest, des namen ich nicht nennen wil,  der jnn sechs oder sieben iaren nicht zum Sacrament gangen ist, unter dem  schandeckel der Christlichen freiheit, und solchs auffgeschoben und gespart bis  jnn seine krangheit, Und jnn der selbigen dazu auch noch verzogen, bis das  stundlin daher kam. Als er nu seines lebens ein ende zu fulen begonst,  foddert er den Caplan und bat umb das Sacrament, Da der Caplan das  bringt und jhm itzt jnn den mund reicht, feret die seel aus und lesst das  Sacrament auff der zungen jnn offenem maul, das es der Caplan must widder  zu sich nemen, Als aber ekel war, das ers nemen solt, und mich fragt, wo  ers hin thun solt, hies ichs jhn mit feur verbrennen. Lieber, las dir das  ein exempel und zeichen sein, das du nicht so rohe dahin lebest, ob du wol  itzt zum Sacrament nicht gezwungen bist. Kanstu Gott verachten jnn seinem  Sacrament, Er kan dich widder verachten, jnn deinen noeten, wie er spricht  [Spr. 1, 25 ff.] Proverb. j.: ‘Jhr habt alle meinen guten rat veracht, so wil ich ewr widder  spotten ynn ewrm verderben etc.’ Und ist auch recht, Das der, so ein Christ  sein wil, und solchen namen mit schanden fueret, das er das Sacrament nicht  wil brauchen, wenn er wol kan, sol ers auch nicht brauchen, wenn ers gern  haben wolt.

 

Nicht, das ich darumb wolle jemand zum Sacrament noetigen odder  zwingen, noch gebot odder zeit setzen, wie der Bapst gethan hat, denn Gott  mag keinen gezwungen diener haben, Viel weniger wil er jemand on seinen  danck2 etwas geben, Sondern ich wolt gern damit vermanen, das sich ein  iglicher selbs zwunge und aus eigener andacht sich selbs noetiget, solchen lieben,  edlen schatz der seelen zu holen, Und daneben anzeigen, wie billich Gott des  ein gros misfallen habe, das man seine an geboten gnade und guete so schendlich  verachtet, Obs helffen wolt, das die leute on zwang und gesetze lerneten  Gottes gnade zu suchen und zu empfahen. Denn solch grosse verachtung und  undanckbarkeit wol grossere straffe verdienet, denn die ist, das einer des Sacraments  endlich3 emperen mus, als denn gewislich auch viel grossere folgen wird.

 

 

[ 1 gar fehlt E 4 abendmal CE 9 iaren] iare E 16 ein ekel D 30 zwunge —selbs fehlt E [Abirrung vom ersten aufs zweite selbs]]

 

 

 

[Seite 625]

 

Denn dencke du selbs, wie ein ungeschickt verzweivelte verachtung und  undanckbarkeit das ist: Vorhin unter dem Bapstum, da wir zum Sacrament  [Bl. H 2] gezwungen und gedrungen wurden, lieffen wir mit hauffen hin zu,  Musten dazu gelt gnug drumb geben und alles theur keuffen, Und man doch  uns nicht mehr denn das halbe Sacrament einerley gestalt gab, Und, das noch  erger war: Wir mustens nicht holen zu unserm nutz noch zu Gottes ehre,  sondern schlecht, das man dem Bapst gehorsam were, als mit einem fron  dienst. Denn er fragt nicht viel darnach, was wir nutzes, odder was Gott  fur ehre davon hetten, Die seinen predigten und lereten es auch nicht, Sondern  das sucht er allein, wie grossen gehorsam er bey uns haben mochte, Ja mit  unserm schaden musten wirs holen, beide an leib und seele, Denn da ward  nichts vom glauben geleret, Sondern es mueste ein werck sein, damit man  gegen Gott wolthet, darunter der rechte brauch, nutz und frucht des Sacraments  verborgen und uns geraubt ward.

 

Jtzt aber, so mans nicht allein umbsonst hat, sondern auch den rechten  brauch leret, und summa, zu unserm nutz und Gottes ehren brauchen kan,  Stellen wir uns so ekel und schendlich dazu, als weren wir nicht menschen  (ich wil schweigen von Christen), sondern als weren wir stoeck und stein, die  es nichts beduerffen und uns gar nicht angienge, Was solts denn wunder  sein, das uns Gott auch widderumb plagte und straffte, Ja weil wie Christen  heissen woellen und uns so verechtlich und lesterlich gegen unsern Heiland  zieren1, So were es kein wunder, das uns Gott on auffhoren plagete mit  theur zeit, pestilentz, krieg und allem ungluck. Denn was sol es doch sein,  das wir aus so grewlichem gefengnis der seelen und aus des Bapsts stricken  so gnediglich erloset sind, un da zu uns solche reiche gnaden angebotten wird,  Aber wir nicht allein fur solche erlosunge nicht dancken, Sondern auch der  angebotten gnade gleich spotten, als eines unnotigen unnutzen dinges?

 

Darumb spreche ich von Gottes wegen billich: Wiltu nicht essen und  trincken von meinem abendmal, das ich dir so hertzlich wol zugericht, so wil  ich dir widderumb auch theur zeit zu schicken, das du weder abendmal noch  morgen mal finden solt, Bistu so satt, das du meiner speise nicht magest,  So wil ich dich hungerig gnug machen, Das du auch deine speise nicht haben  solt. Wiltu nicht haben das brod des lebens, das ich dir so reichlich dar  biete, so hab dir Pestilentz, fiber und allerley kranckheit und stirb jmer zum  teufel hin, Wiltu nicht das Sacrament der liebe, der gnade und des frieden,  die ich dir drinnen schencke, so hab dir krieg, zwitracht, unfride und alle

 

[ 2 Sacramen- | A 12 mueste auch CE muste FH 21 Hinter gegen schließt Bl. H 2a mitten in der Zeile, obwohl 2½ Zeilen Platz übrig; am Ende steht noch der Kustos vnsern auf der gleichen Zeile wie gegen. Es scheint also ein Stück des Satzes herausgenommen zu sein.]

 

 

 

[Seite 626]

 

 unruge, Denn was sol doch Gott uns anders thun? Wie kan ers leiden,  das seine gnade jmer fur und fur, jhe lenger jhe mehr veracht, und die  undanckbarkeit jmer grosser wird? und hatts doch so theur erworben und  seinen eigen son drumb lassen creutzigen. Er mus drein schlahen und alle  plage lassen uber uns gehen, wie es denn schon anfehet und daher gehet1,  Wir zwingen und [Bl. H3] dringen jhn zu zorn, das er mus seine gnade auff  heben und ungnade lassen walten, Er kan fur unser unablesslichem verachten  und undanckbarkeit nicht anders thun.

 

Wolan, ich wil das meine gethan und die prediger trewlich gebeten  haben, das sie mir hierinn vleissig helffen anhalten, damit wir doch nicht so  gar uberaus den zorn Gottes reitzen, On zweivel, es werden etliche frume  hertzen solchs annemen und sich bessern, Der andern halben wil ich entschuldigt  sein, jhr blut sey auff jhrem kopff, Es ist jhn gnugsam gesagt. Der  selbige Gott aller gnaden und barmhertzigkeit verleihe uns seinen heiligen geist,  der uns erwecke und vermane, mit ernst zu suchen seine ehre und mit aller  andacht des hertzen zu dancken fur alle seine unzelige unaussprechliche guter  und gaben, durch Jhesum Christum, unsern Herrn und heiland, dem sey lob  und danck, ehre und preis jnn ewickeit, Amen, Amen.

 

 

[ 7 unserm unableslichen FH]

 

 

 

[Seite 627]

 

Sendbrief vom Dolmetschen.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 627]

 

Am 12. September 1530 schreibt Luther von der Koburg an W. Link: “Mitto exemplar pro tuo Georgio Rotmaier, mi Wenceslaë, quod tu ei dabis, si adest; si abest vero, custodias ei, donec veniat, nec alteri des. Poteris autem vel tuo nomine edere tanquam epistolam meam, ab amico tibi missam et traditam. Nam ego velut e cuniculo istud scriptum et ceu praeludium velim praemitti, tanquam me non vigente atque aliud agente. Si forte aliqui retineri possint spe, prolixius in hac re scripsi. Titulum ergo talem poteris praefigere: Ein Sendbrief D. Mart. Luthers vom Dolmetzschen, vel ut tibi placuerit.......... Sed heus unum: si tibi exemplar istud indignum videtur ob materiae vilitatem, ut edatur, tuo iudicio stet et cadat.”1 Link ließ die Schrift mit dem vom Verfasser vorgeschlagenen Titel bei Joh. Stüchs — in welchem Verhältnis Rotmaier zu Stüchs steht, ist nicht klar2 — erscheinen und setzte ihr ein vom 15. September datiertes Vorwort vor. Noch im gleichen Jahre wurde sie von Georg Rhaw und Hans Weiß in Wittenberg3 und von Hans Barth in Magdeburg nachgedruckt.

 

Der Sendbrief gibt sich als Antwort auf eine an Luther von befreundeter Seite ergangene doppelte Anfrage: über seine von den Papisten angegriffene Verdeutschung von Röm. 3, 28 und über die Fürbitte der Heiligen. Man wird fragen dürfen, ob das nicht etwa nur schriftstellerische Einkleidung ist. Denn “de justificationis loco” besonders zu schreiben hatte er bereits am 24. August vor4, ohne Zweifel veranlaßt durch den Bericht Melanchthons über seine Augsburger Verhandlungen mit Eck über die sola fides.5 Und auch die Fürbitte der Heiligen mußte ihn gerade eben im Zusammenhang mit den Beratungen über die Conf. Aug. beschäftigen.6 Doch beschränkt er sich bei dem zweiten Punkt — der ja auch im Titel der Schrift unberücksichtigt bleibt — auf den kurzen Hinweis, daß die Anrufung der Heiligen in der Bibel nicht geboten und also trotz der seitherigen Praxis nicht rätlich sei, zumal der Heiligendienst die Gläubigen von Gott und Christus abziehe, und verweist für das Weitere auf den geplanten “Sermon von den lieben Engeln”. Als diesen sieht man die am 29. September auf der Koburg gehaltene, 1531 in Wittenberg erschienene Predigt von den Engeln an, die freilich auf die Heiligenverehrung nicht mehr eingeht.7

 

 

 

[Seite 628]

 

Den Hauptteil seiner Schrift widmet Luther der Verteidigung seiner Übersetzung von Röm. 3, 28 und entwickelt dabei seine Ansichten und Grundsätze über das Dolmetschen überhaupt, wie er es ähnlich schon 1523 in der Vorrede zu den fünf Büchern Mosis1 gelegentlich getan hatte und im Jahre 1533 in den “Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens”2 noch einmal ausführlicher tat. Was er schreibt, will er nicht für die Gegner, die er als kompetente Richter nicht anerkennen kann und die ihm, wie Emser, seine Sprache stehlen, sondern nur für die Seinen geschrieben haben. Jhnen legt er dar, daß seine Verdeutschung von Röm. 3, 28 bzw. der angefochtene Zusatz “allein” sprachlich und sachlich gerechtfertigt ist. Zum Beweis für die aus der Art der deutschen Sprache folgende Notwendigkeit freierer sinngemäßer Übersetzung weist er dabei auch auf die Stellen Matth. 12, 34 (Luk. 6, 45); 26, 8 (Mark. 14, 4); Luk. 1, 26 (mit Rücksicht auf den Angriff Emsers3) und Dan. 9, 23; 10, 11. 19 hin. Die sachliche Richtigkeit seiner Übertragung ergibt sich aus der auch anderwärts zu belegenden Anschauung Pauli über die Rechtfertigung, und etwaiges Mißverständnis des gewählten Ausdrucks entbindet nicht von der Pflicht, die paulinische Ansicht “voll und rund” herauszusagen.

 

Der Sendbrief vom Dolmetschen ist das charakteristischste authentische Zeugnis Luthers für seine Auffassung von der Aufgabe des Übersetzers und damit eine wichtige Quelle für die Geschichte der lutherischen Bibelübersetzung.4

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A1 “Ein sendbrieff D. || M. Lutthers. || Von Dolmetzscheñ || vnd Fürbit der || heiligenn. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5857), Nürnberg St., Wittenberg. - Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 2.

 

A2 Der gleiche Druck mit der Besserung Titelblatt Z. 2 “Luthers”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5857a), Heidelberg, München U., Nürnberg St., Wernigerode; London. — Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 1.

 

B1 “Ein Send- || brieff, von Dolmet- || schen, vnd Fürbit- || te der Hei- || ligen. || D. Mart. Luther. ||” Mit Titeleinfassung, worin unten: “Wittemberg. || M. D. XXX. ||”, Titelrückseite leer. 16 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedrůckt zu Wit || temberg durch || Georgen || Rhaw. ||” — Blatt D 3b Z. 1: “Errata . || ...”. A 3a Z. 7 “empfangē”, B 1a Z. 1 “aus lassen”, C 1a Z. 2 “Denn”. Die Errata auf Bogen A sind: Bl. A 3a Z. 24 “versichern” statt “versehen”, A 4b Z. 22: “schadet mir nichts” statt “schadet mir sonderlich nichts”. — Verschiedenheiten

 

 

 

[Seite 629]

 

in einzelnen Exemplaren sind: Bl. B 2b Z. 8 “War ists. Diese” statt “War ists, Diese”, Bl. C 2a Z. 8 “spach- || en” statt “sprach- || en”, C 3b Z. 17 “keinerley” statt “Einerley” u. a.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5851); London. — Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 3.

 

B2 Beschreibung wie B1. — Die Errata auf Bl. D 3b von B1 sind im Text verbessert. B1 und B2 haben auf Bl. C 1b, 2a, 3b, 4a und auf Bogen D, abgesehen von den “Errata ...” gleichen, auf Bogen A B und Bl. C 1a, 2b, 3a, 4b verschiedenen Satz. Sie gehören also in die Klasse der Zwitterdrucke, d. h. die Auflage wurde vergrößert, als Bogen A B und die eine Hälfte von Bogen C bereits ausgedruckt und abgelegt waren, die nunmehr für die vergrößerte Auflage neu gesetzt werden mußten. Vgl. Bl. A 3a Z. 1 “Ebarn”, Z. 7 “empfangen”, B 1a Z. 1 “auslassen”, B 2b Z. 8: “War ists, diese”, C 1a Z. 2 “Den̄”. Dazu sind die beiden Errata verbessert: Bl. A 3a Z. 24 “versehen”, A 4b Z. 22 “schadet mir sonderlich nichts”. — Unterschiede der verschiedenen Exemplare Bl. C 2a Z. 8 und C 3b Z. 17 wie in B1.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5852), Königsberg U., Stuttgart, Würzburg U. — Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 4.

 

B3 Beschreibung wie B2, aber Bogen B wie in B1. Dieser Bogen muß also wohl zufällig in größerer Auflage als Bogen A und die erste Hälfte von Bogen C in der Fassung von B1 gedruckt worden sein und ist dann in dieser Gestalt noch für eine Anzahl Exemplare der vergrößerten Auflage verwendet. Vgl. B 1a Z. 1 “aus lassen”.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5852a); London.

 

C1 “Ein Sendtbrieff || D. M. Luthers. || Von Dolmetz- || schen vnd Für- || bit der heili- || gen. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 12 Blätter in Quart, letzte Seite leer. — Blatt A 1b Z. 1 “Wenczeslaus”, A 2a Z. 1 “vnd”.

Druck von Hans Weiß in Wittenberg.

Vorhanden: Berlin (Luth. 5853).

 

C2 Beschreibung wie C1. — Bogen A ist neu gesetzt, vgl. A 1b Z. 1 “Wenczesslaus”, A 2a Z. 1 “vnnd”.

Vorhanden: Zwickau.

 

D “Ein Send- || brieff, von Dolmet- || schen, vnd Fürbitte || der Heiligen. || D. Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in Quart, letzte Seite leer.

Druck von Hans Barth in Magdeburg.

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5854).

In den Gesamtausgaben findet sich die Schrift: Wittenberg 4 (1551), 474a –479a; Jena 5 (1557), 161a –167b; Altenburg 5, 268 –275; Leipzig 12, 90 –96 (erster Teil) und 20, 235 –237 (zweiter Teil); Walch1 21, 309 –327 (erster Teil) und 19, 1201 –1206 (zweiter Teil); Walch2 19, 968 –985 (beide Teile); Erlangen 65, 102 –123. — Lateinisch bei Coelestin, Historia comitiorum III (1577), 69b –74b. — Vgl. de Wette 4, 161; Enders, Briefwechsel 8, 257.

 

 

 

[Seite 630]

 

Der Nürnberger Druck A ist der Urdruck; ihm entstammen B und C (beide Wittenberg), beide aber vielleicht nicht unmittelbar. A hält sich nämlich vielfach an Luthers Sprachformen, wenn auch Nürnberger Druckweise nicht zu verkennen ist. Nun zeigen B und C einzelne oberdeutsche Formen, die in A fehlen. Es ist nicht denkbar, daß man in Wittenberg eine Nürnberger Vorlage oberdeutscher nachdruckte als sie war. Dagegen ist wahrscheinlich, daß ein neuer Druck (Ax) nach A in Nürnberg manche mitteldeutsche Besonderheiten und Lesefehler entfernte, die in A stehengeblieben waren, und daß die mitteldeutschen Nachdrucke die meisten der oberdeutschen Eigenheiten von Ax wieder beseitigten, einige aber (und zwar B andere als C) stehen ließen. — D ist aus B gedruckt. Die sprachlichen Besonderheiten von BCD werden hier zusammengefaßt.

 

B (Wittenberg), D (Magdeburg) (wo nicht anders bemerkt, gelten die Lesarten für beide Drucke)..

 

I. Vokale: 1) Umlaut: e > a arbeiten; ae > e veter; o > oe koempt, oeffenlich, loeblich, voellig, woelt, stoesst, gehoeffelt; D auch soelch, oerten (öfter); u > ue druemb, widderuemb, kuendig, suenden, iuenger, huebsch, verschuett, huelffen, zuernen, fuer, duerr, stueck, geluestet, schueler, gruessen, pfluegen, D auch erfuer, suesse; ∞Luther, gesucht, anruffen, entschuldigt; au > eu gleubig, verkeufft.

 

2) e > i sticken, widder, D auch wider; u > o vermoegen, koennen, from; ∞duerffen, D auch kuempt, vuellig; o > a wal; i > ue huelff, ∞ verwirfft; ů beseitigt, ebenso die Scheidung von i und ie.

 

3) unechtes h eingefügt jhn, ∞ oren, vorrede.

 

4) unbetontes e fällt in nutz, unnuetz, lang, D auch fried, Sudler, verderbt, Gabriels (< -lis); neu in ich bitte, halte, wanne, stuecke, newe (unflektiert), der liebe, -unge, Bawer, ewer, begegenet, e > i falschir D.

 

II. Konsonanten: t > d, dt verdeudscht, bekand, deudlich, schneidt, kundte; D auch beredt; d > t freunt D, teudsch D; Luther > Luter D.

 

Doppelkonsonant vereinfacht in guetlich, etwas, Vater, benomen, heiloser, in D auch oder, wider, Sudeler, schuetet.

 

III. Vor- und Nachsilben: entpfangen > empfangen, vorstehen > verstehen, gmein > gemein; D auch ver > vor vorneinen; igkeit > ickeit D.

 

IV. Deklination: der gemeine > gemeinen, ∞ die andern frag > ander (Akk.), des hertzes > hertzen, des Text > Texts, yn teglichen (Dat.) > teglichem; D: den orten > oerten.

 

Konjugation: kompt > koempt (D auch kuempt), ich sihe > sehe, er stosst > stoesst, getroffen > troffen; gewist, gewuest, > gewust, wolt > woelt, dorffen > duerffen, vermuegen > vermoegen, kunnen > koennen, ich gan > guenne; ich habe muessen > ich habe muest.

 

V. Wortformen: dann > denn, vor (mit Dat.) > fur, dawider, daneben > darwidder, darneben, wann! > wenn, yetzt > jtzt, sonder > sondern, dester > deste; D was fur > vor, eraus > heraus; sollich >

 

 

 

[Seite 631]

 

solch (soelch D), gegeneinander > gegenander; bewuest > bewust, zwentzig > zweintzig, krigisch, Grekisch > griechisch, Hebreisch > Ebreisch; entsatzung > entsetzunge, questionen > Questen, mad > magd, St Paul > Paulus, Nürmberg > Nürnberg, muellner > mueller, Muenich > Muench, Philosopi (Druckfehler?) > Philosophi, Kecharitomeni > Kecharitomene; Magdalene > Madalene D; gefeilet > gefelhet, innhalten > jnne halten (= retinere). Bei Zitaten z. B. Gala .1. > zun Galatern am 1.

 

VI. Wortwahl: biten > beten; D schmuecken > schmutzen (putzen und schm.); sam (= wie) > als.

 

C (Wittenberg) obwohl im Text von A (oder Ax) abhängig, berührt sich in den Formen sehr oft mit BD.

 

I. Vokale: 1) Umlaut: e > a arbeit; o > oe loeblich, oeffentlich, voellig; soenderlich, doerffen, soendern (sed), den oerten, ∞ gefoddert, gehoffelt; u > ue fuer, erfuer, duerfft, duerr, duerch, geduelt, entschueldigen, suende, juenger, druemb, huebsch, suesse, versuecht, pfluegen, nuer (> nur) ∞ Luther, gunstig, jungist, ruffen.

 

2) o > u vul, Kuenig, ∞ from̄e, moegt; die richtige Scheidung von i und ie ist verwischt;

 

3) unechtes h fehlt in steet, oren, ym, weren (sogar auch seen), ∞ jhn, nhamen (Subst.), ahn (ad);

 

4) unbetontes e ist hinzugefügt: der liebe, das hebreische, eingefügt in jungest, dolmetschet, ausgeworfen in Sudler, urteilten, Gabriels (< Gabrielis).

 

II. Konsonanten: d > t, dt teutsch, niemandt, iemant; t > th geluesthet, geantworthet, orth; t > dt Godtlos, dt > th kuenthe; g > gh ghebraucht; ch, h > g hoegst, geschegen, kriegisch; h fällt in geseen; ch > h unzelihe; flugs > fluchs.

 

Doppelkonsonant vereinfacht: guetlich, hern, heilose, wider, den (nam), ∞ ich bitte, kommen, widder, foddern.

 

III. Vor- und Nachsilben: ver > vor: vermeiden, zuvorsicht; empfangen > entfangen.

 

IV. Deklination: den orten > oerten, des Muellners > Muellner, einen ieden > iedern.

 

Konjugation: sind > seind (!), gewist, gewuest > gewust, muegt > moegt, sollen > soellen.

 

V. Wortformen: wanne (= ei!) > wenne, was fur > was vor, eraus > heraus, sondern > soendern, yetzt > ytzt, solch > suelch, soellich; fleischlich > fleschlich, mad > magd, scrupel > schrupel, Hjeronymo > Jeronimo; leren > lernen, verdamnen > verdammen; uberhaben > vorhaben (Lesefehler?).

 

 

 

[Seite 632]

 

[Bl. a 1b]

Wenczeslaus Linck allen Christglaubigenn 1530

 

[Seite 632]      

 

Gottes gnad und barmhertzigkeit. Der weise Salomon spricht  [Spr. 11, 26] Prov. 11: ‘Wer korn inhelt1, dem fluchen die leute. Aber  segen kompt uber den, so es verkaufft.’ Welcher spruch eigentlich  zu vorstehen ist von allem das zu gemeinem nutze odder  troeste der Christenheit dienen kan. Darumb schilt auch der  Herr jm Euangelio den untrewen knecht einen faulen schalck, das er sein  gelt in die erden vergraben und verborgen hatte. Solchen fluch des herren  und der gantzen gemein zu vermeiden, hab jch diesen sendtbrieff, der mir durch  einen guten freundt zu handen kommen, nit wissen zu verhalten, sonder offentlich  in druck geben, Dann die weil der verdolmetzschunge halben, altes und  newes testaments, vil rede sich zutragen, Nemlich die feinde der warheit furgeben,  sam were der text an vilen orten geendert, odder auch verfelschet, da  durch viel einfeltige Christen, auch untern gelerten, ßo der Hebreischen unnd  Grekischen sprache nit kundig, entsatzunge odder schew gewinnen, Jst guettlich  zu verhoffen, das auffs minste zum teil hie mit den gottlosen jhr lestern vorhindert,  und den frommen jhr scrupel benommen sollen werden, Villeicht auch  verursachet, das ettwas mehrers auff solche frag stuck odder materi geschriben  werde, Bitt der halben einen ieden liebhaber der warheit, woelle jhm sollich  werck jm besten lassen entpfolhen sein, und Gott treulich bitten umb rechten  vorstandt der Goettlichen schrifft zu besserung unnd meherung gmeiner  Christenheit. Amen. Zu Nuermberg am 15. Septembris. Anno 1530.

 

 

 

[Bl. a ij] Dem Erbarn und fursichtigen N.

meinem guenstigen Herrn und freunde.

Gnad und fride in Christo, Erber fursichtiger lieber Herr und freund,  ich hab ewer schrifft entpfangen mit den zwo questionen odder fragen,  [Röm. 3, 28] darin yhr meines berichts begert. Erstlich warumb ich zun Roemern  am dritten capitel, die wort S. Pauli ‘Arbitramur hominem iustificari ex  fide absque operibus’, also verdeutsch habe: ‘Wir halten, das der mensch  gerecht werde on des gesetzs werck, allein durch den glauben’, Und zeigt

 

[ 6 troste BCD 11 dolmetzschunge C 13 sam] als BD 14 einfeltiger BD 17 genomen B 19 ein jeder (Komma nach halben) B 20 entpfolhen] befohlen BD 22 Zu fehlt B 26 Questen B 29 nach operibus] legis BD]

 

 

 

[Seite 633]

 

 daneben an, wie die Papisten sich uber die massen vnnuetze machen, weil ym  text Pauli nicht stehet das wort ‘Sola’ (Allein) und sey solcher zusatz von  mir nicht zu leiden ynn Gottes wortten &c.. Zum andern, ob auch die verstorben  Heiligen fur uns bitten, weil wir lesen, das ja die Engel fur uns  bitten &c.. Auff die ersten frage (wo es euch gelustet) muegt yr ewern Papisten  von meinet wegen antworten also:

 

Zum ersten, Wenn ich D. Luther mich hette muegen des versehen, das  die Papisten alle auff einen hauffen so geschickt weren, das sie ein Capitel  yn der schrifft kuendten recht und wol verteutschen, So wolt ich furwar mich  der demut haben finden lassen, und sie umb hilff und beystand gebeten, das  Newe Testament zuverteutschen. Aber die weil ich gewuest, und noch vor augen  sihe, das yhr keiner recht weiß, wie man dolmetschen, odder teutsch reden sol,  hab ich sie und mich solcher muehe uberhaben, Das merckt man aber wol, das  sie aus meinem dolmetschen und teutsch, lernen teutsch reden und schreiben,  und stelen mir also meine sprache, davon sie zuvor wenig gewist, dancken mir  aber nicht dafur, sondern brauchen sie viel lieber wider mich. Aber ich gan  es In wol, den es thut mir doch sanfft, das ich auch meine undanckbare juenger,  dazu meine feinde reden gelert habe.

 

Zum andern muegt yhr sagen, das ich das Newe Testament verdeutscht  habe, auff mein bestes vermuegen und auff mein gewissen, habe damit niemand  gezwungen, das ers lese, sondern frey gelasen, und allein zu dienst gethan  denen, die es nicht besser machen koennen, Jst niemandt verboten ein bessers zu  machen. Wers nicht lesen wil, der las es ligen, ich bite und feyre1 niemandt  drumb. Es ist mein testament und mein dolmetschung, und sol mein bleiben  unnd sein. Hab ich drinnen etwa gefeilet (das mir doch nicht bewuest, und  freilich ungern einen bůchstaben mütwilliglich wolt unrecht verdolmetschen)  darueber wil ich die Papisten nicht zu richter leiden, denn sie haben noch zur  zeit zu lange ohren dazu, und yhr ycka ycka2 ist zu schwach, mein verdolmetschen  zu urteilen, Jch weiß wol, und sie wissens weniger, denn des Mülners thier,  was fur kunst, fleiß, vernunfft, verstandt zum gutten dolmetscher gehoeret, denn  sie habens nicht versuecht.

 

Es heist: Wer am wege bawet, der hat viel meister.3 Also gehet mirs  auch. Die jhenigen die noch nye haben recht reden können, schweige denn dolmetschen,  die sind allzumal meine meister, und ich mus yhr aller junger sein.  [Matth. 1, 1] Und wenn ich sie hette sollen fragen, wie man die ersten zwey wort Matthei 1.  ‘Liber Generationis’ solte verdeutschen, so hette yhr keiner gewist gack dazu zu

 

[ 13 verhaben C 16 guenne BD 22 nicht fehlt D 34 aller fehlt C]

 

 

 

[Seite 634]

 

 sagen1, Und urteilen mir nu das gantze werck, die feinen gesellen. Also gieng  es S. Hieronymo auch, da er die Biblia dolmetscht, da war alle welt sein  meister, Er allein war es, der nichts kunte, Und urteileten dem guten man  sein werck, die jhenigen, so ym nicht gnug gewest weren, das sie ym die schuch  hetten sollen wischen2, Darumb gehoeret grosse gedult dazu, so yemand etwas  offentlich guts thun will, denn die wellt wil meister klueglin bleiben3, und  mus ymer das Ros unter dem schwantz zeumen4, alles meistern, unnd selbs nichts  koennen, das ist yhr art, davon sie nicht lassen kan.

 

Jch wolt noch gern den Papisten ansehen, der sich erfur thet, und etwa  eine epistel S. Pauli oder einen Propheten verdeutsch [Bl. aiij] et, So fern,  das er des Luethers teutsch und dolmetzschen nicht dazu gebraucht, da solt man  sehen ein fein, schoen, loblich deutsch odder dolmetzschen, Denn wir haben ja  gesehen den Sudler zu Dresen, der mein New Testament gemeistert hat (ich  wil seinen namen yn meinen buechern nicht mehr nennen, So hat er auch nun  seinen richter, und ist sonst wol bekandt), der bekennet, das mein deutsch susse  und gut sey, und sahe wol, das ers nicht besser machen kundt, und wolt es  doch zu schanden machen, fur zu, und nam fur sich mein New Testament,  fast von wort zu wort, wie ichs gemacht hab, und thet meine vorrhede, gloß  und namen davon, schreib seinen namen, vorrhede und gloß dazu, verkaufft  also mein New Testament unter seinem namen, Wann5, lieben kinder, wie  geschach mir da so wehe, da sein landsfurst mit einer grewlichen vorrhede verdampt  und verbot des Luthers New Testament zu lesen, Doch daneben gebot  des Sudelers New Testament zu lesen, welchs doch eben dasselbig ist, das der  Luther gemacht hat.6

 

Und das nicht yemand hie dencke, ich liege, So nym beide Testament  fur dich, des Luthers und des Sudelers, halt sie gegen ein ander, so wirstu  sehen, wer yn allen beiden der dolmetzscher sey, Denn was er yn wenig orten  geflickt und geendert hat (wie wol mirs nicht alles gefellet) So kan ichs doch  wol leiden, unnd schadet mir sonderlich nichts, so viel es den text betrifft,  darumb ich auch nie da wider hab woellen schreiben, sondern hab der grossen  weißheit muessen lachen, das man mein New Testament so grewlich gelestert,  verdampt, verboten hat, weil es unter meinem namen ist außgangen, Aber  doch muessen lesen, weil es unter eines andern namen ist außgangen. Wie

 

[ 23 eben fehlt C 25 hie fehlt C 29 sonderlich fehlt B1]

 

 

 

[Seite 635]

 

 wol, was das fur ein tugent sey, einem andern sein bůch lestern und schenden,  darnach das selbige stelen, und unter eigenem namen dennoch auß lassen gehen,  und also durch frembde verlesterte erbeyt eygen lob und namen suechen, das  las ich seinen richter finden. Mir ist ynn des gnug, und bin fro, das meine  [Phil. 3. 18] erbeit (wie S. Paulus auch rhuemet) muß auch durch meine feinde gefoeddert,  und des Luthers bůch on Luthers namen, unter seiner feinde namen gelesen  werden, Wie kuend ich mich bas rechen?

 

Und das ich wider zur sachen kome, Wann ewr Papist sich vil unnuetze  machen wil mit dem wort ‘Sola Allein’ so sagt jm flugs also: Doctor  Martinus Luther wils also haben, unnd spricht, Papist und Esel sey ein ding.  Sic volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas.1 Denn wir woellen nicht der  Papisten schuler noch juenger, sondern yhre meister und richter sein, Woellen  [2. Kor. 11, 22 f.] auch ein mal stoltziern und pochen2 mit den Esels koepffen, und wie Paulus  wider seine tollen Heiligen sich rhuemet, so wil ich mich auch widder diese  meine Esel rhuemen. Sie sind doctores? Jch auch. Sie sind gelert? Jch  auch. Sie sind Prediger? Jch auch. Sie sind Theologi? Jch auch. Sie  sind Disputatores? Jch auch. Sie sind Philosophi? Jch auch. Sie sind  Dialectici? Jch auch. Sie sind Legenten? Jch auch. Sie schreiben buecher?  Jch auch.

 

Und wil weiter rhuemen: Jch kan Psalmen und Propheten außlegen,  Das kuennen sie nicht. Jch kan dolmetzschen, Das koennen sie nicht. Jch kan  die heiligen schrifft lesen, Das koennen sie nicht. Jch kan biten, Das koennen  sie nicht. Und das ich herunter kome, Jch kan yhr eygen Dialectica und  Philosophia bas, denn sie selbs allesampt. Und weiß dazu fur war, das yhr  keiner yhren Aristotelem verstehet. Unnd ist einer unter yn allen, der ein  proemium odder Capittel ym Aristotele recht verstehet, so wil ich mich lassen  prellen.3 Jch rede ytzt nicht zuvil, denn ich bin durch yhre kunst alle erzogen  und erfaren von jugent auff, weiß fast wol wie tieff und weit sie ist. So  wissen sie auch wol, das ichs alles weiß und kan, was sie koennen, Noch handeln  die heillosen leute gegen mir, als were ich ein gast jnn yhrer kunst, der aller  erst heut morgen komen were, und noch nie weder gesehen noch gehoert hette,  was sie leren odder koennen. So gar herrlich prangen sie herein mit yhrer  kunst, und leren mich, was ich vor zwentzig jaren an den schuhen zu rissen  habe4, das ich auch mit jhener metzen auff all yhr plerren und schreien singen  mus, Jch habs fur siben jaren gewist, das hůffnegel eysen sind.5

 

[Bl. a4] Das sey auff ewr erste Frag geantwortet, und bitte euch,  woellet solchen Eseln ja nicht anders noch mehr antworten auff yhr unnuetze

 

[ 15/16 Sie (2.) — Prediger fehlt B2D 18 Dialectici vor Philosophi C 22 beten B2D 29 ichs] ich B2D]

 

 

 

[Seite 636]

 

 geplerre vom wort Sola Denn also viel: Luther wils so haben, und spricht,  Er sey ein Doctor uber alle Doctor jm gantzen Bapstum, da sols bey bleiben,  Jch will sie hinfürt schlecht verachten und veracht haben, so lange sie solche  leute (ich wolt sagen) Esel sind, Denn es sind solche unverschempte tropffen  unter yhn, die auch yhr eigen der Sophisten kunst nye gelernt haben, wie  Doctor Schmidt1, und Doctor Rotzloeffel2, und seine gleichen, und legen sich  gleich wol widder mich, yn dieser sachen, die nicht allein uber die sophisterey,  [1. Kor. 1, 20] sondern auch (wie sanct Paulus sagt) uber aller welt weißheit und vernunfft  ist. Zwar es durfft ein Esel nicht viel singen, man kennet yn sonst wol bey  den ohren.3

 

Euch aber und den unsern wil ich anzeigen, warumb ich das wort ‘sola’  [Röm. 3, 28] hab woellen brauchen, Wiewol Roma. 3. nicht sola, sondern solum odder  tantum von mir gebraucht ist. Also fein sehen die Esel meinen text an.  Aber doch hab ichs sonst anders wo sola fide gebraucht und wil auch beide  solum und sola haben. Jch hab mich des geflissen ym dolmetzschen, das ich  rein und klar teutsch geben moechte. Und ist uns wol offt begegnet, das wir  viertzehen tage, drey, vier wochen haben ein einiges wort gesuecht und gefragt,  habens dennoch zu weilen nicht funden. Jm Hiob erbeiten wir also, M. Philips,  Aurogallus4 und ich, das wir yn vier tagen zu weilen kaum drey zeilen  kundten fertigen. Lieber, nu es verdeutscht und bereit ist, kans ein yeder lesen  und meistern, Laufft einer ytzt mit den augen durch drey, vier bletter und stost  nicht ein mal an, wird aber nicht gewar, welche wacken5 und kloetze da gelegen  sind, da er ytzt uber hin gehet, wie uber ein gehoffelt bret, da wir haben  muessen schwitzen und uns engsten, ehe den wir solche wacken und klotze aus  dem wege reümeten, auff das man kuendte so fein daher gehen. Es ist gut  pflugen, wenn der acker gereinigt ist.6 Aber den wald und die stoecke7 aus  rotten, und den acker zu richten, da will niemandt an. Es ist bey der welt  kein danck zu verdienen, Kan doch Got selbs mit der sonnen, ja mit himel  und erden, noch mit seines eigen sons tod keinen danck verdienen, sie sey und  bleibt welt deß teuffels namen8, weil sie ja nicht anders will.

 

[Röm. 3, 28] Also habe ich hie Roma. 3. fast wol gewist, das ym Lateinischen und  krigischen text das wort ‘solum’ nicht stehet, und hetten mich solchs die papisten  nicht dürffen leren. War ists. Dise vier buchstaben s o l a stehen nicht  drinnen, welche buchstaben die Eselskoepff ansehen, wie die kue ein new thor9,

 

[ 1 so fehlt D 30 bleibe BD]

 

 

 

[Seite 637]

 

 Sehen aber nicht, das gleichwol die meinung des text ynn sich hat, und wo  mans wil klar und gewaltiglich1 verteutschen, so gehoret es hinein, denn ich  habe deutsch, nicht lateinisch noch kriegisch reden woellen, da ich teutsch zu reden  ym dolmetzschen furgenomen hatte. Das ist aber die art unser deutschen  sprache, wenn sie ein rede begibt, von zweyen dingen, der man eins bekennet,  und das ander verneinet, so braucht man des worts ‘solum’ (allein) neben dem  wort ‘nicht’ oder ‘kein’, Als wenn man sagt: Der Baur bringt allein korn und  kein geldt, Nein, ich hab warlich ytzt nicht geldt, sondern allein korn. Jch  hab allein gessen und noch nicht getruncken. Hastu allein geschrieben und nicht  uberlesen? Und der gleichen unzeliche weise yn teglichen brauch.

 

In disen reden allen, obs gleich die lateinische oder kriechische sprach  nicht thut, so thuts doch die deutsche, und ist yhr art, das sie das wort ‘allein’  hinzu setzt, auff das das wort ‘nicht’ odder ‘kein’ deste volliger und deutlicher  sey, Denn wie wol ich auch sage, Der Baur bringt korn und kein geld, So  laut doch das wort ‘kein geldt’ nicht so vollig und deutlich, als wenn ich sage:  ‘Der Baur bringt allein korn und kein geldt’, und hilfft hie das wort ‘Allein’  dem wort ‘kein’ so viel, das es ein vollige Deutsche klare rede wird, den man  mus nicht die buchstaben inn der lateinischen sprachen fragen, wie man sol  Deutsch reden, wie diese esel thun, sondern, man mus die mutter jhm hause,  die kinder auff der gassen, den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen,  und den selbigen auff das maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetzschen,  so verstehen sie es den und mercken, das man Deutsch mit In redet.

 

[Bl. b 1] [Matth. 12, 34, Luk. 6, 45] Als wenn Christus spricht: Ex abundantia cordis os loquitur.  Wenn ich den Eseln sol folgen, die werden mir die buchstaben furlegen, und  also dolmetzschen: Auß dem uberflus des hertzen redet der mund. Sage mir,  Jst das deutsch geredt? Welcher deutscher verstehet solchs? Was ist uberflus  des hertzen fur ein ding? Das kan kein deutscher sagen, Er wolt denn sagen,  es sey das einer allzu ein gros hertz habe oder zu vil hertzes habe, wie wol  das auch noch nicht recht ist: denn uberflus des hertzen ist kein deutsch, so  wenig, als das deutsch ist, Uberflus des hauses, uberflus des kacheloffens,  uberflus der banck, sondern also redet die můtter ym haus und der gemeine  man: Wes das hertz vol ist, des gehet der mund uber, das heist gut deutsch  geredt, des ich mich geflissen, und leider nicht allwege erreicht noch troffen  habe, Denn die lateinischen buchstaben hindern aus der massen, seer gut deutsch  zu reden.

 

[Matth. 26, 8] Also, wenn der verrether Judas sagt, Matthei 26: Ut quid perditio hec?  [Mark. 14, 4] Und Marci 14. Ut quid perditio ista ungenti facta est? Folge ich den Eseln  und buchstabilisten2, so mus ichs also verdeutschen: Warumb ist dise verlierung

 

[ 8 Nein] Jtem BD]

 

 

 

[Seite 638]

 

 der salben geschehen? Was ist aber das fur deutsch? Welcher deutscher redet  also: verlierung der salben ist geschehen? Und wenn ers wol verstehet, so  denckt er, die salbe sey verloren, und musse sie etwa wider suchen, Wiewol  das auch noch tunckel und ungewiß lautet. Wenn nu das gut deutsch ist,  warumb tretten sie nicht erfur, und machen uns ein solch fein hubsch new  deutsch Testament, und lassen des Luthers Testament ligen? Jch meine ja,  sie solten yhre kunst an den tag bringen, Aber der deutsche man redet also,  Ut quid &c..: Was sol doch solcher unrat? odder: was sol doch solcher schade?  Nein, Es ist schade umb die salbe, das ist gut deutsch, daraus man verstehet,  das Magdalene mit der verschutten salben sey unrethlich1 umbgangen und  habe schadenn gethan, das war Judas meinung, denn er gedacht bessern rat  damit zu schaffen.

 

[Luk. 1, 28] Jtem da der Engel Mariam gruesset und spricht: Gegruesset seistu, Maria  vol gnaden, der Herr mit dir? Wolan, so ists biß her, schlecht2 den lateinischen  buchstaben nach verdeutschet, sage mit aber ob solchs auch gut deutsch sey?  Wo redet der deutsch man also: du bist vol gnaden? Und welcher Deutscher  verstehet, was gsagt sey, vol gnaden? Er mus dencken an ein vas vol bier,  oder beutel vol geldes, darumb hab ichs vordeutscht: Du holdselige, da mit  doch ein Deutscher, dester meher hin zu kan dencken, was der engel meinet mit  seinem grus. Aber hie woellen die Papisten toll werden uber mich, das ich  den Engelischen grus verderbet habe. Wie wol ich dennoch da mit nicht das  beste deutsch habe troffen. Und hette ich das beste deutsch hie sollen nemen,  und den grus also verdeutschen: Gott grusse dich, du liebe Maria (denn so  vil wil der Engel sagen, und so wurde er geredt haben, wan er hette wollen  sie deutsch grussen), ich halt, sie solten sich wol selbs erhenckt haben fur grosser  andacht, zu der lieben Maria3, das ich den grus so zu nichte gemacht hette.

 

Aber was frage ich darnach? sie toben oder rasen, jch wil nicht wehren,  das sie verdeutschen was sie woellen, ich wil aber auch verdeutschen, nicht wie  sie woellen, sonder wie ich wil, wer es nicht haben wil, der las mirs stehen,  und halt seine meisterschafft bey sich, denn jch wil ir weder sehen noch hoeren,  sie dorffen fur mein dolmetzschen nicht antwort geben, noch rechenschafft thun,  Das hoerestu wol, ich wil sagen: du holdselige Maria, du liebe Maria, und  las sie sagen: du volgnaden Maria. Wer Deutsch kan, der weis wol, welch  ein hertzlich fein wort das ist: die liebe Maria, der lieb Gott, der liebe Keiser,  der liebe fürst, der lieb man, das liebe kind. Und ich weis nicht, ob man

 

[ 9 Nein] Jtem BD 19 kan] kuenne B2D 21 nicht] noch nicht B2D 23 und] so hette ich B2D        verdeutschen] verdeutschen muessen B2D 34 die] du B2D]

 

 

 

[Seite 639]

 

 das wort ‘liebe’ auch so hertzlich und gnugsam in Lateinischer oder andern  sprachen reden mueg, das also dringe und klinge ynns hertz, durch alle sinne,  wie es thut in unser sprache.

 

Denn ich halt, S. Lucas als ein meister in Hebreischer und Greckicher  sprache, hab das Hebreisch wort, so der Engel gebraucht, woellen mit dem  Greckischen kecharitomeni, treffen und deutlich geben. Und denck mir, der Engel  [Dan. 9, 23; 10, 11, 19.] Gabriel habe mit Maria geredt, wie er mit Daniel redet, und nennet jnn  Ha- [Bl. bij] mudoth und Isch Hamudoth, vir desideriorum, das ist, du lieber  Daniel. Denn das ist Gabrielis weise zu reden, wie wir jhm Daniel sehen.  Wenn ich nu den buchstaben nach, aus der esel kunst, solt des Engels wort  verdeutschen, muste ich also sagen: Daniel, du man der begirungen oder: Daniel,  du man der lueste, O das were schon deutsch, Ein deutscher horet wol, das  Man, Lueste, oder begyrunge deutsche wort sind, wie wol es nicht eytel reine  deutsche wort sind, sondern lust und begyr weren wol besser. Aber wenn sie  so zusamen gefasset werden du man der begyrungen, so weiß kein deutscher:  was gesagt ist, denckt, das Daniel villeicht vol boeser lust stecke, Das hiesse  denn fein gedolmetzscht. Darumb mus ich hie die buchstaben faren lassen,  unnd forschen, wie der Deutsche man solchs redet, welchs der Ebreische man  isch Hamudoth redet, So finde ich, das der deutsche man also spricht, Du  lieber Daniel, du liebe Maria, oder du holdselige mad, du medliche junckfraw,  du zartes weib, und der gleichen. Denn wer dolmetzschen wil, mus  grosse vorrath von worten haben, das er die wol koenne haben, wo eins an  allen orten nicht lauten will.

 

Und was sol ich vil und lange sagen von dolmetzschenn? Solt ich aller  meiner wort ursachen und gedancken anzeigen, ich mueste wol ein jar dran zu  schreiben haben. Was dolmetschen fur kunst und erbeit sey, das hab ich wol  erfaren, darumb wil ich keinen papstesel noch maulesel, die nichts versucht  haben, hierinn zum richter oder thadeller leiden. Wer mein dolmetzschen nicht  wil, der las es anstehen, Der Teuffel dancke yhm, wers ungerne hat oder on  meinen willen und wissen meistert. Sols gemeistert werden, so wil ichs selber  thun. Wo ichs selber nicht thu, da lasse man mir mein dolmetzschen mit  friden, und mache ein iglicher, was er wil, fur sich selbs, und habe ym ein  gut jar.1

 

 

[ 6 Kecharitomene B2D        8 Hamudoth] Hamudoth A, im Kustos richtig        Isch Hamudoth fehlt D 12/13 Ein —Lueste] Ein deudscher man hoeret wol, das lueste2) B2D 15 so fehlt B2CD        beringungen D 16 voller boeser luest B2D 20/21 mad — junckfraw] magd, niedliche iungfrau3) BD 22 grossen BD        wol] wal BD 26 kunst] kunst, muehe BD 28 zu richtern D 31 man fehlt D]

 

 

 

[Seite 640]

 

Das kan ich mit gutem gewissen zeugen, das ich meine hoechste trew und  vleiß drinnen erzeigt, und nye kein falsche gedancken gehabt habe, denn ich  habe keinen heller da fur genomen noch gesuecht, noch damit gewonnen, So  hab ich meine ehre drinnen nicht gemeinet, das weis Gott mein Herr, sondern  habs zu dienst gethan den lieben Christen, unnd zu ehren einem, der droben  sitzet, der mir alle stunde so vil guts thut, das, wenn ich tausent mal so vil  und vleissig gedolmetzscht, dennoch nicht eine stunde verdienet hette zu leben,  odder ein gesundt auge zu haben, Es ist alles seiner gnaden und barmhertzigkeit,  was ich bin und habe, Ja es ist seines theuren bluts und saüren  schweißes, darumb sols auch (ob Gott wil) alles yhm zu ehren dienen, mit  freuden unnd von hertzen. Lestern mich die Sudeler und Bapstesel, wol an,  so lobenn mich die frumen Christen sampt yhrem hern Christo, Und bin allzu  reichlich belohnet, wo mich nůr ein einiger Christ fur einen trewen erbeiter  erkennet. Jch frag nach Bapsteseln nichts, sie sind nicht werd, das sie meine  erbeit sollen erkennen, und solt mir ym grund meins hertzen leid sein, das  sie mich lobetenn. Jhr lestern ist mein hoehester rhům und ehr, Jch will doch  ein Doctor, ja auch ein ausbuendiger Doctor sein, und sie sollen mir den  namen nicht nemen, biß an den Juengsten tag, das weiß ich furwar.

 

Doch hab ich widerumb nicht allzu frey die buchstaben lassen faren,  Sondern mit grossen sorgen sampt meinen gehülffen drauff gesehen, das, wo  etwa an einem ort gelegenn ist, hab ichs nach den buchstaben behalten, und  [Joh. 6, 27] bin nicht so frey davon gangen, als Johannes 6, da Christus spricht: ‘Disen  hat Got der vatter versiegelt’, da were wol besser deutsch gewest: Disen hat  Gott der vater gezeichent, odder: disen meinet Gott der vater. Aber ich habe  ehe woellen der deutschen sprache abbrechen, denn von dem wort weichen. Ah  es ist dolmetzschen ja nicht eines iglichen kunst, wie die tollen Heiligen meinen,  Es gehoeret dazu ein recht, frum, trew, vleissig, forchtsam, Christlich, geleret,  erfarn, geuebet hertz, Darumb halt ich, das kein falscher Christ noch rottengeist  trewlich dolmetzschen koenne, wie das wol scheinet inn den prophetenn zu Wormbs  verdeutschet, darinn doch warlich grosser vleis geschehen, und meinem deutschen  fast nach gangen ist. Aber es sind Jueden da bey gewest, die Christo nicht  grosse hulde erzeigt haben, sonst were kunst und vleiß genug da.1

 

[Bl. biij] Das sey vom dolmetzschen und art der sprachen gesagt. Aber  nu hab ich nicht allein der sprachen art vertrawet und gefolget, das ich  [Röm. 3, 28] Roma. 3 ‘solum’ (Allein) hab hinzu gesetzt, Sonder der text und die meinung  S. Pauli foddern und erzwingens mit gewallt, denn er handelt ja daselbs  das hauptstueck Christlicher lere, nemlich, das wir durch den glauben an Christum

 

[ 4 mein] und mein B2 3D 21 ort] wort BD 26 ja dolmetschen D]

 

 

 

[Seite 641]

 

 on alle werck des gesetzs gerecht werden, Und schneit alle werck so rein abe,  das er auch spricht, des gesetzes (das doch Gottes gesetz und wort ist) werck nicht  helffen zur gerechtigkeit, Und setzt zum exempel Abraham, das der selbige sey  so gar on werck gerecht worden, das auch das hoehest werck, das dazu mal new  gepoten ward von got fur und uber allen andern gesetzen und wercken, nemlich  die beschneidung, yhm nicht geholffen hab zur gerechtigkeit, sonder sey on die  beschneidung und on alle werck gerecht worden durch den glauben wie er spricht  [Röm. 4, 2] Cap. 4. Jst Abraham durch werck gerecht wordenn, so mag er sich rhuemen,  aber nicht fur Gott. Wo man aber alle werck so rein abschneit, und da mus  ja die meinung sein, das allein der glaube gerecht mache, und wer deutlich  und durre von solchem abschneiden der werck reden wil, der mus sagen:  Allein der glaube, und nicht die werck machen uns gerecht, das zwinget die  sache selbs neben der sprachen art.

 

Ja sprechen sie, Es laut ergerlich, und die leute lernen daraus verstehen,  das sie keine gute werck thun duerffen. Lieber, was sol man sagen? Jsts nicht  viel ergerlicher, das S. Pauls selbs nicht sagt, allein der glaube, sondern  schuttets wol groeber eraus, und stosset dem faß den boden aus1 und spricht,  [Gal. 2, 16] ‘On des gesetzs werck’, Und Gala. 1. ‘nicht durch die werck des gesetzes’, und  des vil mehr an andern orten, denn das wort ‘allein der glaube’ moecht noch  eine gloß finden, Aber das wort ‘on werck des gesetzs’ ist so grob, ergerlich,  schendlich, das man mit keiner glossenn helffen kan. Wie viel mehr moechten  hieraus die leute lernen kein gute werck thun, da sie hoeren mit so durren  starcken2 worten von den wercken selbs predigen ‘Kein werck’, ‘on werck’, ‘nicht  durch werck’, ist nu das nicht ergerlich, das man ‘on werck’, ‘kein werck’, ‘nicht  durch werck’ predigt, was solts denn ergerlich sein, so man diß ‘allein der  glaube’ predigt?

 

Und das noch ergerlicher ist, S. Paulus verwuerfft nicht schlechte gemeine  werck, sonder des gesetzes selbs. Daraus moechte wol yemand sich noch mehr  ergern und sagen, Das gesetz sey verdampt und verflucht fur Gott, und man  [Röm. 3, 8] solle eytel boses thun, wie die theten Roman. 3: Last uns boeses thun, auff  das es gut werde, wie auch ein rotten geyst zu unser zeit anfieng. Solt man  umb solcher ergernis willen S. Paulus wort verlaugnen, oder nicht frisch und  frey vom glauben reden? Lieber, eben S. Paulus und wir woellen solch  ergernis haben, und leren umb keiner ander ursachen willen so starck wider  die werck und treiben allein auff den glauben, das die leute sollen sich ergern,  stossen und fallen, damit sie mugen lernen und wissen, das sie durch yr gute  werck nit frum werden, sondern allein durch Christus tod und aufferstehen.

 

[ 9 und fehlt BD 11 reden] redet A 19 des] das BD 22 gut BD 27 ergerlicher BD] ergerlich AC 35 das] denn das BD]

 

 

 

[Seite 642]

 

 Koennen sie nu durch gute werck des gesetzes nicht frum werden, wie vil weniger  werden sie frum werden durch boese werck und on gesetz, Darumb folget es  nicht, Gute werck helffen nicht, darumb helffen boese werck, gleich als nicht fein  folgt, Die sonne kan dem blinden nicht helffen, das er sehe, darumb mus ym  die nacht und finsternis helffen, das er sehe.

 

Mich wundert aber, das man sich yn diser offentlichen sachen so mag  sperren. Sage mir doch, ob Christus tod und auffersteen unser werck sey, das  wir thun, oder nicht? Es ist ja nit unser werck, noch einiges gesetzes werck.  Nu macht uns ja allein Christus tod und aufferstehen frey von sunden und  [Röm. 4, 25] frum, wie Paulus sagt Ro. 4. ‘Er ist gestorben umb unser sunde willen, und  aufferstanden umb unser gerechtigkeit willen.’ Weiter sage mir, Welchs ist das  werck, damit wir Christus tod und aufferstehen fassen und halten? Es mus  ja kein eusserlich werck, sondern allein der ewige glaube ym hertzen sein, der  selbige allein, ja gar allein, und on alle werck fasset solchen tod und aufferstehen  wo es gepredigt wird durchs Euangelion. Was ists denn nu, das  man so tobet und wuetet, ketzert und brennet, so die sach ym grundt selbs  klerlich da ligt und beweiset, das [Bl. b 4] allein der glaube Christus tod und  aufferstehen fasse on alle werck, und der selbige tod und aufferstehen sey unser  leben und gerechtigkeit. So es denn an ym selbs offentlich also ist, das allein  der glaube uns solch leben und gerechtigkeit bringet, fasset und gibt, Warumb  soll man denn nicht auch also reden? Es ist nit ketzerey, das der glaube  allein Christum fasset, und das leben gibt, Aber ketzerey mus es sein, wer solchs  sagt oder redet. Sind sie nit toll, toericht und unsinig? die sachen bekennen  sie fur recht, und straffen doch die rede von der selbigen sache fur unrecht,  keinerley zu gleich mus beide recht und unrecht sein.1

 

Auch bin ichs nicht allein, noch der erste, der da sagt, Allein der glaube  mach gerecht, Es hat fur mir Ambrosius, Aug. und vil andere gesagt, Und  wer S. Paulum lesen und verstehen sol, der mus wol so sagen, und kan nit  anders. Seine wort sind zu starck, und leiden kein, ja gar kein werck. Jsts  kein werck, so mus der glaube allein sein. O wie solt es so gar ein feine,  besserliche, unergerliche lere sein, wenn die leute lernten, das sie neben dem  glauben, auch durch werck frum moechten werden, Das wer so vil gesagt, das  nicht allein Christus tod unser sunde weg neme, sondern unsere werck thetten  auch etwas da zu, das hies Christus tod fein geehret, das unser werck ym  hulffen, und koendten das auch thun, das er thut, auff das wir yhm gleich  gut und starck weren. Es ist der Teuffel, der das blut Christi nicht kan  ungeschendet lassen.

 

[ 17 da fehlt D 19 also oeffentlich also D 25 keinerley] Einerley1 B2 3 D 28 so fehlt C]

 

 

 

[Seite 643]

 

Weil nu die sache ym grund selbs fodert, das man sage, Allein der  glaub macht gerecht, Und unser deutschen sprachen art, die solchs auch lernt  also aus zusprechen. Habe dazu der Heiligen væter exempel, und zwinget auch  die fahr der leute, das sie nit an den wercken hangen bleiben, und des glaubens  feilen, und Christum verlieren, sonderlich zu diser zeit, da sie so lang her der  werck gewonet und mit macht davon zu reissen sind. So ists nit allein recht,  sondern auch hoch von noeten, das man auffs aller deutlichst und voligst eraus  sage, Allein der glaube on werck macht frum, und rewet mich, das ich nit  auch dazu gesetzt habe alle und aller, also on alle werck aller gesetz, das es vol  und rund eraus gesprochen were, darumb sols in meinem Newen Testament  bleiben und solten alle Papstesel toll und toericht werden, so sollen sie mirs  nicht eraus bringen. Das sey yetzt davon gnug, Weiter wil ich (so Gott  gnade gibt) davon reden ym buchlin de iustificatione.1

 

Auff die andern frage, ob die verstorben Heiligen fur uns bitten.  Darauff wil ich yetz kuertzlich antwortenn, denn ich gedenck einen sermon von  den lieben Engeln auszulassen, darinn ich diß stueck weitter (wils Gott) handeln  werde. Erstlich wisset yhr, das ym Bapstum nicht allein das geleret ist, das  die Heiligen ym hymel fur uns bitten, Welchs wir doch nicht wissenn koennen,  weil die schrifft uns solchs nicht sagt, Sondern auch das man die Heiligen zu  Goetter gemacht hat, das sie unser Patron haben muessen sein, die wir anrueffen  sollenn, Etlich auch die nye gewest sind, Und einem iglichen heiligen sonderliche  krafft und macht zu geeigent, einem uber fewr, diesen uber wasser, diesenn  uber pestilentz, fieber, und allerley plage, das Gott selbs hat gar muessig sein  muessen, und die Heiligen lassen an seiner stat wircken und schaffen. Disen  grewel fuelen die Papisten yetz wol, und ziehen heimlich die pfeiffen ein2,  putzen unnd schmuecken sich nu mit dem furbitt3 der Heiligen. Aber diß wil  ich ytzt auffschieben. Aber was gillts, ob4 ichs vergessen, und solchs putzen  und schmuecken also ungebuesset hin gehen lassen werde?

 

Zum andern, wisset yhr, das Gott mit keinem wort gebotten hat, wedder  Engel noch Heiligen umb furbit anzurueffenn, Habt auch yn der schrifft des  kein exempel, denn man findet, das die lieben Engel mit den vaetern und  propheten geredt haben, Aber nye keiner ist vor yhnen umb furbit gebeten  [1. Mose 32, 24 ff.] wordenn, Das auch der ertzvater Jakob seinenn kampffengel nicht umb furbit

 

[ 14 Auff — bitten in BD als Überschrift gedruckt. 18 wir BCD] mir A 19 solchs fehlt D 22 diesen] diesem BD        diesenn] diesem BD 25 fuelen odder empfinden BD        heimlich fehlt C 28 schmuecken] schmutzen D 32 vor] von BD 33 Das fehlt BD]

 

 

 

[Seite 644]

 

 bat, sondern nam allein den segen von yhm. Man findet aber wol das  [Off. 22, 9] widerspiel yn Apocalypsi, das der Engel sich nicht wolt lassen anbetten von  Joanne, Unnd findet sich also, das Heiligen dienst sey ein lauter menschen tandt,  und ein eygen fuendlin ausser Gottes wort und der schrifft.

 

[Bl. c 1] Weil uns aber yn Gotes dienst nichts gebuert furzunemen on  gottes befelh, Und wer es furnimpt, das ist ein gottes versuchung, Darumb  ists nicht zu rathen noch zu leiden, das man die verstorbenn Heiligenn umb  furbitt anrueffe, oder anrueffen lere, sonder sols vil mehr verdamnen und  meiden leren, Derhalben ich auch nicht dazu rathen, und mein gewissen mit  frembder missethat nicht beschweren wil. Es ist mir selber aus der massen  saur worden, das ich mich von den Heiligen gerissen habe, denn ich uber alle  masse tieff drinnen gesteckt und ersoffen gewest bin. Aber das liecht des  Euangelij ist nu so helle am tag, das hinfurt niemand entschuldigt ist, wo er  ym finsternis bleibt. Wir wissen fast alle wol, was wir thun sollen.

 

Uber das so ists an ym selbs ein ferlicher ergerlicher dienst, das die leute  gewonen gar leicht sich von Christo zu wenden, und lernen bald mehr  zuversicht auff die Heiligen, denn auff Christo selbs zu setzen, Denn es ist die  natur on das all zu seer geneigt, von got und Christo zu fliehen und auff  menschen zu trawen, Ja es wird aus der massen schweer, das man lerne auff  Got und Christum trawen, wie wir doch gelobt haben unnd schuldig sind,  Darumb ist solch ergernis nicht zu dulden, damit die schwachen und fleischlichen  leute ein abgoeterey anrichten, widder das erste gebot und wider unser  tauffe. Man treibe nur getrost die zuversicht und vertrawen von den Heiligen  zu Christo, beide mit leren und uben, es hat dennoch muehe und hindernis  gnug, das man zu jm kompt und recht ergreifft. Man darff den Teuffel nicht  uber die thuer malen, Er findet sich wol selbs.1

 

Zu letzt, sind wir ja gewiß, das got nicht drumb zurnet, und sind wol  sicher, ob wir die Heiligen nicht umb furbit anrueffen, weil ers nirgent geboten  hat, denn er spricht, das er sey ein eyfferer, der die missethat heimsucht an  denen, die sein gebot nicht halten, Hie aber ist kein gebot, darumb auch keinn  zorn zu furchten. Weil denn hie auff diser seiten sicherheit ist, und dort  grosse fahr und ergernis wider gottes wort, Warumb wolten wir uns denn  aus der sicherheit begeben yn die fahr, da wir kein Gottes wort haben, das  uns in der not, halten, troesten oder erretten kan? Denn es stehet geschriben,  [Sirach 3, 27] Wer sich gern in die fahr gibt, der wird drinnen umkomen. Auch spricht  gottes gebott, Du solt got deinen herrn nicht versuchen.

 

Ja sprechen sie, damit verdampstu die gantzen Christenheit, die allenthalben  solchs bißher gehalten hat. Antwort, Jch weiß fast wol, das die

 

[ 2 das (dz A)] da BD 5 aber] den C]

 

 

 

[Seite 645]

 

 Pfaffen und Münich solchen deckel yhrer grewel suchen und woellen auff die  Christenheit schieben, was sie verwarloset haben, Auff das, wenn wir sagen,  die Christenheit yrre nicht, so sollen wir auch sagen, das sie auch nicht yrren,  und also kein luegen auch yrrthum an yn muege gestrafft werden, weil es die  Christenheit so helt. Also ist denn keine walfart (wie offenberlich der teufel  da sey) kein ablas (wie grob die luegen sey) unrecht. Kurtzumb eytel heiligkeit  ist da, Darumb solt yr hie zu so sagen, Wir handeln ytzt nicht, wer verdampt  odder nicht verdampt sei. Dise frembde sache mengen sie da her, das sie uns  von unser sache furen, Wir handeln ytzt von gottes wort, was die Christenheit  sey oder thu, das gehoeret auff ein ander ort. Hie fragt man, was gottes  wort sey odder nit. Was gottes wort nit ist, das macht auch keine  Christenheit.

 

Wir lesen zur zeit Helie des propheten, das offentlich kein gottes wort  [1. Kön. 19, 10] noch gottes dienst war ym gantzen volck Jsrael, wie er spricht: Herr sie haben  deine propheten getoedt, und deine altar umbgegraben, Und bin ich gar alleine.  Hie wird der koenig Ahab und andere auch gesagt haben, Elia, mit solcher rede  verdampstu das gantz volck gottes. Aber gott hatte gleich wol sieben tausent  behalten. Wie? Meinstu nit, das got unter dem Bapstum ytzt auch habe  koennen die seinen erhalten, ob gleich die pfaffen und münche in der Christenheit  eytel teufels lerer gewest und in die hell gefaren sind? Es sind gar vil  kinder und junges volck gestorben in Christo, Denn Christus hat mit gewalt  unter seinem Widerchrist die taufe dazu den blossen text des Euangelij auff  der cantzel, und das Vater unser, und den glauben erhalten, damit er gar  viel seiner Christen und also seine Christenheit erhalten und den teuffels  lerern nichts davon gesagt.

 

Und ob die Christen gleich haben etlich stuecke der Baepstlichen grewel  gethan, so haben die Bapstesel damit noch nicht be-[Bl. c2]weiset, das die lieben  Christen solchs gern gethan haben, vil weniger ist damit beweiset, das die  Christen recht gethan haben. Christen koennen wol yrren und sundigen allesampt,  Gott aber hat sie allesampt leren betten umb vergebung der sunden ym  vater unser, und hat yhr solch sunde, die sie haben mussen, ungern, unwissend,  und von dem Widerchrist gezwungen thun, wol wissen zu vergeben, und dennoch  pfaffen und muenchen nichts davon sagen. Aber das kan man wol  beweisen, das yn aller welt ymer ein gros heimlich mummeln1 und klagen  gewest ist widder die geistlichen, als giengen sie mit der Christenheit nicht recht  umb, Unnd die Bapstesel haben auch solchem mummeln mit fewr und schwerd  trefflich widerstanden biß auff dise zeit daher. Solch mummeln beweiset wol,  wie gern die Christen solch grewel gesehen, unnd wie recht man daran gethan  habe. Ja lieben Baepstesel, komet nu her, und saget, Es sey der Christenheit

 

[ 1 woellens C 17 hatte] hette BD]

 

 

 

[Seite 646]

 

 lere, was yr erstuncken, erlogen, und als die boeßwichter und verrether der  lieben Christenheit mit gewalt auffgedrungen, und als die Ertzmoerder vil  Christen drueber ermoerdet habt, zeugen doch alle buchstaben yn allen Bapsts  gesetzen, das nichts aus willen und rath der Christenheit yemals sey gelert,  sonder eytel districte, precipiendo mandamus1 ist da, das ist yhr heiliger geist  gewest. Solch tyrranney hat die Christenheit muessen leiden, damit yhr das  sacrament geraubt, und on yhr schuld so yn gefencknus gehalten ist. Und die  Esel wolten solch unleidlich tyranney yhrs frevels uns ytzt fur ein willige  that und exempel der Christenheit verkauffen, und sich so fein putzen. Aber  es will ytzt zu lang werdenn. Es sey das mal gnug auff die frage, Ein  andermal mehr, Und haltet mir meine lange schrifft zu gut. Christus unser  Herr sey mit uns allen. Amen.

 

Ex Eremo octava Septembris. 1530.

 

 

 

Martinus Luther

Ewr guter freundt.

 

 

 

 

Dem Erbarn und fursichtigen N. meinem

guenstigen herrn und freunde.

 

 

[ 3 Bepsts BD 7 yn] jm BD 13 octavo C 16/17 Dem — freunde fehlt BCD]

 

 

 

[Seite 647]

 

Vorwort zu In prophetam Amos Johannis Brentii expositio.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 647]

 

Am 29. August 1529 schrieb Luther an Johann Brenz in Schwäbisch-Hall, er habe seinen Amoskommentar durchgelesen und wisse nichts daran zu ändern oder hinzuzufügen, da er nicht den heiligen Geist meistern wolle. Geheimnisvoll fährt Luther fort: ‘Is, cui dedisti, data opera differt editionem, nescio quas insidias typographorum veritus. Edet autem, nisi me impulsorem contempserit.’1 Erst ein volles Jahr später erschien der Kommentar bei Johann Lufft in Wittenberg mit einer Praefatio Luthers an den damals auf dem Augsburger Reichstag weilenden Autor vom 26. August 1530; Luther hat sie also auf der Veste Koburg niedergeschrieben; noch viel ausführlicher und begeisterter rühmt er darin Brenz als Organ des heiligen Geistes.2 Da in dem Lufftschen Drucke Luthers Praefatio mit dem Titel einen Halbbogen füllt, der Text des Kommentars auf dem ersten Ganzbogen beginnt und lauter Ganzbogen folgen, so ist anzunehmen, daß jene geschrieben wurde, als der Druck schon vorgeschritten bezw. beendigt war, und erst zuletzt gedruckt und vorangestellt ward. In einem Briefe an Luther vom 4. November bestätigte Brenz, der am 1. Oktober vom Augsburger Reichstag abgereist war und nun wieder in Schwäbisch-Hall weilte, den Empfang seines Amos, lehnte aber den Lobpreis, mit dem Luther ihm in der Praefatio gehuldigt hatte, bescheiden ab.3

 

Was unter den ‘insidiae typographorum’, die Luthers Briefe an Brenz vom 29. August 1529 zufolge derjenige, dem Brenz sein Manuscript zur Drucklegung ausgehändigt hatte, befürchtete und um deren willen er die Veröffentlichung hinausschob, zu verstehen ist, hat W. Köhler in seiner musterhaften Bibliographia Brentiana aufgeklärt, indem er einen bei Johann Herwagen in Straßburg erschienenen

 

 

 

[Seite 648]

 

Druck des Brenzschen Kommentars ans Licht gezogen hat, der Luthers Praefatio nicht enthält, daher wohl auf unrechtmäßige Weise vor dem durch Luthers Vorrede sanktionierten Lufftschen Drucke entstanden ist.1 Wahrscheinlich hatte also der Unbekannte, dem Brenz sein Manuskript übergeben hatte, erfahren, daß bereits von unberechtigter Seite eine Ausgabe des Kommentars vorbereitet wurde, und zögerte daher trotz Luthers Drängen längere Zeit, das Manuskript in Druck zu geben.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A “IN PROPHETAM || AMOS, IOHAN-||NIS BRENTII || EXPOSITIO. || Cum præfatione Martini Lutheri.||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 94 Blätter in Oktav, Blatt A 4b, drittletzte und letzte Seite leer. Auf der vorletzten Seite: “VVITTEMBERGAE EXCVDEBAT||IOHANNES LVFT, ANNO||M. D. XXX.||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 9206), Bonn, Dessau, Dresden, Hamburg, Helmstedt, Königsberg, Rostock, Salzwedel St. Katharinenbibliothek, Zwickau; Wien. — Enders, Briefwechsel 8, 222 Nr. 1.

W. Köhler, Bibliographia Brentiana S. 16 Nr. 40.

 

B “IN PRO-||PHETAM || Amos, Iohãnis || Brentij Ex-||positio. || Cum præfatione Martini Lutheri. || Haganoæ in officina || Seceriana. || M. D. XXXIII. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 104 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Auf der viertletzten Seite: “Haganoæ in officina Seceriana || Anno salutis M. D. || XXXIII. Men || se Martio. ||” Darunter Setzers Druckerzeichen (Januskopf).

Vorhanden: Knaakesche Slg. (dieses Exemplar trägt unten auf dem Titelblatt die handschriftliche Bemerkung: “1533 Jübilate”); Hamburg, Jena, München U., Wernigerode, Zwickau.

Köhler, S. 25 Nr. 62.

 

C “IN PROPHE-||TAM AMOS, IOAN-||NIS BRENTII EX-||POSITIO.||  || CVM PRAEFATIONE || Martini Lutheri. || HALÆ SVEVORVM EX || Officina Petri Brubachij, Anno || M. D. XLIIII. ||” Mit Titeleinfassung, worin unten: “Christo omnes Prophetæ testimonium ferunt, quòd remißionem || peccatorum accepturus sit per nomen eius, quisquis crediderit || in ipsum. Acto. 10. ||” Titelrückseite leer. 51 Blätter in Folio.

Vorhanden: Berlin (Bm 5031 ), Eßlingen ev. Kirchenbibliothek, Freiburg i. Br., Schwäbisch-Hall Kirchenbibliothek, Halle, Helmstedt, Kiel, Stuttgart, Tübingen; Krakau Bibliothek Czartoryski.

Köhler, S. 55 Nr. 131.

Dazu kommen noch zwei bei Peter Braubach in Frankfurt a. M. 1551 und 1565 erschienene Ausgaben (Köhler S. 82 f. Nr. 193 und S. 209 Nr. 452).

 

 

 

[Seite 649]

 

Außerdem ist unser Vorwort abgedruckt bei Coelestin, Historia comitiorum III (1577), 57a –58a; ferner in Lilium convallium Stephani Praetorij (1578), L 5a –L 7a; sowie Unschuldige Nachrichten 1743, 646.

 

In den Gesamtausgaben findet sich unser Vorwort: Lateinisch: Buddeus, Supplementum epistolarum Lutheri (1703), 192 –194; de Wette 4, 148 –151; Opp. var. arg. VII, 510 –514; Enders, Briefwechsel 8, 222 –226. Deutsch: Eisleben 2 (1565), 17b –18b; Altenburg 5, 275 f.; Leipzig 12, 83 f.; Walch 1 14, 189 –193; Walch 2 14, 166 –169.

 

Wir geben den Text nach A, womit wir B und C verglichen haben. Die von Enders 8, 222 erwähnten Handschriften Cod. Goth. A 1048 f. 176 Nr. 217 [die Abschrift stammt aber nicht etwa von Melanchthon!] und Helmst. 108 f. 86b bieten unsre Praefatio in späteren Abschriften auf Grund der Drucke dar und bleiben daher unberücksichtigt.

 

Venerabili in Christo viro D. Iohanni Brentio, discipulo et confessori Christi, ecclesiae Halensis presbytero fidelissimo. 1530

 

[Seite 649] [Vorbemerkungen]

 

Gratiam et pacem in CHRISTO IHESV Domino nostro.  Redit ad te, optime Brenti, AMOS tuus, quem ad me  iam dudum miseras. Non est mea culpa, quod tardius  aeditus est, sed voluntas eius, cui donasti. Qua ratione  is motus sit, incertum est mihi. Verum quod tu, pro  humilitate spiritus tui, totum hunc Commentarium meo  iudicio subijcis, ut mutem, addam, detraham, quae  viderentur mihi, absit a me, ut in hoc te audiam. Cum enim inter prophanos  odiosum sit, in alieno libro ingeniosum esse, multo magis inter  Christianos intolerabile est, sibi magisterium super eiusdem spiritus discipulos  [1. Joh. 4, 1] arrogare. Satis est probare spiritus, an ex Deo sint, Ubi probati fuerint,  tum mox venerari et osculari ac posito magisterij supercilio discipulum  potius fieri. Neque enim potest fieri, Quin, ubi spiritus sanctus loquitur,  [Joh. 1, 9] talia loquatur, quae omnem hominem venientem in hunc mundum sibi  [Ps. 147, 5] subijciant et discipulum faciant, Siquidem sapientiae eius non est numerus.

 

Ego vero praeter hoc generale encomion spiritus de tuis scriptis sic  sentio, ut mihi vehementer sordeant mea, ubi tuis tuique similium scriptis

 

[ 4 Iesv C]

 

 

 

[Seite 650]

 

 comparantur. Non adulor neque fingo, sed neque ludo neque fallor: Non  Brentium, sed spiritum praedico, qui in te suavior, placidior, quietior est,  deinde dicendi artibus instructus, purius, luculentius et nitidius fluit, itaque  magis afficit et delectat. Meus vero, praeterquam quod artibus dicendi  imperitus et incultus, nihil nisi sylvam et cahos verborum evomit, tum etiam  eo fato agitur, ut turbulentus et impetuosus et velut luctator cum monstris  infinitis semper congredi cogatur.1 Itaque, si licet parvis componere magna2,  Mihi de quadruplici spiritu Eliae 4. Reg. 193 Ventus, motus et ignis, qui  montes subvertit et petras conterit, Tibi autem et tui similibus sibilus ille  blandus aurae tenuis, qui refrigeret, contigit. Ita fit, ut etiam mihi ipsi,  nedum alijs, gratiora sint scripta et verba vestra. Solor tamen meipsum,  [Joh. 14, 2] quod existimem, imo sciam patrem illum familias coelestem, pro magnitudine  suae domus, etiam opus habere uno aut altero servo duro contra duros et  aspero contra asperos, veluti malo cuneo in malos nodos4, Et tonanti Deo  opus est, non tantum pluvia irrigante, sed etiam tonitru concuti-[Bl. A 3]ente  et fulgure auras purgante, quo felicius et copiosius terra fructificet.

 

Verum hoc donum Dei prae ceteris in te singulariter amo et veneror,  quod iusticiam fidei tam fideliter et syncere urges in omnibus scriptis tuis.  Hic locus enim caput et angularis lapis est, qui solus Ecclesiam Dei gignit,  nutrit, aedificat, servat, defendit, Ac sine eo Ecclesia Dei non potest una  hora subsistere, sicuti nosti et sentis. Atque ideo sic instas. Neque enim  quicquam recte docere potest in Ecclesia neque ulli adversario foeliciter  [1. Tim. 6, 3] resistere, qui hunc locum seu, uti Paulus appellat, hanc sanam doctrinam  [2. Tim. 1, 13] non tenuerit, vel, ut idem dicit Paulus, Tenax eius doctrinae fuerit. Quo  circa saepius et pene cum indignatione admiror, Quomodo D. Hieronymus  nomen Doctoris Ecclesiae et Origenes Magistri Ecclesiarum post Apostolos  meruerint, cum in utroque autore non facile tres versus invenias de fidei  iusticia docentes Neque Christianum ullum facere queas ex universis utriusque  scriptis; ita vagantur allegoriis rerum gestarum aut capiuntur pompis  operum. Neque alius fuisset S. Augustinus, nisi Pelagiani eum tandem  exercuissent et ad fidei iusticiam impulissent. Qua lucta et exercitio  evasit vere Doctor Ecclesiae, ac pene solus post Apostolos et primos  patres Ecclesiae.

 

 

[ 16 fœlicius C 25 quō C 28 illum C 31 iusticiam tuendam impulissent C]

 

 

 

[Seite 651]

 

Non quod illustribus patribus detrahere velim et oculos cornicum configere1,  uti Hieronymus ipse vocat, Sed quod putem admonitos nos omnes  esse oportere, ut patrum scripta cum iudicio eoque diligentissimo et acutissimo  [1. Thess. 5, 21] legamus, secundum regulam illam spiritus sancti: ‘omnia probate’, et iterum:  [1. Joh. 4, 1] ‘probate spiritus’, ut simus animalia munda ungulis fissis et incaedentia.2  [Eph. 4, 14] Quod qui non faciunt, videmus, quantis incertae doctrinae ventis circumferantur  et opinionibus in infinitum sese gignentibus sursum deorsum agitentur,  [2. Tim. 3, 17] semper discentes et nunquam ad scientiam veritatis pervenientes. Et  haec non tantum videmus, ipsi quoque experti sumus, cum in eisdem turbis  dogmatum rotaremur, donec gratia Dei nos transtulit in portum et supra  hanc certam petram aedificavit, ut certi simus, quid doceamus, discamus,  habeamus nec ultra sic fluctuemus. Quare te rogo, uti pergas, optime Brenti,  sicuti facis, hunc locum iusticiae strenue et usque ad fastidium urgere per  omnia et ubicunque poteris. Nam plenus est alias satis totus mundus scribentibus,  clamantibus, cudentibus, qui valde fortiter hunc locum negligunt,  multi denique persequuntur, plurimi (cum aliud nocere non possint) obscurant  aut corrumpant. Nec miram, nam hic est ille unicus calcaneus seminis  antiquo serpenti adversantis, qui caput eius conterit. Ideo Satan rursus non  potest non eidem insidiari. Verum etsi noceat insidijs infinitis et pertinacissimis,  tamen vincere et [Bl. A 4a] conterere non potest, sicut scriptum est:  [1. Mose 3, 15] ‘Ipsum conteret caput tuum’. Non est scriptum: Tu calcaneum vel caput  eius conteres. Gratia Domini nostri IHESV CHRISTI sit tecum, Et ora  pro me. Ex Eremo XXVI. Augusti, ANNO M. D. XXX.

 

 

 

T. Martinus Luther.

 

 

[ 2 nos fehlt C 12 ut B 13 strẽnue B 17 ac corrumpunt C]

 

 

 

[Seite 652]

 

De iustificatione. 1530.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 652]

 

Nächst der Streitschrift de servo arbitrio müßte eine besondere Abhandlung Luthers de iustificatione, noch dazu aus den Tagen, da über dies Bekenntnis in Augsburg gestritten wurde, von allergrößter Wichtigkeit sein. Könnte sie uns doch den Dogmatiker Luther zeigen, soweit er dies überhaupt gewesen ist. Um so mehr ist zu bedauern, daß wir von einer solchen Arbeit nur Trümmer ungeordneter Entwürfe und Notizzettel haben. Die Veröffentlichung des wichtigsten Teiles verdanken wir Dr. Berbig:

 

 

 

“Der Veit Dietrich-Kodex Solgeri 38 zu Nürnberg Rhapsodia seu Concepta in Librum Iustificationis aliis obiter additis 1530. Veröffentlicht von Pfarrer Dr. Georg Berbig in Neustadt-Koburg. Leipzig, Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1907.” VI und 50 Seiten Oktav.

Berbig hat hier und in einer anderen Veröffentlichung1 den Jnhalt der Handschrift Cod. Solgeri in 4o Nr. 38 der Stadtbibliothek Nürnberg besprochen. Sie ist von Veit Dietrich so zustandegebracht, daß er selbst und 3 –4 Schreiber, deren Arbeiten er nachbesserte, Briefe und Berichte, Gutachten und Entwürfe Luthers und anderer aus den Jahren 1527 –31, zumeist aber aus 1530 sammelte. Die Vorlagen waren meist Urschriften. Die Abschriften sind ziemlich mangelhaft.

 

Hier stehen nun auf Bl. 1b –30: Rhapsodia seu Concepta in Librum de loco Iustificationis cum aliis obiter additis 1530. Vitus Theodorus. Diese Blätter hat Dietrich auch selbst geschrieben.

 

Berbig meinte, Luther habe schon im Mai die Schrift de iustificatione geplant und entworfen. Dabei sind ihm die bald zu besprechenden zwei Zeugnisse Luthers entgangen. Zunächst waren durch den Reichstag und die Berichte aus Augsburg andere dogmatische und kirchliche Fragen näher gelegt. Erst im Widmungsbriefe zur lateinischen Übersetzung von Luthers Auslegung des Propheten Jona, den man aber auch in den Anfang August setzen könnte (Enders 7, 347), richten sich die Gedancken mehr auf de iustificatione. Noch am 24. August muß

 

 

 

[Seite 653]

 

die Art, wie Luther an Melanchthon (Enders 8, 204) über die Schrift sich äußert, den Eindruck erwecken, sie sei noch in weitem Felde: Er schicke den Sermon, daß man Kinder zur Schule halten solle. Er sei zu wortreich, nach Luthers Art. Jm Buch von den Schlüsseln werde es eben so sein und dann: si volet Christus, de iustificationis loco. Jmmerhin muß die Disposition und Ausführung einzelner Punkte ihm schon klar gewesen sein, weil er eben schon fürchtet, die Schrift werde lang werden. Damals hatte er wohl schon Entwürfe gemacht. Am 8. September ist er noch nicht weiter. Jm “Sendbrief vom Dolmetschen und Fürbitte der Heiligen” schließt er den Abschnitt über sola fide: “weiter will ich, so Gott Gnade giebt, davon reden im Büchlein De Justificatione (s. oben S. 643, 13)”.

 

Die Arbeit ist dann liegen geblieben und Luther hat sie nicht wieder aufgenommen, wohl aber die Entwürfe an Stellen anderer Schriften teilweise verwertet, wie wir nachweisen werden.

 

Jm besprochenen cod. Solg. hat nun Veit Dietrich zusammengetragen, was ihm Vorarbeit zu de Iustificatione zu sein schien. Das gilt von Bl. 1 –15. Was darauf folgt, bezeichnet die Überschrift mit ‘aliis obiter additis’. Nur ist noch auf Bl. 22b –23a ein Stück versprengt, das zu unserer Schrift gehört. Wie die Ausdrücke Rhapsodia und Concepta, vor allem aber die Form der Niederschrift zeigen, haben wir nicht ein Diktat Luthers, sondern die Abschrift von Zetteln und Büchereintragungen Luthers vor uns. Und das legt uns nahe, zu fragen: Hat Veit Dietrich auch alles, was von Vorarbeiten zu de Iustificatione vorhanden war, in dieser Handschrift zusammengebracht? Wir behaupten: hier in cod. Solg. 38 hat Dietrich nur aus losen Zetteln abgeschrieben; er selbst und andere haben aber uns noch Stücke zu derselben Schrift, aus Bucheintragungen Luthers stammend, überliefert.

 

Daß Luther auf Vorstoßblätter und leere Buchseiten sich Notizen und Entwürfe machte, steht fest. In seinem Handpsalter (Stadtbibl. Breslau), der an die Familie Kunheim kam, finden sich Notizen zur “Vermahnung an die Geistlichen” (s. oben S. 326) und Vorarbeiten zur Auslegung des 111. Psalms (erschien 1530). Hier steht auf der Rückseite des Titelblattes von “Psalterium Translationis veteris Correctum, Vuittembergae, 1529” ein Stück über ‘Ecce agnus Dei’, welches im cod. Solg. Bl. 8 erweitert zu lesen ist. Offenbar ist im Psalter der erste Entwurf, in der Rhapsodia die Erweiterung. Rörer hat den Eintrag auch gekannt und in seine Sammlung Lutherscher Buchinschriften aufgenommen (Erl. Ausg. 52, 348 fg.). Ein weiteres Stück am selben Orte enthält den geplanten Schluß de iustificatione.

 

Am deutlichsten wird der Zusammenhang zwischen Luthers Bucheintragungen und den Abschriften seiner Hausfreunde, wenn wir auf das Handexemplar des N. Testaments von 1530 sehen, aus dem Veit Dietrich in seine Handschrift der colloquia (Stadtbibliothek Nürnberg Ms. cent. V append. 75) die Glossen übernahm. Eine zweite Abschrift des Ganzen beglaubigte Paul Luther, und Richter gab sie 1731 als “Licht im Licht” heraus. Des weiteren übertrug ein Unbekannter diese Notizen aus Luthers Original in ein N. Testament 1533 und ein Stück ging in ein N. Testament als Luthers eigene Hand (de Wette-Seidemann 6, 432). Wir werden in der Besprechung der Nachbesserungen Luthers an der deutschen Bibel darauf hinweisen, daß Luther diese Glossen zum N. Testament 1530 zunächst unternahm, um den Schriftbeweis für den locus de iustificatione umfassend

 

 

 

[Seite 654]

 

zu führen. Er versah die Stellen, wo von der Rechtfertigung ohne die guten Werke die Rede ist, mit einem Nachweis wie fide (verbo) sine operibus oder dergl. Über die Hälfte der Glossen haben diesen Jnhalt, in der Apostelgeschichte fast alle. Zu diesem Buche machte er eine Einleitung, die als Zweck der Schrift es hinstellt: probandum iustificationem contingere sine operibus et sola fide. Am Anfang und Schlusse des N. Testaments waren größere Ausführungen angebracht, die in die Rhapsodia des cod. Solg. sich durchaus einreihen lassen (s. unten) und die wir darum auch hier mit abdrucken.

 

Nun hat Veit Dietrich in der Handschrift seiner colloquia noch einige Stücke, allerdings am Anfang einer neuen Bogenlage, aber mit der Bezeichnung νθυμηματια, die er im Unterschiede von colloquia (διαλογισμοι [!]), d. h. den Reden Luthers seiner Abschrift von Zetteln Luthers auch sonst gibt.1 Diese zwei Bruchstücke Omnis lex (Bl. 234) und Fides miraculorum (Bl. 236) glauben wir unserer Schrift zurechnen zu dürfen.

 

Dann aber auch jenes Stück auf Bl. 33 derselben Tischredenhandschrift, das auch in einer mit νθυμηματια bezeichneten Lage steht. Es behandelt das Argumentum contra iustitiam operum. Der Abschnitt paßt zu der Rhapsodia. Cordatus (Wrampelmeyer 1834, aber auch Bos. q. 24f) haben ihn inhaltlich wiedergegeben, aber stark verkürzt. Luther selbst hat diesen Zettel später benützt.

 

In einer lateinischen Bibel zu Stockholm finden sich Summarien von Predigten Luthers aus 1530 (s. Unsre Ausg. Bd. 342, 557). Hier steht auf der Rückseite des vorletzten Blattes ein Eintrag, der eine Zusammenfassung von Stellen der Rhapsodia oder wahrscheinlicher der erste Leitgedanke zu denselben ist.

 

Aus den entlegensten Winkeln haben wir somit Bruchstücke zur Ergänzung von Dietrichs Rhapsodia herbeigeholt. Daß wir es mit Recht taten, zeigt die Beobachtung: Luther hat seine Notizen zu de iustificatione für andere Schriften benützt! Er fand eben nicht mehr die Zeit, die ganze weitschichtige Frage in einer besonderen Abhandlung zu erledigen.

 

So sorgte er dafür, daß der in seinem Handexemplar des N. Testaments 1530 für de iustificatione vermerkte Schriftbeweis als neue Glossen2 in die Bibel übernommen wurde; in der Apostelgeschichte erscheinen so lateinische Glossen! Das hätte Luther selbst bei einem Volksbuche wohl nicht getan, es ist eben der Korrektor nur im allgemeinen beauftragt worden und hat den Auftrag ungeschickt ausgeführt.

 

In die Auslegung des 117. Psalms von 1530 sind mehrere Gedanken aus der Rhapsodia verarbeitet, in dem Abschnitt “Offenbarung” eine ganze Zusammenstellung wörtlich wiedergegeben (Erl. Ausg. 40, 306 –7).

 

In die “Warnung an seine lieben Deutschen” nahm Luther eine Reihe von Zusammenstellungen auf über die Marialia, Stellaria, Rosaria (Erl. Ausg. 2 25, 39), die Wallfahrten (S. 44), den Katechismusglauben (S. 46), die wie eine Entnahme aus de iustificatione aussehen.

 

In den Predigten über Matth. 5 –7 hat Luther bei der Herausgabe als Schlußwort (Unsre Ausg. Bd. 32, 535) sein Argumentum contra iustitiam operum über die ‘nachfolgenden’ Werke ausführlich wiederholt.

 

 

 

[Seite 655]

 

In den Wochenpredigten über Joh. 6 –8 hat er den Schriftbeweis der Gegner für die guten Werke immerwährend glossiert: Unsre Ausg. Bd. 33, 20 (über Dan. 4, 24); 21, 12 (über Luk. 6, 37); 23, 2; 69, 32; 86, 18 –87, 40; 161, 12 usw.

 

Es sind auch die Gedanken de iustificatione, welche Luther veranlassen, in seinen Vorlesungen sich wieder dem Galaterbrief zuzuwenden (1531). Wer das Kollegheft Rörers mit diesem Galater-Kommentar vergleicht, sieht, daß im Drucke Abschnitte eingeschoben sind. Einige dieser Zusätze muten uns an, als stammten sie aus den Entwürfen zu de iustificatione. Man sehe Erl. Ausg. I, 183; 376; 379 (vocabula theologica et moralia); III, 6. So ist denn auch hier das argumentum der Apostelgeschichte noch ausführlicher als in der Rhapsodia angegeben.

 

Veit Dietrich hat die meisten Entwürfe als zu einer Schrift de iustificatione gehörig erkannt und gesammelt. Er hatte es auch leicht, da er in jener Zeit in Luthers unmittelbarer Nähe weilte. Vollständig hat aber auch er nicht das ihm erreichbare Gut als solches erkannt. Einen Zettel bringt er nachträglich, versprengt in die Abhandlung de potestate leges ferendi in ecclesia.1 Andere Stücke trug er in die Handschrift seiner Colloquia ein. Er schrieb (ebendahin) die Glossen Luthers zum N. Testament 1530, ohne zu beachten, daß die drei größeren Abschnitte nicht Glossen zur heiligen Schrift, sondern Meditationen zu de iustificatione seien. An den Eintragungen Luthers in den sogenannten Psalter Kunheims ist er ganz vorbeigegangen.2 So werden wir urteilen müssen: im cod. Solgeri 38 steht nur, was Dietrich aus losen Zetteln auf Luthers Tische fand. Und dies umfaßte nicht alle Entwürfe. Die Bucheintragungen hat er nicht mit dieser Schrift in Verbindung gebracht, als er sie später anderswohin abschrieb.

 

In die Tischreden sind dann Stücke übergegangen. Wir können von den meisten sagen: über den Weg der Dietrichschen Colloquia. Der Hauptabschnitt Adam ante opera aus dem N. Testament 1530 steht Colloq. Bl. 234a und ist zu verfolgen bis in Aurifabers deutsche Tischreden hinein (Förstemann 2, S. 192 und verkürzt ebd. S. 179). Aus dem Psalter Kunheims sind übertragen: 1. Das Stück über Joh. 1, 29 in Rörers Sammlung der Bucheintragungen Luthers (Erl. Ausg. 52, 349) in einer so erweiterten Form, daß man glauben könnte, sie rühre von Luther selbst her. 2. Das Ende des Traktats de iustificatione schrieb Cordatus ab. Es steht in der auf ihn zurückzuführenden Sammlung zweimal, erstlich Nr. 1454 (ed. Wrampelmeyer) hinter einem Stück aus derselben Quelle, zweitens Nr. 1621. Auf anderm Umwege kam es in die lateinischen Tischreden (Bindseil I, 177). Das Stück von der Vermessenheit des Glaubens kam aus Veit Dietrichs Kolloquien in Aurifabers Sammlung (Förstemann 2, S. 187).

 

Wir haben für den Abdruck eine Ordnung der Trümmer aller Entwürfe zu geben versucht. Es hält schwer, sich ein Bild von dem Plane und Gedankengang Luthers zu machen. Manches hat er gleich ausführlicher niedergeschrieben, anderes, auch wichtiges, nur eben angedeutet. Wir müssen uns hüten, eine moderne systematische Ordnung in die Bruchstücke hineinzutragen. Es wird das sicherste und

 

 

 

[Seite 656]

 

jedenfalls das bequemste sein, für den Abdruck die Rhapsodia des cod. Solgeri zugrunde zu legen und die andern Entwürfe teils einzuschalten, teils nachzubringen. Doch geben wir nachstehend eine Übersicht, die Luthers Gedanken und Absichten klarzustellen sucht.

1. De vendendis operibus (die ersten 48 Zeilen). So wird der Abschnitt später Bl. 6b von Luther selbst bezeichnet. Gedanke: Opera vendiderunt, nihil de fide docuerunt.

2. Fides ante opera, wir bleiben servi inutiles, Frömmigkeit ist kein habitus, der durch Übung von guten Werken käme, wie etwa Einer durch häufiges Spiel ein Zitherspieler wird. Erweitert auf einem andern Blatte zu den Gedanken: Fides ante opera, opera sind nicht zu trennen von fides, also iustificamur sine, ante, absque operibus, auch nicht propter opera ex fide sequentia.

3 –10. Widerlegung des Schriftbeweises der Gegner.1

3. Allgemeine Grundsätze: a) Wo Werkgerechtigkeit empfohlen zu sein scheint, setze man nach Hebr. 11 immer hinzu: fide, b) solche Werke wie Almosen geben, ein Unrecht verzeihen, sind Dinge, die wir leisten können; aber Sünden vergeben, Leben mitteilen, kann nur Christus allein schaffen, nicht unsere Werke.

4. Die Strafe ist keine satisfactio pro peccatis, man sehe 2. Sam. 12, 13 nur recht an; die Pharisäer geben Almosen und werden nicht rein; alles weist auf fides hin.

5. Der Leute zu Ninive erbarmt sich Gott nicht wegen der Werke, sondern weil sie Buße taten. So wesentlich auch Dan. 4, 24 und Sir. 3, 33.

6. (Einschub) Das sola fide lernen schon die Kinder im Katechismus.

7. Die Gegner sagen: auch wir lehren fidem ante opera esse priorem. Antwort: warum verfolgen sie uns dann? Aber die Sache stimmt auch nicht.

8. Jak. 2, 26 wird richtiggestellt durch:

9. Vergleichung von promissio und lex mit fides und opera (eine spätere Ausführung lenkt dann auf anderes um).

10. Zusammenfassung der Ablehnung des gegnerischen Schriftbeweises.

11. Widerlegung des Einwands: wegen des opus fidei wird munditia, remissio, extinctio peccatorum zuteil.

12. Luthers Schriftbeweis aus Joh. 1, 29.

13. Die Gebote, welche eine Verheißung haben, verheißen nur irdische Güter.

14. Ein Werk, zu dem Lohnsucht das Motiv ist, hat keinen Wert für die iustificatio.

15. Vielleicht gehöre in diese Betrachtung auch das ‘munda’ Luk. 11, 41 = euer Erwerb wird ‘rein’ sein.

16. Zusammenfassung des bisher Gesagten.

17. Letzter Einwand der Gegner aus Matth. 25, 34.

18. Jst Christus nötig, uns die gratia zu verdienen, durch welche wir das ewige Leben verdienen? Gegengründe Luthers.

19. Die Lehre von der Buße bei den Papisten und bei Luther.

20. Die iustificatio ist bei den Papisten nicht gelehrt worden;

 

 

 

[Seite 657]

 

21. dafür viel von Brigittengebet, Rosenkranz usw.

22. Aus den Meinungen und frommen Jrrtümern der Väter haben sie Glaubenssätze gemacht und verfolgen die, welche solches nicht halten.

23. Luthers Gewißheit und Selbstzeugnis.

24. Die Welt versteht überhaupt nicht, was Glaube, Liebe, Kreuz sei.

25. Anhangsweise: Die Welt versteht auch nicht: liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

26. Argumentum contra iusticiam operum.

27. Fides und caritas; fides ohne caritas. Wir gestalten hiernach den Abdruck.

 

 

Rhapsodia seu Concepta in Librum de loco Iustificationis 1530.

 

1530

 

 

 

[Seite 657]

[Bl. 1b] Papa dat coniugium religiosis propter pecuniam1 et graciam,  ergo et Euangelion, quod est Papae Dominus sicut et  Christus.

 

 

Docuerunt:

 

1. Opera ire ad iudicem placandum, Nihil de fide,

2. Fures morte sua satisfacere pro peccatis2,

3. Opera sua vendiderunt et donauerunt. Quod nec christus quidem  pro nobis fecit. Sed personam suam totam pro nobis dedit. Illi  opera sine persona, alteri personae sine opere existente. Cum  unusquisque secundum proprium laborem recepturus sit. De hoc  extant exempla

      Fraternitatum quod negari non potest.

      Literarum quod negari non potest.

      Vigiliarum quod negari non potest.

      Missarum quod negari non potest.

Coram mundo valet ista translatio et satisfactio. Sed coram Deo  unusquisque pro se rationem reddet et recipiet, prout gessit.

 

 

 

[Seite 658]

 

4. Orationes Brigittae, Numerus pater noster, Rosenkrantz, Corona b.

Virginis, Psalterion B. virg.

canonicae

horae crucis, et infinitae orationes minio titulatae et promissionibus.

B. virginis

Quibus omnibus nihil orabant, sed recitatis ore, et velut opere  quodam facto praesumebant placare Deum pro peccatis fiducia propriae  iusticiae.

[Bl. 2] Unde et Gerson solam materiam orationis esse de praecepto  Ecclesiae dicit. Et Hugo singulas syllabas persolvendum, et decreta dicunt  eos legere horas debere.

 {operibus propriis

 

 {sanctorum meritis

 

 {Participatione aliorum,

 

5. Christum iudicem placandum et {ut

 

non mediatorem, sic a Christo ad {Sacerdotum, monachorum,

 

Sanctos, seipsos et alios fugerunt.1 {monialium pauperum,

 

 

 

6. Baptismum irritum fecerunt, quod non per ipsum salus et remissio,  sed per opera, quia fecerunt secundam tabulam fide amissa,

7. Eucharistiae fructum tulerunt, quod opus ex eius usu fecerunt, et  obedienciam ecclesiae, caelantes verbum,

8. Indulgencias pro satisfactione contra christi fidem vendiderunt,

 Sacrificium

 

9. Missas

 

 Opus,

 

 

 

10. Virginitatem supra fidem.

[Luk. 17, 10] Christus omnibus factis iubet fateri servos inutiles: ergo non meritos  graciam aut salutem.

Philosophiam miscuerunt Theologiae assumpto isto principio morali:  saepe iusta faciendo efficimur iusti, Saepe cytharisando &c.. Et hoc est verum  in civili, Caesaris regno: Iusticia habitus, paratur ex actibus. Sed in regno  Christi contra: Actus ex habitibus, Quia fides sine operibus ante opera  paratur, parata autem fide parantur opera per ipsam. Ergo [Tabelle: ] [Tabelle: ]

Adam ante opera et sacrificia promissionem seminis accepit, ut stet  veritas: Fide sine operibus iusticiam et remissionem peccatorum obtineri  coram Deo ex gratia mera.

 

 

[ 30 &c.. fehlt 37/659, 37 aus N.T. 1530 39 et gratia Richter]

 

 

 

[Seite 659]

 

[Hebr. 11, 4] Hinc recte Paulus Ebr. 11. fidem Abel in sacrificio eius laudat. Imo  et in omnibus factis et gestis Sanctorum fidem ibidem commendat a Deo  spectatam ante opera, imo per fidem et ex fide opera sequuta esse.

 

Proinde non est admittenda separatio Iustitiae Fidei et operum, quasi  sint duae diversae Iusticiae more Sophistarum. Sed est una Iusticia simplex  fidei et operum, Sicut Deus et homo una persona, et anima et corpus unus  homo. Si enim separes, mox periit fides et opera remanent: hypocrisis  dupliciter impia. Si enim opera sunt, ex fide sunt et fiunt. Si fides est,  [Joh. 15, 4] ipsa prodit et operatur. Ioan. 15. ‘Palmes in vite manens fructificat’.  Unde Sanctorum opera bona sunt peccata, si in seipsis spectentur separatim,  sicut fit, dum in illis fiditur. Ne ergo in illis fidatur, utile est ea damnari  et peccata fieri, sicut oportet, Ubi separantur tanquam via Iusticiae seorsim  a fide. Cum autem fides natura sit ante opera, recte dicimus sola fide nos  iustificari, Quia ut credamus, non fit per opera, cum nondum sint aut fiant  sed per verbum, quod promittit gratiam et credentes declarat esse gratos et  salvos remissaque esse peccata. Tum per ipsam fidem fit, ut operemur, et  ita fides ceu crassescit opere et fit fere palpabilis, quemadmodum Divinitas  sola Christum et Dominum facit, sed tamen assumpta carne crassescit et fit  [1. Joh. 1, 1] palpabilis, sicut 1. Ioh. 1. dicitur ‘Verbum, quod palpavimus et quod habitavit  in nobis’. Mox ubi separaveris, nullus est alius usquam Deus, et caro erit  bis perniciosa &c..

 

Si enim iustificaremur propter opera ex fide sequentia, iam non  iustificaremur ex ipsa fide nec propter Christum sed propter nos ipsos, qui  post fidem operamur, quod est Christum negare. Non enim Christus  apprehenditur operibus sed fide cordis. Ergo necesse est sola fide nos  iustificari sine, ante, absque operibus: opera vero ipsa propter fidem probari,  iusta censeri et placere. Quam falsum igitur est iustos propter opera futura  praedestinari, tam falsum est propter opera fidei futura iustificari. Sed sicut  praedestinationis gratia postea efficit opera ipsa sola sine operibus eligens et  vocans iustificandum et operaturum, ita fides efficit opera ipsa sine operibus  iustificans et peccata delens ante opera.

 

Non siquidem fides propter opera sed opera propter fidem fiunt. Nec  fides expectat opera, ut iustificet per ea, sed opera expectant fidem, ut  iustificentur per eam, Ut fides sit activa iusticia operum et opera sint passiva  iustitia fidei. Alioquin opera essent causa Iusticiae, ut sine qua effectus  iustitiae non subsisteret etiam stante fide, Velut causa sine effectu Iusticiae  plane non causa &c..

 

[ 7 hypocritis Richter 8 impiae Richter 12 via war unlesbar für Buddeus 18 crassatur Buddeus 21 &c.. fehlt Buddeus 30 operibus] fide Buddeus 32 siquidem] quidem Buddeus 34 iustificetur Buddeus]

 

 

 

[Seite 660]

 

Testis horum omnium est vox illa, qua in principio omnes clamabant,  nos prohibere bona opera et illa, quae pro mortuis publice orabant dicentes:  Got wolt ansehen die gute werck, so yhn nachgeschehen.1

 

Ad omnia dicta Scripturae, quibus videtur Iusticia operum statui,  respondebis ex Ebr. 11. hac voce: ‘Fide’.

 

[Luk. 11, 41] Ut ‘date Eleemosynam et omnia munda vobis’, Responsio: fide date.  Sic enim ibidem omnium Sanctorum operibus praeponit: Fide. Et rationem  reddit: ‘quia sine fide impossibile est placere Deo’.

 

Habita igitur fide in omni opere habes simul iusticiam sine operibus,  eciam in operibus ipsis. Quia necesse est fidem ante opera esse. At fides  iustificat, imo est iusticia. Et sic tum fide iustus facit opera fidei.

 

‘Dare elemosinam liberat a peccato’, Item ‘Remittite et remittetur  vobis’ et similes sententiae, quibus adversarii probant iustitiam ex operibus  et non ex fide esse, Nihil faciunt ad tale propositum. Ratio diversitatis  est, Quia tale aliquod opus: largiri elemosinam et condonare noxam et si  quae sunt similia, sunt talia opera, quae ipsi possumus praestare, Dare autem  vitam aeternam, item condonare peccatum non sunt opera, quae nos possumus  praestare sed fiunt per solum Christum, quandoquidem is per incarnationem,  passionem et resurrectionem suam liberavit nos a peccato, diabolo et sathana,  Item reconciliavit nobis patrem. Ergo non est verum, quod adversarii per  huius modi sententias velint probare iustitiam non ex fide sed operibus  esse &c..

 

 

Si dixerint:

 

[Matth. 25, 34] Math. 25. ‘Venite benedicti Accipite regnum’, quia foecistis hec etc.,  Respondetur: Non sequitur: ergo opera iustificant. Dicit enim: dedistis mihi,  fide ergo dederunt.

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

 

Si dixeris:

 

Opus bonum per graciam Dei factum, licet pro fiducia haberi, quia ibi  graciam colo, Respondetur, quod non licet, sed in solum Christum fidere  oportet. Alioqui liceret et in Idolum et scortum, panem, vinum fidere, quia  sunt bonitate dei quod sunt, et bonitas eius in his colitur. Deinde eciam  si liceret per se, tamen verbum Dei prohibet, Gracia Dei non vult coli in  re a nobis electa, sed in re verbo Dei proposita.

 

[ 4/11 aus N. T. 1530 12/22 aus Stockholmer Hs., s. Einleitung.]

 

 

 

[Seite 661]

 

[Bl. 3] Si dixerit:

 

David punitus pro peccato suo satisfecit, et multi alii, ut filii Jsrael in  deserto, Respondetur:

 

Puniti sunt, sed per hoc non satisfecerunt pro peccato, Quia ante  [2. Sam. 12, 13] poenam dixit Nathan ad David: ‘Transtulit Dominus peccatum’, Et in  [4. Mose 14, 20] deserto ante plagam populi dicit Moses: ‘et placatus est Dominus’ etc. In  terrorem puniuntur et in correctionem, seu satisfactionem coram hominibus,  Sicut pater corripit filium, Sed paterno animo, qui ante virgam filio donavit  culpam, quia non eiicit eum, nec virga restituit in hereditatem.

 

[Luk. 11, 41] ‘Date eleemosinam et omnia munda vobis.’ Pharisaei dant Math VI,  [Matth. 6, 1] et tamen non mundantur.

 

Ergo ‘date’ non significat opera, sed corde puro et recto dare, vel  [Apg. 15, 9] opera facere, quod est Lutheranum, Sed unde cor purum? Ex fide, Act. XV.1

 

Ergo pessime hunc locum contra fidem pro operibus in pulpitis clamant  et Lutherum damnant.

 

Cum ergo dari non possit eleemosina, nisi prius sit cor fidens et  purum, Clarum est, cor purum non ex opere fieri. Ergo sine opere fit  purum, per fidem.

 

Puritas autem cordis est iusticia coram Deo, quia ille respicit cor,  Patet quod iustificamur absque operibus sola fide.

 

Iusticia vero coram hominibus sunt opera, quae eciam Deus exigit,  Sed non ut iustificent.

 

Haec ex Donato, qui dicit, Date est secundae personae verbum, ergo  requirit personam totam, non opus solum.2 Persona autem est homo maxime  secundum cor et animum. Nam secundum corpus nihil boni est in ipso hac  [Röm. 7, 8] vita Ro: 7. Ideo Deus hominem iustum reputat propter fidem cordis, et  [Röm. 6, 11] tolerat corpus et peccatum eius usque in illam diem, Ro: 6. Propter peccatum  est mortuum (scil. coram Deo). Spiritus autem vivit propter iusticiam  (i. e. coram Deo) Sic omnis sanctus peccator est corpore et peccat in omni  [Röm. 7, 25] opere bono, Ro: 7. ‘Mente servio legi Dei, carne autem legi Peccati.’

 

 

[Bl. 4] [Jon. 3, 10] De Ninivitis Ionae obiicitur,  Quod Deus respexit opera eorum,  Respondetur:

 

Hoc est omnium impiorum proprium, ut in Scripturis legendis unum aliquem  locum excerpant et torqueant in suum sensum, nihil prorsus spectando praecedencia,  sequencia, causas, circumstancias, et ita se ipsos excaecant et palam  irrident. Id quod hic vide in isto loco.

 

 

 

[Seite 662]

 

Textus clare indicat, Quod Ionas eis praedicaverit peccatum. Hoc  est primum. Hic ergo ante omnia audiunt legem et agnoscunt peccatum  suum, antequam quicquam operentur. Deinde rex mandat praedicare poenitenciam  [Jon. 3, 9] Et addit ‘Quis scit, Si convertatur, et ignoscat, et non peccamus’?  Haec sunt verba fidei. Hic aperte praedicatur poenitencia et remissio peccatorum,  eciam antequam operentur quicquam. Quis enim de ignoscencia  speranda potest praedicare, qui non prius noverit et crediderit, Esse remissionem  peccatorum? Ergo timorem Dei et fidem hic graciae vides ante  omnia opera eorum. Et ex ea fide sequuntur opera poenitenciae. Sed fide  presente iam iusti sunt ante opera. Quae respicit Deus, ut fructus verae  fidei, Sicut ipse textus exponit, dicens, Quod conversi essent a via sua mala,  Ecce toti mutati sunt, non solum operati. Et quid multa? Sophistae caeci  [Jon. 3, 5] non vident testimonium in textu. ‘Et crediderunt (inquit) viri Ninivitae  Domino’ Scil. ante omnia opera eorum.

 

 

Sic Daniel V. obiicitur  [Dan. 4, 24] ‘Redime peccata tua Eleemosina’ etc.,  Respondetur:

 

Iterum vide caecitatem sophistarum. Daniel praedicat regi de peccatis eius  (licet ei non credat), Ergo ante omnia legem et timorem Dei audit, rex.  Similiter et Evang. dicens: si forte ignoscat etc. Et sic vere de spe remissionis  peccatorum instruit. At haec sunt fidei scil. concipere spem remissionis  peccatorum quam necesse et praecedere omnia opera poenitenciae. Quis  enim poeniteat, nisi credat prius remitti posse peccata? Sed non per opera.  Ergo ‘redime’ verbum consilii est et pareneticum, quod fidem praesupponit,  remitti posse peccata et docet fructum huius fidei, scil. opera quae testentur  et confiteantur hanc fidem esse veram. Requirit Deus fidem foris confiteri,  hoc fit operibus. Ut Ahab in Cilicio sedens confitetur credere sese hoc  ipso opere humilitatis [Bl. 5] minanti et promittenti.

 

Quamquam et hic textus in Ebraeo habet ‘Redime peccata tua Zedaca’  i. e. misericordia, quam scriptura vocat iusticiam Graciae datam divina misericordia  [Jes. 23, 18] ceu divinam eleemosinam peccatori ut Ies. 23. Hic accipiet benedictionem  a domino, Et misericordiam, i. e. Zedaca, a Deo salutari suo, ut  sit sensus: redime per fidei graciam seu iusticiam etc. Quamvis nihil curem,  si eciam clare diceret ‘Redime peccata tua eleemosina erga pauperes’, sicut  altera parte dicit ‘et iniquitates tuas misericordiis pauperum’, Quia fide ista  [Hebr. 11, 6] fieri oportet, Ebre. XI, et exiguntur ut fidei fructus.

 

 

[zu 18 Imo totum caput agit de Deo regna largiente et auferente et promittit regem restitui post notitiam i. e. fidem Dei largientem regna, et clarissimo textu de fide loquitur, Dei autem opera ista in kleinerer Schrift r]

 

 

 

[Seite 663]

 

Testatur autem locus Danielis, Quod rex ei non crediderit, Et sic in  fidem pocius peccarit. Si enim credidisset, fecisset secundum consilium  Danielis, et non fuisset ita punitus. Ergo fides et incredulitas hic clare  cernuntur opera praecedere. Si praecedunt, ergo fides ante opera iustificat.  Incredulitas ante opera damnat. Et opera fidei signa sunt et fructus iusticiae.  Sic opera incredulitatis signa et fructus iniusticiae sunt. Et ea opera humilitatis  sunt velut poenae, quibus foris peccatum punitur ad exemplum aliorum.  Nulla vero poena iustificat aut satisfacit pro peccatis sed terret tantum  alios et arcet.

 

 

Illud Ecclesiastici  [Sir. 3, 33] ‘Sicut ignem extinguit aqua, sic eleemosina’  Respondetur:

 

In fide data. Nam et hic peccati memoria fit, ergo lex ante omnia praedicatur.  Et primum praeceptum de Deo, timendo et credendo. Extinguit  [2. Petri 1, 10] Igitur i. e. ostendit et certam facit fidem, et remissionem etc. Sicut Petrus  ait: ‘Certam facientes vocationem vestram per opera bona’. Is enim est  finis operum bonorum, erga nos, scil. nos certificare, Deum glorificare, proximum  aedificare, id quod illa vox ‘Extinguit’ indicat quasi nos non amplius  urat et mordeat.

 

 

Finis gratia cuius bonorum operum

1. Deum glorificare        Math. V

2. Proximum aedificare

3. Seipsum certificare 2. Pet. 1.

 

 

Summa Summarum,

 

Pueri et infantes confirmant suo catechismo solam fidem absque operibus  iustificare.

 

 

Primum

 

In Symbolo dicunt ‘Credo remissionem pec[Bl. 6]catorum’. At quod fide  creditur, dono accipitur ex promissione, Ergo non operibus paratur, Si quidem  promissio non ex operibus, sed ex gracia venit et semper ante legem data  est, ut probant omnia exempla post lapsum Adae. Et Gal. 3: Deus  Abrahae per promissionem donavit. Sicut ergo donum Dei, non est opus  aut meritum nostrum. Sic fides accipiens donum accipit id absque operibus  et meritis.

 

 

Secundum

 

In decalogo dicunt: Primum praeceptum est ‘Ego sum Dominus Deus  tuus, non erunt tibi Dii alieni, coram me’. At primum praeceptum est  promissio, quod velit esse Deus. Et fidem exigit ante omnia opera, quae  sequentibus praeceptis exiguntur. At fide secundum primum praeceptum

 

 

 

[Seite 664]

 

 habita filii Dei sumus, Remissis iam peccatis, ipsa fide iusti. Prohibetur  deinde, ne aliis Diis hanc fidem exhibeamus.

 

 

Tercium

 

In oratione dominica dicunt in principio ‘pater noster qui es in coelis’.  Ergo iam filii sunt et iusti antequam operentur quicquam. Fidei enim vox  est ante opera, cum dicunt: Pater noster. Deinde sequuntur opera, sanctificent  nomen eius, promoveant regnum eius, voluntatem eius faciant.

 

Sicut ergo primum praeceptum Primum est et solum ante omnia et sine  aliis, (Nec enim ab aliis habet, ut sit primum), Alia pocius post ipsum,  Ita fides est prior et sine operibus efficit quae fidei sunt, Id est, iustificat,  placat, glorificat Deum, pacat, quietat, letificat conscienciam, liberatam a peccatis,  et tandem operatur, docet et patitur.

 

Si dixerint, et nos concedimus fidem ante opera esse priorem, Quid  novi affers,

 

 

Respondetur:

 

Cur ergo nos persequimini et occiditis? Deinde Iustificationem fidei soli  non tribuitis, sed operibus, Quia fidem sine operibus non sinitis iustificare,  Sed iustificationem fidei tribuitis propter opera. Ergo operibus magis quam  fidei, Quia fides, si operetur, tum iustificat. Ergo

 

Quanquam non hoc eciam faciatis, sed simpliciter operibus gloriam  tribuitis super fidem utpote in vendendis operibus et in sexterno B et C.

 

[Jak. 2, 26] Quid igitur Iacobus dicit: ‘fides sine operibus mortua est’?

 

 

Respondetur:

 

[Bl. 7a] Iacobus versatur in loco Morali1, non in Theologico, sicut fere totus  est moralis. Moraliter loquendo verum est fidem sine operibus esse mortuam  i. e. si non operetur fides, aut si fidem non sequantur opera foris. Hoc  enim modo fides non potest esse sine operibus, i. e. non potest non operari,  aut nulla est fides ibi.

 

Sed nos hic in loco Theologico sumus, ubi de iustificatione coram  Deo loquimur. Hic dicimus fidem solam pro iusticia reputari coram Deo,  sine operibus et meritis, Quia Deus merita nostra non curat, sed fidei donat  per promissiones suas.

 

Sicut promissio est ante et sine praeceptis seu lege, Et tamen promissio  implet et facit praecepta seu legem, Sed non econtra praecepta et lex non  implent, aut faciunt promissionem, Sic eciam fides et opera secernenda  sunt, quia fides est promissionum, non praeceptorum. Opera sunt praeceptorum

 

[ 21 utpote] utp [verschrieben für uts = utsupra?] 35/665, 1 Sic eciam — promissionum unterstrichen]

 

 

 

[Seite 665]

 

 et non promissionum, utraque tantum ab invicem distancia, quantum  coelum a terra. Ideo in ista causa non sunt miscenda, sicut in moralibus.

 

Nemo enim potest negare, cum aliud sit promissio, aliud lex, et alterum  sine altero esse, et efficere quod sui officii est. Cum ergo fides sit  promissionis, et opera sint legis, clarum est, fidem et opera esse distincta et  separatim alterum ab altero suum officium facere, fidem iustificare, opera  implere legem, Coniunguntur autem ambo, et sic reddunt hominem perfectum  intus et foris, coram Deo et hominibus.

 

 

Scriptura in duo partitur  Promissiones        fidem solam requirunt  haec  Leges        opera ex fide exigunt.

 

Quia lex sine promissione non potest esse nec intelligi, sed necessario  praesupponit eam, Alioqui quomodo scires, legis servatores bene et transgressores  male facere, Illos puniendos, hos honorandos esse? At promissio sine  lege est et esse potest.

 

[Bl. 23a] Ostendant unum exemplum in tota scriptura, ubi aliquis sit conversus  ad Deum per opera aut per fidem cum operibus. In Actis Apostolorum  omnia exempla docent gentes et Iudeos per verbum sola fide, sine lege,  sine operibus conversos esse et graciam spiritus accepisse.1

 

Et quomodo nos conversi sumus? Quomodo adhuc convertuntur pueri  et omnes, qui Baptisantur? Nonne sic dicitur eis: credis? Credo, inquit,  et nihil de operibus queritur.

 

Quanti se occiderunt, insani facti sunt etc., qui operibus studuerunt  iustificari.

 

[26, 27] Stulti sumus sicut anseres qui volant/currunt si vultur/lupus adest.

 

1. Hominibus credimus sine operibus, fidentes eorum bonitate, eciamsi  ipsi simus mali.

 

Deo autem operamur, imo diabolo, eciamsi ipse sit pessimus et implacabilis.  Et Deus summe bonus et clemens.

 

 

Et breviter

 

In illis ‘date, et omnia munda’, Et ‘Redime peccata’, ‘Eleemosina extinguit peccatum’  Et similibus manifesta est promissio remissionis peccatorum, scilicet  Mundiciam peccatorum posse haberi et  Redemptionem peccatorum posse haberi et  Extinctionem peccatorum posse haberi et

 

[ 9/31 aus derselben Hs. Bl. 22b 23a]

 

 

 

[Seite 666]

 

obtineri. At haec promissio non operibus, sed fide obtinetur ante omnia  [Röm. 10, 10] opera. At fide ante opera cor iustificatur Ro: X. Et sic in omnibus  talibus dictis fides praesupponitur sine operibus in corde et ante opera.

 

 

At dices:

 

Sed propter opus fidei tribuitur ista mundicia et redemptio, Quia dicit:  Si hoc [Bl. 8] feceris, fiet hoc etc., Respondetur:  Hoc est impossibile, Quia fides necessario prior est opere, Et non fides ex  opere fit, Sed opus ex fide. Alioqui fides non iustificaret, nisi propter opus.  Ergo opus magis quam fides iustificaret. Et tunc promissio non esset promissio.  Et gracia non esset gracia. Sed opus esset plus quam fides et promissio  graciae. Et fieret Deus vere negociator, qui graciam et peccatorum remissionem  pro operibus venderet et non donaret gratuita promissione.

 

 

‘Ecce Agnus Dei, Ecce qui tollit peccata mundi.’

 

Quid ‘Agnus Dei’? non Monachus operator aut  Missator; Quid ‘tollere’? Non est iudicare, damnare,  exigere; Quid ‘peccata’? non est merita concedere,  sed reos iudicare! Quid ‘mundi’? Non et ego  et omnes hoc sumus? Certe non sum baptisatus  in nomine meo, nec credo in opera mea, sed nec  tollo peccata mea. Baptisatus sum in nomine  Christi. Credo in Christum. Tollit peccata mea  Christus. Cur ergo docent quod Monachatus, opera  nostra, Missae tollant peccata?

 

Nonne hoc est sacrilegum et abominabile,  Agni officium rapere? Idem ac si dicant: Ego  pro me ipso crucifigor, opera mea pro me  crucifixa sunt Ego et opera mea tollamus peccata  mea.

 

Cum lacius insani blasphemant Christianis,  quibus tollit agnus peccata, ipsi tollunt eadem per  sua vendita opera. Unde alioqui essent tot monasteria,  templa, altaria, Missae, nisi per haec  quaererent tollere peccata mundi? O horrendas  abominationes! Inter eos quotidie tocies legi et  cantari Agnus Dei, et tamen summo furore excaecatos, non solum non  intelligere, sed omnibus portentis abominationum idem vastare.

 

Io. 3. ‘Ecce agnus  Dei, Ecce qui tollit  peccata mundi.’ Nota:  Non sum baptisatus in  nomine meo nec in opera  mea nec in ullius nomen  nisi Christi. Cur ergo  fido in opera mea et  aliorum hominum, Monachorum  etc. etnego ita  Christum, nomen eius,  baptisma eius dicens  ‘ego sum Christus’ et  curro cum furibus illius  gloriae et officii Agni dei?  Sic ego non sum pro me  ipso crucifixus, Nec  Monachi nec sancti pro  me crucifixi. Quin ergo  deserto Christo pro me  crucifixo illis magis fido  quam huic? O idololatria  inaudita non apud Turcas  aut ullas nationes  repertat similis.1

 

 

 

[Seite 667]

 

[Eph. 6, 2 f.] 1. ‘Honora patrem et matrem, ut sis longevus’ etc.

[Luk. 11, 41] 2. ‘Date eleemosinam et ecce omnia munda vobis’ i. e. in terra.

[Jak. 2, 24] 3. ‘Si Abraham ex operibus iustus est, habet gloriam.’

[2. Kor. 1, 12] 4. ‘Gloria nostra haec: conscienciae nostrae testimonium quod’ etc.

[1. Kor. 9, 15] 5. ‘Mori malim quam ut quis meam gloriam evacuet.’

[Röm. 10, 5] 6. ‘Iusticia legis dicit: Homo, qui facit ea, vivet’ etc.

[Luk. 6, 38] 7. ‘Date et dabitur vobis.’ ‘Eadem mensura.’

[Matth. 6, 4] 8. ‘Date Elemosinam’ et ‘Pater reddet in manifesto’, i. e. in terra.

[Röm. 13, 3] 9. ‘Fac bonum et habebis laudem ex illo’ i. e. in hoc seculo.

 

[Bl. 9] Haec similiaque testimonia loquuntur de iusticia operum, quam  Deus exigit et hic vult servari ac remunerat temporaliter impiis, At aeternaliter  piis. Neglectam punit. Ideo habet promissiones adiunctas. Sed per hoc  nemo apud Deum iustificatur. Si enim parentibus obedio, vivam diucius.  Sed non ideo iustus sum coram Deo. Si non obediam, occidor. Si Magistratui  pareo, habeo Dei dono laudem et gloriam et defensionem et pacem ex ipso  gladio. Si non, tunc occidor, Ita, si fecero bonum proximo, reddetur. Haec  iusticia est prior et lacior Iusticia fidei, Quia ‘reddite Caesari quae Cesaris  sunt’, Deinde ‘Deo quae Dei’. Licet itaque gloria est in operibus coram mundo,  sed non coram Deo, Quia mundus non potest accusare et damnare.

 

 

Sic et illa

[Luk. 14, 14] 1. ‘Retribuetur in resurrectione iustorum.’

[2. Kor. 1, 14] 2. ‘In gloriam meam (ait Paulus) in die illa.’

[2. Tim. 4, 8] 3. ‘Reddet mihi coronam iusticiae.’

[Luk. 16, 9] 4. ‘Recipiant vos in aeterna tabernacula.’

[Matth. 25, 35] 5. ‘Esurivi et dedistis mihi manducare’

 

 

Et similia

 

Non dicuntur de Iustificatione, quod per ea opera iustificemur, sed  sunt promissiones operum, quae iam iusti faciunt hic, et non accipiunt  promissiones mercedis, ideo in futuro accipient.

 

Quia omnibus operibus additur promissio, non ut propter eam faciamus  opera, Sed ut sciamus, quid sequatur, et ut sciamus esse grata Deo et tunc  sub umbra promissionum et sub ala graciae sunt placita et meritoria Non  autem ex seipsis facta, Sicut minae adduntur omnibus malis, non quod ideo  faciant aut obmittant mala, sed ut sciamus, quid sequatur.

 

Si enim in hac vita praemiantur, quanto magis in futuro? Sed  ipsa iustificatio, vita aeterna et gracia ipsis non paratur. Haec gratis  donantur.

 

Sed sicut opus exclusa fide, sola lege cogente nihil valet, Ita opus sola  retributione movente (exclusa gloria Dei et utilitate proximi i. e. charitate  Dei et hominum) nihil valet, quia purum querit suum. Talia autem docuerunt

 

 

 

[Seite 668]

 

 hactenus, Nam dicebant: Du must from sein, den Himel verdienen, scil.  operibus mercenariis, ex lege et retributione.

 

[Bl. 10] Signum huius est, quod nunc, cum audiunt pro gloria Dei,  pro commodo proximi operandum, nemo quicquam facit, eciamsi audiant  promissiones adiunctas de retributione futura. Ante vero, cum audirent  opera legis et retributionem tantum, impleverunt orbem religiosis.

 

 

[Matth. 19, 29] ‘Centuplum accipiet in hoc seculo et in futuro.’ 1.

 

Eciamsi ipse non vixerit et hoc centuplum accipiet, tamen post mortem  eius, nomine ipsius ista contingunt, ut Abrahae data est terra Canaam in  possessionem. Sed post mortem eius. Sic

 

Et alia opera remunerabuntur, ut sedeant super XII thronos etc., ut  non solum sint salvi, ex fide (quae sola iustificat et salvat), sed eciam  secundum suum quisque laborem illic regnet in ipsa vita et salute, singulari  quodam dono, sicut hic in Ecclesia ultra fidem communem quilibet singulari  suo dono aliis praestat, ita et resurrectio mortuorum.

 

Igitur aliud est ex fide pro gloria Dei et salute fratris operari et  retributionem expectare, Aliud ex lege operari et solum retributionem spectare.  Hoc caro amplectitur, Illud spiritus. 2. Deinde aliud est, opus ex se ipso  ponderare, et a graciae favore, seu promissionis umbra. Ex se ipso semper  [Ps. 143, 2] est malum, Ps. 142. ‘Non intres cum servo tuo in iudicium.’ ‘Servi inutiles’,  [Luk. 17, 10] sed gracia obumbrante acceptum est, propter promissiones, quibus credendo  fiunt. Ac sic non docuerunt.

 

3. Aliud est iustificari, seu himel verdienen, fromb sein operibus, aliud  retribui. Illud solius fidei, hoc fidei operanti, seu operibus in fide, i. e.  sub gracia et promissione, ignoscente et favente, factis.

 

 

[Luk. 11, 41] ‘Ecce omnia munda vobis.’  Vobis,

 

Quid si hoc intelligas ita, Quia Christus Pharisaeos de avaricia et gula  accusarat, ut qui sibi tantum servirent, et pauperum obliviscebantur, aut ficte  [Matth. 6, 2] eleemosynas faciebant, Math. 6. Ideo vocet eorum opes nomine rapinae,  quantumvis iuste acquisitae ex oblationibus etc. Quare velit hoc significare:  Si darent eleemosynas et communicarent egenis, tuto et bona consciencia  suis rebus [Bl. 11] fruerentur, hoc est, omnia essent eis tunc munda.  Sicut si Episcopi modo de Ecclesiae bonis communicarent egenis, et  succurrerent indigentibus, diceretur eis recte, quod licite postularent eas opes,  et essent eis mundae, ut bona consciencia fruerentur eisdem. Sed quia suae  gulae et pompae illa omnia avarissime querunt et subiciunt, merito dicitur  esse rapinas et gulas et fraudes et iniurias.

 

Ex iis non sequeretur, quod Eleemosina nos a peccatis liberet aut  iustificet, sed tantum, ut minus peccarent deinceps utendo rebus. Alioqui si

 

[ 40 sed —utendo unterstrichen]

 

 

 

[Seite 669]

 

 ‘omnia’ munda fiunt Eleemosina, quare Christus moritur et quid opus fide?  Quid opus poenitencia? Demus Eleemosynam et erunt omnia peccata munda.  Verum Christus ‘Omnia’ non vocat peccata, sed res ipsas, quas dicit mundas  esse et licitas, si eleemosynas dent. Si non dent, esse fraudes et rapinas et  iniurias et immundicias, Hoc est, materiam denuo semper peccandi.

 

 

Vides Itaque

 

In scripturis varium esse respectum in operibus docendis. Laudantur pro  gloria Dei et bono proximi facta i. e. In charitate ergo utriusque. Damnantur  in seipsis et propter nos facta, quia quaerunt quae sua sunt, contra charitatem.

 

 

Alioquin

{prorsus damnantur, ut si volunt iustificare        nunquam

{laudantur tamquam meritoria, in hac vita        autem

{laudantur tamquam meritoria in futura vita        iustificant

 

Et omnia sunt vera, suo tamen modo et sensu, scil. salvo iustificationis  officio, quod soli fidei est relinquendum, Et opera esse signa et fructus fidei,  quae premiantur sive hic, sive in futuro, utsupra, sic tamen, ut ista premia  intelligantur etiam gratuito operibus promissa, et non operis dignitati, sed  [Luk. 17, 10] promittentis bonitati deberi hanc gloriam, ut stet textus: Servi inutiles sumus.

 

2. Deinde ut doceatur pius, non commodo suo, nec premii respectu  tantum opera facere, Sed amore Dei gratuito.

 

 

Aliud ergo est

{Operibus iustificari et salvum fieri generaliter

{Operibus praemia contingere specialiter.

 

Necesse eciam premia polliceri, Nam si solum opus exigeretur, esset, ac si  bestiae tantum cogerentur, [Bl. 12] nihil de futuris cogitantes. At hominem  ad futura erudiri oportet. Hoc non fit lege sed promissionibus. Alioqui  videretur homo esse mere mortalis.

 

 

Si urgeat:

 

[Matth. 25, 34] Christus dicit Math. XXV. ‘venite, benedicti’ ‘Esurivi’ etc. Hic manifeste  opera indicat digna vita aeterna,

 

 

Respondetur ut supra:

 

Fide ista opera fieri oportuit necessario. Alioqui nihil valerent, cum  impii talia multa faciant, etc. Sed fide iustificamur ante talia opera.

 

Sed esto: vincant et operibus eiusmodi in gracia factis coelum mereantur,  Ergo licet absque Christo (tanquam superfluo) operibus graciae Dei,  vitam mereri. Et tunc erit Christus frustra mortuus, aut erit exactio  quaedam supra opera, quae vitam per se (in gracia tamen) mereri possunt.

 

 

Ais:

 

[ 23 specialiter] spiritualiter Hs [verschrieben oder verlesen; der Gegensatz zu ‘generaliter’ verlangt ein ‘specialiter’.]]

 

 

 

[Seite 670]

 

Christus in hoc est necesarius, ut graciam meruerit, qua nos in  operibus usi mereamur vitam aeternam,

 

 

Respondetur:

 

Et tunc Christus minus fecit, nos maius. Imo si Christus remissionem  peccatorum meruit, simul vitam nobis meruit. Et est tua speculatio  inanis, de gracia, quasi sit aliud quam remissio peccatorum, vita et salus,  [Tit. 3, 5] ut unum Christo alterum nobis tribuas. ‘Non enim secundum opera iusticiae  quae fecimus nos, sed secundum misericordiam suam salvos nos fecit.’

 

Notandum quod operibus in gracia a iusto factis promittitur. At  haec ipsa promissio est donum gratuitum iustis donatum, Non operibus  partum. Ideo non opera tam merentur, quam ipsa promissio eiusmodi. At  illi neglecta hac promissione donata tantum opera extulerunt, illam nihil  laudando.

 

In summa de operibus aut iustificatione loquimur, quibus illi tribuunt  peccatorum remissionem, et pro iusticia contra peccatum ponunt, quod solius  in Christum fidei est.

 

De sequentibus operibus dicimus, primo quod illi recta et vera non  docent, scil. praecepta Dei, Sed sua electicia. Deinde: etsi premientur, tamen  amore premii et cupiditate fieri non debent. Sed amore Dei pro gloria eius  et expectare praemia sponte sequentia, Sicut

 

[Bl. 13] filius nascendo non merendo fit heres, sed operando bene  meretur a patre ultra hereditatem debitam sibi, honorari, coli, ornari, praeferri.  Nec per opera bona fit magis filius, licet fit melior. Male operando  [Ps. 68, 6] meretur virgam, ignominiam, iurgia salva tamen hereditate, ps. 68. ‘visitabo’,  Nisi prorsus indigna fecerit, ut exheredari mereatur. Sic nullis operibus  iustificamur, aut graciam obtinemus et meremur. Sed meremur alia multa  bona, sive hic, sive in futuro. Paulus plus omnibus laboravit, sed nihilo  plus habet de iustificatione et gracia, plus habebit gloriae et honoris ab  operibus suis. Sic nos semper non contra opera et praemia, sed contra  merita graciae et iustificationis pugnamus. In quo abusu regnat Papatus,  cum suis missis, vigiliis, operibus, ut peccata per haec tollat, eciam aliena,  non tantum sua.

                   Poenitencia

Timore poenae        Amore iusticiae, utrumque verum est. Sic dixi  poenitenciam non a timore poenae, sed amore iustitae incipiendam. Non  negavi timorem poenae, sed victoriam Sophistarum tunc regnantem, Quae  erat talis:

 

Primo ut homo recollectione peccatorum in amaritudine animae suae,  odium conciperet peccati, et contritionem sic pararet. Simul ex metu inferni  et irae Dei.

 

 

[ 10/11 Non — partum unterstrichen 15 remissionum H8]

 

 

 

[Seite 671]

 

Secundo ut tunc confiteretur et satisfaceret et tunc contritione et  confessione, et satisfactione fidens velut operibus suis peccato esset liber.

 

Tercio nihil de Christo propiciatore, sed omnia de Christo iudice et  Maria patrona cum omnibus sanctis et monachis et pfaffis, per missas intercedentibus,  dicebantur.

 

Ita fiebat necessario, ut solo poenae timore, odium pocius Dei et iusticiae  quam peccati ac desperationem pararent aut titillationem et amorem  praeteriti peccati in libidine, vindicatae cupiditate, quia natura sine gracia  non potest non desperare timore poenae, aut memoria peccati accendi cupiditate  maiore.

 

Quarto docebant nihil de absolutione, fide, promissione remissionis  peccatorum, quibus timor [Bl. 14] poenae mitigaretur, et amor Iusticiae  regnaret.

 

Quinto docebant, peccata crassiora colligi, omittentes maiora illa cordis.

 

Nos autem docemus legem i. e. noticiam peccatorum eciam magnorum,  ut blasphemiae, odii, contemptus, incredulitatis erga Deum, de quibus nihil  Sophistae sciunt. Testes sunt omnes boni viri Et totus mundus, quod ista  non docuerunt. His promissiones addimus, quibus concipitur spes et fiducia  et amor iusticiae habendae, non per opera et confessionem et collectionem,  sed per promissionem et graciam Dei puram. Hinc fluit tum verum peccati  odium suave ex amore istius promissae graciae et iusticiae, quae timorem  poenae frenet, ne desperet. Hinc vera stabilisque poenitencia fluit.

 

Monstra mihi unum locum de Iustificatione fidei. 1

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

 

[ 15 zu legem steht i. e.        poenitenciam r]

 

 

 

[Seite 672]

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

At in his oportuit abundare fidei doctrinam, Sed

 

 

Orationes s. Brigittae Orationes ad omnes Sanctos

 

Rosaria                                {vitae huius

 

Psalteria Orationes promissionibus {Opum

 

Cursus conceptionis crucis                                {fortunae

 

Orationes conceptionis Missae similiter pro eisdem

 

Orationes Haec tantum verbo recitata sine fide, tantum si essent prolata ore.

 

Coronae B. virginis

 

 

 

[Bl. 15] Patrum opiniones et errores pios seu sentencias et dicta articulos  fidei faciunt, ut occidant pro hereticis, qui eis non credunt, hoc non  fecerunt patres, Nec Deus mandavit ea pro articulis haberi. Unde ergo ista  tyrannis.

1. Divina praecepta negligunt {consciencias dure tenent

 

Haec sinunt aboleri impune {sua statuunt

 

Avari superbi pessimi ipsi {sua saeve puniunt

 

 sua vendunt care,

 

 

 

[2. Thess. 2, 4] I. e. ‘supraextollitur supra omnem Deum.’

2. Opera preceptorum secundum facti substanciam fieri, sed non sccundum  intentionem praecipientis, scil. docentes graciam non necessariam,  sed exactionem esse supra legem, quia Deus exigat in caritate seu  gracia fieri. Nihil de gracia et fide hic addiderunt.

3. Praecepta Dei posse impleri naturaliter absque gracia, scil. Deum  diligi super omnia fidere.

4. Consilia fecerunt ex praeceptis Evangelii, sine quibus potest homo  salvus fieri.

5. Rursus diligi dominum ex toto corde esse consilium.

6. Statum perfectionis finxerunt supra praecepta Dei

 

 fidem.

 

 

 

7. Infinitas caedes, bella et sanguinem super se habent, quibus nolim  particeps fieri.

 

Miracula meae doctrinae sunt experienciae, quas praefero mortuorum  resurrectioni, Scil. fui

 

[ 21 saeve] seue        zu 30/31 Quomodo fidem docerent, qui nec omnia praecepta docent, sed paucorum opera praeceptorum, satis esse dicunt r]

 

 

 

[Seite 673]

 

1. Baccalaureus.

2. Magister bonus.

3. Doctor perfectus in Sophistica Theologia.

4. Monachus plane sanctus horis canonicis studiosissimus et aliis.

5. Sacerdos Missator dilligentissimus et religiosissimus.

 

Tamen istis nominibus omnibus et operibus nihil didici de ullo vitae  genere, donec nomen Christi, et christianus factus denuo apprehenderem,  accepi ea, quae nunc habeo et scio. Ergo iste Christus aliquid magnum  est super omnia, nam ante eius nomen nihil. Nunc sub nomine eius omnia  habeo, et sine nomine (quocies hoc mihi oblivisci contingit) eius, omnia  rursus amitto et nihil manet nisi mors, peccatum, errores infiniti curarum.  Ita et post nomen eius fieret.

 

Haec experiencia cum sit ipsa vita cercior, non est mihi fallax signum,  sed vice multorum millium miraculorum, cum consenciat cum scriptura per  omnia. Habeo duos testes fidelissimos et invictos scil. scripturam et conscienciam,  quae est experiencia. Consciencia enim mille testes, scriptura  infiniti testes. Sic sermo noster eciam sequentibus confirmatur.

 

[18, 19, 20] Mundus non capit {fidem/Charitatem/Crucem} Vitam sapientiamque piorum,  quia crucem horret ceu malum, ignara, quod sub ipsa fides exercetur et dei  virtus ostenditur. Charitatem fugit, quia haec benefacit, propter deum sed  mundus propter praemium, gloriam, retributionem. Fidem ignorat esse  fidutiam nostram in gratiam dei sed ipse putat opinionem esse de deo  iustitiam exigente.

 

Sic obiecta harum virtutum non videt

deum}              {hunc hostem

proximum} quia putat {nullum esse nisi seipsum

Adversarium}              {hunc amicum.

 

Corrolarie1 sequitur: Non intelligi a mundo illud praeceptum ‘diliges  proximum tuum sicut te ipsum’. Necessario etiam: Odit deum et sua i. e.  verbum et sanctos eius, diligit se ipsum et sua in omnibus, quaerit diabolum  et sua i. e. pacem, gloriam, carnem, Ut in dictis factis omnium gentium,  sophorum, regum &c..

 

 

[ 18/34 aus Luthers Handpsalter]

 

 

 

[Seite 674]

 

Anhang.

Argumentum contra iusticiam operum.

 

Si opera merentur vitam aeternam, quid merentur sequencia opera  prioribus, qui iam meruerunt? An accidentalia praemia? At tum sunt non  tam bona quam priora et tamen similia vel aequalia. Ergo nec priora  merentur

 

 

[6, 7, 8] aut non erit idem spiritus/gracia/opus sequens.  Utrum putas gracius coram deo, filium dei an legem dei? Filio vult cedi  prae et ultra legem et propter filium ignoscit legem, imo tollit legem. Sed  propter legem non tollit filium nec ignoscit aut indulget aliquid fieri contra  ipsum nec promittit abrogari. Minui ergo debet lex, ut exaltetur filius, et  opera cedere debent fidei, quantum mare a stellis coeli.

 

 

I. Cor. XIII.

 

Fides miraculorum vera est, quia operatur, ut testatur textus eiusdem:  [1. Kor. 13, 2] ‘transfert montes’ ergo fructus fidei semper adest. Cum enim sit donum dei  magnum, non potest ‘nihil’ vocari opera talia faciens, sicut et Christus dicit:  [Mark. 9, 39] ‘Nemo enim facit in nomine meo virtutem et statim de me male loquitur.’  Sed sic interpretatur Paulus, cum dicit: ‘Nihil sum sine caritate’, Quod nisi  praestas caritatem, eciam a fide cadis et fit fides quoque nihil, versa scil. in  temeritatem et praesumptionem, quae contemnit verbum et fratres, sicut  modo fit, cum multi primo Euangelion ferventer amplexi sint, non perseverarunt  et tamen in contemptu verbi perditi praesumptionem retinent  fidei nullam Caritatem praestantes. Sic Paulus suos Corinthios invenit  contemptores et sine charitate, qui tamen in principio fervidi [Bl. 236b]  fuerunt, At nunc retenta praesumptione fidei perdite volunt esse christiani,  licet scandalis scateant et multis viciis contra caritatem, ut dicit, gloriantur  [1. Kor. 4, 8] in sapientia sua, saturi, divites sunt, ‘sine nobis regnatis’. Ergo secundum  materiam subiectam est interpretandus. Versatur enim in eo argumento, ut  pseudofideles arguat, qui bene ceperunt et fidem suam iactant, cum amplius  [Matth. 7, 22] nulla sit. Sic et illi Mat. 7. ‘Nonne in nomine tuo’. Vera sunt quae  fecerunt, Sed non perseverarunt versa in praesumptionem fide. Sic Balaam  vera fide et spiritu foris opere benedixit et confessus dominum Jsrael sed  relapsus praesumptionem retinuit. Sic Muntzer semel fide mutabilis postea  temerarius factus. Sic omnes, qui credunt, incipiunt praesumere sibi licere

 

[ 1/13 aus Dietrichs Colloquia Bl. 33 –34 14/675, 37 aus Dietrichs Colloquia Bl. 236 –237.]

 

 

 

[Seite 675]

 

 quae libet. Sic Anania et Saphira, Sic Saul primo mirabilis postea praesumptuosus  licere sibi voluit. [Bl. 237a] Sic Actor. 15. de lege Mosi  imponenda.

 

Hoc est quod dicit:

 

 

            non irritatur  Caritas omnia credit              omnia sustinet.  1        Ut illi qui crediderunt,  3        Illi nihil volunt sustinere         Vincuntur malicia hominum.

 

[1. Kor. 10, 12] Ideo dicit: ‘qui stat, videat, ne cadat’.

Et fidem non fictam poscit, significans e vera fictam fieri solere, ut  [Gal. 6, 3] ‘Ideo qui se putat aliquid esse, cum’

 

 

Quare

 

si Paulum consideres, seipsum exponit fatendo opera fieri in fide, significando  eam nihil fieri neglecta caritate,

Et victa natura tentationibus infirmorum, malorum.

Iam illud: ‘si tradidero corpus’, ‘si distribuero’. Hic non addit ‘fidem’  significans illa posse praesumptione fidei fieri, ut pharisei et multi Iudeorum  et monachorum, Sed non in caritate.

[Bl. 237b] Jtem fiunt talia odio malorum, Impaciencia, Superbia et  multis aliis.

Sic igitur textus non pugnat contra id, quod fides sola iustificat, nec  probat, quod fides absque opere sit, Imo quod operetur, et caritas assit, sed  quod non durat, verum tepescit aut vincitur malo.

 

 

λλο

 

 

 1 praesumptione fidei

 

Nihil pestilencius

 

 2 praesumptione noticiae Euangelii.

 

 

 

Utrique stertunt securi: 1 illi de facto sibi salvi, 2 Isti in hora mortis  usuri hac noticia sibi videntur.

Qui credunt vere, non credunt se credere,

Sed tentantur et assidue laborant in fide alenda.

Sic Iudaei praecepta nosse se putant, ideo non discunt nec curant  ea, Sicut spectatores artificum omnia sciunt et multa garriunt et corri [Bl. 238a]  gunt in illis, Sic auditores omnia praeceptoris sciunt dicentes: also wil ichs  auch machen, das kan ich auch.

 

[ 32 Qui —non credunt unterstrichen]

 

 

 

[Seite 676]

 

 Omnis lex aut praeceptum necessario habet annexam

 

 

promissionem              Vitam  ergo  comminationem              Mortem.

 

[5, 6, 7,] [Röm. 7, 12] Quia omnis lex est Bona/Sancta/Ro. 7./Iusta,

precipiens bona prohibens mala,

praemians bonos puniens malos,

Defendens bonos Arcens malos.  [Röm. 13, 3 f.] Sic Ro. 13: ‘Habebis laudem ex ea’ et ‘time potestatem, gladium enim  [1. Petri 2, 14] portat’, 1. Pet. 3: ‘Ad vindictam malorum, laudem vero bonorum.’

 

Hoc eciam leges civiles dicunt,

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

Quanto magis in lege Dei est promissio et comminatio exigens fidem  cordis veram, Eciamsi Cesaris lex exigit fidem sive veram sive fictam. Nam  qui non timent aut credunt Caesarem puniturum de-[Bl. 235b]fensurum, non  servant eius legem, ut videmus, Sed qui credunt et timent, sive hoc sit vere  sive ficte.

 

Iam ubi in scripturis est mera promissio absque lege, Ibi necessaria  [1. Mose 15, 5] sola fides est, ut Abraham 15. promittitur Semen sicut Stellae celi, de quo  [Röm. 4, 3] Ro. 4. Hic nullum opus ei praecipitur, Sed opus Dei in futurum, Quod  ipse Abraham non posset facere ullo modo. Sic modo nobis Christus promittitur  et offertur, Opus scilicet, quod nos non possumus facere, Sed solus  Deus facit. Ideo sola fide hic opus est nobis, opere enim non apprehenditur.  Sane post istam fidem nobis opera et leges, sicut Abrahae circumcisio  exigitur, ut probetur fides.

 

Et licet patres aliis operum Dei promissis sunt iustificati illis credendo  quam Christi, ut Abraham in semine futuro, Tamen eidem Deo crediderunt,  qui eundem Christum aliis et aliis modis obtulit eis, donec ipse exhiberetur.  Est enim idem Deus, qui Christum missurus erat. Cui credendum fuit,  quidquid diceret.

 

 

[ 1/34 aus Dietrichs Colloquia Bl. 235, dort als σχεδιάσματα bezeichnet]

 

 

 

[Seite 677]

 

De potestate leges ferendi in ecclesia. 1530.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 677]

 

Wenn Veit Dietrich den Titel Rhapsodia seu Concepta in librum Iustificationis (s. oben S. 647) fortsetzt mit: ‘aliis obiter additis’, so erklärt er selbst, daß er auf die Entwürfe de iustificatione andere folgen lasse. Dr. Berbig hat den Einschnitt nicht beachtet, der auf Bl. 17a des cod. Solgeri 38 erfolgt. Hier beginnt eine andere Abhandlung, die freilich auf Bl. 22b und 23a durch ein noch zu de iustificatione gehöriges Stück unterbrochen wird. Sie schließt offenbar1 auf Bl. 27a.

 

Der Anfang ‘Probari non invenio potestatem leges ferendi in Ecclesia’ gibt zwar recht den leitenden Gedanken des Aufsatzes an, brauchte aber noch nicht der Titel zu sein. Doch findet sich keine bessere Bezeichnung als de potestate leges ferendi in ecclesia. In Luthers Schriften und Briefen wird eine Schrift dieses Titels nicht erwähnt. Wir müssen ihr zunächst chronologisch und zeitgeschichtlich den Standort zuweisen.

 

Offenbar hat die Abhandlung die engste Berührung mit den ‘40 Artikeln wider die ganze Satansschule’ in der lateinischen Fassung (s. oben S. 420). Man könnte zunächst meinen, die 40 propositiones seien in Eile aus unserm Aussatz herausgezogen worden. Aber er ist doch in seiner Gedankenfolge anders angelegt. Zwar ist auch hier die falsche Kirche die Satansschule, aber die These, daß die Kirche nicht über dem Evangelium stehe, ist viel schärfer geprägt und begründet. Gleich der Anfang der Untersuchung: auch heilige Bischöfe haben kein ius dominandi et haec prima ratio est, ut causa efficiens legum esse non possint führt uns in eine im Sommer 1530 erörterte Frage hinein.

 

Die 40 propositiones waren am 22. Juli in Augsburg bekannt geworden. Schon vorher hatte Melanchthon, der auch nach Verlesung der Confessio über das Recht der Traditionen sich unsicher fühlte, an Luther geschrieben (Enders 8, 108). Dieser antwortet am 21. Juli ausführlich (Enders 8, 128). Er läßt Melanchthons 5 causas in ihrem Recht bestehen, hebt aber den springenden Punkt, den nodus, hervor. Es komme nicht so sehr auf die causa finalis als auf die causa efficiens

 

 

 

[Seite 678]

 

oder die Person an, der die Autorität zustände, Satzungen zu treffen. Von diesem Punkte geht nun die Abhandlung aus. Aber während in dem erwähnten Briefe der persona, der causa efficiens, immer kirchenpolitisch der Bischof als Bischof und zugleich als Landesherr untergelegt ist, geht die Abhandlung von der Ecclesia als der persona aus und bestreitet ihr das Recht, causa efficiens zu sein; hiermit greift Luther wieder mehr auf die 40 Artikel zurück. Er ist sich auch dessen bewußt und äußert gegen Spalatin am 27. Juli (Enders 8, 142): de traditionibus scripsi ad Philippum, deinde in ‘propositionibus’ die Erwartung, die Gegner würden zu ungeschicktem Widerspruch gereizt werden. Melanchthon hatte inzwischen die Frage verschoben (Utrum observationes electae a piis possint esse λατρεαι, Enders 8, 145, non de efficiente causa traditionum). Luther vertröstet ihn zunächst (Enders 8, 162), dann aber antwortet er am 3. August ausführlich (Enders 8, 165). Er bleibt dabei, daß man nicht über die finalis causa, sondern über die efficiens handle. In ecclesia deest causa legis efficiens, quia nullus habet ius; finalis causa legum debet esse vita aeterna, efficiens: dominus vitae aeternae usw. Und am 4. August wiederholt er: Adempta causa efficiente non potest resisti ullis abominationibus Antichristi. Nec ipsa accidentia ullus potest aliis imponere nisi iussus et ut causa efficiens a Deo vocatus (Enders 8, 168 –9).

 

Diese Gedanken werden nun in unserer Abhandlung weiter ausgeführt. So ist dieselbe als eine Arbeit Luthers anzusehen, die er für sich selbst, zunächst ohne die Absicht alsbaldiger Veröffentlichung, vornahm; er dachte wohl auch daran, sie Melanchthon nach Erfordernis mitzuteilen. Wir können in ihr kein Briefkonzept, geschweige ein ‘Bedenken’ erblicken. Letzteres wird auf Anforderung erstattet. Darum stellen wir diesen Aufsatz unter die Schriften.

 

Jm Briefwechsel mit Melanchthon werden die Fragen nicht mehr behandelt. Für Luther selbst brachten die Vorarbeiten zur Schrift ‘von den Schlüsseln’ eine verwandte Gedankenreihe. Hier mußte er den Gegnern ja auch die Macht bestreiten, ‘Gesetz und Gebot stellen über die Christenheit’. Über dieser Behandlung der Schlüsselgewalt trat die Arbeit an der generellen Frage de potestate leges ferendi zurück. Aber Luther behielt sie wohl doch noch im Auge. Es wäre nicht unmöglich, daß die Stelle in ‘von den Schlüsseln’ (oben S. 471): ‘machten aus dem Papst einen Gott auf Erden ... davon wir ein ander mal weiter sagen wollen und den Schreiern zu schreien geben’ auf die Absicht ginge, die Entwürfe über die potestas leges ferendi mit der Spitze gegen den Papst als Antichrist zu einer besonderen Streitschrift auszuarbeiten. Da in der ersten Reinschrift ‘von den Schlüsseln’, die Luther am 25. August Veit Dietrich schenkte, die angeführte Äußerung fehlt, so ist Luther wohl um diese Zeit mit den Entwürfen nicht mehr beschäftigt gewesen und kehrte auch später nicht zu ihnen zurück. Was also erhalten ist, gehört etwa in die Zeit vom 4. –25. August 1530.

 

Die Form der Abhandlung steht in der Mitte zwischen kurzen Thesen und geordneter ausführlicher Abhandlung mit lückenloser Beweisführung. Die Arbeit geschah zu verschiedenen Tagen; Luther greift die Frage immer wieder von einer andern Seite an. Darauf könnte das mehrfach aufstoßende λλο deuten. Freilich könnte es auch von Dietrich herrühren und die Abschrift eines neuen Zettels bedeuten; sachlich wäre es dasselbe.

 

 

 

[Seite 679]

 

Der Amanuensis hat diesmal alle Bruchstücke in einer Handschrift vereinigt, nicht wie bei de Iustificatione sie an verschiedenen Orten gebracht. Von anderer Hand scheint auch kein Zettel abgeschrieben zu sein. Eine Abhandlung Luthers über Joh. 20, 23 ‘Quorum remiseritis peccata’ wage ich noch nicht in diese Zeit zu setzen1, sie würde auch mehr zu de clavibus gehören.

 

Benutzt hat Luther diese Zettel nicht in dem Maße, wie er es mit de Iustificatione tat. Jmmerhin finden sich in ‘von den Schlüsseln’ starke Anklänge. Noch mehr in der Glosse über das vermeinte kaiserliche Edikt (1531) und in den Predigten der folgenden Monate.

 

Der Jnhalt der Entwürfe gliedert sich folgendermaßen2:

 

 

1. In der Kirche gibt es kein ‘herrschen’, nicht einmal für einen sanctus episcopus.

2. Häretiker sollen wir meiden, Jene sind die Häretiker. Nachweis.

3. Gott ist über allem Geschaffenen, die Kirche ist geschaffen, also: Deus mandat ecclesiae.

4. Euangelium testatur Ecclesiam (ähnlich wie Artikel 5 –6).

5. Die Behauptung des Gegenteils ergibt wahre monstra.

6. Die Kirche kann nicht gesehen werden, braucht also das Zeugnis der Schrift.

7. Der Papst ist der Antichrist (ähnlich Artikel 20).

8. Zeremonien als accidens können die substantia, d. h. das verbum schmücken oder nicht (ähnlich Art. 9. 10).

9. Beispiele zu Nr. 8.

10. Ob die Kirche Macht habe zu Satzungen sub peccato mortali. Antwort: a) die heilige Kirche ordnet nichts, was die Gewissen beschwere (Art. 12); b) das Papsttum ist nicht die Kirche.

11. Aber sie rühmen sich: sedemus in successione apostolorum. Als ob nicht auch Häretiker sich dessen rühmten.

12. Auch wenn der Knecht böse ist, ist er zu hören, wenn er des Herrn Befehl bringt.

13. Wir behaupten: sie sind nicht Kirche, sondern Satansschule, die falsch lehrt und verfolgt.

14. Sie sondern sich vom christlichen Haufen als die besseren und heiligeren.

15. Und verführen das Volk, das doch auch Taufe und Glauben hat.

16. Sie wollen die perfecti sein und verachten die gemeinen Stände.

17. Sie erdichten ihre ‘consilia’ und verachten die praecepta und töten die heiligen Kinder Gottes.

18. [Wiederaufnahme der Gedankenreihe nr. 3 –4] Aber die Kirche hat doch die echten Evangelia approbiert, die unechten verworfen. Also hat sie auch Macht,

 

 

 

[Seite 680]

 

Glaubensartikel zu setzen. Antwort: diese hätte sie, wenn die Voraussetzung richtig wäre. Aber approbare ist mit autoritatem dare verwechselt.

19. Die Kirche approbat Euangelion wie ein Knecht das Siegel seines Herrn (Art. 7).

20. Wer kann dann sicher sein, wo das Evangelium ist? Antwort: Credens fit certus.

21. Augustins Spruch ‘Euangelio non crederem &c..’ leugnen, heißt nicht, Augustin verwerfen.

22. Augustins Spruch, im Kampf gegen die Manichäer entstanden, lautet anders. Die Motive zum Glauben, daß die Kirche Autorität habe, aber: non est supra Euangelium.

23. Man könnte sonst auch sagen: Est supra fidem, est supra Christum, supra Deum.

24. So erhebt sich die Kirche des Antichrists über alles.

 

 

 

[Seite 681]

 

De potestate leges ferendi in ecclesia. 1530.

 

1530

 

 

 

[Seite 681]

 

[Bl. 17] Probari non invenio potestatem leges ferendi in Ecclesia  sed improbari.

[Matth. 20, 26] 1. ‘Vos non sic, sed sit servus.’ At illi volunt  et querunt maiores esse, dominari, imperare  non servire. Quid est servus? servire?

[2. Kor. 1, 24] 2. ‘Non dominamur fidei vestrae.’ ‘Omnia autem  [1. Kor. 3, 22] vestra.’

[1. Petri 5, 3.2] 3. ‘Non dominantes in clero.’ ‘Pascite.’

[Matth. 15, 9] 4. ‘Frustra colunt me.’

[1. Kor. 7, 23] 5. ‘Nolite fieri servi hominum.’

Ex iis apparet, quod ne sanctus Episcopus ius habeat dominandi.

Et haec prima ratio est, ut causa efficiens legum esse non possint.

[Tit. 3, 10] Secunda est, quod hereticum vitare debemus nec admittere. At illi  sunt haeretici, volunt in destructionem dominari. Ipsi sunt manifeste Dei  inimici facientes nec poenitentes, quae contra Deum esse sciunt,

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

Poeniteant de iis et similibus et videbimus tum de prima ratione, Si  non poenitent, patet fucus et malicia.

 

 

λλο.  Deus est super eecclesiam ut creator.  Ecclesia est sub Deo ut creatura.

 

 

An Ecclesia verbum a Deo habet, an Deus ab Ecclesia

 

  Non

 

An Deus mandet ecclesiae, an Ecclesia mandet Deo

 

 

 

[Seite 682]

 

Ergo verbum est verbum Dei originaliter et autoritative, non Ecclesiae  nisi passive et ministerialiter. Ergo Ecclesia est sub verbo et mandato Dei  et non supra.

 

 

Si quis dicat:

 

Sicut tu probas, quod Euangelion testatur Ecclesiam et sine Euangelio  non sit Ecclesia nec quae esset sciretur, Ita contra reduco hunc circulum:  Ecclesia testatur Euangelion et nisi in ecclesia nemo sciret, quid sit Euangelion,  Imo sine Ecclesia non esset,

 

 

Respondetur:

 

Quamvis Euangelion sine ecclesia esse potest, (quia Balaam et impii  habent Euangelion tanquam in libro scriptum, sine fructu), sed econtra  Ecclesia sine Euangelio esse non potest. Ergo Euangelion est ecclesia  superius, quia hoc sine ipsa, ipsa non sine illo, quia [Bl. 18] potest Euangelion  vel in Angelis, Imo in Deo abscondi, sicut fuit ante Ecclesiam — Tamen si  credimus Deum esse, et non sumus Epicuri, simul cogimur credere superiorem1  Syllogismum, quod Ecclesia a Deo, verbum a Deo, non Ecclesia a seipsa,  nec verbum ab ipsa, et verbum esse Dei, non ecclesiae, et mandari a Deo  Ecclesiae, non econtra. Istis stantibus cogimur dicere, Ecclesiam esse sub  verbo et non supra.

 

 

Deinde vide monstra:

 

Si Ecclesia est supra verbum, et potest verbum mutare, potest omnia  [Gal. 3, 25] mutare, et superordinare. Contra Paul. Gal. III. Quia non est ratio, quare  unum et non omnia, ergo potest tollere Christum, et ipsum Deum, et verbum  de Christo et Deo. Simul potest tollere se ipsam Ecclesiam, manente ipsa  ecclesia, i. e. verbum de Ecclesia, ut ipsa tamen sit.

 

quilibet pars Ecclesiae potest idem sibi ipsi praestare, scil. iustus  potest articulos sibi ipsi mutare et novos formare, et sic credere, quicquid  libet, quia est corpus Homogeneum constans ex partibus simillimis, per omnia,  idem habencia, vides hic impurum Antichristum.

 

 

Deinde:

 

Sensus carnis ut oculi et racio consenciunt et testantur ea, quae scriptura  testatur, scil. nos creari, solem lucere, crescere, parentes habere honori, Deum  [Röm. 1, 20] esse, Ro: 1. Ergo scripturae est credendum, tamquam habens testem duplicem,  scil. res ipsas, de quibus loquitur, Et homines, qui ita vident in rebus esse,  sicut scriptura loquitur, ut sit verax scriptura, Sed sensus nullam Ecclesiam  videt. Ergo non debet Ecclesia supra scripturas poni.

 

Papam esse verum illum et ultimum Antichristum evidens est vel  hac voce unica, qua clamat, Scripturas et verbum Dei a sese robur et  autoritatem accipere. Hinc Ecclesiam Dei i. e. seipsum esse supra scripturas

 

 

 

[Seite 683]

 

 usitata sentencia blasphemat. Hoc est manifeste aliud nihil quam supra  Deum et non sub Deo esse velle. Quae si vera essent, posset Papa permittere  omnia contra Decalogum: Adulterari, furari, occidere, blasphemare, mentiri,  Deum negare. Si hoc non potest, ergo non est supra verbum Dei sed  infra necessario.

 

 

λλο.

 

 

Deus

 

fidei verbum Extra, prae natura, ubi accidens et substantia idem.1

 

Opus Substantiae

 

Ceremoniae Accidencia quae adesse et abesse possunt,

 

i. e. mutabiles.

 

 

 

 

[Bl. 19] Ceremoniae legitimae

 

Apprehendunt opus in sacris literis praeceptum, et hoc vestiunt et  ornant ceremoniis, ceu accidencia substanciam, sicut aureus annulus gemmas.

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

 

Exempli gracia

 

[Tabelle: ] [Tabelle: ]

 

[ 7 zu p̃nat steht p̄n̄c̄īā puto r [das heißt: Dietrich versteht die Buchstaben als Kürzung von praesencia]        ob praeternaturalis gemeint war?]

 

 

 

[Seite 684]

 

Illegitimae

 

Apprehendunt opus electicium, sicut aureus annulus falsam gemmam, ut

 

 

Peregrinatio ad loca sanctorum

Invocatio sanctorum

Purgatorium et vota Monachorum

Missa privata et quaecunque studia.

 

An Ecclesia Dei sancta possit statuere aliquid observandum sub  peccato mortali.

 

 

Respondetur primo:

 

Primo, quicquid Ecclesia Dei dicit, facit, statuit, ordinat, divinum et  sanctum est, summo honore observandum et suscipiendum.

 

Sed Ecclesia nihil statuit contra fidem et opera bona, hoc est contra  legem et Euangelion. Quod sic intellige: Ecclesia nihil statuit, quod  conscienciam coram Deo liget aut iustificet, sed conscienciam liberam relinquit,  in sola gracia iustificandam, et sola fide servandam. Foris tamen constituit  pro pace et concordia inter homines, ceu aliae civiles aut oeconomicae leges.  Talia sunt summo honore amplectenda, quia non nocent fidei et prosunt paci.  Nec tamen talia statuit in his, ut sint contra praecepta Dei.

 

 

[Bl. 20] Respondetur secundo

 

Negatur, quod papatus sit Ecclesia Dei. Si dixerint, habent Baptisma,  Euangelion, Sacramenta, Respondetur: habent et haeretici. In summa, quicquid  se habere dixerint, dicetur et haereticos habere eadem. Sed (inquiunt)  non senciunt nobiscum in hoc et hoc decreto. Respondetur: Hoc non  probat esse vos Ecclesiam sed praesupponitis vos esse Ecclesiam, Ipsi  negant esse ecclesiae decretum.

 

‘At in successione Apostolorum et sede eorum sedemus’. Sic multi  haeretici in successione et sede Apostolorum sederunt, tamen non sunt  Ecclesia. Sicut et in sede Romana sederunt multi impii Pontifices ut Iulius.

 

Igitur quicquid ostenderint se habere et posse, idem ostendetur haereticos  et impios habere et posse. Non ideo tamen sunt Ecclesia.

 

 

Quin hoc demus eis:

 

Sint ipsi scelerati, sodomitae, scortatores, adulteri, et (ut sunt) impurissimi  nebulones, non ob hoc negamus eos et eorum decreta. Quid enim  ad nos nebulonum turpissima vita? Scimus servum boni heri posse nequam  esse, tamen si heri verbum afferat, esse propter herum cum honore suscipiendum.  Sed hoc ostendant: se impios et malos saltem esse servos Ecclesiae  Dei, et suscipiemus eos. Hoc eis non concederent alii haeretici.

 

 

[zu 22/24 steht Incertum perincertum r]

 

 

 

[Seite 685]

 

O infelicem ecclesiam habentem tales doctores, qui nesciant probare  se esse Ecclesiam Dei. Nam ut ut sit vita, quae satis probat non esse  Ecclesiam, decreta condere, excommunicare possunt aliae quoque prophanae  congregationes. Inaeternum vero non ostendent se esse Ecclesiam. Quid  igitur fecerunt damnando, occidendo, persequendo alios, quod Ecclesiam  audire noluerint? Cum nunc ipsi non sciant, quae et ubi sit ecclesia. Et  sic occiderunt, nesciendo quare.

 

 

Dicimus autem nos  Ipsos esse Synagogam Sathanae, non Ecclesiam.  Hoc probamus

Primum quod contra fidem et opera bona docent,

Secundo quod propter sua mendacia damnant fidem et opera bona,

Tercio quod occidunt et persequuntur propter sua mendacia innocentes.

 

 

Et hoc sic

 

Primo, Manifestum est toti mundo, quod ipsi sese a vulgo Christianorum  et cum vita eorum separant tanquam meliores, sublimiores, [Bl. 21] sanctiores.  Sic enim iactant, clamant, scribunt, docent, se esse in statu perfectionis, implere  consilia ultra praecepta Dei (taceo vitam, de doctrina loquor). Denique  spirituales, sanctos ordines et omnino in Ecclesia salvatores se populi venditant,  vulgus vero esse mundanum, in vita mundi imperfectum, in praeceptis  agens, prorsus egere ipsorum meritis et operibus ad Salutem. Hinc illa  examina monasteriorum, collegiorum Ecclesiarum, Altarium et omnium fundationum,  quibus principes voluerunt ab eis emere participationem meritorum  pro vivis et mortuis, ut salvi fierent. Est ne quisquam, qui ista possit  negare?

 

Iam vide mihi, vulgus Christianorum est Baptisatum in Christum, credit  in eundem, hoc est, habet graciam, iusticiam, salutem aeternam super omnia  opera hominnm et angelorum, suntque filii Dei, heredes regni, fratres Christi,  ipso baptismate, verbo et fide per sanguinem Christi et mortem, sic magnificati.  Et has opes omnes ineffabiles pompa illa spiritualium hominum et promissis  mendacibus decepti deserunt et contemnunt. Ac illorum merita  pro istis, hoc est stercus pro aeterna iusticia, admirantur, emunt, querunt.  An non hic spirituales illi suis meritis primo conculcant et perdunt totam  gloriam et graciam Christi? Deinde se super Christum et Deum exaltant  non permittentes vulgum in fide Christi manere et salvari, sed quasi melius  quiddam (scil. sua opera i. e. diaboli stercus) loco istorum eis obtrudunt.  Heccine facit Ecclesia Christi, immo lena lenarum omnium diaboli hoc facit,  scil. Ecclesia papae!

 

Si autem docuissent ita: Ecce vulgus, tu habes Baptisma et Christum  i. e. plus quam coelum, quid nostra stercora queris, tum non obtinuissent  istas facultates mundi.

 

 

 

[Seite 686]

 

Dicent et:

 

Et nos credimus et Baptisati sumus.

 

 

Respondetur:

 

Sed non ut baptisatis et credentibus, verum ut perfectis in opere  supererogationis et consiliorum, supra communem fidem Christi, supra baptisma,  supra Dei iusticiam et graciam, quasi singulare aliquid melius habentibus,  est vobis obeditum, datum et factum, quae iam videmus.

 

Et hoc quoad fidem, contra et supra quam vos elevati tot tantasque  eidolatrias et fiducias vanas contra Deum erexistis!

 

Nunc quomodo contra opera docent.

 

Opera charitatis, opera mariti, uxoris, liberorum, servorum, Magistratuum  habent pro mundana et prophana ac perdita opera, [Bl. 22] praeferunt vero his  divinis operibus a Deo praeceptis sua electicia et arbitraria opera et vota,  quae Deus non praecepit nec consuluit. An non est hoc supra opera et  contra opera Dei docere? Nam sua opera sancta et viam salutis, haec vero  perdita docent. Et ab ipsis meliora petenda. O Abominatio, haecne docet  Ecclesia Christi?

 

Et taceo hoc insigne et sacrilegum mendacium, 1. quod consilia fingunt,  quae sunt praecepta mera, evacuantes per hoc praecepta Dei. 2. Et Ecclesiam  a fide in opera transferunt. 3. Deinde consilia supra praecepta extollunt, cum  nulla consilia queant incipere, unam sillabam praecepti implere. Sed sola  gracia hoc possit, nec tamen perficit in hac vita. Neque enim eciam virginitas  implet illud ‘non concupisces’, quanto minus illud: ‘Non habebis  Deos alienos’! O subversores fidei et operum, praeceptorum Evangelii  Christi et Dei, coeli et terrae, solo inferno digne castigandi!

 

Hinc vide, ob quam causam damnent et occidant, scil. quia horrenda  haec diaboli monstra nolumus admittere et laenam ac synagogam Satanae pro  Ecclesia Dei non adorare, ut sint non solum abominatio et sentina Diaboli,  sed eciam damnent pietatem summam cum ipso Deo. Et occidant sanctos  et innocentes filios Dei.

 

[Bl. 23b] Ecclesia approbavit Euangelion Mathaei, Marci, Lucae, Iohannis,  et non Thomae, Barptolomei etc. Ergo Ecclesia habet auctoritatem condendi  articulos fidei et leges sub peccato mortali obligantes.

 

Negatur consequencia. Probatur: Si Euangelia potest (quod maius  est) statuere, potest eciam alios articulos et leges (quod minus est) statuere.

 

 

Respondetur:

 

Hic vide insignem maliciam Sathanae et caecitatem Sophistarum, qua nulla  alia maior potest reperiri. ‘Approbare’ intelligunt pro eo quod est ‘condere’

 

 

[ 30/31 Zehn Zeilen leer, dann ist ein Abschnitt eingesprengt, der zu den Entwürfen de Iustificatione gehört, s. oben S. 665, 9.]

 

 

 

[Seite 687]

 

 vel saltem ‘dare auctoritatem Euangelio’. Ubi hic est dialectica, quae doceat  recte definire et dividere?

 

‘Approbare’ si accipitur pro verbo Iuris et officii iudicis1, ut Euangelion  Ecclesia velut iudice sit, sit Euangelion, alioqui non habendum pro Euangelio,  nihil potest dici magis sacrilegum. Nam Ecclesia obedit Euangelio, non  condit neque approbat, maioris more. Alioqui ubi erat Ecclesia Euangelion  condens et maioris more approbaret, cum Christus et Apostoli ipsum primo  praedicabant? Et non [Bl. 24] Euangelion per Ecclesiam, sed ecclesiam per  Euangelion condebant, statuebant et approbabant.

 

Euangelion enim maioris more2 Ecclesiam condit seu approbat. Ecclesia  vero approbat Euangelion more minoris, dum illud agnoscit, assentitur,  credit, confitetur et laudat, dicens, hoc est verum, illud est falsum Euangelion,  Exempli gracia:

 

Servus approbat sigillum et manum heri sui in literis, confitetur, asserit,  defendit, et falsum sigillum redarguit constanter. Nunquid ideo est super  herum suum aut ius habet iudicandi, mutandi, statuendi in literis heri?  Nunquid maioris et heri more illas tractabit? Quid insanius dici potest?  Et ancilla agnoscens et discernens tunicam et peplum herae suae ab aliis,  deinde approbans, asserens, nunquid ideo ius habet eam tunicam mutandi  et faciendi cum ea ut velit, tanquam domina super heram? Cur non permittit  Papa Episcopis et Episcopi officialibus sic approbare eorum sigilla, ut ea  liceat eis mutare?

 

Sic vocem Pastoris audiunt et probant oves, sed non faciunt, ut sit  vox pastoris, nec ei autoritatem sed testimonium et confessionem, quod sit  vera vox pastoris veri, Alienum autem non audiunt, sed fugiunt ab eo,  [Joh. 10, 5] Ioh. X.

 

Ita christi oves agnoscunt et probant vocem eius, sed non dant neque  statuunt ei vocem, confitentur autem eam et damnant alienos.

 

 

Quis tunc certus est, ubi sit Euangelion?

 

 

Respondetur:

 

Et quis certus est, an sit Euangelion, eciamsi cencies Ecclesia approbet  autoritative Euangelion? Non enim ideo creditur, quia Ecclesia approbat,  [Apg. 17, 11] Sed quia verbum Dei esse sentitur, ut Thessalonicenses fecerunt. Act. 17  [1. Thess. 1, 5] et 1. Thess. I.

 

Imo quis certus erit, an ulla sit Ecclesia in terra, nisi prius Euangelio  credatur de Ecclesia docenti? Non enim primo ab Ecclesia Euangelion, sed ab

 

[zu 1 vt tonat Papa3 c. cuncta per mundum r        zu 8 Isti intus primo approbant, agnoscunt, post foris confitentur r]

 

 

 

[Seite 688]

 

[1. Kor. 4, 15] Euangelio Ecclesiam primo habemus, ut Augustinus dicit et Paulus 1. Cor:  [Jak. 1, 21] ‘Per Euangelion vos genui’ et Iacobi 1: ‘verbo Euangelii genuit vos’. Certus  erit de Euangelio unusquisque in semetipso testimonium habens spiritus  [Apg. 2, 32] sancti, hoc esse Euangelion, ut illi Actu. 2. Postea proferendo ipsum credit,  qui credit, non credit, qui non credit. Credens fit certus, incredulus manet  incertus, Dominus autem congregat credentes in unum, ut fiat ecclesia.

 

[Bl. 25] Hic mihi nunc mendacia et mala revocent, quae ex isto loco  somniaverunt, utsupra. Quinam sint vere heretici et corruptores scripturae  Sanctae. Et invenietur, quod heretici pessimi exurunt sanctos Dei et  innocentes.

 

Quid ad locum illum Augustini: ‘Euangelio non crederem, nisi Ecclesiae  crederem’. 1

 

 

Respondetur:

 

Primo, Augustinum hoc loco nego in vestro sensu. Hic clamabitis: videte  hic, domini, istum haereticum, patres negat. Respondeo: clamorem audio  sed nesciebam Ecclesiam istam non nisi clamando posse defendi. Scripturis  expectabam ea fulciri. O felicem ecclesiam, quae indoctissimi Sophistae  vociferatione subsistit! Cur non et ranas et corvos invocatis, ut et ipsi  ecclesiam vestram tueantur, cum pertinacissime norint vociferari?

 

Deinde vide asinos et Bacchantes istos quam ignari sint suae dialecticae,  quam tam magno precio docent miseram iuventutem. Arguunt enim a particulari  ad universalem, A singulari ad indefinitam. Hoc modo: Lutherus  negat unum hunc locum Augustini, ergo negat Augustinum et omnes patres.  Ubi didicistis asini has regulas consequenciae? Ego non nego ullum patrem,  sed obedio Augustino, qui iubet sese negari, sicubi reperiatur non satis solide  [1. Thess. 5, 21] probare sua, Dist. IX. ‘Noli’.2 Et sequor Paulum: ‘omnia probate’, et Ioh:  [1. Joh. 4, 1] ‘Probate spiritus’ etc.

 

Atque cur Sophistae non eciam dicuntur patres negare, qui Magistrum  Sentenciarum in multis, deinde Augustinum de gracia in totum negant dicentes  cum excessive3 loqui? Scil. ubi vultis patres negatos clamare, ibi patres  negantur, ubi non vultis, ibi non negantur, das euch Gott ehre.

 

Revocent ergo et hoc mendacium suum, quo multos subvertunt et nos  maxime gravant invidia et discant Asini suam dialecticam.

 

 

Respondetur secundo

 

Concedendo Augustinum in sensu suo proprio scil. sic: Ego Euangelion on  crederem, Id est, nihil scirem de Euangelio, nisi Ecclesiae crederem. Sic enim

 

 

 

[Seite 689]

 

 sequitur: Euangelio enim credidi praedicantibus Catholicis. Hoc tantum est  dicere: Nisi Ecclesia euangelion predicaret, quis posset Euangelio credere?  Non enim nunc denuo alii Apostoli mittentur, qui praedicent. Sed post  Apostolos Ecclesiae praedicanti creditur. Arguit enim contra Manichaeos  respondens, quare eis [Bl. 26] non credat: quia, inquit, nihil in Euangelio de  vobis lego. Lego autem de Ecclesia in illo, et huic credo, non autem vobis. Ut  in simili possis dicere de sigillis et literis heri per servum assertis contra  falsas literas. Si falsarius queratur, cur sibi non eciam credas, Dices: tibi  non credo, quia in literis et sigillis, quas servus ostendit, nihil de te invenio.  At literae ac sigilla de servo testantur, non de te. Ideo predicanti et asserenti  servo credo, quia nec literis potuissem credere, nec crederem adhuc, nisi servo  crederem, per servum enim habeo literas, quibus credo. Ista est vera sentencia  Augustini, si textum, causas, circumstancias perspexeris, licet Augustinus  more suo eam obscurius paulo eloquatur. Sed illustrat tamen tandem hoc  aperta sentencia, qua mox subsecutus dicit, Euangelio enim non nisi Catholicis  praedicantibus credidi. Quid hoc est aliud, quam: Euangelio non crederem,  nisi Ecclesiae crederem, hoc est nisi Ecclesia praedicaret.

 

Tamen ipse non dicit: Nisi Ecclesiae crederem, sed sic: ‘nisi me commoveret  Ecclesiae autoritas’. Autoritate Ecclesiae movetur ad credendum  videns concorditer eadem ubique doceri. Sed hinc non sequitur Ecclesiam  esse supra Euangelion. Cum enim multa sint, quae ad credendum moveant,  unum est Ecclesiae autoritas, certe pulchrum et consolatorium ad firmandam  fidem, videre multos eadem fateri. Ideoque pocius ad confirmandam fidem  ceptam valet. Alioqui prius oportet intus verum et primum Motivum esse  ad fidem ipsum verbum, spiritu docente, post auditum externum.

 

Alterum Motivum est signa et miracula, quae et ipsa movent et confirmant  autoritate certo maxima, nec tamen condunt Euangelion. Imo ex  [Mark. 16, 20] Euangelio fiunt et post Euangelion veniunt, scil. ‘sequentibus signis’, ait  [Hebr. 2, 4] Marcus et ‘testante Deo signis’ ait Ebr: 2.

 

Tercium est sanguis et poenae martyrum, seu constancia confessorum,  quod vehementer movet. Nec tamen est super Euangelion nec ab eis fit,  sed Euangelion tales martyres facit. Et est ante eorum fidem etc.

 

Quartum est duratio et victoria Ecclesiae seu doctrinae contra tot  errores, violencias, nequicias incessabiles Diaboli, mundi, carnis. Nec tamen  ista victoria facit Euangelion, aut supra ipsum est, sed fit ex Euangelio  tanquam causa, nec auctori [Bl. 27] tatem ei dat, seu ius supra se.

 

Haec et similia videtur Augustinus in unum colligere, cum dicit:  se ad credendum non nisi Ecclesiae autoritate moveri. Sunt enim ista  motiva et autoritates omnes in Ecclesia et apud Ecclesiam. Et per haec

 

[ 14 zu eam steht vel causam r 15/17 Euangelio —praedicaret rot unterstr. 19/21 Autoritate —Euangelion rot unterstr.]

 

 

 

[Seite 690]

 

ipsa movet quidem ad fidem, sed ideo non est supra fidem, ut et Paulus  [2. Kor. 1, 24] ait: ‘Non dominamur fidei vestrae’ sed servimus pocius eidem propter  christum.

 

Et est hoc argumentum invictum: Ecclesia est supra Euangelion, ergo  est eciam supra fidem, quia si dat verbo autoritatem, ut sit rectum, dat simul  fidei, ut sit recta. Et tunc et potest mutare verbum et fidem, cum fides  sit infra verbum.

 

Amplius: si est supra fidem, est simul supra christum et Deum ipsum,  quia inter Deum et fidem nihil mediat et fides est donum Dei immediate, et  fide efficimur unus spiritus cum Deo.

 

[2. Thess. 2, 4] Vides hic, quid sit ‘extolli super omnia’ et super Christum et Deum,  nempe statuere Ecclesiam supra Euangelion.

 

 

 

[Seite 691]

 

Weitere Entwürfe Luthers. 1530.

 

[Einleitung]

 

[Seite 691]

 

Auffällig viele Entwürfe Luthers sind uns aus der Zeit des Aufenthalts auf der Koburg erhalten, sowohl zu den Schriften als zu den Predigten. Es erklärt sich das aus der Fülle von Fragen, die die Zeitläufte und namentlich die Briefe aus Augsburg bei ihm anregten; bei der Menge der ihn gleichzeitig beschäftigenden Schriften mußte er zunächst die Gedanken auf Zettel werfen, um sie später zu ordnen und auszuführen. Zum andern hatte er Veit Dietrich um sich, der die Gelegenheit benützte, alles ihm Erreichbare abzuschreiben. Selbst Beilagen zu Briefen des Reformators hat er noch eilig vor Abgang des Boten kopiert.1 Der oben S. 647 besprochene cod. Solgeri nr. 38 ist für einige weitere Entwürfe Luthers im folgenden noch auszubeuten.

 

1. Entwurf zu ‘Vermahnung zum Sakrament usw.’

[oben S. 589].

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 691]

Jm cod. Solgeri nr. 38 steht Bl. 79 eine πόθεσις τς παρακλήσεως π τν εχαρισταν. Dr. Berbig konnte dies letzte Wort nicht lesen und wurde darum nicht auf die rechte Spur geführt. Er sah auch nicht, daß mit Bl. 27b ein Abschnitt beginnt, der an jene πόθεσις sich genau anschließt. Wir haben es mit einer πόθεσις (d. h. einem Thema und seiner ersten Skizzierung) zur Schrift Luthers ‘Vermahnung zum Sakrament des Leibes und Blutes Christi’ zu tun. Daß dem so ist, zeigt ein Vergleich. Wir führen ihn im einzelnen in den Anmerkungen zu unserm Texte. Natürlich zeigt sich auch da manchmal eine Umstellung oder Abweichung. So ist die Verwendung von Psalm 111 in der Druckschrift unterblieben, hauptsächlich wohl, weil Luther beim Ausarbeiten den Plan faßte,

 

 

 

[Seite 692]

 

[zu 16 Contraria r [d. h. in der Ausführung soll das Gegenteil auch dargestellt werden] 19 iudicio unleserlich]

 

diesen Psalm in demselben Sinne besonders auszulegen, was er ja dann auch getan hat. Jst diese Vermutung richtig, so ergibt sich: die ‘Vermanung’ ist kurz vor der Auslegung des 111. Psalms geschrieben.

 

Der Abschnitt auf Bl. 27b des cod. Solgeri enthält kurze Thesen, die sich auf den zweiten Teil der ‘Vermahnung’ beziehen. An einigen Sätzen ist Luther bei der Ausarbeitung vorbeigegangen.

 

[Text]

 

1530

 

 

 

[Seite 692]

 

[Bl. 79a] πόθεσις τς παρακλήσεως π τν εχαρισταν.

Got sei gelobet, das ich doch zur tauffe darf niemand vermanen. Alia  omnia, quae docui, cogor hortari: scilicet Coniugium, Magistratum,  Servitutem, Scholas, pastores.

 

Quanquam si non parvulis esset datus Baptismus, credo, quod nulla  res plus exhortationis opus haberet. Sed divina gracia sic provisum est1,  ut parvuli Baptisarentur, ut vel sic admonerentur adulti ad fidem. Ac nisi  parvulorum Baptismus esset, forte iamdudum Turci essemus.2 Hoc saltem  potenter servavit Christus sub Antichristo, cum coetera omnia corruperit fere.

 

Primo: Solis piis et salvis volentibus esse scribo, Coeteri eciam dehortandi  sunt.3

 

 

Hic primo  Preceptum et institutum Christi4  Secundo: nostra necessitas et utilitas multiplex.

 

[Bl. 79b] Praecepto Christi debetur laus, gratitudo, Reverencia5, quae  contemptu et omissione non fit,  Et consequenter Christi passio et verbum et omnia divina blasphemantur.6

 

 

[18, 19] Nostra necessitas sensata/non sensata meo iudicio

 

 

[20, 21, 22] Exempla Meum, qui fastidivi7/Qui salvati sunt a tentatione/Psalmus ‘Confitebor’

 

Vide, quid pro agno paschali cecinerit i. e. Memoria operum eius &c..

 

Quanto magis nos debemus opera Christi narrare. Si Iudei, Gentes,  Prophetae, reges, Hiob et Abraham talia habuissent! Qui tantum verbo  contenti fuere.

 

 

[Bl. 27b] 1. Sacrificium aliud pium aliud impium.

2. Sacrificium pium est aliquod opus vel verbum Deo exhibitum pro  gratitudine acceptae graciae seu beneficii.

 

 

 

[Seite 693]

 

3. Sacrificium impium est opus vel verbum Deo exhibitum pro impetranda  gratia velut meritum.

4. Missa cum sit opus Dei nobis exhibitum, non potest esse sacrificium  ne pium quidem.

5. Annunciatio mortis Christi in Missa est sacrificium laudis et pium.1

6. Sacrilegium est Missam pro sacrificio operis, vel meriti docere et  credere.

7. Multo abominabilius est ipsam videlicet pro sacrificio vendere.2

8. Papistas et sophistas sacrilegos esse patet, qui Missam sacrificium  operis seu meriti docent.

9. Testantur eorum voces in Canone et illa vox Missa valet ex opere  operato.

10. Tolerari possunt patres qui Missam sacrificium vocant, quia intelligunt  id quod in Missa fieri debet seu finem Missae qui est mortis  Christi annunciatio: verum sacrificium laudis.

11. Eadem ratione Eucharistiam vocant i. e. sacrificium laudis,3

12. Quemadmodum hodie Missa possit [Bl. 28a] concio vocari et dici:  eamus ad concionem.

 

 

Nisi ex legis ritu oblationem panis et vini pro sacramento  sacrificium vocent.4

 

Tamen ea ipsa oblatio non sacrificium operis sed laudis fuit  et esse debet.

 

Nec in veteri lege ullum fuit sacrificium operis, sed omnia sunt  sacrificia laudis,

 

Quia omnia pro acceptis donis offeri mandantur.

 

Idolatrae accusantur merito a prophetis Iudaei, quia sacrificia operis  fecerunt ex sacrificiis laudis.

 

Hoc est prorsus gentile sacrificiis placari deum.

 

Non placando Deo sed placato et beneficio offerenda sunt.

 

Sophistae vero pro animabus salvandis et redimendis offerunt, nunquam  pro salvatis.

 

Sacrificium pro peccato potest esse passio et mortificatio carnis, non  meritum.

 

[Gal. 6, 17] Sed et hoc est sacrificium laudis, ut ait: ‘Ego porto Christum in  corpore meo.’

 

 

 

[Seite 694]

 

2. Von Fürbitte der Heiligen.

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 694]

 

Was cod. Solgeri nr. 38 auf Bl. 80a unmittelbar hinter der vorstehenden πόθεσις ohne Überschrift bringt, erinnert sofort an den zweiten Teil der Schrift ‘Sendbrief vom Dolmetschen und Fürbitte der Heiligen’. Es könnte eine Disposition hierzu sein. Eine Studie zu dem versprochenen (s. oben S. 627, Anm. 7) Sermon von den lieben Engeln ist es nicht. Luther hat diese Predigt gehalten, Veit Dietrich sie herausgegeben und auch ein Summarium dazu gemacht (Bd. 32, LVII. 111. 552). Dabei ging er nur auf das Walten der guten und bösen Engel ein. Hiervon ist aber in unserm Stück keine Rede. Nun steht aber im ‘Sendbrief’ Luthers Bemerkung, er wolle gegen die Papisten, die mit Fürbitte der Heiligen sich nun schmücken und putzen, zu schreiben ‘itzt aufschieben. Aber was gilts, ob ichs vergessen werde?’ Vielleicht vergaß er es nicht1 und arbeitete hieran weiter. Wir hätten dann in unserm Entwurf die Vorarbeit zu sehen. Die Engel kommen noch neben den Heiligen hier vor, doch ist die Fragestellung mehr auf die Fürbitte der Heiligen zugespitzt. Die Stelle aus Jesaja ist neu eingeführt. Bei dieser Annahme wäre das Stück zwischen dem 6. und 29. September niedergeschrieben.

 

[Text]

 

1530

 

 

 

[Seite 694]

[Bl. 80a] 1. Angeli        Eciamsi pro nobis orarent,

Sancti        nusquam est exemplum,

quo a Sanctis sint orati et invocati.

2. Ac si exemplum esset, non satis esset, nisi verbum quoque haberemus,

Quia non est nostrum erigere cultus et religionem.

[Jes. 63, 16] 3. Isaias dicit: ‘Abraham nescit nos’. Nescitur, quid iam sint Sancti

defuncti, requiescere dicit eos.

[Offenb. 22, 9] 4. In Apocalypsi angelus non vult adorari.

5. Eciamsi orandi essent, tamen non invocandi. Sed hactenus invocati  sunt ut potentes facere mirabilia, Sicut proverbium testatur die  heyligen zeichens.2 Sicut Sancti Antonii Sacer ignis. Et cuique  sua virtus tributa est.

 

3. Sermon am Tage Matthäi.

 

[Einleitung]

 

[Seite 694]

Zu den Predigten von 1530 konnten wir mehrere Entwürfe von Summarien mitteilen: zur Predigt am 15. September (Bd. 32, 104), zur Predigt am 16. April (32, 547), zur Michaelispredigt (S. 552) usw.

 

 

 

[Seite 695]

 

Hierzu kommt aus cod. Solgeri nr. 38 auf Bl. 80b ein Sermo in die Mathei. Daß hier eine Meditation zur Predigt vom 21. September 1530 (s. Bd. 32, 105) vorliegt, zeigt der Ausdruck Discipulus discipulorum deus = das kein grosser schuler auff erden ist denn unser lieber Herr Gott (Bd. 32, 105, 19). Die Aufzeichnung ist höchst dürftig, war vielleicht am Schlusse für Dietrich unleserlich.

 

[Text]

 

[Seite 695]

 

Sermo in die Mathei

 

1. Discipulus discipulorum deus,

2. Reprehensus non ignorat et contra eos pocius dicit

 

 

 

neque scire recte. ‘Ite, discite.’              facere                          Lectio

 

Ite, discite, Quid sit: Misericordiam volo non sacrificium, scientiam  dei, non holocaustum.

 

4. Περ τς μουσικς.

 

[Einleitung]

 

[Seite 695]

Der so überschriebene Abschnitt auf Bl. 81b unsers cod. Solgeri nr. 38 mutet uns zunächst an als Auszug des Briefes Luthers an Senfel vom 4. Oktober (Enders 8, 276). Jndessen fehlen einige bezeichnende Wendungen im Briefe, z. B. daß Luther in Sachen der Kunst anders denke als die Schwärmer. Auch haben wir wohl Briefausschnitte, aber keine Auszüge. Ebenso mißlich ist es, das Stück als einen Entwurf zu besagtem Briefe anzusprechen. Ein solches Verfahren Luthers ist sonst nicht beobachtet, auch nur bei schweren, verwickelten Fragen anzunehmen. Dazu fehlt jede persönliche Wendung. Ja das ‘durate’ setzt eher voraus, Luther rede zu einem größeren Kreise. So läge doch die Möglichkeit vor, Luther habe, durch seine Schrift ‘das man Kinder zur Schule halten solle’ angeregt, eine Abhandlung über den Wert der von ihm so geschätzten Musik angefangen; die Gedanken hätte er dann gelegentlich bei einem speziellen Ansinnen an Senfel verwendet.

 

Übrigens ist unser Stück, wir wissen noch nicht, auf welchem Wege, in die Tischreden übergegangen. Förstemann-Bindseil 4, 567: ‘Wer die Musicam verachtet, wie denn alle Schwärmer thun (Z. 3), mit denen bin ich nicht zufrieden. Denn die Musica ist ein Gabe und Geschenke Gottes (Z. 5) nicht ein Menschen Geschenk. So vertreibt sie auch den Teufel (Z. 7) und machet die Leut fröhlich (Z. 6). Man vergisset dabei alles Zorns (Z. 9), Unkeuschheit (Z. 10), Hoffart (Z. 11) und anderer Laster. Jch gebe nach der Theologie der Musica den nähesten locum und höchste Ehre (Z. 12). Und man siehet, wie David und alle Heiligen (Z. 13) ihre gottselige Gedancken in Vers, Reim und Gesange gebracht haben, quia pacis tempore regnat musica (Z. 14).’

 

Der Schluß tritt dann in anderen Tischreden auf.

 

 

 

[Seite 696]

 

[Text]

 

1530

 

 

 

[Seite 696]

 

 

[Bl. 81b] Περ τς μουσικς.

 

μουσικν ράω

Eciam damnantes non placent Schwermerii,

Quia

1. Dei donum non hominum est,

2. Quia facit letos animos

3. Quia fugat diabolum

4. Quia innocens gaudium facit,

                              {irae

Interim pereunt {libidines

                              {Superbia

 

Proximum locum do Musicae post Theologiam. Hoc patet exemplo  David et omnium prophetarum, qui sua omnia metris et cantibus mandaverunt.

 

 

5. Quia pacis tempore regnat.

 

Durate ergo et erit melius arti huic post nos, Quia pacis sunt.

 

Duces Bavariae laudo in hoc, quia Musicam colunt. Apud nos Saxones  arma et Bombardae praedicantur.

 

 

 

[Seite 697]

 

Sprüche, mit denen sich Luther getröstet hat, Anno 1530.

 

 

 

[Einleitung]

 

[Seite 697]

 

Als nach Abschluß des Augsburger Jnterims im Sommer 1548 Kurfürst Moritz von Sachsen mit den Theologen und Ständen seines Landes Verhandlungen einleitete, die schließlich in das Leipziger Jnterim einmündeten, und die Wittenberger, an ihrer Spitze Melanchthon, um des lieben Friedens willen zu bedenklichen Konzessionen sich bereitfanden, da erstand ihnen ein gewaltiger Gegner in Matthias Flacius, der seit 1544 in Wittenberg die Professur der hebräischen Sprache innehatte, Ostern 1549 aber, weil ihm wegen des gespannten Verhältnisses, in das er zu Melanchthon getreten war, in Wittenberg der Boden unter den Füßen brannte, nach Magdeburg übersiedelte, wo er als Aufseher in den Druckereien sich seinen Lebensunterhalt verdiente. Hatte er schon vorher in pseudonymen Flugschriften sein bedrücktes Gewissen erleichtert und die öffentliche Meinung gegen das Augsburger und Leipziger Jnterim und die unklare Haltung Melanchthons zu erregen gesucht, so entfaltete er jetzt eine ungemein fruchtbare und bedeutungsvolle schriftstellerische Tätigkeit und eröffnete mit den sich um ihn scharenden Genossen Nikolaus Amsdorf, Erasmus Alberus, Nikolaus Gallus, Albert Christianus einen leidenschaftlichen Kampf gegen die beiden Jnterims und ihre Verteidiger. “Und seine Kritik war eine vernichtende. Wenn sich in Sachsen und Norddeutschland bald allgemeiner Widerspruch erhob, der die Durchführung des Jnterims unmöglich machte, und in dem die Volksseele sich mächtiger erwies als die Nachgiebigkeit der Politiker und die Vermittelungsformeln schwachmütiger Theologen, wenn damals Luthers Werk gerettet wurde, so ist dies in besonderem Maße Flacius zu verdanken gewesen. Er hat sich damals unvergängliche Verdienste um die evangelische Kirche erworben.”1

 

Zu den ersten Veröffentlichungen, die Flacius von Magdeburg aus vom Stapel ließ, gehört eine Sammlung von Briefen, die Luther seit dem 27. Juni 1530 von der Veste Koburg an die in Augsburg zum Reichstag weilenden Freunde, besonders Melanchthon, gesandt hat. Der Titel des Schriftchens lautet:

 

 

 

[Seite 698]

 

ALIQVOT || EPISTOLAE REVERENDI || PATRIS PIAE MEMORIAE D. || Martini Lutheri quibusdam Theologis || ad Augustana Comitia. Anno 1530. scri- || ptæ, de conciliationibus Christi & || Belial differentes1, ex quibus mul-||ta remedia præsentibus Ec- || clesiæ morbis salutaria, || peti possunt. || Et quædam alia lectu digna. || ... 1549. ||2

Schon dieser Titel zeigt, in welcher Absicht Flacius die Briefe dem Publikum vorlegte. In einem Nachwort erklärt er sich noch deutlicher (fol. C 2b): Der Leser könne aus ihnen leicht erkennen, welches Luthers Meinung gewesen sei über jene Versuche, Christus und Belial zu vereinigen; ihre Urheber häuften zu ihren übrigen Sünden jetzt noch die, daß sie es wagten, mit Stellen aus Luthers Schriften ihr gemeingefährliches Treiben zu rechtfertigen. — Damit glaubte Flacius indes jene Briefe noch nicht genügend für seine Zwecke ausgebeutet zu haben. Jm nächsten Jahre veröffentlichte er eine Schrift mit folgendem Titel:

 

 

 

“Etliche tröstliche Vermahnungen in Sachen das heilige Göttliche Wort betreffend, zu dieser betrübten Zeit sehr nützlich und tröstlich zu lesen. D. Martinus Luther Anno 1530 ... Mit diesen Sprüchen hat sich der heilige Mann und teure Held D. Martinus Luther getröstet Anno 1530, da ihn die Adiaphoristen mit ihrer philosophischen Klugheit und gottlosen Vereinigung Christi und Belials sehr geplagt und geängstiget haben ...”

Diese Schrift ist in die alten Gesamtausgaben der Werke Luthers aufgenommen worden, auch die Erlanger Ausgabe bringt sie noch als eine von Luther “wahrscheinlich zu Koburg ... während des Reichstags zu Augsburg” verfaßte Schrift.3 Jedoch zeigt eine genauere Betrachtung, daß sie lediglich eine von Flacius verfertigte Mosaik aus jenen Lutherbriefen ist.4 Trotzdem verdient die Schrift in unsrer Ausgabe wiederholt zu werden. Nicht nur, weil sie, als zu denjenigen Veröffentlichungen gehörig, durch die Flacius in kritischer Zeit “Luthers Werk gerettet” hat, ein geschichtliches Denkmal ist, sondern weil sie fast ausschließlich aus echtestem lutherischem Material besteht. Diese Zeugnisse von Luthers unbekümmertem heroischen Gottvertrauen inmitten großer Not und Drangsal und gegenüber der wachsenden Besorgtheit der in Augsburg versammelten Kampfgenossen werden immer eine urfrisch-sprudelnde Quelle religiöser Kraft bleiben. Flacius hat Luthers Briefen sehr passend den Brief des Veit Dietrich an Melanchthon vom 30. Juni vorangestellt, in dem auch er Melanchthon zu Gottvertrauen, Gleichmut und Seelenruhe ermahnt.5 Am Anfang schreibt Dietrich von Luther: ‘Non possum satis mirari

 

 

 

[Seite 699]

 

singularem hominis in his acerbissimis temporibus constantiam, hilaritatem, fidem, spem.’ Mit diesem Eindruck wird man immer von der Lektüre jener herrlichen Briefe und der Lutherschriften aus dem Jahre 1530 überhaupt scheiden. So bildet der Neudruck jener “Sprüche” einen würdigen Abschluß unsres Bandes.

 

 

 

Ausgaben:

 

 

A “Etliche || troestliche ver- || manungen in sachē das heilige Got- || liche Wort betreffend, zu dieser betruebten zeit || sehr nuetzlich vnd troestlich zu lesen. || D. Martinus Luther || Anno M. D. XXX. || Zum Christlichen leser. || Mit diesen spruechen hat sich der heilige Man vnd || teure held D Martinus Luther getroestet, Anno 30. da jhn || die Adiaphoristen mit jhrer Philosophischer klugheit vn̄ || Gottlosen vereinigung Christi vnd Belias sehr geplagt || vnd geengstiget haben .... [14 Zeilen] || AMEN. Matt. Fla. Illy. ||” Titelrückseite leer. 6 Blätter in Quart. Am Ende: “Gedruckt zu Magdeburg bey || Christian Roedinger M. D. L. ||”

Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 8381), Dresden, Heidelberg, Zittau.

 

B “Etliche troestliche vermanungen, in Sachen das heilige goettliche Wort betreffend, zu dieser betruebten zeit sehr nuetzlich vnd troestlich zu lesen. D. Martinus Luther. Anno M. D. XXX. Matthei 7. Jr solt das Heiligthum nicht den Hunden geben ... [9 Zeilen]. Gedruckt zu Jhena, durch Thomas Rebart. Anno M. D. LVIII.” Titelrückseite bedruckt. 8 Blätter in Quart.

Vorhanden: Berlin (Luth. 8385), Kamenz.

 

C “Troestliche Vermanungen an die Christen, so vmb GOTTES Worts willen verfolgt werden. Durch, Doctor Martin Luther gestelt, ANNO. 1530. 2. Thimot. 3. Alle die so in Christo Gottselig leben woellen, muessen Verfolgung leiden. Psalm. 34. Der HERR ist nahe denen, so eins betruebten Hertzen sein. M. D. LXII.” 8 Blätter in Quart. Letztes Blatt leer.

Vorhanden: Dresden, Heidelberg.

In den Gesamtausgaben findet sich die Schrift an folgenden Stellen: Wittenberg 9 (1557), 395b –398a; Jena 5 (1557), 11b –14b; Altenburg 5, 6 –9; Leipzig 22, 508 –511; Walch1 10, 2004 –2013; Walch2 10,1712 –1719; Erlangen 23, 154 –162.

 

Wir haben den Text von Ausgabe A wiedergegeben und die Abweichungen, die der Text in Ausgabe B und in dem am 1. März 1557 erschienenen 5. Bande der Jenaer Gesamtausgabe (= I) darbietet, notiert. In Paralleldruck erscheinen die Lutherischen Briefstellen, aus denen Flacius das Schriftchen komponiert hat.

 

 

 

[Seite 700]

 

[Bl. Aij]

Etliche troestliche vermanungen in sachen das heilige Goettliche Wort betreffend. D. Martinus Luther 1530

 

 

 

[Seite 700]

 

Wenn uns von wegen  Gottes Worts beschwerung,  truebsal und verfolgung  vorfellet, wie  denn das heilig creutz  mit bringet, So sollen uns hernachfolgende  ursachen mit Gottes huelffe  billich troesten und bewegen, in solchem  fall getrost, keck und guter ding zu  sein und die sach Gottes gnedigem und  Veterlichem willen zuergeben und heim  zustellen. Denn also sagt Sanct Paul  [2. Tim. 3, 12] II. Thi. III. ‘Alle, die Gotselig leben  woellen in Christo Jhesu, muessen verfolgung  leiden.’ Und Acto. XIIII:   [Apg. 14, 22] ‘Durch viel truebsal muessen wir inn das  Reich Gottes gehen’. Und Philip. II:  [Phil. 2, 12] ‘Schaffet, das jhr selig werd mit furcht  und zittern’ etc.

 

 Zum ersten, das die sach in des  hand stehe, der so deutlich sagen thar:  [Joh. 10, 28] ‘Es kan sie niemand aus meiner hand  reissen’, Joh. X, jtem Matth. XVI:  [Matth. 16, 18] ‘Die pforten der hellen sollen meine  Gemeine nicht uberweldigen.’ Und  [Jes. 46, 4] Esaias LVI: ‘Jch wil euch tragen bis  ins Alter und bis jhr graw werdet,  ja ich wil es thun, Jch wil heben und  tragen und erretten.’

 

 

[ 6 uns fehlt Jenaer Ausg. (= I) 10 heilig creutz] Evangelium, so ein Wort vom Kreuz ist I 12 durch Gottes Gnade I 23 werdet B]

 

 

 

[Seite 701]

 

II.

 So wer es auch nicht gut noch zu  raten, das die sach in unser hand  stuende, denn wir kuendten und wuerden  sie liederlich verlieren.

 

 

 

III.

So sind die troestlichen spruech je  alle war und liegen uns nicht, Psal.  [Ps. 46, 2] XXXVI:  ‘Gott ist unser zuversicht  und sterck, Eine huelffe inn den grossen  noeten, die uns treffen.’ So sagt Syrach  [Jes. Sir. 2, 11] der weise man: ‘Wer ist jemals zu  schanden worden, der auff Gott gehoffet  [1. Makk. 2, 61] hat?’ Und Machab. II: ‘Alle  die auff Gott vertrawen, werden erhalten.’  Jtem: ‘Herr, du verlessest die  [Ps. 9, 11] nicht, die dich suchen.’

 

 

 

IIII.

 So ist es je war, das Gott seinen  einigen Son fuer uns alle dahin gegeben  [Röm. 8, 32] hat, Rom. VIII. Jst das denn  war, was machen wir denn mit unserm  leidigen zagen, sorgen und trawren?  Hat Gott seinen einigen Son fuer uns  alle dahin gegeben, wie kuend ers denn  ubers hertz bringen, uns in geringerm  anligen zuverlassen?

 

 

 

V.

 So ist je Gott viel viel stercker,  mechtiger und gewaltiger denn der  Teuffel, so sagt Sanct Johannes in  [1. Joh. 4, 4] seiner Epistel Cap. IIII: ‘der in uns  ist, der ist groesser und stercker denn  der inn der welt ist.’

 

 

 

VI.

 Gehen wir zu boden, so mus sich  Christus, der Almechtige Koenig der

 

[ 7 diese und dergleichen Trost-Sprüche I 15 die] so I]

 

 

 

[Seite 702]

 

 welt, auch selbs mit uns leiden. Und  wenn gleich diese sach zu boden [Bl. Aiij]  gieng, so sollen wir doch viel lieber  mit Christo zu boden gehen denn mit  der hoechsten gewalt auff erden stehen.

 

 

 

VII.

 Das die sach nicht allein uns auff  dem hals ligt, sondern es sind viel  fromer Christliche leute in vielen landen,  die mit hertzlichem seufftzen und  Christlichen Gebet zu uns setzen und  beystehen.

 

 

 

VIII.

 So haben wir je viel reiche und  troestliche verheissunge und zusagung  Gottes, derer der gantze Psalter und  alle Euangelia, ja die gantze schrifft  vol sind, die keines wegs zuverachten,  sondern auff das hoechste zuhalten sind,  [Ps. 55, 23] als psal. LV: ‘Wirff dein anligen  auff den Herren, der wird dich versorgen,  und wird den gerechten nicht  ewiglich in unrug lassen.’ Psalm XXII:  [Ps. 27, 14] ‘Harre des Herren, sey getrost und  unverzagt und harre des Herren.’  Jtem Christus selbs spricht Johan, xvj: [27, 28] [Joh. 16, 33] ‘Seid getrost, ich habe die welt uberwunden.’

 

 Es wird ia nicht falsch sein, das  weiß ich fur war, das Christus der  Son Gottes die welt uberwunden hat.  Warumb fuerchten wir uns denn fur  der welt als einem sieghafften uberwinder?  Solt einer doch einen solchen  spruch auff seinen knien von Rom und  Jerusalem holen, Aber weil wir derselbigen  so viel haben, so verachten wir  sie. Das ist aber nicht gutt.

 

[ 7 die] diese I 9 Christlicher B 10 die sich I 11 Christlichem B 16 derer] so I 19 sind fehlt I 33 einen B]

 

 

 

[Seite 703]

 

IX.

 Ob nu unser glaube schwach ist,  so last uns allein ernstlich bitten mit  [Luk. 17, 5] den Aposteln Luce xvij: ‘Herr, stercke  uns den glauben.’ Und mit des kinds  [Mark. 9, 24] vater Mar. ix sagen: ‘Jch gleube, Herr,  hilff meinem unglauben.’

 

 

 

X.

 So ist diese sache unter dem Roemischen  Keiser Maximiniano, Diocletiano  und andern, so die Christenheit  greulich verfolgten und sie gar  auszurotten sich unterstunden, auch  zur zeit Johannis Huss und anderer  mehr viel groesser und fehrlicher gewesen  denn bey unser zeit.

 

 

 

XI.

 Ob wol diese sach gros ist, so ist  auch dagegen der, so sie erregt hat,  auch fueret und treibt, gross, ja Almechtiger  Schepffer himels und der  erden, denn sie ist jhe nicht unser.  Warumb wolten wir uns denn derhalben  on unterlas peynigen und entlich  zu tod martern?

 

 

 

XII.

 Jst diese sach und lehre falsch,  warumb thun wir nicht einen widderspruch?  Jst sie aber rechtschaffen, wie  sie ist, so war Got lebt und ewiglich  bleiben wirt, Was luegenstraffen wir  denn Got in seinen manigfaltigen,  troestlichen, unwandelbarn und ewigen  verheissungen? der uns heisset in jhm  guter ding und froelich sein, psal. xxxij:  [Ps. 32, 11] ‘Frewet euch des Herren’, Und Psalm  [Ps. 145, 18.19] cxlv: ‘Der Herr ist nahe allen, die

 

[ 9/10 den — Keisern B 30 ewig B]

 

 

 

[Seite 704]

 

 jhn anruffen, allen, die jhn mit ernst  anruffen. Er thut, was die Gottfuerchtigen  begeren, Er hoeret jhr schreien  [Ps. 91, 14 –16] und hilfft jnen.’ Und Psal. xcj: ‘Er  begert mein, so wil ich jhm aushelffen.  Er kennet meinen namen, darumb wil  ich jhn schuetzen. Jch bin bey jhm in  der not, Jch wil jhn heraus reissen  und zu ehren setzen. Jch wil In settigen  mit langem leben und wil im  zeigen mein heil.’

 

 

 

[Bl. A 4] XIII.

 Wenn wir uns gleich sehr bekuemmerten  und sorgeten, so koennen wir  doch mit unsern unnuuetzen sorgen nichts  ausrichten, Ja plagen und marteren  uns selbs und machens damit nur  erger. Er will, das wir jhn fur  unsern Gott und Vater in Christo  erkennen, Jhn in allen unsern noeten  anruffen und uns des gewis zu jhm  versehen, das er fur uns sorge. Petrus  [Ps. 55, 23, 1. Petri 5, 7] spricht aus dem lv. Psalm: ‘Alle ewre  sorge werffet auff jhn, denn ehr sorget  fur euch.’ Und Christus selbs spricht  [Matth 6, 31] Matthei vj: ‘Jhr solt nicht sorgen.’

 

 

 

XIIII.

 So kan auch je der Teuffel und  seine Gliedmassen nicht mehr thun,  denn das sie uns leiblich toedten, die  seele muessen und sollen sie uns unangetastet  lassen, als Christus sagt  und die seinen troestet. Matthei x:  [Matth. 10, 28] ‘Furchtet euch nicht fur denen, die den  leib toedten und die seel nicht koennen  toedten.’

 

 

 

XV.

 So ist Christus unser lieber Herr  und Heiland ein mal fuer die Suende

 

[ 9 setzen] machen I 25 selbs fehlt I 32 Christus selbs I 38 ist fehlt B]

 

 

 

[Seite 705]

 

 [Röm. 4, 25; 6, 10] gestorben, Wie Roma. 4. und 6., Ebre, v.  [Hebr. 5, 3; 9, 28] und ix. stehet geschrieben, wirt hinfurt  umb der Gerechtigkeit und warheit  willen nicht mehr sterben, Sondern  lebet und herschet ein Almechtiger Herr  uber alle Creaturn. Jst nu das war,  wie die schrifft bestendiglich zeuget,  was fuerchten wir uns denn?

 

 

 

XVI.

 Ob wir gleich umb Gottes Worts  willen zu druemmern gehen sollen, wenn  es Gott also schikete, so wuerde doch  der Almechtige, Barmhertzige Gott, der  unser Vater umb Christus willen ist  worden, auch unser weiber und kinder,  Widwen und weisen, freuntlicher, gnediger  Vater und haushalter, schutz und  schirm sein wil und alle sachen tausentmal  besser auffrichten, denn wir bey  unserm leben.

 

 

 

XVII.

 So haben je unsere vor eltern  und vorfarn diesen hohen, Edlen,  theuren Schatz, nemlich den rechten,  reinen verstand Goettlichs worts nicht  gehabt, wie wirs nu (Gott lob) reichlich  haben und dieselbige zeit, da das  liebe Wort kurtz vor dem Juengsten  tage wider an tag bracht, erlebt, welche  unaussprechliche wolthat uns wider  farn ist aus lauter guete, gnade und  gabe Gottes. Eben der selbige Gott  wird auch nach uns Gott und Schepffer  sein und bleiben, wie er vor uns gewest  ist, und jhm ein heufflein samlen  und erhalten bis an der welt ende,  Und wirt nicht mit uns sterben noch  auff hoeren, wie wir kleingleubigen  uns duencken lassen.

 

 

[ 2 geschrieben stehet I 9 XVI] XI A 18 sein] seinwil A sein BI]

 

 

 

[Seite 706]

 

 Also dauchte den Priester Eli, da  die Philister den Jueden die lade Gottes  abgedrungen hatten, es wuerde das gantze  Juedenthum mit Priestumb und Koenigreich  zu boden gehen.

 

Als aber der Priester Eli zurueck  fiel und den hals entzwey brach  [1. Sam. 4, 18] j. Sam iiij., stunds umb der Jueden  Koenigreich viel besser denn bey seinem  leben.

 

 Also, da der Koenig Saull sich selbs  jemerlich erstach, da sein volck erlegt  ward und seiner Soene drey in der  selben schlacht blieben j. Sam. xxxj.,  [1. Sam. 31, 4. 9] [Bl. B1] Was kuende man anders gedencken,  denn es were nu gar aus mit  der Jueden Koenigreich? Aber hernach  zu Davids und Salomonis zeiten  kam erst zu seiner hoechsten krafft und  herligkeit.  Da die Papisten Johannem  Huss zu Costnitz im Concilio Anno 1416  verbrant hatten, triumphirten sie und  hielten es fur gewiss, sie hetten das  Bapstumb nu erst recht erhoehet, Aber  der Babst ist vor nie verechter gewesen  denn eben von der selbigen zeit an.

 

 

 

XVIII.

 So sind wir je des durch Gottes  Wort gewiss versichert, das nach diesem  elenden, vergenglichen leben, des  wir keinen augenblick sicher sind, wirt  ein ewiges, seliges leben und Reich sein.  Sonst muesten wir das erste Gebot  sampt dem gantzen Euangelio und  heiligen Schrifft austilgen. Dann was  beduerffen wir eines Gottes allein um  dieses vergengklichen lebens willen, in  welchem es denen am aller besten

 

[ 4 Priesterthum B 15 kundte B 19 kam es B 21 Costnitz] Costmtz A 30 vergänglichen elenden I        des fehlt B 37 vergengklichen sterblichen I]

 

 

 

[Seite 707]

 

 gehet, die keinen Gott haben? Jst  aber ein Gott, wie alle Gottselige  frome hertzen gewiß und feste gleuben  und darauff leben und sterben, So  werden wir nicht allein hie eine kurtze  zeit, sondern an dem ort, da Er ist,  ewiglich leben.

 

 

 

XIX.

 So setzt je das Erste gebot Gottes  unsere kinder und nachkommen in  Gottes schutz und vorspruch, da Gott  [2. Mose 20, 6] selbs sagt: ‘Jch erzeige Barmhertzigkeit  in tausent gelied denen, die mich lieben  und meine gebot halten.’ Diesen hohen,  troestlich worten der Goettlichen Maiestet  gleuben wir billich.

 

Und ob wol der Glaube schwach  ist, gleichwol geben wir Gott die ehre,  das, was Er redet und verheisset, koenne  und woelle er auch thun.

 

 

 

XX.

 Wenn uns Gott dieses alles durch  einen Engel verkuendigen liesse, so  wuerden wirs freilich nicht so in wind  schlahen und verachten, wie wir leider  thun, wens uns durchs wort wirt furgetragen.  Aber wenn wir gleich der  muendlichen Predigt nicht gleuben wolten,  so solten wir doch die Propheten,  Christum selbs und Aposteln nicht verachten,  welche uns alle so reichlich  Predigen mit Trostreden, freundtlich  vermanen und locken und gleich uberschuetten,  [Ps. 32, 11] wenn sie sagen: ‘Frewet euch  [5. Mose 31, 6] des Herren’, ‘Seid getrost und unverzagt,  [Ps. 62, 9] Fuerchtet euch nicht’, ‘Hoffet auff  den Herren, Schuettet Ewer hertz fuer  [Ps. 107, 1, Joh. 16, 33] jhm aus’, ‘Dancket dem Herren’, ‘Seid

 

[ 30 und die I 33 gleichsam I]

 

 

 

[Seite 708]

 

 getrost, ICH habe die welt uberwunden’,  [Phil. 4, 5 f.] ‘Der Herr ist nahe, Sorget  nichts’ etc.

 

 Wenn wir nu solcher mannigfeltiger  Goettlicher vertroestung nicht  gleuben, so wuerden wir freilich auch  nicht gleuben, wenn gleich auch nicht  einer, sondern viel Engel kemen und  uns dieses verkuendigten.

 

 

 

XXI.

 So ist gewislich war, wenn der  widerteil uns gleich alle erwuergete, so  es Gott jhnen also verhienge, Es wuerde  ungerochen nicht bleiben. Eben der  wuerde sie in kurtzem darumb ansprechen,  [1. Mose 4, 9] der zu Cain sagte: ‘Wo ist  dein Bruder Habel?’ sie feldtfluechtig  und jhnen die welt zu eng machen.

 

 

 

[Bl. Bij] XXII.

Man sey in dieser sachen, Gottes  wort belangend, nur getrost, Denn  Christus, des sie ist, wird sie widder  des leidigen Teuffels list und der  argen falschen Welt Tyranney wol  [Matth. 10, 32] verteidingen und erhalten und die, so   jhn bekennen fuer diesem boesen, Ehebrecherischen  geschlecht und drueber sich  viel leiden muessen, wird er widerumb  bekennen fur seinem Himlischen Vater  und sie jres leids in ewigkeit ergetzen.  So saget auch Gott selbs j. Samuelis  [1. Sam. 2, 30] ij: ‘Wer mich ehret, den wil ich  wider ehren.’ Ob nun wol die wasser  strom im Mehre gros seind, viel wellen  empor heben und grewlich brausen, als  wolten sie uns itzt alle erseuffen, So  ist doch der HErr in der hoehe, der  sein Reich angefangen hatt, so weit

 

[ 7 auch fehlt I 21 Dnen A 28 viel fehlt I 34 viel] veil A ihre I]

 

 

 

[Seite 709]

 

 die welt ist, und zugericht, das es  bleiben sol, noch groesser, ja Almechtig,  der wirds wol hinaus fueren.

 

 

 

 

AMEN.

 

 

 

 Darumb so wird nu nichts anders  draus, Wollen wir Christum haben,  mit im ewig leben und herschen, so  [2. Tim. 2, 5] mus es je zuvor gelitten sein.

 

 Weil dem also ist, was woellen  wir uns denn an der Todten Goetzen  trotzen und wueten Keren? Von welchen  [Ps. 2, 4] der ij. Psalm sagt, das Got im Himel  jhr lache und spotte.

 

Weil nu der Ewig und Almechtig  Keiser, der Gott heisset und ewiglich  bleibet, jhrer lachet und spottet, Warumb  solten wir uns vor jhnen fuerchten,  trauren und weinen? Warlich, Gott  spottet jrer jhe nicht von seinet wegen,  Er bleibet wol als der im Himel  wonet fur jhrem zorn, Sondern uns  zu trost, das wir auch ein hertz  und mut fassen und alle jhre anschlege  verlachen sollen.

 

 Darumb wird uns in dieser sachen  allein von noeten sein, das wir solches  gleuben und in starcker zuversicht im  namen Christi bitten, das, wil Got  sein Reich auffgericht hat und sein  werck ist, dasselbe wolt stercken. Denn  ers ja on alle unser zuthun, Ratt, gedancken  und furnemen erregt, auch biss  anher regiert, getrieben und erhalten  hat, Jch zweiffel auch gar nichts, er  wuerde es gewislich an unsern Ratt  und zuthun hinaus fueren. Denn ich  [2. Tim. 1, 12] weis (sagt S. Paulus), an wen ich  gleube. Bin auch gewis, das er kan

 

[ 8 je] hie I 14 und fehlt I        Allmtchtig A 28 Jhesu Christi BI        wil Got] Gott, der I 35 on B]

 

 

 

[Seite 710]

 

 mehr geben, uber schwencklicher thun,  raten und helffen, denn wir bitten oder  verstehen. Er heisst HErr, der wunderbarlich,  [Eph. 3, 20] herrlich und gewaltiglich  helffen kan und wil und eben denn,  wenn die not am hefftigsten ist. Wir  sollen menschen und nicht Gott sein,  uns seines Worts troesten und auff  seine zusage getrost in der not umb  rettung jhn anruffen, so wil er  helffen.

 

 Das ist die Summa darvon, Es  wirt doch nichts anders draus, Odder  ist Ewige unruge unser lohn. Da  behuete uns ja Gott fuer umb seines  lieben Sons, unsers Heilands und  Ewigen Priesters Jesu Christi willen,

 

 

 

 

AMEN.

 

 

 

 

[ 6 hefftigsten] grösten I 9 in] in in A 17 Hohenpriesters I]

 

 

 

[Seite 711]

 

Abschließendes Material

 

 

Nachträge und Berichtigungen.

 

[Seite 711] Zu S. 20 f. (zur Beschreibung der Ausgaben A –D). Eine frühere Umfrage hat zu den Drucken A –D eine Anzahl Exemplare nachgewiesen, die sich ohne Einsicht nicht sicher auf diese vier Spielarten des Urdrucks verteilen lassen, deren Fundorte aber hier summarisch mitgeteilt werden sollen. Es sind: Arnstadt (2), Aschaffenburg, Bamberg, Breslau St. und U., Dessau, Eisenach, Erfurt Mart., Erlangen Eßlingen, Frankfurt St., Göttingen (2), Halle Mar. und U., Hamburg (unvollst.), Hannover Kgl., Helmstedt (2), Jena (2), Veste Koburg, Leipzig U., Lübeck St., Münster, Nördlingen, Nürnberg G. M. (2), Rostock, Weimar, Wittenberg (2), Worms, Zittau; Olmütz, Petersburg, Zürich St.

 

[A. G.]

 

 

Zu S. 42, 19. Der graue Rock ist der unscheinbarste und darum häufigste von allen. Aus Demut hat Christus nach der Vorstellung des Mittelalters einen grauen Rock getragen, Literatur darüber in Goedekes Grundriß I2 67, so stellt es aber auch noch 1522 Niklas Manuel im Eingang seines Spiels Von Papsts und Christi Gegensatz dar: Wer ist der gůt fromm biderman, Der da ein grawen rock treit an Und uf dem schlechten esel sitzt Und treit ein kron, von dörnen gespitzt? Zugleich ist der graue Rock höfisches Almosen, das den Fahrenden gereicht wird, darüber belehrt der König Rother und die bei Goedeke a. a. O. genannte Literatur, von da aus ist das 9. Kapitel von Murners Schelmenzunft 1512 Eyn grouw rock verdienen zu verstehen, an das wohl Fischart 1575 im Gargantua Neudr. 186 anspielt: die groen Roeck, die man zu Hof verdienet. Im 15. Jahrhundert tritt er (in Kellers Fastnachtspielen 157, 21 ff.) geradezu als Strafe auf: man sol ... in drei tag darnach setzen Bei der fleischprucken in den stock, Anlegen ein langen groen rock, Geringschätzung liegt auch in der Stufenfolge das. 776, 27 ff.: Scholt sie (die Röcke) durch stet mancher tragen, So müst er tragen gra, Den man siht tragen pla. Vor allen aber ist grau der Rock des Bauern und so kennt es Luther. Von hier aus ist zu verstehen, daß Karlstadt als ‘Bruder Endres’ einen grauen Rock anlegte, worüber sich Luther 1525 Erl. Ausg. 29, 140 erregt: Diese Toedtunge handeln diese falsche Propheten auch nicht recht; denn sie nehmen nicht an, was ihnen Gott zufugt, sondern was sie selbs erwaehlen, tragen graue Roecke, wollen Bauren gleich sein, und des Narrenwercks viel; entsprechend daselbst 177. 210. 226. Ickelsamer nimmt 1525 Clag etlicher brüder a ija (Braunes Neudrucke Nr. 118 S. 43) Karlstadt in Schutz: Solts darzů noch eyn schand vnd vnrecht sein, mit den eynfeltigen vnd armen bauren eyn grawen rock tragen? welche christliche demütikeyt du dem Carolstat hones weise, vnnd als eyn heüchlerische gleißnerei vngetreülich fürwirffst. Noch 1673 ist der typische Bauernkittel grau, vgl. Christian Weises Erznarren Neudr. 93: Endlich giengen zween Maenner vorbey. Einer hatte ein grau Roeckgen an, und waere leicht vor einem Bauer mit hingelauffen, wenn er nicht ein Haelsgen umbgehabt.

 

[A. G.]

 

 

Zu S. 43, 1/2. Es sind ihenseit des bergs auch leute, in Luthers Sprichwörtersammlung Nr. 51 in der Form: Jhenest des berges sind auch leute, mit vielen Nachweisen von Thiele aus Luther. Der dort zuletzt angeführte: [Emser] kan nit dencken, das noch leut auff erden seyen 1521 Unsre Ausg. Bd. 7, 625, 30 hat wohl Emser veranlaßt, in seiner Quadruplica 1521 Cija zu antworten: Horest du monch, das du die schrifft noch nit gar fressen

 

 

 

[Seite 712]

 

hast, vnd das yhenhalb des bachs ouch lewt seyn? und E ij a: dann die frosch auff vnser seyten, got lob, nith so gar blind sint, als die yhenhalb des bachs. Da es sich um den Streit zwischen einem Wittenberger und einem Theologen des Dresdner Hofes handelt, könnte man an die Elbe denken, wenn die Wendung nicht schon völlig erstarrt und noch weithin im Gebrauch wäre. Hans Sachs denkt, manchmal erkennbar, an die Pegnitz, wenn er allein zwischen 1534 und 1566 fünfzehn Schwänke (den 39. 94. 106. 113. 123. 151. 198. 215. 249. 325. 333. 342. 361. 366 und 387 der Neudrucke) mit einer Formel schließt wie: Der fuendt hie vnd jenset des bachs Viel Hoffgesindes, spricht Hans Sachs. Auch bei Oberdeutschen ist die Wendung heimisch, vgl. Martin Butzers Brief an Landgraf Philipp von Hessen vom 18. Januar 1546: es weren nach fil guter leut auch jenseit des bachs, die wurden unß, so wir brechten, das der warheit gemeß, dapffer zuspringen; Zimmersche Chronik IV 330: Jenhalb Bachs sein auch Leut; Theobald Hock 1601 Schönes Blumenfeld Neudr. 116: Jetzt waist, das Leuth ohn grausen Jenseit deß Bachs auch hausen; Moscherosch 1642 Gesichte Philanders hg. von Bobertag 190: Da gedachte er aber bey sich selbst: vielleicht hats jenseits deß Wassers auch Leute, zog vber Meer vnd kam in eine Jnsel; Hermann Fischers Schwäb. Wtb. I 551 aus einer Ulmer Handschrift von etwa 1700: Eß hat geheissen: über den Bach sind die Leüth auch dahaimb, die vonn der Farb reden können. Seit dem 17. Jahrhundert kommt daneben die andere Wendung auf, die Schiller 1804 im Tell III 3 vom Knaben Walther umspielen läßt, noch nicht voll entwickelt in Moscheroschs Gesichten 10 f.: Doch, solches eigentlich zu erkennen, nam ich mir vor, vber den blowen Berg in ein ander Land vnnd Reich zu ziehen, vmb zusehen, ob daselbsten Treu vnd Religion, Glauben vnnd Redlichkeit auch also vermummet, oder ob sie besser zu finden, ehrlicher gehalten vnd belohnet wirden. Zuerst in typischer Prägung in Grimmelshausens Simplicissimus 1669 Neudr. 111: daß sich dannenhero, Doctor hin oder Doctor her, viele vergeblich einbilden, sie seyn allein witzig und Hans in allen Gassen, dan hinter den Bergen wohnen auch Leute. In dieser verbreiteten Gestalt ist die Wendung nicht auf Deutschland beschränkt, vgl. Joh. Ludv. Heiberg 1813 Pottemager Walter 1 2 Da du fortalte mig om andre Lande, Om andre Mennesker bag hine Berge. In der Tiefebene muß die Anschaulichkeit verblassen, so bei Fritz Reuter 1859 Hanne Nüte 34: süs wahn'n hir achter ok noch Lüd'. In moderner Mundart finden sich zwei Abarten der älteren Wendung, im Elsaß: Er is vo ene am Bächle, ene am Rin = ist ein Altdeutscher (Martin-Lienhart I 42b), in Schwaben: Der ist 'nüber über de Bach = nach Amerika ausgewandert (Fischer 1 551). — Ein selbständiges Leben hat bis ins 16. Jahrhundert eine nur dem Wortlaut nach anklingende ‘scherzhafte Localisierung allgemein üblichen Thuns’ wie es Liebrecht Germania hg. von Pfeiffer 7 (1862) 498 genannt hat, geführt, die zuerst um die Mitte des 13. Jahrhunderts beim Tanhûser (Bartschs Liederdichter Nr. 47 V. 86 ff.) auftritt: Von amûre seit ich ir, daz vergalt si dulze mir: si jach, si lite ez gerne, daz ich ir taete als man den frowen tuot dort in Palerne; weiter in Von der Hagens Gesamtabenteuern II 301: eins spiles si dâ begunden alsô man jensît Rînes tuot; im 16. Jahrhundert mit Annäherung an die vorige Wendung, so wenn Niklas Manuel 1525 im Ablaßkrämer V. 200 ff. eine über ihren Beichtvater klagen läßt: Er het mir zwo kronen enttragen Allein darum, daß ich im gebichtet han, Daß ich mit minem fromen elichen man An einem vasttag tet, das man enent em bach tůt; oder wenn Burkard Waldis 1548 im Esopus IV 81, 9 f. (hg. von Kurz II 203) ein junges Weib einen alten Mann nehmen und dabei denken läßt: Er kan dir doch nit geben muth Wie man jensit des Wassers thut.

 

[A.G.]

 

 

Zu S. 69, 18 der Egyptischen zippeln und knoblauch — zippeln s. v. a. Zwiebeln, ndd. cipollen s. Walther-Lübben; ital. cipolla.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 79, 21 drinnen &c.. — Die an dieser Stelle vorhandene Schwierigkeit wird behoben, wenn man statt des Punktes nach ‘drinnen’ ein Komma setzt, so daß das ‘Nach dem’ ordnungsmäßig den Nebensatz einleitet. Durch diese Änderung würde sich auch Anm. 2 erledigen.

 

[O. B.]

 

 

 

[Seite 713]

 

Zu S. 140 A. 2. — Die dort ausgesprochene Vermutung, für kaum recht etwa kaum unrecht zu lesen, dürfte sich erledigen, da kaum recht mit Klaiber Z. f. dtsche. Phil. 26, 33 als ‘eben recht’ zu verstehen ist; vgl. auch oben S. 524, 16 und Anm.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 142 A. 2 Welsche Hochzeit, florentzische Breute vgl. S. 337 A. 7 und unten Nachtrag zu S. 323, 30 ff.

Zu S. 147, 9 verkomen. — Wegen des Akkusativobjektes erscheint hier wohl die Übersetzung verkomen = ‘verhüten, verhindern’ als passender; ähnliche Fälle vgl. D Wtb. 12, 679 unter verkommen Nr. 4.

 

[A. G.]

 

 

Zu S. 147, 9 gesein. — Alle die 24 Belege des D Wtb. 4, 1 (2. Teil) 4024 für den Infinitiv ‘gesein’ bieten diesen neben Formen von können oder mögen, ebenso die bei Dietz s. v. Vgl. Paul, Mhd. Grammatik6 § 309.

 

[A. G.]

 

 

Zu S. 151 Ausg. A der ‘Heerpredigt wider den Türcken’. — J. Luther notiert noch folgende Spielart von A: Beschreibung wie A., nur die Jahreszahl auf Titelblatt gesperrt gedruckt: “M D XXIX.”

Aber auf Bogen A und anscheinend auf Bl. G 1ab G 2b G 3ab G 4b neuer Satz. Vgl. A2a Z. 20 erwuer-||get (statt erwuer || get); A 2b Z. 6 villeicht (statt vielleicht); A 3a Z. 11 pusfertigen (statt pusfertigen); A 3b andern ... zun || (statt ander ... zu den ||); A 4a Z. 12 Keiserthum (statt keiserthum); A 4b Z. 16 getoedtet (statt getodtet); und viele andere Abweichungen.

Ferner: G 1a Z. 8 blatern (statt blattern); G 1b Z. 11 strenge, || (statt strenge ||); G 2b Z. 15 denn (statt den̄); G 3a Z. 1 schen || den (statt schen- || den); G 4b Z. 9 dreyssigsten (statt dreissigsten). — Aber in einigen Exemplaren gemeinschaftlich Bl. G 4a Z. 5 knecht sein.

Vorhanden: Wernigerode Hc 248 (3).

Das Exemplar Berlin Luth. 5391bis hat Bogen A wie A, und nur Bogen G wie das hier verzeichnete Exemplar Wernigerode.

 

[J. L.]

 

 

Zu S. 152. Zum Drucke B. — Die Karte der alten Welt, die sich in dem Druck B vom Jahre 1530 und ebenso in Justus Jonas' Schrift Das siebend Capitel Danielis (Wittenberg, Hans Lufft), sowie in Luthers Übersetzung Der Pro-|| phet Daniel || Deudsch. || Marti. Luther. || Wittemberge. || 1530. || (Titel in Einfassung; am Ende: Gedruckt zu Wittemberg, || durch Hans Lufft. ||) findet, ist die Darstellung von Daniels Traum (Dan., Kap. 7). Vgl. auch Unsre Ausg., Bibelübersetzung 2, 484 f.

 

[J. L.]

 

 

Zu S. 152 Druck G. — Dieser Druck ist identisch mit dem in der Erl. Ausg. 31, 81 unter Nr. 5 beschriebenen Exemplare.

 

[J. L.]

 

 

Zu S. 214 A. 2. betoren vgl. aber Dietz s. v. betheren, die Bedeutung dieselbe wie ‘beschmeissen’, eig. sich mit Teer beschmutzen, s. D Wtb 1, 1701 s. v. betheren.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 225 A. 3. Wir mussen yhm auch deudschland heissen vielleicht = wie den Italienern, die es auf alles, was deutsch heißt, abgesehen haben.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 238ff. ‘Vermahnung.’ — Zu Luthers “Vermahnung an die Geistlichen” und “Brief an den Kardinal Erzbischof zu Mainz” ist noch eine Tischrede Luthers hinzuzunehmen, die aus den ersten Monaten des Jahres 1532 stammt und uns in doppelter Aufzeichnung überliefert ist:

Cordatus Nr. 536 [wir zitieren Cordatus nach der Zellerfelder Handschrift, daher die Abweichungen von Wrampelmeyers Ausgabe]:

Jch Habe mich gnug gegen yhn [den Papisten] erbotten in der ‘vermanung’, es wil aber nichts helffen, Ad quod D. Ionas, eos dixisse Augustae, Was solt wir radschlahen, Jst doch alles bereyt beschlossen, Sed post octiduum eos illius libri penitus oblitus /Schlaginhaufen Nr. 92:

Jch hab mich genug gegen im [lies in] repotten in der ‘vermanung’, me laborem et passiones propter Christum velle habere, modo ipsi tollerarent nos. Es will aber nichts helfen. Respondit D. Ionas: Magnus est liber iste, et maxime commovit primo

 

 

 

[Seite 714]

 

esse, Donec veniret p̄s̄ 2 ‘Quare’, O wie lang war vns die weile, Sed rursus levabamur luctu nostro vestris literis, maxime allegoria de Sole lucente et nube. /papistas Augustae, dicentes, was sollen wir ratschlagen, ist doch bereitt alles beschlossen; et tamen in octiduo omnino oblitos illius libri securissimos factos esse.

[Die Münchner Handschrift Clm 943 f. 168 fährt fort:] Deinde venit secunda pars [lies secundus psalmus], iterum eos irritans. O wie lang war vns die zeitt alda, quam suspira[ba]mus. Et nostrae [lies vestrae] literae erant nobis summa refrigeria, praecipue de nube et sole splendente et eius allegoria [vgl. de Wette IV 127]

(Aus einem Text dieser Nachschrift stammt Förstem.-Binds. III 353.)

Nach Schlaginhaufens Text ist klar, daß Luthers Bemerkung, er habe sich genug gegen die Papisten in der ‘Vermahnung’ erboten, sich auf den Abschnitt oben S. 340 ff. bezieht. Angesichts dieser Erklärungen Luthers schien den Gegnern weiteres Ratchlagen aussichtslos, da doch alles bereits “beschlossen”, d. h. die Position Luthers unabänderlich fest war; weitere Verhandlungen waren also überflüssig. — Zu Luthers Auslegung von Ps. 2 vgl. auch noch die Tischrede Cordatus Nr. 635: D. Ionas dixit: Jch mein, D., yhr insultirt Got im psalm Quare fremu: gent: [Handschrift Ant: es muß aber gent: heißen (Quare fremuerunt gentes)], Den ich [nämlich Luther] gen Auspurck schickte, Cui respondi, Welcher prophet hat gott nicht gescholten? Iob a principio pacientiss: tandem fiebat impacientiss:

 

[O. C. u. G. Kawerau.]

 

 

Zu S. 266 A. 93. Vgl. noch meinen Aufsatz: Eine seltsame Christusreliquie, Archiv für Kulturgesch. 7, 137 –144.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 278, 20 Jn bus Correptam. — Auf diesen Ausdruck lenkte Kawerau, Ztschr. f. deutsche Philologie 24, 42 f. die Aufmerksamkeit. Er hatte ihn auch noch in den Tischreden gefunden (Erl. Ausg. 61, 282), wo es in einer Schilderung des Todes des Wiedertäufers Hetzer heißt: Als er nun gerichtet werden und sterben sollte, da fuhre er auch in bus correptam. Kawerau trug dann (Z. f. dtsch. Ph. 24, 424) noch eine zweite Stelle aus den Tischreden (Erl. Ausg. 61, 104) nach, wo Luther von Erasmus sagt: ist gestorben wie ein Epikurer, ohne einigen diener gottes und trost, ist gefahren in Bus correptam. Ein Deutungsversuch von Sievers brachte Kawerau auf die richtige Fährte (S. 424 f.): Es handelt sich um eine euphemistische Benennung der Hölle, die aus der lateinischen Grammatik stammt und zunächst als Schülerwitz verstanden werden will. Nicht allein, daß Angaben wie folgende: ‘genit.sing. [3. decl.] desinit in is correptam [scil. syllabam]’ ganz geläufig sind, sondern wir begegnen auch Tabellen über die Quantität der Endsilben in den verschiedenen Deklinationen, die in der 3., 4. und 5. Deklination mit ‘Ablativus in bus correptam’ endigen. Offenbar stammt diese Bezeichnung: ‘[desinit] in ... correptam [syllabam]’ aus einer alten, langjährigen Schulpraxis. Da ist wohl denkbar, daß ‘in bus correptam’ als letztes in der Reihe launige Bezeichnung des Lebensendes wurde, oder aber es ist möglich, daß eine Schultabelle, welche überhaupt die Quantität der Endsilben dozierte, zu ‘in bus correptam’ als Beispiel ‘Erebus’ aufführte und so jene scherzhafte Bezeichnung hervorrief.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 279, 22. schinderey eigentl. Straßenraub s. Lexer.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 282 A. 2. W. Köhler, Luther und die Kirchengeschichte S. 206.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 297 A. 5. Vgl. noch P. Fr. Bonaventura Kruitwagen, O. F. M., De Gulden Mis, De Katholiek, Dl. 130, blz. 438 vv.; Dl. 131, blz. 158 vv.; 464 vv.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 300 A. 1. Außer der hier genannten Oktavausgabe der Düsseldorfer Disputation gibt es eine Quartausgabe, die ebenfalls in der Zwickauer Ratsschulbibliothek vorhanden

 

 

 

[Seite 715]

 

ist: “Handlung vnd Disputation So zwi-|| schen des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd herrn || herrn Johans Friderich hertzogen zu Sachsen &c. Predican || ten Fridrich Mecum, ... ge-|| schehen vnd ergangen. || M. D. XXvij. ||”

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 323, 30ff. Vgl.: “Der Pro-|| phet Daniel || Deudsch. || Marti. Luther. || Wittemberge. || 1530. ||” Bl. Lijb (Randglosse zu Dan. 11, 37): “(Frawen liebe) Er wil sagen, das er jnn dem vnnatuerlichen laster schweben wird, da die Gottes verechter mit geplagt werden Ro. j, Das man heisst welsche hochzeit [vgl. S. 337 A. 7] vnd stummen sunde, ...”

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 327, 32 lies schlechts1 d. h. mit Anmerkungszeichen.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 328 A. 1. Statt die Pepst lies: der Papst.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 336, 27f. schmitzen wohl eher = quälen, s. D Wtb. 9, 1101 unten. druecken = treffen.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 338, 2 und 16. ehrlos = schändlich, wenn nicht Luther ehelos gemeint hat,

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 344 A. 2. In Werner Rolevinks Fasciculus temporum in der Ausgabe Coloniae H. Quentell 1481 (bei Hain 6929) Bl. d jb heißt es von dem Prokurator Valerius Gratus: ‘Iste palam vendit sacerdocium’ (vgl. Schürer, Gesch. des jüdischen Volkes II2, S. 168 f.). Kurz vorher wird Herodes erwähnt. Wahrscheinlich geht Luthers Angabe auf diese Stelle zurück. Herodes hat 7 Hohepriester eingesetzt, den Ananel aus Babylon zweimal (Schürer S. 167 f.). Vgl. auch schon 2. Makk. 4, 7 ff. 24; 14, 4 ff.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 363. Widerruf vom Fegefeuer, Druck B. — Nachträglich hat sich noch ein Druck gefunden, dessen Beschreibung völlig mit der von B gegebenen übereinstimmt, der aber mit B nur auf Bogen A —E gleichen Satz hat. Dagegen ist der letzte Bogen F neu, und zwar, wie der Augenschein lehrt, flüchtig neu gesetzt. Vermutlich war also Bogen F nicht gleich in genügender Anzahl gedruckt, so daß ein Neudruck in geringer Auflage stattfinden mußte. Vgl. F 1a Z. 1 rchte statt rechte, Z. 8 gema- || ht statt gema- || cht, F 2a Z. 2 branch statt brauch, F 2b Z. 10 Vud statt Vnd, F 3a Z. 11 si statt sie. — Vorhanden: Zürich St.

 

[J. L.]

 

 

Zu S. 378 A. 3. Katzenmeister = Ketzermeister (D Wtb. 5, 298); schon im 12. Jahrhundert wurde Ketzer mit Katze, dem Teufelstier, zusammengebracht (ebd. Sp. 639; vgl. auch Lepp, Schlagwörter des Reformationszeitalters, Leipzig 1908, S. 14); Katzenritter wäre = Sodomit (D Wtb. 5, 299 f.).

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 385 A. 1. Vgl. noch Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter S. 219 ff.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 391ff. Brief an den Kardinalerzbischof von Mainz s. oben zu S. 238 ff. Nachtrag zur ‘Vermahnung’.

Zu S. 453 A. 1 widder synnisch. — S. Unsre Ausg. Bd. 36, 256, 19, sehr häufig in Bd. 10 1 z. B. 4, 8; 7, 7; 8, 3 etc.; in der Bedeutung ‘nach verschiedener, entgegengesetzter Richtung’ scheint es Bd. 26, 13, 22 gebraucht, die dort gegebene Erklärung ‘sonderbar’ ist zu streichen, vgl. auch Lexer s. v. widersinnes.

 

[O. B.]

 

 

Zu S. 461 A. 3. Zu Puseronen vgl. noch Seidemann, Archiv f. Literaturgesch. 4, 4.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 465 –503 findet sich ein Exzerpt in Bos. q. 24s Bl. 214b, 215a –b der Jenaischen Bibliothek. Nur der Schluß könnte ein Konzept sein.

De clavibus M. L. [Zeile rot]

Primum faciunt Papistae clavem ‘ligandi’ illos, quos Christus liberat statutis, legibus, cultibus &c.. ‘solvendi’ non omnes (haec enim clavis rubiginem contraxit [474, 9] et multo inferior est priore) sed illos solum, qui [Bl. 215a] pecuniam dant. Haec vocatur dispensatio [474, 38]. Totum mundum potius perire sinerent quam suas damnatas leges labefactari, ne minuatur ipsorum autoritas, quae divinitus. 2. faciunt hic clavem errantem et non errantem. Si dignus es tua contritione, si meritus es tuis

 

 

 

[Seite 716]

 

operibus bonis, clavis non errat [476, 20. 35], quando solvit aut beneficia concedit. Quae est Antichristiana doctrina faciens claves, quae sunt verbum Dei, incertas. Quando ergo unquam possim esse certus, quod satis contritus sim aut meritus, Ut taceam, quod voluerunt omnia scire, etiam quod dignus sit homo coram deo ante claves. 3. Faciunt clavem potestatis [487, 30] super omnia imperia et potestatem in coelo et in terra, C. pastoralis [448, 15] C. Solitae. Et clavem scientiae super omnem doctrinam, super omnia iura humana et divina, super omnium iudicium et causas, C. Iudicantium [489, 7] throni, C. Cuncta. Hac clavi multum sanguinis fuderunt et omnia bellis permiscuerunt [490, 10]. Prima autem et secunda clave occiderunt animas, ligant et solvunt etiam peccata sed ficta, reliqua eis nihil sunt. (Vid. libell. De clavibus G 2 rot) d. h. S. 492, 12:] Daneben wollen wir solche wisse [wercke] schlussel nicht haben noch leiden ..... Bindschlussel oder blindeschlussel, der da gesetz foddert [stellet] ... behalten [492, 20]. Vom Lereschlussel, den Christus nennet clavem scientiae und ist das Lereampt, Pfarramt, stehet Lucae XI und Matth. XXXIII, welchen auch die Pharisäer und Schrifftgelerten hatten, Zuvor aber vom Binde und Lose schlussel stehet Matth. 16 und 18., welche gehoren auff die sunde, Joh. 20, und macht keine weltliche herrn. Es heissen claves regni coelorum und claves Ecclesiae und nicht claves Papae. Der hat andere claves draus gemacht, wie gesagt: das Hausmuterlein Christi mus die Schlussel haben und nicht das schwerd. Haec sincere dicta sunt de abusibus tamen. Wer nu ein Christ wil sein [496, 9] ....... Denn unser Hertz Seel mus des gar trefflich gewis sein, darauff es sie sich [496, 23] Darnach dencke nicht, das [496, 26 f g.].

In ore Petri invenies claves &c.. [498, 4] [Tabelle: ] [Tabelle: ]

Lucae ultimo recte divide [503, 32].

 

[G. Koffmane.]

 

 

Zu S. 476 A. 1. Luther meint hier wohl dieselbe Stelle (die aber eben nicht aus Gregor stammt), die er einmal an seinem Tische anführte (Kroker, Luthers Tischreden in der Mathesischen Sammlung Nr. 610): Mit dem sententz im decretal hat der babst alles darnieder geschlagen, der da also heist: ‘Sententiae nostrae, etiam iniustae, sint formidabiles!’ Diesen sententz furchtet iderman. Kroker zitiert: Decret. 2, causa 11, quaest. 3, cap. 27.

 

[O. C.]

 

 

Zu S. 568, 17 Justinian. — Im Jahre 533 wurden die Institutionen, d. i. der erste Teil des großen Corpus iuris civilis publiziert. Die Publikation erfolgte durch einen Erlaß Kaiser Justinians, überschrieben: In nomine domini nostri Iesu Christi. Der Text selbst beginnt mit den Worten: Imperatoriam maiestatem non solum armis decoratam, sed etiam legibus oportet esse armatam ... Hiernach hat der ganze Erlaß seinen Namen Constitutio Imperatoriam Maiestatem bekommen. Von der Umstellung einzelner Worte, zumal des oportet abgesehen, ist das Zitat Luthers genau. Die in Frage stehende Konstitution ist in jeder Corpus iuris-Ausgabe den Institutionen vorangedruckt. Strenggenommen entstammt also das Zitat nicht dem Corpus iuris, sondern der dem Corpus iuris bei seiner Publikation beigegebenen Konstitution Justinians.

 

[K. D.]