D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. 30.
Band. Zweite Abteilung
Weimar
Hermann Böhlaus Nachfolger 1909
[Seite iii]
Die Schriften der Jahre 1529 und 1530
bilden für die Herausgabe noch einmal eine besonders schwierige Etappe. Zu der
großen Anzahl der Stücke kommt eine Überlieferung, die auch vielfach die
Handschriften-Originale bietet, und dies teilweise in einer von der gedruckten
so abweichenden Form, dass eine Parallelwiedergabe nicht möglich war, wie z. B.
bei der Schrift ‘Von den Schlüsseln’, oder der handschriftliche Teil verlangte,
wie es bei der ‘Vermahnung’ geschehen ist, eine besondere Untersuchung für
sich, oder es galt, eine Reihe zum Teil verstreuter Bruchstücke erneut richtig
zu bestimmen und den verschiedenen Schriften zuzuweisen, wie es Koffmane bei
den Stücken ‘De iustificatione’, ‘De potestate leges ferendi’ &c.. scharfsichtig
getan hat. Auch der bibliographische Teil bot infolge einer vielfach
komplizierten Druckgeschichte mannigfache Schwierigkeiten. Viele Hände mussten
tätig sein, um diesen Band unter Dach zu bringen, sie mussten auch gelegentlich
ineinander arbeiten, so daß die Grenzen der einzelnen Tätigkeit manchmal etwas
gegeneinander zerfließen.
Die hier vorliegende zweite Abteilung
der Schriften der Jahre 1529/30 erscheint vor der ersten, welche u. a. die
Katechismen und die an das Marburger Religionsgespräch sich anschließenden Publikationen
bringen soll, weil grade jetzt im 30. Band der Zeitschrift für
Kirchengeschichte erschienene einschneidende Forschungen H. von Schuberts über
die Schwabacher und Marburger Artikel usw. noch mitverwertet werden sollten.
Die erste Schrift des vorliegenden Bandes, ‘Von heimlichen und gestohlenen
Briefen’, gehört dem Streit Luthers mit dem Herzog Georg von Sachsen an. Die
Arbeit der Herausgabe ist — ebenso wie bei den Schriften ‘Vom Kriege wider die
Türken’ und
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‘Heerpredigt wider den Türken’ — so
zwischen F. Cohrs und A. Goetze verteilt, daß die Einleitung in jedem Falle von
Cohrs, das Übrige einschließlich der Bibliographie von Goetze herrührt (vgl.
auch Nachträge S. 711), nur gelegentlich (S. 20 ff.) hat hier J. Luther
bibliographisch beigesteuert. Bei den folgenden drei Schriften, der ‘Vorrede zu
Justus Menius’ Oeconomia christiana’, der ‘Vorrede zu Melanchthons Auslegung
des Kolosserbriefes, deutsch von J. Jonas’ und der ‘Vorrede zu Venatorius’
Tröstlicher Unterricht für den sterbenden Menschen’ stammen die historischen
Einleitungen und die Texte, ebenso Vorarbeiten zur Bibliographie und zu den
Lesarten von O. Albrecht, die weitere Bearbeitung der Bibliographie von A.
Goetze her, dieser hat zugleich die germanistische Bearbeitung der Vorreden zum
Kolosserbrief und zu Venatorius besorgt, während die germanistische Bearbeitung
der Oeconomia von O. Brenner geliefert ist.
Die folgenden Schriften sind zunächst
sämtlich von O. Clemen bearbeitet, die Bibliographien rühren von J. her, den O.
Clemen, ebenso wie bei der ‘Vermanung’ O. Brenner, gelegentlich unterstützte.
O. Brenner hat dann auch den germanistischen Verarbeitungen wiederum seine
bewährte Kraft geliehen und im übrigen durch den Band hindurch die Texte seiner
Durchsicht unterzogen; bei den ‘Schlüsseln’ rührt von ihm auch der gesamte Text
her, während O. Clemen die Einleitung und einen Teil der sprachlichen
Anmerkungen verfaßt, sowie die Korrektur des handschriftlichen Teiles nach dem
Originale an Ort und Stelle in Nürnberg (die dortige Stadtbibliothek versendet
Lutherhandschriften leider nicht mehr) gelesen hat. Die Herausgabe des
‘Sendbriefs vom Dolmetschen’ verdanken wir Oberlehrer Lic. F.
Herrmann-Darmstadt, welcher somit zum ersten Male in die Reihen der Mitarbeiter
an der Lutherausgabe eintritt; die Bibliographie stammt auch hier von J.
Luther. Einer Reihe von Entwürfen Luthers, deren Einzelbedeutung Berbig bei
seiner Veröffentlichung nicht voll erkannt hat, wies Koffmane ihre richtigen
und wichtigen Plätze zu (De iustificatione &c..); hierbei hat Clemen die
Berbigschen Abdrucke nach der Handschrift neu verglichen, einiges von Koffmane
Bezeichnete neu abgeschrieben und dann noch bei der Herausgabe der ‘Sprüche,
mit denen sich Luther getröstet’, deren eigentlichen Charakter als einer
Kompilation aus Luthers Briefen bis ins einzelne nachgewiesen.
Nicht in diesem Bande aufgenommen sind
die ‘vier öffentlichen Notbriefe’ in Sachen des Hornungschen Ehezwistes; denn
wenn auch Luther mit der Drucklegung dieser Briefe die Sache an die
Öffentlichkeit brachte, so sind die Briefe dennoch um des mehr persönlichen
Anstriches der ganzen Angelegenheit willen und darum, weil die ‘öffentlichen’
Briefe schlecht von der andern
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privaten Korrespondenz in dieser Sache
zu trennen sind, zur Herausgabe unter die ‘Briefe’ verwiesen worden. Dann
beschäftigte sich Luther 1530 auf der Coburg neben dem Psalter und den
Propheten eine Zeitlang mit Vorliebe auch mit den Fabeln Esopi. Da er aber
diese Arbeit wieder liegen ließ und 1538 noch einmal an sie heranging —
freilich wieder ohne abzuschließen —, erschien es mißlich, die hierher
gehörigen Arbeiten Luthers auseinanderzureißen, und so soll die Arbeit an den
Äsopischen Fabeln erst in dem Bande der Schriften 1538 im Zusammenhange
gewürdigt werden. Die Psalmenbearbeitungen jener ganzen Jahre werden in einem
gesonderten Bande gegeben. Die Ratschläge (z. B. vom
Eine kurze Bemerkung erfordert die
Wiedergabe der Schrift ‘Das 38. und 39. Kapitel Hesekiel vom Gog’. Zunächst ist
sie ja ein Bestandteil der Bibelübersetzung und folgerichtig ist somit das
handschriftliche Original unter Luthers eigenen Niederschriften zur
Bibelübersetzung in Unsrer Ausgabe, Die deutsche Bibel Bd. 2, 149 –153
abgedruckt (der Band wird im Herbst erscheinen). Dann aber hat dieser
Abschnitt, wie die damals erfolgte besondere Drucklegung, die Vorrede und die
Randglossen beweisen, doch auch durchaus als selbständige Flugschrift zu
gelten, erwachsen aus den politischen Verhältnissen des Jahres 1530, und dazu
bestimmt, der damaligen Christenheit durch den Nachweis, daß die gefürchteten
Türken schließlich einem göttlichen Strafgericht erliegen werden, Trost und
Aufrichtung zu gewähren. Um dieses ganz besonderen, selbständigen Zweckes
willen haben wir trotz jener Wiedergabe des handschriftlichen Teiles in Bibel
Bd. 2 hier auf die nochmalige Wiedergabe des kurzen handschriftlichen Stückes,
wie eine solche ja auch sonst üblich ist, nicht verzichtet. Es wurde hier
natürlich auf den Abdruck in Bibel Bd. 2 besondere Rücksicht genommen.
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In dem ‘Briefe an den
Cardinalerzbischof von Mainz’ mußte von der gewöhnlichen Blattbezeichnung
abgewichen werden. Da wo die Zahlbezeichnung eines Blattes im Originale fehlt,
haben wir unsrer Übung gemäß stets arabische Ziffern eingesetzt, im übrigen die
Ziffernbezeichnung des Originales beibehalten (also Bl. B 1, Bl. 4, dagegen Bl.
Bij, Bl. iij &c..). Nun aber sind schon im Originaldruck des ‘Briefes an
den Cardinalerzbischof’ für die Blattbezeichnung arabische Ziffern benutzt; es
mußte daher diese Bezeichnung herübergenommen und die unbezeichnet gebliebenen
Blätter anders charakterisiert werden, und zwar wurden jetzt deren Zahlen in
Klammern gegeben, also Bl. B (1), B (4); dagegen Bl. B 2, B 3.
Bezüglich des Nachweises der Stellen,
an denen sich die einzelnen Schriften später noch abgedruckt finden (in
Gesamtausgaben &c..), ist zu bemerken, daß von jetzt an auch die zweite
Auflage von Walch (D. M. Luthers Sämmtliche Schriften, herausgegeben von J. G.
Walch. Aufs neue herausgegeben im Auftrage des Ministeriums der Deutschen
evangelisch-lutherischen Synode von Missouri, Ohio und anderen Staaten. St.
Louis, Mo.; Zwickau, Schriften-Verein i. K. 1880 –1904, 22 Bde.) stetig
mitberücksichtigt werden soll.
Die Kollation des Druckes C der
‘Vorrede zu Amos’ hat, da die Königliche Bibliothek in Berlin infolge des
Umzugs geschlossen war, A. Goetze nach dem Freiburger Exemplar freundlichst
besorgt; bei dem Lesen der Korrekturen wurde ich von Dr. Rudolf Pechel
unterstützt.
Berlin, April 1909.
Karl Drescher.
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[Seite vii]
Seite
Vorwort III
1. Von heimlichen und gestohlenen Briefen
1529, herausgegeben von F. Cohrs und A. Goetze 1
2. Vorrede zu “An die hochgeborne,
Fürstin Frau Sibylla, Herzogin zu Sachsen, Oeconomia Christiana, das ist von
christlicher Haushaltung, Justi Menii” 1529, herausgegeben von O. Albrecht, O.
Brenner und A. Goetze 49
3. Vorrede zu “Die Epistel S. Pauli zun
Colossern durch Philippum Melanchthon zum andern Mal ausgelegt, verdeutscht
durch Justum Jonam” 1529, herausgegeben von O. Albrecht und A. Goetze 64
4. Vorrede zu “Ein kurz Unterricht, den
sterbenden Merschen ganz tröstlich und seliglich furzuhalten” von Thomas
Venatorius 1529, herausgegeben von O. Albrecht und A. Goetze 70
5. Vom Kriege wider die Türken 1529,
herausgegeben von F. Cohrs und A. Goetze 81
6. Heerpredigt wider den Türken 1529,
herausgegeben von F. Cohrs und A. Goetze 149
7. Vorwort zu dem Libellus de ritu et
moribus Turcorum 1530, herausgegeben von O. Clemen 198
8. Vorrede zu Menius, Der Wiedertäufer
Lehre 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 209
9. Vorrede zu Spenglers Auszug aus den
päpstlichen Rechten 1530, herausgegeben von O. Clemen 215
10. Das 38. und 39. Capitel Hesekiel
vom Gog 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 220
11. Vermahnung an die Geistlichen,
versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg, Anno 1530, herausgegeben von O.
Clemen und O. Brenner 237
12. Glossen zum Dekalog 1530,
herausgegeben von O. Clemen 357
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13. Widerruf vom Fegefeuer 1530,
herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 360
14. Brief an den Kardinal Erzbischof zu
Mainz 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 391
15. Propositiones adversus totam
synagogam Sathanae et universas portas inferorum (Artikel wider die ganze
Satansschule und alle Pforten der Hölle) 1530, herausgegeben von O. Clemen und
O. Brenner 413
16. Von den Schlüsseln 1530,
herausgegeben von O. Brenner und O. Clemen 428
17. Eine Predigt, daß man Kinder zur
Schulen halten solle 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 508
18. Vermahnung zum Sakrament des Leibes
und Blutes Christi 1530, herausgegeben von O. Clemen und O. Brenner 589
19. Sendbrief vom Dolmetschen 1530,
herausgegeben von F. Herrmann und O. Brenner 627
20. Vorwort zu In prophetam Amos
Iohannis Brentii expositio 1530, herausgegeben von O. Clemen 647
21. De Iustificatione 1530,
herausgegeben von G. Kossmane 652
22. De potestate leges ferendi in
ecclesia 1530, herausgegeben von G. Kossmane 676
23. Weitere Entwürfe Luthers 1530,
herausgegeben von G. Kossmane
1. Zu “Vermanung zum Sacrament &c..” 691
2. Von Fürbitte der Heiligen 694
3. Sermon am Tage Matthäi 694
4. περὶ τῆς μουσικῆς 695
24. Etliche tröstliche Vermanungen in
sachen das heilige göttliche Wort betreffend (Sprüche mit denen sich Luther
getröstet hat) 1530, herausgegeben von O. Clemen 697
25. Nachträge und Berichtigungen 711
[Seite 1]
[Einleitung]
[Seite 1]
Der Streit Luthers mit dem Herzog Georg
von Sachsen in den Jahren 1528 und 1529, dem unsre Schrift als wichtigstes
Dokument angehört, bildet ein erbittertes Nachspiel zu den Packschen Händeln.
Es ist jetzt wohl allgemein anerkannt,
daß das von dem herzoglich sächsischen Kanzleiverweser Otto von Pack dem
Landgrafen Philipp von Hessen übergebene Schriftstück, das die Grundzüge des angeblich
von König Ferdinand, den Herzögen von Bayern und Sachsen, den Kurfürsten von
Mainz und Brandenburg, dem Erzbischof von Salzburg und den Bischöfen von
Würzburg und Bamberg zur ganzlichen Vernichtung der lutherischen Ketzerei am
[Seite 2]
Schreiben Georgs von Sachsen an Philipp
vom
Luther hatte sich nämlich nicht überzeugen
können, daß die ganze Sache auf Täuschung beruhe. Und sein Mißtrauen ist auch
wohl begreiflich. Das Dessauer Bündnis war zu dem Zweck geschlossen worden, die
“verdammte lutherische Sekte” auszurotten2, und der Mainzer Ratschlag hatte
denselben Zweck verfolgt (Unsre Ausg. Bd. 19, 252 ff.). Dazu waren gerade in
letzter Zeit katholischerseits mehrere Gewalttaten an Evangelischen geschehen.
Am
Zu keinem aber versah er sich mehr
alles Bösen, als zum Herzog Georg, der ihm kurzweg der Feind des Evangeliums
war. Überall, wo er etwas von Unterdrückung seiner Lehre hörte, war er geneigt,
irgendwie Georg von Sachsen dahinter zu wittern. Dieser Verdacht stand ihm
allmählich fest wie ein Glaubenssatz, von dem er geradezu nicht lassen wollte.
Er hatte freilich auch den Haß Georgs
in reichem Maße erfahren. Schon im Jahre 1520 kannte er ihn als seinen
erbittertsten Gegner, durch die Hartmut von Cronbergsche Briefaffäre (Unsre Ausg.
Bd. 102, 42 ff.) war die Feindschaft noch mehr verschärft, durch das Luther
abgerungene Versöhnungsschreiben, auf das der Herzog schnöde abweisend
geantwortet hatte, war sie zu einer unversöhnlichen geworden. In letzter Zeit
aber hatte Georg Luther mehrfach aufs neue gereizt. Zu der von Hieronymus Emser
im August 1527 herausgegebenen Übersetzung des Neuen Testaments hatte er eine
Vorrede voll heftigster Schmähungen gegen Luther und seine Bibelübersetzung
geschrieben und erst vor wenigen Monaten hatte er an die Herren von Einsiedel,
die teils unter kursächsischer, teils unter seiner Lehnshoheit standen,
[Seite 3]
den Befehl ergehen lassen, sie sollten
ihre ketzerischen Prediger durch “christliche Priester” ersetzen, sollten auch
selbst der römischen Kirche sich unterwerfen und Absolution von ihrem Bischof
erbitten, andernfalls aber ihre Güter verkaufen und das Land räumen.1
So macht sich denn gerade in dieser
Zeit Luthers Erbitterung wiederholt in kräftigster Weise Luft. Am
So hatte er denn auch für den
rechtfertigenden Brief Georgs vom
... Foedus istud Principum impiorum,
quod ipsi negant, vides, quantos motus moverit. Sed ego Ducis Georgii
frigidissimam excusationem fere pro confessione interpretor. Sed negent,
excusent, fingant, ego sciens scio, non esse foedus istud merum nihil aut
chimaeram, licet monstrum sit monstrosum satis. Deinde orbis novit, illos
animo, facto, edicto, studio pertinacissimo, hactenus talia publice tentasse et
fecisse, et adhuc facere. Extinctum enim volunt Evangelium, quod negare nemo
potest. Sed quid haec ad te, qui absque dubio certus de his omnibus es? Tantum
ut scias, neque nos istis credere impiis, licet pacem offeramus, optemus,
demus. Deus confundet4 istum
μωρότατον μωρόν,
qui sicut Moab plus audet
[Seite 4]
quam possit, et non secundum vires suas
superbit, sicut semper fecit. Orabimus contra istos homicidas, atque hactenus
sit eis indultum. Si denuo aliquid moliti fuerint, orabimus Deum, deinde
monebimus Principes, ut absque misericordia perdantur, quandoquidem sanguisugae
insatiabiles quiescere nolunt, nisi Germaniam sanguine madere sentiant. .....
Auf bisher unaufgeklärte Weise geriet
eine Abschrift dieses Briefes in Georgs Hände. Link war dabei nicht ohne
Schuld: er hatte den Brief mehrfach gezeigt, freilich seiner Ansicht nach nur
“etlichen gutherzigen frommem Herren und Freunden, und doch wenigen, als denen
er in mehrerem vertraute”. Christoph Scheurl, den man später in Wittenberg für
den Verräter ansah, schreibt an Georg selbst so entrüstet über die
Angelegenheit, daß man den Verdacht gegen ihn fallen lassen muß. Er bezichtigte
wiederum Wilibald Pirkheimer, der Johann Cochläus, dem Geheimsekretär des
Herzogs, die Abschrift zugestellt haben sollte. Aber Pirkheimer erklärt in
einer dem Rat von Nürnberg überreichten Beschwerdeschrift, daß er Luthers Brief
nie gesehen, geschweige denn abgeschrieben und verschickt habe. Georg
behauptet, ohne alle sein Zutun sei der Brief ihm zugekommen; “viele, die er,
wo nötig, wohl vorstellen könne, hätten das Original gesehen und gelesen”, — so
daß die Sachlage gänzlich undurchsichtig ist.1
Georg war ohnehin aufgebracht über die
Flucht der Herzogin Ursula von Münsterberg, seiner nahen Anverwandten, aus dem
Kloster in Freiberg; er hatte außerdem kürzlich in Luthers Schrift: “Bericht an
einen guten Freund, von beider Gestalt des Sakraments, auf Bischofs zu Meißen
Mandat” dessen Bemerkung von “verräterischen Anschlägen und Bündnissen” der
Feinde, “derer sie sich darnach selbst schämen müßten, wie der Anschlag zu
Mainz auch geschehen sei” (Erl. Ausg. 30, 378) — voll Ärger gelesen; so empörte
der Brief ihn aufs äußerste.
Am
Umgehend, am 31. Oktober, erwiderte
Luther mit dem nachher im Eingang unsrer Schrift von ihm abgedruckten Brief,
der, äußerlich ehrerbietig gehalten, doch dem Herzog den gegen ihn
angeschlagenen Ton verweist, ihm alte Sünden vorhält und ihm rät, wessen solche
Schrift sei, bei denen zu erkunden, so solche Zettel hätten zugerichtet und
gereicht, welche mehr, denn Luther, Fürstl. Gnaden verwandt und zugetan.
Durch diese Antwort nur noch mehr
gereizt, wandte sich Georg Beschwerde führend an den Kurfürsten. Gleichzeitig
aber sandte er seinen Sekretär Thomas von der Heide nach Nürnberg, um wo
möglich des Originals des Lutherschen Briefes habhaft zu werden. Am 13.
November traf dieser in Nürnberg ein und erlangte mit Hilfe Scheurls, dem Link
Luthers Brief, ohne zu ahnen, wozu er dienen sollte, ausgehändigt hatte,
wenigstens noch eine zweite sorgfältige Abschrift. Aber Georg war damit nicht
zufrieden; noch einmal wandte er sich brieflich an
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Scheurl, ob er “das Original zu seinen
Händen bringen und ihm zuschicken möchte, und ob er gleich hundert oder
zweihundert Gulden daraufsetzen sollte”, und richtet gleichzeitig ein ähnliches
Schreiben auch an den Rat von Nürnberg. Doch erlangte er das Original nicht:
wahrscheinlich hatte Link den Brief, als er hörte, wozu er mißbraucht worden
war, eiligst verbrannt.
Jnzwischen hatte der Kurfürst von
Luther einen Brief eingefordert, den er Georg einsenden könnte; schon am 25.
November hatte Luther dem Befehl Folge geleistet. Sein Brief war der
kurfürstlichen Kanzlei aber noch nicht höflich genug; er wurde von Brück noch
geglättet und dann von Luther noch einmal abgeschrieben. So ging er um den 14.
oder 15. Dezember an Georg ab, der am 11. Dezember sich schon erkundigt hatte,
ob man ihm nicht bald antworten würde.
Er hatte aber seinem Zorn auch noch auf
wirksamere Weise Ausdruck gegeben. Schon am 29. November hatte er Philipp von
Hessen mitgeteilt, nachdem Luthers Bosheit durch eine neue Kopie seines Briefes
aus Nürnberg sich ihm bestätigt habe, sei er entschlossen, nicht dazu zu
schweigen, sondern alles in einer Schrift aufzudecken und sich zu verantworten.
Diese Schrift:
“Welcher gestalt wir Georg von || gots
gnaden Hertzog zu Sachssen || Landtgraff in Duringen vnd Marg || graff zu
Meyssen von Martino Luther, des getich||ten Buendtnues halben inn schriefften
vn-||erfindtlich angegeben, Vnd || darauff vnnßere || antwort. || ❧ ||”
Rückseite des Titelblatts leer, 10 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am
Ende: “Gedruckt zu Dreßden durch || Wolffgang Stoeckel. ||” und darauf noch
eine Korrektur.
Vorhanden in Berlin (Flugschriften
1528, 12a), Hamburg, Königsberg U.1
lag am 19. Dezember schon in 8000
Exemplaren gedruckt vor.
Sie hebt an:
“Wiewol wir hiebevorn, als wir
anfengklichen des getichten Buendtnues halben, So wider die hochgepornen
Fuersten, vnnßere freundtliche lieben Vedtern, Oheim vnd Sohne, hern Johansen
Hertzogen zu Sachssen Churfürsten etc. vnd hern Philipsen Landtgraven zu Hessen
etc. solt sein auffgericht beschuldigt, vns der antwort haben vornehmen vnd inn
Drugk bringen, auch kegen dem vorgestelten desselbigen Buendtnues ansager Otten
Pack also vorantwortten vnd vnsere vnschuldt an tag bringen lassen. Das kein
bidermann mit aynigem glaubwirdigem schein vns wirdet auch mit dem
allerwenigisten haben ader wissen zutzumessen, das wir yemals von dem vorhaben,
davon das ertichte Buendtnues thut melden, gerathschlaget adder gehandelt.
Wollen geschweigen, das wir daruff etwas solten in ein Nottel vorfassen lassen,
adder sunst aynige wissenschafft darumb haben. Derhalben wir auch nicht
vnbillichen von mennigklich aller vordacht, betzichtung und nachrede, auch
ferner vorantworttung solten vberig sein. Ydoch weil Martin Luther vns solchs
nicht hat moegen aus seinem gefaßten neyde vortragen, noch die warheit vnßerer
[Seite 6]
offentlichen vnschuldt erkennen, Sonder
solch geticht Buendtnues vnd daruff vornemlich vns hin vnd wider in seinen
schrifften thut antzihen vnd in die leuthe zubilden Vnd wir vormercken, das
diesem mann one allen vnderscheidt vnd auff sehen seins vorgebens von vielen
glauben vnd zufall gegeben wirdet, So erfordert vnnßere nottorfft, solchs nicht
stilleschweigende zu vbergehen noch vnvorantwort zulassen, Sondern mennigklich
antzuzaigen, mit was bestande vnd grunde sich Luther in solchem seinem vorgeben
gehalten.”
Offenbar will schon der Titel den
Eindruck erwecken, als ob Georg wiederholt in gedruckten Schriften von Luther
verdächtigt sei, und diese Täuschung wird durch den Eingang des Büchleins noch
verstärkt. Aber wenigstens insofern rechtfertigt sich der Ausdruck “Schriften”,
als Georg schlauerweise nicht gleich mit dem Brief an Link beginnt, sondern aus
einer Druckschrift Luthers wirklich eine Stelle anzuführen weiß, die auf das
Bündnis anspielt, aus dem schon genannten “Bericht” nämlich “von beider Gestalt
des Sakraments”. Zwar erwähnt diese Schrift das Bündnis nur ganz nebenbei und
nicht einmal deutlich, nennt auch den Herzog überhaupt nicht, aber als
öffentliche Kundgebung bot sie für Georgs eigentliche Absicht doch eine
geeignete Handhabe dar. Und er tut denn auch zunächst, als sei ihm an ihr
besonders gelegen.
Anfänglich, sagt er, seien ihm jene
oben erwähnten Worte vorgekommen, in denen Luther, wie jeder merken könne, das
gedichtete Bündnis ansteche. Er habe sich zwar anfangs ihrer nicht angenommen,
auf daß nicht Luther sagen möchte, er habe mit ihnen jenes Bündnis gar nicht
gemeint; jetzt aber sei vor wenigen Tagen eine lateinische Schrift an ihn
gelangt, so Luther gegen Nürnberg an Wenzeslaus Link getan, die nicht nur das
Bündnis, sondern auch seine ausgegangene Entschuldigung deutlich nenne und sie
samt seiner Person “etwas heftig angreife”. Und nun ist er bei seinem Brief,
den er gewiß nicht ohne Grund als “lateinische Schrift” 1 bezeichnet, um ihn
nun nicht wieder zu verlassen, sondern von Wort zu Wort durchzuhecheln.
Zuvor aber bietet er ihn dem Leser dar,
im Originaltext sowohl, wie in deutscher Übersetzung, fügt auch die schon
zwischen ihm und Luther aus Anlaß des Briefes gewechselte Korrespondenz hinzu
und gibt Nachricht, wie er durch Nachfrage bei dem Nürnberger Rat die
Authentizität des Briefes erst habe feststellen müssen,
Dann beginnt er, eine allerkälteste
nenne Luther seine Entschuldigung und sage, er lege sie aus fast als ein
Bekenntnis. Sie habe aber den “Ansager solchen Gedichts” herausgebracht;
Luthers und Packs Worte sollten nur erst einmal wirklich Zeugen ihrer
Behauptungen beibringen, aber sie seien wahrhaft kalt und lügenhaftig. Zwar
habe sich Pack anfangs auf Heinrich den Jüngeren von Braunschweig
[Seite 7]
berufen wollen, der eine Kopie des
Vertrages bei Georg solle gesehen haben1, habe aber nachher, als man ihn um diese
Berufung befragt, einfach schweigen müssen. So sei Luther selbst der
allerkälteste Lügner; der Geist, dessen er sich rühme, sei nicht der Geist, der
Lüge für Lüge und Wahrheit für Wahrheit erkenne, sondern das Widerspiel. Darum
hätte er auch Georgs wahrhaftige Entschuldigung nicht in ihrer Wahrheit
erkannt. Erfülle ihn der Geist der Wahrheit, so hätte er die mancherlei Zeichen
der Unwahrheit an dem erdichteten Vertrage wahrgenommen; die Rechte, und
zuvörderst die geistlichen Rechte, hätten es ihm klar angezeigt.2 Aber er hätte
ja die geistlichen Rechte verbrannt, so möchte wohl sein, “daß ihm die Gnade
dieser Erkenntnis nicht unbillig entzogen”.3
So dürfe denn Luther aus Eingebung
seines Geistes schreiben — jetzt verschmilzt Georg Luthers Äußerungen in dem
“Bericht von beider Gestalt” mit Worten seines Briefes —, man habe wider seine
Fürsten das Bündnis gesucht und müsse sich dessen nun schämen, und man leugne,
entschuldige oder dichte es, so wisse er doch wissentlich, daß das Bündnis
nicht eitel Nichts, noch eine Chimäre sei. Er begründe doch seine Kenntnis,
indem er anzeige, was er selbst gesehen oder gehört, oder indem er mindestens
zwei unverdächtige Zeugen beibringe! Freilich er möge wohl selbst dabei gewesen
sein, als man solches Gedicht gemacht, habe vielleicht auch selbst dabei
geholfen4; so möge er allerdings wohl wissentlich wissen. Von diesem Verdachte
würde er ihn nicht eher loslassen, bis er bezwingende Ursachen seines
Schreibens aufzeige oder bis er seine Lügen öffentlich widerriefe.
[Seite 8]
Da das aber nicht von ihm geschähe, so
wisse ers auch nicht wärmer zu machen, denn er in seiner Entschuldigung getan,
und müsse sagen und schreiben, daß “der abtrünnige Mönch ihn anlüge als ein
verzweifelter, ehrloser, meineidiger Bösewicht”, wie solches die
Entschuldigung, die bei Luther die allerkälteste heiße, jeglichem, der ihn
nicht ohne Widerrede vom Verdacht befreie, zumesse und Schuld gebe.1 Bei Gott,
es solle nicht gefunden werden, der das Gedicht bestätige und glaubwürdig
mache, daß je etwas daran gewesen. Und da Luther selbst es ein wunderlich
Wunder nenne, so hätte ihm wohl gebührt, “sich gründlich darauf zu erfahren”,
statt einer solchen öffentlichen Lüge mit seiner wissentlichen Wissenschaft ein
falsches, unerfindliches Zeugnis zu geben.
Freilich er unterstünde sich ja mit
einer ganz unbegründeten Ursache seine Behauptung zu bekräftigen. Die Welt
wisse ja, sage er, daß die in dem erdichteten Bündnis genannten Fürsten solche
Dinge öffentlich mit dem Gemüte, mit der Tat, dem Gebot und allem Fleiß bisher
getan hätten und noch täten. Solle Talia hier etwas bedeuten, davon auch das
Bündnis sage, so sei es eben so erlogen, wie das Bündnis selbst, denn niemand
in der ganzen Welt könne ihn bezichtigen, daß er gegen den Kurfürsten und den
Landgrafen sich auch nur im geringsten unfreundlichen Willens und Gemüts
erzeigt habe. Wolle aber Luther darauf hindeuten, daß er die lutherische Sekte
in seinem Lande nicht habe einreißen lassen, so sei das ein ‘kindische
Einführung’; er habe schon oft gesagt, weshalb er Luthers verführerische Lehre
nicht für das rechte Evangelium achten könne. Meine indessen Luther das
Evangelium Christi, so sei, daß ers gerne wolle vertilgt sehen, eben so
glaubwürdig, wie die Beschuldigung wegen des erdichteten Bündnisses. Er solle
doch endlich einmal aufhören mit seinem Vorwurf, er habe dem Evangelium
widersagt! Aber mit den griechischen Worten, die er seiner Schrift eingemischt,
schmähe er ihn aufs neue als den närrischsten Narren und wolle — Georg hat hier
seine irrtümliche Übersetzung der betreffenden Worte: “Got schende den aller
närrischten narren” im Auge, von der wir noch weiter hören werden —, daß Gott
ihn um seiner Kühnheit und seines Stolzes willen, darin er ihn Moab2
vergleiche, schänden solle. Er habe sich nie sonderlicher Weisheit gerühmt,
aber zu der Torheit werde ihn Luther, wills Gott, denn doch nicht bringen, daß
er Lügen solle für Wahrheit halten. So fechte ihn denn auch wenig an, daß er
seines Gebetes sich fast rühme und darauf poche, hätte es nach seinem Willen
sollen zugehen, so müßte sein Fluchen, Schelten und Beten bisher gar viel mehr
Kraft und scheinbarliche Wirkung bewiesen haben. Er schelte ihn und die anderen
Fürsten auch Totschläger und unersättliche Blutsauger, die in deutschen Landen
gerne ein Blutvergießen sehen wollten; keiner aber denke daran, als er selbst,
der die Fürsten vermahnen wolle, sie ohne alle Barmherzigkeit zu verjagen. Wer
diese Fürsten seien, wisse er selbst am besten; hoffentlich lernten sie ihn
einstens kennen und “seiner Lügen baß wahrnemen”!
[Seite 9]
Damit spricht Georg zum Schluß deutlich
aus, was er in seiner Schrift schon wiederholt angedeutet. Er will nicht nur
von dem in Luthers Brief ausgesprochenen Verdacht sich reinigen, er will
zugleich, und zwar vor allem seine Standesgenossen, vor Martin Luther warnen.
Deshalb benutzt er jede Gelegenheit, sein Evangelium zu verdächtigen. Gleich,
daß Luther auf seine Anfrage sich nicht unumwunden als Schreiber des Briefes
angegeben, erklärt er eines ehrliebenden Mannes, der da vermeine evangelisch zu
sein, nicht für würdig; die Lehre Christi lege uns auf, stracks ja oder nein zu
sagen; so solle aus Luthers Verhalten genugsam zu spüren sein, was Gutes man
sich zu einem solchen habe zu versehen. Wenn er Luther einen Lügner schilt, so
vergißt er nicht hinzuzufügen, daß er durch solche öffentliche Lügen ihm noch
viel mehr Ursache gebe, auf seiner vorigen Meinung von Luthers Lehre gänzlich
zu beharren und zu bleiben. Bei Luthers Drohung, an die Fürsten sich wenden zu
wollen, bemerkt er, daran sei abermals das friedliche Evangelium Christi bei
ihm nicht zu spüren, sondern vielmehr, daß ihn nach Blut und Verderben
verlange; übrigens müsse er auf sein Gebet sich doch nicht allzuviel verlassen.
Auch gegen andere Schriften Luthers
führt er dabei gelegentliche Seitenhiebe. So hat er eine Äußerung Luthers in
der ihm zugekommenen Schrift “Wider den mordischen Ratschlag der Mainzischen
Pfafferei” im Auge, wenn er höhnisch ausruft, er habe bisher aus der heiligen
Schrift nicht erfahren, daß Christus, “einen alßo offentlichen und
vorsetzlichen luegener zu seinem Aposteln gebraucht und durch yhn das
Evangelium hette lassen vorkuendigen” (vgl. Unsre Ausg. Bd. 19, 261, 22 ff.);
und das Nachwort zu “Frau Ursulen, Herzogin zu Münsterberg, Ursachen des verlassenen
Klosters zu Freiberg” liegt ihm im Sinne, wenn er höhnt, nachdem Luther sich
jetzt habe lassen hören, er wolle Ecclesiasticam historiam schreiben von den
Wunderwercken, so in seinem Evangelio geschähen, so möge er seine Lügen wohl
mit darein setzen; sie würden sie fast wohl zieren (vgl. Erl. Ausg. 65, 168).
Jndem er aber feststellt, daß Luthers Geist ihn seine wahrhaftige
Entschuldigung als eine Lüge und ein Bekenntnis des Bündnisses hätte ansehen
lassen, ruft er den Argwohn wach, daß er “viel dergleichen lügenhaftige Deutung
in der heiligen Schrift, zuvoraus dem armen einfältigen Mann würde beigebracht
und eingebildet haben”.
Offenbar wird damit an die Erlebnisse
im Bauernkriege erinnert; sie werden wiederkehren, wenn man Luther gewähren
läßt. Deshalb noch einmal der ausdrücklich Hinweis, daß Luther nicht allein in
der “lateinischen Schrift” an Link ihn verdächtigt, sondern daß er “dem
gemeinen Mann die zuvor angezeigten Worte anderer Weise beigebracht.” So soll
man auf der Hut sein! zu allen und jedem Fürsten sei er ungezweifelter
Zuversicht, daß “sie sich einen solchen verlogenen Mann zu ungebührlichem
Vornehmen nicht reizen noch verführen lassen werden”. Die Schrift schließt:
“Wir wollen abgotwill dartzu
vnßerthalben nicht vrsach geben, Sondern vns kegen menniglich alßo zuvorhalten
wissen, das es vns sal allenthalben vnvorweißlich sein vnd mit der warheit
zuvorantwortten. Vnd langt demnach an menniglich vnd ein yedern nach seinem
Stande vnßer dienstlich freuntlich bitt, Gnedigs gesinnen vnd gueetlich beger,
sie wollen Martino Luthern in dem, das er von uns des getichten Buendtnues
halben geschrieben,
[Seite 10]
kein stat noch glauben geben, Sondern
uns derwegen aller vordacht vorwissen. Auch den Luther darvor achten, darvor
einer billich geacht vnd gehalten wirdet, der einem solchen offentlichen
getichte mit vorpfendung seiner wissentlichen wissenschafft, one allen grundt
vnd bestendige vrsach ein solch luegenhafftigk getzeugnues gegeben und von sich
geschrieben. Das wollen wir vmb ein yedern, wie sichs gepuerth willigk vnd
freuntlich vordienen In gnaden und allem gutthen vorgleichen vnd erkennen.”
Gleich unter dem frischen Eindruck der
Lektüre dieser Schrift schrieb Luther seine Entgegnung: “Von heimlichen und
gestohlenen Briefen”. Er hatte, noch bevor die Drucklegung beendet war, von
Georgs Vorhaben Kunde erhalten, und von der gedruckten Schrift wurde ihm gleich
heimlich ein Exemplar übersandt. Schon vor Ende Dezember hatte er seine
Gegenschrift beendet, und zur Neujahrsmesse 1529 wurde sie gemeinsam mit Georgs
Schrift im Buchhandel ausgegeben. Privatim freilich hatte Georg seine
“Verantwortung”, damit sie öffentlich angeschlagen würde, schon in alle Lande
versandt: an den Rat von Nürnberg und den Landgrafen von Hessen, den König
Ferdinand, den Erzbischof von Mainz, den Markgrafen von Brandenburg, die
Bischöfe von Salzburg, Würzburg und Bamberg, die Herzöge von Bayern, den
schwäbischen Bund, die Stadt Ulm, die Fugger in Augsburg, die sie nachdrucken
ließen, um sie weiter unter die Leute zu bringen.
Gleich am 19. Dezember wurde sie auch
dem Kurfürsten von Sachsen zugefertigt. Luther scheint nicht gleich erfahren zu
haben, daß sie schon am Hofe in Weimar eingetroffen war, denn am 31. Dezember
noch tröstet er seinen Herrn wegen des “närrischen und wütigen Büchleins, das
Herzog Georg seines Briefes halben auf den bevorstehenden Markt würde
auslassen”, gerade als wenn es zu der großen Mühe und Sorge des Kurfürsten, von
der Luther gehört, und die wohl zum größesten Teil auf Rechnung der Schrift zu
setzen war, noch etwas hinzubringen würde. Gleichzeitig bereitete er den
Kurfürsten auf das Erscheinen seines eigenen Buches vor.1
Auf diese Antwort würde Georg wohl erst
recht toben. Aber der Kurfürst möge gegen seinen Teufel Luthers halben unbewegt
sein und unerschrocken, wie denn der Herr Christus seines Herrn Herz und Mut
schon stärken und trösten würde. Er möge Luthers Person nur getrost und frisch
zu Recht bieten, denn er wolle seinen Hals lieber daran setzen, denn daß der
Kurfürst seinethalben sollte “in einiges Haarbreits Fahr stehen”. Der Kurfürst
wolle ja nichts anderes, denn Friede, Ruhe und Stille, Herzog Georg aber leide
nicht allein keine Geduld, sondern als ein unruhiger Teufel suche er nichts
anderes, denn Unfrieden, Krieg, Mord, Schaden und Unglück, nur um den Ruhm
davon zu bringen, er habe das Evangelium gedämpft.
Ganz ähnlich lassen sich die etwa
gleichzeitigen Briefe Luthers an Amsdorf und Link aus.2 Und unsre Schrift ist
der Hauptsache nach nur eine weitere Ausführung dieser Gedanken. Nur hier und
da berührt sie die einzelnen von Georg angeführten Punkte; nicht im geringsten
kümmert sie sich darum, daß der Herzog den “Bericht von beider Gestalt” zur
eigentlichen Unterlage seiner Anschuldigungen
[Seite 11]
macht, sondern ganz ihrem Titel entsprechend
klagt sie vor allem mit voller Wucht Georg an, daß er widerrechtlich einen
Brief sich angeeignet, der ihm nicht gehöre, und daß er ihn dann, wie er wohl
gemocht hätte, nicht heimlich behalten, sondern an die Öffentlichkeit gezerrt
habe. Wer also Gottes Gebot verachte, der sei wahrlich der größeste Narr über
alle Narren — so hält sie das
“μωρότατον
μωρόν” des Briefes aufrecht. Fast erst am Schluß kommt
sie auf das Bündnis zu sprechen. Mit einer gewissen Schadenfreude verweilt sie
bei dem schon erwähnten Fehler in der Übersetzung des Briefes: “Deus confundet”
stehe da — die Eselsköpfe in Georgs Kanzlei, denn er selbst würde es ja nicht
übersetzt haben, hätten aber übertragen, als stände: “confundat”. So hätten der
Teufel und ein Bube sich zusammengetan, Luther aufzuhängen, daß er fluche. Zum
Schluß bittet Luther um Frieden und will, wie ers dem Kurfürsten geschrieben,
zu rechtmäßigen Verhandlungen vor einem Schiedsgericht sich stellen. Unter die
Klänge des Friedens freilich mischen sich dann wieder Kampfesrufe des Zorns,
die verraten, daß Luther im Grunde seines Herzens einen Ausgleich nicht für
möglich hält. Auch die der Schrift beigegebene gebetsweise Auslegung des
siebenten Psalms ist solchen Zwiespalts voll. Zu fest steht es Luther, daß
Georg der Feind des Evangeliums ist.
Der Streit geht denn auch weiter.
Gleich nachdem er Luthers Schrift in die Hand bekommen, die wieder, wie ehemals
die Schrift “Wider den Ratschlag der Mainzischen Pfafferei” (vgl. Unsre Ausg.
19, 225) durch einen kurfürstlichen Kammerdiener dem Diener in der Dresdener
Silberkammer sollte zugeschickt sein, muß Georg sich an die Abfassung einer
neuen Erwiderung gemacht haben. Am
‘Ayn Kurtzer bericht, So || wir Georg
von gotes gna||den Hertzog zů Sachssen, Landgraff in Dü||ringen, vnnd
Marggraff zů Meyssen, Auff || etlich New rasend luginen, die Mar-||tin
Luther in ainem truck wider vn-||ser Entschuldigung, der gedich||ten Bündtnüs
halben, || hat lassen außgeen, || zůthůn verur-||sachet. || ❧ || M.
D. XXIX. ||’ Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart,
letzte Seite leer. Am Ende: “Zů || vrkund mit vnserm auffgetruckten Secret
|| besigelt vñ geben zů Dreßden Freytags || nach Fabiani vnnd
Sebastia-||ni. Anno domini || M. D. XXIX.||”
Druck von Alexander Weissenhorn in
Augsburg.
Vorhanden in Berlin (Dg 2338), Freiburg
i. Br. U.
Zeigte schon Georgs erste Schrift die
Tendenz, Luther als Volksverführer und Aufrührer hinzustellen, so diese noch
deutlicher. Gleich, was Georg als Hauptanlaß dieser zweiten Schrift anführt,
ist dafür ein Beweis. Wohl sei Luther, in seiner Bosheit verstockt, vor Zorn
ganz wahnsinnig und rasend und wisse nicht, was er tue, und jedem ehrliebenden
und rechtsinnigen Menschen sei es gewiß, daß Luther des gedichteten Bündnisses
halben ihn beschwert und lügenhaftig angegeben. Aber der arme einfältige Mann
sei in dem Wahn befangen, daß alles, was Luther vorgebe, Evangelium sei und
heilige Schrift, weil “sie allewege seines unnützen langweiligen Geschwätzes
Deckmantel sein müßten”. So sei Georg verursacht und habe es im besten nicht
wohl gewußt zu unterlassen, Luthers rasende Unwahrheit weiter an den Tag zu
bringen.
[Seite 12]
Dann tritt wieder deutlich Georgs
Appell an seine Standesgenossen zutage. Offenbar will er sie daran erinnern,
daß Luther selbst dem Volke angehört, wenn er fortfährt, Luther wolle mit
seiner Schrift nur dem gemeinen Mann einbilden, man dürfe sich nicht nach dem
Dichter und Schreiber erkundigen, wenn einem eine Schmach- oder andere
verdrießliche Schrift vorkame. Unter dem Adel erfahre man das auch eines
schlechten Worts halben. Und wer da nicht Rechenschaft fordere, werde nicht für
fast ehrwürdig gehalten. So habe denn, obwohl Luther ihm vorwürfe, er habe mit
Pochen oder sonst ungebührlich nachgefragt (s. o. S. 4), der Kurfürst von
Sachsen auch nicht ob solcher Suchung einigen Mißfallen oder Beschwerung
gehabt. Er habe vielmehr Luther befohlen die Wahrheit zu sagen, aber Luther
habe auch seinen Befehl verachtet, woraus man nicht vermerken könne, daß er
sich gegen seine weltliche Obrigkeit, die ihm von Gott gegeben, des Gehorsams
mit der Tat befleißige, dessen er sich mit vielen hochtrabenden Worten berühme.
Luther gehe nur darauf aus den gemeinen Mann glauben zu machen, daß er mit
seinem Vetter in Feindschaft lebe, um ihm so zu aufrührerischem Vornehmen
Ursache zu geben. Und zum Zeichen, daß auch der Rat von Nürnberg ihm
gewillfahrt hat, druckt Georg das auf dessen Erfordern von Wenzeslaus Link an den
Rat gerichtete und ihm übersandte Verantwortungsschreiben ab.
Nicht ohne Berechtigung hält er Luther
vor, daß er gegen seinen Vorwurf, er habe auch in dem gedruckten Büchlein das
erdichtete Bündnis mit fast hässigen Worten angestochen, sich gar nicht gerechtfertigt
habe; das sei allein genug, alle seine Raserei und Sophisterei zu Schanden zu
machen. Aber im Grunde geht Georg doch nur wenig auf diesen Punkt ein; nur ganz
beiläufig erwähnt er ihn später noch einmal. Das bestätigt, daß die erste
Schrift ihn doch nur scheinbar zum eigentlichen Ausgangspunkt genommen.
Um so mehr bemüht sich der Herzog, vom
Vorwurf der Dieberei sich zu reinigen, der ihn mehr getroffen hat, als er
zugeben will. Doch sind seine Ausführungen nur schwächlich. Er wirft Luther
sophistische Lügen vor, aber im Grunde treibt er selbst Sophistereien, wenn er
sagt, sobald er ihn an Link gesandt, sei der Brief nicht mehr Luthers Eigentum
gewesen; selbst wenn er das Original des Briefes hätte, so sei das noch nicht
Diebstahl, es müsse ihm erst nachgewiesen werden, daß er diebischerweise es
sich angemaßt. Es fechte wenig an, daß Link sage, der Brief sei ohne sein
Wissen und Wollen abkopiert; vor allem müsse, wer einen der Dieberei
bezichtige, solches beweislich machen. Er schließt wieder mit dem alten
Vorwurf, Luther mißbrauche die Gebote zu seinem Schänden, Lästern und Fluchen,
dem gemeinen Mann Brillen damit aufzusetzen.
Und dabei übertrete er selbst die
Gebote, das fünfte und das achte. So leitet Georg wieder zu der Bündnis-Frage
über, zugleich auf Luthers Vorwurf eingehend, daß er einen heimlichen Brief
veröffentlicht hat. Er wisse wissentlich, habe Luther gesagt, und damit habe er
ihn verleumdet; keinem Biedermann gebühre, der Wissenschaft ohne gegründete
Ursache sich zu rühmen. Er habe nicht heimlich etwas von ihm gedacht, denn wenn
einer etwas spräche, seien es keine Gedanken mehr, und wenn es vor viele Leute
komme, so wie Luthers Brief an Link, so sei es nicht mehr heimlich. Luther
solle an die Brief-Affäre mit Hartmut von Cronberg denken. Wenn dieser Brief
jetzt noch länger umgetragen wäre, so wäre er ebenso in Druck gekommen, wie der
damalige. Und dann sage jemand, wenn er
[Seite 13]
einen Brief doch selbst von sich
gegeben, man habe ihn ihm gestohlen. Diese Lüge möge Luther zu den anderen
Smaragden, Rubinen, Diamanten und Saphiren aufsetzen. Wenn er mit dem Schmuck
vor den Richter käme, der da Lügen nicht leiden, noch ungestraft lassen könne,
so solle er wollen, er wäre nie geboren.
Den Übersetzungsfehler (s. o. S. 3. 11)
läßt Georg auch nicht unerwähnt. Er selbst habe den Brief verdeutscht, denn von
Gnaden Gottes könne er solch Latein wohl noch verdolmetschen. Und er habe
richtig übersetzt, denn in der andern Kopie, so ihm sein Geschickter von
Nürnberg mitgebracht, stehe confundat; im Druck sei allein der eine Buchstabe
versehen. Und so müsse Luther wohl eben derselbige Bube sein (s. o. S. 11),
durch den ihm der Teufel solchen Fluch zugefügt hätte. Und Luther fluche doch
auch nachher nicht minder. Wenn aber confundet stehe, so sei das auch nicht
gerade eines evangelischen Propheten würdig. Übrigens wolle Luther seine
Prophezei heimlich geschrieben haben und wolle mit solcher Heimlichkeit doch
die Prophezei nachher wahr machen. Und solche Schrift solle nicht aufrührerisch
sein für den gemeinen Mann (dabei läßt Georg wohl wieder, wie schon einmal in
seiner ersten Gegenschrift, Luthers “Bericht” und den Brief in eins
zusammenfallen?), denn wenn sie von den Fürsten sollten verderbt werden, so
würde das doch wohl nicht ohne Aufruhr abgehen!
Nur mit einer wegwerfenden Bemerkung
erwähnt die Schrift Luthers Erbieten zu einem Schiedsgericht. Wohl aber weist
sie Luther wegen seiner Berufung auf den Speierer Abschied zurecht. Er sei kein
Regierer und habe keinen Stand im Reiche; so solle er billig sich solchen
Abschieds anzunehmen sich zu enthalten wissen, und solle nicht unerfindlich
sagen, daß das kaiserliche Edikt gegen ihn befristet sei. Auch sei der Abschied
kein Dekret, wozu er ihn mache. Daß er aber den Apostaten, Ketzern und Abtrünnigen
vom Gehorsam der christlichen Kirche die Zinse und Güter in seinen Landen
verboten1, das lasse ihm nicht nur der Abschied, sondern auch das kaiserliche
Edikt und alle gemeinen Rechte nach. Luther indessen gehe, wie mit diesem
Abschied, so auch mit der heiligen Schrift und anderem verkehrlich um.
Endlich widmet er auch Luthers
Ausspruch, er sei sein Feind, eine Entgegnung. Das sei nicht wahr! Er habe
Luther seinerzeit geschrieben — er weist damit auf seinen Brief vom
[Seite 14]
“Und wöllen disen bericht auffs
kürtzest wider sein lang unnutz ungestüm geschwetz yetz abermals angezaygt
haben, und damit von seiner vilfaltigen offentlichen lügen und fürnemlich der
gedichten Bündtnus halben protestirn und bezeugen, er schreib nun, was er wölle
von der Vorrede des Neuen Testaments oder unserer gegeben dreyjerigen antwort,
darinnen er auß seinem neyd und eyffer, so er wider uns tregt, yhe nit
underlassen kan uns und die unsern mit unwarhait zůlestern und schenden,
So befindt doch meniglich Ernliebender, dz es von ainem erlognen pronnen
herfleußt, der mit lugen also vergifft, das kain rechte warhait herauß
geschöpfft mag werden. Und seind nicht bedacht uns fürter seiner lügen
anzuouml;nemen, noch seiner flüch, prophecey und ander Teuffelsgespenst fast
zů bekümmern. Dann wa sie außgehen, da gehen sie wider ein. Und seind des
gewiß, das die ewig warhait dem lügner nit stadt gibt, wöllens also seiner
allmechtigkait befelhen und uns an unserm Recht zůgepürlicher zeyt und
gelegenhait genügen lassen, mit fleyß freundtlich bittend und begerend, ir
wöllet disem unserm warhafftigem bericht, und dem das sich im grund also helt
und befindet, stadt und glauben geben, Das seind wir umb ain yeden seinem stand
und gebür nach willig und freuntlichen zů verdienen und in gnaden und
allem gůtten zů vergleichen und unvergessen zů halten genaigt.”
Gleich nachdem der Herzog sienen
“Kurzen Bericht” handschriftlich abgeschlossen hatte, sandte er ihn samt
Luthers Schrift, aufs neue Beschwerde führend, an den Kurfürsten. In Weimar war
man wenig erbaut von diesem neuen Ansinnen. Fast eine Woche land mußten die
Räte auf Antwort warten. Dann wurde ihnen der Bescheid, den Brief an Link habe
Luther schon vor den zwischen den Fürsten geschlossenen Verträgen geschrieben,
er sei also jetzt nicht mehr zu berücksichtigen. Georg hätte mit seinem
Ausschreiben und Druck dermaßen nicht eilen und die Sache schwieriger machen
sollen. Mit besonderer Betonung werden die Worte: “so ich doch sein feind nicht
bin” (S. 37, 31) aus Luthers Schrift herausgegriffen: sie wolle der Kurfürst
sich unverzüglich von Luther erklären und an ihn und die Wittenberger Drucker
ein Verbot ergehen lassen, den Herzog noch jemand anders zu schmähen, wie schon
sein seliger Bruder früher ernstlich verboten hätte. Leider drucke man
anderwärts auch Unfriedliches.
Ungesäumt erließ der Kurfürst an Luther
ein entsprechendes Schreiben1: er solle hinfüro nichts drucken lassen, Georg
oder andere Fürsten und Personen belangend, es sei senn dem Kurfürsten zuvor
zugeschickt und von ihm zu drucken gewilligt — und gab auch dem Amtmann und dem
Rat in Wittenberg Auftrag, die Buchdrucker zur Beobachtung dieses Befehls
anzuhalten. Aber Georg war mit der kurfürstlichen Antwort und diesen Maßnahmen
nicht zufrieden. Am 24. Januar sandte er dem Kurfürsten den “Kurzen Bericht”
gedruckt und machte, dem Ausgangsgedanken seiner ersten Schrift entsprechend,
geltend, daß Luther auch noch nach den Verträgen in dem “Bericht von beider
Gestalt des Sakraments, aufs Bischofs zu Meißen Mandat” wegen des erdichteten
Bündnisses ihn geschmäht habe. Der Kurfürst erwiderte ausweichend — am 28.
Januar —, ihm sei gar nicht lieb, daß Luther
[Seite 15]
sich mit Georg eingelassen; er gedenke,
noch an den Handel mit Hartmut von Cronberg. Georg habe hier wieder geeilt;
hätte er das nicht getan, so wäre der Kurfürst verschont geblieben, nun sei die
Sache schwer beizulegen. Nie habe er, wie schon sein Bruder nicht, sich Luthers
angenommen, daher hätte Georg ihn gar nicht in diese Dinge hineinziehen sollen.
Der “Kurze Bericht” könne ungehindert angeschlagen werden.
Georg las aus dieser Antwort heraus,
daß der Kurfürst noch immer wegen des erdichteten Bündnisses ihn in Verdacht habe,
und antwortete am 19. Februar aufs neue, er habe zu solchem Verdacht dem
Kurfürsten gewiß keinen Anlaß gegeben. Was für Luther gesagt werde, achte er
nicht für genugsam. Kurz nach den ersten Verträgen sei Luthers Schreiben an
Link ausgegangen und die Schrift “aufs Bischofs zu meißen Mandat” beweise klar,
daß Luther sich den Vertrag nicht habe anfechten lassen. Aber der Kurfürst war
der Sache müde. Er erwiderte umgehend — am 22. Februar —, er wolle nicht weiter
mit ihm disputieren oder sich in einige weitere Rede einlassen; wolle Georg
seine Suchungen und des Kurfürsten Antwort vor Unparteiische kommen lasse, so
trage er dessen keine Scheu. Übrigens habe er alles in freundlicher Meinung
gesagt und getan.
Damit war Georg an dieselbe
Entscheidung gewiesen, zu der auch Luther in unsrer Schrift sich bereit erklärt
hatte (s. o. S. 13), nur daß der Vorschlag im Munde des Fürsten gewichtiger
klang, als in dem des Untertanen; er elendete den Kurfürsten nicht mehr mit
neuen Zuschriften. —
Luther erhielt während dieses
Schriftenwechsels, Ende Januar, einen Brief von dem Anstifter des ganzen
Unheils, von Otto von Pack, der sich sehr erfreut über seine Schrift äußerte
und dabei betonte, bald werde er die volle und klare Wahrheit sehen über seine
Unschuld. Natürlich bestärkte das Luther im Bewußtsein seines Rechts,
bekräftigte ihm aufs neue Georgs Schuld und Unlauterkeit und ließ mit um so
größerer Freude ihn Amsdorf danken (12. Februar), der auch zu seiner Schrift
ihm zustimmend geschrieben. Sein Brief zeigt, daß er im übrigen nicht viel
Zustimmung fand; sie verdammten ihn alle, schreibt er, und hielten Georg für
unschuldig, nicht bedenkend das Unrecht, das dieser ihm getan. Übrigens habe er
sich bereden lassen, Georg nicht mehr zu antworten, zumal auch jener ausgesprochen,
daß er ihn in Ruhe lassen wolle.1
Und Luther hat sich bezwungen und hat,
den Bitten seiner Freunde nachgebend, nach Justus Jonas’ Urteil “der
christlichen Liebe und der öffentlichen Ruhe ein Opfer gebracht”. Wie ein Brief
an Link den Streit veranlaßt, so hat uns auch ein Brief an ihn die letzte
bedeutsame Äußerung Luthers aus dieser Zeit aufbewahrt; auf jenen
verhängnisvollen Brief anspielend, schreibt er ihm am 7. März, er habe gelernt,
seinen Moab zu verachten.
Und noch mehr als Georg traf Luthers
Verachtung dessen Geheimsekretär, Johann Cochläus. Auch er äußerte in mehreren
seiner Schriften sich zum Streit, ja widmete mit Georgs zweiter Schrift
gleichzeitig ihm auch eine eigene Schrift. Aber nicht einmal Luthers Briefe
nehmen auf seine Auslassungen irgendwie Bezug; möglicherweise hat Luther von
ihnen überhaupt keine Kenntnis genommen.
[Seite 16]
Die erste Schrift des Cochläus, die den
Streit erwähnt, ist die Anfang Januar 1529 vollendete:
“Vortedigūg Bischoff- || lichs
Mandats zu Meissen, wi- || der Martin Luthers scheltwordte || Doctor Johan.
Cocleus. || Jm M. CCCCC. || XXIX. Jar. ||” 24 Blätter in Quart. Letzte Seite
leer. Am Ende: “Gedruckt zu Leiptzigk / Nickel Schmidt. || Ym iar. 1529. ||”
Vorhanden: Berlin Königl. Bibl.
Vgl. Martin Spahn, Johannes Cochlaeus
(Berlin 1898) S. 351 Nr. 59
die Gegenschrift gegen Luthers “Bericht
von beider Gestalt des Sacraments”. In ihr deutet auch Cochläus die schon von
Georg gebrandmarkten Worte (Erl. Ausg. 30, 378) auf das “erdichte Berbundnis”
und spricht noch deutlicher, als Georg, die Verdächtigung aus, zu der auch
jener sich einmal hinreißen läßt, daß Luther es sei, der die Lüge von dem
Bündnis ersonnen. Viele möchten denken, schreibt er, die Hummeln, so Doktor
Pack unter die Leute gebracht, kämen aus Luthers Bienenstock.
Noch im Juli 1529 äußert er sich in
demselben Sinne in der Vorrede zum:
“FASCICVLVS || CALVMNIARVM, SANNARVM ET
|| ILLVSIONVM MARTINI LVTHERI, || In Episcopos & Clericos, ex vno eius
libel- || lo Teuthonico, cōtra Episcopi Misnen- || sis Mandatum aedito,
collectarum, || per Iohannem Cochlaeum, || Ad Episcopum || Roffensem. |
........ || M. D. XXIX. Lipsiȩ. ||” 112 Blätter in Oktav. Letztes Blatt leer. Am Ende:
“VALENTINVS SCHVMAN || Lypsiae, sub Illustrissimo, & vere Ca- || tholico
Principe Georgio. &c.. An- || no Dñi post Millesimū Quingen- || tesimo
vigesimo nono, Ad laudē || Dei, & Salutē piorum, || excudebat. ||
..... ||”
Vorhanden: Neisse Katholische
Pfarrbibliothek. Spahn S. 352 Nr. 68.
Hier ist ihm Luther sive autor sive
conscius figmenti, und er begründet das hier ebenso, wie wirs oben von Georg
gehört, Luther habe geschrieben se scientem scire foedus illud non esse omnino
nihil aut Chymeram. Er scheut sich auch nicht, ganz unzweideutig von Luthers
Brief wie von einer öffentlichen Schrift zu sprechen, wie vielleicht versteckt
auch schon Georgs Absicht war. Nachdem er die Worte des Briefes angeführt,
fährt er fort: Cum ergo videat se apud eruditos latine nichil proficere, ad
Idiotas et populares suos conversus omnia teutonice agit, tanta quiden
importunitate et malicia, ut vel doctissimos amarulentia sua defatigare,
nequitiis et calumniis absterrere ac taedio enecare possit.
Zwischen der “Vortedigung” und dem
“Fasciculus” liegt die Schrift, die ausdrücklich auf den Streit Georgs mit
Luther gemünzt ist und auch direkt gegen unsre Schrift eine Gegenschrift
darstellt:
“rVie verkerlich || widder den dur- ||
chleuchtigen Hochgebornen || Fuersten vnd herrn, herrn Ge || orgen, Hertzogen
zu Sachs- || sen etc. Martin Luther den si || benden Psalm verdewtzscht, || vnd
gemißbraucht, durch do || ctorem Joannem Cocleum || scheinbarlich angetzaigt.
M. D. xxix. ||” Mit Titeleinfassung. 26 Blätter in Quart. Letzte Seite leer.
Druck von Wolfgang Stöckel in Dresden.
Vorhanden: Berlin Königl. Bibl. Spahn
S. 351 Nr. 60.
[Seite 17]
Die Schrift ist den beiden Söhnen
Georgs, den Herzögen Johann und Friedrich von Sachsen, gewidmet, da ihre
Fürstliche Gnaden grosßes Mißfallen — nicht unbillig! — und Beschwernis — nicht
Wunder! — trügen über das Schmähbüchlein, so von Martin Luther wider Georg von
Sachsen sei ausgegangen. Auch sie spricht offen den Verdacht aus, der
“wittenbergische Papst” habe den heimlichen Brief geschrieben in der Absicht,
Link solle ihn offenbar machen. In manchen Stücken berührt sie sich eng mit
Georgs “Kurzem Bericht”, nur sagt sie alles, was jener noch verschleiert, ganz
unverblümt. So macht sie ohne Rückhalt Luther für den Bauernkrieg
verantwortlich. Wie der “Kurze Bericht” weist auch sie Luthers Urteile über das
Wormser Edikt und den Abschied von Speier zurück (s. S. 13), verspottet sein
Apostolat (S. 11) und erhebt den Vorwurf, daß Luther nur Feindschaft zwischen
die Vettern von Sachsen hätte säen wollen. Übrigens kümmere Georg sich nicht um
sein Schelten, ebensowenig wie einst der König von England, der Luther auch mit
seinem Schelten habe abgeführt. Höhnisch verspottet sie Luthers gegen Georg
gerichteten Bannspruch (S. 3) und erwidert in spöttischer Weise auf seine
“Erbietung zum Rechten”, er habe ja schon vor sieben Jahren zu Worms zur
Disputation sich ihm dargestellt1 und sei dessen noch erbötig. Vor allem aber
beschäftigt die Schrift, ihrem Titel entsprechend, sich mit Luthers siebentem
Psalm. Luther poche und trotze feindlich darauf, daß er sein Gebet sein solle;
aber ebensoviel besorgten sie sich vor seinem Gebet “als vor genspfeiffen”,
denn unerhörlich sei es aus mehr als einer Ursache, vor allem aber, weil Luther
den Psalm mannigfaltig gefäalscht mit Ab- und Zutum und mit verkehrter
Auslegung. So werde der Zorn und das Urteil Gottes, so in diesem Psalm
gemeldet, über seinen Hals zuletzt eigenlich ausgehen. Mit großer Breite, die
den Verfasser bald selbst ermüdet, so daß er beim fünften Verse schon abbricht,
und mit einem großen Aufwand von Gelehrsamkeit werden dann die sogenannten
Fälschungen aufgezählt. Ganz deutlich ist dabei der eigentliche Grund Rache
dafür, daß Luther die falsche Übersetzung von confundet nachgewiesen (S. 3. 11.
13); das hatte in Dresden doch sehr verschnupft. Nicht nur die Kirchenväter
werden angeführt, auch auf Luthers eigene Psalmenauslegung, die Operationes von
1519, wird zurückgegriffen, um Widersprüche mit ihr nachzuweisen; sie habe
Luther geschrieben, ehe denn er als Ketzer sei verdammt worden, nachdem er aber
als ein abgeschnitten Glied in verkehrten Sinn gegeben und des Papstes und
gemeiner christlicher Kirchen öffentlicher Feind geworden, lege er sich auf
alle böse List, Tücke und Fündlein, die Schrift zu verkehren, der Kirche zu trotzen
und ihre Gelehrten zu vexieren. Die “Fälschungen” berühren nach solchem
Verdammungsurteil dann freilich höchst merkwürdig. Wenn Luther statt: “Herr,
mein Gott, in dich habe ich gehofft”, das Cochläus will, übersetzt: “Auf dich
traue ich, Herr, mein Gott”, so wird ihm vorgeworfen, daß er die Worte verkehrt
und aus dem Präteritum ein Präsens gemacht habe. Bei seiner Übersetzung des
fünften Verses (S. 44, 29 ff.) wird bemerkt, er sei nicht Häretiker und
eigenwillig, sondern auch unchristlich und unevangelisch.2 Die Hinzufügung von
“ohne Ursach” in demselben Verse wird
[Seite 18]
straßenräuberisch genannt.
Jnteressanter, als diese Einzelheiten, sind Cochläus' Darlegungen über seine
Grundsätze, die Bibel zu übersetzen. Kein anderer Text oder Dolmetschung soll
ihn zu glauben verbinden, als diese allein, so von gemeiner christlicher
Kirchen sind bewährt oder angenommen. Wohl will er die “herrlichen und
kunstreichen Gezünge Griechisch und Hebräisch” nicht verworfen haben, wollte
vielmehr, daß alle Priester Griechisch und Hebräisch verstünden, jedoch in
solchem Maß, daß sie ihren Verstand gefangen machten zum Dienst Christi und
bereit wären allen Ungehorsam zu strafen; und wo sie in hebräischen und
griechischen Büchern den Text irgend anders befünden, denn die Kirche im Latein
hätte und brauchte, daß sie nicht sobald auf eigenen Sinn platzten und gemeinen
Text der Kirche verachteten, wie Luther, seine Gesellen und Schwärmer täten.
Sonst würde man nie Friede und Einigkeit in der Kirche haben. Luther habe ja auch
selbst eingestanden, daß er sich zu viel unterwunden, sonderlich das Alte
Testament zu verdeutschen (vgl. Erl. Ausg. 63, 23); um so weniger sei seinem
Verstande und Dolmetschung zu vertrauen.
“Herzog Georgen Gebet auf den siebenten
Psalm, aus dem lateinischen Text”, eine Nachahmung des Lutherschen, macht den
Schluß dieser Ausführungen. Die “Schlußrede” des Buches aber erinnert noch
einmal wieder deutlichst an Georgs eigene Schrift. Sie wendet sich vor allem an
den gemeinen Mann und wünscht, daß er zur rechten Einsicht käme. Weshalb denn
wohl Christus und sein heiliger Geist die Christenheit so viele hundert Jahre
in Jrrsal und unechtem Glauben gelassen haben sollte? Luther sei wahrhaftig
nicht allein gelehrt, ob er sich schon über die anderen berühme. Man sähe
nicht, was er auf so viele Bücher, die zu Latein wider ihn geschrieben,
geantwortet habe. Es müsse nicht recht zugehen, daß er jetzt so viele Jahre
allein Deutsch schriebe. Der Geist Gottes sei nicht unbeständig, lügenhaft,
aufrührerisch und lästermäulisch. Wer vor Gott am jüngsten Gericht bestehen
wolle, der solle wohl bedenken, ob er einem Menschen mehr anhangen wolle, denn
der gemeinen Christenheit! Würde man dann sich ziehen auf die Schrift, so
möchte Gott saget, daß sie die Christenheit je und je gehabt, weshalb denn der
einige Mensch Luther sie besser verstehen und auslegen solle, denn alle Lehrer
und Konzilien; — was man darauf dann antworten wolle?
“O ewiger Gott, gib gnad und erbarm
dich des armen einfeltigen volcks (welchs der Muench durch neyd und haß
listiglich mit spiegelfechten
[Seite 19]
und fuertzug der schrifft in falschen
wahn gebracht und eingenommen hat) das yhm die schueeppen von augen abfallen,
auff das es mit uns ersehen moege, wie der trotzig Muench so offt, ßo ferr und
weyt, in der schrifft geirret und des rechten zyls gefaelet habe, auff das es
nicht ewiglich mit ym verloren werde, Amen.”
Mit diesem Gebete schließt die Schrift.
Hätte man solches von Gott ernstlich und einmütig vor sechs, sieben oder acht
Jahren gebeten, so wäre es vielleicht nimmermehr dazu gekommen, daß Luther so
viel tausend arme Leute und erschlagene Bauern dem Teufel mit Leib und Seele
hätte mögen übergeben und so unbarmherzig verdammen! —
Lazarus Spengler urteilte über diese
Schrift des Cochläus, daß sie vielen Ruhms, Lobs oder Danks nicht würdig, auch
zu nichts besser sei, denn daß man das gute verderbte Papier billiger an
anderen Orten, denn für christliche verständige Leute gebrauchen sollte.1
Ganz hielt Georg von Sachsen sein
Versprechen, forthin zu schweigen, nicht. Wenn er auch nichts Neues unternahm,
so gab er doch einige Aktenstücke des Streits, gesammelt in lateinischer
Übersetzung, heraus in den “Epistolae aliquot”.2 Sie enthalten Luthers Brief an
Georg vom
Durch diese Publikation wurde erst
recht die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf den Streit gelenkt. Und auch
Erasmus wurde durch das Buch veranlaßt sich zur Sache zu äußern. Er schrieb an
Georg, höchst ungern habe er seinen und Luthers Namen auf einer Seite vereinigt
gesehen, und an Melanchthon, er könne nicht sagen, wie sehr ihm Luther
mißfiele, da er um nichts und wieder nichts Herzog Georg in eine
Diebstahlstragödie verstricke.
Einige Jahre später ließ auch Luther
sich verleiten, noch einmal auf den Streit zurückzugreifen. Es war, als in den
Jahren 1532 und 1533 Georg den Einwohnern von Leipzig und Oschatz verbot, in
den kursächsischen Grenzorten den evangelischen Gottesdienst zu besuchen und
dort das Abendmahl unter beiden Gestalten zu empfangen, und wie der Leipziger
Goldschmied Dominikus Holtzt bei Luther anfragte, ob man nicht um des Gehorsams
willen gegen die Obrigkeit dem Abendmahlsgenuß unter einer Gestalt sich
anbequemen müsse. Luther verneinte das in einem Briefe vom 11. April für alle,
die des göttlichen Willens des Sakraments wegen gewiß seien. Sein Brief wurde
dem Leipziger Rat und durch ihn dem Herzog Georg bekannt. Und nun beschwerte
sich dieser beim Kurfürsten Johann Friedrich, daß Luther seine Untertanen zum
Aufruhr verführe. Dagegen verwahrte sich Luther in seiner “Verantwortung des
aufgelegten Aufruhrs”, in deren Einleitung er Georg an unsre Schrift erinnerte,
in der ers ihm wohl deutlich und greiflich genug gesagt, daß er seine
heimlichen Briefe soll unverworren lassen (Erl. Ausg. 31, 229).
[Seite 20]
Eine scharfe Antwort aus Dresden, auf
die Luther schon, bevor sie im Buchhandel veröffentlicht wurde, in seiner
“Kleinen Antwort auf Herzog Georgen nächstes Buch” (Erl. Ausg. 31, 269 ff.)
antworten konnte, war die Folge:
“Hertzog Georgens zu Sachssen ||
Ehrlich vnd grundtliche ent-||schuldigung, wider Martin || Luthers
Auffrueerisch vnd verlo-||genne, Brieff vnd Verant-||wortung. || ❧ || Zu
Dreszden || M. D. XXXiij. || Eins mans red, ein halbe rede || Drumb soll man
sie verhörn bede. || [Das sächsische Wappen] || [Leiste] ||”. Titelrückseite
bedruckt. 50 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zu
Dresden durch Wolffgang Stoeckel, || vnd volendet den Sechsten tag Septembris
1533. ||”
Vorhanden: Berlin (Cu 1617). —
Nachgedruckt von Michael Blum in Leipzig, 1533: Berlin (Cu 1616), Göttingen U.,
Königsberg U.
Cochläus hatte die Schrift im Auftrage
seines Fürsten geschrieben. Und sie ging auch noch einmal auf unsern Streit
ein, um Luther in fünf Punkten sein Unrecht und Georgs Unschuld nachzuweisen.
Was sie Neues beibringt, ist eigentlich nur, daß sie nachzuweisen sucht, daß
das Packsche Bündnis, selbst wenn es bestanden hätte, doch nicht für
aufrührerisch wäre zu achten gewesen, hätte
(Bl. E iijb) “vilmehr ein Christlich
und gepuerlicher gehorsam zuheissen, und hette vilweniger die gstalt eins
auffrurs, dann die verbuendnuessen, so hyn und wider, on, ja wider Kay. Ma. wissen
und willen, sind aus eignem durst und frevel zusam geblasen, den Luther oder
Zwinglium oder andre newe Rottenfuerer in yhrer verdampten lere wider Bapst,
Kaiser und gemeine Christenheit zustercken und mit wehrlicher hand zu
verteidingen, dadurch dann der blutdurstig Muench ye lenger ye mehr halsstarrig
und muttwillig wirdt alles zuschreiben und unter den pöfel auszubreitten, was
zu auffrur dienlich, und sein blutgirig hertz erdencken mag.”
Vgl. J. Köstlin, Martin Luther, sein
Leben und seine Schriften, 5. Aufl., fortgesetzt von G. Kawerau, II, Berlin
1903, S. 111 ff. 303 ff.; v. Bezold, Gesch. der deutschen Reformation, S. 589
ff.; Hilar Schwarz, Landgraf Philipp von Hessen und die Packschen Händel
(Historische Studien, 13. Heft), Leipzig 1884, bes. S. 139 ff.; M. Spahn,
Johannes Cochläus, Berlin 1898; J. R. Seidemann, Erläuterungen zur
Reformationsgeschichte, Dresden 1844, S. 129 ff.
Ausgaben:
A1 “Von heim||lichē vnd gestolen
|| brieffen, Sampt einem || Psalm ausgelegt, || widder Hertzog || Georgen zu ||
Sachsen. || Mart. Luth. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
leer. 22 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedrueckt zu
Wittemberg, durch || Hans Lufft. 1. 5. 2. 9 ||” [Kein Punkt hinter der “9”.]
Lesarten: Blatt A 2a Zeile 10 “furst
hertzog”, A 2b 7 f. “schwe||re”, B 1a 11 “muste”, B 1b 15 “widder”, C 1a 16 f.
“bringest, || vnd wirst”, D 1b 10 “ich auch wol”, D 2a 2 v u. “Darumb”, D 4a 5
“gepot”, E 1a 8 “auff yhn spielen”, 11 “Got”, 17 “George”, 19 “streben, toben”,
24 f. “vnher-||than”, E 1b 1 f. “re, || de”.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5351a), Gotha,
München H., Nürnberg St., Wolfenbüttel.
[Seite 21]
B Beschreibung wie A.
Lesarten wie A, aber E 1a 8 “mit yhn
spielen”, 11 “Got”, 17 “G.”, 19 “streben, Sie toben”, 24 f. “vnher- || than”, E
1b 1 f. “re, || de”.
Vorhanden: München H.; Kopenhagen,
London.
C Beschreibung wie A.
Lesarten: A 2a 10 “fuerst Hertzog”, A
2b 7 f. “schwe- || re”, B 1a 11 “mueste”, B 1b 15 “wider”, C 1a 16 f.
“bringest, un̄ || wirst”, D 1b 10 “ich wol auch”, D 2a 2 v. u. “Darmb”, D 4a 5 “gebot”, E
1a 8 “mit yhn spielen”, 11 “Got”, 17 “G.”, 19 “streben, Sie toedten”, 24 f.
“vnter- || than”, E 1b 1 f. “re- || de”.
Ferner: B 1a 1 “durch” (unverstümmelt),
B 1b 1 “selbs wol” (ohne Fliege zwischen beiden Wörtern), C 1a 9 “bekendnis”, C
1b 2 “fulen”, D 1a 3 “muest”, D 1b 5 “freilich”, E 1a 11 “Got”, F 1a 14
“stortzen”, F 1b 2 “wundsch”.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5351a bis),
Königsberg U., München H. u. U., Wernigerode, Zwickau.
D Beschreibung wie A, aber in der
Jahreszahl am Schluß auch ein Punkt hinter der “9”: “1. 5. 2. 9.”
Lesarten: B 1a 1 “durch” (im Abdruck
verstümmelt), B 1b 1 “selbs | wol” (mit Fliege zwischen beiden Wörtern), C 1a 9
“bekentnis”, C 1b 2 “fuelen”, D 1a 3 “must”, D 1b 5 “freylich”, E 1a 11 “Gott”,
F 1a 14 “stoertzen”, F 1b 2 “wuendsch”.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5351),
Stuttgart L., Zwickau; Basel U. — Erl. Ausg. 31, 2 Nr. 1.
E “Von heimlichen vnnd || gestolen
brieffen, Sampt ei- || nem Psalm ausgelegt, widder Hertzog || Georgen zu
Sachsen. || Mart. Luth. || M. D. XXIX. ||” Titelrückseite leer. 18 Blätter in
Quart, letzte Seite leer.
Bogen D hat nur zwei Blätter. Druck
wohl von Hans Weiß in Wittenberg.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Arnstadt, Berlin, Heidelberg, München H. und U., Straßburg; London. — Erl.
Ausg. 31, 2 Nr. 2.
Niederdeutsch:
F “Van hemely- || cken vnde ge- ||
stolen breuen, Sampt ei- || nem Psalm vthgelecht || wedder Herhogen [so] ||
Georgen tho || Sassen. || Martinus Luther. || M· D. XXIX. ||” Titelrückseite
bedruckt. 20 Blätter in Oktav.
Druck von Josef Klug in Wittenberg.
Vorhanden in Berlin.
Spätere Drucke:
G Ausgabe von Dieterich Hermann
Kemmerich, Jena, bey J. F. Ritter 1731. Oktav.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Breslau St., Dresden, Erfurt Minist., Greifswald, Hamburg, Jena, Leipzig U.,
Marburg, München U.
H Ausgabe von D. Friedrich Luecke.
Bonn, bei Eduard Weber, 1819.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin, Göttingen, Straßburg, Wolfenbüttel.
[Seite 22]
I Eine lateinische Übersetzung ist
enthalten in der von Cochläus veranstalteten Sammlung:
“Epistolae atq; libel- || li aliquot,
cōtinentes controuer- || siam, quæ inter Nobilem & Illustrem Princi-
|| pem D. Georgium Saxoniæ Ducem etc̄. & || M. Lutherum partim publicȩ religionis || caussa, partim
priuatarū quarundā || iniuriarum nomine versata est, || de mandato
eiusdem Ducis || Georgij iam recēs e ger- || manico in latinum ||
traducti, Quorū || capita sequēs || pagina in- || dicabit, || Lipsiæ,
Anno post Christum natum, || M. D. XXIX. ||” Titelrückseite bedruckt. 88
Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Excusum Lypsiæ, per
Circumspectū virum || Melchiorem Lottherū, Sub Illustriss. || &
vere Catholico pioq; Principe || Georgio Duce Saxoniȩ etc̄. || ad Dei Optimi Maxi- || mi
gloriā et Chri- || stianorū sa- || lutem. ||” Nach diesen A –Y signierten
88 Blättern wurde noch ein Bogen a (4 Blätter, letztes Blatt leer) ausgegeben,
der auf Blatt a 1ab den Brief Luthers an Linck “Dominica post Barnabæ. D. M.
XXVIII.” und auf Blatt a 2a –a 3b “Errata” für das ganze Bnch enthält.
Die Schrift: “De priuatis et furto
surreptis literis vna cum Psalmo quodam enarrato cōtra Georgium Ducem
Saxoniæ” steht auf Bl. G3b –M3b. Vorhanden z. B. in der Knaakeschen Slg.,
Dresden, München H. (mit Bogen a), Nürnberg G. M., das (unaufgeschnittene)
Knaakesche Exemplar trägt auf dem Titelblatt die Widmung: “Pro Dnō
Vilibaldo Pirckheimer.”
Von den Gesamtausgaben ist die Schrift
aufgenommen in Wittenberg 9 (1557), 291b –300b; Jena 4 (1556), 562a –573a;
Altenburg 4, 628 –638; Leipzig 22, 5 –16; Walch 19, 621 –654; Walch 2 19, 518
–545; Erlangen 31, 1 –30. Der Brief an Herzog Georg nochmals Erl. Ausg. 54, 48
f. und sonst.
Zu den Drucken A –D ist folgendes zu
bemerken:
Während des Druckes von A wurde auf Bl.
E 1a folgendes im Satz geändert: Z. 8 “auff yhn spielen” (A) in das richtigere
“mit yhn spielen” (B), Z. 19 zum bessern Verständnis statt “toben” (A)
eingesetzt “Sie toben” (B) und, um den Raum für dieses eingeschobene “Sie”
auszusparen, in Z. 17 “George” (A) in “G.” geändert. So entstand B.
Noch während Bogen E in der neuen
Gestalt (B) ausgedruckt wurde, machte sich das Bedürfnis einer größeren Auflage
geltend. Zu dieser waren außer dem Satz von Bogen E (B) noch Teile des Satzes
von Bogen C und D vorhanden: von Bogen C noch die volle Widerdruckseite (Bl. C
1b C 2a C 3b C 4a), von Bogen D noch die volle Schöndruckseite (Bl. D 1a D 2b D
3a D 4b) und von der Widerdruckseite Bl. D 3b ganz, Bl. D 1b D 2a zum Teil.
Alles übrige, also Bogen A und B, ferner die Schöndruckseite von Bogen C (d. i.
Bl. C 1a C 2b C 3a C 4b), von der Widerdruckseite des Bogen D Bl. D 4a ganz und
Bl. D 1b D 2a zum Teil wurden neu gesetzt. Die Lesarten dieses neuen Satzes s.
o. bei C, Absatz 1. Gleichzeitig wurden auf Bogen E Bl. E 1a Zeile 19 statt
“toben” das richtige “toedten” eingesetzt, sowie die beiden Druckfehler E 1a 24
f. “vnher- || than” in “vnter- || than” und E 1b 1 f. “re, || de” in “re- ||
de” verbessert. So entstand C.
[Seite 23]
Bald darauf wurde ein völliger Neudruck
veranstaltet, der sich aufs engste an C anschloß und äußerlich von A nur durch
den Punkt am Ende der Schlußschrift “1. 5. 2. 9.”, im Jnnern durch die bei D
gegebenen Lesarten unterscheidet. — E stimmk mit 25, 9 stoltzem, 12 herrn, 43,
15 Sie toben zu B. — Als Übersetzung dieser Fassung ergibt sich F mit 25, 9
stoltem, 43, 15 Se douen, 25, 2 frede, 29, 16 H. G. Das Niederdeutsch dieses
Textes ist nicht einwandfrei, die Übersetzung ist sehr getreu, manche Änderung
im kleinen ist gewiß nicht beabsichtigt, sondern Druckfehler, nur im Text des
7. Psalms geht F gelegentlich eigene Wege. — G gibt sich in seiner Vorrede als
neue Ausgabe eines Wittenberger Drucks von 1529; mit 37, 8 setzen, 43, 27
siebend Gepot stimmt G allein zu D, von dem es ein (außer in orthographischen
Einzelheiten) getreuer Abdruck ist. — H stimmt mit 43, 15 zu streben, toben,
morden allein zu A, dessen Text es in sprachlich modernisierter Form bietet. —
I bietet den Text des 7. Psalmen in deutscher Fassung und stimmt darin mit 46,
31 verterben allein zu D. Die Übersetzung ist durch viele kleine Druckfehler entstellt,
sie hat, wie die verzeichneten Lesarten lehren, der Sprache Luthers nicht
entfernt in alle Höhen und Tiefen folgen können. Daß der Übersetzer den
Ausdruck habe mildern wollen, wenn er 26, 14 vber die schnaussen zu hawen mit
eiusmodi responso excipere, 29, 34 angefaren mit excepisse, 31, 17 uberrumpelt
mit interpellat wiedergibt, ist darum nicht anzunehmen, vielmehr klingt Luthers
Rede im lateinischen Text noch kecker und herausfordernder als im deutschen,
vgl. 25, 5 arguor, 25, 9 insolenter, 30, 29 Sepe numero, 31, 31 nisi quod ad
ipsius fatiat stomachum, 42, 2 quam grauissime possit, 44, 36 pontificis
Tyrannidem. Ob die Auslassung von 34, 29/30 odder zum wenigsten befristet, und
41, 35 zween aus H. Georgens fuerstenthum aus Flüchtigkeit oder aus der, dann
freilich an Fälschung streifenden Absicht zu verschärfen entsprungen ist, wird
sich nicht entscheiden lassen. Daß die Übersetzung aus dem gegnerischen Lager
stammt, ist ohnehin gewiß.
Wir geben die Abweichungen der Drucke
BCD erschöpfend, die von EF, soweit sie Wortlaut und grammatische Form
betreffen, die von I, soweit sie den Sinn des Lutherschen Textes berühren. G
und H waren als nach Luthers Tode erschienen zu übergehen.
Über die sprachlichen Abweichungen von
E läßt sich zusammenfassend folgendes sagen: Bezeichnung des Umlauts ist
eingeführt in beichtueter 34, 6; vngleublich 38, 11; moecht (Conj.) (5), koempt
(2), boerne(t) (2), groesser 30, 13, foerderlich 31, 26, schoenes 32, 26,
troetzlich 36, 15, troetzig 36, 22, boesewicht 40, 9, roeren 42, 20, stoeltzer
42, 22, moerden 43, 15, froemkeit 45, 36; Nuermberg (7), Fuerst (2), daruemb
(24), Druemb 35, 11, widderuemb (8), waruemb (2), (vn)schueldig (3),
entschueldigung(e) (4), (ent)schueldigen (2), guelden (3), buendnis (13),
schmuecken 27, 25, betuengen 31, 8, wuerde(n) (2), duenckt 35, 35, furmuenden
36, 28, geruest 46, 32, unglueck 47, 4; stuenden 30, 24, fuelen 34, 13,
kluegelern 36, 10, fueren und seinen Formen (6), muessen u. s. F. (9).
Bezeichnung des Umlauts wird entfernt
in bosheit (2), Oberkeit 40, 11; kurtze 25, 18, vermutet 27, 7, gedruckt 33,
25.
[Seite 24]
Sonstiges zum Vokalismus: 1. ie > i
in briffe (2), disem 41, 10; i > ie in yederman (2), friede 41, 24,
blutuergiessen 44, 15.
2. u wird zu o siebenmal in from u. s.
F., zu oe sechsmal in foerchten u. s. F. Je einmal wird o zu u in gunst 44, 2
und zu ue in stuertzt 47, 33.
3. Unbetontes e wird viermal zu i in
nehister u. s. F.; wird insgesamt zwölfmal zugesetzt in genug, verdreusset,
verdeudschet, kurtze, habe, alleine, wercke; elfmal entfernt in Gnad,
geringsten, welchs, narrn, handeln, Georg, brieff, ein, ehr, allein.
Zum Konsonantismus ist zu bemerken: 1.
Fortis tritt ein in gepot (19), gepet (5), geperen 47, 2, geporn 47, 9;
bekentnis 33, 33, begert 36, 22.
2. Lenis tritt ein in Babst(um) (3),
geboten 45, 9.
3. Doppelkonsonant wird eingeführt in
Grobbel(t) (2), zeddeln 25, 23, odder (6), widder (2), foddern 46, 8, hirrschen
32, 8, Sachssen (8), fusseissen 31, 9, weissest 44, 12, leutte (6), Gott (2),
huette 35, 11, geradten 38, 3, Wentzel 29, 15.
4. Doppelkonsonant wird vereinfacht je
zweimal in last und oder, desgleichen in fodert 31, 13, wider 37, 8.
5. Dehnungs-h wird beseitigt in vorrede
36, 5 und siebenmal in Formen von nemen, eingeführt in auffrhuerischen 33, 6
und viermal in Formen von rathen (verrhaten 31, 5/6); verreth > verrhet 47,
21, befelhen > befehlen (6).
6. Statt -gkeit tritt achtmal -ickeit,
statt -thum zweimal -thumb ein.
[Seite 25]
[Seite 25]
[Bl. A ij] Martinus Luther allen frumen
Christen
Gnad und friede ynn Christo.
Es ist itzt newlich ein buchlin unter
Hertzog Georgen zu Sachsen namen ausgangen, darynn ich werde angegriffen eines
brieffs halben, so ich sol haben geschrieben an den wirdigen hochgelerten Doctor
Wencelaus Linck, prediger zu Nurmberg. Und ist war, das mich des selbigen
brieffs halben genanter furst hertzog Georg schrifftlich ersucht hat und (wie
sein gedruecktes buechlin zeigt) gleich mit stoltzem pochen und trotzen solches
gefoddert, Darauff ich geantwortet wie folget:
Dem durchleuchtigen, hachgebornen
fuersten und herrn,
herrn Georgen, hertzogen zu Sachsen,
Laudgraven ynn Dueringen
und Marggraven zu Meissen, meinem
gnedigen herrn.
Gnade und friede ynn Christo. Jch hab
E. F. G. schrifft empfangen, darynn E. F. G. von mir begert einer zeddel odder
abschrifft halben antwort, ob ich solcher schrifft mir bewust sey, Und solchs
als mueste ich gleich dem geringesten verpflichten odder gefangenen hie zu
gewarten sitzen. Darauff ist mein kuertz antwort: Nachdem E. F. G. wol weis
meine hohe gedult, so ich bis her getragen habe uber die vorrede auffs newe
testament des Emsers und auff die antwort meiner hertzlichen demuetigen
schrifft begegnet, Also wil ich noch dismal auch gedult haben uber diesem
stuecke, angesehen E. F. G. grosse und schwere anfechtungen, Und bitte gantz
demuetig, E. F. G. wolten mich mit solchen zedeln odder abschrifften unversucht
lassen. Es wird sich on zweivel E. F. G. bey denen, so solche zeddel haben
zugericht und gereicht (auch wol on des Luthers zuthun) wol wissen zu erkunden,
wes solche schrifft sey, welche E. F. G. mehr denn ich verwand odder zugethan.
Nichts herters wil ich auff dis mal widder solche frume leute geschrieben
haben. Denn zu erbarmen und zu bitten fur E. F. G. anfechtung were ich
Christlich geneigt, wo es E. F. G. leyden kuendte. Hie mit Gott befolhen, Amen.
Zu Wittemberg, Sonnabends des letzten Octobris 1. 5. 2. 8.
E. F. G.
Williger Martinus Luther.
[ 2 freide E 3 itzt fehlt F 5 sol]
arguor I 7 furst] fuerst CD fehlt I 8 George CD ersucht] besocht F me cōvenerit I
9 stoltzen CD tā nō
superbe, insolenter, ac minaciter a me rn̄sum flagitarit I und fehlt F gefodddert A geanwortet CD 10 wie] wo hir na F 11
durhleuchtigen A 12 herrn] herr CD 16 ob ich] efft ock F schrifft ] schaedulae I 19 bisher]
wente sueslange F 21 uber diesem stuecke] hoc, Quod mihi nunc obijcit7 I 22
anfechtungen] anfechtinge F tētationē I 23 affschriffte F 24
subornarūt, & exhibuerūt I 26 subditi & obstricti I 29
Sonnabends fehlt I]
[Seite 26]
Und hette warlich auch gehoffet, Er solte sich
an solcher guetiger, demuetiger antwort lassen benuegen. Weil er aber nicht
rugen kan und seiner boesen anfechtung schlechts nichts widderstehen wil, bitte
ich gantz freundlich, ein iglichs frumes hertz wolte mich nicht verdencken, ob
ich meine notturfft rede, sondern ansehen meine not, dahin mich der [Bl. A iij]
unruegige man dringet und treibet. Denn das weis Gott, das ich hertzog Georgens
gerne verschonet hette, nicht alleine seiner eigen ruge und friedens halben,
sondern auch des gantzen loeblichen hauses zu Sachsen. Darumb hab ich auch bis
her auff die schendliche, unchristliche vorrede des newen testaments, darnach
auff sein unfuerstlich und ungeschickte antwort auff mein hertzlich demuetigs
schreiben nichts geantwortet, sondern mit hoher gedult ynn mich gefressen, das
nicht bey unsern nachkomen dem loeblichen hause zu Sachsen ein schimpff bliebe.
Eben so hette ich auch auff die nehesten ersuchung meines brieffs halben yhm
wol mit einer solchen antwort uber die schnaussen1 zu hawen gewust, das yhm die
lust solcher suchung solt gebuesset worden sein, wo ich nicht seiner hette
wollen verschonen.
Wolan, die schuld ist nicht mein: Ein
iglicher sihet, das2 Hertzog George so haben wil, So las her gehen, Gott
wallts. Erstlich klagt er, das ich nicht habe richtig wollen antworten, Ja
odder Nein sagen, so er doch nichts, denn die warheit gesucht habe &c.. Da
antworte ich: Was er fur not oder recht hat solche warheit zuerforschen, wil
ich hernach wol anzeigen. Jch weis aber noch heutiges tages nicht anders, denn
(so ich glimpfflich und guetig antwort auff solchs forschen solt geben) das mir
gebuert widder Ja noch Nein zu sagen, Welchs seine vernunfft, so sie ausser der
anfechtung were, sich wol selbs hette wissen zu berichten. Denn sintemal dis
eine heimliche schrifft sein sol an eine einige person geschrieben, nicht durch
den druck offentllich ausgangen noch unter viel leute geschicket (wie er mich
mit der unwarheit zeihet) und ich den heubtbrieff noch desselbigen abschrifft
bey mir nicht habe noch hatte, wie solt mirs angestanden haben, ia wie wolt
mein gewissen bestanden sein, wo ich Ja odder Nein hette geschlossen yn solcher
sachen, da ich selbs widder Ja noch Nein gewis war noch schliessen kundte? Denn
wo ich des brieffes verleugnet und Nein gesagt hette, mocht man mich villeicht
mit der handschrifft und siegel uberzeuget haben, Hette ich aber Ja dazu gesagt
Und der brieff durch viel
[ 1 warlich fehlt I 3 schlecht CD 8
bisher] wente heer [und so immer] F 10 antwort] epistolā I 11 Sed eam
iniuriā summa animi patiētia deuoraui I 13/14 potuissem equidē
illum eiusmodi responso excipere I 14 schnaussen] schnutten F 16 Wolan] Sed
quid fatias? I 17 So las her gehen] permittantur igit~ vela ventis I walts CD 19 odder CD 20 tho erfoerderen
F 22 gebuert] gehoert [und so immer] F 26 zeihet] beschueldiget F 26/27
heubtbrieff] autographum F 29 geschlossen] P̱nuntiassem I 30 schliessen] P̱nuntiare I kuendte CD 31 moecht CD mich] sick F]
[Seite 27]
hende gelauffen, da zubesorgen er mocht
gebessert odder geendert sein (wie es denn wol auch meinen gedrueckten buechern
geschicht) so were ich abermal fein angelauffen. Darumb hab ichs glimpfflich zu
handeln fur das beste angesehen, so ich yhn zu den frumen leuten weisete, die
yhm solche schrifft hetten gereicht und zugericht, bey welchen es yhm
fuerstlicher und vernuenfftiger angestanden were und er auch schuldig war zu
erkunden Und nicht von mir foddern, des er keinen fug noch recht hatte zu
foddern, dazu auch billich sich vermuetet haben solt, das er ein unmueglich
ding (schweige des unbillichen) von mir foddern wuerde.
Nu aber mein guetiger glimpff umb sonst
ist und sol und mus pochens gelten, so sage ich itzt, ich wolt zehen gulden
darumb geben, das Hertzog George meine handschrifft und siegel bekomen hette,
so wolten wir ein feines spiel fur dieser fastnacht haben angericht. Aber was
sol ich nu [Bl. A4] thun? der heubtbrieff ist nicht da (hoere ich sagen) Und
der unruegige man feret heraus, gruendet sich auff solche schrifft, welcher
doch widder ich noch er selbs gewis ist noch gewis sein kan, deutet und tregt
den selbigen spielen1 , sich damit zu schmuecken und mich damit zu schenden und
zuverunglimpffen. Wie gar fein und loeblich hette es einem klugen fuersten
angestanden, das er nicht so leichtfertiglich heraus fure mit ungewissen
schrifften, sondern sich also bedacht: Der brieff ist ungewis und eines
heimlichen brieffes abschrifft, las yhn faren, Was kanstu daraus machen?
Jch weis treffliche leute, so bis her
Hertzog Georgen des fuerstlichen bundnis odder auffrhurs gantz unschueldig
gehalten, itzt anfahen zu zweivelen und mit argwahn werden angefochten, Darumb,
das er so engstlich und genaw sich sucht zu schmucken, auch unnoetiger
unbillicher weise. Und wenns nicht verboten were nach argwahn zu urteilen, were
mir fast auch also, Denn schueldiger gewissen art ist neben andern auch diese,
das sie mit allzu vleissigem und allzu hohen unnoetigem entschueldigen sich
selbs zu verrhaten pflegen, Da her auch das sprichwort2 kompt so man von
solchen entschüldigern spricht: ‘Ey
[ 1 moecht CD gebessert] additū I 6 schueldig CD
7 fug] orsake F 11 sage ich] P̱fiteor equidē ingenue I 13 fastnacht] Vastelauende F
bachanalia I 14 heubtbrieff] autographon I 16 ludendi, quod aiunt, causa
circūgestare I 17 populiq; inuidiae obijciat I 18 klugen] wysen F 19 fuere
CD schriffen A 20 las yhn faren]
Quin igit~ eas negligis? I 23 buendnis CD 24 argem wahn F 25 schmuecken CD 26
verpotē CD 29 von] vor F]
[Seite 28]
wie weis bornet er sich, Ey borne dich nicht
zu helle.’ Froeliche sicher gewissen lassens bey einfeltiger und noetiger
entschueldigung bleiben, Aber das las ich Got befolhen sein, Der wirds wol
finden. Verdacht und argwahn, dazu sein selbs gewissen, las ich machen was sie
machen.
So denn nu Hertzog George solche
abschrifft dafur helt yn seinem synn und sie durch den druck als die meine aus
lesset, So wil ich der sachen thun [Matth. 12, 37] nach der lere Christi, da er
spricht ym Euangelio: Ex verbis tuis iustificaberis, [Luk. 19, 22] et ex verbis
tuis condemnaberis, Und abermal: Ex ore tuo iudico te, serve nequam. Dem nach,
so neme ich mich dieses brieffes hinfurt an als des meinen, Doch mit solcher
mas und unterscheid, das ich mein gewissen wil bewaret haben, als das fur Gott
nicht kan gewis sein, das solcher brieff mein sey, weil der heubtbrieff nicht
fur handen ist, Sondern auff Hertzog Georgens dunckel und wahn gruende ich
mich, Das, weil er dafur helt, Er sey mein, so nenne und neme ich yhn fur den
meinen an und nicht weiter, Denn es sol dieser handel nicht auff meinem
gewissen noch bekentnis, sondern auff Hertzog Georgens duenckel und wahn
gegruendet sein.
Hieraus folget nu, so dieser brieff
nach Hertzog Georgens meinung mein ist, das freilich genanter Hertzog George
dafur halten sol und mus, Er hab das meine bey sich wider meinen wissen und
willen, und sol und mus billich ein gewissen haben male fidei. Denn wer hat
hertzog Georgen die macht gegeben, das er frembdes gut bey sich hellt widder
wissen und willen des, so der herr dazu ist? Ja, wer hat yhm die macht gegeben,
solch frembd gut nicht allein bey sich zu halten (welchs noch zu leiden were)
sondern auch damit zu handeln und gebaren mit frevel und gewalt als mit dem
seinen nach allem mutwillen, zu unuberwindlichem schaden und nachteil seines
herrn odder besitzers? Denn er lesst diesen gestolen, geraubten und gefangen
brieffe [Bl. B 1] durch den druck ausgehen, mich damit zu unterdrucken und sich
zu erheben. Jch mus ein gleichnis geben, das ers verstehe.
Wenn ich einen brieff hette aus Hertzog
Georgen Cantzeley bekomen widder seinen wissen und willen, und handelte damit
widder sein ehre und glimpff, wie solte yhm das so hertzlich gefallen? Und wenn
er mir viel gnaden gestattet, so mocht er mir solchen brieff villeicht heimlich
lassen, aber damit oder nichts drauff handeln. Den kopff muste ich sonst
verlieren, wenn der hals gleich eitel eisen und stal were. Odder wenn ich
tausent gulden einem kauffman ynne hette widder seinen wissen und willen, und
bekennet dasselbige nicht allein, sondern pochet und trotzet darauff, yhn damit
ynn grund zuverderben — Las hie Hertzog Georgen selbs urteilen, was ein solcher
wol
[ 3 archwahn F 10 mas] masse CD 12
heubtbrieff] autographū I duenckel CD opinione I 17 nu fehlt F 18
habe CD 19 meinen] meinē A mynen F 21 helt CD 33 mueste CD 34 yseren vnde
stael were F weren AE 35 ynne hette] vorhelde F 36 yhn] fortunas eius I]
[Seite 29]
verdienet hette. Ja, brieffe sind nicht
gueter? Lieber, Wie wenn es sich begebe,
das mir odder dir an eim brieffe mehr denn an tausent gulden gelegen
were? Solt nicht solcher brieff so werd
und lieb sein als tausent gulden? Dieb ist
ein dieb, er sey gelt dieb odder brieffe dieb.
Nu stehe ich, Doctor Martinus Luther
auff Hertzog Georgen duenckel und
gewissen, ruffe und klage offentlich fur aller welt, Das der selbige
Hertzog George meinen brieff ynne hat
widder meinen wissen und willen (welches ich
dennoch wol leiden mocht, wenn er ia so grosse lust hat zu heimlichen
frembden brieffen) dazu damit offentlich
und frevelich gebaret seines willens zu unterdruecken mein glimpff und ehre. Denn er kan sich des
leichtlich selbs wol bereden, das Doctor
Luther von Gottes gnaden wol so viel deudschs und lateinisch schreiben kan, wo er wolte Hertzog
Georgen seiner brieffe einen zukomen
lassen, das er die uberschrifft wuerde und kuendte an Hertzog Georgen stellen und dem selbigen solchen brieff zu
eigen, macht geben zu haben und
offentlich zu gebrauchen und nicht dafur einem andern (als D. Wencel
Lincken) zu schreiben odder zu fertigen.
Denn H. G. bekennet selbs ynn seinen schrifften, Solcher brieff sey Wencelao Lincken und nicht
Hertzog Georgen zu geschrieben. Das mus
ich also verstehen, als spreche er: ‘Jch, Hertzog George habe Martinus Luthers brieff, der mir nicht gehoert noch
gebuert1, widder seinen wissen und
willen, sondern gehoert Wencelao Lincken, und handele doch offentlich
damit widder sie beide.’ Ey danck habt,
lieber herr.
Hie sihe nu den rechten richter Jhesum
Christum, und was ein mensch thut, so yn
anfechtungen ligt und widder Christum tobet. Hie findet sichs, das meine zornigen iunckern, so die
Christlichen kirchen schuetzen und die ketzer
vertreiben, den glawben verteidingen, wenn sie lange fechten und pochen
also herunter fallen und daumeln, das
not were, man furet sie zur schulen und
[2. Mose 20, 15, Röm. 9, 33] leret sie die zehen gebot, da Gott spricht
‘Du solt nicht stelen’. Das heisst (mein
ich) sein angelauffen an den fels des ergernis. Wo sind hie die
hochgelerten des rechts und der schrifft
gewesen, die yhrem herrn (wie sie fur
yhren reichen sold zu thun schuldig sind) hetten geraten, sich anders
ynn dieser sachen [Bl. B ij] zu halten
Und lassen yhn ynn solchen schimpff fallen?
Also solte aber Hertzog George gethan
haben, wenn er fuerstlich und weislich
hette wollen thun: Die gesellen, so yhm diesen meinen brieff brachten und reitzten widder mich, solt er mit
fuerstlichem ernst angefaren haben und
gesagt: ‘Was bringt yhr daher? Wo fur haltet yhr mich? Woltet yhr mich
[ 1 gueter] pecuniae I 5 Doctor fehlt I
16 H. G.] Hertzog George E 19 wider CD 20 openbar F 21 beyde CD Ey] J F 23 Christum] deo I 24 Iunckeros
[und so stets] I Christlichen fehlt I 25 vertreyben CD verteydingen CD 26 tumelen F fueret CD 28 fein fehlt I 31 schimpff]
ioculare malū I 33 Die gesellen ] bonos illos viros I 34 haben angefaren E
excepisse I]
[Seite 30]
so yn einen schimpff furen, das ich mit
frembden brieffen umbgehe, darauff
handeln und narren solt? Wenn ichs gleich umb des Muenchs willen nicht wolt lassen, so wolt ich doch umb Gottes
willen mit solchen brieffen unverworren
sein, weil er gepeut, Man sol nicht stelen noch gestolen gut ynne haben.’ Das were eine fuerstliche und
adeliche tugent gewest, Davon Salomon
[Spr. Sal. 20, 8] spricht: Ein furst, der auff dem stuel des rechten
sitzt, vertreibet alles unrecht mit
seinem anblick.
Odder wenn er ia so lustern sein wolt
mit frembden heimlichen brieffen
umbzugehen, solt er die selbigen heimlich bey sich behalten und nicht
offentlich erfur thun und darauff
handeln, Denn was heimlich ist, sol man heimlich lassen bleiben, bis yhm befolhen werde odder
recht gewinne, dasselbige offenbar zu
machen. Es ist gar gros unterscheid unter einem heimlichen und
offentlichem, unter einem frembden und
eigenen brieffe, Ja kein grosser brieffefelscher ist auff erden, denn wer einen heimlichen
brieff widder wissen und willen seines
herrn offenbar odder einen frembden zu eigen machet: Der verfelschet nicht vier odder funff wort darynnen, sondern
den gantzen brieff, das es hinfurt nicht
mehr der selbige brieff ist, noch heissen noch sein kan, weil damit die gestalt und art des gantzen brieffes und
die meinung des schreibers aller dinge
verkeret und geendert ist, Und wird yhm das seine mit gewalt genomen und offentlich geraubt und zu schanden
gemacht, wie auch die keiserlichen
rechte leren.1
Darumb schreibt auch S. Hieronymus2 von
solchen heimlichen brieffen, die yhm
auch gestolen waren, das sie fur nichtige brieffe zu halten sind, Und ob schon auch lesterwort drynnen stunden
(spricht er) sollens dennoch nicht fur
lesterwort an zunemen sein. Und was sind heimliche rede und brieffe
anders, denn eitel blosse gedancken, die
noch nicht an tag komen sind, dazu villeicht
an tag auch nicht komen sollen? Lieber, es gehoeren klueger leute zu
heimlichen [1. Sam. 22, 9; 26, 1, Ps.
52, 2; 54, 2] brieffen, denn Hertzog George ist mit seinen Zibitern und
Doegitern. Mir sind auch wol etwa heimliche
brieffe meiner feinde, beide mit siegel und handschrifft
[ 1 fueren CD vt literas cōtrectem alienas I 4
gebeut CD 6 fuerst CD 18 gestalt und art] ratio, & genius I 19 ding CD 24
darynnen stuenden CD sollen es
ABCD scholde ydt F 26 an den dach F
dartho ock F 27 an den dach F
Lieber fehlt I 29 etwa] vortiden F Sepe numero I]
[Seite 31]
zu komen, Damit ich yhn wol hett wollen
die welt zu enge machen1, wenn ich
Hertzog Georgen exempel wolt gefolget haben. Aber ich lies sie heimlich bleiben und verachtet sie oder
zureis sie, on das ich die warnung guter
freunde an nam. Jch schreibe auch heimliche brieffe, Aber allzeit mit der bedacht, das sie der teuffel (so mir ynn
alle wege nachstellet) moecht verraten
und offenbaren. Darumb behalte ich mir einen hinderhalt, wenn sie ia geoffenbaret wuerden, damit ich den
teuffel auffs narrenseyl fure2, das er
sich selbs yn seiner klugheit betungen3 mus. Es heisst: Huett dich fur
des Luthers heimlichen brieffen, sie
sticken vol [Bl. B iij] fuseissen und stricke, Wers nicht glewbt, der versuchs.
Aber was thut mein lieber herr Hertzog
George? Er nimpt nicht allein mein
heimliche gestolene brieffe an, die yhm nicht gepueren zu haben, welches ich noch leiden kuende, Sondern poltert und
stoltzet daher und foddert sie von mir
selbs und wil bey mir ein herr uber meine heimliche brieffe sein, so er doch nicht eins hellers werd uber mich
leiblich herrscht, gerade als hette er
recht und macht zusehens zu rauben das meine und mich zu zwingen,
ynn solch sein reubisch foddern zu
willigen. Dran nicht benueget, uberrumpelt er
den loeblichen frumen Kuerfuersten zu Sachsen, wil durch den selbigen
schier als durch seinen armen knecht
sein reubisch foddern an mir ausrichten, als sesse der Kuerfuerst da zur froen und dienst, das
er Hertzog Georgen meine gestolen
brieffe foddern und rauben helffen muste. Und das des frevelen ubermuts
ia keine masse sey, feret er uber die
feinen herrn des Rats zu Nurmberg auch
fast schier als ein keiser uber seine armen unterthanen, grobbelt,
sucht und foddert die handschrifft durch
sie von Doctor Wencelao Lincken, so doch
widder Nurmberg noch Wencelaus seine unterthan sind, schweige denn,
das sie solten seinen ausgeschickten
dieben und reubern forderlich zu sein sich
schueldig erkennen.
[Jes. 16, 6] Wo wil doch der unruegige
man zu letzt hinaus mit solchem Moabitisschen
stoltz und hohmut, der sich unterwindet so gewaltig zu sein auff erden,
das niemand (auch seiner feinde keiner)
heimlich von yhm reden, schreiben odder
gedencken solle, es gefalle yhm denn? Ja das muste man yhm bestellen,
bald,
[ 1 eo illos adigere potuissem, Vt quo
se gētiū verterēt, nescituri fuissent I 3/4 discerpebā,
admonitionē tn̄ bonorū amicorū accipiebam I 4/5 mit bedacht F 5 allen F 7/8 vt
in sua ipsius sapiētia cōstrictus teneat.~ I 8 betungen] beschiten F
9 heimlichen fehlt E fuseisen CD
11 lieber fehlt I 14/15 cum in me ne latū quidē vnguem imperiū
obtineat I 15 hellers] scherues F 17 uberrumpelt] interpellat I 19 utgrichten F
21 mueste CD 23 grouelt [und dementsprechend immer] F 25 vnterhan A 31 es
gefalle yhm denn] nisi quod ad ip̄ius fatiat stomachū I mueste CD]
[Seite 32]
noch fur essens. Jch weis wol, das er
Hertzog zu Sachsen, Landgrave ynn
Dueringen und Marggrave zu Meissen ist Und fur war, Gott hat yhm
ein fein land und schoene herrschafft gegeben
und doch leider, wie Salomon sagt, [P
ed. 5, 18] Jst yhm nicht gegeben, das ers mit genuege und ruge seines hertzen
brauchen kuende. Das er aber Hertzog
uber frembde brieffe, Landgrave uber heimliche
rede und Marggrave uber gedancken solt sein, das werde ich, ob Gott
wil, dis iar nicht glewben noch leiden.
Und ob er so grob und thuerstig sein wolt,
das er durch den Kuerfuersten als durch mittel odder knecht uber mich
hirschen wolt, so wil ichs aber nicht
haben noch bewilligen, Denn ich wil Hertzog
Georgen nicht zum herrn haben odder billichen, ehe denn Gott yhn mir
zum herrn macht und setzt. Er ist mein
abgesagter feind, des sol er sich gegen
mir auch halten, also wil ich auch sein gewarten, wie wol ich sein feind
nicht bin, sondern auch hertzlich und
demuetiglich gnade gesucht und gebeten habe
und alles gut gewuendscht. Hat er nu etwas widder mich, So sol mein
landsfuerst richter setzen Und er mit
seinen hochgelerten verklage mich auffs scherffest und beste er kan. Werde ich mich nicht verantworten,
so bitte ich umb keine gnade. Aber ich
rathe es yhm nicht, Ja das fuelet er auch wol, das er mit recht nicht viel gewinnen wurde, darumb wil
er mit frevel und gewalt zu mir
einbrechen.
Und was wolt H. G. daraus machen, Wenn
[Bl. B 4] ich noch heute odder morgen
heimlich mit eim guten freunde redet oder zu yhm schriebe, wie ich H. Georgen entschueldigung fur nichts
hielte, sondern dechte schlechts, er
were des furgenomen fuersten auffrhurs schueldig, und alle stueck
anzeiget von wort zu wort, wie sie yhm
gestolen brieffe stehen? Was wolt er mir von
rechts wegen darumb thun? Jch hette (spreche sein Doeg) seine ehre
und glimpff geschendet — Wo da, mein
schones lieb? Der brieff were ia heimlich,
Die rede were heimlich, Die gedancken weren heimlich. De occultis
non iudicat Ecclesia, multo minus
iudicat de eisdem Magistratus. Wie kan denn
sein ehre und glimpff genomen werden, so kein offentliche rede,
schrifft, zeuge odder urteil gehabt mag
werden? Odder sol man die hofeschrantzen zu Dresen noch leren, was da heisse ehre und glimpff
nehmen? Sie sollen mir heimliche sachen
ungericht lassen und des keinen danck dazu haben.1 Ja ich hette gleich wol heimlich meinem nehesten damit
affterredet: Ey lieber, da lasse Gott
und mein gewissen richter sein, ob ich wol odder ubel dran thu, Da gebuert dir nichts zu wissen noch zu richten.
Machte aber Hertzog George
[ 1 noch] nach E 3 leyder CD 6
gedancken] secretarū cogitationū I ob Gott wil fehlt I 7 leyden CD 8 ein
middel F 12 gewarten] warnemen F 15 hochgelerten] doctis I 16 beste]
disertissime I 18 wuerde CD 20 H. G.] Hertzog George E 22 H.] Hertzog E 23
schueldig] nō expertem I stuecke anzeigt CD 26 schoenes CD Quo id tandē pacto lepidū
meum capitulum? I 29 keine CD 30 Centauri Dresdensis aulae I 31 noch] nach E 32
nec vllā interim gr̄am a me ineant I 33 meinen E Ey lieber fehlt I Ey] J F]
[Seite 33]
[1. Mos. 38, 23] solche heimliche
brieffe offenbar, so spreche ich: Er habes yhm, Er schendet sich selbs damit und lasse mich ungeschendet mit
seinem offenbaren.
Ja wie, wenn ich gleich yn offentlicher
schrifft hette durch den druck lassen
ausgehen, das ich H. Georgen fur einen grossen narren hielte und
unangesehen seine entschuldigung dennoch
als meinem feinde nicht gleubete, das er
an dem auffruerisschem bundnis unschuldig were: Was were yhm denn? Wo mit wolt er mich zwingen, das ich yhm
glewben mueste? Sonderlich so er nicht
ein Gott uber mein hertz noch herr uber meine zungen und feddern, sondern mein feind ist? Es mueste mir ein
seltzams newes recht sein, da mich mein
feind yhm zu glewben zwingen moechte. Wie mus ich thun, da er so schendlich ynn der vorrede des newen
Testaments und ynn seiner antwort auff
mich lestert, mehr zur ewiger schande dem loeblichen hause zu Sachsen
denn mir? Were ich sein oberherr, Er
wuerde es villeicht lassen, Aber nu er mein
feind ist, mus ichs von yhm leyden. Aber hie, da ich yhm nicht glewbe,
wil er zuernen und toben, darumb das er
denckt, er sey mein herr, ia des Kuerfuersten
herr dazu, Und kan sich nicht besynnen, das er nicht herr, sondern feind sey und nicht solt herrlicher sondern
feindlicher masse und gestalt hierynn
handeln.
Wolan, es sey davon gnug, wir wollen
zur sachen greiffen und endlich
schliessen: Jst der brieff an D. Wencelaum nicht mein, so ists ein
ertichter, falscher, erlogener brieff, der
mir on schaden sein sol. Jst er aber mein, wie
ich droben auff Hertzog Georgen bekentnis und that hab angenomen, So
ist an Hertzog Georgen mein ernstlich
foddern von meinen wegen, Aber von
Gottes wegen sein ernstes gestrenges gebot, das er genanten brieff sampt
allen exemplaren, so davon abgeschrieben
odder gedrueckt sind, bey einer todsunde und
verlust Goettlicher gnaden und seiner seligkeit mir oder D. Wencelao
widder heimstelle, als ein gestolen [Bl.
C 1] und geraubt gut seinem rechten herrn und
besitzern, und also mit thetlicher voller erstattung den brieff widder
heimlich mache und dahin lege, da er yhn
genohmen hat. Denn da stehet Gottes
gebot: Du solt nicht stelen, Welchem H. G. ia so wol unterthan sein mus als andere menschen. Und er weis ia wol, das
er solchen brieff als unser gelt und gut
widder unser wissen und willen ynne hat, lauts seiner eigen bekendnis und dieser meiner offentlichen
schrifft. Daneben auch uns beiden
erstattung thu unser beraubten ehre und glimpff und ander schadens
und nachteil, so uns durch yhn aus
solcher unsers brieffes frevelicher offenbarung
entstanden ist, Und uns solchs wie eim Christen gebuert umb vergebung
abbitte,
[ 1 so spreche ich fehlt I 4 H.]
Hertzog E 5 entschueldigung CD 6 auffruerischem CD buendnis CD 11 vorrhede CD 12 ewigen E
15 er fehlt F zoernen CD 17
hertlicker F 25 exemplaren] exempla I
und fehlt F 26 odder CD
Wencelaum AF 25/26 tho hus stelle F 27/28 veris dn̄is ac possessoribus I 33
bekentnis D beyden D]
[Seite 34]
[Matth. 5, 23] Matthei. 5: Wenn du dein
opffer zum altar bringest und wirst daselbs
ynnen &c..
Mit solcher lasst wollen wir Hertzog
Georgen gewissen beschweret haben: Nicht
wir, die keine gewalt uber yhn haben, sondern Gottes gebot (wie alle welt weis) zwingt und foddert solches von
Hertzog Georgen. Wird er das verachten,
so sehe er zu wen er verachtet. Und die pfarher odder beichtvater muegen sich auch wol fursehen, das sie yhn
nicht absoluiern noch das Sacrament
reichen, auff das sie nicht teilhafftig sich machen solcher sunden
widder Gottes gebot, Er selbs auch nicht
bete noch opffere, Er habe denn zuvor dem gebot
[Matth. 5, 23] Gottes und dem Euangelio Matth. 5. itzt angezeigt gnug
gethan. Wir wollen entschueldigt sein,
wir habens angezeigt und das unser gethan. Wird sie es helffen, das wir ketzer odder geringe
geachtet sind, das sol yhr gewissen mit
der zeit wol fulen, Und die erfarung sols klar machen, welchs teils
bann odder excommunicatio am stercksten
sey: Obs der sey, der Gottes gebok fellet
und dadurch treibet, odder die, so menschen trewme on Gottes wort
fellen. Denn wir sind auch unter dem
wort Nehester begriffen, das wissen wir.
Des gleichen wollen wir beschweret, das
ist solch Gottes gebot angezeigt haben
allen seinen Rethen und dienern, so zu solchem brieffe geraten, geholffen und gedienet haben, Und vermanen sie, das sie
keinen schertz hieraus machen. Denn ob
wir wol keine oeberkeit noch gewalt uber sie haben, so zeigen wir doch als die nehesten den an, der uber sie
ist und solchs von yhn foddert durch
sein gebot, das da sagt: Du solt nicht stelen, Aus welches gebots krafft wir unsern gestolen brieff widder foddern.
Sie muegen auch zu sehen, das sie nicht
sich betriegen lassen durch unnuetze kleffer, die villeicht sagen wuerden, Man koenne einem verdampten ketzer nicht
unrecht thun. Denn ob schon ich ein
verdampter ketzer were, so wil Gottes gebot unverdampt sein, So ist auch Doctor Wencelaus noch nicht mit namen
verdampt odder verurteilet, welchem
dieser brieff furnemlich zustehet. Auch so bin ich auff dem Reichstage
zu Speyr durch ein offentlichs
Keiserlichs Reichs Decret widderumb befreihet odder zum wenigsten befristet, das man mich nicht
kan einen ketzer schelten, weil daselbs
beschlossen ist von allen eintrechtiglich, das ein iglicher solle und
muege glewben, wie ers wisse gegen Gott
und Keiserlicher Maiestet zuverantwor-
[Bl. C ij]ten; Und ich billich daraus als die ungehorsamen dem Reich und
auffrhuerischen beklagen mocht alle die,
so mich einen ketzer schelten. Hat das
gebot zu Worms gegolten, da ich verdampt ward on bewilligung der besten und hoehesten stende des Reichs, warumb solt
mir denn das gebot zu Speyr
[ 1 Matth. viij. I 2 ynnen] indechtich
F 3 wolden F 4 gewalt] ius I 6 pfarher] Kerckhere F 10 woellen CD 13 fuelen
D sols] solckes F 13/14 bann odder
fehlt I 14 sterckesten D 19 vermanen] edicimus I schertz] schimp [und so weiterhin] F 20 oeberkeit] ius I 27 Doctor] D. E
29/30 odder bis befristet fehlt I 33/34 auffrhuerische E 34 moechte D]
[Seite 35]
nicht auch gelten, Welchs eintrechtlich
durch alle stende des Reichs beschlossen
und angenohmen ist?
Darumb, sage ich, muegen sie sich wol
fur sehen und furchten fur dem gepot
Gottes ‘Du solt nicht stelen’, Denn ich bin itzt auch fur der welt kein ketzer. Das aber etliche fuersten und
Bisschoffe widder solch des Reichs zu
Speyr ausgangen Decret toben und die leute gleich wol zwingen yhres gefallens zu glewben, geschicht darumb, das sie heute
odder morgen, wenn yhre stunde kompt, on
alle barmhertzigkeit zu grund gehen, als die nicht allein widder Gottes wort und gebot getobet, sondern auch
widder weltlicher oeberkeit gebot und
yhr eigen geluebde als die ungehorsamen und auffrhuerischen moerder gehandelt haben. Drumb huete dich fur yhrem
exempel.
Eben also entbieten und vermanen wir
auch allen drueckern, setzern,
Correctorn und was mit solchem brieffe yn der drueckerey umbgehet, dazu
allen buchfuerern, keuffern und wer
solche exemplar zu handen kriegt odder lieset,
das sie alle sampt und ein iglicher gewarnet wissen sollen, das sie
unsern gestolen brieff bey sich haben
widder unser wissen und willen, darumb sie sich
hueten muegen und sich gegen gestolen gut halten, wie sie yhr gewissen
leret, auff das sie nicht mit Hertzog
Georgen sunden beschmeisst und seiner schuld
teilhafftig werden. Denn da stehet das gebot: Du solt nicht stelen.
Und wolten solche unser trewe vermanung
gutwillig annehmen, Denn wir uns hie mit
keiner gewalt odder oeberkeit uber yemands anmassen, Uns lege auch unserthalben nichts daran, das solcher
gestolen brieff bey yederman were, Aber
aus bruederlicher Christlicher pflicht thun wir diese vermanung, eines
iglichen gewissen so viel an uns ist
trewlich fur sunden und Gottes zorn zu warnen,
Denn uns nicht lieb, ia nicht zu leyden ist, das unserthalben yemand
sich solt mit frembden sunden gegen Gott
verwickeln, Es ist der eigen sunden schon
zu viel.
Solch antwort wil ich, wie oben gesagt,
gegruendet haben auff Hertzog Georgen
bekentnis, als were der brieff mein, Wie wol ichs ungerne gethan habe. Denn ich lieber gesehen hette, das Hertzog
George yhm hette lassen benuegen an der
ersten guetigen antwort, Darynnen ich genugsam anzeigt, Er solt mich unversucht lassen mit solchem
brieffe Und das er Mein herr nicht were.
Aber er hats nicht wollen annehmen noch verstehen, so hart ist er mit der anfechtungen, mich zu dempffen und zu
schenden behafft gewest. Und mich dunkt,
das ich dennoch hiemit meinen Adam gantz hab ym zawm gehalten und glimpfflich gnug widder Hertzog Georgen,
meinen feind, gehandelt. Denn wo ich
meine handschrifft und siegel gewislich hette von Hertzog Georgen wissen
[ 1 eintrechtiglich E 3 Quare non
temere est, quod ... iubeo I 4 gebot D 5 Fuersten D 6 und fehlt E 12 setzern]
cōpositoribus I 21 oeberkeit] ius I 22 yderman D 23 Christlicher fehlt F
26 suende F 29 bekendnis D 33 woellen D 34 anfechtungen] tentatione illa, vl’
potius libidine I 35 duenckt CD]
[Seite 36]
[Bl. C iij] zu foddern und nicht auff
eine ungewisse abschrifft handeln mussen,
were zu besorgen gewest, ich wuerde yhm die sporen anderst gerinckt1 und
yhn gelernt haben, wie er solt nach
frembden brieffen grobeln und darauff trotzen.
Zu dem so habe ich mich auch enthalten
und enthalte mich noch zu antworten auff
die vorrhede des newen testaments und auff seine antwort mir gethan, ob ich mit gedult kuende etwas
erlangen bey dem angefochten unruegigen
man. Denn wo er fort faren und den schlaffenden hund nicht mit frieden lassen wird, so moechts warlich ein
mal geschehen, das ich dem fass den
boden ausstiesse und eins mit dem andern bezalete. Jch wil dem
Hertzog Georgen sampt allen seinen
klugelern zu recht und kunst mans gnug sein, wie bis her geschehen von Gottes gnaden, dazu
wird mir mein Gott und Herr Jhesus
Christus helffen, wie er uns verheisset und spricht: Jch wil euch mund und weisheit geben, der nicht
widderstehen sollen alle ewer widderwertige.
Denn ich wil Hertzog Georgen nicht
leyden noch haben zum recht sprecher, so
wenig als ich yhn zum herrn haben odder leyden wil, wie er doch trotzlich sichs beides vermisset und unterwindet. Das
recht sol er suchen bey meinem uberherrn
und nicht also daher trotzen und poltern: Jch Hertzog George habe den Luther und Lincken geurteilet und unrecht
funden, Darumb hencke du Kuerfuerst
odder Stad Nurmberg und sey mein hencker und knecht, greiff sie an und gebeute yhn, was ich dir befelhe. Nicht
das er solche wort furet, Aber mit der
that stellet er sich gleich als wolt er gerne also reden. Denn was ists anders, wenn er so trotzig schreibt und
begerd vom Kuerfuersten und vom Rath zu
Nurmberg, auch von mir selbs, wir sollen yhm den brieff zustellen, bekennen und furchten &c.. denn so viel
gesagt: Thut was ich euch heisse, das
recht wil ich euch leren und darffs nicht bey euch suchen noch holen?
Der loebliche Kuerfuerst zu Sachsen ist
von Gottes gnaden noch wol so klug, hat
auch noch wol so viel verstendige leute bey sich, das er Hertzog Georgen zum furmunden odder zum recht
sprecher sein land und leute zu regieren
nicht bedarff. So ist ein Erbar Rath zu Nurmberg so beruffen von Gottes gnaden mit weisheit und
gerechtigkeit2, das Hertzog George yhr meister
[ 2 gerinckt] gespannen F ne calcaria
illi, quod aiunt, aliter cōstricturus I 3 geleret F 6 gedult] hac animi
lenitate ac patiētia I 8 warlich fehlt F 9 et veteres iniurias simul
cū nouis retaliarē. I 10 kluegelern D sciolis I kunst] doctrina I 12 verheisst CD 13
weddersakere F 15 odber AB odder CD 16 sich beydes CD 18 dencke du ABCDEF fehlt
I 23 scholden F 25 suchen noch holen] petam I 28 furmuenden D 29/30 tacita
floret sapiētiae iustitiaeq; laude I]
[Seite 37]
nicht sein sol. Und ich Luther wils, ob Gott
wil, yhm und seinen klueglingen [Ps.
119, 98 ff.] noch wol drey iar zu raten geben, Denn Gottes gebot (spricht
David) macht mich klueger uber alle
meine meister, uber alle weisen und uber alle alten, So mus widderumb von noeten das folgen: Wer
Gottes gepot veracht und uberferet, das
der musse der groessest narr sein uber alle narren, das kan mir nicht feylen, das weis ich furwar.
Und wenn denn gleich der Teuffel selbs
mit alle seinen engeln solchen meinen
brieff widder mich setzten, welcher doch alle ding kan zum ergesten machen, wolt ich dennoch sein ynn Christo
erwarten und sehen, was er mir damit
thun wolt. [Bl. C4] Denn wie wol der brieff meinen gedancken fast ehnlich ist, das mich selber duenckt er sey
mein, Doch ich ym gewissen (wie gesagt)
nicht gewis sein kan, weil ich meine handschrifft nicht habe, So ists dennoch kein verrheterscher brieff, denn
nichts von auffrhur, verrheterey, wuetterey
odder der gleichen boeses furnehmen darynnen gehandelt wird, daraus
man ursache haben kuende, widder mich zu
handeln, sondern allein wird Hertzog
George darynnen heimlich geurteilet, was ich von yhm als meinem feinde
fur Gott und ym gewissen halte.
Nu sol mir Hertzog George die freiheit
lassen, das ich yhn heimlich urteile mit
gedancken, schrifften, reden, wie ichs fur Gott weis zu verantworten und sols keinen danck dazu haben. Grobelt er
aber darnach hinder meinen wissen und
willen und lesst mirs abstelen und findet als denn, das yhm verdreusst, so hab ers yhm und ein gut iar
dazu, Und lasse den Kuerfuersten, die zu
Nurmberg und mich mit seinem stoltz und pochen und meistern zu frieden. Was gehet yhn not an? odder wer hats
yhm befolhen, solches zu ergrobbeln und
zu stelen? Er sol yhm benuegen lassen, das ich offentlich fur der welt sein verschone.
Und wer wil mich des verdencken, das
ich von Hertzog Georgen als von meinem
aller gifftigsten, bittersten, hoffertigsten feinde boeses gedencke, rede
odder schreibe? wie wol ich allzuviel
guts ymerdar von yhm rede, so er doch auch
von mir nichts denn das ergeste gedenckt, redet und schreibet, beide
heimlich und offentlich, so ich doch
sein feind nicht bin? Und er solt mich zwingen
kein boeses von yhm heimlich zu reden odder zu schreiben? Wenn er solt
alles ergrobbeln und erfaren, was heimlich
von yhm geredt, geschrieben und gedacht
wird, Ja was ich alleine gehoert und gelesen habe, ich meine ia, Es solt
yhm der kuetzel und lust, heimliche
brieffe und rede zu ergrobbeln, gebuesset werden. Jch bin fro das ich nicht alles erfare, was
man offentlich widder mich redet und
schreibet, schweige das ich suchen odder wuendschen solt, was man heimlich von mir handelt. Das sey davon genug.
[ 4 gebot D 8 setzen D 11 mein] merae I
12 weil] quam diu I 16 heimlich] priuatim et secreto I 20 sols] solckes F ac ne gratiam quidē eo nomine
vllam a me inibit. I 34 gehort CD 37 heimlich] priuatim et secreto I]
[Seite 38]
Von dem fuerstlichen bundnis odder auffrhur,
des er sich nu zum dritten mal
entschueldigt, sage ich also: Jch achte mich fur der einen, die solch bundnis zu glewben gewehret und fur nichtig zu halten
geraten haben. Und ich duerfft umb einen
finger wetten, mein wehren hette mehr gethan, denn noch heutiges tages thun alle drey entschuldigung Hertzog
Georgens. Und wenn ich nichts anders
gehabt hette, das mich bewogen hette solch bundnis fur nichtig zu halten, denn Hertzog Georgens alle drey
entschuldigunge, wolt ich warlich
darauff nichts gebawet haben, Ja ich wolt meinen rock darumb geben,
das ich so gewis were, das Hertzog
George selbst fur Gott ynn seinem gewissen
glewbte, das solch bundnis aller ding nichtig und ertichtet were.
Nicht das ich Hertzog Georgens
entschueldigung wolt fur unglaublich
gehalten haben, Denn [Bl. D1] ich bin fro, das solche entschueldigunge
heraus komen sind, wenn sie gleich Hertzog
George selbs fur falsch und erticht hielte.
Es muest ia kein guts ynn des hertzen sein, der solch bundnis nicht
lieber wolte fur nichts und falsch, denn
fur warhafftig und gewis halten und
glewben, so es yhm zu solchem glawben nur komen kan, wie denn durch
solche entschuldigung yederman wol und
fueglich dazu kompt.
Es ist aber ein woertlin, das heisst
Aber, das hat den bauch vol mancher
seltzamer glosen. Solches Aber macht, das du und ich mussen zu weilen
nicht glewben noch wissen, das wir doch
glewben und wissen, Widderumb glewben
und wissen, das wir doch nicht glewben noch wissen. Darumb ist noch
itzt mein rath und bitte, Yederman wolte
solch bundnis fur nichtig halten, als
das freylich mit keiner offentlichen beweisunge bisher ist beybracht,
und Gott helffen trewlich bitten, das
hinfurt ewiglich also nichtig bleibe, welches warlich mein hertzlich gebet und wundsch ist gewesen
und noch ist. Denn was kuende
grewlichers auff erden der Teuffel anrichten, denn so dieser bund fur
warhafftig und gewis solt gehalten
werden? Da were der bauren auffrhur ein
lauter schertz und spiel gewest gegen diesem fuersten auffrhur. Wir
wollen auch hoffen, Gott werde solchs
gebet gnediglich erhoeren und solch bundnis
nichts lassen sein und bleiben.
Aber das ich darumb solt gezwungen
sein, von Hertzog Georgen odder etlichen
andern zu glewben, das sie heimlich unschueldig weren, so ich dawidder grosse ursachen und grund hette, das wird
mich niemand bereden. Denn gedancken
sind zolfrey1, Und mag wol bey mir selbs und guten freunden
[ 1 buendnis D 2 buendnis D 3 geholden
geraden hefft F haben] hat ABCDE 5
entschueldigung CD 6 buendnis D
nichtig] nicht D 7 entschueldigunge CD 10 buendnis D 11 entschuldigung
D vngeloeuich F 13 hielte] sciret
I 14 must D buendnis D 17
entschueldigung D 19 glosen] interp̄tationibus I 21 doch] noch F noch] vnd E 22 buendnis D 25 wuendsch D
29 buendnis D]
[Seite 39]
heimlich also reden: Es hat freilich an
Hertzog Georgen und dieses .N. guten
willen nicht gemangelt aus der und dieser ursachen, welche ich nicht
erzele, Denn ich kan offentlich nicht
reden von heimlichen sachen.
Also kan ich auch wol heimlich dencken
und reden: Hertzog Georgens
entschueldigung ist aus der massen kalt, faul und lose, wie ich sie denn
noch heutiges tages alle drey kalt, faul
und lose heimlich halte. Jch rede itzt fur
mich alleine und heimlich von heimlichem glawben meines gewissen,
damit niemand offentlich verpoten odder
gesagt wird, was er glewben sol odder
muege. Ja, offentlich ists billich und recht, das man glewbe und halte,
Es sey seine entschueldigung eitel
hitze, krafft und ernst, dazu ich yederman vermane und bitte, wie droben gesagt.
Summa: offentlich halte und weis ich,
das Hertzog George meiner lere todfeind
ist, das bekennet er mit freuden und wil des ehre und rhum haben, wie er denn hat. So weis ich fur mich, das
meine lere Gottes wort und Euangelion
ist, das leucket er und ist auch gehalten fur der welt also wie er leucket. Draus mus folgen, das er nichts guts
von mir gedenckt und ich mich widderumb
keines guts zu yhm versehen kan, Sondern mus glewben, wo ers thun kuendte, wie er denn auch [Bl.
Dij] rhuemet ynn seiner antwort, das er
mich mit meiner lere ausrottet sampt allen, die daran hangen und glewben, wie auch die that und werck zum teil
beweisen am tage. Aber Gott sey lob, das
ers nicht thun kan noch volbringen wird, was er ym synn hat.
So er denn ynn meinem gewissen wider
Gottes wort tobet, So mus ich heimlich
glewben, das er widder Gott selbs und seinen Christum tobet. Tobet er widder Gott selbs, so mus ich
heimlich glewben, Er sey mit dem teuffel
besessen, Jst er mit dem teuffel besessen, so mus ich heimlich glewben, das er das ergeste ym synn habe. Solchs rede
ich itzt heimlich von heimlichem glawben
meines gewissens, der offentlich nicht not ist zu beweisen odder andern zu glewben, auff das Hertzog George nicht
abermal zu grobeln und meine heimliche
rede zu stelen ursache habe. Denn aus diesem allen folget nicht, das Hertzog George sey zu schuldigen des
bundnis halben odder das solchs bundnis
etwas sey, sondern allein, wie ich fur mich heimlich glewbe und weis, das am guten willen noch heutiges tages nicht
mangelt, wie wol solchs auch bey mir
selbs noch nicht die rechten knoten sind, die mich des bundnis heimlich zu glewben bewegen. Ob ich hie recht glewbe
odder unrecht, stehet keinem menschen zu
zu urteilen, sondern Gott alleine, der die hertzen und nieren [Ps. 7, 10] forschet und pruefet, Psalm. vij.
[ 4 ich wol auch C 5 lose] absurda I 6
lose] absurdas I heimlich]
privatim I 7 gewissens E 13 tod feind D 15 & mundi quoq; iuditiū cum
illius negatione atq; sententia cōuenit I 20 zum teil] satis I 22 Cum
igitur cōsciētia mea mihi dictet, illum ... seuire I widder D 30 schueldigen D buendnis D 31 buendnis D 33 knoten]
ratiōes I buendnis D]
[Seite 40]
Darumb verwundert mich der leute kuenheit
odder viel mehr blindheit, das sie
solchen vermeineten meinen brieff auslassen, ehe denn sie gewis sind, das er mein ist, Dazu noch toerichter
handelen, das sie yhn dar geben als
einen offentlichen ausgegangen brieff, so sie doch daneben selbs
bekennen, Er sey heimlich an D. Wencel
geschrieben. Es solt ynn einer fuerstlichen Cantzley nicht ein solcher Esel Cantzler sein, der
heimliche brieffe ausgelassene brieffe
nennete. Aber der wuetige, unruegige rachgyrige hass und neid treibt und
iagt sie, das sie widder sehen noch
hoeren. Denn das mich Hertzog George schilt
einen verzweiveleten, ehrlosen, meyneidigen bosewicht, da spreche ich
Deo gratias zu: Das sollen meine
Schmaragden, Rubin und Demand sein, damit mich
fuersten sollen schmuecken fur die ehre, so weltliche oeberkeit aus dem
Euangelio hat. Denn weil Hertzog George
meine lere fur ketzerey helt, kan ich yhn
meinethalben des wol entschuldigt haben, Christus aber wirds wol finden.
Das ist mir aber nicht zu leyden, weil
ich mich des gestolen brieffes angenomen
habe, das sie das stuecke ‘Deus confundet Morotaton Moron’ also verdeudschen ‘Gott schende den aller
nerrichten narren’ Wie wol die groben
Eselskoepffe, wer sie auch sind, schier nichts wol verdeudscht haben, so
ist doch dis stuecke nicht allein ubel,
sondern auch schelcklich verdeudscht, Denn ich halts nicht, das Hertzog George selbs verdeudscht
habe. Das mus mir ein iglicher deudscher
zeugen, Das ynn deudscher sprache dis ein fluch ist, wenn ich sage ‘Got schende’, und als ich achte der aller
grewlichst fluch, so ynn deudscher
sprache ist. Darumb hat [Bl. Diij] der Teuffel und ein bube zu samen
gethan, mich fur der welt an zugeben,
als hette ich Hertzog Georgen auffs aller ergeste geflucht, damit er alle meine lere von
weltlicher oeberkeit zu nichte machte, so
er doch wol weis, das kein Doctor fast sint der Apostel zeit so herrlich
von der Maiestet odder weltlichen
oeberkeit geleret und geschrieben hat als ich.
Denn ob Hertzog George wol mein feind
ist, doch weil er ynn der Maiestet
sitzt, habe ich freilich nie ym synn gehabt, widder yhm noch einiger oeberkeit zu fluchen, Sondern ich weis, das
man sie segenen und fur sie betten sol,
sie duerffens auch wol. Jch wolt dem Teuffel selbs nicht also fluchen. [2. Mos. 20, 5] Des Bapsts werck ists gewest,
koenige und fuersten zu verfluchen bis yns dritte, [1. Petr. 2, 13. 18] siebend, neunde gelied,
wie .1. Pet. 2. von yhm gesagt ist: Jch habe sie viel mehr durch mein Euangelion von solchem und
allem fluch erlediget und zu ehren
gesetzt, Nicht ich, sondern Gottes wort durch mich und meine gehuelffen. Das ich sie aber straffe und urteile umbs
unrecht odder Gottlos wesen, das thut
auch Gottes wort und ich meines ampts wegen.
[ 1 Darmb C 7 vnrigige D rachgyriger ABCD 9 boesewicht D 11
weltliche oeberkeit] ipsi omnesq; reliq̱ ciuiles magistratus I 13 entschueldigt
D 14 brieffs D 15 stuecke ] membrū I 16 narrischen F 18 schelcklich]
infideliter & maligne I 21/22 in vniuersa nostra lingua I 23 aller fehlt F
28 nie] newerle F 30 sol] so D 34 gehuelffe D 35 umbs] vmme F]
[Seite 41]
Confundere heisst pudefacere, Confundi
pudefieri, Das ist: Confundere heisst zu
schanden odder zu nicht machen, Confundi mit schanden bestehen [Röm. 10, 11] odder zu schanden werden, Als
Rom. 10: Wer an yhn glewbet, der wird nicht
mit schanden bestehen. Darumb hoere, du Eselskoff zu Dresen ynn der Cantzley: Confundet non est optativi vel
imprecantis, sed indicativi predicentis,
Confundet legis et transfers Confundat. Also soltestu es recht und wol
verdeudscht haben: Gott wird den grossen
narren zu schanden machen. Wiltu wissen
wie? Nemlich also, Das Hertzog George nerrisch thut, das er sich widder mich und mein wort legt, drumb auch
Got anfehet mit yhm, das er sich uber
diesem brieffe selbs zu schanden macht, fellet ynn einen offentlichen diebstal, dazu lesst den brieff ausgehen, des
er ungewis und widder siegel noch
handschrifft hat Und der massen widder mich schreibt, das er bey
vernuenfftigen leuten yhm selbs grossen
abfall, verachtung und verdacht zuricht.
Dazu hastu villeicht yhm geholffen und geraten, So habt auch beide was yhr daran gewinnet.
Endlich ist noch mein unterthenige
bitte an Hertzog Georgen und allen
seinen anhang, sie wolten ein mal auffhoeren und unser lere mit frieden
lassen, sonderlich weil sie wissen das
uns zugelassen ist auffm Speyrischen reichstag
zu glewben, wie wirs trawen gegen Gott und keiserlicher Maiestet
zuverantworten, und wolten sich selbs
nicht uber und widder solchs des gantzen Reichs
Decret setzen, So wollen wir (wie wir bisher gethan) widderumb ynn
aller stille und friede yhn dienen, hertzlich
fur sie gegen Gott bitten, helffen, raten,
tragen und heben nach alle unserm vermuegen. Begeren wir doch nicht
mehr, denn fride und stille zu sein, wie
es denn Gott lob ym Kuerfuerstenthum fein
stille mit lere und leben gehet. Wir bitten, sage ich, noch eins umb
Gottes willen, das sie [Bl. D4] wolten
unser lieben gnedigen herrn sein, ists mueglich
zu erbitten. Und zum warzeichen meines ernstes wil ich H. G. und allen mitgenossen hie mit hertzlich vergeben und
yhn der last, so ich droben durch Gottes
gepot auff yhn bezeuget hab, entnomen und mich selbs fur Gott damit beladen haben umb deste sicherer erwerbung
willen der gnaden Gottes, Und sol alles
schlecht und absein, vergessen und ausgetilget, was mir durch diesen brieff zu leyde geschehen ist.
Jst das nicht gnug, Wolan so las das
recht gehen. Mein gnediger herr setze
gen Aldenburg odder Eilenburg zween aus dem Kuerfuerstenthum, zween aus H. Georgens fuerstenthum, zween aus
der Pfaltz, zween aus der
[ 3 schanden fehlt F 4 Eselskopff D 5
predicentis] precantis F 9 anfehet] incipit cōfundere I 11 lett he den F
12 handschrifft] Archetypon I 12/13 apud Cordatos viros I 16 meine D 22 Gott]
se F 23 heben] boeren F subleuabimus I 26 si quis p̄cibus locus est I 28
mitgenossen] q̱ in eadem sunt causa I 29 gebot C 34 gen] tho F 35 zween aus H. Georgens
fuerstenthum fehlt I H.] Hertzog
E]
[Seite 42]
Marck, zween aus dem Stifft Mentz odder wie
viel man wil, Und Hertzog George lasse
mich auffs beste verklagen, so er ymer kan: Jch wil leiden mein recht, Was sol ich mehr thun? Nicht das ich
mich zu solchem recht erbiete meiner
heimlichen brieffe odder reden halben, Denn die selbigen wil ich ym heimlichen gericht Gottes lassen und von
aller welt unverklagt und ungericht,
sondern frey, doch heimlicher weise zugebrauchen haben, Wie wol (wo es
sein kuendte odder mueste) der selbigen
auch nicht schew hette, fur offentlichen gerichte komen zu lassen. Aber weil es nicht not ist
noch zymet, wil ich niemand damit zu
recht bemuehet und von Hertzog Georgen und yderman derselbigen halben unangefochten und unbekuemmert sein.
Des und kein anders.
Hat aber uber solchs Hertzog George
etwas widder mich, sol yhm solch recht
offen stehen, Denn wie gesagt: ich wil Hertzog Georgen widder zum richter, rechtsprecher, meister noch herrn
haben, sondern zum feinde, anklager und
widdersacher. Hertzog Johans der Kuerfuerst ist mein herr und Keiser Karol, Der selbige Hertzog Johans ist von
Gottes gnaden fuerstens genug, Hertzog
Georgen und yderman rechts zu pflegen uber seine unterthane, weiter
gestehe ich keinem einige hirschafft
auff erden uber mich dis iar. Wollen sie aber
solcher gnade und recht nicht, so las sie meine ungnedige herrn bleiben
und zuernen, bis die grawen roecke
vergehen. Und muegen wol beyde zapffen und
roren yhrer gonst und gnaden abhawen und das fas und born alleine
behalten, Gott gebe es werde essig odder
laur1 draus, gilt mir gleich viel.
Denn ich sehe wol, yhe mehr man sich
demuetiget und flehet, yhe stoltzer und
troetziger sie werden2, Und lassen sich duencken, man demuetige sich und gebe darumb so gute wort, das man sich zu tod
fur yhn furchten solle und nirgent fur
yhn zu bleiben wisse. Nein lieben zornigen iunckern, man gibt euch darumb so gute wort, das man hoffet, der
teuffel so euch reitet, solle weichen
und Ein gut wort solle eine gute stat finden, Und geschicht euch zu gut, ob man euch kuendte fur sunden behueten
und ewren schaden verkomen3, den yhr
nicht sehen kuend noch wolt. Man weis fast wol, das yhr die welt
[ 1 Marck] ditione Marchionis Ioachimi
I 1/2 Hertzog George] H. G. E 2 auffs beste] quam grauissime possit I 8 zu
fehlt F 9 bemoeden F Hertzog
Georgen] H. G. E 13 rechtsprecher] patronū I 15/16 Hertzog Georgen] H. G.
E 16 weiter] voerder F 17 herrschafft E 19 rocke D dum vestes caesij coloris in usu esse
desierint I 19/21 Und muegen bis viel fehlt I 21 laur] lur F daraus E 28 schaden] exitiū I]
[Seite 43]
nicht so rohe fressen werdet als yhrs
gedenckt. Es sind ihenseit des bergs auch
leute, So ist Christus auch noch koenig und herr auff erden, [Bl. E1] ob er sich gleich schwach stellet. Aber huet
dich fur yhm, Denn es heisst warlich:
‘Huett dich fur kan nicht’ und: ‘stille wasser sind tieff, Die
rausschende wasser sind nicht grawsam’.1
Weil sie denn mit mir wollen spielen des sprichworts ‘Wer da fleugt den iagt man’2, Und deuten
meine demut eine flucht, so mueste ich
widderumb mit Christo aufferstehen und des sprichworts auff yhn spielen ‘Wenn man eim bawrn flehet, so wechst yhm der
bauch’.3
Jsts nicht der leidige teuffel, der yhm
nicht benuegen lesst, das er auch Got
ist auff erden, sondern wil alleine Gott sein und den rechten Gott
schlecht nichts lassen gelten? Da stehet
das Decret des gantzen Reichs zu Speyr
beschlossen, das ein iglicher muege glewben, wie ers gegen Gott und
keiserlicher Maiestet vertrawet
zuverantworten, Welchem H. George und seine gesellen nicht alleine zu widder leben und streben, sondern
wollen auch uns und yederman zwingen
dawidder zu streben, toben, morden, veriagen, verfolgen, rauben und verbieten zinse und gueter, die sie nicht
gestifft noch recht dazu haben: Noch sol
man sie nicht auffrhuerisch, ungehorsam noch moerdisch schelten, Faren
daher als weren sie uber das gantze
Reich, niemand unterthan: ‘Jch, Juncker aller
Junckern bin allein herr und fuerst uber alle fuersten deudsches landes,
uber das gantze Reich und alle seine
gebot und ordenung, Oben aus und nirgent
an. Mich sol man furchten, Mir allein gehorsam sein. Was ich wil
das sol recht sein, trotz wer anders
dencke odder rede’. Lieber, wo solt solcher
[Jes. 16, 6] auffgeblasener Moab zuletzt hinaus, denn das er gen hymel
auch fure ynn Gottes stuel und ampt,
fienge an heimliche rede und brieffe und gedancken zu forschen, richten und straffen? Und wil yn
solchem allen dazu noch gerhuemet und
geehret, gefurcht und angebettet sein, gnad Juncker.
Darumb wil ich hinfurt also thun:
Erstlich wil ich das siebende gebot
Gottes, davon droben gesagt, auff hertzog Georgen und seiner hofeschrantzen
[ 1 so fehlt F rohe] crudeliter I 4 Caue eū q̱ in spetiē imbecillis est
I 5 grawsam] metuēda I 6 einen flock F 7 auff] mit BCEF 8 flehet] biddet
[und so immer] F 13 George] G. BCDE 14 yderman BCD 15 toben] Sie toben BE Sie toedten CD Se douen F 18 nemandes
F vnherthan AB 20 summa petens,
& nusq; impingens I 23 gen] na F 24 fange F 26 gnad Juncker] clemens dne I
27 siebend gepot D 28 Hertzog Georgen] H. G. E aulicorū ipsius centaurorū I]
[Seite 44]
gewissen lassen bleiben mit aller lasst und
band, so es mit sich bringet, angesehen
das nichts helffen wil widder demut noch flehen, widder gonst noch gnade, widder gute wort noch freundlich erbieten,
widder billigkeit noch recht. [4. Mos.
16, 15] So wil ich auch, wie Mose widder seinen Korah thet, mein gebet, so
ich bisher fur sie gethan, widder sie
wenden. Triffts H. Georgen so hab ers
yhm, Er ist genugsam gewarnet, Und auff das er nicht abermal diebe
ausschicken musse, die solch mein gebet
heimlich ergrobbeln und stelen, wil ichs
yhm hiemit offentlich darthun, Und sol nemlich sein der siebende
Psalm, welcher laut also:
[Bl. Eij] dich traw ich, Herre mein
Gott, hilff mir von allen meinen
verfolgern und errette mich.
[2. Sam. 16 7 f.] Ja lieber Herr Jhesu
Christe, du weisest es, das gleich wie der bube
Semei dem frumen David schuld gab und flucht yhm als einem
bluthunde, der das koenigreich dem Saul
hette genohmen, also schelten mich itzt boese
meuler auch, als hette ich durch secten auffrhur, blutvergissen, dem
Bapst sein reich zu schanden gemacht.
Wie sol ich thun? yhr ist zu viel, Jch weis
kein rath noch huelffe, on allein bey dir. Darumb trawe ich auff dich:
hilff mir, mein Herr und mein Gott, von
solchen tyrannen und verfolgern, die wol
wissen das sie mich felschlich beliegen und selbs eitel bluthunde und moerder sind,
Das sie nicht wie lewen meine seele
erhasschen und zureissen, weil kein
erretter da ist.
Sie habens warlich ym synn, lieber
Herr, und grymmen wie die lewen widder
mich. Keine sache light yhn so hart an als der Luther: wenn sie den zurissen hette, so weren sie selig. Hie
hilfft kein demuetigen noch ehrbieten,
kein flehen noch beten, sondern eitel lewen grym und wueeten, eitel
wuergen und schaden ist da.
HERR, hab ich solches gethan und ist
unrecht ynn meinen henden, Hab ich
boeses vergolten die mir fridlich waren oder meine feinde on ursache ausgezogen, So verfolge
mein feind meine seele und erhassche sie
und zurtrette mein leben yn die erden und lege
meine ehre ynn den staub.
Ja mein Herr und Got, Jst meine lere
auffrhuerisch und rottisch odder
ketzerisch, wie sie sagen, und habe nicht viel mehr die rechte einigkeit
des glaubens und der liebe geleret und
die oeberkeit und friede mehr gepreiset,
denn sie alle sampt, Hab ich auch dem Bapstum mutwilliglich und nicht
durch
[ 1 und band fehlt I 3 gut D noh D 5 Georgen] G. E habe D 7 muesse D 10 traw ich, Herre]
HERE truwe ick F 11 redde F 12 lieber fehlt I 13 Simei D 21 sie] he F lewen] ein louwe F ergrype, vnde thoryte F 22 redder F 28
Here myn Godt F gethan fehlt I 29 boeses] hoeses D den de frede mit my hadden F oder] odder D ader F 31 ergrype F in de erde myn leuent F 35 geleret]
longe accuratius docui I 36 Bapstum] pontificis Tyrannidē I mutwilliglich] dedita opera I]
[Seite 45]
yhr selbs treiben und hetzen yhr tyranney
geschwecht und ausgezogen, so sey du
richter und straffe mich on gnade, lasse meine feinde zu ehren und mich zu schanden werden, yhr ding empor yn [Bl.
F1] den hymel und meine lere ynn abgrund
der hellen fallen. Jst aber der keines und meine lere ist fur dir recht und gefellig, Und doch sie nicht
wollen auffhoeren, zu wueeten und zu
toben:
So stehe auff, HERR, ynn deinem zorn
Und hebe dich uber den grym meiner
feinde Und erwecke mir das gericht, das du
gepoten hast.
Es ist bisher gnade gnug gewest, sie
wollen derselbigen schlechts nicht.
Wolan, so las doch sehen, ob dein zorn hoeher und mechtiger sey denn
yhr grym, las sie an lauffen und sich stossen,
das sie stortzen und portzeln, Und
bestettige damit das gericht und ampt des worts, das du mir befolhen
und mich dazu beruffen hast. Denn du
weist, das ich mich selbs zu solchem ampt
und werck widder den Bapst und meine feinde nicht eingedrungen noch
dasselb gesucht habe, sondern du hast
mich hinein bracht uber und widder meine
gedancken und wissen durch yhr unruegiges toben und blutduerstiges
wueeten.
Und las sich die gemeine der leute umb
dich her samlen Und umb der selbigen
willen kom widder empor.
Jst doch mein hertzlich bitte und
wundsch, mein vleissigs leren und
schreiben nicht anders denn dahin gericht, das der elende hauffe deines
volcks, so durch menschen trewme und
secten so iemerlich zurtrennet und zuriagt und
wie ein herd schaff zuscheucht und verirret waren, widderumb zu dir
versamlet und von den rotten
allenthalben zu dir bekeret wurden, ynn dem einigen glawben und geist dich erkenneten als yhren einigen
hirten und meister und Bisschoff yhrer
seelen. Umb welcher willen ich auch noch bitte, du wollest dich und dein wort erhoehen und erhalten
durch unser ampt, auff das sie bey dir
und umb dich ynn solchem einigem glawben bleiben muegen. Denn ich ia nicht gesucht habe, das sie an mir hangen
solten odder ich ehrlich und hoch
worden, sondern zu dir hab ich sie geweiset und an dich gehenget, das du
hoch und empor, herrlich und loeblich
unter yhn sein soltest.
Der HERR richtet das volck.
Du bist allein richter, meister, lerer,
prediger ym volck, wir aber sind nur
dein wergzeug, wir pflantzen und begissen, du gibst das gedeien.
Richte mich, Herr, nach mei[Bl. Fij]ner
gerechtigkeit und fromkeit.
[ 3 empor] erhoege F 7 So fehlt F 7/8
erheff grimmicheit F 10 schlecht D 12 stoertzen D portzeln] polteren F 14 Denn du weist]
scio em̄ I du] nu F weisst D 18 gemeine] vorsammelinge F 19
kum vmme der sueluen willen wedder vp F 20 wuendsch D 23 thoschuchtert F veryrret D 24 wuerden D 31 empor]
ouersick F 34 gedeyen D]
[Seite 46]
Wiewol ich fur dir ein armer sunder bin, der
dein gericht nicht leyden kan, so weis
ich doch, das ich widder meine feinde recht habe und frum bin. Denn mein lere ist recht und unstrefflich, So
thu ich auch am leben yhn kein leid,
sondern alles gut, Denn ich suche friede, ich bitte fur sie, lere sie,
Aber sie wollen nicht und verdammen
beide meine lere und leben. Darumb bitte
ich umbs recht, richte, urteil und beweise, das sie mir unrecht thun,
beide am leben und an der lere. Amen.
Las der Gotlosen bosheit ein ende
werden und fodere die gerechten, Denn
du, gerechter Gott, prufest hertzen und nieren.
Wollen sie nicht auff hoeren, so
schaffe, das sie mussen auffhoeren mit
yhrem wueeten und verfolgen Und bestettige unser lere und thun, welchs
da recht ist durch dein wort und geist
Und decke auss und mache zu schanden yhr
falsches leren und leben. Denn du weisst, das yhr hertz und nieren
voller bueberey und schalckeit ist, ob
sie wol von aussen sich schmuecken mit allerley
heucheley und gutem schein, bey dem armen man glimpff und zufall zu
finden. Solches alles wirstu thun, das
weis ich, Denn
Mein schild ist bey Gott, der den
auffrichtigen von hertzen hilfft.
Jch weis, das du mich verteidingen
wirst und unser lere beschirmen, und
solten die tyrannen bersten und tol werden. Denn unser Gott hilfft den auffrichtigen von hertzen und nicht den
falschhertzigen und schalcksheiligen, Denn
Got ist ein rechter richter und ein
gott der teglich drewet.
Ja freilich ein rechter richter fur uns
armen unschueldigen, die sein wort rein
einfeltiglich haben, das wir von der tyrannen wueeten erloeset werden, Widderumb auch ein Gott der teglich drewet
solchen wueeterichen, die widder sein
wort und widder die seinen on unterlas toben. Er drewet noch und ist langmuetig uber sie, ob sie sich bekeren
wolten und yhn furchten. Wo nicht, so
wird ers yhn warlich nicht schencken Und dazu nicht seumen, Denn
Wil man sich nicht bekeren, hat er sein
schwerd gewetzt und seinen bogen
gespannet und zielet. [Bl. Fiij] Und hat toedlich geschos darauff gelegt, Seine pfeile hat er zugericht
zu verderben.
Er ist bald gerust und wil itzt widder
sie streiten und sie mit schwerd und
pfeilen, allerley plagen, verderben zum tode. O das die tyrannen und schalcksheiligen dis glewben kuenden. Aber da
wird nicht aus, Sie mussen, sollen und
wollens erfaren. Doch wir glewbens und sinds gewis und sprechen Amen dazu, Denn sie wollens nicht anders
haben.
[ 2 recht habe] bonā causam tueri
I 3 meine D 8 boesheit D fordere I
9 rechtuerdigen F rechtuerdige
F pruefest D 12/13 er falssche
lere F 25 wueeterichen] Tyrannis I 26 die seinen] ministros suos I 27 sich
bekeren] resipiscere I willen F 29 hat] so hefft F 30/31 vpgelecht
doedtlike geschuette F 31 verterben D 32 swerden F 34 Sed nihil ē remedij
I]
[Seite 47]
Sihe, der hats boese ym synn, mit ungluck
gehet er schwanger. Aber er sol einen
feil geberen.
Das ist uns zu trost gesagt: Hie haben
wir gewis und sind sicher, das die
tyrannen muegen wol viel boeser tueck und bundnis furnemen, ungluck und schaden zu thun uns, die wir an Gottes wort
halten. Aber sie sollens nicht hinaus
furen wie bisher offt geschehen ist, es sey denn, das Gott liege, welches unmueglich ist, Sondern das ende yhrs tobens
und furnemens sol heissen feil: Sie
haben gefeilet, Es hat yhn gefeilet, den zornigen Junckern, Einen feil haben sie geborn, Feyl sol die frucht heissen
yhres zornigen synnes. Und nicht allein
das, Sondern auff das sie auch schaden zum spot und spot zum schaden haben, sol yhr zorn und boesheit uber
yhn selbs ausgehen und was sie widder
uns dencken und furnemen, sol auff sie selbs, ia auff yhren kopff fallen, wie folget:
Er hat eine gruben gegraben und
ausgefurt und fellet yns loch, das er
gemacht hat. Sein ungluck wird uber seinen eigen kopff komen und sein frevel auff seinen
scheitel fallen. Amen, Amen.
So sols gehen, des sollen wir hoffen,
das wollen wir auch glewben und bitten:
Das sie unglueck und frevel widder uns dencken und furhaben, muegen sie wol heimlich villeicht halten,
Aber dieser vers ist unser kundschaffer1
und verreth uns auch yhr hertz und mund, schweige denn yhr brieffe und siegel. Denn dieser vers ist auch bey yhn
ynn yhren kamern und rathstuben, sihet
und hoeret alles was sie handelen, darnach, wenn wir yhn lesen, so redet er mit uns durch ein lang rohr und
vermeldet uns heimlich, was sie machen,
das wirs wissen und erfaren und uns mit gebet widder sie ruesten, ehe sie es gewar werden. Und also gehet denn
yhr ding zuruck, wie sie bisher offt
befunden haben und kla [Bl. F4]gen auch, das widder den Luther so viel anschlege gehabt sind und alle zu nicht
worden. Ja warumb lassen sie diesen vers
nicht aus yhrem rath und hielten yhr hertz und mund heimlicher? Ja wie koennen sie auch? Des loben wir Gott
unsern Herrn und singen froelich:
Jch dancke dem HERRN umb seiner
gerechtigkeit willen Und lobe den namen
des HERRN des aller hoehesten. Amen, Amen.
Er richtet recht und stortzt beyde
tyrannen und schalcksheiligen, Hilfft
aber uns aus yhrem frevel und boesheit. Des sey yhm gedanckt, lob
und ehre gesagt ynn ewigkeit, Amen.
[ 1 gehet] ys F 2 he wert oeuerst einen
feyl teelen F 4 buendnis D 6 fueren D 6/7 welches unmueglich ist fehlt I 8 den
zornigen Junckern fehlt I 9 zornigen synnes] cordiū illorū I 14
gruben] kulen F 14/15 vthgebracht vnde ys in dat hol geuallen F 15 uber] wedder
vp F eigen fehlt F 20/21
explorator ac index I 29 radt, helden F 32 hoehesten] hoechsten E]
[Seite 48]
Diesen Psalm wil ich widder Hertzog Georgen
gebettet und gesetzt haben sampt allen
seinen brieffs dieben und anhengern, wo sie sich nicht bessern. Bitte daneben alle meine freunde, wolten mir
helffen den selbigen beten und
einmuetiglich Amen sprechen, Und sich troesten der herrlichen
verheissungen, so drinnen stehen fur uns
widder sie. Lasst doch sehen, was der teuffel
sampt seinen wueterichen und buben koenne ausrichten. Der friede ist ia
bey uns, Sie aber wollen nicht friede
haben, Wolan, so haben sie unruge und
was dieser Psalm drewet. AMEN.
FJNJS.
[ 2 nicht fehlt E 3 wolten] wollen D
willen F 4 eindrechtichlick F sich
troesten] cōscientiā suam cōsolentur, & cōfirment
I hertlicken F 6 koennen F bey] mit E]
[Seite 49]
[Einleitung]
[Seite 49]
Bereits im Jahre 1527 hatte Luther zwei
Streitschriften des Justus Menius, der damals Pfarrer in Erfurt war, durch
empfehlende Vorworte eingeleitet (Unsre Ausg. Bd. 23, S. 13 ff. 321 ff.).
Jnzwischen hatte Menius, sicher mit Luthers Billigung1, aus den immer
unerquicklicher gewordenen Erfurter Verhältnissen sich gelöst und war mit
Vergünstigung des Kurfürsten Johann im August 1528 zunächst nach Gotha
übergesiedelt, wo er als Privatlehrer, Schriftsteller und neben Mykonius als
Visitator wirkte; aber schon im Frühjahr 1529 wurde er nach Eisenach berufen,
wo er 18 Jahre lang als Pfarrer und Superintendent tätig gewesen ist.
Seine Oeconomia christiana hat er noch
in Gotha vollendet, wie das Datum des einleitenden Briefes “Gotha am .8. tage
Martij 1529” beweist.2 Er widmete dies Werk der jungen Herzogin Sibylla zu
Sachsen, die seit September 1526 mit dem Kurprinzen Johann Friedrich vermählt
war. Es ist ein geistreicher, gewandt geschriebener ethischer Traktat, der im
Gegensatz zur Lehre der römischen Kirche und der Wiedertäufer die
reformatorischen Grundsätze von der Heiligkeit des Ehestandes und von
[Seite 50]
den sittlichen Pflichten im Bereich des
häuslichen Lebens eindrucksvoll vertritt1, worüber ja Luther selbst wiederholt
und auch gerade damals, ungefähr zur selben Zeit, im Traubüchlein und in der
Haustafel des Kleinen Katechismus sich ausgesprochen hat. G. L. Schmidt, der
Biograph des Menius, urteilt Bd. 1, S. 82 über die Oeconomia christiana
folgendermaßen: “Evangelische Lauterkeit, feine Beobachtung des täglichen
Lebens und gründliche Kenntnis der griechischen Literatur, insbesondere der
griechischen Philosophie, vereinigen sich hier, um ein schönes harmonisches
Ganzes in ansprechendster Form hervorzubringen; das Buch ist auf praktischem
Gebiet dasselbe, wie das in demselben Jahre erschienene des Thomas Venatorius
[de virtute christiana] auf theoretischem.”2 Als kleine Vorarbeit dazu hatte
Menius auf Anregung des Amtmanns von der Thann im Jahr zuvor veröffentlicht:
“Erynnerung || was denen, so || sich ynn Ehestand be-|| geben, zu bedenck-|| en
sey. || Just. Menius || Wittemberg. || 1528. ||” (14 Bl. in 4 0, Druck von N.
Schirlentz, vorh. z. B. in Berlin), in der Vorrede dazu bescheiden seine Arbeit
als einen Auszug aus den schon vorhandenen trefflichen Büchern, namentlich
Luthers, bezeichnend. Jm Vergleich hierzu ist seine Oeconomia christiana
selbständiger und reichhaltiger. Dasselbe Thema hat er später in seiner
Auslegung des 128. Psalms vom Jahre 1550 noch einmal behandelt (vgl. Schmidt a.
a. O. I, 87; II 301). Unverkennbar wies ihn seine Gabe und Neigung überhaupt zu
solcher praktischkirchlichen und ethisch gearteten Schriftstellerei, deren
Wichtigkeit ihm seine Erfahrungen als Visitator bestätigt haben mögen.
Luther hatte seine Freude an dem Buch,
er lobte es in seinem Vorwort als “kunstreich, fein, christlich, nützlich,
tröstlich”. Besonders gefielen ihm darin einige Ausführungen im 5. Kapitel, wo
den zu einsamer Keuschheit nicht begabten Hagestolzen die Notwendigkeit des
Ehestandes eingeschärft ist, und im 9. Kapitel, wo den nachlässigen Eltern ans
Herz gelegt wird, ihren Kindern eine gute Schulbildung zu verschaffen. Diese
Ausführungen bekräftigt er, andeutend, daß er über die Pflicht, die Kinder zur
Schule zu halten, demnächst eine eigene Schrift ausgehen lassen wolle. Eine
sehr eigenartige Zuspitzung aber gewinnt seine Vorrede dadurch, daß sie in die
Form einer Zuschrift an den Hauptmann Hans Metsch zu Wittenberg gekleidet ist. In
nicht mißzuverstehenden Worten tadelt Luther hier den vornehmen, einflußreichen
Mann wegen seines ärgerlichen, unzüchtigen Lebenswandels und
[Seite 51]
mahnt ihn, den Eintritt in die Ehe als
seine Pflicht anzuerkennen. Wahrscheinlich hielt er sich zu solcher kühnen, bei
der gesellschaftlichen Sitte der damaligen Zeit doch nicht unerhörten,
öffentlichen Vermahnung um so mehr verpflichtet, da Metsch grade damals als
Visitator des sächsischen Kurkreises tätig gewesen war (vgl. z. B. Burkhardt a.
a. O. S. 28, de Wette-Seidemann 6, 97 f., Enders 7, 39 f.), und es einen
peinlichen Eindruck machen mußte, wenn ein Mann von so bedenklicher sittlicher
Beschaffenheit in leitender Stellung an einem Werk mitarbeitete, das den
sittlich-religiösen Zustand des Volkes bessern sollte. Jedenfalls ist dieser
Widmungsbrief Luthers, der mit einem Anflug von Humor sehr ernst gemeinte
Mahnungen ausspricht, ein anschauliches Beispiel seiner von aller
Menschenfurcht freien und eindringlichen Seelsorge an einem hochgestellten
Manne. Es ist bekannt, daß Luther später noch schärfer gegen denselben
auftreten mußte (vgl. Köstlin-Kawerau, M. Luther5 II, S. 438 ff.; 675 Anm. zu
S. 439).
Wenn nun Luther hier an Metsch
schreibt, er habe sich unterwunden, dies Buch mit seinem Namen und Vorrede zu
besudeln “vnd mit der selbigen euch des ein exemplar zu schencken”, so darf man
daraus nicht etwa schließen, daß der Urdruck ohne Luthers Anteil ausgegangen
ist, obwohl tatsächlich ein seiner Vorrede ermangelnder Wittenberger Druck —
aber nur vom Jahre 1543 — vorliegt. In jenem Satz will er wohl nur sagen, daß
das (von Anfang an mit seinem Vorwort gedruckte) Buch dem Metsch zuerst nicht
von anderer Hand, sondern von ihm selbst, der die Verantwortuug für die Vorrede
trägt, überreicht werden solle. Der nähere Zusammenhang jener Worte Luthers
(man beachte besonders die voranstehende Behauptung, das Büchlein “wäre” wohl
wert, ohne seinen Namen auszugehen), ferner der Umstand, daß in der uns
bekannten ältesten Ausgabe nicht der Anfang des Textes des Menius, sondern
sogleich Luthers Vorrede die Signatur A trägt, spricht dafür, daß sie von
Anfang an mitgedruckt worden ist.
Allerdings ist Luther diesmal nicht in
dem Sinne Herausgeber, wie er es bei den beiden Schriften des Menius vom Jahre
1527 gewesen war, wo er das ausdrücklich hervorhob (Unsre Ausg. Bd. 23, S. 16,
Z. 26 f. vgl. S. 15, Z. 6 f.; S. 322, Z. 18 f.). In diesem Zusammenhange ist
auch die Formulierung des Titelblattes “Mit einer schoenen Vorrhede D. Martini
Luther” zu beachten, eine Ausdrucksweise, die natürlich nicht von ihm, sondern
von Menius oder vom Drucker herrührt.
Schon am
[Seite 52]
Vgl. Köstlin-Kawerau, M. Luther5 II,
158. 644. Kolde, M. Luther II, 321. De Wette-Seidemann, Luthers Briefe Bd. 6,
559 f.; Enders Bd. 7, S. 73. Zur Herzogin Sibylla: G. Mentz, Johann Friedrich
der Großmütige I (1903), S. 22 ff.
O. Albrecht.
Ausgaben.
A “An die hoch- || geborne Furstin, ||
fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia Chri- || stiana, das ist, von
Christ- || licher haushaltung || Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorrede ||
D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 54 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zu Wittemberg || durch Hans Lufft. || Jm Jare, || M. D. XXIX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg., Arnstadt,
Aschaffenburg, Berlin (Luther 9176), Dessau, Erlangen, Göttingen, Halle Mar.,
Hamburg, Heidelberg (2), Königsberg U., Leipzig U., Marburg, Nürnberg St.,
Rostock, Sommerhausen, Straßburg, Stuttgart, Wittenberg, Wolfenbüttel (2),
Worms, Zittau St., Bibliotheca Lindesiana, London.
B “An die hoch-|| geborne Furstin, ||
fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia Chri-|| stiana, das ist, von
Christ-|| licher haushaltung || Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorrhede ||
D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXIX ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 52 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zu Wittemberg, || durch Hans Lufft. || Jm Jare, || M. D. XXIX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg., Berlin
(Luther 9177), Breslau St., Dessau, Greifswald, Heidelberg, München H. und U.,
Straßburg, Stuttgart, Wolfenbüttel, Utrecht. — Erl. Ausg. 63, 277.
C “An die hochge-|| borne Fürstin, fraw
Si-||billa Hertzogin zů Sachsen || Oeconomia Christiana, dz || ist, von
Christlicher hauß- || haltūg Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorred ||
D. Martini Luther. || M. D. xxix. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
bedruckt. 44 Blätter in Quart.
Druck von Silvan Otmar in Augsburg.
Vorhanden: Knaakesche Slg., Dresden,
Frankfurt St., Hamburg, München H., Stuttgart, Wolfenbüttel, Zürich St.
D “An die hoch || geborne Fürstin ||
Fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia Christi || ana, das ist, von
Christlicher || Haußhaltung Justi || Menij. || Mit einer schoenen Vorrhede ||
D. Martini Luther. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
bedruckt. 88 Blätter in Oktav, die zwei letzten Blätter leer. Am Ende (Blatt L
6a): “Gedruckt zu Nu-||remberg durch Fryderich || en Peypus, aus verlegung ||
des Ersamen mans Leon || hard zu der Aych buch || fuerer zu Nurem || berg. ||
M. D. XXIX. ||” Blatt L 6b: Druckerzeichen.
Vorhanden in Berlin (Luth. 5502).
E1 “An die hoch ge-||borne Fürstin,
fraw Si- || billa Hertzogin zů Sachsen, Oeconomia Christiana, das ist ||
von Christlicher haußhal || tung Justi
[Seite 53]
Menii. || Mit einer schoenē Vor-
|| rede, D. Martini Luther. || Wittembeg (so!). ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 60 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende:
“Gedruckt zů Nuerenberg durch || Johannem Stuechs. 1529. ||”
Vorhanden in Eßlingen, Halle Wais.,
München H.
E2 “An die Hochge- || borne Fürstin,
fraw Si- || billa Hertzogin zů Sachsen, || Oeconomia Christiana, das ||
ist, von Christlicher hauß- || haltung, Justi Menij. || Mit einer schoenē
Vor-|| rhede, D. Martini Luther. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 64 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zů Nuernberg bey || Johann Stüchs. || M. D. XXX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg., Berlin,
Gotha, Lübeck, München H. u. U., Basel, Zürich St.
F “An die hoch-||geborne Furstin, ||
fraw Sibilla Hertzogin zu || Sachsen, Oeconomia || Christiana, das ist, || von
Christlicher || haushaltung, || Justi Menij. | Mit einer schoenen Voerrhede, ||
D. Martini Luther. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer.
56 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedrueckt zu Wittembergk
durch || Hans Weis. M. D. xxx. ||”
Vorhanden: Gotha, Königsberg U.,
Nürnberg G. M., Zwickau.
Ga “An die hochge-|| borne Fuerstin, ||
fraw Sibilla Hertzogin || zu Sachsen, Oeconomia Chri-||stiana, das ist, von
Christ-||licher haußhaltung, || Justi Menij. || Mit einer schoenen vorrhe-||de
D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. xxx iij. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 86 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedrueckt zu Nuerenberg, durch || Jeronymum Formschneider. || Jm jare 1533.
||”
Vorhanden: München H.
Gb wie Ga, doch Z. 9 des Titels
“Martini”.
Vorhanden: Knaakesche Slg., Weimar.
H “An die Hoch-||geborne Für || stin,
fraw Sibilla Her || tzogin zu Sachsen, || Oeconomia || Christiana, das ist, ||
von Christlicher haushaltung || Justi Menij. || Mit einer schoenen Vorrhede. ||
D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXXIII. ||” Titelrückseite bedruckt.
64 Blätter in Oktav, die fünf letzten leer. Am Ende: “Gedruckt zu
Wit-||temberg, durch || Hans Lufft. || M. D. XXXIII. ||”
Vorhanden: München H., Rostock,
Straßburg, Zürich St.
I “Vom Ehfriden, Ein || Guldin Kleynot,
Keyser Sig- || munden zůgeschickt. || Frawen Beuelch, be || neben
außlegung des XXXI. Ca. der || Sprüche Salomonis. || Christliche Hauszhal ||
tung Justi Menij. || Taegliche uebung eins || Christlichen Haußuatters mitt ||
seinem Haußgesind. || Zu Francfurt,
[Seite 54]
Bei Christian Egenolff. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 114 Blätter in Oktav, letzte Seite leer.
Am Ende: “M. D. XXXV. || Jm Augstmonat. ||”
Vorhanden: Berlin, Wolfenbüttel,
Zwickau.
K “An die Hochge || borne Fur- || stin,
Fraw Sibilla || Hertzogin zu Sachssen, || Oeconomia || Christiana, das ist, ||
von Christlicher Haushalt- || tung Justi Menij. || Mit einer schönen Vorrede,
|| D. Martini Luther. || Wittemberg. || M. D. XXXV. ||”. Titelrückseite leer.
64 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu
Wit-||temberg, durch || Hans Lufft. || M. D. XXXVI. ||”
Vorhanden: Berlin (Luther 9180),
Erlangen, Halle Wais., London.
Hiermit wohl identisch der von v. d.
Hardt, Autogr. Lutheri II 195 erwähnte Druck:
“Oeconomia Christiana, Von Christlicher
Haußhaltung Justi Menii. An Fr. Sibylla, Hertzogin zu Sachsen. Mit einer
schönen Vorrede D. Martini Luther. an Hans Metsch, Hauptmann zu Wittenberg.
1535.”
La “Vom Ehfriden, Ein || Guldin Kleynot,
Keyser || Sigmunden zů || geschickt. || Frawen Beuelch, be-|| neben
außlegung des XXXI. Cap. der Sprüche Sa || lomonis. || Christliche Hausz ||
tung [so!] Justi Menij. || Taegliche uebung ei-|| nes Christlichen Hauß-||
uatters mit seinem || Haußgsind. || ¶ Zu Franckfurt bei Christian Egenolph ||”
Titelrückseite leer. 123 Blätter in Oktav. Am Ende: “M. D. XXXVIII. || Jm
Hewmonat. ||”
Vorhanden: Königsberg U.
Lb wie La, doch Z. 5 des Titels
“Befelch”.
Vorhanden: Wernigerode.
Niederdeutsche Übersetzung.
M “An de hoch-|| gebarne Voerstinnen,
frou || we Sibilla Hertoginnen || tho Sassen, Oeconomia || Christiana, dat ys,
van || Christliker hußholdinge, || Justi Menij. || Mit einer schoenen Voerrede
|| D. Martini Luther. || Wittemberge. || M D. XXIX ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 56 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende:
“Gedruecket dorch Hynrick Ottinger. 1529. ||”
Vorhanden: Berlin (Da 10 151), Breslau
U., Celle, Göttingen, Hamburg, Helmstedt, Rostock, Wolfenbüttel. — Unschuldige
Nachrichten auf das Jahr 1710 S. 14.
Dänische Übersetzung.
N “Iusti Menii Oeconomia Christiana, d.
h. Eine christliche Haushaltung, wie Jeder mit Gottesfurcht das, was ihm nach
seinem Beruf obliegt, besorgen soll. Übersetzt von Johann Tausen, Prediger in
Kopenhagen.” Rostock 1538.
[Seite 55]
Vorhanden: Kopenhagen U. (unvollst.,
nur die ersten Blätter sind erhalten). So nach Ludw. Schmitt S. I., Johann
Tausen oder der dänische Luther. Köln 1894 S. 65. Die vollständige Ausgabe
scheint noch vorgelegen zu haben Albertus Bartholinus († 1663) De scriptis
Danorum S. 90 und Unsch. Nachr. auf das Jahr 1710 S. 15.
Ausgaben ohne Luthers Vorrede.
“An die Hochge||borne Fur-||stin, Fraw
Sibilla || Hertzogin zu Sachssen, || Oeconomia || Christiana, das ist, || von
Christlicher Haushal- || tung, Justi Menij. || Wittemberg. || M. D. XLIII. ||”
Titelrückseite leer. 60 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zu Wit-||temberg, durch || Hans Lufft. ||”
Vorhanden: Königsberg U., München U.,
Wittenberg, Zwickau. — Unsch. Nachr. auf das Jahr 1710 S. 15.
In den Gesamtausgaben findet sich die
Vorrede Luthers: Wittenberg 9 (1557), 552a –553a; Jena 4 (1556), 504b –506a und
8 (1558), 210a –212a; Altenburg 4, 557 –558; Leipzig 22 Anhang, 92 –93; Walch
14, 258 –263; Walch2 14, 288 –293; Erlangen 54, 117 –121 und besser 63, 277
–282; de Wette, Luthers Briefe 3, 534 –537.
Unserm Abdruck legen wir A zugrunde und
geben die Lesarten der Nachdrucke, soweit sie nicht in der zusammenfassenden
Übersicht enthalten sind.
Von den erhaltenen Drucken ist
wahrschinlich A (Wittenberg) der Urdruck. Doch ist es auffällig, daß in A
mehrere vorwiegend oberdeutsche Formen sich finden (im Texte des Menius sie
sein, obrikeit, onmechtig, berechnen), daß ein anderer Wittenberger Druck (F)
sicher auf einen Nürnberger Druck (E2) zurückgeht. Es sei daran erinnert, daß
um 1529 Luther öfter Schriften bei Stüchs in Nürnberg drucken ließ (z. B. die
Schrifft vom Dolmetschen). Es wäre nicht unmöglich, daß E1 der Urdruck ist. Die
Abhängigkeitsverhältnisse wären dann
doch bleiben auch bei dieser Annahme einige Übereinstimmungen in den
Lesarten (daß z. B. ost nur E1 und I zusammen gehen) unerklärlich.
Wir halten uns deshalb an die
nächstliegende Aufftellung, wie sie in unseren Siglen zum Ausdruck gelangt,
nämlich den Stammbaum
[Seite 56]
B (Wittenberg) mit A verglichen.
I. Vokale: o > oe oeberkeit (in A
mit O geschr.); u > ue schueldig, mueste, ∞ nutz; o > u frume. —
unbetontes e zugefügt in Gnade, ich halte, verehelichen, beseitigt in allzumal
(< alle-).
II. yderman > yederman.
C (Augsburg) verglichen mit A.
I. Vokale. 1) Umlaut e > a
verlasset, o > oe hoeher, ∞ stossest; u > ü (ue) Fürstin, für,
fürwar, sünde, über, muesse, ∞ bůchlin, stůnde; eu > au
hauptman.
2) o > u Künig, i > e weder; alte
Längen in fründ, by, vff; i und ie, u und ů, ü und ue geschieden, ai nur
in hailand; ü > i stirmen.
3) unechtes h beseitigt in vest (<
vhest), geen, ee, stee, wee, meer, eeren, jre, jm, in, ruemen.
4) unbetontes e fällt sehr oft: sag
ich, verstand (Dat.), boeß (Plur.), solch (Plur.), leut, stett, freßling
(Plur.), ein (una), dasselbig, witz, straff, hell (Subst.), ursach, beid,
gerad, streng, gesell; eins, nutzs; bauern > bawren.
II. Konsonanten: b > p hauptman; t
> d, dt under, radtschlag; d > dt, t statt (urbs), stett.
Doppelkonsonant vereinfacht: oder, fůter, in.
III. nis > nuß.
IV. Deklination: einem sonderlichen
> sonderlichem, ∞ deinem schentlichem > schentlichen, jr jungen
> junge.
Konjugation: Umlaut fehlt in lasset, stossest; wollen
> woellen, sind > seind.
V. Wortformen: sondern > sonder,
nicht > nich (einmal) > nit, ytz > yetzt, deste > dester, denn wenn
> dann wann, auff > uff, hierinne > hierjnnen, dazu > darzů,
fur > vor, dennoch > dennocht; yderman > jederman, solch > solich,
welch > woelch, yglich > yegklich; Just > Justus, pfennig >
pfenning; vergifftige > vergiffte; vleissiger > vleissiglicher.
VI. Wortwahl: welch ein > was f|ür
ein.
D (Nürnberg, Peypus) ist im Text A sehr
nahe geblieben, in den Formen aber sehr stark oberdeutsch; hier mit A verglichen.
I. Vokale. 1) Umlaut e > oe
empoeren; o > oe oeberkeyt, boeßheyt; u > ü, ue fuer, Fuerstin, sünde,
sündlich, muessen, muest; ∞ stunde, wurde, kunde, sturmen, gelustet,
gutduncken.
2) o > u sundern (Konjunction); ue
(= üe) und ü, u und ue (= ů) nicht immer geschieden; i und ie im ganzen
geschieden, doch dinst.
3) h fehlt in vest, ruemen, selten in
geen.
4) unbetontes e fällt in den Pluralen
etlich, Koenig, ander, solch, grewlich usw., Tuerck, hett, ursach, dem
ehestand, ein streng; ∞ zu letzte, duncket, hilffet, thuen, herren.
[Seite 57]
II. Konsonanten: t > d notdurfft, b
> p plintzling; Doppelkonsonant oft vereinfacht: wider, oder, fodern,
besundeln, treflich, schryft, Got, hern, fueter, <check> vonn, erdenn u.
ä., woll, Goettlich; Pfarherrs > Pfarrhers.
III. Nachsilben: lin > lein (meist).
IV. Deklination: in offentlichem
schendlichem leben > in offentlichen, schendlichen l.
Konjugation: Umlaut fehlt in stunde, wurde, kunde; wollen
> woellen.
V. Wortformen: dester, nit; yederman,
soelch; pfennig > pfenning.
E1 u. E2 (Nürnberg) verglichen mit B.
E1 bleibt der Vorlage noch getreuer; wo nicht anders bemerkt gelten die Formen
für beide Drucke. In den Lesarten greist E auf B zurück.
I. Vokale. 1) Umlaut e > ae raethe
E2, o > oeberkeyt, hoeher; oeffentlich E1; u > ue stueck, für E2, Fürst,
sündigen E2, sündtlich E2, muesse E2, mueste E2, kuenstreich E1, juenge E1;
∞ wuerden > wurden E2, schuldig E2; eu > au haubtman.
2) o > u frumme, wilküre, i > e
weder; i und ie, ei und ai, u und ů, ü und ue geschieden nur in E2.
3) unechtes h beseitigt in vest E2,
∞ vorrhede E2.
4) unbetontes e beseitigt in hab, gnad,
hoff E2, laut E2, gerad, hoch (< hohe, E2); schlechts E2, diss, weisstu
(< weissestu), allzumal, gelert; ∞ herren, freunde (Vok. Sing. E2),
thiere, jre, ich halte, darinne, hierinne, ein ordenliche (Neutr.).
II. Konsonanten: d > dt, t freundt,
wirdt E2, p > b gebeut E2.
Doppelkonsonant vereinfacht:
fůter, oder E2, wider, weder, besudeln E2, goetlich E2; ∞ frumme E2,
gebotten E2.
III. Vor- und Nachsilben: gnug >
genueg E2, nis > nueß E2, -gklich (E2).
IV. Deklination: zur sorgen > sorge,
der bauer (Plur.) > bawrn, dis > dises; jhn > ihnen E2.
Konjugation: wollen, wolte > woellen, woelte E2.
V. Wortformen, wie bei C: sonder E2,
dester E2, dann E2, yetzt E2, nun, darneben E2, darzu E2, daran, dennoch >
dannocht; yederman, yegklich E2; denken > gedencken (E2 mehrmals), foddern
> fürdern E2, pfarher > pfarrer E2, pfennig > pfenning E2; christlich
> christenlich E2; fleissiglicher (Adv.) > vleissiger E2.
VI. Wortwahl: walts > walt sein.
F (Wittenberg) vergl. mit E2.
I. Vokale. 1) Umlaut o > oe roeck
(Sing.); u > ue Fuerstin, muessen, ∞ gunstig, nutz, duncken, Turcke,
gelustet, tuchtig.
[Seite 58]
2) u > o woerme, wilkore; für ů
meist ue.
3) unechtes h vertauscht in
tůhest, weggefallen in aůffruerisch, neu in vorrhede.
4) unbetontes e abgefallen: freundt,
hauff, ∞ verehelichen, gibet.
II. Konsonanten: d > t stat, dt >
tt stette, t > th rath; p > b gebotten; g > ck junckfraw, wegk.
Doppelkonsonant vereinfacht: sudeln, wider, oder, in,
Got, den, ∞ gebotten.
III. Vor- und Nachsilben: lin >
lein, nueß > nus, iglich > igklich.
IV. Konjugation: zu ziehen (Jnf.) >
ziehet (Druckf.?), solle > soelle.
V. Wortformen: dannocht > dannoch;
fürdern (foddern A) > fordern; ferckel > freckel (mundartl. z. B. in
Hessen).
G (Nürnberg) verglichen mit B.
I. Vokale. 1) Umlaut o > oe
oeberkeit, u > ue Fuerstin, suendigen, fuer, fuersten, kuenstreich; ∞
bůchlin, nutze; eu > au haubtman.
2) o > u frumme, kummen, sun; i und
ie, u und ů gesondert, ů auch für ue.
3) h beseitigt in geen, mer.
4) unbetontes e angefügt in Gnade, ich
halte; verehelichen, ∞ alzumal.
II. Konsonanten. Doppelkonsonant
vereinfacht: alzumal, wider, ∞ kummen.
III. Konjugation: woellen (o), kuennen
(oe).
IV. Wortformen: dester, nit, yetzt und
itzt; yglich > yedlich; pfenning; vleissiger > vleissiglicher (wie C).
I, L (Frankfurt) verglichen mit E1. Daß
I auf E1 beruht, beweisen die Lesarten deutlich; die Sprachformen sind aber
viel mehr oberdeutsch als in D, weshalb wohl ein oberdeutsches (Augsburger?)
Zwischenglied anzunehmen ist. L ist ein fast buchstabengetreuer Abdruck von I;
wo nicht anders bemerkt, gelten die Formen für IL.
I. Vokale. 1) Umlaut a > ae
widdersaecher, e > ae klaerlich, haerter, schaetz, aeltern; oe > o
stossest; u > ü, ue über, sünd, sündigen, sündtlich, mueß, muessen, mueste;
∞ gelustet, nutz, kunstreich.
2) u > o koente, o > u Künig,
sun, sunder L; i > ü würt (L seltener); i und ie, u und ů, ü und ue
geschieden wie in E.
3) h fällt in jre, In, mer I, eelich,
eebruch, eer, vest; weh > whe I; L auch eestand.
4) unbetontes e fällt fast durchweg,
auch in vorred, freůnd, hoff, sol, hell, gesell, straff, ein, dasselbig,
bild, eer, witz, streng; im Plural: etlich, leut, freßling, Stett, im Jnnern:
ewigs, verlest, schlechts, nichts (auch ∞), Gotts, gifftigsten, ∞
freunde (Vok. Sing. I), jre (suos), hilffet I, unseren; vertauscht in ewers
eigne I.
[Seite 59]
II. Konsonanten: d > dt verstandt,
sündtlich I; t > d under; t > th rath; dt > tt Stett; b > p Haupt,
∞ gebeut.
Doppelkonsonant: neu in nimmer.
III. Vor- und Nachsilben: gnug >
genůg; genad L; lin > lein, nis > nus, nueß.
IV. Deklination: einen > ein;
seinem, deinem > seim, deim; der seelsorgen > seelsorge, seim geistlichem
> geistlichen, deinem schendlichem > schendlichen; alle den > allen
den, die helle > hellen.
Konjugation: stoessest > stossest,
zeuchstu > zeuhest du, ebenso hast du, bist du, woellen (< o), koenten
(< ue); seind in L seltener als sind.
V. Wortformen: uff, sonder, nit,
dester, dann, ietz, jetzt, (jetzundt L), aber dannocht > dennoch, darzů,
vor; iederman, ieglich, solliche I, welich I; pfenning; foddern > fürdern,
bedarff > darff, rechen > rechnen.
VI. Wortwahl: welch ein > wie ein.
H, K (Wittenberg) verglichen mit B. Die
Lufftschen Neuauflagen bleiben dem Druck B sehr nahe, K geht in Änderungen fast
nirgends über H hinaus; wo nicht besonders vor (;) bemerkt, gelten die Formen
für diese beiden Drucke.
I. Vokale. 1) o > oe oeffentlich,
hoeher; K auch oerdentlich; u > ue kuenstreich, Fuerstin, duenckt, stueck,
schueldig, die juengen, K auch Fuersten, buchdruecker, muesse.
2) i> e wedder; o > u frume.
3) unbetontes e neu in: gnade H; ich
halte, nichtes; K auch zeuchest; ∞ alzumal.
4) h fällt in jm, In, jre.
II. Konsonanten: th > t Rete, t >
dt radtschlag, t > d notdurfft K, g > k junckfraw, g > ch tuechtich.
Doppelkonsonant vereinfacht in alzumal; K auch oder;
∞ Goettlich; H widder.
III. genug > gnug K.
IV. Deklination: jn > jnen; K
wuermen > wuermern; einem sonderlichen > sonderlichem H.
Konjugation: wollen > woellen.
V. Wortformen: yderman > jederman;
ordenlich > ordentlich H, oerdentlich K.
[Seite 60]
[Bl. A ij] Dem gestrengen und vhesten
Haus Metsch, heubtman zu
Wittemberg, meinem guenstigen herrn und
guten freunde.
1529
Gnad und friede yn Christo sampt krefftigem
vollem verstande dieses buechlins.
Gestrenger vhester lieber herr und freund.
Wie wol dis buechlin fast1 wirdig were on meinen namen und einiger zuschrifft2 aus zu gehen (nicht
allein des halben, das an yhm selbs ein
kunstreich fein Christlich nuetzlich troestlich
buechlin ist, sondern auch das er der loeblichen hochgebornen Furstin
unser gnedigen frawen Sibilla Hertzogin
zu Sachsen &c.. zugeschrieben), hab ich michs doch auch mit meinem namen und vorrede zu
besuddeln unterwunden und mit der
selbigen euch des ein exemplar zu schencken, nicht allein den buchdruckern damit zu dienen (Welche zu weilen pflegen
unter meinem namen und zeugnis yhre
buechlin deste bas zu vertreiben, etliche felschlich, etliche redlich), sondern auch yderman, der sein begeret und
mein zeugnis achtet, zu nutze, auff das
er dis buechlin deste lieber habe und vleissiglicher lerne, Allermeist
aber, euch gantz trewlich damit zu
vermanen. Denn mich dunckt, der meister Er
Just menius hab darynnen ewres hertzen ein gros stuck wol getroffen
und ewer notturfft (wie wol blintzling3)
fein und eben abgemalet, das ich hoffe,
Gott solle gnade verleyhen, das yhr auch ein mal diesem buechlin ein
bilde und exempel geben werdet, Amen.
Denn ich halt, das dis buechlin auch
unsern widdersachern selbs musse
gefallen (ob sie wol nichts wollen der unsern yhn gefallen lassen),
Weil hierynn nichts des yhren
angegriffen, sondern einfeltiglich und klerlich allein der ehestand gelobet und gepreiset wird. Wie
viel mehr sol es uns und den unsern wol
gefallen, die wir Gottes wort und werck erkennen und rhuemen? Fur war solch und der gleichen buechlin sind
nicht allein trefflich nuetz, sondern
auch hoch von noeten zu lesen und behalten, darumb das gar viel odder
fast der meiste hauffe, ob sie wol den
ehestand fur recht und Goetlich halten, doch
nicht von noeten odder gepoten halten, gleich wie man die
iungfrawschafft fur ein recht und
Goetlich ding, aber doch nicht von noeten noch gepoten hellt. Also gehen sie lass und sicher dahin, dencken
nicht, das sie Gottes gepot zwinget und
noetiget zum ehestande, gerade als weren sie frey und stuende ynn yhrem gutduencken und freyen willen, sich zu
verehlichen wenn sie wollen odder nymer
mehr, bleiben gleich wol daneben ynn offentlichem erkandtem sundlichem leben, troesten sich der letzten stunde,
darynn sie denn buessen wollen, wenn sie
[Seite 60]
[Vorbemerkungen]
[ 6 meinē D meinem BG 7 das es
DEFIL 32 gedencken E2F 35 gleich fehlt E2F]
[Seite 61]
nicht mehr sundigen kœnnen und sie nicht die
sunde verlassen sondern die sunde sie
verlesset.
Solchen, sage ich, ist dis buechlin von
nœten zu haben und zu lesen, auff das
sie wissen: gleich wie hohe not und hart gepot ist, da Gott spricht ‘Du solt nicht toedten, Du solt nicht
ehebrechen’, eben so hoch not und hart gepot,
ia viel hoher not und herter gepot ists: Du solt ehelich sein, du solt
ein [1. Mose 1, 27; 2, 24] weib haben,
du solt einen man haben.1 Denn da stehet Gottes wort: Gott schuff den menschen, ein menlin und frewlin, und sprach:
[Bl. Aiij] Sie sollen ein leib sein, Der
man wird vater und mutter lassen und an seinem weibe hangen. Solche wort Gottes sind nicht ynn unser frey
wilkoere gestellet, wie die iungfrawschafft
und einsame keuscheit, sondern es mus und sol also sein, wie sie lauten: Man und weib sind geschaffen, das sie
sollen ein leib sein und an einander
hangen und bleiben. Solch gepot mus man mit predigen und solchen buechern treiben, und den ledigen personen,
so zur einsamen keuscheit nicht begnadet
sind, das gewissen damit beschweren, noetigen und plagen, bis sie hinan mussen und zu letzt sagen: Sols sein,
mus es sein, kans nicht anders sein, so
walts Gott und sey gewaget.
Uber diese sind etliche andere, die
meynen, Es sey gnug, das sie ehelich
werden odder seyen, dencken nicht weiter denn ‘hette ich ein weib, hette
ich einen man’, odder wenn sie hoch
komen, dencken sie nach gut und ehre, wie
sie reich werden, hoch her faren und den kindern gros gut erben, fragen
nichts nach der kinder zucht, und wie itzt
etliche sagen ‘Wenn mein son so viel lernet,
das er den pfennig gewinne, ist er geleret gnug’, Und wil itzt niemand
kinder anders ziehen denn auff witzte
und kunst zur narung, dencken schlechtes nicht
anders, denn das sie frey seyen und stehe yn yhrem wilkoere die kinder
zu ziehen wie sie es geluestet, gerade
als were kein Gott der yhn anders gepoten
hette, sondern sie selbs sind Gott und herrn uber yhre kinder. Wenn
aber ein strenge ordenlich regiment ynn
der welt were und wuerden solche schedliche
boese leute funden, das sie sich nicht bessern wolten und yhre kinder
anders ziehen, so solt die Oberkeit
solche allzumal an leib und gut straffen odder
zur welt aus iagen. Denn solche leute sind die aller gifftigesten und
schedlichsten menschen auff erden, das
auch widder Tuercke noch Tatter so schedlich
sein koennen.2
[ 5 eben] ein IL een E1 hohe E2F 7 da] so C do D 17 walts] walt
sein E1IL 23 gewinne] gewinnet C 24 nicht] nichts C 25 stehe] stehen E1I stehet
HK 27 herr E1IL 32 Türcken E1IL
Tattern E1IL]
[Seite 62]
Ursache ist die: so viel an yhn ist, thun sie
nichts anders, denn das beide geistlich
und weltlich stand untergehe und beide haushalten und kinder zucht verderbe, und bleiben eitel wilde thier
und sew ynn der welt die zu nichts
nuetze sind denn zu fressen und sauffen. Da mercke da bey: wenn man nicht kinder zeucht zur lere und kunst1,
sonder eitel freslinge und sewferckel
machet, die allein nach dem futter trachten, wo wil man pfarher,
prediger und ander personen zum wort
Gottes, zum kirchen ampt, zur seelen sorgen
und Gottes dienst nemen? Wo wollen koenige, fursten nnd herrn, stedte
und lender nemen Cantzler, rethe,
schreiber, amptleute? Jst doch kein dorff so
klein, das eins schreibers emperen kuende, wir wolten denn allezumal so
leben lernen, das wir mit den leuten ynn
der welt nicht umbgehen musten, bey
welchen kunst und schrifft2 ym brauch und ehren ist. Was wolt das
fur eine wueste grewliche welt werden?
Da muste ia beide geistlich, weltlich,
ehelich, heuslich stand zu boden3 gehen und ein lauter sewstal aus der
welt werden. Wer hilfft aber dazu? Wer
ist schuldig an solchem grewel, denn
eben solche grewliche, schedliche, gifftige Eltern, so wol kinder haben
die sie zu Gottes dienst ziehen kuenden,
und ziehen sie allein zum bauch dienst? Weh
uber meh und aber weh alle den selbigen.
Solchen boesen wuermen odder
unachtsamen Eltern und eheleuten ist dis
buechlin hoch von noeten zu lesen odder zu hoeren, auff das sie lernen,
was Gott yhn gepeut und was sie Gott an
yhren kindern schuldig sind. Nein lieber
geselle, Hastu ein kind das zur [Bl. A iiij] lere geschickt ist, so bistu
nicht frey dasselbige auff zu ziehen wie
dichs geluestet, stehet auch nicht yn deinem
wilkoere damit zu faren wie du wilt, sondern du must darauff sehen, das
du Gott schuldig bist seine beide
regiment zu foddern und yhm darynn zu dienen.
Got bedarff eines pfarherrs, predigers, schulmeisters yn seinem
geistlichem reich, Und du kanst yhm den
selbigen geben und thust es nicht. Sihe da raubestu nicht einen rock dem armen, sondern viel
tausent seelen aus dem reich Gottes und
stoessest sie ynn die helle so viel an dir ist, Denn du nimpst die person weg die dazu tuechtig were solchen seelen zu
helffen. Widderumb zeuchstu dein kind,
das ein seel sorger werden kan, da gibstu nicht einen rock, stifftest auch nicht ein kloster odder kirchen, du thust wol
ein groessers, du gibst einen heiland
und Gottes diener der viel tausent seelen zum hymel helffen kan. Was ligt dran, das sie nicht alle geraten? Es
geraten dennoch etliche, was
[ 2 untergehen E1I 3 verderben DE1IL 4
Da ACI] Das BEFGHKL 13 mueste BDEFGHIKL muesten C 18 allen E1IL 21 Nein] Mein4
BEFGHIKL 26 bedarff] darff E1IL 30 solche D 31 das es E1IL]
[Seite 63]
weissestu, obs1 dein son sein wird? Bistu doch
nicht werd mit alle deinem gut, das du
eine stunde zu solchem Goetlichen stifft2 und grossem Gottes dienst helffen soltest, und kanst dein leben lang
dazu helffen. Nu thustu aber das
widerspiel, nicht eine stunde, sondern dein leben lang. Das heisset
freylich recht die stifft, kloester und
kirchen stuermen und rauben, das der auffrhuerischen bawer stuermen kaum ein schimpff3 und
vorspiel zu rechen ist. Sage mir, welche
helle kan tieff und heis gnug sein zu solcher deiner schedlichen bosheit? O welche eine straffe wird auch uber uns
komen umb solcher missethat willen.
Also auch ym weltlichen regiment kanstu
deinem herrn odder stad mit der kinder
zucht mehr dienen, denn das du yhm schloesser und stedte bawetest und aller welt schetze samletest. Denn was
hilfft solches alles, wenn man nicht gelerte,
weise, frome leute hat? Jch wil geschweigen, was zeitliches nutzes und ewiges lohns du davon hast fur
Gott und der welt, das dein kind auch
hiemit besser erneeret wird denn nach deinem schendlichem, schedlichem, sewischen ratschlag und furnemen. Davon ich
ein ander mal weiter und mit einem
sonderlichen buechlin4 vermanen wil, so Gott gibt, widder solche
schendliche, schedliche, verdampte
eltern, welche nicht eltern, sondern schedliche sewe und vergifftige thier sind, die yhr eygen
iungen selbs fressen. Jtzt sey es genug
zu einer vermanung dis Christlich buechlin mit vleis einem iglichen hausvater zu lesen, der fur Gott und der welt
seliglich hie und dort bestehen wil.
Dazu gebe Gott seine gnade, AMEN.
[ 1 allem C 3 soltest] solst E1IL 8 welche]
was für C wie ein E1IL auch fehlt
C 11 yhm] jn G 13 zeitliche F zeitlichen E2 19 vergiffte C 21 hausnater A]
[Seite 64]
[Einleitung]
[Seite 64]
Die wohl im Jahr 1526 gehaltenen
Vorlesungen Melanchthons über den Kolosserbrief sind erstmalig lateinisch mit
einem Widmungsbrief an Alexander Drachstadt unter dem Titel Scholia in
Epistolam Pauli ad Colossenses &c.. bei Johann Secer in Hagenau im August
und September 1527 gedruckt worden.1 Bereits im Oktober 1527 wünschte Joseph
Klug in Wittenberg eine deutsche Abersetzung dieses Werkes herauszugeben; Georg
Rörer aber, den er darum bat, lehnte wegen Arbeitsüberhäufung ab.2 Doch
erschien noch im selben Jahr eine übrigens recht unbeholfene Verdeutschung
eines Ungenannten bei Joh. Loersfeld in Marburg: “Ausle-|| gunge der || Epist.
S. Pauli zu || den Colossern, durch || Philips Melanch. || Marpurg. || M. D. XXVII.
||”3 Diese ist im Corp. Ref. XV, 1221 nicht erwähnt; die aber dort unter Nr. 2
angeführte (“Auslegung der Epistel an die Kolosser durch Philipp Mel.,
gedeutscht durch Johann Agricola Eysleben. Wittenberg 1527. 8.”), die das
größte Jnteresse beanspruchen würde, scheint eine bloße Fiktion zu sein.4
[Seite 65]
Die von Secer verschuldeten
Nachlässigkeiten des ersten lateinischen Drucks hatten Melanchthons Unwillen
erregt, worüber er sich beiläufig im Brief an seinen Diener Johannes am
“SCHO-||LIA IN EPISTO-||LAM PAULI || ad
Colossenses, re-|| cognita ab || autore. || PHIL. MELANCH. || 1528. ||” Mit
Titeleinfassung. Auf der Titelrückseite ein Bild (Paulus den Brief durch Phoebe
[?] absendend). 108 Blätter in Oktav. Am Ende: “FINIS. || IMPRESSUM VVITTEN- ||
BERGAE PER IO-||SEPHUM KLUGK. ||”
Vorhanden z. B. in Berlin (Bt 8528),
Weimar (die 2 letzten Blätter fehlen), Bretten.
Diese zweite, bereicherte Auflage1 hat
der Übersetzung des Justus Jonas, wie ja auch deren Titel andeutet, zugrunde
gelegen; fraglich könnte etwa noch
[Seite 66]
sein, ob Jonas diesen Klugschen
Originaldruck oder den davon im folgenden Jahre durch Secer in Hagenau
veranstalteten Nachdruck1 benutzte; wahrscheinlich war doch der Wittenberger
Druck, der ihm ja an Ort und Stelle zugänglich war, seine Vorlage. Dann aber
besteht die Möglichkeit, daß er die Übersetzung schon Ende 1528 fertigte und
mit Luthers Vorrede bereits Anfang 1529 ausgehen ließ. Genaueres über den
Zeitpunkt des Erscheinens der Schrift läßt sich nicht sagen, da anderweite
Nachrichten darüber unbekannt sind und der Jnhalt sowohl von Luthers Vorrede2
als von Jonas' Nachwort keine sicheren Handhaben für eine nähere Datierung
bietet.
In dem Nachwort “dem leser” (neu
gedruckt bei Kawerau, Jonas' Briefwechsel I, 139 f.) macht Jonas darauf
aufmerksam, daß er mit Melanchthons Billigung den lateinischen Text nicht
wörtlich, sondern bei sorgfältiger Wahrung
[Seite 67]
des ursprünglichen Sinnes frei
übersetzt habe. Ob Melanchthon, der später einmal bei andrer Gelegenheit (C. R.
IV, 834) über Jonas' Übersetzungskunst klagt, damit ganz einverstanden war,
erfahren wir nicht.
Jedenfalls hatte Luther große Freude an
der nicht von ihm, sondern von Jonas veranstalteten1 Veröffentlichung, wie er
dies in seiner Vorrede mit lebhaften Worten ausspricht. Darin ist die oft zitierte
anschauliche Charakteristik seiner eigenen reformatorischen Wirksamkeit im
Unterschied von der Melanchthons2 besonders beachtenswert, ferner aber auch die
Tatsache, daß er von etwaigen Lehreigentümlichkeiten Melanchthons betreffs
Wertung der Willensfreiheit3 keinerlei Andeutungen gemacht, sondern der Arbeit
seines Freundes uneingeschränktes Lob gespendet hat. Gewiß sollte diese
begeisterte Anerkennung wieder dazu dienen, dem Melanchthon das Beharren bei
den theologischen Vorlesungen zur Pflicht zu machen4, während dieser doch
selbst in seiner der ersten Ausgabe vorgesetzten Dedikationsepistel an
Drachstadt 1527 über seine Arbeit sehr bescheiden urteilte: certe in tractandis
sacris literis nunquam ingenij laudem captavi.
Vgl. noch Köstlin-Kawerau, Martin
Luther5 II, S. 158 f. Enders, Luthers Briefwechsel Bd. 7, S. 212. Kawerau,
Justus Jonas' Briefwechsel II, S. XXII ff. Art. “Melanchthon” in der P. R. E.3
Bd. 12, S. 528 Z. 40 ff., S. 540 Z. 13 f.
[Seite 68]
(nicht genau). Hartfelder, Melanchthon
als Praeceptor Germaniae in den MGP. VII, S. 290 f. 586 ff.
Ausgabe:
A “Die Epi -||stel S. Pauli zun ||
Colossern durch Philip||pum Melanchton ym la -||tein zum andern mal ||
ausgelegt. || Verdeudscht durch Justum || Jonam mit einer schoenen vor||rhede Martini
Luther || an die deudschen || leser. || Gedruckt. || 1529 ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 100 Blätter in Quart, die drei letzten
Seiten leer. Am Ende: “Hat gedruckt Michael Lotter. 1529.”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin (Luth. 9171 und Bt 8525), Breslau U., Dresden, Eisleben (Andreas),
Erlangen, Halle Mar., Halle Wais., Hamburg, Heidelberg, München U., Nürnberg
GM., Prag U., Sommershausen, Straßburg, Weimar, Wolfenbüttel, Würzburg U.,
Zwickau.
In den Gesamtausgaben steht Luthers
Vorwort: Eisleben 1 (1564), 481 b –482a; Altenburg 4, 702 –703; Leipzig 12, 86
–87; Walch 14, 199 –201, vgl. 19 f.; Walch2 14, 176 –177; Erlangen Opp. var.
arg. VII, 492 –493.
Wir drucken den Text nach A.
O. Albrecht.
Vorrhede Martin Luther.
1529
[Seite 68]
Du habt yhr aber mal ein feines
nuetzlichs buch, mein lieben freunde,
nemlich S. Paulus Epistel zu den Colossern mit
Magistri Philippi Melanchtons anweysung und underricht, darynn gar sein kurtz und doch deutlich und
reichlich gefasset ist, was ein
Christliche lere und leben sey, das wol dis buechlin ein gros buch und widderumb dis buch ein
klein buechlein heissen mag, und ein
yeder bey sich ym busem als seinen Christlichen schatz teglich zu uben tragen kan. Jch hab zwar.1 selbs solche
Magistri Philipps buecher lieber denn
die meinen, sehe auch lieber die selben beyde ym lateinischen und
deudschen auff dem platz denn die
meinen.
Jch bin dazu geboren, das ich mit den
rotten und teuffeln mus kriegen und zu
felde ligen, darumb meiner buecher viel stuermisch und kriegisch sind. Jch mus die kloetze und stemme ausrotten,
dornen und hecken weg hawen, die
pfuetzen ausfullen und bin der grobe waldrechter, der die ban brechen
und zurichten mus. Aber M. Philipps
feret seuberlich und still daher, bawet und
pflantzet, sehet und begeust mit lust, nach dem Gott yhm hat gegeben
seine
[Seite 69]
gaben reichlich. O der seligen Zeit, so
unser verdampte undanckbarkeit solchs
uns erkennen lest, welch ein schatz solt es aller welt gewesen sein fur
zwentzig iaren, wo man ein solch buch
hette muegen haben. Aber ytzt ists leider dahin
[4. Mose 11, 4 –6] komen, das die Jueden des hymelbrods sind
uberdruessig worden, wollen zippeln und
knoblauch ynn Egypten essen, Ja (das noch erger ist) perlin muessen wir [Matth. 7, 6] fur die hunde und heiligthumb
fur die sew werffen, die uns dafur zu reissen
und beissen. Wolan kompts ein mal widder, das uns das wort genomen wird, so werden wir auch umb sonst ruffen ym
iamer, wie unser vorfaren haben gethan,
und uns niemand erhoeren.
Doch wird dis buechlin, ob Gott wil,
wol komen, da es ehre und lob, lieb und
danck finden wird, denn ein gut wort find eine gute stet1 und Gotts wort feret nicht umb sonst aus, kompt auch
nicht leer widder, wie wir des [Jes. 55,
11] ynn der schrifft verheissung und trost haben: den selbigen stillen frumen
hertzen sol dis buechlin befolhen sein,
die sollen yhr paradis drynn haben und yhren
lieben HERRN Christum drynnen angezeigt und furgestellet finden als
den [1. Mose 2, 9] rechten bawn des
lebens, An welchem sie on allen verdrus sich nicht satt essen konnen, sondern yhe lenger yhe lieber2 sol es
heissen, yhe mehr yhe luestiger zu
essen, das sie der Egyptischen zippeln und knoblauch nicht gedencken, Auch
mit [4. Mose 21, 21 ff.] den Amoritern
und Cananitern3 nicht kriegen noch sich schlahen mussen, sondern yhr land und gut mit frieden und rugen
besitzen und gebrauchen, Gott zu lob und
ehren ynn Christo Jhesu unserm Herrn und heylande, welchem sey danck gesagt ynn ewigkeit fur alle seine
reiche grundlose guete an uns erzeigt.
AMEN.
[Seite 70]
[Einleitung]
[Seite 70]
Zu den Trostschriften fuer Sterbende,
die im Jahre 1527 erschienen 1 , gehört auch des Thomas Venatorius Kurzer
Unterricht. Der Verfasser, seit 1523 in Nürnberg “Krankenprediger bei dem neuen
Spital” 2 , schrieb diese kleine, offenbar aus seiner besonderen seelsorgerlichen
Erfahrung herausgewachsene, kernige Erbauungsschrift in der Form eines Briefes
an seinen Amtsgenossen Hartung Goerrell nieder. Die ältesten Drucke, die noch
nicht Luthers Vorrede hatten, erschienen in Nürnberg; folgender scheint der
Urdruck gewesen zu sein:
α “Ein kurtz || vnderricht den ||
sterbenden menschen gantz || troestlich, geschriben an Hartun-|| gum Goerell,
diener der ar-|| men zů Nuernberg im || Newen Spital. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 4 Blätter in Quart. Am Ende: “M. D.
XX vij. ||”
Druck von Friedrich Peypus in Nürnberg.
Vorhanden in Berlin (Cu 6565), Muenchen
H. St., Nürnberg St., Weimar; London.
Vgl. Kuczyński, Thesaurus
libellorum Nr. 2691. Erl. Ausg. 63, 284 f. Bl. A 1 b beginnt: “Thomas
Venatorius Hartun- || go Goerell, Gnad vnd frid von Gott || dem vatter &c..
||”
Als ein Abdruck dieser Vorlage
erscheint:
β “Eyn kurtz || vnderricht den
ster|| benden menschen gantz || troestlich, geschribē an || Hartungū
Goerell || diener der armē || zu Nuermberg || im Newen || Spital. || 1527
||” Mit Titeleinfassung. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite leer.
[Seite 71]
Druck von Jobst Gutknecht in Nürnberg.
Vorhanden in Bamberg, Dresden, Munchen
HSt.
Bl. A2a beginnt: “Thomas Venatorius ||
Hartungo Goerell, Gnad vnd frid || von Gott dem vatter &c.. ||”
Der Druck ist typographisch besser
ausgeglichen als der vorige, mit A5a 20 “kumbt” bietet er eine Verschlechterung
gegen “kum̄”
α; A6b 26 hat er für das richtige “kanstu” von α keinen Platz auf der
Zeile und druckt “kanst”; A7a2 “pein” und Glosse dazu “Peyn” sind der Versuch
einer sprachlichen Glättung gegen “poen (Poen)” in α.
Wenn Luther schreibt (s. u. S. 79, Z.
17 f.): “es haben auch unser widdersacher dis buchlin selbst lassen drucken vnd
ausgebreit ehe denn wir”, so hatte er dabei vielleicht folgenden Dresdener
Nachdruck im Auge:
γ “Ein kurtz vn||derricht den ||
Sterbenden men||schen gantz || tröst||lich vnd se||licklich fuertzuhal||ten an
yrem letzten ende. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 8 Blätter
in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Dreßden durch || Wolffgang
Stoeckel || 1527. ||”
Vorhanden in Breslau St. und U.,
Hamburg.
Daß ein Katholischer Drucker die
Schrift verbreitete, erklärt sich wohl daraus, daß die evangelische Stellung
des Verfassers, der sich übrigens auf dem Titelblatt nicht ganannt hatte,
damals noch unbekannt war. Möglich, daß Luther noch andere derartige Nachdrucke
kannte, die verschollen sind. Wann er das Büchlein kennen lernte, und ob er
durch den Verfasser oder durch jemand anders gebeten worden ist, es mit einem
empfehlenden Vorwort neu herauszugeben, wissen wir nicht. In der Vorrede deutet
er nur an, daß er es “gedruckt bekommen” und, um es in seiner guten Eigenart
nicht etwa zu verderben, daran gar nichts geändert habe.
Die erste Erwähnung des Wittenberger
Druckes mit Luthers Vorrede finden wir wohl in einem gegen Ende Junii 1529
anzusetzenden Briefe Rörers (Buchwald, Roth, S. 89 Nr. 228, wegen der Datierung
vgl. noch Buchwald, Z. Wittenb. Stadtgesch. S. 61 Nr. 67): Habes hic 2
Sapientiae exemplaria 13 ℘, .... Venatorii II 3 ℘. An
eine andere Veröffentlichung des Venatorius, etwa an sein berühmtes Werk De
virtute christiana 1529, kann nicht gedacht werden, teils weil Rörer doch nur
Erscheinungen des Wittenberger Buchdrucks aufzählt, während De virtute
christiana in Nürnberg gedruckt ist, teils wegen der Preisangabe: 2 Exemplare
kosteten 3 ℘; das paßt nicht auf die letztgenannte umfänglichere
Schrift, wohl aber auf den Kurzen Unterricht. Also Ende Juni wurde das
Büchlein, wie es scheint als Neuigkeit, versandt, Luthers Vorrede dürfte kurz
vorher verfaßt sein.
Allerdings behauptet v. Dommer, Die
ältesten Drucke aus Marburg, S. 29: “für Luthers Vorwort zum Venatorius steht
das Jahr 1529 nicht fest”. Aber er kannte den Wittenberger Urdruck vom Jahre
1529 (s. u. A) und die angezogene Briefnotiz Rörers noch nicht; seine
beiläufige Anzweiflung des Ursprungsjahres innerhalb der bibliographischen
Untersuchung des Odenbachschen Sammelwerkes (s. u. die Bibliographie) ist wohl
verständlich, aber nicht zutreffend. Vielmehr ist die herkömmliche Annahme, daß
Luthers Vorrede aus dem Jahre 1529 stammt, richtig.
[Seite 72]
Sicher hat Luthers Empfehlung dazu
beigetragen, daß die kleine Erbauungsschrift des Nürnberger Predigers bei den
Evangelischen weite Verbreitung fand. Sogar Spalatin veröffentlichte einen
Auszug daraus, aber ohne Luthers Vorwort, der mehrfach gedruckt1 wurde, einzeln
wohl nur in der folgenden Ausgabe:
δ “Troestung ynn || tods noeten,
des meh-||rern teils aus Thome Venatorij || buechlein, durch Georgium ||
Spalatinum gezogen . || ... 1531.” Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in
Oktav. Am Ende: “Gedruckt yn der Churfuerstlichen Stad || Zwickaw, durch
Wolffgang Mey-||erbegk. ym iar 1531.”
Vorhanden in Zwickau.
Mehrfach ist dagegen Venatorius in
dieser Form in Sammelwerke eingegangen, vgl. außer den späteren Ausgaben von
Johann Odenbchs “Trostbüchlein für die Sterbenden. An die Hochgeborene Fürstin
Frau Elisabeth, Pfaltzgräfin usw.” (s. u. die Drucke GHIKL) namentlich:
ε “Ein schoener || Sermon, von ||
dem Wort, Zeich-||en vnd Sa-||crament. || Nicolaus Amssdorff. || Witeberg. ||
M. D. XXXIII. ||” Mit Titeleinfassung. 24 Blätter in Oktav. Letzte Seite leer.
Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Georgen Rhaw. ||” Hier unsre Schrift
Bl. B 3a ff.
Vorhanden in Zwickau.
ζ “Ein schoe-||ner Sermon, || von
dem Wort, Zei-||chen vnd Sa-||crament. || Nico. Amsdorff || Wittemberg. || M.
D. XXXV. ||” Mit Titeleinfassung. 32 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am
Ende: “Gedruckt zu Wittem-|| berg durch Georgen || Rhaw.” Hierin unsre Schrift
Bl. B7 aff.
Vorhanden in Zeitz (St. Michael),
Zwickau.
Das eben genannte Sammelwerk Johann
Odenbachs ist auch an der Verbreitung von Luthers Vorrede stark beteiligt.
Diese erscheint hier gelegentlich kombiniert mit Spalatins Auszug aus
Venatorius, gelegentlich durch andere Bestandteile der Sammlung weit von ihrem
Texte getrennt. Nur wenige Ausgaben des Odenbach enthalten beides, Luthers
Vorrede und Venatorius nicht, nämlich die folgenden:
η “Eiñ trostbuch-||lin fur die
sterbēden, an die || hochgeborne Christliche Fuerstin Frau-|| we Elizabeth
Pfaltzgraffin bey Rhein || Hertzogin yn Beyern, Graffin zu Vel- || dentz,
Landtgraffin zu Hessen, durch || Johan̄ Odenbach predicanten zu Mo || scheln
vnter Landßberg, aus hei||liger Goettlicher Schrifft || auffs kurtzst vnd
trost-||lichst zu gericht. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite bedruckt. 24
Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer, am Ende: “Getruckt zu Marpurg.
|| M. D. XXX. ||”
Druck von Franciscus Rhode.
Vorhanden in Dresden.
θ “Eyn trost büch-||lein für die
Sterbenden, || an die hochgeborne Crist||liche fürstin frauwe Elizabeth ||
Pfaltzgraeffin bey Rhein Hertz||ogin in Beyern graeffin zů Vel-||dentz
Landtgraeffin zů Hessen || durch Johan̄ Odenbach
[Seite 73]
Predi-||cantē zů Moscheln
vnd’ Landß||berg auß heyliger Goettlicher|| schrifft auffs kürtzst vn̄trost||lichst zů gericht.
Anno. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 16 Blätter
in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Getruckt zů Straßburg bey Hans ||
Preyßen. Jm jar. 1530. ||”
Vorhanden in Fürstenau im Odenwald.
ι “Ein trostbuechlein || für die
Sterbendē, durch || Johan̄ Odenbach Pre-|| dicantē zů moscheln vn-||der
Landßberg auß hei-||liger Goetlicher schrifft|| auffs kürtzst vnnd || trostlichst
zů || gericht. || M D XXXII. ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite
bedruckt. 16 Blätter in Oktav, letzte Seite leer, am Ende: “Getruckt zů
Sraßburg [so] bey Hans || Preyßen. Jm jar. M. D. xxxij. ||”
Vorhanden in Basel.
Χ “Ein Trostbuechlein || für die
Sterbenden, durch || Johan̄ Odenbach, Predican- ||ten zů Moscheln, vnd’
Land||sperg, auß heyliger Goettli-||cher Schrifft, auffs || kürtzst vnd
trost-||lichest zů-||gericht. || * || ¶ Getruckt zů Straßburg, bey ||
Jacob Froelich. Jm Jar, || M. D. XLVI. ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite
bedruckt. 24 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer, am Ende: “Getruckt zů
Strasz-||burg, bey Jacob Froelich, || Jm Jar, M. D. XLVI. ||”
Vorhanden in Bamberg.
Wir geben nun die Reihe der Ausgaben,
die Luthers Vorrede enthalten, in ihrer zeitlichen Folge. Voran stehen die
Einzeldrucke.
Aa “Ein kurtz vn||terricht den
Ster-||benden menschen || gantz troestlich vnd selig-||lich furzuhalten an
yh||rem letzten ende, || mit einer Vorre||de D. Mart. || Luther. || Wittembeg.
[so] || 1529. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 12 Blätter in
Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt durch Jo-||seph Klugk. ||”
Bl. A2b Z. 4 “vnnuetzen”; Z. 22/23 “dem
es offenbar ist, das alle Papisten || auff einen hauffen, mit alle yhrer ||”;
A3a 17 “buchlim”.
Vorhanden in Dresden, Gotha.
Ab wie Aa, nur Z. 10 des Titels
“Wittemberg”, A2b 4 “vnnutzen”.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin, Gotha, Rostock, Wittenberg L., Wolfenbüttel (2 Ex., das eine
unvollständig), Zwickau.
Ac wie Ab, doch A2b 4 “vnnuetzen”;
22/23 “dem es offenbar ist, das alle Papi-||sten auff einen hauffen, mit alle
yhrer ||”; A3a 17 “buchlin”. Jm Jnnern neuer Satz.
Vorhanden in Eisleben
(Andreasturmbibl.), Zwickau.
B “Ein Kurtz vnter||richt den Sterbendenn
|| menschen gantz troestlich vn̄ se||liglich fürzůhalten an jrem letz || ten ende,
mit einer Vorre||de D. Mart. Luth. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 8 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zů Nuerenberg || durch Hans Stuechssen. ||”
Vorhanden in Berlin (Luth. 5502, 1),
München H. und U., Nürnberg GM., Sommershausen, Wittenberg, Zürich St. — Vgl.
Weller Nr. 1646 und 1647.
[Seite 74]
C “Ein kurtzer vnderricht || den
sterbendē menschen, gantz || troestlich vnd seligklich für zů halten
|| an irem letsten ende. || Mitt einer Vorrede D. Martin Luthers || in welcher
er diß buechlin || hoch lobt. || M. D. xxix. ||” Titelrückseite bedruckt. 8
Blätter in Oktav, letztes Blatt leer.
Druck von Andreas Cratander in Basel. —
Vorhanden in Basel (2).
D “Ein Troest-||büchlin fur die ||
sterbenden. || An die Hochgeborne || Fuerstin, Fraw Elizabeth, Pfaltz-||grefin
bey Rhein, Hertzogin jn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreuin || zu
Hessen. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter
in Oktav, das 20. fälschlich “Oiiij” gezeichnet.
Druck von Georg Rhaw zwischen 1529 und
1535. Als Herausgeber nennt sich Johan. Odenbach in der Widmung. Unsre Schrift
auf Bl. C6b bis C8b beginnt: “Ein ander vn-||terricht, den Sterben-||den
menschen gantz troestlich vnd || seliglich furzuhalten ... mit einer
Vor-||rhede D. Mart. || Luthers. ||”1
Vorhanden in Hamburg, Nürnberg GM,
Wernigerode.
E “Ein Trost-||buchlin fur die ||
sterbenden. || An die Hochgeborne Fuer-||stin, Fraw Elizabet, Pfaltzgref-||fin
bey Rhein, Hertzogin jnn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreuin || zu
Hessen. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung. 48 Blätter in Oktav, letzte
Seite leer.
Druck von Georg Rhaw. Unsre Shrift auf
Bl. C6b bis D8b, am Ende von Luthers Vorrede Holzschnittleiste mit den Köpfen
Karls V. und Kurfürst Johann Friedrichs, so daß E frühestens im August 1532
gedruckt ist.
Vorhanden in Zwickau.
F “Ein Trost-||Büchlin fur die ||
sterbenden. || An die Hochgeborne || Fuerstin, Fraw Elizabet, Pfaltz- ||
greffin bey Rhein, Hertzogin jnn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreffin
|| zu Hessen. || Wittemberg. || 1535 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
leer. 48 Blätter in Oktav.
Druck von Georg Rhaw. Unsre Schrift auf
Bl. C6b bis D8b.
Vorhanden in Berlin (Cx 92, 2), Danzig
St., Königsberg U., Münschen H., Nürnberg St., Weimar, Zeitz, Zwickau (2);
Bibliotheca Lindesiana.
G “Ein Trost-||Büchlin fur die ||
Sterbenden. || An die Hochgeborne || Fuerstin, Fraw Elizabet, Pfaltz-||greffin
bei Rhein, Hertzogin jnn || Beiern, Greffin zu Vel-||dentz, Landgreffin || zu
Hessen. || Wittenberg. || 1537 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 88
Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-||berg durch
Georgen || Rhaw. ||”
Luthers Vorrede auf Bl. D6b bis D8b,
Venatorius in Spalatins Auszug Bl. I3a bis I7b.
Vorhanden in Berlin (Es 1362).
H “Ein Trost||Büchlin fur die ||
Sterbenden. || An die hochgebor-||ne Fuerstin, Fraw Elizabet, || Pfaltzgreffin
bey Rhein, Her-||tzogin jnn Beiern, Greffin || zu Veldentz, Landgref-||fin zu
Hessen. || Wittemberg. || 1538. ||” Mit Titeleinfassung. 96 Blätter in Oktav,
letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-||berg durch Georgen || Rhaw.
||”
Luthers Vorrede Bl. D6b bis D8b, aus
Venatorius nur Spalatins Auszug Bl. I3a bis I7b.
Vorhanden in Fürstenau im Odenwald.
[Seite 75]
I “[rot] Eyn Trostbuech-||[schwarz]lein
fuer die ster-||benden. || [r.] An die Hochgeborne Fuer-||stin, Fraw Elizabet,
Pfaltzgrefin || [schw.] bey Rhein, Hertzogin in Beyern, || Grefin zů
Veldentz, Land-||grefin zů Hessen. || [r.] 1541. ||” Titelrückseite leer.
72 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Getruckt zů Franckfurt
am || Meyn, bei Cyriaco Ja-||cobi zům Bart. || M. D. xlj. ||”
Luthers Vorrede auf Bl. C6b bis C8a,
Venatorius in Spalatins Auszug Bl. G1b bis G4b.
Vorhanden in Berlin (Es 1364). — Vgl.
Rotermund, Fortsetzung zu Jöcher 5, 926 (1816).
K “Ein Trost || Büchlin fur die ||
Sterbenden. || An die hochgebor-||ne Fuerstin, Fraw Elisabet, || Pfaltzgreffin
bey Rhein, Her-||tzogin jnn Beiern, Greffin|| zu Veldentz, Landgref-||fin zu
Hessen. || Wittemberg. || 1542 ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 96
Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittem-||berg durch
Georgen || Rhaw. ||”
Luthers Vorrede Bl. D 6b bis D 8b, aus
Venatorius nur Spalatins Auszug Bl. I3a bis I 7b.
Vorhanden in Berlin (Es 1365), Nürnberg
St., Basel. — Vgl. Rotermund 5, 926.
L “Ain Trost- || buechlin, für die ||
Sterbenden. || An die Hochgepor-||ne Fürstin, fraw Elisa-||beth, Pfaltzgraefin
bey || Rein, Hertzogin in Baiern, || Graefin zu Veldentz, Land-||graefin zu
Hessen, &c.. || 1543 ||” Mit Titeleinfassung. Titelrückseite bedruckt. 56
Blätter in Oktav, letztes Blatt leer.
Wohl ein Augsburger Druck. Odenbach
nennt sich in der Vorrede als Herausgeber. Luthers Vorrede Bl. C4b bis C6a,
Venatorius in Spalatins Auszug E3b bis E6b.
Vorhanden in München H.
Die nach Luthers Tod erschienenen
Ausgaben von Odenbachs Trostbüchlein sind notwendig ohne kritischen Wert für
Luthers Vorrede und hier nur kurz zu erwähnen. Es sind:
M “Leipzig, durch Jacobum Berwald,
Wonhafftig in der Nickelstrassen. 1552.” Vorhanden in München HSt.
N “Gedrueckt zu Nueremberg, durch Georg
Merckel. Wonhafft auff dem Newen baw, bey der Kalckhuetten. 1555.”
Vorhanden in Müchen HSt.
O “Zürich, bei Christoph Froschauer.
1561.”
Vorhanden in Basel.
P “Ein Trost-|| buechlin fur die Ster
|| benden. || [verzierte Blume] || Jtzundt in diesen gefehr- || lichen zeiten
allen fromen || Christen, fehr nuetzlich || vnd troestlich || zu le-||sen. ||”
Mit Titeleinfassung, 32 Blätter in Oktav, darauf neuer Titel: “Ein ander
vn-||terricht, den Sterbenden || Menschen, gantz troestlich || vnd seliglich
fuerzuhal-||ten, anjrem letz-||ten ende. || [verzierte Blume] || Mit einer
Vorrede, || D. Mart. Luth. || ||” 24
Blätter in Oktav.
Vorhanden in München U.
Q Eine Ausgabe von Odenbachs
Trostbüchlein, die nach Rotermunds Fortsetzung und Ergänzungen zu Jöcher 5, 926
(1816) Paulus von Rode in Leipzig 1739 besorgt haben soll, scheint verschollen
zu sein. Nicht bei Heinsius, Allg. Buecherlexikon 1700 –1810 (1812).
[Seite 76]
Handschriften.
a Die Jenaer Handschrift Bos. q. 24s.
ein Sammelband von Abschriften Lutherscher Briefe, Gutachten, Vorreden usw. von
verschiedenen Händen des 16. Jahrhunderts aus dem Nachlaß Rörers († 1557),
enthält auf der Rückseite des Titelblatts und dem folgenden noch ungezählten,
Blatte die “Vorrede D. M. L. vber das Büchlin Thomä Venatorii, Vnterricht den
sterbenden «Menschen gantz trostlich»”, die drei letzten Worte nachträglich
über der Zeile. 3 Seiten in Quart.
b Dieselbe Handschrift enthält auf Bl.
237a, 237b und 238c von einer zweiten alten Hand die Abschrift nochmals, am
Rande ist nachträglich die Überschrift beigefügt: “Vorrede D. M. L. auff den
kurtzen Vnterricht Tho. Venatorii sterbenden Menschen gantz tröstlich
furzuhalten an irem letzten ende 1529.” 3 Seiten in Quart.
Von den Gesamtausgaben der Werke
Luthers enthält die Vorrede: Eisleben 1 (1564), 481b –482a; Altenburg 4, 703
–704; Leipzig 22, Anhang 94 –95; Walch 14, 264 –266; Walch2 14, 294 –297;
Erlangen 63, 284 –287.
Die Abhängigkeit der Drucke voneinander
bietet keinerlei Schwierigkeiten. A stimmt mit A 8b 18 kom, B ijb 19 kanstu zu
α gegen β, während es die sprachliche Glättung B ijb 22 pein <
poen selbständig von β vorgenommen haben kann. Doch springt A sehr frei
mit Text und Glossen um, fals es α zur unmittelbaren Vorlage gehabt hat.
Nicht immer sind seine Änderungen glücklich, so gleich A iiijb: “Die weil nu
nicht Christlich ist, vmb die verstorbnen fast oder vnchristlicher weise
traurigkeit zutragen” statt “vntroestlicher”, so daß schwerlich Luther selbst
den Text redigiert haben wird, zumal er ja seine Treue gegen den alten Druck
betont. Ac meidet die Druckfehler 79, 15/16 vberschwenlichen, 80, 5 buchlim von
Aab und ist ein Abdruck der Erstausgabe, die es aufs treuste nachzubilden
sucht. Offenbar hatte Klug die Auflage von vornherein zu klein bemessen und wollte
nachträglich möglichst vielen seiner Käufer die ‘Originalausgabe’ verschaffen.
B steht in den acht Fällen, in denen sich Aab und Ac trennen, fünfmal zu,
dreimal gegen Ac, so daß es ein Nachdruck von diesem sein wird. C teilt mit B
alle dessen Sonderlesarten, so 79, 7 gnadenreiche, 79, 13 schendtlichen, 79, 22
aller und entfernt sich mit 79, 4.6 verdurb über B hinaus von Ac, so daß es
Vorlage keines andern Druckes sein kann.
DEFGHK sind sechs bei Rhaw rasch
aufeinanderfolgende rechtmäßige Auflagen von Odenbachs Trostbüchlein. D teilt
nur zufällig mit BC einige naheliegende Sonderlesarten wie 79, 16 behuete, geht
aber in allem Wesentlichen, z. B. 79, 7 gnadreichen, 79, 13 schedlichen mit A
gegen BC. In den ach Kleinigkeiten, die Ab von Ac trennen, geht D fünfmal mit
Ab, dreimal mit Ac, so daß es Abdruck von Ab sein wird. E stimmt mit 80, 6
wuste aufs nächste zu D und nur zu diesem, geht mit 79, 10 darein, 80, 14
Christenlichen weiter von Ab ab als dieses und ist damit Vorlage keines andern.
F stimmt mit 79, 9 solchen zu D, entfernt sich mit 79, 7 gnadenreichen, 80, 13
liebe weiter als dieses von Ab. G teilt die markanten Lesarten von F 79, 7
gnadenreichen, 80, 13 liebe und entfernt sich mit 80, 14 auch fehlt über F
hinaus von D.
[Seite 77]
H geht in dieser mit G, entfernt sich
mit 79, 13 buechern wieter von F als G. Diese einzige charakteristische Lesart
von H teilt K mit ihm. K ist ein seiten-, meist auch zeilentreuer Abdruck von H
und unterscheidet sich von ihm fast nur durch 79, 12 jtz, 79, 15 schir, 79, 17
buechlin. Das Zusammentreffen von HK mit BC 79, 22 aller, C 80, 10 klueglin ist
ein naheliegender Zufall.
Erst spät hat sich der Nachdruck
Odenbachs bemächtigt, ein guter Raub scheint er nicht gewesen zu sein. I teilt
79, 13 buechern mit HK, ist notorisch älter als K, entfernt sich mit 80, 4
nichts weiter von G als H, ist also Nachdruck von H. L stimmt in 79, 13
buechern, 80, 10 kluëglin, 80, 14 auch fehlt zu HIK; I wird als Vorlage
ausgeschlossen durch 80, 4 nit, zwischen H und K ist keine sichere Entscheidung
möglich, doch spricht die chronoligische Wahrscheinlichkeit für K.
Demnach stammen L aus K, I und K aus H,
H aus G, G aus F, E und F aus D, C aus B, B aus Ac, Ac und D aus Ab, alle aber
mittelbar oder unmittelbar aus Aa.
Die Unterschiede zwischen den Drucken
sind zu gering, um die Handschriften mit Sicherheit in ihren Stammbaum
einzuorden. Sicher ist, daß a und b Abschriften aus Drucken sind, nicht
ihrerseits als Vorlage von Drucken kritischen Wert beanspruchen können.
Wir geben demnach den Text der Vorrede
nach Aa und verzeichnen darunter die Abweichungen der Drucke B bis L und der
Handschriften ab, soweit sie sich nicht zusammenfassend hier charakterisieren
lassen.
In den jüngeren Drucken erscheint das
Gebiet des Umlauts mannigfach erweitert, selten eingeschränkt. Bezeichnung des
Umlauts führen ein: in widersaecher 79, 17, C, glaeuben 79, 24 I; woellen u. s.
F. (5) BCDEFGHIK (6) L, (zů)stoeren u. s. F. (2) BCDEFGHIKL, koennen 80,
17, koerblin 79, 9 CDEFGHIKL, koempt 80, 10 E; für (2) FGHK (3) L (4) BCI,
stueck(en) (1) B (2) DEFGHIK, druemb (1) F, daruemb (1) HK (2) DE, natuerliche
80, 8/9, stürtzen 80, 22 BCDEFGHIKL, jünger 79, 3 CDE FGHIKL, vnnuetzen 79, 13
AcCDEFGHIKL, fünff (2) BCFGHIKL, druecken u. s. F. (2), drueber 80, 10 DEFGHIK wuenderlich
79, 8 FGHK, übrig u. s. F. (2), über (1) C; buecher (3) BCDEFGIL (2) HK,
buechlein (-lin) (5), muessen 79, 19 BCDEFGHIKL, vberkluegen 80, 8 DEFGHIK,
ueben 80, 15 C. Bezeichnung des Umlauts beseitigen in Formen von boss (2) Ac,
nutzlich 79, 11 AcBCL, vnnutzem 79, 11 AcB, abenteurliche 80, 22, glauben 79,
24 BCL, schlafft 80, 21, stuck 80, 16 CL.
Jm Gebiet des übrigen Vokalismus gehen
die verschiedenen Drucke weiter auseinander. ai für altes ei führt nur L ein in
ain u. s. F. (7), kain 79, 20, klain 79, 23, hailig u. s. F. (5), -hait, -kait
(6), laider 79, 12, -gaister- (3), aigen 80, 1, maister 80, 10, baide 80, 13. —
A hat altes uo und u nicht geschieden, schreibt vielmehr zwanzigmal u in gut u.
s. F. (5), zu (8), thun (2), klug u. s. F. (2), buche 80, 3, sucht (2). Eine
Scheidung streben BCIL an, und zwar setzt B 15 ů in gůt, zů,
thůn ein, läßt aber 5 falsche u stehen. C ersetzt 18 falsche u durch
ů, 2 zu- durch zer-. I läßt 1 gut, 1 klug, 7 zu, L die 8 zu stehen, im übrigen
setzen beide ů ein. — Dieselben vier Drucke regulieren die Scheidung von i
und ie: A hat falsches i in itzt (2), falsches ie in Formen
[Seite 78]
von dies (2) und viel 80, 19. BC
berichtigen alle 5 Fälle, I übersieht den letzten, L berichtigt alle, führt
aber darüber hinaus y ein in sy (7). — Unbetontes e wird ganz selten zugesetzt
(s. die Lesarten), dagegen von BCFGHIKL gern beseitigt, inlautend in vbrig 79,
7 FGHIKL, verderbte 80, 8, beraubte 80, 9 CL, lestrer 80, 11 C; viel öfter
auslautend: (ich) hab (2) B (3) CL, leer (2) D (1) L, boeß (1) DI, poeß (2) L,
gern 80, 1 BCL, buch (bůch) dat. sing. 80, 3 BCFGIL, je einmal in vorred,
maß, sein, stuck, griff, eer CL, speiß, recht, wer, wüst, nem̄, freünd C, nam (4), woell (3),
all (2) C, ebenteurlich 80, 22 GHK, kirch 80, 22 L.
Zum Konsonantismus sind nur drei Arten
von Änderungen zu erwähnen, Einsetzung von Fortis statt Lenis, Vereinfachung
von dd und Beseitigung des graphischen h. Gern wird ß statt s eingesetzt: hieß
79, 3, diß u. s. F. (6) BCIL, weißheyt 79, 16, auß (vß) 79, 18 BCI, speiß 79, 7
C, boeß (1) I (2) C. L Führt ss ein in dass (3), dess (1), poess (2). Tenuis
statt Media setzen ein in trucken u. s. F. (3) CL, in procken (2), poes u. s.
F. (3) L, Media statt Tenius in doll u. s. F. (4) L. dd bietet A in widdersacher
79, 17, widder 79, 25, odder (3); suddeler 80, 11. Es wird von BCGIL stets
vereinfacht, von D in oder 79, 12, widersacher 79, 17, von HK hier und in
sudeler, von F stets außer in suddeler. Dehnungs-h der Vorlage beseitigen stets
außer in thun (thůn) (2) BCL, in jm (3) FGH (2) I (1) K, jre (r) (4) FG
(2) HK (3) I. Silbentrennendes h beseitigen BCL stets, wo es nur graphische
Bedeutung hat, also in Formen von gehen (2), stehen (3) und in ehe 79, 18; wo
es historisch berechtigt ist, in geschehen 80, 11 und sehen 80, 21 bleibt es:
der Nürnberger, Baseler und Augsburger Drucker haben dieses h von dem vorigen
unterschieden, es also noch gehört.
Jm Gebiet der Wortformen ist die
einzige durchgreifende Änderung, daß das Suffix -lin zu -lein wird, einmal in
CK, zweimal in FGH, sechsmal in B. Außerdem gestatten sich nur die
oberdeutschen Nachdrucke ein paar Abweichungen: sondern > sonder (1) B (5)
L, > sunder (5) C, nicht > nit (5) C (13) L, auff > vff (2) C, denn
> dann (7), wenn > wann (4) L.
Die beiden Handschriften gehen in sprachlichen Dingen
gelegentlich eigene Wege.
Bezeichnung des Umlauts führen ein in
wöllen u. s. F. (3) a (4) b, können 80, 17, zustören 80, 23 ab, sölcher u. s.
F. (3), körblin 79, 9 b; Jünger 79, 3, vnnützen 79, 13, drücken 79, 17,
natürliche 80, 8.9, drüber 80, 10, stücken 80, 20 ab, für (2) a (3) b, gedrückt
80, 7 a, wünderlich 79, 8, stürtzen 80, 22 b; büchern (3), büchlin (5), müssen
79, 19 ab, vberklügen 80, 8, sücht 80, 17 a. Bezeichnung des Umlauts unterläßt
a in abentheurliche 80, 22, glauben 79, 24, vermogen 79, 22. — Unbetontes e
beseitigt a in vbrig 79, 7, speis 79, 7, b in stück 80, 16. — dd vereinfachen
ab in oder (3), a in widersacher 79, 17. — Dehnungs-h beseitigen ab in im (3),
ir (2), irer (2). — Die einzige Abweichung im Gebiete der Wortformen ist
Sondern > sonder (2) a.
Vgl. noch Köstlin-Kawerau, M. Luther5
II, 158. 644. Kolde in den Beiträgen zur bayer. Kirchengesch. Bd. 13, S. 115
ff.
[Seite 79]
Vorrhede Marti. Luther.
1529
Christus unser Herr, da er funff tausent man
mit funff gersten brod gespeiset hatte,
hies er seine iunger die ubrigen brocken
[Joh. 6, 12] samlen das nichts umbkeme, Johan. 6. Dem selbigen befelh nach hab ich auch wollen dis buchlin auff
heben, das nicht umbkeme. Welchs
freylich auch der guten brocken eine ist, so
uberig ist von der gnadreichen speise des heiligen Euangelij, damit Gott
der Vater aller gnaden und
barmhertzigkeit itzt die wellt so reichlich und wunderlich speiset. Und habe zu solcher brocken dis
korblin geflochten, nemlich diese vorrede,
darinn es gefasset und behalten wurde.
Und ist sein auch wol werd, Denn es ein
nuetzlich buchlin ist, das nicht mit
narren werck odder unnuetzem geschwetz umbgehet, wie itzt leider der unnutzen schedlichen bucher und schreiber die
wellt vol ist, sondern von der rechten
notsachen und heubtstuecke handelt, welche die Schwermergeister und tollen heiligen schier gar vertunkelt haben
mit yhrer grossen uberschwenglichen
weisheit und klugheit, da uns Gott fur behuete.
Denn es haben auch unser widdersacher
dis buchlin selbst lassen drucken und
ausgebreit ehe denn wir1, damit sie bekennen, das freilich nichts boeses, sondern eitel guts drinnen sey, das sie selbs
loben und ehren mussen. Nu ist ia kein
Papistissche lere, sondern die rechte Lutherissche (wie sie es nennen) drinne. Nach dem2 es offenbar ist, das alle
Papisten auff einen hauffen mit alle
yhrer kunst nicht vermoegen ein solchs buchlin zu machen, es sey wie klein es wolle, Denn sie haben solchen
verstand nicht.
Und wil wol gleuben: wo mein name odder
sonst ein bekanter Lutherisscher name
drauff gestanden were, sie hettens widder gedruckt noch gelesen,
[Seite 79]
[ 2 do L gerstin L 3 brodt B brot CGHIK prot L
Brod über der Zeile b hatte] het B
hett CL 4 umbkeme] verdurb C Joan.
vj. C Jo. 6. F Joha. 6. G fehlt a
befelch BC befehl EGHKa 6 umbkeme] verdurb C 7 gnadenreiche BC
gnadenreichen FGHIKLa heiligen über der Zeile a 8 genaden B 9 solchen DEFGHIKL
9/10 vorrhede DE Vorrhede FGHK 10 darein E wuerde BDEFGHIK wirt C würde ab 11
werdt CIL 〈ist〉 nicht b 12 vnnuetzen I jtz K 13 schendlichen B schendlichen C
schaedlichen I schoedlichen L
buechern HIKL 14 heubtstucke Ac haubtstucke B haubtstuckē C haeubt
stuecke I hauptstuck L
Schwermergeister und fehlt C 15 schir K verdunckelt C 15/16 vberschwenlichen
Aab überschwencklichē C vberschwencklichen L 16 fur] vor CL behuete BCDEF GHIK behuet L behüte ab
17 selbs BCLa 18 ausgebreit Ac vß gebreit C außgebraitt L freylich Aca 19 gutes ab darinnen L selbst E
Nun BCL 20 ists, verbessert in ist a Papistische ab Lutherische ab 21 darinnen L 22 aller
BCHIKL solichs B sollichs C sein I 23 verstandt C 24 wa CL sunst C bekandter b 24 /25 Lutherischer ab 25
darauff BC darauf L hetten es
L weder CFGHIKLab]
[Seite 80]
wie denn offtmals sie auch meine eigen bucher
gelobt und gerne gelesen haben, wenn
mein name davon gerissen ist.1 Also ein boess ding ist mein name: wenn er auff eim buche stehet, so ists
boese, es sey wie gut es wolle, Wenn er
nicht drauff stehet, so ists gut, es sey wie boese es wolle.
Jch habe auch gar nichts zu diesem
buchlin thun nocht endern wollen (welchs
ich auch nicht wol wueste zuthun), Sondern hab es lassen ynn seiner masse und gestallt gantz und gar bleiben, wie
ichs gedruckt bekomen habe, auff das
ichs nicht etwa verderbete und mit meinem uberklugen yhm seine naturliche krafft und safft neme odder den geschmack
beraubete, wie gemeiniglich guten
buchern geschicht, wenn meister kluegling druber kompt, wie denn meinem newen Testament auch geschehen ist, das der
lesterer und suddeler ynn Meissen fur
das seine hat aus lassen gehen.2
Bitte der halben alle lieben freunde,
beide prediger und hoerer, wolten sich
auch also vleissigen und dis heubtstueck der Christlichen lere, nemlich
den glauben, helffen treiben und uben.
Denn die tollen heiligen, Papisten und
Rotten geister, verstehen warlich nicht, was dis stuecke ist, drumb
treiben sie es auch nicht, konnen auch nicht.
Und der teuffel sucht durch alle yhr tolle
heiligkeit und geisterey nicht schlecht3 yhr tolle heiligkeit auff
zurichten, sondern viel mehr dis
heubtstuck, das yhm den kopff zutritt und sein reich zustoret, zu vertilgen. Es ligt yhm fur war an andern
stucken nicht so hart. Darumb lasst uns
wacker sein und fur sehen. Er schlefft nicht, Er sucht und treibt ebenteurliche griffe, den glauben und damit
die rechte kirche zu sturtzen und
zustoren. Christus unser Herr sey mit uns und verlasse uns nicht. Welchem sey lob, ehre und danck ynn ewigkeit, AMEN.
[ 1 bueche || er E 2 daruō C bös ab 3 auff ein buch a ainem L ist es poeß L gute a 4 nicht] nichts I druff C darauf IL ist es L 5 buchlim Aab aenndern L 6 wuste DE wußte L habe a in ab 7 gastalt B beleiben L überkummen C bekommen verbessert in
bekommen b 8 etwan C 9 gemainklich L 10 beschicht C klueglin CHIKL darueber BCL kombt BL kumpt C 11 neüwen C ist über der Zeile b sudler BCL 12 aus fehlt BC am Rande: Hieronymus Emser a 13 liebe
FGHIKL beide über der Zeile a 14
auch fehlt GHIKL haubtstueck B
haubtstuck Ca Haeuptstuecke I hauptstuck L Christenliche E 16 darumb BCLb daruemb
E drümb a 17 künnen BC jre CFGHIL
yhre D jhre EK 18 gesterey E jre
FGHIKL 19 haubtstueck B haubtstuck Ca heubtstueck DEFGHK Haeuptstueck I
hauptstuck L heubtstück b zertrit
C zertritt L zerstoeret CL
zurstöret ab 20 〈mir〉 im a 21 schlaefft l teybt B 22 abenteurlich I vn̄ die rechte kirch damit C 23
zů zerstoerē C]
[Seite 81]
[Einleitung]
[Seite 81]
Seit Jahrhunderten war das deutsche
Volk daran gewöhnt, aus dem fernen Osten schreckliche Feinde kommen zu sehen.
Die Ungarn hatte einst Otto I. durch den Sieg auf dem Lechfelde
zurückgeschlagen; dann waren sie selbst Christen geworden und schienen nun im
Osten ein festes Bollwerk zu sein. Dann hatten die Mongolen das Reich gefährdet.
Und neuerdings waren immer drohender die “Ungläubigen” angestürmt, gegen die
die Christenheit einst zum Angriffskriege ausgezogen, die aber jetzt längst
ihrerseits Angreifer geworden, die Türken.
Seit der Eroberung Konstantinopels
hatten sie nach wohlerwogenem Plan ein Gebiet nach dem andern im Südosten
Europas sich zu Füßen gelegt; Serbien, Bosnien, Albanien waren schon in ihrer
Gewalt. Wohl hatte unter Bajesid II. der stete Siegeszug eine Zeitlang
stillgestanden, aber nur um unter Selim I. aufs neue zu beginnen, um so
heftiger, seit diesen nach der Eroberung Ägyptens (1517) die Würde des Khalifen
zierte, die Krieg und Sieg für Allah ihm zur heiligsten Aufgabe machte. Mit
Recht bebte man bei dem Gedanken, daß er, nachdem er im Orient Triumphe über
Triumphe gefeiert, nun nach Westen vordringen würde; da starb er plötzlich im
Jahre 1520. Aber vergebens war die Hoffnung, daß sein Nachfolger Soliman II.,
dem der Ruf eines Weichlings vorherging, zufrieden mit dem Erbe seiner Väter
nicht weiter auf Eroberungen sinnen würde. Nicht umsonst trägt er in der
Geschichte den Beinamen: der Prächtige. Von Franz I. von Frankreich noch gegen
den mit den Habsburgern verschwägerten König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn
aufgehetzt, drang er unverzüglich in dessen Gebiet ein, eroberte 1521 Belgrad,
besiegte Ludwig, der 1526 bei Mohacz fiel, und hatte nun freien Zug auf Wien.
Zwar wandte er zunächst, nachdem er die
Hauptstadt des ungarischen Reiches in Flammen hatte aufgehen lassen, sich
zurück. Aber jeder Einsichtige wußte, daß er das nur tat, seine Kräfte zu neuem
entscheidenden Vorgehen zu sammeln; um so mehr, als unter den beiden Bewerbern
um die ungarische Krone Johann Zapolya vor Ferdinand von Österreich vor seinen
Augen Gnade gefunden hatte, Ferdinand also gewiß sein mußte, daß Soliman alles
daran setzen würde, ihn unschädlich zu machen. Durch eine Gesandtschaft suchte
er den drohenden Sturm zu beschwichtigen; zwei kaiserliche Räte ordnete er ab
nach Konstantinopel, “Frieden und gute Nachbarschaft” anzubieten. Sie erhielten
den bedeutsamen Bescheid, der Großherr gedenke nächstens in Person bei dem
König in Österreich einzutreffen. Dann wurden sie gar als Kundschafter von den
Venetianern verdächtigt und mehrere Monate in
[Seite 82]
Haft gehalten. So währte es lange, bis
sie die erschreckende Antwort ihrem Herrn ausrichten konnten, und bange harrte
man in Wien und in Deutschland im Sommer 1528 ihrer Rückkehr.
So standen die Dinge, als eben um diese
Zeit Luther die Feder ansetzte zu seiner ersten Türkenschrift: Vom Kriege wider
die Türken.
Zahlreiche literarische Erscheinungen
hatte die Türkengefahr schon hervorgerufen.1 Einige der ersten, von denen wir
wissen, beschäftigen sich mit dem Geschick der Johanniter auf Rhodos. Auch als
der Türke schon weit nach Westen vorgedrungen war, war dieses immer noch ein
nicht zu unterschätzender Stützpunkt christlicher Macht im Osten. Mehrfach
griffen die Türken es an, und mehrfach wurde ihr Ansturm zurückgeschlagen. Ein
Kanzler der Rhodiser, Wilhelm Caoursin, beschrieb die siegreiche Verteidigung
der Jnsel gegen Muhamed II. vom Mai bis Juli 1480. In Gestalt einer
Flugschrift:
“Der vermaledigsten vnfromen
Türggē anschläg vnd fürnemen wider die heiligen cristenheit.” (Am Ende:
Straßburg, Barth. Kistler. 1502. — Weller, Rep. typ. Nr. 247)
wurde seine “Descriptio obsidionis
Rhodii urbis” auch in Deutschland verbreitet. Jm Jahre 1510 ging abermals die
Kunde von einem Siege der Rhodiser aus; voll Freude las man die:
“Neüw Mercklich thatt || wider die
vngleübigen. || Wie von dem Hochwirgen Fürsten herren Eme||rich Damboyße
großmayster zu Rhodis Sant Jo-||hans ordens die Ritterbruder da selbst widder
die vn||gleübigen zustreytten abgefertigt gesiget, vnd mitt || sonder gnad
gottes treffenlich ere jngelegt habenn” (Ohne Ort und Jahr. — A. a. O. Nr.
621).
Aber wenig mehr als ein Jahrzehnt
später war Rhodos gefallen. Und nun erzählte:
“Ain Sendbrief Wie || sych der
Turckisch kayßer So grausamlich für || die stat Rodis belegert, vnd gewonnen
hat, Vnd || von anfang biß zum end, Auch wie sich die from̄en Her||en vnd Ritter zu Rodis
gehalten hond, gar erschrock-||enlich zu leeßen allen ständen der Christenhait.
|| Außgangen von Venedig. Jm Jar M D XXi.” (Unter der Vorrede: “Actum Jm jar M
D XXiij.” — A. a. O. Nr. 2656, vgl. auch 2657 –2664.)
Die zahlreichen Drucke verraten,
welchen Schrecken diese Kunde in der Christenheit verbreitete.
Und manche andern Nachrichten hatten
diesen Schrecken verbreitet. So hörte man schon 1516 aus weitester Ferne, aber
bedrohlich genug:
“... alle || geschicht so sich in
Leuantt oder gen auff gang der Sū-||nen in Orient zwischen dem grossen
Thürcken vn̄ dem || Soldan zu Allchayro vnnd dem Soffi begeben hat. || vnnd verlauffen
ist wie sich hienach geschriben findt || ernstlichen . wie der Türck hat mit
hörs krafft ein ge-||nōmen ain Stat genant Allepo vnnd ain Stat Da-||masco
genant. Vnd darnach die hailig Stat Jheru-||salem mit sampt der aller
vorgeschribnen Stet. Landt||schafft vnd zugehörung vnd wie der groß Türck hat
|| wöllen meß hören in dem
[Seite 83]
hailigen Grab zu Jherusalē ||
vnsers herren Jhesu Christi.” (Ohne Ort und Jahr. — A. a. O. Nr. 1034; vgl.
auch 1035.)
Düstere Weissagungen wurden verbreitet,
daß gleiches Schicksal wie dem Osten binnen kurzem auch dem Westen bevorstünde;
1518 ging aus:
“Eyn auszug etlicher || Practica vnd
Propheceeyn. Sibille. || Brigitte, Cirilli, Joachim des Abts, Methodij, vn̄ bruder Rein-||hartz, wirt
weren noch etliche jar, vn̄ sagt vō wunderlichē dingen” (Großes Titelbild.
8 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Ohne Ort und Jahr. Vorhanden in München
H.1).
Darin hieß es als Reinhards Offenbarung
(auf Bl. B2b), daß bald würde kommen der letzte Türke, ein Nachkomme der Hagar,
mit seinen Scharen der Hagarener; die würden
“nit heuser bauen, sunder als wilde
leuet durch streychen die grossen wiesteney, wonend in gezelden, und leben von
rauben und was in werden mag, und unter den Christen gen der mitternacht und
dem nidergang werden sie in yebung des grimß ubertretten alle grausamigkeyt der
wilden thirt, und die gutten und senfftmütigen Christen werden von inen
verstreut.”
Und aus des Methodius2 Weissagung war
hinzugefügt:
“Es ist zukunfftig dz noch einmall die
Agareni gesamelt in teuschen landen außgeen von der wuestung und erobern den
kreys des erdtrichs im landt des Mondes durch acht Jar lang .. Si werden Stet
und Kuenigreych umbkeren, an den heyligen stetten werden sie die prister
toedten und bey den weybern schlaffen, auß den kelchen und andern heyligen
gefeß werden sie trincken und bey den grebern der heyligen werden sie irt viech
thun binden zu schalckheyt den Christen, und darnach werden sie bey Coelen alle
erschlagen, und wirt kein christenlicher Fuerst darbey sein, allein der
unüberwindlich Furst und Kunig von Hispania ..”
Und in:
“Eyn Dyalogus Do||ctor Joseph
Grūenpeck von Burck||hausen: do des Türckischen Kay-||ser Astronimus
Disputiert mit || des Egiptischen Soldans obristem radte, ainem || verlaugneten
Christen von dem glauben der || Christen vn̄ von dem glauben des
Machu-||meten. Nachmals von dē vierundzwein||tzigisten jar, wie es mit
dē wassern, krie||gen, Pestilentz, hunger, vnd andern || erschrecklichen
plagen gen sol. An || den Großmechtigistē fuersten || herren herren
Karolen Roe||mischen Kayser. || Cum gratia et privilegio imperato. ||” (18
Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zue Landßhut, mit
Kayserlichen freyhaiten || begnadet vnnd volendet, am zwelfften tag ||
Februarij, durch Johan̄ Weys||senburger. Anno. 1522. ||” Vorhanden in München
H.)
wurde der Wandel der Gestirne, der die
Geschicke der Menschen und Völker lenke, als den Türken überaus günstig
beschrieben.
[Seite 84]
Da war denn auch eine Nachricht
geeignet Furcht zu verbreiten, die noch aus der Zeit stammte, da der Fall von
Rhodos noch nicht bekannt war, und die nun, nachdem er bekannt geworden,
allerlei dunkle halbsichere Angaben machte über eine Gesandtschaft des Türken
nach Frankreich, über seine Pläne gegen Jtalien, gegen Ungarn und Österreich:
“Haimliche anschleg || vnnd fürnemung des
Türckischen || Kaysers (wan̄ er Rodis eroberte) || wider die Cristen vnd Cristliche
|| Lender &c.. Vnnd anders mer || durch die gefangen Türckn̄ || so von Moeran gen Goertz ||
gefurt, Neülich bekant || vnnd geoffenbart || worden &c.. || 1523. ||” (4
Blätter in Quart. Letzte Seite leer. Ohne Ort. Vorhanden in München H.1)
Jmmer wieder erscholl der Ruf gegen den
andringenden Feind. Schon 1503 hatte die “Teurliche und lobliche sant Jorgen
geselschaft” einen Anschlag eines Türkenzuges ausgehen lassen (Weller, Rep.
typ. Nr. 251); 1518 erschien ein eingehender, in zahlreichen Drucken
verbreiteter Plan, wie Geistliche und Weltliche Leib und Leben, Hab und Gut
einsetzen sollten, wie man leicht ein großes Heer und große Summen aufbringen
könne, wenn man nur zusammenhielte und die Fürsten des Reichs nur einig wären:
“Das ist ein anschlag || eins zugs
wider die Türcken. Vnd || alle die wider den Christen-||lichen glauben sindt.
||” (4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Ohne Ort und Jahr. Vorhanden in
München H.2)
Jm Jahre 1522 wurde dieser Anschlag
erneuert und an die gesamte Christenheit gerichtet:
“Ain anschlag wie man dem Türckē
|| widerstand thuen mag vnd durch gantz christenhait baide || von
gaistlichē vn̄ weltlichē stant geleyche bürde getragē || würde on beschwerniß
mit ordenung der müntz gar || schoen zuelesen yetz new gedruckt. An̄o. M.DXXij || [Titelbild] ||”
(8 Blätter in Quart. Letzte Seite leer. Ohne Ort. Vorhanden in München H.).
1523 aber ging mit ausdrücklicher
Bezugnahme auf den Fall von Rhodos ein seltsamer, gereimter Aufruf aus:
“[rot:] Anzeigung ze eroberen ||
[schwarz:] die Türchy, vn̄ erloesung der Christenheit. Auch || wie die Jnsel
Mahumeta, durch die ordenslüt || deß küngreichs Wolfarie erobert ist. Daby alle
|| staend Tütscher nation soellen ein vnderwysung || naemen. [rot:] Jn omnem
terrā exiuit sonus eorū. || [Eine Reihe Noten] || Sti sūt san
cti qui p testamē || to dei sua corpora tradiderūt et in sanguine
agni lauerunt stolas || suas. Tradiderūt corpora sua ppter deū ad
supplicia & meru. &c.. || [Titelbild] ||” (16 Blätter in Quart, letzte
Seite leer. Ohne Ort und Jahr. Vorhanden in München H.),
eine Legende von einem siegreichen Zug
der Ordensleute des aus Eberlin bekannten Königreichs Wolfaria gegen die
Türken, den deutschen Ordensleuten zur Nachahmung vorgehalten, daß sie vor
allem berufen seien, zum Schutz der Christenheit das Schwert zu ergreifen und
so ihres hohen Berufes eingedenk zu sein. Zum Schluß freilich wendet sich die
Schrift mit eindringlicher Mahnung an die deutschen Fürsten:
[Seite 85]
“Jr fürsten yn dem Roemschen rych,
Durch got so lond erbarmen üch,
Die groß trübsal teutscher nation,
Die allenthalben thůt uffston.’
Sie zeigt sich damit den Schriften
einiger Humanisten verwandt, die in der Form rhetorischer Leistungen ähnliche
Ermahnungen hatten ausgehen lassen. Ende Juni 1518 erschien:
“ORATIO || TRANQVLI PAR || THENII
ANDRO||NICI DALMA||TAE CONT||RA THVR||CAS AD G||ERMAN||OS HA || BIT || Ar || ❧ ||”
(10 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “In officina excusoria
Iohannis Miller || Augustae Vindelicorum. Sexto || Kalendas Iunias An-||no
salutifero. M. || D. XVIII. ||” Vorhanden in München H.1).
Und mit einem Vorwort an Konrad
Peutinger kam im gleichen Jahre, im Druck beendigt am 20. September, heraus:
“RICH-||ARDI BARTOLINI PE-||rusini
Oratio, ad Imp. Caes. || Maximilianū Aug. ac po-||tentis. Germania℞
Prin||cipes, de expeditione || contra Turcas su||scipienda. || CVM
PRIVILE-||GIO || IMPERIALI. ||” (12 Blätter in Quart. Die letzten drei Seiten
leer. Am Ende: “In excusoria Sigismundi Grim̄ Medici, & Marci ||
Vuirsung officina Augustae Vindelico℞ || Anno salutis. M. D. XVIII.
duo-||decimo Kalen̄. Octobres.||” Vorhanden in München H.2)
Neben mutigen Kampfesrufen wurden aber
auch Stimmen resignierter Verzagtheit laut, die geradezu anrieten, dem Türken
sich zu ergeben, und die von seinem segensreichen Regiment alles mögliche zu
rühmen wußten. Wenn man sich ihm nur nicht widersetze, so würde man an ihm
einem milden Herrscher finden. Gegen solche feige Ratschläge wandten sich
einige Flugschriften, die mit ihren Mitteilungen über die Türken, ihre
Grausamkeiten gegen die Besiegten, ihre Falschheit und Hinterlist den Haß gegen
den Feind zu schüren trachteten. Schon aus der Zeit vor Rhodos’ Fall stammt das
vielgelesene:
“Türckenbiechlin || Ain Nutzlich
Gesprech oder || Vnderrede etlicher personen, Zů besserung || Christlicher
ordenung vn̄ lebens, || gedichtet. Jn die schweren || leüff diser vnser zeyt ||
dienstlich. || ¶ Das Türcken büechlin bin ich frey genant || Vnd beger den
Christen werden bekant || Domit Sie sich zů besserung keren || Vnd dester
bas des Türcken erweren. ||” (22 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende:
“Geendet im Mayen als || man zalt, Nach Christi geburt, || Tausent Fünffhundert
|| zwayntzig vnnd || zway jar. ||” Vorhanden in München H.3)
Jn Form eines Gesprächs zwischen einem
Einsiedler, einem Ungarn, einem Türcken und einem Zigeuner werden hier die
politischen Verhältnisse und die ganze Zeitlage, die abzustellenden Mißbräuche,
die notwendige Besserung der Sitten und die erforderlichen Maßnahmen
durchgesprochen und zum Schluß bis ins einzelne gehende Vorschläge für einem
Türkenkrieg gemacht. Der Einsiedler will vor allem dem
[Seite 86]
deutschen Volk das Gewissen schärfen,
der Ungar politisiert und sagt die Wahrheit über die türkischen Pläne und
türkisches Wesen, der Türke aber sucht anfangs für seinen Herrn und seine
Volksgenossen Stimmung zu machen und wird darin von dem Zigeuner unterstützt,
der auf diese Weise als türkischer Zwischenträger und Spion den Lesern
verdächtigt wird. Als der Türke und der Zigeuner der beiden anderen ansichtig
werden, will letzterer sie zuerst berauben, aber der Türke belehrt ihn:
“Halt an dich, wir woellen jr
verschonen und gůte wort mitteylen, wie mein Keyser, als er das vorder jar
Kriechisch weyssenburg belegert, den Christen in gemein hat geben lassen,
Nemlich wie sein Maiestat nit komme sie zů verderben, sonder allein jren
herren, den Künig von Hungern, als seinen feind zů sůchen. Sein
maiestat woelle ja auch alle proviandt, so sie jrem kriegßvolck zů fieren
werden, wol bezalen, und fry stracks gleyt zů und ab zů reysen geben.
ZJG. Jst das war? Lieber, es befrembdt mich, das sein Maiestat gegen den
Christenhundten sich also gnedigklich erzeigt hat. TUR. Laß dich das nit
wundern. Dann es ist mit Rat seiner weysen beschehen, domit ein gerůcht
under den Cristen leüten erschell und außgebreit werd, wie sein maiestat gegen
den Cristen nit so hart und Tyrannisch sey, als bey denen von jme offt gesagt
würdet. ZJG. Nun merck ich warumb du disen zweyen guetlich zů sprechen
wilt. Jch laß mir es auch gefallen. TUR. Mein herr Keyser hat den Cristen auch
lassen zů sagen, wo jre lan-[A 3] de durch jn eroebert werden, woelle er
jn fast gůt recht und gemein friden erhalten, statlicher, dann jre
Cristliche regenten vil jar bißher gethon, und yeden bey seynem glauben bleiben
lassen. ZJG. Vermeinstu auch, ob solche zůsag jnen müge gehalten werden,
die weil wir beide wissen, das in den landen unsers Keysers meer nach gunst der
gewaltigen und weniger nach gleich und rechter billigkeit geurteylt würdet, dan
in keinen Cristenlanden. TUR. Das solt du den Cristen nit sagen. Dann wer
voegel fahen will, můß zum ersten nit mit brigeln under sie werffen.
Schweig, ich will den zweien weyter zůsprechen. Hoert jr Cristen, wo es
eüch geliebt, das wir disen tag under einander sicherung zů sagen, so het
mein gesell, der Landtfarer oder Zigeüner, und ich villerley mit eüch zů
reden .....”
Unmittelbar vor der Schlacht bei Mohacz
warnt vor dem Jrrtum, als ob der Türke gar nicht so schlimm sei, mit
ernstlichen Worten eine Flugschrift, die als direktes Zeugnis eines Mannes sich
gibt, der türkische Art am eigenen Leibe erfahren, ein:
“Außzug eynes || Briefes, wie eyner so
in der Tuer||ckey wonhafft, seynem freuend || in dise land geschriben vnd
an-||gezeygt, was das Türckisch re-|| giment vn̄ wesen sey, vnd || wie er es
mit den landē || so er erobert, zůhal- ||ten pflegt, kurtz||lich in
teuetsch || sprach || ge-||pracht, || nuetzlich di-||ser zeyt zů wissen.
|| W. D. XXvj. ||” Mit Titeleinfassung. 4 Blätter in Quart. Ohne Ort. Vorhanden
in München H.1)
Der Schluß des Briefes ist bezeichnend
genug:
“Des alles hab ich dir als meynem
lieben vettern auff deyn einfeltig beger unanzeygt nit woellen lassen, du
wuerst villeycht in kurtz unsers thůns, sol
[Seite 87]
anders unsers keysers zug für sich
gehn, mer denn jch hie hab anzeygt, wissens empfahen. Gott wolt, das ich mit
sicherheyt meyns leybs, meyns weybs und kinder mit der zeyt widerumb in
Teuetschland kumen und alda ein Christ sein moecht, es gieng mir gleich am
gůt und sunst, wie es moecht, allein das die seel erhalten wurd, Und
darumb bitt jch Gott alle tag von hertzen, und gar offt mit grossem weynen, dz
er mich auß disem elend woel erledigen, Das hab jch dir nit verhalten woellen,
wolt nicht die gantzen welt nemen, das dise meyn prieff in des Türcken hend
kemen..... Datum Andernopel am ersten tag des monats Mertzen. Jm M. D. XX vj.
jar.”
Die unglückliche Schlacht bei Mohacz
ließ die Warnrufe nur noch lauter erschallen.1 Bald genug trugen “neue
Zeitunge”2 die furchtbare Kunde in alle Lande. Mit Bildern geziert, die die
Grausamkeit der Türken den Lesern auch vor Augen führten, ging eine eingehende
Beschreibung aus, wie der Feind in dem eroberten Lande gehaust:
“Hernach volgt des Blůt||hundts,
der sych nennedt ein Türckischen || Keiser, gethaten, so er vnd die seinen,
nach eroberūg || der schlacht, auff den xxviij. tag Augusti nechstuer ||
gangē geschehē, an vnsern mitbruedern der Vngrischē ||
lantschafften gātz vnmēschlich tribē hat, vn̄ noch teglichs tůt. ||
[Holzschnitt] ||” (4 Blätter in Quart, letzte Seite leer; auf der vorletzten
Seite ein Holzschnitt. Ohne Ort. Auf S. A3b: “.. Außgangn̄ den . xxx. tag des || Monats
Septembris. || ....” Vorhanden in München H.)
Darin heißts: “Er zeucht im land
allenthalb hin und wider, dann es ist der merer tayl des Adels in der schlacht
bey Künigklicher Maistatt beliben, und yederman erschrocken, verprennen das
gemain volck vast. Auch was sye der Jungen weiber und
meydlin erwischen,
treiben sye jren můttwillen mit, schenckts einer dem andern. Wann sy sych
dann dero genueten, so schlahen sy inen die koepf ab, Es kan also yemerlich und
ellend nit antzeigt werden, es wirt noch vil hündtischer und thirannischer
gehandelt.”
Und zum Schluß: “Darauff woelt jr
Brueder und Schwestger solichs übel mer dann vihische und Adam menschliche
gethaten zů hertzen fassen, und das alles betrachten. Auch unsern
seligmacher, erloeser und schoepffer bitten und ansuchen, das er uns sein
Goetliche gnad, vertzeyhung unsers übels und sunden, woelle verleyhen, und
verner vor dem blůthund verhueten, und uns allen eyn ainigs wesen und
frid, den wir zůhaben bedürffen, mittailen. Amen.”
Besonders laut und eindringlich erhob
der hochbetagte Johann Spießhammer (Cuspinianus) in Wien seine Stimme, der als
kaiserlicher Rat häufig auf Gesandtschaften in Ungarn geweilt hatte und dem
deshalb das Geschick des unglücklichen Landes besonders zu Herzen ging:
[Seite 88]
“❧ ORATIO PRO: || TREPTICA IOANNIS
CVSPINIANI AD SACRI || Ro. Imp. Principes & proceres, ut bellum suscipiant
contra || Turcum cum descriptione conflictus, nuper in Hunga-||ria facti, quo
perijt Rex Hungariae LVDOVICVS. || Et qua uia Turcus SOLOMET ad Budam || usq;
peruenerit ex Alba graeca, Cum enu||meratione clara dotium, quibus à || natura
dotata est Hungaria, || cü insertione multarum || rerū annotatu
dignis||simarum. Lege le||ctor & iudi-||ca in quam || miseriā ||
ho-||die Christia-||nitas est coniecta. || [Vignette] ||” (16 Blütter in Quart.
Ohne Jahr. Am Ende: “Excusum Viennae Austriae, per || Ioannem Singrenium. ||
[Schlußvignette, darin: VNITAS]||” Vorhanden in München H.)
Betend faft schließt Cuspinianus:
“Ut possit Christianitas aliquando
universa extinctis omnibus et sopitis discordiis Christo Deo Opt. Max. unum
constituere ovile, in quo laudetur nomen eius, glorificetur et sincere colatur.
Id quod universus populus Christianus pius expetit et desiderat. Ad quod nos
iuvet Deus ille trinus, immortalis et immensus, qui suam gratiam divinam nobis
celitus ubertim subministret et largiatur, Amen. Sed more nostro hoc claudamus
Tetrasticho:
Haec si non moveant rationes, ite
repente
Turco ultro dantes oppida, regna, lacus.
Accipite inque domos vestras, nati
quoque et uxor
Serviat aeternum, hoste vidente, nefas.”
Volksdichter und Humanisten vereinigen
sich, auch in Lied und Dichterwort das Volk zum Kampfe aufzurufen. Kaspar
Ursinus wendet sich an die deutschen Fürsten und mahnt am Ende von Cuspinians
“Oratio”
“Qualia maiorum cineras Germanaque
virtus
Marsque pater vobis dicere verba velint.
Quales credibile est nequicquam
effundere questus
Plurima Turcaicis oppida capta viris,
Quaeque fuit facies accensae flebilis
urbis,
Quaeque fuit foedae nuper imago fugae...
Parva haec enumerat vobis oratio, sane
Parva, sed ingenio magna, sed ampla fide.
Haec nisi vos docto succendet buccina
cantu.
Non aliam spes est posse ciere tubam.”
Und Johannes Alexander Brassikanus
erinnert die Leser an die alte deutsche Tapferkeit und schließt:
“Una atque unica vos moveat
πάντολμος ἀνάγκη
Germani tandem martia corda duces.”1
Das Volkslied aber ermutigte und
mahnte:
“Hailigs reich, du bist unverzagt,
der Türk hat dich noch nicht verjagt,
thůt frischlich zammen springen!
kompt uns der Turk wol in das land,
er kann uns nit entrinnen.
/Got wel wir treulich rufen an,
er wöll uns Christen beistan thon,
daß wir gar frölich fechten;
ain gůt gsell sol beim andern
stan,
das türkisch her zů prechen!”1
[Seite 89]
So verschiedenartig im einzelnen diese
Literatur ist, indem die einen mehr an die sprichwörtliche Kampfesfreudigkeit,
den Mut und die Tapferkeit der Deutschen sich wenden, die andern mehr Buße und
Umkehr predigend auftreten, in dem einen sind sie sich gleich, sie erwarten
alle das Heil von den beiden Häuptern der Christenheit, atmen alle
gewissermaßen Kreuzzugsstimmung. Wohl halten sie gelegentlich auch dem Papste
und den Geistlichen ihre Sünden vor. So klagt das “Türkenbüchlein”, daß die
Päpste nicht immer nach der Lehre der Schrift sich gerichtet hätten:
“Es ist layder nit die geringst ursach
unserer Christen trübsal, darin wir yetzo steen, hetten die Bepst Christo und
Petro, jren rechten vorgeer, nachgevolt, da der ain sagte, Mein reich ist nit
von diser welt, Jtem, Gebt dem Kaiser was jm zůgehoert &c.. Der ander,
Gold und silber hab ich nit &c.. So stuende das Roemisch reich sambt der
Christenhait yetz in besserer beschützung und wolfart, Aber der geytz und
zeytliche ere hat jre der lestern Bäpste Conscientz, gewissen und vernunfft
hochlich überwunden, dadurch wir yetzo werloß und dem Roemischen Reich etwas
ungehorsamb befunden werden.”1 Und Parthenius straft die Sacerdotes:
“Ii, quos Salvator suos Christus
appellat, qui dii gentium vocantur, qui demum Apostolis successerunt, ut
sanctitate vitae omnibus anteirent, quorum partim vestigiis inhaerendo, partim
praeceptis obsequendo veram ac immortalem gloriam iam diu nobis praeparatam
atque per prophetas pollicitam caetera plebs consequeretur, at hi dumtaxat
avaritiae, gulae, invidentiae inhiantes blandissimis ac detestandis illecebris
abutuntur.”2
Aber sie strafen die Geistlichen nicht
anders, als das ganze Volk, denn kurz zuvor rügt Parthenius die Sünden der
Christen überhaupt:
“Iam ad certissima nostrae ruinae argumenta
descendamus: nostra scelera contra nos bellum comparaverunt, nostra scelera,
quaeso quid flagitiorum praetermisimus? quibus vitiis non obtemperamus? in quam
infamiam non sumus devoluti?”3 Und nicht anders das “Türkenbüchlein”:
“Es wirdt auch not sein offentlich zu
verbietten, das man sich hinfür etlicher grossen gotschwüere, auch anderer
boeser gewonhait, als der Symoney, zůtrinckens, wůchers, der reichen
geselschafften, Eebrecherey, Rauberey &c.. Müglichs vleiß enthalte. Dann zů
straffen unser sünden lest Got obberierte beschwerung uns begegnen.” Mit hoher
Befriedigung wird andrerseits aber auf die Kampfesrufe der Päpste hingewiesen.
Richardus Bartholinus mahnt den Kaiser:
“Cape gladii ac pilei omen, quae tibi a
Leone X. pontifice maximo inpraesentiarum missa sunt: altero enim te armis
cuncta superaturum, altero te totius orbis coronam adepturum interpretamur.”4
Und Euspinianus ruft aus:
“Tempus est, o principes Imperii et
proceres, tempus est, satis est somno datum. Intendit omnes vires ingenii Pius
Pontifex in Mantuano conventu,
[Seite 90]
dum principes adhortaretur ad sumenda
arma contra prophanam et imbellem gentem Asiaticam.”
Und wenn im “Türkenbüchlein” auch ein
Bewußtsein dafür sich findet, daß die Leitung der Christenheit durch zwei
Häupter ihr nicht gerade zuträglich gewesen, wie denn
“auch der Haydnisch alt weyß
Aristoteles gelert, wie und warumb durch Monarchiam und regierung aines
oebersten haupts alweg baß, dann durch zwai oder mer versehung des gemainen
nutz geschehen kan”, so ist es doch weit davon entfernt den Papst und seinen
Einfluß zu verschmähen. Vielmehr wünscht es, daß er neben dem Kaiser zum
Türkenkriege aufruft:
“Wie wol mein Rat gering, so acht ich
doch nutz sein, das obgemelte heüpter in alle Christenlandt außschriben und
gebutten zu Predigen, wie dises fürnemen gegen den Türcken Gott fast gefoellig,
allen Christen hoch von noetten, auch wol müglich zů thůn und
nützlich sein würde” (Bl. E iiij). Nur ein Aufruf zum Türkenkriege geht früh
schon in anderen Bahnen:
“VLRICHI || DE HVTTEN EQVITIS GERMANI
|| ad Principes Germaniae, vt bellum Tur||cis inuehant. Exhortatoria. ||
Publico Germaniae concilio apud Augustam || Vindelycorum. Anno domini. || M. D.
XVIII. || MAXIMILIANO AVSTRIO || IMPERATORE. || CVM PRIVILEGIO IMPERIALI. ||
(Mit Titeleinfassung. 20 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “In
officina excusoria Sigismundi Grim̄ Medici, & Marci || Vuyrsung. Augustȩ. An. M. D. XVIII. ||”)1
Hier heißts, oft genug sei das Geschrei
vom Türkenkriege ein vom Papst erregter blinder Lärm gewesen. Unter dem
Vorwande der Türkengefahr hätten immer wieder die Päpste sich Geld von den Deutschen
geholt. Was überhaupt der Papst mit dem Kriege zu tun habe? Frieden zu
predigen, nicht Krieg zu führen, habe der Redner bisher für den Beruf des
Oberhauptes der Christenheit gehalten, bis er unter Julius II. belehrt worden
sei, die Kirche habe an Petri Schlüsseln nicht genug, sondern müsse auch des
Schwertes Pauli sich bedienen. Leo X. habe als Friedefürsten sich angekündigt;
daß unter ihm nun die Kardinäle einen ausgearbeiteten Kriegsplan in die Welt
schickten, sei befremdlich. Als verstünden die Deutschen nichts mehr vom
Kriege, sondern müßten bei den ehrwürdigen Vätern sich Rats erholen, denen es
besser anstünde für sie zu beten. Hätten sie lieber Geld geschickt, einen Teil
dessen, das sie auf ihren maßlosen Hofftaat verwendeten, oder nur etwas von den
Summen nachgelassen, die für Pallien und anderes ihnen zu zahlen seien. Aber
ausdrücklich solle von Rom zu diesem Kriege nichts gefordert werden; es sei
genug, wenn man auch sie nichts fordern lasse und Vorkehr treffe, daß sie
nicht, wie sie schon mehr getan, das liebliche Unternehmen störten. Jm Grunde
gönnten ja doch diese Römlinge eher den Türken, als den Deutschen einen Zuwachs
an Macht. So hätten die Päpste Heinrich IV. und V., so die Hohenstaufen durch
ihre Ränke von dem Zug in den Orient zurückzuhalten gesucht. Er ruft aus:
[Seite 91]
“Quare, ut libere dicam quod sentio,
non minus hoc coepto bello Romam vobis quam Asiam curandam censeo; tantum
abest, ut ad reverendissimorum consulta aliquid vos agere velim, a vobis omnia
petenda sunt, inter vos capiendum consilium, nec illi insidiis pleni aliunde
admittendi consultores!” (Böcking, Hutt. op. V S. 101 ff.).1
Ob Luther Huttens Schrift hat kennen
gelernt, steht nicht fest; von vornherein ist es anzunehmen. Jedenfalls kann
sie eine direkte Vorläuferin unserer Schrift genannt werden. Die Gedanken, die
Hutten hier rein politisch ausführt, daß der Kaiser es sei, der seine Deutschen
gegen den Feind zu führen habe, das hat Luther in unsrer Schrift religiös
begründet und hat zugleich aufs neue die evangelische Anschauung vom Kriege zum
Ausdruck gebracht, die er vorher schon in seiner Schrift an Assa von Kram
dargelegt hatte: “Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können” (Unsre
Ausg. Bd. 19, 616 ff.).
Auch einzelne der aufgeführten anderen
Türkenschriften scheinen Luther bekannt geworden zu sein, wenn ein zwingender
Nachweis dafür sich auch nicht führen läßt. Nicht das spricht dafür, daß
mehrfach Ausführungen, wie wir sie in manchen Türkenschriften finden, uns auch
bei Luther begegnen, Darlegungen über türkische Art und Sitte, Vorschläge wegen
der Kriegsrüstung oder die Mahnung zur Einigkeit. Derartiges lag ja in der
Natur der Sache. Aber Luther nimmt auch Bezug auf solche, die des Türken und
seines Regiments begehren, und vor allem, er weiß von solchen zu sagen, die ihm
Schuld am Türkenkriege gäben und auch diesen eine Frucht des Evangelii hießen.
Und derartige Vorwürfe begegnen uns in einigen der genannten Schriften.
Die “Anzeigung ze eroberen die Türcky”
hebt mit der Klage an, daß so viele Mönche aus den Klöstern liefen, dem Land
zur Plage; statt dessen sollten sie lieber sich darauf besinnen ihr Kreuz auf
sich zu nehmen und der Christenheit zu dienen:
“Die Christenheit ist gar zertraent,
Ewangelisch sich ein jeder nent,
Und nimpts mit wärcken wenig an,
Der glaub deß mauls jetzundts als kan.”
So wird gleich deutlich genug auf den
tieferen Grund des beklagten Zustands hingewiesen. Mehrfach wird dann Luther
mit Namen genannt, und der Schluß der Schrift, “An die fürsten im Römschen
rych” gerichtet, sieht alles gegenwärtige Elend durch die Luthersche Bewegung
heraufgeführt und spricht die Befürchtung aus, daß, wenn man ihr nicht steure,
des deutschen Reiches Ende nahe sei:
[Seite 92]
“Darumb ir fürsten solten weren
Und nit ein jeden lassen leren,
Dan der in der gschryfft waer gegründt,
Die Christus Jesus hat verkündt.
Und das sy all larten glych,
So wurd der gloub bald meren sych,
Und wurd all irrsal bald vergan,
Der gloub Christi yn friden stan.
Wo ir aber das nit fürkummen,
Jst zbsorgen das von eüch waerd gnummen
Der zaepter yn teüschland
Und gaeben yn ein ander hand,
Jm alten testament wir deß vyl hand.”
Die Flugschrift:
“Ein Sendbrieff dar || jnn angetzeigt
wirt vermeinte vr || sach warumb der Türck widder || die Hungern triumphirt vn̄ ob- || gelegen hab. || Antwurt
vnd verle ||gung obgemelter vrsach, durch || das rechtgeschaffen wort Gotes ||
vnd was oder wo dasselbig seye || einem jtzlichen Christen, zuuoran || zu disen
getzeiten lustig vnd nutz-||lich zu lesen. || M D. XXVi. ||” (Mit
Titeleinfassung. 10 Blätter in Quart, letze Seite leer. Am Ende: “ Gedruckt zu
Dreßden durch Wolffgang || Stoeckel. ||”) untersucht in der Einkleidung eines
Briefwechsels zwischen Nickel Eigenwillig in Breslau und dem Pfarrer Paul
Anderbach in Redletz ausdrücklich die Frage, wer die Schuld an der Niederlage
der Ungarn bei Mohacz trage. Eigenwillig sieht darin eine Strafe Gottes dafür,
daß das Wort Gottes, so vorlängst unter die Bank gestoßen, durch Luther aber
wieder hervorgebracht, aufgegangen und hell und klar an den Tag gegeben sei,
von den Deutschen nicht allein verächtlich gehalten werde, sondern auch starken
Widerstand dulde. Anderbach aber — und er vertritt die Meinung des Verfassers —
erwidert ihm, eine Strafe Gottes sähe auch er in jenem Unglück, aber dafür, daß
man den alten, bewährten Glauben verleugnet habe. Durch kein Mittel hätten die
Väter, wenn sie uneinig geworden seien, so kräftig zu Einigkeit und Frieden
sich treiben lassen, wie wenn man die Religion, christlicher Observanz, und die
Satzungen der Alten angerührt und hätte umstoßen wollen:
“Nhun seynt wir durch betriglich
geschwetz eines leichfertigen menschen, Luthers, gefallen von der Religion und
haben von uns geworffen die Christliche observantz, von welcher unsere veeter
mit krieges krefften nicht mochten gedrungen werden. Ach der leichfertikeit.
Was trost und hoffnung mögen wir haben zu Gotte, unserm herren, des gespons,
die kirche, wir so verachten und uns darvoun begeben?.... Dißem nach, glaub
ich, das es der Richtsteyg sey und nechst wege, kuenfftigem ubel zu begegnen
und abtzuschaffen, so wir hynlegten die zweyspeltikeit in der Religion,
liessens bleyben in den zeunen un=[C 4]ser Veeter und ubergingen nicht die
Grentz der alten, hetten mißfall und berauten unsere sunde, wendten uns von dem
boeßen und kerten uns zu dem gutten, so worde sich Gott auch zu uns begeben,
wie er denn verheischen hat...”
[Seite 93]
Das “Türckenbiechlin” sprichts [E 4b]
als Lehre der Evangelischen aus, die Christen sollten sich wehren “nach lere
der Ewangelien”, d. h. nach Matth. 5, 39, und weist diese Anschauung, die den
Mut des Voltes lähme, zurück. Und ausdrücklich macht Johannes Cuspinianus in
der “Oratio protreptica” Luther für diese verderbliche Ansicht verantworlich:
“Nec vos moveat, o Principes, vanissima
cuiusdam assertio asserentis, Pugnare contra Turcum esse pugnare contra deum ob
peccata nostra. Si hic assertor esset vicinus noster cum sua inani et stulta
opinione sese delirum fateretur ingenue. Nolui te Luther nominare et tibi
parcere. Sed cum in uno et altero libello, et po= [C 4] stremo ad Assam
compatrem libellum effuderis, in quo plane tanquam vanissimus ostentator iterum
atque iterum repetis Turcorum bellum esse stultum et a te solo ceu Propheta
praevisum: Optarem tibi ut Budae vidisses in Regia urbe Tyrannum Solomet,
uxorem tuam stuprari, filium aut filiam trucidari et canibus obiici, ut
vidissent cuncti sanctimoniam tuam et animi constantiam, qui solus inter
homines humano affectu cares, extra legem humanam positus, Saxum verius quam homo.
Sed condonemus tibi longius a regionibus nostris in Wittenbergo inter potores
cervisiae posito. Si hic vidissem te Prophetam solum gloriosum et vanum
ostentatorem crudelia spectacula ridentem, tum assererem vera praedicasse.”
Suspinianus wirft hier Luther seine
Ausführungen in den “Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute” von
1518 und die dadurch hervorgerufenen späteren Auslassungen über den Türkenkrieg
vor. Jn der Conclusio V der “Resolutiones” hatte er zum Beweis der 5. seiner 95
Thesen:
“Papa non vult nec potest ullas poenas
remittere praeter eas, quas arbitrio vel suo vel canonum imposuit” (Unsre Ausg.
Bd. 1, S. 233) als eine Strafe, die der Papst nicht erlassen könne, auch
castigatoria et flagellatio Dei angeführt und hatte dabei ausgerufen, wenn ein
Priester aber dennoch solche Heimsuchung aufheben könne, so solle er doch Krieg
und Aufruhr, Türken und Tartaren vertreiben, denn das müsse ein schlechter
Christ sein, der nicht wüßte, daß sie Gottes Zuchtrute und Peitsche seien. Freilich
jetzt träumten die meisten, und zwar die Größesten in der Kirche von nichts
anderm, als vom Kriege wider die Türken. Sie wollten nämlich nicht die
Missetaten und groben Sünden, sondern gegen die Zuchtrute, damit Gott die
Missetat strafe, Krieg führen und wider Gott streiten, der da sage, er suche
mit dieser Rute unsere Missetaten heim, deswegen weil wir sie nicht untersuchen
noch abstellen wollten (Unsre Ausg. Bd. 1, S. 535).
Diese Worte hatten einen sehr
brauchbaren Anlaß geboten, unter die durch die Bulle “Exsurge Domine” vom
“Proeliari adversus Turcas est
repugnare Deo visitanti iniquitates nostras” (Op. lat. var. arg. IV S. 277) und
in dieser Fassung wurde die Äußerung Luther forthin untergeschoben.
Hutten hatte dann in seinen Anmerkungen
zu Bulle auch diesen Satz in Schutz genommen und ihn mit einem höhnischen
Ausfall gegen den Papst ganz
[Seite 94]
im Sinne seiner Türkenschrift begleitet
(Op. I S. 61* f. und V S. 314), Luther aber hatte in der “Assertio omnium
articulorum ... damnatorum” von 1520 und demnächst auch in der Ausgabe für das
Volk: “Grund und Ursach aller Artikel, so ... unrechtmaäßig verdammt sind” von
1521 den Satz verteidigt.
Auf doppeltes Unheil weise er hin,
heißts in der “Assertio”, die Richtigkeit des verdammten Satzes darzulegen, auf
die stete Erfolglosigkeit aller bisherigen Beratungen gegen die Türken und auf
die gewaltigen Geldopfer, die unter dem Vorwand eines Türkenkrieges schon nach
Rom geschleppt worden seien. So habe Gott zur Strafe für die Sünden des Volks
diesem aus Rom wildere, wütendere und habgierigere Türken gegeben, als die
wahren es je sein könnten. Man solle damit beginnen mit Buße und mit Gebet sich
zu rüsten, von jenem römischen Betrüger aber sollten Kaiser und Fürsten sich
frei machen. Als Prophet spreche er: wenn nicht der römische Pontifex zur Ruhe
gebracht würde, so sei es um die christliche Sache geschehen. Er schließt:
“Qui habet aures audiendi, audiat et a
bello Turchico abstineat, donec Papae nomen sub caelo valet. Dixi” (Unsre Ausg.
Bd. 7, 140 f.).
Und auf das gleiche Resultat als die
eigentliche Absicht seiner Worte kommt er in “Grund und Ursach” hinaus. Nicht
also habe er diesen Artikel gesetzt, daß wider den Türken überhaupt nicht zu
streiten sei, wie der heilige Ketzermeister zu Rom ihm auflege, sondern nur das
sei sein Rat, daß man zuvor einen gnädigen Gott sich mache, nicht einherlumpe
und auf des Papstes Ablaß traue, wie man bisher die Christenheit verführt,
damit man nicht beim Streit unter einem ungnädigen Gott Erfahrungen mache, wie
sie Jos. 7 und Richter 20, 12 ff. geschrieben ständen. Gott wolle vor allem ein
gutes Leben seiner Streiter sehen. Aber das fliehe der Past und wolle doch den
Türken fressen. Deshalb gehe es denn auch so glücklich wider den Türken, daß,
wo dieser bisher eine Meile gehabt, er jetzt hundert habe; und doch sähe man
nicht, so ganz habe das Volk der römische Blindenführer gefangen (Unsre Ausg.
Bd. 7, 442 f.).1
Daß diese Auslassungen selbst bei denen,
die sie verstanden, nicht gerade Freudigkeit zum Kriege erweckten, vielmehr
gerade dem Patrioten schmerzlich die Zerrissenheit Deutschlands vor Augen
führten, liegt auf der Hand; und von wie vielen wurden Luthers Worte wohl ganz
im Sinne der päpstlichen Bulle mißverstanden und dann teils gegen ihn
ausgenutzt oder auch in schlecht beweisener Freundschaft für ihn vertreten.2 Um
so mehr, als Luther in seinem Schlußwort zu den von ihm 1524 herausgegebenen
“Zwei kaiserlichen uneinigen und widerwärtigen Geboten, den Luther betreiffend”
— d. h. dem Wormser Edikt und dem Nürnberger Mandat vom
[Seite 95]
So traten denn schon um die Zeit dieser
letzten Auslassungen — im Eingang des Vorworts zu unserer Schrift heißts: “wohl
vor fünf Jahren” — Luthers Freunde an ihn mit der Bitte heran, ausführlich und
vollständig seine Ansicht vom Türkenkrieg dem deutschen Volke darzulegen, damit
er nicht erscheine, als habe er sein Vaterland nicht lieb. Vielleicht gehörte
auch der Ritter Assa von Kram zu denen, die solche Bitte an ihn richteten;
jedenfalls entschuldigt sich Luther in den Schlußworten der Schrift: “Ob
Kriegsleute auch in seligem Stande sein können”, daß er nicht auch gleich vom
türkischen Kriege etwas gesagt habe. Der vom ihm dafür angeführte Grund aber,
daß, nachdem der Türke nach der Schlacht bei Mohacz nicht gleich weiter,
sondern wieder heimgezogen sei, die Deutschen nun doch nichts mehr nach
Nachrichten von Türken fragten, konnten durch ihren spöttischen Ton Joh.
Cuspinianus, der die von den Türken verübten Gewalttaten in der Nähe gesehen
und für die Rache an dem wilden Feinde begeistert war, wohl zu dem heftigen
Ausfall auch gerade gegen das Kram gewidmete Buch veranlassen, das sonst auch
strenge Katholiken angesprochen hat (Unsre Ausg. Bd. 19, 662 vgl. 617).
Luthers einseitiges Urteil in diesen
Äußerungen will beurteilt werden aus dem Kampf, dem sein Leben galt: ihm war
der vornehmste Feind immer der Papst, und wer mit diesem gemeinsame Sache
machte, konnte ihm kein Verbündeter sein, auch nicht in der Feindschaft wider
den Türken.
Um gerecht gegen Luther zu sein, muß
man neben diese Aussprüche andere halten, wo er gewissermaßen sich selbst
widerspricht, zu dem Kampse anfeuert, den er hier weit von sich zu weisen
scheint, und den Zeitereignissen das wärmste Jnteresse entgegenbringt. Während
er den in der päpstlichen Bulle ihm vorgeworfenen Satz verteidigt, da offenbart
er gleichzeitig in der Schrift “An den christlichen Adel” keine andere Stellung
zum Türkenkrieg als Ulrich von Hutten; wenn er hier sagt, daß das deutsche Volk
selbst genug Volk zum Streite habe, wenn nur Geld vorhanden sei, das man
deshalb doch nicht nach Rom geben solle (Unsre Ausg. Bd. 6, 419), so zeigt das
seinen stolzen deutschen Mut, der weit entfernt ist vom Kriege abzuraten. Und
während er die Schlußworte seiner Schrift an Assa von Kram schreibt, da gibt er
gleichzeitig seinem Schrecken über die Ereignisse in Ungarn deutlichen Ausdruck
in einem Briese an Spalatin vom
Der beste Kommentar zu Luthers Stellung
aber ist unsere Schrift, die zu schreiben er sich alsbald anschickte, als der
Türke nun wirklich nahe kam. Ausdrücklich geht er hier von dem ihm
vorgeworfenen Satz aus und zeigt damit, daß ers als eine Ehrenpflicht empfindet
über seinen eigentlichen Sinn sein deutsches Volk noch aufzuklären. Auf die
ganz anderen Zeitläufte weist er hin, die gewesen, als er zu jenem Satz
Veranlassung gegeben. Wohl will er auch jetzt noch lehren vor allen Dingen mit
rechtem Gewissen zu kriegen, aber neben dem Christianus ruft er in heller
Vaterlandsliebe den Carolus an und treulos und meineidig, teilhaftig aller
Greuel und Bosheit der Türken nennt er die, die des Türken und
[Seite 96]
seines Regiments Zukunft begehren. Wohl
beherrscht auch unsere Schrift vor allem der Haß gegen den Papst und seine
Herrschaft, aber daneben kommt das echt deutsche Empfinden in dem Ruf nach
Verteidigung der hohen Güter des Vaterlandes zum deutlichten Ausdruck.
Deutlicher noch und lauter erklang
dieser Ruf in Luthers zweiter Türkenschrift, in der “Heerpredigt wider den
Türken”, die uns später beschäftigen wird.
Die erste Nachricht, daß Luther zu
unserer Schrift den Plan gefaßt hat, lesen wir in einem Briefe von ihm an
Nikolaus Hausmann vom
Aber erst am 9. Oktober begann Luther
die Schrift, die er nun dem Landgrafen Philipp von Hessen als einem berühmten
und mächtigen Fürsten widmete, daß sie ein desto besseres Ansehn gewönne und
desto fleißiger gelesen würde. Er muß sie dann schnell zu Ende geführt haben,
denn noch im Oktober begann der Druck (Archiv f. Gesch. d. deutschen
Buchhandels XVI S. 80). Aber es waltete zunächst ein Mißgeschick über der
Vollendung des Buches. Am
Cochläus, Luthers alter Feind, war auch
jetzt schnell mit einer Gegenschrift auf dem Plan. Ende Mai schon schrieb er
dazu die Vorrede, und Ende Juni schon war sie im Druck vollendet:
[Seite 97]
“DIALOGVS DE BELLO CONTRA || Turcas, in
Antilogias Lutheri, per Ioannem || Cochlȩum. || XV. Contradictiones, ex duobus
primis || Quaternionibus Libri Lutherici de bello, || contra Turcas. M. D.
XXIX. || [Titelholzschnitt] ||” 88 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Auf der
vorletzten und vorvorletzten Seite Holzschnitte. Am Ende [auf L 7 a]: “Excusum
Lipsiae, in Officina Valentini Schumāni, pridie Calendas || Iulias. M. D.
XXIX. Sub|| pio ac per oīa Catholico || Principe D. GEOR-||GIO Saxoniae
Du-||ce. &c̄. ||”
Die widersprechenden Äußerungen Luthers
zum Türkenkriege sinds, die Cochläus hier durchnimmt. Dem Gegner, bei dem zum
falschen Verständnis noch Bosheit und Rachsucht kamen, mußten sie ein
willkommener Gegenstand sein. Zunächst werden in sogenannten Gesprächen, die
freilich äußerlich recht ungeschickt abgefaßt sind, Luthers verschiedene
Äußerungen vorgeführt. Dabei vertritt Lutherus den Luther der “Resolutiones”,
der “Assertio” usw., der gegen den Türkenkrieg spricht, Palinodus den Luther,
der zum Kriege ermutigt, der Worte unsrer Schrift im Munde führt; der dritte
Kollokutor ist der Orator Regis Ferdinandi. Da ihm diese Gespräche aber noch
nicht genügten, so sammelt Cochläus zum Schluß aus den ersten beiden
Quaternionen unfrer Schrift noch 15 Contradictiones, indem er besonders
markante Sätze unsrer Schrift mit früheren Aussprüchen Luthers zusammenstellt.
Luther hat sich um diese Schrift nicht
gekümmert.
Vgl. Köstlin-Kawerau, Martin Luther,
sein Leben und seine Schriften, I S. 116 ff.; D. Fr. Strauß, Ulrich von Hutten,
Leipzig 1871; R. Ebermann, Die Türkenfurcht, Diss. Halle a. S. 1904; Mich.
Popescu, Die Stellung des Papsttums und des christlichen Abendlandes gegenüber
der Türkengefahr vom Jahre 1523 bis zur Schlacht bei Mohacs. Leipziger Diss.
Bukarest 1887.
Drucke:
A “Vom kriege || widder die || Türcken.
|| Mar. Luther. || M. D. XXVIII. || Wittemberg. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, vorletzte Seite leer, mitten auf der
letzten nebeneinander zwei Kreise, in dem linken das Lamm mit Fahne, im rechten
die Lutherrose. Am Ende von H 3b: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Hans Weiss
M. D. XXIX. || Am .XVI. tag des April. ||”
Bogen B beginnt: “blut fechten, welchs
yhn nicht befolen, sondern auch || verbotten ist. ||”, Vogen D: “widder yhn
sehen vnd hoeren mus, Vnd reist doch so ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Bamberg, Berlin, Breslau St., Dresden, Erfurt Mart., Halle Mar., Kiel,
Königsberg U., Leipzig U., München U., Nürnberg St., Wernigerode, Wittenberg
Lh., Wolfenbüttel (3), Würzburg, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 31, 31 Nr. 1
(ungenau).
B wie A, doch sind die Vogen B und C
neu gesetzt.
Bogen B beginnt: “blut fechten, welchs
yhn nicht befolhen, sondern auch || verboten ist. ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Breslau U., Dessau, Gotha, Halle U., Heidelberg, Wernigerode, Wittenberg L.,
Wolfenbüttel; London.
[Seite 98]
C wie A, doch ist Bogen D neu gesetzt.
Bogen D beginnt: “widder yhn sehen und
horen mus, Und reist doch so ||”
Vorhanden in Berlin, Göttingen,
Helmstedt, München HSt.
Ausgabe A, B oder C, unbekannt welche,
vorhanden in Eisleben; Amsterdam U.Sem. (2), Ithaca.
D “Vom Kriege wid -||der die
Tür-||cken. || Martinus Luther. || Gedruckt zu Wit-||temberg. || M. D. XXIX.
||” Mit Titeleinfassung. Umfang und Schluß wie A.
Nur Bogen A ist neu gesetzt, alles
andere wie in A.
Vorhanden in Arnstadt (2),
Aschffenburg, Berlin, Bremen, Breslau U., Dessau, Erfurt Kgl., Erlangen, Gotha,
Halle Wais., Hamburg, Helmstedt, Hirschberg Gymn., Marburg, Nürnberg GM.,
Sommershausen, Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel, Würzburg U.; London. — Erl.
Ausg. 31, 31 Nr. 3.
E wie D, doch Bogen B und C wie in B.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin, Heidelberg, Lübeck St., Marburg, München U., Nürnberg St., Rostock,
Wittenberg L., Worms Paulusmus.; London.
F “Vom Kriege wid-||der die Tür-||cken.
|| Mart. Luther. || Gedruckt zu Wit-||temberg. || M. D. XXIX. ||” Mit
Titeleinfassung. Umfang und Schluß wie A.
Bogen D wie C, Bogen H wie A, sonst
neuer Satz.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Altenburg, Dessau, Göttingen, Hannover St., Heidelberg, Helmstedt (2), Jena,
Veste Koburg, Nürnberg GM., Straßburg, Weimar, Zittau St.; Bern, Petersburg. —
Erl. Ausg. 31, 31 Nr. 2.
Ga “Vom Kriege || wider die || Türcken.
|| Mar. Luther. || M. D. XXIX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
bedruckt. 24 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Anno. M. D. XXIX.
||”
Druck wahrscheinlich von Gabriel Kanz
in Zwickau.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Bamberg, Leipzig St., Weimar; Zürich St. — Erl. Ausg. 31, 32 Nr. 5.
Die Kehrseite des Bogens D ist im Satz
verdreht worden, so daß die Seiten dieses Bogens in der falschen Reihenfolge 1.
6. 7. 4. 5. 2. 3. 8 erscheinen.
Gb wie Ga, doch ist Bogen D in Ordnung.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin, Freiburg U. (unvollst.) München HSt., Nürnberg St., Straßburg,
Stuttgart, Wittenberg L.
H “Vom Kriegewy||derdie
Tuercken.||Mart.Luther. || Wittemberg||M. D. XXIX.||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 36 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende:
“Gedruckt zů Nůrenberg durch || Johannem Stuechs || 1529 ||”
Vorhanden in Memmingen St.,
Wolfenbüttel, Zwickau; Basel, London. — Erl. Ausg. 31, 32 Nr. 6.
I “Vom Kriege, || Wider [so] den ||
Türcken. || Mart. Luth. || Wittemberg. || MDXLII. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 42 Blätter in Quart. Auf der letzten, sonst leeren Seite:
“Gedruckt zu Wit-||temberg, durch Nickel || Schirlentz. || M.D. XLII. ||” —
Erl. Ausg. 31, 32 Nr. 7.
[Seite 99]
Blatt B2a ist fälschlich gezeichnet “A
ij”, Bogen K hat 6 Blätter.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Aschaffenburg, Bamberg, Berlin, Bremen, Breslau St., Celle, Danzig St., Dessau,
Dresden, Eisenach, Halle Wais., Helmstedt, Jena, Leipzig St., München U.,
Rostock (Titelblatt fehlt), Straßburg, Weimar, Wolfenbüttel, Zwickau; London.
Spätere Drucke:
K “Vom Krieg wider den Tuercken, Doctor
Martinus Luther. *** Anno, M. D. XXIX.
M. D. LXIII.” Am Ende: “Getruckt zů Franckfurt am Mayn, bey Georg
Raben, vnd Weygand Hanen Erben. ***”
Letzter Bestandteil in: “Tuerckische
Historien. Von der Tuercken Ankunfft, Regierung, Koenigen, vnd Keysern,
Kriegen, Schlachten, Victorien vnd Sigen... Auß Italienischer Sprach in vnsere
Teütsche verdolmetscht, durch den Hochgelahrten Heinrich Mueller, der Rechten
Licentiaten, vnd freyen Kuenst Magister.....
a Franckfurt am Mayn M. D. LXIII. Teil
3, Blatt XLIX bis LXIII.
Vorhanden in Altenburg, Arnstadt,
Breslau St., Darmstadt, Göttingen, Hannover Kgl., Leipzig U., Nürnberg St. (2);
Basel, Salzburg.
b Franckfurt am Meyn M. D. LXV. Teil 3,
Blatt XLI bis LX.
Vorhanden in Breslau U., Hannover St.
c Franckfurt am Mayn M. D. LXX. Teil 3,
Blatt XXXVIII –XLVIII, 49 –55. Auf dem Titelblatt der Lutherschrift: “M. D.
LXIX.” Am Ende: “Getruckt zu Franckfurt am Mayn, durch Johannem Schmidt, in
verlegung Kilian Han.”
Vorhanden in Bamberg, Breslau U., die
Lutherschrift als Sonderabdruck in Jena.
d Franckfurt am Mayn, M. D. LXXII. Teil
3, Blatt XXXVIII –XLVIII, 49 –55. Titel und ganzer Satz der Lutherschrift
identisch mit c.
Vorhanden in Leipzig U., Rostock (2);
Salzburg, Schaffhausen St.
L “Vom Kriege Wider den Tuercken. Doct.
Mart. Luth. ANNO XXVIII. Mit einer Vorrede Doct. Georg. Maior. Wittemberg
Gedruckt durch Hans Lufft. 1566.”
Vorhanden in Dresden, Helmstedt, Lübeck
(beschädigt), Wolfenbüttel; Zürich St.
M “Kriegßbuch, Dritter Theyl. Von
Schantzen vnnd Befestungen Vmb die FeldtLaeger auffzuwerffen vnd zu schlagen:
Auch vom Ritter vnnd Reutter Rechten, sampt derselben Bestallung vnd
FeldtOrdnung.... Leonhardt Fronsperger. Getruckt zu Franckfurt am Mayn, Jm Jar
nach Christi Geburt, 1573.”
Darin Bl. CCCXXVIIIb bis CCCXLIb “Vom
Krieg wider den Tuercken, Doctor Martinus Luther. Anno, M. D. XXIX.”
Vorhanden in Bamberg, Wolfenbüttel.
N “Buechlein ❧ Vom Krieg wider den Tuercken,
Doct: Martin Luthers: Jetzt widerumb vffs New außgelassen: zur Erinnerung, das
nur zween Menner wider den Tůrcken streiten sollen, Herr Christianus,
[Seite 100]
vnd Keyser Rudolphus. Ezech. 14.” Am
Ende: “Erstlich Gedruckt im Jar 1528. Jetzt zum andern mahl nach gedruckt im
1593. Jar.”
Vorhanden in Wernigerode (im gleichen
Sammelband mit Heerpredigt N, mit dem der Neudruck offenbar gleicher Entstehung
ist).
O “Antitvrcica Lvtheri: Das ist, Vom
Kriege, vnd Gebet wider den Tuercken, vnd von desselben Alcoran; etliche
Schrifften, deß thewren und werthen Mannes Gottes, Doctoris Martini Lutheri:
Darunter auch eine deß Herren Doct. Iusti Ionae: Sampt angehengten etlichen deß
Herren D. Lutheri Propheceyungen, von dem kuenfftigen grossen Unglueck vber
Deudschland: ...... Jn jetzigen sorglichen vnd gefehrlichen zeiten, sehr
nuetzlich zu lesen vnd zugebrauchen, in Druck zusammen geordnet, durch Ioannem
Rosinvm, Thumbpredigern zur Naumburgk ..... 15 Leipsig. 96. Cvm Privilegio.” Die
Schrift steht auf S. 1 bis 105.
Vorhanden in Jena.
P “Ottomannus Theologicus, Darinnen
Erstlich, Ob der Tuercke noch endlich das Roemische Reich oder Deutschland
eroebern werde, oder nicht? II. Widerlegung deß Tuerckischen Alcorans. III.
Unterricht vom Kriege wider den Tuercken und Heerpredigten... Eiszleben, ANNO
M. DC. I.”
Jst Titelauflage von O und von Bogen A
an völlig mit jenem identisch. Vorher ist Rosins Vorrede weggelassen und dafür
sind ‘M. Theodosii Fabricii Disputation’ (= Punkt I und II des Titelblatts)
eingefügt. Unsre Schrift steht auf S. 1 bis 105.
Vorhanden in Celle Min.
Q “D. Martin Luthers Buechlein wider
den Tuercken. Herausgegeben von D. C. Panse. Leipzig 1826.”
R “D. Martin Luther's Büchlein Vom
Kriege wider den Türken und Heerpredigt wider den Türken im Jahre 1529. Mit
einem Vorwort von Professor D. Kahnis. Leipzig 1854.”
S “Martin Luther's politische
Schriften. Mit einer Einleitung über Luther's Bedeutung im deutschen
Nationalleben herausgegeben von Theodor Mundt. Neue Ausgabe. Leipzig 1868.”
Enthält in Band 3 S. 61 –108 einen
freien Abdruck unsrer Schrift in moderner Sprachgestalt.
Die Schrift erscheint in den
Gesamtausgaben: Wittenberg 2 (1548), 536a –553b, (1551) 522b –538b, (1557) 444b
–458a; Jena 4 (1556), 390a –406b, (1560 und 1574) 430b –446b; Altenburg 4, 524
–541; Leipzig 22, 339 –356; Walch1 20, 2633 –2691; Walch2 20, 2108 –2155;
Erlangen 31, 31 –80.
[Seite 101]
Hans Weiß hat lange an der Schrift
gedruckt: Text A, auf den sich die Briefstellen bei Enders 6, 395. 7, 53 f. 61
beziehen, ist Ende Oktober 1528 schon unter der Presse und erst am
DEF sind jünger als ABC, die die
Jahrzahl 1528 auf dem Titel tragen. Der 1529 neugedruckte Bogen A in DE setzt
Turcken für Tuercken ein, ebenso die neugedruckten Bogen B und C in B. Darum
wird B jünger sein als A. Mit der vielfältigen Unterdrückung des Umlauts nähern
sich die Bogen B und C in B Luthers Handschrift, aber schwerlich seinen
Absichten für den Druck, auch zeigen sie sonst nur Druckfehler und
Bedeutungsloses, nie die bessernde Hand des Verfassers. Ebenso verhält sich
Bogen D in C zu dem entsprechenden in A; C wird darum jünger sein als A,
obgleich es den Umlaut in Tuercken einführt und nicht beseitigt. C ist jünger
als B, denn der neugedruckte Bogen D reicht noch für Druck F, für den B und C
zum drittenmal gesetzt werden mußten. Über das relative Alter von DE läßt sich
nichts sagen.
F ist jünger als DE, weil dafür Bogen
ABCEFG erneuert sind. Vielfach geht F mit BDE zusammen, die Lesarten sind unten
vollständig gebucht. Das Zusammentreffen ist aber stets zufällig; in allen
entscheidenden Lesarten geht F mit AC, so bietet F 109, 20 war mit ABC gegen
DE, 115, 3 gewoennen mit ACD gegen BE. Auf Bogen D, dem einzigen, in dem sich A
und C unterscheiden, teilt es alle die 25 Abweichungen mit C. Mit der
Jahreszahl 1529 auf seinem Titelblatt ist F nicht Vorlage, sondern neue Auflage
von C.
G kommt als wahrscheinlich Zwickauer
Druck nicht als Vorlage eines der Wittenberger in Frage, mit 108, 2 ruch, 108,
7 Fürstenn steht nicht H, der einzige, der zeitlich in Betracht käme, zwischen
G und jenen. Von den 25 Abweichungen zwischen A und C teilt G 11 mit A, 14 mit
C, da aber die Abweichungen von C im ganzen schwerer wiegen, dürfte G Abdruck
von A sein.
H teilt mit F allein die Abweichung
108, 11 drynne, 109, 15 solchs fehlt u. v. a., entfernt sich mit 108, 2 ruch,
110, 2 vnd nuetzlich fehlt, 110, 4 vnd zeugnis, 110, 23/24 Rom den weg verlegt
selbständig weiter von C, ist also nicht Vorlage, sondern Abdruck von F.
Charakteristisch für H sind seine vielen Druckfehler, z. B. 107, 6 haban; 107,
17 schul; 107, 22 werheit; 108, 14 Tetwfels ufs.
I stammt mit 108,
[Seite 102]
dem Bestreben zusammen, die Bezeichnung
des Umlauts einzuführen, in den 14 wichtigeren Differenzen stimmt I dagegen
hier zu A. Ebenso ist auf den folgenden Bogen die Stellung von I zwischen A und
F: mit F teilt I vielfach die Orthographie (außer Bezeichnung des Umlauts auch
130, 1 panier; 133, 17 ewre; 137, 22 regiments) und kleine Textbesserungen, die
beide selbständig gewinnen konnten (129, 35 Tuercken; 130, 18 rachgirigkeit;
132, 32 glaubens; 133, 33 gesetzt), mit A die entscheidenden Lesarten: 130, 25
solle; 28 glaubens; 132, 10 zihen; 133, 20 yhrs; 24 wurdet (wuerdet I); 139, 16
S.; 142, 22 daselbst; 144, 17 flugs. Demnach ist I Neudruck von A. Bibelzitate
hat I mehrfach berichtigt (110, 6. 117, 2. 123, 25. 137, 1), doch ist die
Mehrzahl der sinnentstellenden Fehler von A (109, 21. 112, 17 usf.) stehen
geblieben, andere (110, 24 usf.) sind in I neu hinzugekommen, so daß man an ein
Mitwirken Luthers nicht denken darf. Druck K bis S sind nach Luthers Tode
erschienen und textkritisch ohne Belang.
Die Grundlage des kritischen Textes hat
danach A zu sein, die Abweichungen von B –E sind sämtlich in den Lesarten
mitgeteilt, die von F –I nur soweit sie nicht sprachlicher Natur und derart
sind, daß sich hier darüber zusammenfassend Bericht erstatten läßt. Allgemein
ist vorauszubemerken, daß die sprachlichen Änderungen von F fast jeder
Konsequenz ermangeln, höchstens die Bezeichnung des Umlauts ist einigermaßen
konsequent beseitigt und ey wird in den meisten Fällen durch ei ersetzt. Auch G
greift in keinem Punkte wirklich durch: stellenweise bemüht es sich, die
Vorlage buchstabentreu nachzubilden, dann fällt es seitenweis in seine
abweichenden Druckgewohnheiten zurück und ist dabei immer stark bestimmt durch
Rücksichten auf Zeilenfüllung und -grenzen. H hat unverkennbar das Bestreben,
mit den Formen fur, Turck(en), gleuben, keyn, -heyt, meynen, keyser, teyl,
beyde, weyß, itzt, gebot(en), beten, gebet, rat(en), not, jhn, gehen, wird, nu,
sondern aufzuräumen, vereinzelt ist aber jede dieser Formen einmal stehen
geblieben und die Angabe (immer) bei für usw. demgemäß cum grano salis
aufzufassen. I hat, abgesehen von den sparsamen, aber gut durchgeführten
Änderungen, über die im folgenden berichtet wird, Majuskel in Substantiven fast
überall eingeführt und zusammengesetzte Wörter in eins geschrieben.
I. Umlaut. 1) des a mit ae bezeichnet:
taeglich (3) G (6) H, vaeterliche 108, 13, eyntraechtiglich (2), maechtig u. s.
F. (4), laeppisch 129, 26 H.
2) des a mit ae bezeichnet: Baebste,
Baebstlichen (3), Cardinael 110, 25, jaemerlich (4), raethe, raetlich, verraether
(4), spraeche 133, 1, schlaefferig 147, 7 H.
3) Es führen ein Umlaut des a in laeger
114, 19 G; Reichstaege 113, 10, leybhefftige 126, 2 H; Heubtman 136, 32,
gleuben u. s. F. (2) I.
4) des o in woellen u. s. F. (22) G
(24) H (9) I, moecht(e) (7) G (9) H (5) I, Koenig(-) (6) GI (8) H, boesen 115,
5, loeblich 142, 16, hoeret 148, 14, Goettlich u. s. F. (3) GHI, moerd(en) mit
Formen und Zusammensetzungen (7) G (11) H, (zu)stoeren mit Ableitungen (3) G
(4) H, froelich 111, 29, Roemisch 143, 32 GH; oeberkeit (2), oerdenliche 129,
20, oeffentlicher 131, 6, wilkoere (2), noetigen 133, 5 G; poebel 107, 12,
groessesten 124, 25, koennen 126, 18, soelchs 140, 6, oeberherrn 140, 22 H;
zoernige 116, 26 I.
5) des u in Fuerst u. s. F. (8) GI (11)
H, fünff(tzig) (2) G (3) H (1) I, sünde m. F. u. Abl. (23) G (22) H (9) I, für
(56) G (58) H (4) I, rüsten
[Seite 103]
m. F. u. Abl. (5) GH (3) I, schuetzen
(4) GH (3) I, Tuerck(en) (77) G (79) H (74) I, Tuerckisch (3) GH, Luegen (3) G
(5) HI, über u. Zus. (10) G (28) H (8) I, wuerde(t) (2) G (3) H (7) I,
fuerchten u. s. F. (2) G (1) H (2) I, münche 127, 6, stürmer 128, 23,
vnmueglich 133, 32, spruech(e) 135, 31, fruemer 141, 19, jüngsten 148, 27 GHI,
stueck u. s. F. (1) GI (2) H, hinfürt 135, 1, huelff(e) 137, 8, außgewuertzelt
143, 16 GH, kuend(te) (2) G (1) H, herueben 138, 35, gebuert 135, 23, erwuergen
138, 14, schuessel 140, 1 GI, guelden 128, 24, pluendern 133, 18, gegruendet
130, 26 HI, (be)duerfft (2), vnglück (2), abtrünnige(n) (2), abtrünnischen (1)
G, übel u. s. F. (10), kuetzel 134, 29 H, schueldig m. F. u. Abl. (19), uemb in
Zus. (17), Jueden (5), duencken u. s. F. (4), nachdruecken 146, 15 I.
6) des uo in wuest 107, 15, versuene
129, 23 GHI, fueren m. F. u. Abl. (15) GH (3) I, auffruerisch (1) GI (2) H,
muessen (6) G (10) H (2) I, fuelen u. s. F. (2) G (1) HI, egueter 129, 1,
geruert 133, 5 GH, muehen 138, 29 G, stünden (-et) (3), üben m. Abl. (3) H,
abschlüge 146, 5/6 HI, beistuenden 147, 18 I.
7) Es beseitigen Umlaut des a in
arbeyt(en) (1) G (2) HI, abenteue(e)r (2) GH, offenbarlich 119, 22, bekantnus
120, 35, narren 145, 26 G, lang(e)st (2), Maiestatt 146, 17 H, warlich (2) I;
in glauben m. F. u. Abl. (23) GH, rauber m. F. u. Abl. (6) G (3) H, verkauffen
u. s. F. (2) GH, haubt (3) G (2) H, saumet 124, 12 G, anlaufft 138, 2 H.
8) des o in frolich 115, 24, gottlich
u. s. F. (3), konige 136, 35, Romisch 144, 2 F, oberkeyt (1) G (3) H (9) I,
toben(s) (2) GHI, boßheyt (1) G, word m. Abl. (1) G (2) I, offentlich(e) (1) H
(5) I, kompt 107, 9, Zollners 118, 14, oberherrn 137, 29 H, grosser 122, 13 I.
9) des u in darumb (6) FH (3) GI, fur
(6) F (1) I, Furst u. s. F. fast stets F (4) H, Turcken und Turckey fast stets
F, Turckey (1) I, Juden (3) FGH, duncken (2) FG (4) H, gelusten (2) F (1) G (3)
H, Jungsten (2) F (1) H, gluck (2) F (6) G, kund(t)e 142, 9 FG, daruber 114, 8,
hinfurt 114, 20, furchten 117, 4, funff 119, 32, wundschen 136, 16, erfullet
141, 3 F, wurde 108, 8, lugengeist 126, 6, schutzen 130, 13, stucken (4) G,
durfftigen 115, 21, wustens 130, 9, Muntze 115, 27, zuchtigen 126, 32 I.
10) des uo in versunen 117, 2 FG,
behuete 108, 14, furen u. s. F. (4), muts 113, 6, fulen 121, 19, schulern 122,
25, busse 129, 23 F, suche(n) (1) F (2) H, buberey 110, 17, schůlern 122,
25 H.
11) Ohne lautliche Bedeutung ist, daß F
oft eu für eue der Vorlage einsetzt: Deudsch (land) (3), Teuffel (stets),
heutiges 112, 28, freunden 116, 6, deudlich 144, 28, desgleichen daß H gern ew
für eu, eů der Vorlage setzt in Crewtz, Tewfel, grewlich, dewtet, brewte,
stewren.
II. Sonstiger Vokalismus. 1) Für altes
ei wird von H gern, doch nicht regelmäßig ai, ay eingeführt: -hait (30), -kait
(36), kain u. s. F. (58), allain(e) (24), hayl(and) (9), raitzen u. s. F. (15),
layd(er) (6), abrayß 110, 23, maynen m. F. u. Abl. (14), Hayden(isch) (6),
hayssen u. s. F. (14), gemain m. F. u. Abl. (6), zaigen (12), haym u. s. Abl.
(6), schraib 109, 17, zway(en) (7), mayster(n) (3), schayden 113, 17, kayser u.
s. F. (immer), (vr)tayl (10), bayde u. s. F. (18), -lay (4), bainen 117, 3,
berayt
[Seite 104]
u. s. F. (5), waiß (8), arbait 121, 5,
mayst 123, 22, zaichen (8), Layen 127, 7, edelstaine 128, 2, klainoten 128, 24,
wainen 129, 14, aygenen 135, 17, schlayfft 144, 17, (main)ayd u. Abl. (6), doch
mayneydig 138, 3.
2) Korrektes ie statt i führen ein in
yederman(s) (4) G (8) H (9) I, ziehen (2) GI (4) H, regier(e) 122, 18 GHI,
yetzt (17) H (fast stets) I, yeglicher (1) H (3) I, vergiessen 111, 9, nyergent
(2), panier (2), diernen 126, 32 H. Falsche ie laufen unter in beschyerner (2),
siehst 134, 12 H, Friede (2) I.
3) Unhistorisches ie beseitigen in
ligen (1) G (2) HI, vil (fast immer) GH, villeicht (1) I, dyse (dise) u. s. F.
(21) G (28) H (eyn) getriben (2), geschriben(n) (8), gelid 112, 21, zilet 118,
8, blide 140, 13, überlifern 146, 16 GH, spil m. F. u. Abl. (1) G (8) H,
fryde(s) (1) G (2) H, sig m. F. u. Abl. (3) G (6) H, vihe (2) G, lyse (2),
unterschydlich 111, 2, blibenn 114, 6 H. Darüber beseitigen ie in (n)ymand (2)
G (1) H (3) I, liber (1) GH, pan(n)ir (8) G (2) I, vergissen 125, 16, yder 130,
8, hirynn 131, 28, krig(en) (3) G, bancketiren 134, 29 H, regirn (2) I.
4) Statt u führt H oft ů ein, das
es gelegentlich mit ů verwechselt: zů, zůr (immer), doch ebenso
regelmäßig zum, můß (immer), auffrůr (5), gůt (immer),
gnůg(sam) (17), můt u. s. Zus. (6), růte(n) (7), stůnd (4),
trůgen 109, 14, hůb 109, 24, wůrden (4), blůt (16),
bůbe(n) (3), thůn u. s. F. (immer), růff m. Abl. (5),
bůch(-) (6), půß bueß bůsse (10), wůrtzle 117, 24,
schůhen (2), nůr (6), můst(en) (10), hůben 125, 1, hůrn
127, 18, rhům (2), brůder 143, 22, schůle(n) (5), tůch (3),
fůg (2), versůche 136, 3, erwůrgen 138, 14, můter 140, 31.
I hat ue statt u in Hohenschuelen 110,
8/9, mueste(n) (6), Luether 107, 17, Rueten 120, 12, Stuende 125, 13,
Schuetzherrn 130, 29, versuecht 147, 28.
5) u statt o führt G ein in
(eyn)genumen (2), sundern (8), kumen (2), sunst (4), gesundert 112, 15,
sunderlich (3), sun (2), oe statt ue in (ver)- moegen (7).
6) Unbetontes e wird eingeführt von G
fast nur zur Zeilenfüllung oder wegen Worttrennung: geschwo-ren, Jch su-chet,
jres amptes ||, gehoeret in || begi||bet, sol-ches, greif-fet, ewer ar-men, nur
vereinzelt um Konsonanthäufung zu meiden: Herren (3), regieren (4), lengest,
Gottes. H führt unbetontes e fünfmal, I dreimal so oft ein wie G:
in Mittelsilben: mordegeyst H,
Kriegesleuten, allezeit, sehenen I;
in geschlossener Endsilbe: herren (2),
regieren HI, hadderens, Pawren H, geschworen I; ewer (2) HI, fewer (1) H (2) I;
welches HI, Gottes (2) H, (9) I, meines, kaines (2) H, liechtes, gutes I;
geflicket, stirbet, werffet, verfüret, treybet, geraubet, entschuldiget H,
hetzet, (ge)reitzet (2), lobet, krieget, bleibet I;
in offnem Auslaut: nach md. Weise setzt
H e zu in mage, warde, fande, ware, ampte, der Babste, das hertzelayde, ein lande,
hayle, den ayde, ordnunge, hertze, Herre, Türcke (2), dem Cardinale, gepete
(4), rzum grunte, rathe, mit ernste; Befelhe (2), Bischoffe (2), feinde,
hewbte, gemaine; solche, andere (2), unsere, etliche, ewere, ferliche,
juengste,
[Seite 105]
darynne, ferne; lyse, achte ich, er
habe. I setzt -e zu in handelte, ich, er habe (2), zweiuele, Gnade, Gesetze,
Woelffe, liese, wuerde, Darinne, hierinne.
7) Unbetontes e wird beseitigt von G
100, von H 130, von I 38 mal und zwar
in Vorsilben: gwaltig H, gniessen I;
in Mittelsilben: Redner GHI, Canntzler
HI, eignen GH, heydnisch, begegnen GI, raubberge, findstu, Endchrist, eignem,
verkerten G, bezalte, regne, wůrtzle, luegner, verkerten (2), verkerstu H,
Heuchley, hertzleyd I.
in geschlossner Endsilbe: erfarn,
hůrn, anstehn H, bancketiern I; fewr (2) G (1) I; regiments, rhums G,
hewtigs, Mahomets H, Kriegs, Mords, Koenigs, ichts, meineids I; bestettigt GH,
verderbt, gehoert, meynt, außgedient, bringt, steht G, gebawt, druckt, bezeugt
H, verkert, gelert (2), strafft, habt, hengt, regiert, genent I.
im offnen Auslaut gelegentlich
gruppenweise in G: ein heydnisch vnnuetz weyse, die gantz heylig schrifft;
hierher einige Faälle nach Behaghels Gesetz in GH: auffm Reychstag, in der
rüstung, aus der erfarung GH, außbewt GHI, dem Koenig G, der selbig (2),
erhoerung, zum Tuerckenkrieg H; vor anlautendem Vokal des folgenden Worts: im
fryd, die meng, Koenig (gen.) plur., gerad, ander, wenig, gedenck etwas, gieng
es, schreib ich G, soll, vergebung, zehend, gerad (2), erleucht, ler, müst,
laß, nem, danckbar, Jch glaub, bueß (3), pflanntz, mayst, Er můst, fryd,
etlich, gern, lieb, verker, fryd, wer, hof, hülff, layd, blůthund, König
(plur.) (2), boeß, gesetz, wuerd, sag ich, geb H, Stueck, Muentz, gesetz, gering
I; sonstige Dative Sing.: Gott (3) GHI, krieg (1) G (3) H, mund, weyb G;
sonstige Singularformen: weltlich GHI, Tuerck (7) G (9) H (1) I, glaub (1) G
(2) H, recht (2) G (1) H, sach, stück (2), gesetz, gnad, hauff, fein, sein
(suam), boeß, frum G, glueck, muentz, stymm, weyl, sünd (2), leyb, stund, ewig,
heylig, gestreng, goettlich, groß H; Pluralformen: Leut (2) G (5) H (1) I,
spruech (2) G (1) H, stück (2) H (1) I, die hend G, erbar I, Adverbia und
Pronominalformen: ein (10) G (2) H (3) I, lang GI, allain (allein) (3) HI, gern
(1) G (2) H, bald GH, duenn, dest (3) G, schweer, boeß, gering H: Verbalformen:
ich, er hab (5), Gott geb GH, wolt HI, er, es wer, such (2) G, ich kenn, werd
(3), regier, muest, solt H , gestolen I.
III. Konsonantismus. 1) Fortis führen
ein in ge-, verpot(en) (6) G (13) H, peten m. F. u. Abl. (3) G (immer) H, heupt
(2) G (1) I, popel 107, 12, hauptman 136, 32, gepurt 143, 33 G, verpannet 108,
19/20, pitten (2), gepewt (2), außpewte (2), gepürt 115, 19, pergk 118, 21,
pilde(r) (4), hewptstůcke 122, 22, verprochen 128, 11, geprasset 133, 22,
pracht 133, 25, půben 136, 29, pleybte 138, 5, eynzupylden 139, 28, pawren
145, 9 H; schwert (1) G (42) H, doch mehrfach schwerd, 142, 4 schwerdt H,
deutlich 144, 28 GH, Deutsch (land) u. i. F. (18), Teutschen (1) G, tewtsch(en)
(18), vertewtschen 122, 1, doch Dewtsch 107, 14 H, todte 112, 3, stat 124, 26,
feindt (2), vnwert 144, 26, widerstandt 145, 29 G, (vn)bekant (2), gelt
[Seite 106]
110, 23, entlich 111, 9, schentlich
(8), seyt 133, 29, wirt (2), entwant 138, 25, wirdt (31), würdt (1), werdt (1),
stadt 124, 26, mordt 125, 13, (bey)standt (4), handt (1), Bundt (1) H,
uberweltiget 144, 23/24 I; mercklicher 146, 14, wunderwerck 146, 27 GHI,
-igklich (3), gefengknis 127, 12, wegkfüren 133, 18 H. Jm Auslaut schreibt G
gern ß in auß, hauß, biß, muß, H außerdem auch in ablaß, baß, laß, Roß, gewiß,
fleyß, boßhait, kriegß, Laßla.
2) Lenis führen ein in vnbůßfertig
(1) G (2) I, Babst (2) G (immer) H, Bapisten 113, 14, ambt (4) G, gebrenge 119,
1, getoedet 138, 12, verdorben 137, 4 H, gebuert 114, 23 I; schuld 114, 1,
verdorben 137, 4 GI, sind 110, 2 G, sold 128, 28, Bosheit (4) I.
3) dd vereinfachen GHI fast immer in
wider, oder, weniger konsequent in fodern, feder, haderten, nyderlag, entweder,
z. B. läßt G entwedder 129, 13 stehen. Auch tt vereinfacht G gern in etliche,
Got u. s. F. und Präteritalformen von haben.
4) Graphisches h beseitigt G gern,
sowohl silbentrennendes (geen, steen, muee), als dehnendes (jr u. s. F., ere,
mer, argwon, befolen), als exotisches (Jesu, ruemen). Erhalten bleibt h in
Pfarher. H entfernt silbentrennendes h in ee (1), ye (7), steen (8), geen (6),
dehnendes in mer (12), Mahomet(s) (3), faren (1), sowie 58 mal in den
Pronominalformen in, jm, jre, jrem, jrer, yn, ym, yre, yrem, yrer; exotisches
in Jesu(m) (6), ruemen (1). I entfernt silbentrennendes h in je (8), dehnendes
in ebentewr (1), faren (1), denjen(ig)en (3), sowie 126 mal in den
Pronominalformen jm, jr, jrs, jres, jrer, jrem, jren.
5) h wird eingeführt von I in auffrhůr
(2), von H in auffrhůr (4); herauß (2), herfür 127, 5, herab 148, 27;
Jsrahel 117, 17; lehre 109, 25, rath m. F. u. Abl. (16), noth (13), erretthet
133, 27, Loth 139, 19, forth 148, 6, befolhen 111, 28, die jhenigē 148,
13.
6) nn führt G gern zur Zeilenfüllung
ein, z. B. lautet die letzte Zeile von Blatt A 1b: gegenn sie entschuldigenn
108, 1.
IV. Wortformen: sondern < sonder
(17) GH, fur < for (12), < vor (2) G (23) H, nu > nun (17) G (13) H,
widder < weder (4) HI, Oberkeit F, nicht < nit (54), -niß < -nuß (5),
-lein (5) G, dran < daran (2) H, Euangelion < Euangelium (9), yhn <
jnen (17) I.
[Seite 107]
[Seite 107]
[Vorbemerkungen]
[Bl. Aij] Dem Durchleuchtigen
hochgebornen Fuersten und Herrn,
herrn Philipps Landgraven zu Hessen,
Graben zu Katzenelbogen,
Zigenhain und Nida, meinem gnedigen
Herrn.
Gnad und fride ynn Christo Jhesu unserm
Herrn und Heilande. Durchleuchtiger
Hochgeborner Furst, Gnediger Herr: Es haben
mich wol fur funff iaren ettliche gebeten, zu schreiben vom kriege widder den Tuercken und unser leute
dazu vermanen und reitzen. Und itzt,
weil eben der Tuerck uns nahe koempt1,
zwingen mich solchs auch meine freunde zuvolenden, Sonderlich weil
ettliche ungeschickte Prediger bey uns
Deudschen sind (als ich leider hoere), die dem
pobel einbilden, man solle und musse nicht widder die Tuercken
kriegen2, Ettliche aber auch so toll
sind, das sie leren, Es zyme auch keinem Christen, das weltlich schwerd zu furen odder zu
regiern. Dazu, wie unser Deuedsch volck
ein wust wild volck ist, ia schier halb Teueffel halb Menschen sind, begeren ettliche der Tuercken zukunfft und
Regiment, Und solches yrthumbs und
bossheit ym volck wird dem Luther alles schuld gegeben und mus “die frucht meines Euangelij” heissen, gleich wie
ich auch mus der auffrur3 schuld tragen
und alles4, was itzt boeses geschicht ynn der gantzen welt, so sie es doch wol anders wissen. Aber Gott und seinem wort
zu widder stellen sie sich als wusten
sie es nicht anders und suechen ursachen, den heiligen geist und oeffentliche bekandte warheit zu lestern,
auff das sie ia die helle wol verdienen
und nymer mehr rew und vergebunge yhrer sunden erlangen.
Derhalben mir not sein wil von der
sachen zuschreiben auch umb mein selbs
und des Euangelij willen, uns zu entschuldigen: nicht bey den lesterern (welche solten mir nicht gut gnug sein, das
ich mich mit einem wort gegen
[ 3 zů Hessen G 6 Fuerst DE 8
Turcken DEF darzů H dar zu I
9 Turck DEF nahen H kumbt G 10 solichs G
freuende H 11 deudscheu DE 12
muesse DFE müsse H Turcken DEF 14
wetlich H deudsch DE Deudsch I 15
wuest DE Tewffel H 16 Turcken DEFH 19 welt] welt welt F 21 wuesten DEI suchen DEFHI süchen G vrsacher G 22 bekante H]
[Seite 108]
sie entschuldigen wolt. Denn das Euangelion
sol bey yhn stincken und ein [2. Kor. 2,
16] geruch des todes sein zum tode, wie sie mit yhrem mutwilligen lestern
verdienen), sondern das die unschuldigen
gewissen nicht weiter durch solche lester
meuler betrogen werden und argwohn von mir odder meiner lere
schepffen, odder auch dahin verfurt
werden das sie gleuben, Man muesse nicht widder
die Tuercken streiten. Jch habs aber fur gut angesehen solch buechlin
unter E. F. G. als eines beruembten
mechtigen Fuerstens namen aus zulassen, damit
es deste ein besser ansehen gewuenne und deste vleissiger gelesen
wuerde, obs ein mal dazu keme, das man
von eym zug widder den Tuerken handeln wuerde,
die Fuersten und herrn eine gemeine erynnerunge hetten. Denn ich
willens bin1, etliche stuecke drinnen
anzuzeigen, die wol zubedencken sein werden und
daran macht gelegen sein wird. Befelh hie mit E. F. G. unserm
barmhertzigen Gott ynn seine veterliche
gnad und hulde, das er E. F. G. fur allem
yrthum und list des Teuffels behueete und seliglich zu regiern erleuchte
und stercke. Amen. Am neunden Octobris.
1. 5. 2 8.
E. F. G.
Williger Martinus
Luther.
[Bl. Aiij] Bapst Leo der zehende ynn
seiner Bullen, darynn er mich verbannet,
unter andern artickeln verdammet er auch diesen das ich gesagt hatte: Widder den Tůrcken
streiten ist eben so viel als Gott widder
streben, der mit solcher ruten unser suende heimsucht.2 Aus solchem artickel muegen genomen haben, die von mir sagen das
ich weren und widder raten solle,
zustreiten widder den Tuercken. Jch bekenne noch frey das solcher artickel mein sey und zu der zeit von mir gesetzt und
verteidingt, Und wo es itzt ynn der welt
stuende wie es dazumal stund, so wolt und must ich den selbigen noch itzt setzen und verteydingen. Es ist
aber nicht fein, das man so wol
vergessen hat, wie es dazu mal stund ynn der welt und was mein
grund und ursachen war, und behelt
gleich wol meine wort und zeuhet sie anderswo
[ 2 geruch] ruch H 4 oder FI mein G
schoepffen H 6 Turcken DE 7 Fürstenn H 9 einem I Turcken DEF 11 drynne FH
werden fehlt I 12 Befel DE 14 behuete HI 20 ander I verdamnet I 21 hette G
Turcken DEF Tůrckē H 22 sunde DEF 24 Turcken DE 26 dem selbigen G 29
Vrsach I zeuchet I]
[Seite 109]
hin, da solche ursachen und grund nicht ist.
Wer kund mit solcher kunst nicht auch
aus dem Euangelio eitel luegen machen odder furgeben, Es were widder sich selbs?
So stunds aber dazu mal: Es hatte
niemand geleret noch gehoeret, wuste
auch niemand etwas von der weltlichen oeberkeit, woher sie keme, was
yhr ampt odder werck were odder wie sie
Gott dienen solt. Die aller gelertesten
(wil sie nicht nennen) hielten die weltliche oeberkeit fur ein heidenisch,
menschlich, ungoetlich ding, als were es
ein ferlicher stand zur seligkeit. Daher hatten
auch die Pfaffen und Muenche Koenige und Fuersten so eingetrieben und
uberredet, das sie ander werck fur sich
namen Gott zu dienen, als mess hoeren,
beten, mess stifften &c.. Summa: Fuersten und herrn (so gern frum
gewesen weren) hielten yhren stand und
ampt fur nichts und fur keinen Gotts dienst,
wurden rechte pfaffen und muenche, on das sie nicht platten noch
kappen trugen. Wolten sie Gott dienen,
so musten sie ynn die kirchen. Solchs
muessen mir bezeugen alle herrn so dazu mal gelebt und solchs erfaren
haben, Denn mein Gnedigster herr,
Hertzog1 Friderich seliger gedechtnis, ward so fro, da ich zu erst von weltlicher Oberickeit
schreib2, das er solch Buechlin lies
abschreiben3, sonderlich einbinden und seer lieb hatte, das er auch
mocht sehen was sein stand were fur
Gott.
Also war dazumal der Bapst und die
geistlichen alles ynn allen, uber allen
und durch alle wie ein Gott ynn der welt, und lag die weltliche oeberkeit ym finstern, verdruckt und unbekand.4 Nu wolt
der Bapst gleichwol Christen sein mit
seinem hauffen und gab doch fur, zu kriegen widder den Tuercken. Uber den zwey stuecken hub sichs,
denn ich erbeitet5 dazumal ynn der lere
so die Christen und gewissen betraff, hatte auch selbs noch nichts von der weltlichen oeberkeit geschrieben,
also das mich die Papisten einen
heuchler der Fuersten scholten6, weil ich allein von geistlichem stande
handelt, wie sie Christen sein musten,
und nichts von dem weltlichen, gleich wie sie
[ 1 vrsache I 2 auch fehlt DE Euangenlio F 4 do zumal H hat G 6 gelersten GI 7 weltlichen G 11
from̄ H 13
wůrden H noch] vnd H 15
solchs fehlt FH 16 gnedister H 17 Oberkeit DEFI Oberkeyt G oberkayt H 18
sunderlich H hete G 20 ward DE 21 durch allen ABCDEFGHI 22 vnbekant DEG 23
Christen] ein Christ G 24 Turcken DEF
stucken DE arbaytet H 25
hett G 27 schalten H vom
Geistlichen I]
[Seite 110]
mich nu auffrurisch schelten, nach dem ich von
der weltlichen oeberkeit also herlich
und nuetzlich geschrieben habe, als nie kein lerer gethan hat, sint der Apostel zeit1 (Es were denn S. Augustin): des
ich mich mit gutem gewissen und mit
zeugnis der welt rhuemen mag.
Unter den stůcken aber
Christlicher lere handelt ich auch das, da Christus [Matth. 5,39 f.] Matthei spricht, Ein Christ
solle dem ubel nicht widderstreben sondern alles leiden, den rock dem mantel nach faren und
nemen lassen, den an-[Bl. A 4]dern
backen auch herhalten &c.. Aus welchen stuecken der Bapst mit seinen
hohen schulen und kloestern hatten einen
freyen rat gemacht, das nicht gepoten were
noch not zu halten einem Christen, hatten also Christus wort verkeret
und ynn aller welt felschlich geleret
und die Christen betrogen. Weil sie denn
Christen, ia die besten Christen sein wolten und gleich wol widder den
Tuercken streiten, kein ubels tragen
noch gewalt odder unrecht leiden, hielt ich mit
diesem spruch Christi widder, das Christen sollen dem ubel nicht widder
streben sondern alles leiden und gehen
lassen, darauff satzt ich den artickel den der
Bapst Leo verdampt hat. Und thet solchs so viel deste lieber, das ich der Roemischen bueberey den schalckdeckel neme.
Denn die Bepste hattens nie mit ernst
ym synn, das sie widder den Tuercken
kriegen wolten, sondern brauchten des Tuerckischen krieges zum huetlin2, darunter sie spieleten und das gelt mit ablas
aus deuschen landen raubeten so offt sie
es gelustet, wie das alle welt wol wuste, aber nu auch vergessen ist. Also verdampten sie meinem artickel
nicht darumb das er dem Tuerckischen
krieg weret, sondern das er solch helekepplin3 abreis und dem geld gen
Rom die strasse legt.4 Denn wo sie mit
ernst hetten wellen kriegen widder den
Tuercken, hatte der Bapst und die Cardinel wol so viel von den
pallijs, annaten und anderm unseglichem
zugang, das sie solcher schinderey und
raubens ynn deudschen landen nicht bedurfft hetten. Were einfeltiger5
meynung
[ 2 und nuetzlich fehlt H sind DEI 4 vnd zeugnis H 5 da] das G 6
Matth. FH Matthei 5. I sprigt
H soll G 8 stucken DE Stuecken I 9
hetten G 10 hetten G 11 felchlich F 12 Turcken DEF 16 solchs vil G 18 Pepst
hettens G 19 Turcken DEF Trücken H
brauchen I Turckisschen DEF
20 deudschen F Teutschen G Tewtschē H Deudschen- || landen I 21 geluestet
DEGI 22 Turckischen DEF 23 hele kepplen H 23/24 Rom den weg verlegt H 24
straffe l 25 Turcken DEFH hat G
hette H den fehlt I 26 andern DE
27 in Deudschenlanden I]
[Seite 111]
ein ernster krieg fur handen gewest, Jch hette
meinen artickel wol besser und
unterschiedlich koennen eraus putzen.
So gefiel mir das auch nicht, das man
so treib, hetzt und reitzt die Christen
und die Fursten, den Tuercken anzugreiffen und zu uberzihen, ehe denn wir selbs uns besserten und als die
rechten Christen lebeten, Welche alle
beide stueck und ein iglichs ynn sonderheit gnugsam ursach ist, allen krieg zu widderraten. Denn das wil ich keinem
heiden noch Tuercken raten, schweigedenn
eym Christen, das sie angreiffen odder krieg anfahen (welchs ist
nichts anders denn zu blut vergissen und
zu verderben raten), da doch endlich kein
glueck bey ist, wie ich auch yn buechlin von kriegsleuten geschrieben
habe.1 So gelinget es auch nymer nicht
wol, wenn ein bube den andern straffen und
nicht zuvor selbs frum werden wil.
Aber uber alles bewegte mich, das man
unter Christlichem namen widder den
Tuercken zu streiten fuer nam, leret und reitzet, gerade als solte unser volck ein heer der Christen heissen
widder die Tuercken als widder Christus
feinde, Welchs ist stracks widder Christus lere und namen. Widder [Matth. 5, 39] die lere ists, da er spricht,
Christen sollen dem ubel nicht widder streben,
nicht streiten noch zancken, nicht rechen noch rechten. Widder seinen
namen ists, das ynn solchem heer
villeicht kaum funff Christen sind und villeicht erger leute fur Gott denn die Tuercken, und
wollen dennoch alle den namen Christi
fueren, Welchs ist denn die aller groesseste suende, so kein Tuercke thut. Denn es wird Christus name zu suenden und
schanden gebraucht und geunehret, Welchs
denn gar sonderlich geschehe, wo der Bapst und die Bisschoffe mit ym kriege weren, denn die selbigen wurden den
namen Christi alzu hoch schenden und
unehren damit, das sie beruffen sind, mit Gotts wort und gebet widder den teuffel zu streiten Und liessen solchen
beruff und ampt anstehen und wolten mit
dem schwerd widder fleisch und [Bl. B̄ 1] blut fechten, welchs yhn nicht befolen sondern auch verbotten ist.
O wie frolich solt mich Christus am
Juengsten gericht empfangen, wenn ich,
als zum geistlichen Ampt gefoddert (das ich predigen und der seelen
pflegen solte) solchs hette lassen liegen
und dafůr mich kriegens und weltlichs schwerds geulissen. Und wie solt Christus dazu komen,
das er odder die seinen mit dem schwerd
zu thun solt haben, kriegen und die leibe toedten, so er doch sich
[ 2 buetzen I 3 treibt DE 4 Turcken DEH
6 alle fehlt H yedlichs G 7
Turcken DE 8 einem I oder DE 9
vergiessen DEFH 10 krigsleuten F 12 zuuorn I from HI 14 Turcken DE fur DEF 15 den Tuercken H Turckē DE 16 Wider DE 18 nocht
rechten I 20 Turcken DE 21 groeste GH
sunde DEF Turcke DE 22
namen FH sunden DEF und (1.) fehlt I chanden DE 23 Bischoue I 24 wůrden
H 27 wollē H dem fehlt I wyders H 28 befolhen BEFI befolhē
H 29 froelich BEI 31 ligen FHI
dafur BEF darfuer I weltlich F]
[Seite 112]
[Joh. 3, 17] rhuemet, Er sey daruemb komen,
das er die welt selig mache, nicht das er die
leute toedte? Denn sein Ampt ist mit dem Euangelio handeln und durch seinen geist den menschen von den sunden und
von dem tode zu erloesen, Ja [Joh. 6,
15] von dieser welt zum ewigen leben helffen. Denn Johannis. 6. floch er
und [Joh. 18, 36] wolt sich nicht lassen
zum koenige machen. Fur Pilato bekand er: Mein
reich ist nicht von dieser welt, Und hies auch Petrum ym garten sein schwerd
[7, 8] [Matth. 26, 52] einstecken und sprach: Wer das schwerd nympt, der sol
durchs schwerd umbkomen.
Das sage ich nicht daruemb das ich
damit wolt geleret haben, das weltliche
Obirkeit nicht solt muegen Christen seyn odder ein Christ nicht
mocht das schwerd fueren und ynn
weltlicher Obirkeit Gott dienen. Wolt Gott, sie
weren alle Christen odder das sonst kein Fuerst seyn mueste, er were
denn Christen: Es solt wol besser stehen
denn es ytzt stehet und der Tuercke solt
nicht so mechtig worden seyn. Sondern ich wil die Ampt und beruff
eigentlich unterscheiden und gesondert
haben, das ein iglicher sol darauff sehen, wo
zu er von Gott beruffen ist und dem selbigen Ampt trewlich und
hertzlich, Gott zu dienst, folge und
gnug thu (wie ich davon uberfluessig anders wo,
sonderlich ym buechlin von kriegsleuten und von weltlicher Obirkeit1
geschrieben habe). Denn so Paulus auch
ynn der Kirchen, da doch eitel Christen seyn
sollen, nicht leyden wil, das ein iglicher sich des andern Ampt unter
winde [Röm. 12, 4, 1. Kor. 12, 27 ff.]
Rom. 12 und .1. Corinth. 12., sondern ein iglich gelied zu seinem werck
vermanet, das nicht ein unordnung sich
erhebe sondern alles fein ordenlich zugehe:
Wie viel weniger ist zu leyden die unordnung, das ein Christ sein Ampt lasse und neme eins andern weltlich Ampt
an sich, odder das ein Bisschoff odder
Pfarher sein Ampt lasse und neme eins Fuersten odder Richters Ampt an? Und widderumb ein Fuerst neme eins
Bisschoffs Ampt an sich und lasse sein
Fuersten Ampt anstehen, wie denn solche schendliche unordnung noch heuetiges tages ym gantzen Bapstum tobet
und waltet widder yhr eigen Canones und
recht.2
[ 1 rhoemet H 2 handlen I 4 Johan. FH
Joh. I .6.] am .6. BE Floh I 9 darumb BEF darūb H 10
Oberkeit BEFI Oberkeyt G Oberkait H 11 Oberkeit FI Obrikeyt G oberkait H 12
muste BE 15 yedlicher G 17 thu] thun ABCDEFGI thuen H 18 sonderlich fehlt
I Oberkeit BEFI oberckeyt G
Oberkait H 19 S. Paulus I seien I
20 yedlicher G 21 Corint. BE
yedlich G 22 ordentlich I 27 schendlich F schendtliche H 28 Bapst thumb
H 29 Conones H]
[Seite 113]
Man frage die erfarunge, wie wol uns bis her
gelungen sey mit dem Tuercken krieg, so
wir als Christen und unter Christus namen gestritten haben, bis das wir zu letzt Rodis und schier gantz
Hungern und viel vom Deudschen land dazu
verloren haben. Und auff das man spueren und greiffen mocht, das Gott nicht bey uns sey widder die Tuercken
zu streitten, hat er unsern Fuersten nie
so viel muts odder geists ynn synn gegeben, das sie ein mal mit ernst hetten muegen vom Tuercken krieg
handeln: ob wol fast viel odder schier
alle Reichstage umb solcher [Bl. B ij] sachen willen sind ausgeruffen
und gehalten worden, Es wil sich nirgend
schliessen noch schicken, Das es scheinet
als spotte Gott unser Reichstage und lasse den Teueffel die selbigen
hindern und meistern, bis der Tuercke
mit guter weile herzu grase1 und also Deudsch
land on muehe und on widderstand verderbe. Warumb geschicht das?
freilich daruemb, das mein artickel den
Bapst Leo verdampt hat, unverdampt, sondern
krefftig bleibe.2 Und weil den selbigen die Papisten on schrifft aus
mutwillen verwerffen, mus der Tuercke
sich des annemen und den selbigen mit der faust
und mit der that bestettigen. Wollen wir es nicht aus der schrifft
lernen, so mus uns der Tuerck aus der
scheiden leren bis wirs erfaren mit schaden,
[Matth. 5, 39] das Christen nicht sollen kriegen noch dem ubel widder
stehen: Narren mus man mit kolben
lausen.3
Wie viel meinstu sind wol der kriege
gewest widder den Tuercken, darynn wir
nicht grossen schaden empfangen haben, wenn die Bisschoff und geistlichen sind da bey gewest? Wie iemerlich
ward der feine koenig Lasla4 zu Varna
mit seinen Bisschofen vom Tuercken geschlagen, das solch ungluck
[ 2 Turcken BEF 3/4 Deudschenland I 5
Turcken BEFH 6 muts G 7 moegen H
Turcken BEH 11 Turcke BEFH 12 an můhe G 13 darumb BEFHI 15 Turcke
BE Turck H 18/19 mueß mon H 20 viel] wiel BE Turcken BEFH 21 Bischoue I 23 Bischouen
I Turcken BEFH solich G vnglueck BEFI vngkuck H]
[Seite 114]
auch die Hungern selbs dem Cardinal Juliano1
schult gaben und drumb erstachen. Und
itzt newlich der Koenig Ludwig solt vieleicht gluegseliger gestritten haben, wo er nicht ein Pfaffenheer odder (wie
sie rhuemen) ein Christenheer gefurt
hette widder den Tuercken.2 Und wenn ich Keyser, Koenig odder Fuerst were, ym zug widder den Tuercken wolt ich
meine Bisschoff und Pfaffen vermanen,
das sie daheymen blieben, yhrs Amts mit beten, fasten, lesen,
predigen und armer leute warteten, wie
sie nicht alleine die heilige schrifft, sondern
auch yhr eigen geistlich recht leret und foddert. Wo sie aber darueber
als die ungehorsamen widder Gott und yhr
eigen recht wolten ia mit ym kriege seyn,
wolt ich sie mit der gewalt leren yhres Ampts warten und mich sampt
meim heer nicht also durch yhren
ungehorsam ynn Gottes zorn und alle fahr setzen
lassen. Denn es solt mir unschedlicher seyn drey teueffel ym heer haben,
denn einen ungehorsamen, abtruenigen
Bisschoff, der seines Ampts vergesse und eins
unbefolhens sich unter wuende. Denn es kan kein gluecke seyn bey
solchen leuten, die Gott und yhren eigen
rechten widderfechten.3
Jch hab von feinen kriegs leuten
gehoeret die da meineten, der Koenig von
Franckreich, da er fuer Pavia geschlagen und gefangen ward vom Keyser, hab alle sein unglueck daher gehabt, das er
des Bapsts odder (wie sie rhuemen) der
Kirchen volck bey sich hatte, denn nach dem dasselbige ynn sein lager kam mit grossem geschrey ‘Ecclesia, Ecclesia: Hie
Kirche, Hie Kirche’ sey hynfuert kein
glueck mehr da gewesen. Solchs sagen die kriegsleut und wissen villeicht die ursachen nicht, das dem Bapst (als der
ein Christ, ia der uberst und beste
Christen prediger seyn wil) nicht gepuert ein kirchen heer odder
Christen heer zu fueren, denn die Kirche
sol nicht streitten noch mit dem schwerd fechten. Sie hat ander feinde denn fleisch und blut,
welche heissen die boesen teueffel ynn
der lufft, daruemb hat sie auch ander waffen und schwerd und ander kriege, damit sie zu schaffen gnug hat, darff
sich ynn des Keysers odder [1. Sam. 12,
15] Fuersten kriege nicht mengen. Denn die schrifft sagt, Es solle kein glueck da [Bl. Biij] seyn, wo man Gott ungehorsam
ist.
[ 1 selbst H schuldt H darumb H 2 glueckseliger BEGH 4 Turcken
BEF 5 Turcken BEF Bischoue I 7
warten HI 10 mich] mit I 12 dann G 14 vnbefohlens I 19 hette G 20 hynfurt BEF
hyn furt H hinfurt I 22 oeberst GH 24 kirchen G 25 andere FH 26 darumb BEFH 28
Fuersten-|kriege I]
[Seite 115]
Widderumb wenn ich ein kriegs man were und
sehe zu felde ein Pfaffenodder creuetz
pannier, wenns gleich ein crucifix selbs were, so wolt ich davon lauffen als iagt mich der Teueffel. Und ob
sie gleich einen sieg gewoennen durch
Gottes verhengnis, wolt ich doch der ausbeute und freuden nicht
teylhafftig seyn. Wolt es doch dem bosen
eysenfresser1 Bapst Julius nicht
gelingen, welcher schier ein halber teueffel war: Er muste zu letzt
Keyser Maximiliam anruffen und den selbigen
lassen des spiels walten, ungeacht ob
Julius mehr gelt, waffen und volck hatte. So meine ich ia, Es habe
diesem nehesten Bapst Clemen2 sein
kriegen fast wol gelungen, welchen man doch
schier fur einen kriegs Got hielt so lange, bis er Rom mit allem gut
durch wenig und ungerust kriegs volck
verlor. Es ist beschlossen3, Christus wil sie
meinen artickel leren verstehen, das Christen nicht kriegen sollen Und
der verdampte artickel mus sich also
rechen, denn er ist von den Christen gesagt und
wil unverdampt, sondern4 recht und warhafftig seyn, wie wol sie sich
nicht dran keren noch das gleuben, bis
das sie verstockt und unpusfertig ymer mehr
und mehr anlauffen und zu druemern gehen: da sprech ich Amen zu. Amen.
War ists: weil sie weltliche heerschafft
und gueter haben, sollen sie daselbst
von dem Keyser und koenigen odder Fuersten thun und geben, was sich gebuert von andern weltlichen guetern zu thun
und zu geben. Ja solche gueter der
kirchen (wie sie es nennen) sollen sonderlich fur allen andern guetern
dienen und helffen zum schutz der
duerfftigen und zu heyl gemeiner stende, denn da zu sind sie gegeben und nicht dazu, das ein
Bisschoff seins Ampts vergesse und damit
kriege odder streite. Wenn Keyser Karolus panier odder eins Fuersten zu felde ist, da lauffe ein iglicher frisch
und froelich unter sein panier, da er
unter geschworn ist, wie hernach weiter gesagt wird. Jst aber ein
Bisschoffs, Cardinals odder Bapsts panir
da, so lauff davon und sprich: Jch kenne der
muentze nicht.5 Wenns ein betbuch were odder die heilige schrifft ynn
der kirchen gepredigt, wolt ich auch wol
zu lauffen etc.
[ 3 gewuennen BE 4 freunden I 6 letzte
F letze H 8 Julianus I hette G 9
nechsten G Clemēt GH Clemens
I 11 kriegs volck] volck kriegß G 12 mein G 15 daran G 16 drůmmer H 17
wetlich H herrschafft G 18 daselbs
von G sich] sichs I 19 guettern
fehlt I und zu geben fehlt I 20
sollen fehlt I 21 gemener A 26 odder fehlt H Bepsts F panier FI 28 etc. fehlt H]
[Seite 116]
Ehe ich nu vermane odder reytze widder den
Tuercken zu streiten, so hoere mir doch
zu umb Gottes willen, Jch wil dich zuvor leren mit rechtem gewissen kriegen. Denn wie wol ich mocht (wo
ich den Adam wolt lassen gehen) still
schweigen und zu sehen, wie mich der Tuercke widder die Tyrannen (so das Euangelion verfolgen und mir alles
leyd anlegen) rechete und sie bezalete,
so wil ich doch nicht also thun, sondern beyde freuenden und feinden [Matth. 5, 45] dienen, das meine Sonne auch
auffgehe beyde uber boese und gute, und regene
uber danckbare und undanckbare.
Auffs erste weil das gewis ist, das der
Tuercke gar kein recht noch befelh hat
streit an zufahen und die lender anzugreiffen, die nicht sein sind, ist
freylich sein kriegen ein lauter frevel
und reuberey, dadurch Gott die welt strafft,
wie er sonst manch mal durch boese buben auch zu weilen frume leute
straffet. Denn er streit nicht aus not
odder sein land ym fride zu schutzen, als ein
ordenlich Obirkeit thut, sondern er suecht ander land zu rauben und
zubeschedigen, die yhm doch nichts thun
odder gethan haben, wie ein [Bl. B iiij]
meer reuber odder strassen reuber. Er ist Gottes rute und des Teueffels diener, das hat keinen zweifel.
Zum andern mus man wissen wer der man
seyn sol, der widder den Tuercken
kriegen sol, auff das der selbige gewis sey, das ers befelh habe von Gott und recht dran thu, nicht hineyn plumpe
sich selbs zu rechen odder sonst eine
tolle meynung und ursachen habe, Auff das er, ob er schluge odder geschlagen wurde ynn seligem stande und
Goettlichem Ampt befunden werde. Der
selbigen menner sind zween und sollen auch allein zween seyn: Einer heist Christianus1, der ander Keyser Karolus.2
Christianus sol der erst sein mit seinem
heer.
Denn sintemal der Tuercke ist unsers
herr Gottes zornige rute und des
wuetenden Teueffels knecht, mus man zuvor fur allen dingen den Teueffel
selbs schlahen, seinen herrn, und Gotte
die rute aus der hand nemen, das also
der Tuercke fur sich selbs on des Teueffels huelffe und Gottes hand ynn
seiner macht alleine funden werde. Das
selbige sol nu thun Herr Christianus, das
ist der frumen heiligen lieben Christen hauffe, das sind die leute, so
zu diesem kriege gerust sind und wissen
damit umbzugehen. Denn wo nicht zuvor des
Tuercken Gott (das ist der Teueffel) geschlagen wird, ist zu besorgen,
der Tuercke werde nicht so leichtlich zu
schlahen sein. Nu ist der Teueffel ein geist, der
[ 1 steiten F 4 die] der I 6 beiden
I fruenden BE 7 Sonnen G 12 frome
I 13 schuetzen BEF 14 Oberkeit BEFI Oberkeyt G Oberkait H sucht BEFH 14/15 bescheddigen H 19
befehl I 21 das, ob ABCDEFGHI
schlueg H schluege I 22 Gottlichem BEF befunde werdē G 26 Turcke BEF des] das I 29 Turcke BEF hilffe H 31 fromen HI 33 Turcken
BEF Turcke BEFTücke H]
[Seite 117]
mit harnisch, buechsen, Ros und man nicht mag
geschlagen werden, Und Gottes [Ps. 33,
17 f.; 147, 10 f.] zorn sich damit auch nicht versuenen lest, wie geschrieben
stehet Psalm . 33: Er hat nicht lust an
der stercke des Rosses noch gefallen an yemands beynen. Der Herr hat gefallen an denen die yhn
fuerchten und die auff seine guete
warten. Christliche waffen und krafft mus es thun.
Hie fragestu: Wer sind denn die
Christen Und wo findet man sie? Antwort:
Wenig ist der selbigen, Aber doch sind sie allenthalben, ob sie gleich duenne stehen1 und weit von einander
wonen, beyde unter frumen und boesen
Fuersten. Denn es mus die Christenheit bleiben bis ans ende, wie der artickel laut ‘Jch gleube eine heilige
Christliche kirche’, Also mus man sie
aber finden. Die Pfarher und prediger sollen ein iglicher sein volck
auffs aller vleyssigst vermanen zur
busse und zum gebet. Die busse sollen sie treiben mit anzeigen unser grossen unzelichen sunde
und undanckbarkeit, da durch wir Gottes
zorn und ungnade verdienet, das er uns dem Teueffel und Tuercken billich ynn die hende gibt. Und auff das
solche predigt deste stercker eingehe, mus
man die Exempel und sprueche der schrifft einfueren2, als von der sintflut,
von Sodom und Gomorren, von den kindern
Jsrael und wie greulich und manich mal
Gott die welt, land und leute gestrafft hat, und wol austreichen wie es nicht wunder3 sey, so wir wol schwerer denn
ihene sundigen, ob wir auch erger denn
sie gestrafft werden.
Es mus werlich dieser streit an der
busse angefangen seyn und muessen unser
wesen bessern odder wir werden umbsonst streiten, wie der Prophet [Jer. 18, 7 f.] Heremias sagt am .xviij.
Capittel: Jch rede gar bald widder ein volck und widder ein Koenigreich das ichs aus wurtzele,
zustore und zerstrewte. Wo aber solches
volck seine bosheit rewet da widder ich rede, So sol mich auch rewen [Jer. 18, 9 ff.] das ubel das ich yhm gedacht
zu thun. [Bl. C j] Widderumb: Bald rede ich
von eim volck und Koenigreich das ichs pflantze und erbawe. Wo es
aber boeses thut fuer meinen augen und
hoeret meine stymme nicht, so sol mich
[ 1 buechschen ABCDE 2 Psalm .147. I 3
Rossz H 5 warten] hoffen I 6 fragest du H 8 fromen H 9 Fursten BEF 13 anzaigung
H 14 Turcken BEF 15 predig H
dester G 16 einfuren BEF 17 manch BE manig H 23 Hieremias BEFGH gar bald] plotzlich I 23/24 vnd
Koenigreich I 24 zustoere F
zůstoere H 24/25 ichs ausrotten, zerbrechen vnd verderben wolle, Wo
sichs aber bekeret, von seiner boesheit, da wider I 25 wider BE 26 Widderumb:
Bald] Vnd plotzlich I 27 einem H
das ich bawen vnd pflantzen wolle, So es I 28 fur BEFI vor H Augen, das es meiner Stimme nicht
gehorchet, So sol mich auch I]
[Seite 118]
rewen das gute das ich yhm geredte zuthun.
Daruemb sage den von Juda und den zu
Jerusalem und sprich: Sehet ich bereite ein unglueck uber euch und gedencke etwas widder euch. Bekere sich
nu ein iglicher von seinem boesen wesen
und schigket ewer wesen und ewer thun recht etc. Diesen spruch muegen wir uns warlich lassen gesagt sein, Denn Got
denckt widder uns etwas boeses umb unser
boesheit willen und bereitet den Tuercken gewislich widder uns, wie [Ps. 7, 13 ff.] der .7. Psalm auch sagt: Wil
man sich nicht bekeren, so hat er sein schwerd
gewetzt und seinen bogen gespannen1 und zielet und hat toedlich geschos
drauff gelegt etc.
Hie bey mus man denn fueren auch die
sprueche und Exempel der schrifft, da
sich Gott lest vernemen, wie wol yhm gefelt rechte rew odder besserung, so die ym glauben und trawen auff sein wort
geschicht, als ym Alten Testament dere
zu Ninive, der koenige David, Ahab, Manasse und der gleichen, Jm Newen .S. Peters, des Schechers, des Zoelners ym
Euangelio und so fort an. Und wie wol ich
weis, das diese meine unterricht den hochgelerten und heiligen, so keiner busse beduerffen, lecherlich sein
wird, als die es fuer schlecht und gemein
ding achten, das sie lengest an den schuhen zu rissen haben: So hab ichs
doch nicht wollen lassen umb mein und
meins gleichen armer sunder willen, welche
teglich hoch beduerffen beide der busse und vermanung zur busse. Wir
bleiben [Luk. 15, 7] dennoch leider
allzu faul und lass und sind noch nicht mit ihenen neun und neuntzig gerechten so fern uber den berg
komen2 als sie sich lassen duencken.
Darnach wenn sie also gelert und
vermanet sind yhr sunde zubekennen und
sich zu bessern, sol man sie als denn auch mit hohem vleis zum gebet vermanen und anzeigen, wie Gott solch gebet
gefalle, wie ers geboten und erhoerung
verheissen hat. Und das ia niemand sein gebet verachte, odder dran zweiffel, sondern mit festem glauben gewis
sey der erhoerunge, wie das alles ynn
vielen buechlin von uns ist dargegeben. Denn wer da zweiffelt odder auff ebenteuer3 bettet, da were besser er
lies es anstehen, weil solch gebet eitel
Gottes versuchen ist und die sache nur erger macht. Darumb ich auch
die Procession als ein Heidnische
unnuetze weise wolt widder raten haben, Denn
[ 1 geredte] verheissen hatte I Darumb BEFH 1/3 So sprich nu zu denen
in Juda, vnd zu den Buergern zu Jerusalem, so spricht der HERR, Sihe, Jch
bereite auch ein vnglueck vber euch vnd habe gedancken wider euch, Darumb I 3
nu fehlt I 4 schicket GH vnd
bessert ewer wesen vnd thun &c.. I
vnd thun G moegen H 6
bossheit F boßhait H Turcken BEF 8
hat fehlt I darauff GH 10 vnd die
Exempel I 11 sich] sie G 12 die fehlt I
ym] yhm BE 14 Sant F 15 ichs weis I 17 doch fehlt H 19 der fehlt I 21
duencken lassen G 25 daran G 27 in vil G 28 ebentheur F abenttewr H da] ja da I]
[Seite 119]
es ist mehr ein geprenge und schein denn ein
gebet. Eben so rede ich auch von viel
Messe halten und heiligen anruffen. Das mocht aber etwas thun, so man, es were unter der Messe, Vesper odder
nach der predigt, ynn der Kirchen die
Letaney1 sonderlich das iunge volck singen odder lesen liesse, Und ein iglicher nicht deste weiniger daheym bey
sich selbs ymer dar, zum wenigsten ym
hertzen, seufftzet zu Christo umb gnade zum bessern leben und umb huelffe widder den Tuercken. Nicht sage ich von viel
langem gevet, sondern von offtem2 und
kurtzem seufftzen mit solch eim odder zwey wort: ‘Ach hilff uns lieber Gott Vater, Erbarm dich unser lieber
Herr Jhesu Christe’ odder der gleichen.
Sihe solche predigt werden wol Christen
treffen und finden Und Christen werden
da seyn, die sie annemen und darnach thun —Ligt nichts dran, ob du [Bl. Cij] sie nicht kennest. Die Tyrannen
und Bisschoff mag man auch vermanen, das
sie von yhrem toeben und verfolgen widder das wort Gottes lassen und unser gebet nicht hindern. Wo sie
aber nicht ablassen, muessen wir gleich
wol unser gebet nicht nach lassen Und dahyn setzen und wagen, das sie unsers gebets geniessen und sampt uns
erhalten werden, odder wir yhrs toebens
entgelten und sampt yhn verderbet werden. Denn sie sind wol so verkeret und verblendet, Wenn Gott glueck
widder den Tuercken gebe, das sie es
yhrer heiligkeit und verdienst solten zuschreiben und widder uns
rhůmen. Widderumb Wo es ubel
geriete, solten sie es freylich niemand denn uns zu schreiben und die schuld auff uns legen,
unangesen yhr schendlichs, offenberlich
sundlich, boeses wesen, das sie nicht alleine furen, sondern auch dazu
verteydingen, und nicht ein einig stueck
recht leren koennen, wie man beten sol,
und wol erger denn die Turcken sind. Wolan, das mus man Gottes
gericht lassen heymkomen.3
Jn solcher vermanung zum gebet mus man
auch der schrifft sprueche und Exempel
einfuren, darynn man findet, wie starck und mechtig zu weilen [Jak. 5, 17] eines menschen gebet ist
gewesen, als Elias gebet, Davon .S. Jacobus rhuemet Jtem Eliseus und ander Propheten, Der Koenige
David, Salomon, Assa, [1. Mose 18, 32]
Josaphat, Jesaias, Hesechias. etc. Jtem wie Gott Abraham verhies umb Fuenff gerechter willen verschonung des lands
Sodom und Gomorra etc. [Jak. 5, 16] Denn
eins gerechten gebet vermag viel (spricht S. Jacobus ynn seiner Epistel)
[ 2 anroeffen G 3 predig G 4 Litaney
I lessen I liessen H 5 weniger FGHI 6 besserm
I hilffe H 8 Ah I 11 predig G 13
Bischoue I man fehlt G 18 tobens
BEFHI und fehlt I 19 Turcken BEF
20 zue schryben H 22 vnangesehen GH 23 darzu G 23/24 verteydigen GH 24 einigs H
30 Koenig GH 31 Jesias ABCDEI 32 land F
landes I Sodoma H 33 Sant
F]
[Seite 120]
wenn es anhelt. Und hie bey ist anzuzeigen,
das sie sich fursehen und nicht GOTT
erzuernen, wo sie nicht beten wollen, und nicht ynn das urteyl fallen [Hes. 13, 5] Ezechiel .xiij. Da Gott also spricht:
Jhr habt euch nicht gegen mich gestellet
und habt euch nicht zur mauren gesetzt fur das haus Jsrael, auff das
yhr [Hes. 22, 30 f.] stundet widder den
streit ym tage des HERRN. Und .xxij: Jch sucht einen man unter yhn der eine mittelwand were und
stunde widder mich fur das land, das
ichs nicht verderbete, Aber ich fand keinen. Daruemb schuettet ich meinen zorn uber sie und verzeret sie ym
fewer meines grymmes Und bezalet sie,
wie sie verdienet hatten, spricht der HERR.
Hieraus sihet man wol das Gott haben
wil, und zuernet hefftig, wo man sich
nicht widder seinen zorn legt und yhm weret: Das heist (wie ich droben gesagt habe) die ruten aus der hand
Gottes nemen. Hie solt man fasten, wer
da fasten wolt, Hie solt man knyen, sich bucken und auff die erden fallen, da es ernst ist. Denn was
bisher ynn Stifften und Kloestern
buckens und knyens gewest ist, hat keinen ernst gehabt und ist ein recht affen spiel1 gewest, wie es auch
noch ist. Jch vermane nicht umbsonst die
Pfarhern und prediger das sie solchs ym volck wol treiben und uben, Denn ich sehe wol das2 warlich an den
predigern gantz und gar gelegen ist, so
sich das volck bessern odder beten sol. Mit dem predigen, so man den Luther schilt und lestert und daneben
busse sampt dem gebet lest anstehen,
wird wenig ausgericht sein. Wo aber Gottes wort klinget gehets nicht on frucht abe. Aber sie muessen
predigen als die den heiligen predigen,
da man [Bl. Ciij] busse und glaube gantz ausgelernet hat und etwas
hoehers schwetzem.
Zu solchem gebet widder den Turcken sol
nu bewegen uns die grosse not. Denn der
Tuercke (wie gesagt) ist ein diener des Teuffels, der nicht allein land und leute verderbet mit dem
schwerd (Welchs wir hernach hoeren
werden) sondern auch den Christlichen glauben und unsern lieben Herrn
Jhesu Christ verwuestet. Denn wie wol
ettlich sein regiment darynn loben, das er
yederman lest gleuben was man wil3, allein das er weltlich herr sein
wil, So ist doch solch lob nicht war.
Denn er lest warlich die Christen oeffentlich nicht zu samen komen Und mus auch niemand
oeffentlich Christum bekennen, noch
widder den Mahometh predigen odder leren. Was ist aber das fur eine freyheit des glaubens, da man Christum nicht
predigen noch bekennen mus, [Röm. 10,
10] so doch unser heyl ynn dem selbigen bekentnis stehet, wie Paulus sagt Ro.
10:
[
[Seite 121]
‘Mit dem munde bekennen macht selig’, Und
Christus gar hart befolhen hat sein
Euangelion zu bekennen und leren?
Weil denn nu der glaube mus schweigen
und heymlich sein unter solchem
wůsten wilden volck und ynn solchem scharffen grossen Regiment, wie
kan er zu letzt bestehen odder bleiben,
So es doch muehe und erbeit hat, wenn man
gleich auffs aller trewlichst und vleissigest predigt? Darumb gehets
auch also und mus also gehen: Was aus
den Christen ynn die Tuerckey gefangen oder sonst hinein komet, fellet alles dahyn und wird
aller ding Tuerckissch, das gar selten
[Joh. 6, 51] einer bleibt. Denn sie mangeln des lebendigen brodts der
seelen und sehe das frey fleischlich
wesen der Tuercken und muessen sich wol also zu yhn gesellen. Wie kan man aber mechtiger Christum
verstoeren denn mit diesen zweyen
stuecken, nemlich mit gewalt und list, Mit gewalt der predigt und dem
wort weren, Mit list boese ferlich
Exempel teglich fur augen stellen und zu sich
reitzen? Auff das wir nu unsern Herrn Christum, sein wort und
glauben nicht verlieren, muessen wir
widder den Tuercken nicht anders bitten, denn als widder andere feinde unser seligkeit und
alles guten, gleich als widder den
Teueffel selbs.
Und hie solt man dem volck nu anzeigen
alle das wůst leben und wesen, das
der Tuerck fueret, auff das sie die not zum gebet deste bas fuelen. Zwar mich hat offt verdrossen und verdreust noch,
das widder unser grossen herrn noch hoch
gelerten den vleis gethan haben, das man doch eigentlich und gewis hett erfaren muegen der Tuercken wesen ynn
beyderley stenden, geistlich und
weltlich1, und ist uns doch so gar nahe komen, Denn man sagt das sie
auch Stifft und Kloester haben. Es haben
ettlich gar ungeschwungen luegen von den
Tuercken ertichtet, uns Deuedschen widder sie zu reitzen. Aber es durfft der luegen nichts, Es ist der warheit allzu
viel da. Jch wil meinen lieben Christen,
so viel ich der gewissen warheit weis, ettlich stueck erzelen, damit sie deste bas bewegt und gereitzt werden uleissig
und mit ernst zu beten widder den feind
Christi yhres herrn.
Jch habe des Mahometes Alkoran etlich
stueck, welchs auff deudsch mocht
predigt- oder lerebuch2 heissen, wie [Bl. Ciiij] des Bapsts Decretal3
heist. Hab
[ 2 Euangelio H 4 wuesten BEFHI 5 lest
I 6 auch fehlt H 7 die] der I
Turckey BEF odder F 8
Turckissch BEF 10 Wessen I 11 verstueren I 12 predig G 17 Teyffel G 18 wueste
FHI 19 Turcke F 22 moegen H 25 getichtet H duerfft BE dorfft H 30 hab BE Mahomeths I 31 predig oder lere bauch
G gepredigt H]
[Seite 122]
ich zeit so mus ichs ia verdeudschen1, auff
das yderman sehe welch ein faul
schendlich buch es ist2: Erstlich so lobt er wol Christum und Mariam
fast seer, als die alleine on sunde
seyn, Aber doch helt er nichts mehr von yhm
denn als von eim heiligen Propheten, wie Heremias odder Jonas ist,
Verleugnet aber das er Gottes son und rechter
Gott ist. Dazu helt er auch nicht, das
Christus sey der welt heyland, fur unser sunde gestorben, sondern habe zu seiner zeit gepredigt und sein ampt
ausgericht fur seinem ende, gleich wie
ein ander Prophet. Aber sich selber lobt und hebt er hoch und rhuemet, wie er mit Gott und den Engeln geredt habe
und yhm befolhen sey die welt, nach dem
Christus Ampt nu aus ist, als eins Propheten, zu seinem glauben zu bringen und wo sie nicht wollen mit dem
schwerd zu bezwingen odder straffen, Und
ist das schwerd rhuemen viel drynnen.
Daher halten die Tuercken viel hoeher
und groesser von yhrem Mahomet denn von
Christo, Denn Christus Ampt habe ein ende Und Mahomeths Ampt sey itzt ym schwang. Daraus kan nu ein
iglicher wol mercken, das der Mahometh
ein verstoerer ist unsers Herrn Christi und seines reichs. Denn wer die stuecke an Christo verleugket, das er
Gottes son ist und fur uns gestorben sey
und noch itzt lebe und regire zur rechten Gottes: Was hat der mehr an Christo? Da ist Vater, Son, heiliger
geist, Tauffe, Sacrament, Euangelion,
glaube und alle Christliche lere und wesen dahin, Und ist an stat Christi nichts mehr, denn Mahometh mit seiner
lere von eigen wercken und sonderlich
vom schwerd: das ist das heubtstuecke des Tuerckisschen glaubens, darynn auff einem hauffen alle grewel, alle
yrthum, alle Teuffel auff einem hauffen
ligen.
Noch fellet die welt zu als schneyet3
es mit schuelern des Tuerckisschen
glaubens. Denn es gefelt der vernunfft aus der massen wol das
Chistus nicht Gott sey, wie die Juden
auch gleuben, Und sonderlich das werck, das
man herrschen und das schwerd furen und ynn der welt oben schweben
sol. Da scheubet denn der Teuffel zu.
Also ists ein glaube, zu samen geflickt aus
der Juden, Christen und Heiden glauben.4 Denn von den Christen hat er
das
[ 1 welch] wie H 2 wol fehlt I 4
Hieremias FGH Jeremias I 7 endt H 13 Turcken BEF Tuerchen G Mahomets F 17 verleugnet I 22
Turckisschen BEF 28 fueren BEI 29 ein] sein G 30 Jueden BEI]
[Seite 123]
er Christum und Mariam hoch lobt, auch die
Apostel und ander heiligen mehr. Von den
Juden haben sie das sie nicht wein trincken, etlich zeit des iars fasten, sich baden wie die Nasarei und auff
der erden essen, Und faren so daher auff
solchen heiligen wercken, wie unser Muenche eins teils und hoffen das ewige leben am Juengsten tage. Denn sie
gleuben dennoch die aufferstehung der
todten, das heilige volck, welchs doch wenig Papisten gleuben.
Welchem frumen Christlichem hertzen
wolt nu nicht grawen fur solchem feine
Christi, weil wir sehen das der Tuercke keinen artickel unsers glaubens stehen lest on den einigen von der todten
aufferstehung? Da ist Christus kein
Erloeser, Heiland, Koenig, kein vergebung der sunden, kein gnad doch heiliger geist. Und was sol ich viel sagen?
Jnn dem artickel ists alles verstoeret,
das Christus unter und geringer sol sein denn Mahometh. Wer wolt nicht lieber tod sein denn unter solchem
regiment leben1, da er seines Christus
schweigen und solch lesterung und grewel [Bl. D 1] widder yhn sehen und hoeren mus, Und reist doch so gewaltig
ein, wo er ein land gewinnet, das man
sich auch williglich drein gibt. Darumb bete wer da beten kan, das solcher grewel nicht unser herr werde und
wir nicht mit solcher schrecklichen rute
des Goettlichen zorns gestrafft werden.
Zum andern leret des Turcken Alkoran
odder glaube nicht allein den
Christlichen glauben verstoeren, sondern auch das gantz weltlich
Regiment. Denn sein Mahomet (wie gesagt
ist) befilhet mit dem schwerd zu walten,
und ist das meiste und furnemest werck ynn seinem Alkoran das
schwerd. Und ist also ynn der warheit
der Turck nichts denn ein rechter moerder odder
strassen reuber, wie denn auch die that fur augen beweiset. Andere
Koenigreiche [Ps. 76, 5] nennet .S.
Augustinus auch grosse reuberey, Da zu der .76. Psal nennet sie raubeberge2, Darumb das gar selten
ein keyserthum ist auff komen on raub,
gewalt und unrecht, odder wird yhe zum wenigsten durch boese leute [1. Mose 10, 9] offt mit eitel unrecht
eingenomen und besessen, das auch die schrifft Gen̄. 10. den ersten Fuersten auff erden, Nimrod, einen
mechtigen ieger nennet. Aber nie ist
keins der massen mit morden und rauben auff komen und so mechtig worden als des Turcken und noch so teglich
mordet und raubet. Denn es wird yhn ynn
yhrem gesetz gebotten als ein gut Goettlich werck das sie rauben, morden und ymer weiter umb sich fressen und
verderben sollen, wie sie denn auch thun
und meinen, sie thun Got einen dienst dran. Darumb ists nicht ein goetlich ordenliche oeberkeit wie andere,
den fride zu handhaben, die frumen
[ 3 baden, und wie ABCDEFGHI 4 ein
teils ABCDEFGI ein tayls H 6 welichs G 7 frommen H Christlichen H for solchen G 8 Turcke BEF 13 nit H 15
horen CF 17/18 Schrecklicher Rute Goettlichs zorns I 18 Gotlichen CF 24 beweysen
G 25 der 68. Psalm I 26 rawbperge H
Kayserthumb H 32 Gotlich CF 33 weiter fehlt H 35 Gotlich CF ordentlich I frommē H Fromen I]
[Seite 124]
zu schuetzen und die boesen zu straffen,
Sondern wie gesagt ein lauter Gotts
zorn, rute und straffe uber die ungleubige welt. Und dasselbige werck,
zu morden und rauben, gefelt on das dem
fleisch wol, das1 oben schwebe, ydermans
leib und gut unter sich werffe: Wie gar viel mehr mus es gefallen, wenn ein gebot dazu kompt, als wolle es Gott so
haben und gefalle yhm wol. Daher sind
auch die bey den Turcken fur die besten gehalten, so da vleys thun das Turckissch reich zu mehren und
ymer weiter umb sich rauben und worden.
Und solch stueck mus auch folgen aus
dem ersten stueck. Denn Christus [Joh.
8, 44] spricht Johan .8. Das der teuffel sey ein luegener und moerder: Mit der
luegen toedtet er die seelen, Mit dem
mord den leib. Wo er nu gewinnet mit der
luegen, da feyret und seuemet er nicht, Er folget mit dem mord hinnach.
Also da den Mahometh der luegen geist
besessen und der Teuffel durch seinen Alkoran
die seelen ermordet, den Christenglauben verstoeret hatte, muste er wol
fort und auch das schwerd nemen und die
leibe zu morden angreiffen. Und also ist
der Turckissche glaube nicht mit predigen und wunderwerck, sondern mit dem schwerd und morden so weit komen, Und ist
yhm warlich durch Gottes zorn gelungen,
Auff das (weil alle welt zum schwerd, rauben und mord lust hat) ein mal einer keme, der yhr mordens und
raubens gnug gebe.
Ja gemeiniglich alle Rottengeister,
wenn sie der luegengeist besessen und
vom rechten glauben verfuret hat, haben sie es nicht lassen koennen, sie
sind nach der luegen auch zum mord komen
und haben sich des [Bl. D ij] schwerds
unterwunden, als zum warzeichen das sie kinder weren des Vaters aller
luegen und mordes. Also lesen wir wie
die Arrianer zu moerder worden, das auch
der grossesten Bisschoff einer zu Alexandria, Lucius2 genant, die recht
gleubigen aus der stad vertreib und trat
yns schiff und hielt personlich3 ein blos schwerd ynn der hand, bis die rechtgleubigen alle
eingetretten waren und weg musten. Und
viel ander moerde begiengen sie, die zarten4 heiligen Bisschoffe, schon
bereit zu der zeit, welchs nu bey zwelff
hundert iaren ist.
Jtem was fur moerder gewest sind zu S.
Augustinus zeiten die Donatisten, zeigt
der selbige heilige Vater uberfluessig ynn seinen schrifften, welchs
[ 1 schutzen CF 2 vnglaubigē H 6
Tuercken CFI Türcken H 7 Tuerckisch CF Türckisch H Tuerckissch I 10 Das] Den̄ H 11 nu] nur G 13 do H 14
hette G 16 Tuerckissche CFI Türckische H 18 mordē H 19 yhr] jn G 21
rechtem I 24 am Rande: Arianer. I
wurdē G wůrden H 26 yns] in das G 28 Bischoue I 29 zwoelff H
30/31 am Rande: Donatisten. I]
[Seite 125]
auch bey eilff hundert iaren ist1: So gar
zeitlich huben die geistlichen an. Das
macht: sie waren wol mit namen und larven Bisschoffe unter den Christen, Aber weil sie von der warheit
gefallen, dem luegengeist unterthan
waren, musten sie vollend fort ynn seinem dienst und woelff und
moerder werden. Und was suchte Muntzer
itzt zu unsern zeiten, denn das er ein
newer Turckisscher Keyser wolt werden? Er war vom luegen geist besessen, darumb war da kein halten mehr, Er muste an
das ander werck des Teuffels auch, das
schwerd nemen, morden und rauben wie der mordgeist yhn treib, Und richt solch ein auffrur und iamer an.
Und was sol ich vom allerheiligisten
Vater Bapst sagen? Jsts nicht also, Sint
das er mit seinen Bisschofen welt herrn worden und vom Euangelio durch den luegengeist auff yhr eigen
menschlich lere gefallen sind, das sie
eitel mord getrieben haben bis auff diese stunde? Lies die Historien von
der selbigen zeit an, So findestu, wie
der Bepste und Bisschofe furnemest handel
gewest ist, Keiser, Koenige, Fursten, land und leute ynn ein ander zu
hetzen, dazu selbst auch kriegen und
helffen morden und blut vergiessen. Warumb?
Darumb, das der luegengeist nicht anders thut, denn nach dem er seine
iuenger zu luegen lerer und verfurer
gemacht hat, hat er nicht ruge, Er macht sie auch zu moerdern, reubern und bluthunden. Denn wer
hat yhn befolhen das schwerd zu furen,
kriegen, zu mord und krieg hetzen und reitzen, welche doch des predigens und betens warten solten?
Man schilt mich und die meinen
auffrurissch —Aber wenn hab ich yhe nach
dem schwerd getracht odder dazu gereitzt und nicht viel mehr fride und gehorsam geleret und gehalten, ausgenomen
das ich weltliche ordenliche oeberkeit
yhrs ampts, friden und gerechtigkeit zu handhaben unterricht [Matth. 7, 16] und vermanet habe? An den
fruechten solt man ia den baum kennen:
Jch und die meinen halten und leren friede, Der Bapst mit den
seinen kriegt, mordet, raubet nicht
allein seine widderwertigen, sondern brennet, verdampt und verfolget auch die unschuldigen, frumen,
rechtgleubigen, als ein rechter
Endechrist. Denn er thut solchs sitzend ym tempel Gottes als ein
[ 2 und fehlt H Bischoue I 5 Müntzer GH am Rande: Muntzer. I 6 Tuerckisscher
CFI Türckischer H 8 ouch CF morde
G 10 aller heyligsten H am Rande:
Bapstum. I 11 sein H Bischouen I
14 die Bepste I Bischoue I 15
Fuersten CFI Fürsten H 18 rhů H 19 und] vnd zů H 20 zu (2.) fehlt H
24 ordentliche I 25 jres amptes freyden vnd gerechtickeyt G 26 erkennē H
28 krieg G 29 fromen HI 30 sizend CF sitzen H]
[Seite 126]
heubt der kirchen, welchs der Tuerck nicht
thut. Aber wie der Bapst der Endechrist,
so ist der Tůrck der leibhafftige Teuffel. Widder alle beyde gehet unser und der Christenheit gebet: Sie sollen
auch hinuntern zur helle und solt es
gleich der iuengst tag thun1, welcher (ich [Bl. D iij] hoffe) nicht lange sein wird.
Summa wie gesagt ist: Wo der
luegengeist regirt, da ist der mordgeist
auch bey, Er kome zum werck odder werde verhindert. Wird er am
werck verhindert, so lacht, lobt und
frewet er sich doch, wenn der mord geschicht,
und bewilligt zum wenigsten drein, Denn er helt, es sey recht. Aber
frume Christen frewen sich keins mordes,
auch yhrer feinde unfalls nicht. Weil
denn nu des Mahometh Alkoran so ein grosser manchfeltiger luegen geist
ist, das er schier nichts lest bleiben
der Christlichen warheit: wie solt es anders folgen und ergehen, denn das er auch ein
grosser mechtiger2 moerder wuerde und
alles beides unter dem schein der warheit und gerechtigkeit? Wie nu die luegen verstoeret den geistlichen stand des
glaubens und der warheit, Also verstoeret
der mord alle weltliche ordnung, so von Gott eingesetzt ist. Denn
es ist nicht mueglich, wo morden und
rauben ynn ubung ist, das da ein feine
loebliche weltliche ordnung sey. Denn fur krieg und mord konnen sie
des friedes nicht achten noch gewarten,
wie man bey den kriegern wol sihet,
darumb achten auch die Tuercken des bawens und pflantzens nicht gros.
Das dritte stuecke ist, das des
Mahomeths Alkoran den ehestand nichts
acht, sondern yderman zu gibt weiber zu nemen wie viel er wil. Daher
der brauch ist bey den Tuercken, das ein
man zehen, zwentzig weiber hat Und
widderumb verlest und verkeufft welche er wil und wenn er wil, das
die weiber aus der massen unwerd und
veracht ynn der Tuerckey sind, werden
gekaufft und verkaufft wie das viehe. Ob nu villeicht etliche wenige
solchs freien gesetzs nicht brauchen,
dennoch gilt und gehet solch gesetze frey, wer es thun wil. Solch wesen ist aber kein ehe und
kan kein ehe sein, weil keiner ein weib
der meynung nimpt odder hat, ewiglich3 bey yhr zu bleiben als ein [1. Mose 2, 24] leib, wie Gotts wort spricht
Gen̄. 3.
‘Der man wird an seinem weibe hangen
[Matth. 19, 5] und werden zwey ein leib sein’, Das der Tuercken ehe fast
gleich sihet dem zuechtigen leben, so
kriegsknecht furen mit yhren freyen dirnen.4 Denn Tuercken
[ 3 hellen H 4 iungst CF Juengstag I 9
fromme H frome I 11 luegengeist CF luegengeyst H Luegengeist I 14 gerechtikeit
G 15 den] vnd der I 16 eingesetz CF 18 komen G 21 stueck, das H 22 zu (2.)
fehlt H 23 dem Tuercken G
zweyntzig G 26 gekaufft] kaufft H
viech H 29 kain weyb H]
[Seite 127]
sind krieger: kriegissch mussen sie sich
halten, Mars und Venus, sagen die
Poeten, wollen bey einander sein.1
Diese drey stuecke hab ich itzt wollen
erzelen, welcher ich gewis bin aus dem
Alkoran der Tuercken. Denn was ich sonst auch gehoeret habe wil ich nicht erfurbringen, weil ichs nicht kan gewis
sein. Las nu2 unter den Tuercken sein
etlich Christen, Las sein yhr eigen munche, Las sein etliche erbare leyen: Was kan aber ym regiment und
gantzen Tuerckisschen wandel und wesen
guts sein, weil nach yhrem Alkoran diese drey stueck bey yhn frey regiern, Nemlich Lugen, Mord, Unehe, Und
yderman daneben Christliche warheit
schweigen mus, das sie solch drey stueck nicht straffen noch bessern
thar, sondern zusehen und (als ich
sorge) zum wenigsten mit schweigen drein
bewilligen mus? Wie kan ein grewlicher, ferlicher, schrecklicher
gefengnis sein, denn unter solchem
Regiment leben? Lugen verstoret (wie gesagt) geistlichen stand, Mord verstoret weltlichen stand, Unehe
verstoret ehestand. Nym nu aus der welt
weg veram Religionem, veram Politiam, veram oeconomiam (Das ist recht geistlich wesen, recht
weltlich Oberkeit, recht haus zucht): Was
bleibt uber ynn der welt denn eitel fleisch, welt und Teuffel, da [Bl. D
iiij] ein leben ist wie guter gesellen3
leben, so mit huren haus halten?
Das man aber sagt, wie die Turcken
untereinander trew und freundlich sind
und die warheit zu sagen sich uleyssigen, das wil ich gerne gleuben Und halt, das sie noch wol mehr guter feiner
tugent an sich haben. Es ist kein mensch
so arg, Er hat etwas gutts an sich. Es hat zu weilen ein frey weib4 solche gute art an sich als sonst kaum
zehen ehrliche matronem5 haben. So wil
der Teuffel auch einen deckel haben und ein schoener Engel sein als ein Engel des liechts6, darumb wendet er auch
fur ettliche werck als werck des
liechts. Moerder und reuber sind viel getrewer und freundlicher
untereinander denn die nachbarn, ia auch
wol mehr denn viel Christen. Denn wo der
Teuffel die drey stueck erhelt, Lugen, Mord, Unehe als die rechten wacken
[ 4 sogst CF 8 bey yhn fehlt H 11
dareyn G 13 verstoeret CFGHI 14 verstoeret (beidemal) CFGHI 19 Tuercken CFHI 21
tugendt H 22 fry H 22/23 Freiweib I 26 fruendtlicher H 27 nachtbarn H Denn] Deß G]
[Seite 128]
und werckstueck1 zum grund der hellen, mag er
wol leyden, ia hilfft dazu, das
fleischliche lieb und trew als toestlich edelsteine (welche doch nichts
denn stro und hew sind) drauff gebawet
werde. Er weis doch wol das fur dem fewer
zu letzt nicht bleibt. Gleich wie widderumb, wo da rechte glaub, recht
Oberkeit, recht Ehe ist, sperret er sich
das wenig liebe und trew da scheine und
auch wenig erzeigt werde, auff das er den grund auch zu schanden
und veracht mache.
Und das noch wol mehr ist: Wenn die
Tuercken an die schlacht gehen, so ist
yhr losung und geschrey kein ander wort denn ‘Alla, Alla’ und schreien, das hymel und erden erschallet. Alla heist
aber Gott auff yhr Arabissch sprach2 aus
dem verbrochen Ebreisschen Elloha.3 Denn sie haben ynn yhrem Alkoran geleret, das sie ymer rhuemen sollen
diese wort: ‘Es ist kein Gott denn Gott’
welchs alles die rechten Teuffels griff4 sind. Denn was ists gesagt ‘Es ist kein Gott denn Gott’ und
sondert doch keinen Gott aus fur andere?
Der Teuffel ist auch ein Gott, den selbigen ehren sie auch mit solcher stym, das ist kein zweifel, Gleich
wie des Bapsts kriegsvolck růfft
‘Ecclesia, Ecclesia’ —Ja freylich des Teuffels Ecclesia. Darumb gleub
ich auch das der Turcken Alla mehr ym
kriege thut denn sie selbs: Er gibt yhn
mut und list, furet yhr schwerd und faust, Ros und man. Wie duenckt
dich nu umb das heilige volck, das Gott
nennen kan ym streit, so es doch Christum
und alle Gottes wort und werck verstoeret, wie gehoert ist?
Zu der heiligkeit gehoert auch das er
keine bilder leidet Und ist noch
heiliger denn unser bilden sturmer: Denn unser bilden stuermer leiden
und haben gerne bilder auff den gulden,
grosschen, ringen und kleinoten, Aber der
Turck gar keine, Muentzet eitel buchstaben auff seine muentze. Er ist
auch gar Muentzerissch, Denn er rottet
alle Oberkeit aus und leidet keine ordnung ynn
weltlichem stande (als Fuersten, Graven, Herrn, Adel und ander
lehenleute) sondern ist alleine herr
uber alles ynn seinem lande, gibt nur solt von sich
[ 3 darauff G 4 rechter Glaub I 10
hayst G 11 dem] den G Ebreische
H Elloah H 12 dise CF dyse H 13
ists] ist G 18 Tuercken CF Türcken H
kriegen I 25 Tuerck CFI
Türck H]
[Seite 129]
und keine guter odder Oberkeit. Er ist auch
Papistissch, Denn er gleubt durch werck
heilig und selig zu sein Und helts fur keine sunde Christum verstoeren, Oberkeit verwuesten, die ehe vernichten,
Welche drey stuck der Bapst auch treibt,
doch mit anderley weise, nemlich mit heucheley, wie der Turcke mit
gewalt und schwerd. Summa wie gesagt
ist: Es ist die grundsuppe1 da aller grewel
und yrthum. [Bl. E1] Solchs wil ich dem ersten man, nemlich dem Christen hauffen, haben angezeigt, auff das er wisse
und sehe, was fur grosse not hie ist zu
beten, und das man zuvor muesse des Tuercken Alla, das ist seinen Gott, den Teuffel, schlahen und also seine macht
und Gottheit von yhm stossen, sonst (hab
ich sorge) wird das schwerd wenig ausrichten. Denn dieser man sol nicht leiblich mit dem Turcken streiten,
wie der Bapst und die seinen leren, noch
yhm mit der faust widder streben, sondern den Turcken erkennen fur Gottes ruten und zorn, welche den
Christen entwedder zu leyden ist, so
Gott yhre sunde heymsucht, odder allein mit busse, weinen und gebet
widder yhn fechten und veriagen muessen.
Wer diesen rat verachtet, der verachte ymer
hyn: Jch wil zu sehen was er dem Turcken wolle abbrechen.2
Der ander man so3 widder den Turcken zu
streiten gebuert, ist Keyser Karol
(odder wer der Keyser ist) Denn der Turcke greifft seine unterthanen und sein Keyserthum an, welcher schuldig ist
die seinen zuverteydingen als eine
ordenliche Oberkeit von Gott gesetzt. Jch bedinge hie aber mal, das ich niemand reitzen noch heissen wil widder den
Turcken zu streiten, es sey denn das die
erste weise zuvor gehalten werde, davon droben gesagt ist, das man zuvor busse und Gott versune etc. Wil daruber
yemand kriegen, der wage sein ebentheur4
— Mir zymet nicht weiter zu reden, denn einem iglichen sein ampt anzuzeigen und sein gewissen zu
unterrichten. Jch sehe wol das sich
Koenige und Fuersten so leppissch und lessig stellen widder den Turcken,
das ich gleich eine grosse sorge habe,
sie verachten Gott und den Turcken zu hoch
odder wissen villeicht nicht, wie ein mechtiger Herr der Turck ist, das
yhm kein Koenig odder land, Es sey
welches es wolle, allein gnug sey widder zu
streben5, Es woelle denn Got wunderzeichen thun. Nu kan ich mich keines wunderzeichens noch sonderlicher Gottes
gnaden uber Deudsch land versehen, wo
man sich nicht bessert und das wort Gottes anders ehret, denn bisher geschehen.
Wolan, davon ist gnug gesagt, Wer yhm
wil lassen sagen. Wir wollen nu vom
Keyser reden Und Erstlich, so man widder den Turcken
[ 2 zu fehlt I 3 stueck CFHI 4 Tuercke
CF Türcke H Tuerck I 6 yrrthumb H 13 entweder I 14 jr suend H heymsuecht H 15 verachte] verachtet G
18 wer Keiser I vntherthan G 19
Kayserthumb H 20 ordentliche I 28 Herrn F 29 welches] welch ABCDEFHI 30 wuelle
F 35 Vnd fehlt I Turckeu [so] ABCDE]
[Seite 130]
kriegen wil, das man dasselbige thu unter des
Keysers gebot, panir und namen. Denn da
kan ein iglicher sein gewissen sichern, das er gewislich ym gehorsam Goettlicher ordnung gehet, weil wir
wissen, das der Keyser unser rechter Oberherr
und heubt ist, Und wer yhm ynn solchem fal gehorsam ist, der ist auch Gott gehorsam, Wer yhm aber
ungehorsam ist, der ist Gott auch
ungehorsam. Stirbet er aber ym gehorsam, so stirbt er ynn gutem stande und wo er sonst gebuesset hat und an
Christum gleubt, so wird er selig. Dis
stůcke (acht ich) wird ein yeder besser wollen wissen denn ichs leren kan, Und wolt Gott sie wuestens so wol,
als sie sich lassen duencken, Doch
wollen wir auch weiter davon reden.
Zum andern: Solch panier des Keysers und
gehorsam sol recht und einfeltig sein,
das der Keyser nichts anders sueche denn einfeltiglich das werck und schuld seines Ampts, seine unterthanen zu
schuetzen, Und die so unter seinem
panier sind auch suchen einfeltiglich das werck und schuld des gehorsams. Diese [Bl. Eij] einfeltigkeit soltu also
verstehen, das man nicht widder den
Turcken streite aus den ursachen, damit bisher die Keyser und Fuersten zu streiten gereitzt sind, als das sie grosse
ehre, rhum und gut gewinnen, land mehren
odder aus zorn und rachgyrigkeit und was der gleichen stueck sind. Denn darynn wird eitel eigen nutz gesucht und
nicht die gerechtigkeit odder gehorsam,
Darumb auch bisher kein glueck gewest ist bey uns, widder zu streiten noch zu ratschlahen vom streit
widder den Turcken.
Darumb sol man auch dis reitzen und
hetzen lassen anstehen, da man den
Keiser und Fůrsten bisher gereitzt hat zum streit widder die Tuercken
als das heubt der Christenheit, als den
beschirmer der kirchen und beschuetzer des
glaubens, das er solle des Tuercken glauben ausrotten, Und haben also
das reitzen und vermanung gegrundet auff
der Tuercken bosheit und untugent. Nicht
also, Denn der keiser ist nicht das heubt der Christenheit noch beschirmer des Euangelion odder des glaubens.1 Die kirche
und der glaube muessen einen andern
schutzherrn haben denn der Keiser und Koenige sind, Sie sind gemeiniglich [Ps. 2, 2] die ergesten feinde der
Christenheit und des glaubens, Wie der .ij. Psalm sagt und die kirche allenthalben klagt. Und
mit solchem reitzen und vermanen macht
mans nur erger und erzuernet Gott deste mehr, die weil man damit ynn sein ehre und werck greifft und wils den
menschen zu eigen, welchs eine
abgoetterey und lesterung ist.
[ 1 panier FHI 5 ist auch Gott I 6 ym
gůten H 8 stuecke F stueck HI 11 gerecht H 15 einfeltikeit G 16 der Kaiser
H 18 rachgeyrigkeit ABCDE 19 die fehlt I 21 ratschlagen H 22 hertzen F 23 den
Türcken HI 24/25 des Glauben I 25 soll FGH 28 Euangelij I glauben FH 29 /30 gemeinglich G 30
Psal. FI 33 eygnen H]
[Seite 131]
Auch wenn der Keiser solt die ungleubigen und
unchristen vertilgen, mueste er an dem
Bapst, Bisschoffen und geistlichen anfahen, Villeicht auch unser und sein selbs nicht verschonen, denn
es greulich abgoetterey gnug ist ynn
seinem keiserthum, das nicht not ist derhalben die Tuercken zu bestreiten. Es sind unter uns Tuercken, Juden, Heiden,
unchristen alzu viel, beide mit
offentlicher falscher lere und mit ergerlichem schendlichem leben. Las
den Turcken gleuben und leben wie er wil,
gleich wie man das Bapstum und ander
falsche Christen leben lest. Des Keisers schwerd hat nichts zuschaffen mit dem glauben, Es gehoert ynn leibliche,
weltliche sachen, Auff das nicht Gott
auff uns zornig werde, so wir seine ordnung verkeren und verwirren, Er widderumb sich auch verkere und verwirre
uns ynn allem ungluck, wie [Ps. 18, 27]
geschrieben stehet: Mit den verkereten verkerestu dich, wie wir denn auch bis her am glueck (so wir widder den Turcken
gehabt) wol spueren und greiffen muegen,
da man das hertzeleid und iamer hat angericht mit der Cruciata1, mit ablas und Creutzgeben, Und also die
Christen zum schwerd und streit gehetzt
widder die Turcken, welche doch mit dem wort und gebet solten streiten widder den Teuffel und unglauben.
Sonder so solt man thun: Den Keiser und
fuersten vermanen yhrs ampts und schuldiger
pflicht, das sie gedechten mit vleis und ernst yhre unterthan ym fride und schutz hand zu haben
widder den Turcken, Gott gebe sie weren
Christen fur sich selbs odder nicht, wie wol es fast gut were das sie Christen weren. Aber weil das ungewis ist
und bleibt ob sie Christen sind, Gewis
aber ist das sie Keiser und Fursten (das ist: das sie yhre unterthanen zu schuetzen von Gott befelh haben und
schuldig sind) sol man das ungewisse
faren lassen und des gewissen spielen2, mit uleissigem [Bl. Eiij] predigen und vermanen sie treiben und yhr
gewissen auffs hoehest beschweren, wie
sie Gotte schuldig sind yhre unterthan nicht so iemerlich lassen
verderben, Und wie sie grosse treffliche
sunde thun, das sie yhr ampt hierynn nicht
bedencken und den ihenigen, so mit leib und gut unter yhrem schutz
leben sollen und mit eiden und hulden
verbunden sind, nicht mit huelff und rat
erscheinen nach allem vermuegen.
Denn mich dunckt (so viel ich noch ynn
unsern Reichstagen gespueret habe) das
widder Keiser noch Fursten selbs gleuben, das sie Keiser oder fursten sind. Denn sie stellen sich ia eben
also, als stuende es ynn yhrem
[ 2 Bischouen I 4 Kayserthumb H 7
Babstthum H 8 Des] Das H 10 so wir so wir H 11 vnglueck FI vngluecke H 14
moegē H mueg den, man I 15
Creutzgehen I 24 beuelch H 25 vngewise H
gewisen H 26 yhre H jre I
hoechst H 33 wedder H]
[Seite 132]
gutduencken und wolgefallen, ob sie yhre
unterthan sollen retten und schuetzen
fur gewalt des Turcken odder nicht. Und die Fursten auch nichts
sorgen noch dencken, das sie fur Gott
hoechlich schuldig und verpflichtet sind, mit leib und gut dem keiser hierynn rethlich und
huelfflich zu sein. Ein iglicher lests
dahin gehen und fahren, als gienge es yhn nichts an odder hette widder gebot noch not die yhn dazu zwuenge, sonder
als stuende es ynn seiner freyen
wilkoere, zuthun odder zu lassen. Gleich als itzt auch der gemein man: denckt nicht das er Gott und der welt
schuldig, so er einen geschickten son
hat, yhn ynn die schule zuthun und studirn zulassen. Sondern
yderman meinet, Er hab frey macht seinen
son zu zihen nach seinem willen, Es bleibe
Gotts wort und ordnung wo sie wolle. Ja es thun die Ratherrn ynn Stedten und fast alle oeberkeit auch also,
Lassen die schulen zurgehen als weren
sie der selbigen frey und hettens ablas dazu. Niemand denckt das Gott ernstlich gebeut und haben wil die
geschickten kinder zu zihen zu seinem lob
und werck, welchs on die schulen nicht geschehen mag, Sondern zur
weltlichen narung ist yderman itzt iach
und eyle1 mit seinen kindern, als duerffte Gott
und die Christenheit keiner Pfarherrn, Prediger, Seelsorger. Und die
weltliche Oberkeit keiner Cantzeler,
keiner Rethe, keiner Schreiber mehr. Aber
davon ein ander mal: Die schreibfedder2 mus Keyserin bleiben odder
Gott wird uns ein anders sehen lassen.
Eben so thun Keyser, Koenige und
Fuersten auch: Sie achtens nicht das
Gotts gebot sie noettiget yhre unterthanen zu schutzen, Es sol ynn
yhrem freyen wilkore stehen das sie es thun,
wenn sie es der mal eins geluestet odder
gute weil dazu haben. Lieber, last uns alle so thun: Niemand sehe auff
das yhm befolhen ist und was yhm Gott zu
thun gebeut und foddert, Sondern alle
unser thun und ampt last unsers freyen willens sein, so wird uns Gott glueck und gnade geben, das wir beide hie
zeitlich vom Turcken und dort vom
Teuffel ewiglich geplagt werden. So sol denn etwa von Rom ein unnuetzer wesscher3 (ein Legat wolt ich sagen) komen
und des Reichs Stende vermanen und
hetzen widder den Turcken mit anzeigen, wie der feind des Christlichen glaubens so grossen schaden der Christenheit
gethan habe, Der keiser als Vogt4 der
kirchen und beschirmer des glaubens, solle dazu thun &c.. — gerade als
[ 1 gedunckē H 3 verpflichtig G 4
hierinen redlich I hilflich H lests] lest G 6 sondern I 7 wilkuere H
9 hat, ynn die ABCDEF hat in GI hate, ynn H 10 ziehen FH 11 woel G 12 stoetten
H 13 gedenckt I 15 wetlichen H 16 eylet H 17/18 wettliche H 18 Kantzeler G 21
Koenig G 23 wilkoere FI wilkuer H 32 glaubens [so] ABCDE]
[Seite 133]
weren sie selbs gar grosse freunde des
Christlichen glaubens. Jch spreche aber
zu yhm: Sie haben dir dein mutter zum bier gefurt, du ammechtiger plauderer, Denn damit richtestu nichts an,
denn als solt der Keyser ein mal ein gut
Christlich ungeboten werck thun, das ynn seiner wilkore stehe, Und ist sein gewissen damit nicht gerurt odder er
seines notigen Ampts von Gott befolhen
erynnert, sondern seinem guten willen heimgestellet.
[Bl. Eiiij] Also solt aber ein Legat
auffm Reichstage mit den Reichsstenden
handeln, Gotts gebot furhalten und eine unvermeydliche not draus machen und sagen: “Lieben herrn, Keyser und
Fuersten, Wolt yhr Keyser und
Fůrsten sein, so thut als Keyser und Fuersten oder der Turcke wirds
euch leren durch Gots zorn und ungnade.
Deuedschland odder Keyserthum ist euch
von Gott gegeben und befolhen, das yhrs schutzen, regiern, raten und
helffen solt und nicht allein solt,
sondern auch muesset bey verlierung ewer seelen
seligkeit und goettlicher hulden und gnaden. Nu aber sihet man wol
das ewer keinem ernst ist noch solchs
gleubet, sondern yhr haltet ewer ampt fur
einen schertz und schimpff, gerade als were es eine mumerey fur1
fastnacht. Denn da last yhr ewere
unterthanen (so euch von Gott befolhen sind) vom Turcken so iemerlich plagen, wegfuren,
schenden, plundern, wuergen und verkeussen:
Meinet yhr nicht, weil euch Got solch ampt befolhen hat und dazu gegeben gelt und volck, das yhrs wol thun und
ausrichten koennet, Er werde von ewern
henden foddern alle ewer unterthanen, die yhr so schendlich verlassen, und yhr die weil getantzt, gebrasset,
gebranget und gespielet habt? Denn wo
yhrs mit ernst gleubtet das yhr von Got gesetzt und geordent weret zu keyser und fuersten, yhr wurdet des
bancketen und hadderns umb das hohe
sitzen und andere unnuetzer bracht eine weile lassen und trewlich ratschlahen, wie yhr ewerm ampt und Gots gebot gnug thetet
und ewer gewissen errettet2 von alle dem
blut und iamer ewer unterthanen, so der Turck an yhn begehet. Denn wie kan Gott odder ein
gottseliges hertz anders von euch
dencken, denn das yhr freylich ewern unterthanen feind seyd odder selbs
mit dem Turcken einen heymlichen bund
habet odder yhe zum wenigsten euch selbs
widder fur Keyser noch fur Fuersten, sondern fur eitel tocken und
Puppen3 haltet, da die kinder mit
spielen? Es were sonst unmuglich das ewer gewissen euch solte ruge lassen, wo yhr euch ernstlich
fur Oberherrn von Gott gesetzt hieltet,
das yhr nicht ein mal anders denn bisher geschehen von solchen sachen
[ 1 Christenlichen H 2 onmaechtiger H 4
ungeboten fehlt I wilkoere FI
wilkuer H 5 noetigen FHI Ampt H 8
daraus I 11 Kayserthumb H Keiserthumb I 12 schuetzen FHI 16 vor Faßnacht H 17
ewre FHI 20 gebē G yhr FH 24
werdet FH wuerdet I Pancketens
H haders G 25 vnnuetze H 25/26 ratschlagen
H 26 theten G 28 hertzs H 30 einen] ein H 33 rhůe H gesetz ABCDE]
[Seite 134]
reden und ratschlahen soltet, Darynn yhr sehet
das yhr selbs Tuercken werdet on
unterlas an ewern eigen unterhanen. Ja, nemet die weil fur euch des Luthers sachen und handelt ins Teuffels
namen, ob man fleisch ynn den fasten
essen und Nonnen menner nemen muegen und des gleichen, Davon euch
nichts ist befolhen zu handeln, noch
Gott einig gebot euch dahin gegeben, Und
henget die weil ynn den rauch dis ernst gestrenge gebot Gottes, damit er
euch zu Schutzherrn uber das arme
Deudsche land gesetzt hat, Und werdet die weil
an ewern eigen frumen, getrewen, gehorsamen unterthanen moerder,
verrether und bluthunde und lasset, ia
werfft sie dem Turcken die weil ynn den rachen,
zu lohn das sie leib und gelt, gut und ehre bey euch setzen und
euch furstrecken.”
Ein guter Redener1 sihet hie wol, was
ich gerne reden wolt, wenn ich der
redekunst gelert were, und was ein Legat auff dem Reichstage treiben und austreichen solt, wenn er trewlich und
redlich sein ampt wolt aus richten.
Darumb hab ich droben gesagt, Karolus
odder der Keyser sol der man sein widder
den Turcken zustreiten Und unter seinem panier sol es gehen. O solchs ist so leicht, das2 yderman lengst
an den schu [Bl. F1] hen zu rissen hat3
Und der Luther hie mit nichts newes leret, sondern eitel faul alt ding. Ja lieber, der Keyser muste sich selbs
werlich mit andern augen ansehen denn
bisher geschehen, Und du mustest sein panier auch mit andern augen
ansehen. Jch rede wol von dem selbigen Keyser
und panier da du von redest, Aber du
redest von den augen nicht da ich von rede, Gotts gebot solt man ym
panier ansehen, das da spricht: Schuetze
die frumen, Straffe die boesen. Sage mir:
Wie viel sind der, so solchs yns Keysers panier lesen koennen odder mit
ernst gleuben? Meinstu nicht yhr
gewissen wurde sie erschrecken, wenn sie das
panier ansehen, als die sich hoechlich fur Gott schuldig erkennen
muesten des verseumeten schutzs und
huelffe an yhren getrewen unterthanen? Lieber, Es ist nicht schlecht seyden tuch, ein panier: Es
stehen buchstaben dran, wer die lesen wird,
dem sol der kurtzel und das bancketieren wol vergehen.
Das mans aber bisher fur schlecht
seyden tuch hab angesehen, beweiset sich
selbs ynn der that wol, Denn der Keyser hette es lengest auffgeworffen, so hetten die Fuersten gefolget und were der
Turck nicht so mechtig worden. Aber da
es die Fuersten mit dem maul des Keysers panier nenneten und doch mit der faust ungehorsam waren und mit der
that fur ein blos seiden tuch4 hielten,
ists gegangen wie es itzt fur augen stehet. Und Gott gebe das wir
[ 3 ins] des ABCDEFGHI 7 Deudscheland I
8 frommen HI 9 die weil fehlt I 13 redkuenst G 19 werlichen H 20 must I 23
fromme HI 26 hoeflich G 27 schutz GI
hilffe H 28 Seidentuch I 30 Seidentuch I 34 Seidentuch I]
[Seite 135]
nu hinfurt nicht allzu mal zu langsam1 komen,
ich mit meinem vermanen und die Herrn
mit yhrem panier, und geschehe uns wie den kindern Jsrael, [5. Mose 7, 1 f.] welche zu erst nicht wolten
widder die Amoriter streiten, da es Gott gebot:
[Richt. 10, 11 ff.] Hinden nach da sie wolten wurden sie geschlagen,
denn Gott wolte nicht bey yhn sein. Noch
es sol niemand verzweiffeln: Buessen und recht thun findet allzeit gnade.
Darnach wenn Keyser und Fuersten das
bedencken, das sie aus Gottes gebot
solchen schutz yhren unterthanen schuldig sind, sol man sie auch vermanen, das sie nicht vermessen seyn und solchs fur
nemen aus trotz oder sich verlassen auff
eigene macht odder anschlege, als man viel toller Fuersten findet die da sagen: ‘Jch habs recht und fug, Darumb
wil ichs thun’, faren einhin mit stoltz
und pochen auff yhre macht, gewinnen aber auch zu letzt das krawen ym nacken.2 Denn wo sie yhre macht
nicht fuleten, wurde sie das recht wol
wenig gnug bewegen, wie sichs beweiset ynn andern sachen, da sie das recht nicht achten. Darumb ists nicht
gnug das du wissest, Gott hab dir dis
odder das zu thun befolhen — Du solts auch mit furcht und demut thun. Denn Gott befilhet noch gebeut niemand etwas
aus eigenem rat odder krafft zuthun,
Sondern er wil auch mit ym spiel sein und gefurchtet sein, Ja er wils durch uns thun und drumb gebeten sein,
auff das wir nicht uns vermessen [Ps.
147, 41] und seiner huelffe vergessen, wie der Psalter sagt: Der Herr hat gefallen an denen die yhn furchten und auff
seine guete warten. Sonst solten wir uns
wol lassen duncken, wir kundtens thun und durfften Gottes huelffe nicht und nemen uns des siegs und der ehren
an, die yhm doch alleine geburt.
Darumb sol ein Keyser odder Fuerst den
Vers ym Psalter wol lernen [Ps. 44, 7
f.] Psalm .44: ‘Jch verlas mich auff meinen bogen nicht und mein schwerd
hilfft mir ni[Bl. Fij] cht, Sondern du
hilffest uns von unsern feinden und machst
zu schanden die uns hassen’ Und was der selbige gantze Psalm mehr sagt
Und [Ps. 60, 12 ff.] Psalm .lx. ‘Herr
Gott du zeucht nicht aus auff unser heer? Schaffe uns beystand ynn der not, Denn menschen huelffe
ist kein nuetze. Mit Gott wollen wir
thatten thun, Er wird unser feinde untertreten’ etc. Solche und der gleichen spruche haben muessen war machen gar
viel Koenige und grosse Fuersten von
anfang bis auff diesen tag mit yhren eigenen Exempeln, die doch fur sich hatten Gottes gebot, fug und recht. Derhalben
las yhm Keyser und Fuersten [Nicht. 20,
21. 25] auch kein schertz sein. Hieher lies das trefflich Exempel Judic .xx.
das die kinder Jsrael zweymal von den
BenJamitern geschlagen wurden, ungeacht
das sie Gott hies streiten und das aller beste recht hatten. Aber yhr
trotzen
[ 2 von Jsrael I 8 vnterthan H man auch H 9 seien I oder] odder F 13 fueleten FI fueleten H
15 ists] ist G 16 forcht GH 17 befielet I 19 darumb I 20 hilffe H sagt, Psalm. 47. Der I 21 und] die
I warten] hoffen I 22 koentens H
kuendens I doerfften H duerfften
I hilff H 29 nuetzs H 32 anfange F
34 treffenlich G 36 yhr] zu I]
[Seite 136]
[Nicht. 20, 22] und vermessen stortzt sie, wie
der Text daselbst sagt: Fidentes fortitudine et
numero. War ists: Ros, Man, Wassen und alles so zum streit not ist sol man haben, so es zu bekomen ist, auff das man
Gott nicht versuche. Aber wenn mans hat,
sol man nicht drauff trotzen, auff das man Gotts nicht [1. Makk. 3, 19] vergesse odder verachte,
Denn es stehet geschrieben: Aller sieg kompt von hymel.
Wenn diese zwey stuecke da sind, Gots
gebot und unser demut, so hats keine
fahr noch not, so fern es den andern man, den Keiser, betrifft: so sind wir denn aller welt starck gnug und mus
glueck und heil da sein. Jst aber nicht
glueck da, so mangelt es gewislich an der beiden einem, das man entweder nicht als aus gehorsam Gottlichs gebots odder
aus vermessenheit kriegt, odder der
erste kriegsman, der Christen, ist nicht dabey mit seim gebet. Und hie ist nicht not zuvermanen, das man nicht
ehre noch ausbeute1 suche ym streit,
denn wer mit demut und ym gehorsam gottlichs befelhs streitet und allein seinem ampt nach einfeltiglich schutz
und schirm seiner unterthan meinet, der
wird der ehre und ausbeute1 wol vergessen. Ja sie wird yhm ungesucht reichlicher und herrlicher komen,
denn ers wuendschen mag.
Hie wird yemand sagen: Wo wil man solch
frum kriegsleute finden, die solchs
halten werden? Antwort: Es wird das Euangelion aller welt gepredigt und gleuben doch gar wenig, Noch
gleubt und bleibt gleichwol die
Christenheit. Also schreibe ich auch diese unterricht nicht der
hoffnung, das sie bey allen solt
angenomen werden, Ja das mehrer teil sol mein dazu lachen und spotten. Es ist mir gnug, wo ich
etliche Fuersten und unterthan kundte
mit diesem buch recht unterrichten, ob sie gleich der wenigste hauffe sind (da ligt mir nicht macht an) Es solte
dennoch sieg und glueck gnug da sein.
Und wolt Gott das ich nur den Keiser odder den, so ynn seinem namen und befelh kriegen solt, hette hie mit
zugericht, Jch wolt grosser hoffnung
sein. Es ist wol mehr mal geschehen, Ja es geschicht gemeiniglich,
das Gott durch einen eintzelen man eim
gantzen land und koenigreich glueck und
heil gibt, gleich wie auch widderumb durch einen buben zu hofe ein
gantz land ynn allen unrat und iamer
bringt, wie Salomon spricht ym Ecclesiast:
[Pred. 9, 18] ‘Ein eintzeler bube thut grossen schaden’.
[2. Kön. 5, 1] Also lesen wir von
Naeman, dem haubtman des Koeniges zu Syrien,
das Gott dem gantzen lande durch den selbigen man glueck und heil gab
.4. [1. Mose 39, 3] [Bl. Fiij] Reg .5.
Also gab er durch den heiligen Joseph gros glueck dem konigreich ynn Egypten Und .4. Reg .3. Spricht Eliseus
zu Joram, dem Koenige
[ 1 stuertzt GI daselbs G 5 sige H 13 befelchs H
befehls I 14 seiner] seine G 16 wuenschen G 17 from H frome I 21 mehrerteil I
23 koente H kuendte I 26 befelch H
groesser F 33/34 gab. Also .4. (.iiij. FH) Reg. 5. (.v. FH) gab ABCDEFGH
34/35 konigreich] Koenig I]
[Seite 137]
[2. Kön. 3, 14] Jsrael: ‘Jch wolt dich nicht
ansehen, wo Jossaphat der konig Juda nicht da
were’ Und muste also zum selbigen mal den gottlosen koenigen Jsrael
und Edom geholffen werden umb des
einigen frumen mans willen, die sonst ynn
aller not vertorben weren. Und ym Buch der Richter kan man wol
sehen, was Gott guts thet durch Ehud,
Gedeon, Dibora, Samson und der gleichen
eintzele personen, ob wol das volck solchs nicht werd war, Widderumb
was [1. Sam. 22, 18] grossen schadens
thet der Doeg, so zu des koeniges Saul hofe war .1. Regum .22. Was richtet Absalom an widder seinen vater
David mit hulffe und rat [2. Sam. 15, 1
ff.] Ahitophels .2. Reg .15.
Dis rede ich darumb, das uns nicht
solle schrecken noch ichtes1 bewegen, ob
der groesser hauffe ungleubig odder unschristlicher meynung unter des
Keisers panier stritte. Man mus auch
widderumb dencken das ein eintzeler Abraham
[1. Mose 14, 14; 17, 4] gar viel vermag Gen .14. und .17. So ist auch
das gewis, das unter den Tuercken als
des Teuffels heer keiner nicht2 ist, der Christen sey oder demuetiges [1. Sam. 14, 6] und richtiges hertz habe. 1.
Reg .14. sprach der frume Jonathan: ‘Es ist Gotte nicht schwere den sieg geben durch viele
odder durch wenige’ Und thet selb ander
eine grosse schlacht an den Philistern, die Saul mit dem gantzen heer nicht vermocht. Darumb ligt nicht dran, ob
der hauffe nicht gut ist, Wenn nur das
heubt und der furnemesten etliche rechtschaffen sind, Wie wol es gut were, das sie allesampt rechtschaffen weren —
Aber das ist nicht wol mueglich.
Weiter hoere ich sagen, das man findet
ynn deudschen landen, so des Tuercken
zukunfft und seines regimentes begeren3, als die lieber unter dem Tuercken denn unter dem Keiser odder fuersten
sein wollen. Mit solchen leuten solt
boese streiten sein widder den Tuercken. Widder diese weis ich nicht
bessern rat, denn das man die Pfarher
und prediger vermane, das sie mit vleis
anhalten auff der Cantzel Und solche leute trewlich unterrichten, yhr
fahr und untugent ausstreichen4, wie gar
trefflicher unzelicher sunden sie sich teilhafftig machen und sich fur Gott beladen, wo sie ynn
der meynung erfunden werden. Denn es ist
iamers gnug, Wer den Tuercken zum oeberherrn leiden mus und sein regiment tragen. Aber williglich sich
drunter geben odder desselbigen
[ 1/2 Jsrael, So war der HERR Zebaoth
lebt, fur dem ich stehe, Wenn ich nicht Josaphat den Koenig Juda ansehe, Jch
wolt dich nicht ansehen noch achten. Vnd I 3 fromen HI 5 Gedeo I Debora H 8 hilffe I 12 streytte H 15
fromme H frome I Gotte] dem HERRN
I 16 den bis wenige] durch viel oder wenig helffen I vil H 19 rechtgeschaffen G
rechtgschaffen H 20 rechtgschaffen GH 21 Deudschenlanden I 22 regiments FHI 24
solts I 29 Oberhyrrrn F Oberherrn I 30 darunter H]
[Seite 138]
begeren, so ers nicht bedarff noch gezwungen
wird, dem sol man anzeigen, was er fur
sunde thut und wie grewlich er anleufft.
Zum ersten das solche leute trewlos und
meyneidig werden an yhrer Oberkeit, den
sie geschworen und gehuldet haben, welchs fur Got eine grosse [Jer. 21, 7] sunde ist die nicht ungestrafft
bleibt. Denn solchs meyneides halben muste
auch der gute Koenig Zedekias iemerlich umbkomen, das er den eyd dem
Heidnisschen Keyser zu Babylon gethan
nicht hielt. Es meinen villeicht solche leute odder lassen sich důncken, Es sey ynn
yhrer macht und wilkore, von einem herrn
zum andern sich begeben, faren also daher, als weren sie frey hierynn zu thun und zu lassen, was sie wollen,
vergessen und bedencken nicht Gottes
gebot und yhren eyd, damit sie bestrickt und schuldig sind gehorsam zu
bleiben, bis sie mit gewalt davon
gedrungen odder druber getoedtet werden, gleich wie die Baurn [Bl. Fiiij] ym nehesten auffrur1
auch fuernamen und wurden druber
geschlagen. Denn gleich, wie einer sich selbs nicht erwurgen sol
sondern leiden, ob er mit gewalt durch
ander erwůrget wird: Also sol niemand sich
selbs aus dem gehorsam und eyde wenden, Er werde denn durch andere
entweder mit gewalt odder mit gunst und
urlaub2 eraus bracht.
Solchs mussen die Prediger bey solchen
leuten mit vleys und wol treiben, wie
sie denn solchs zu thun yhr predigampt zwinget, Darynn sie schuldig sind, yhre Pfarkinder3 zu warnen und
bewaren fur sunde und schaden der
Seelen. Denn wer sich williglich von seinem herrn abwendet und zum Turcken begibt, der kan doch nymer
mehr unter dem Turcken bleiben mit gutem
gewissen, sondern sein hertz wird yhm allezeit sagen und straffen also: Sihe du bist an deinem Oberherrn
trewlos worden und hast yhm den
schuldigen gehorsam entwand und yhn seines rechts und Oberkeit an
dir beraubt. Nu kan kein sunde vergeben
werden, das gestolene gut mus widder
gegeben seyn: Wie wiltu aber deinem herrn widder geben, wenn du
unter dem Turcken bist und kansts nicht
widder geben? So wird denn gehen mussen
der beyder eins: das du dich ewiglich muhen und erbeiten must, wie du widder vom Turcken zu deinem Oberherrn
komest, odder must ewiglich rew, leide
und unruge haben ynn deinem gewissen (Gott gebe das nicht verzweiffeln und ewiges sterben folge) das du dich unter
den Turcken an not williglich gegeben
widder deinen eyd und pflicht. Und must also mit dem leibe dort seyn, Aber mit dem hertzen und
gewissen dich heruber sehnen. Was hastu
denn gewunnen? Warumb bleibstu nicht vorhin heruben?
[ 3 meynedig ABCDEF 5 mueste F můste H 6 Zedechias G vmb kummen H 8 wilkuer H wilkoere I 12
gleich fehlt H 13 Bawern I 17 heraus GI 18 muessen FI muessenn H 19 yhrer H 25
yhn] yhm ABCDEF jhm G ym H jm I 29 muessen F müssen H muehen FI mueen H 31 vnrhů H 31/32
verzweiueln I 32 on H 35 gewonnen I
bleistu [so] ABCDE bleibestu I
herüber H]
[Seite 139]
Zum Andern das solche trewlose, abtrunnige,
meyneidige leute uber das alles noch
viel grewlicher sunde thun, nemlich das sie sich teilhafftig machen aller grewel und bossheit der Turcken. Denn
wer sich williglich unter die Turcken
gibt, der macht sich yhr geselle und mitgenossen1 alle yhrer thaten. Nu haben wir droben gehoert was der Turck fur
ein man sey, nemlich ein verstorer,
feind und lesterer unsers herrn Jhesu Christi Und an stat des Euangelion und glaubens seinen schendlichen
Mahometh und alle lugen auffricht, Dazu
alle weltliche Oberkeit und hauszucht2 odder ehestand verwuestet Und sein kriegen nichts anders, denn Mord und
blut vergiessen ist als eins rechten Teuffels
gezeug.3 Sihe solcher schrecklicher grewel mus der teilhafftig seyn, wer sich selbs zum Turcken gesellet und
wird alle der Mord und alle das blut, so
der Turcke yhe vergossen hat, auch alle die lugen und untugent, damit er Christus Reich verstoret und die
seelen verfurt, auff seinen kopff komen.
Es ist iamers gnug, Wenn yemand mit gewalt und unwillen mus unter solchem bluthunde und Teuffel seyn,
seine grewel sehen und hoeren, wie [2.
Petri 2, 7] der frume Lot zu Sodom thun und sich leiden muste, als S. Petrus
schreibt, Jst nicht not, solchs
williglich zu suchen odder begeren.
Ja wie viel lieber solt einer zweymal
als ein gehorsamer unter seinem
Oberherrn ym Kriege sterben, denn das er mueste wie ein armer Lot
unter solche Sodom und Gomorren mit
gewalt bracht werden, schweige denn das
eim frumen menschen gelues- [Bl. G 1] ten solt, sich williglich drein zu
geben, dazu mit ungehorsam und widder
Gottes gebot und eigen pflicht. Das hiesse
sich nicht alleine teilhafftig machen aller des Turcken und Teuffels
bossheit, sondern die selbigen auch
stercken und foddern4, gleich wie Judas nicht allein der Juden bossheit widder Christum
teilhafftig sich machet, sondern auch
stercket und halff, Pilatus aber nicht so ubel handelt als Judas, wie
Christtus [Joh. 19, 11] zeuget Johan.
xvij.
Zum Dritten Jst auch das solchen leuten
einzubilden durch die Prediger: Wenn sie
sich schon unter den Turcken geben, so haben sie es damit auch fur sich selbs nichts gebessert Und wird yhn gar
weit feylen yhr hoffnung und anschlege.
Denn es ist des Turcken weise, das er alle so etwas sind odder haben nicht lest bleiben, da sie wonen,
sondern setzt sie weit enhindern5 ynn
ein ander land, da sie verkaufft werden und dienen muessen, Und gehet
yhn denn nach dem sprich wort: ‘Lauff
aus dem regen und fall yns wasser’ Und:
[ 1 abtruennige FI abtrünnige H 6
verstoerer FHI 7 Euangelij I vnd
vnglaubens H luegen FHI 7/8
auffgericht H 12 luegen FHI 13 verstoeret FHI 16 fromme H frome I S.] Sant F Sāct H 21 frommen H
fromen I sich fehlt I darein G 24
fordern I 30 feelen H 32 enhynder G 34 Sprichwort I]
[Seite 140]
‘heb einen teller auff und zubrich eine
schussel’, das aus ubel erger wird.1 Und
geschicht auch kaum recht2, Denn der Turck ist ein rechter Kriegsman, der wol anders weis mit land und leuten
umbzugehen, beyde zu gewinnen und zu
behalten, denn unser Keyser, Koenige und Fuersten. Er trawet und gleubt nicht solchen abtrunnigen leuten Und
hat den nach druck, das ers thun kan und
darff nicht also der leute wie unser Fuersten. Solchs sage ich muessen die Prediger und Pfarher bey solchen
abtrunnisschen leuten thun mit vleissigem
vermanen und abschrecken, Denn es ist auch die warheit und not.
Finden sich daruber, die solchs vermanen
verachten und dis alles sich nichts lassen
bewegen: Wolan die las ymer hin faren zum Teuffel, wie S. Paulus
die Griechen und S. Petrus die Jueden
lassen muesten, Es sol drumb die andern
nichts erschrecken. Ja ich wolt, wenns zum streit keme, das solcher keiner unter des Keysers panier were odder bliebe,
sondern alle sampt schon bey dem Turcken
weren: Sie wurden deste ehe geschlagen und solten dem Turcken ym streit schedlicher denn nůtzer3 seyn,
als die beide ynn Gottes, Teuffels und
der welt ungnaden sind und als die zur Hellen gewislich verurteylet.
Denn widder solche boese leute ist gut
streiten, die so oeffentlich und gewis verdampt
sind von Gott und der welt. Man findet manchen muesten verzweifelten
boesen menschen, Aber was etwas
vernunfft hat wird sich on zweiffel an solche vermanung wol keren und sich bewegen lassen, unter dem
gehorsam zu bleiben und yhre Seele nicht
so frech ynn die Helle zum Teuffel schlahen, sondern viel lieber unter yhrem Oberherrn mit allem
vermuegen streiten und sich druber von
den Turcken erwuergen lassen.
So sprichstu abermal: Jst doch der
Bapst wol so boese als der Turcke,
Welchen du auch selbst den Endechrist schiltest mit seinen geistlichen
und anhengern, So ist widderumb der
Turcke wol so frum als der Bapst, Denn er
bekennet ia die vier Euangelia und Mosen sampt den Propheten. Solt
man denn widder den turcken streiten, so
must man eben so wol odder viel mehr
widder den Bapst streiten etc. Antwort: Jch kans nicht leucken, Der
Turcke helt die vier Euangelia fuer
goettlich und recht so wol als die Propheten,
Rhuemet auch Christum und seine mutter fast4, Aber er gleubt gleich wol,
[ 1 einen schüssel H 2 geschicht jnen I
3 wayß G gwinnen F 5 abtruennigen
FI abtrünnigen H 7 abtruennisschen FI abtruennischē H 10 Sanct H 16 als
zůr H 18 verzweiuelten I 19 hate H
zweiuel I on solche H 21
nicht] nit nicht G 22 vermoegen HI
darüber HI 24 sprichst du H 26 from HI 29 leugnen I Tnrcke ABCDE]
[Seite 141]
das sein Maho-[Bl. Gij] meth uber Christum sey
und das Christus kein Gott sey, wie
droben gesagt ist. Gleich aber wie wir Christen das Alte Testament auch fůr Goettliche schrifft erkennen,
Aber doch nu es erfuellet ist und wie
[Apg. 15, 10 f.] S. Petrus sagt Act. 15. on Gottes gnade zu schweer ist,
wirds durchs Euangelion auffgehaben, das
uns nicht mehr bindet: Eben dem nach thut der
Mahometh mit dem Euangelio, gibt fur es sey auch wol recht, Aber es habe lengest ausgedienet1, sey auch zu schweer zu
halten, nemlich ynn den stuecken da
Christus leret, das man alles verlassen sol umb seinen willen und Gott lieben aus gantzem hertzen und der gleichen.
Darumb habe Gott ein ander new gesetz
muessen geben, das nicht so schweer sey und die welt muege halten, Und das selbige gesetz sey der Alkoran.2 Wenn
aber yemand fragt, warumb er kein
wunderzeichen thu zu bestettigen solch new gesetz, spricht er, Es sey nicht not und umbsonst, Denn es haben doch
die leute vorhin viel wunderzeichen
gehabt, da Moses gesetze und das Euangelion auffgieng, und gleubten doch nicht. Darumb muesse sein Alkoran nicht
durch vergebliche wunderzeichen
bestettiget werden, sondern mit dem schwerd, welchs bas nach drucket
denn die wunderzeichen.3 Und ist also
auch gangen und gehet noch also, das bey den
Turcken an stat der wunderzeichen das Schwerd alle ding ausrichtet.
Widderumb ist der Bapst nicht viel
frumer und sihet dem Mahometh aus der
massen ehnlich, denn er lobet auch mit dem munde die Euangelia und gantze heilige schrifft, Aber er helt,
das viel stueck drynnen und eben die
selbigen, so die Turcken und der Mahometh zu schweer und ummueglich
achten, [Matth. 5, 20 ff.] als die
Matth. 5., darumb deutet er sie und machet Consilia draus, das ist rethe, die niemand zu halten schuldig sey, on
welche es geluestet, wie denn solchs
unverschampt Paris sampt andern hohen Schulen, Stifften und kloestern
bisher
[ 4 Sanct H 6 Euāgelion H 7
schwe||re H 10 moeg H 12 gesetzs H 19 Mahemeth I 20 aus der nasen I 22 Mahemeth
I vnmuglich F vnmueglich GHI 23
Matthei H 24 rethe] Recht I]
[Seite 142]
geleret. Darumb regieret er auch nicht mit dem
Euangelio odder Gottes wort, sondern hat
auch ein new gesetz und einen Alkoran gemacht nemlich sein Decretal, Und treibt dasselbige mit dem
Bann, gleich wie der Turcke seinen
Alkoran mit dem Schwerd. Er heist auch denn Bann sein geistlich [Eph. 6, 17] schwerd, welchs doch allein das
Gottes wort ist und heissen sol, Ephe. 6.
Nicht deste weniger wo er kan braucht er auch des weltlichen schwerds
odder rufft yhe zum wenigsten dasselbige
an und hetzt und reitzt andere dazu. Und
bin des guter zuversicht: Wo der Bapst das weltliche schwerd so
mechtig kuendte fueren als der Turcke,
Es solt an gutem willen villeicht weniger denn
bey dem Turcken mangeln, wie sie denn offt versucht haben.
Und Gott druckt auch auff sie alle
beyde mit gleicher plage und schlegt
[Röm. 1, 24] sie mit blindheit, das yhn gehet wie S. Paulus Rom. 1. sagt
von dem schendlichen laster der stummen sunden, das sie Gott
ynn verkereten synn dahyn gibt, weil sie
Gottes wort verkeren. Denn so blind und unsynnig ist beide Bapstum und Tuercke, das sie beyde die
stummen sunde unverschampt treiben als
ein ehrlich loblich ding. Und die weil sie den Ehestand nicht achten, geschicht yhn recht das eitel hunde
hochzeit1, Und wolt Gott das [Bl. Giij] eitel
hunde hochzeit weren — Ja eitel Welsche hochzeit2 und florentzische
breute bey yhn sind, Lassen sich dazu
duncken, es sey wolgethan. Denn ich grewlich uber grewlich ding hoere, welch ein oeffentliche herrliche
Sodoma die Tuerckey sey, So weis ia ein
iglicher wol, wer zu Rom und ynn Welschen landen sich ein wenig umbgesehen hat, mit waserley zorn und
plage daselbst Gott die verbotten ehe
rechent und straffet, das man Sodom und Gomorra, so vorzeiten mit feur und schwefel versenckt sind, ein
lauter schertz und furspiel3 mus seyn
lassen gegen diese grewel, das mir auch dieses stucks halben des
Tuercken regiment gar hertzlich leyd, ia
gar unleydlich sein solt ynn deudschen landen.
Was sollen wir denn nu thun? sollen wir
widder das Bapstum auch triegen so wol
als widder Tuercken, weil einer so frum ist als der ander? Antwort: Einem wie dem andern, so geschicht
niemand unrecht4, Denn gleiche sunde sol
gleiche straffe haben. Das meine ich also: Wo der Bapst sampt den seinen auch mit dem schwerd da
Keyserthumb angreiffen wolte wie der
Tuercke thut, so sol er so gut sein als der Tuercke, wie yhm denn
newlich fur Pavia5 auch geschehen ist
von keyser Carls heer. Denn da stehet Gottes
[ 2 gesetzs H 9 koendt H an guten I 10 versuecht H 12 das] das
es H S.] Sant F Sanct H 15
Babsthumb H 16 eherlich H 17 das sie eitel Hunde hochzeit haben I hunds H 18 hund H 20 welch] wie H 21
Welschenlanden I 22 daselb F 23 richet H
Sodam H 24 schweuel I 26 Deudschenlanden I land H 27 Babsthumb H 28 frumb G from
HI 29 niemend F 31 Keiserthumb I]
[Seite 143]
[Matth. 26, 52] urteil: ‘Wer das schwerd nympt
sol durchs Schwerd umkomen’. Denn ich
widder den Tuercken odder Bapst nicht rate zu streiten seines falschen
glaubens und lebens halben, sondern
seines mordens und verstorens halben. Aber das
beste am Bapstum ist, das es das Schwerd noch nicht hat wie der Tuercke, sonst wurde er sich gewislich auch
unterstehen alle welt unter sich zu bringen
Und brechte sie doch nirgent hin denn zu seines Alkorans (das ist
seiner Decretalen1) glauben. Denn das
Euangelion odder Christlichen glauben acht
und kennet er ia so wenig als der Tuercke, wiewol er auch mit fasten
(die er doch selbst nicht helt) eine
grosse Tuerckissche heiligkeit furgibt, und sind also des rhumes wol werd, das sie dennoch dem
Tuercken gleich sind, ob sie wol Christo
widder sind etc.
Aber widder das Bapstum, seines
yrthumbs und boesen wesens halben, ist
der Erste man herr Christianus auffgewacht und greifft yhn mit dem gebet und Gottes wort frisch an, hat auch
getroffen, das sie es fulen und [Matth.
3, 10] wueten. Aber es hilfft sie kein wueten, die axt ist an den baum gelegt,
der baum mus ausgewurtzelt werden, wo
sie nicht ander frucht bringen, als ich
denn wol sehe, das sie gar nichts sich gedencken zu bessern, sondern yhe
lenger yhe halstarriger werden und
wollen mit dem kopff hyndurch Und rhuemen:
‘Drein odder druber, Bisschoff oder Bader’.2 Und halt sie wol so frum,
ehe sie sich besserten odder von yhrem
schendlichen wesen abliessen (das sie doch
selbs und alle welt bekennen, das nicht taug noch leidlich ist) sie
begeben sich ehe zu yhrem gesellen und
bruder, dem heiligen Tuercken. Wolan unser hymlisscher Vater erhoere auch yhr eigen gebet balde, das
(wie sie sagen) Drein odder druber,
Bisschoff odder Bader werden, Amen. Sie wollens so haben: Amen, das geschehe und werde war, wie es
Gotte wolgefellet.
Weiter sprichstu: Wie kan der Keyser
Carol zu dieser zeit widder den Tuercken
streiten, weil er solch grosse hindernis und verretherey widder sich hat [Bl. G iiij] Von Koenigen, Fuersten,
Venedigern und schier von yederman? Antwort:
Was man nicht heben kan sol man liggen lassen3: koennen wir nicht weiter, so můssen wir unsern herrn
Jhesum Christ durch seine zukunfft lassen
raten und helffen, welcher doch nicht ferne sein kan. Denn die welt ist
ans ende komen, Das Romisch reich ist
fast dahin und zu rissen und stehet gleich
wie der Juden Koenigreich stund: Da Christus geburt nahe komen war4,
[ 1 vmb kumen H vmbkomen I 3
verstoerens FHI 4 Babsthumb H Bapstumb I 5 gewislch [so] ABCDE 6 seiner fehlt H
9 heilickeit G 12 Babstumb H Bapstumb I 15 wueten FGI wůten H 16 fruecht H
19 frumb G fromm H from I 25 wolgefellet, Amen. I 28/29 Antwortet ABCDEFI 29
nit (1.) H ligen GHI 32
Roemischreich I 33 nahen H]
[Seite 144]
hatten die Jueden schier nichts mehr von yhrem
Koenigreich, Herodes war die letze. Also
duckt mich itzt auch, weil das Roemissch Keyserthum fast dahin ist, sey Christus zukunfft fur der thuer Und
der Turck sey solchs reichs die letze
als eine ubergabe1 nach dem Roemisschen Keyserthum. Und gleich wie Herodes und die Jueden aneinander2 feind
waren und doch widder Christum zu samen
hielten, Also sind Tuercke und Bapstum auch untereinander feind Und halten doch widder Christum und sein reich zu
samen.
Doch was der Keyser thun kan fur die
seinen widder den Tuercken, das sol er
thun, auff das, ob er nicht gantz solchem grewel steuren kan, doch so viel es mueglich ist mit weren und auffhalten
sich vleyssige, seine unterthanen zu
schutzen und retten. Zu welchem schutz solt den Keyser nicht allein bewegen seine schuldige pflicht, Ampt und Gottes
gebot, Nicht allein das unchristlich und
wuest Regiment, das der Tuerck ynn die land bringet (davon droben gesagt ist) sondern auch der iamer und das elend, so
den unterthanen geschicht. Welchs on
zweiffel sie wol besser wissen denn ich, wie der Tuercke grausamlich handelt mit denen, so er gefangen weg furet,
gleich wie mit eym viehe: schleifft,
schleppt, treibt, was fort kan, was aber nicht fort kan, flugs erstochen, es sey iung odder alt etc. Welchs alles und
der gleichen billich solt alle Fuersten
und das gantze reich zur barmhertzigkeit bewegen, das sie yhr eigen sachen und hadder eine weil vergessen odder
liegen lassen Und hie mit gantzem ernst
eintrechtiglich den elenden hoelffen, das nicht vollend gehe wie es mit Constantinopel3 und Kriechen land4 gieng,
Welche auch so lange miteinander
hadderten und yhrer sachen warteten, bis der Tuercke sie alle
miteinander uber weldiget, wie er denn
schon auch uns eben ynn gleicher sachen fast nahe komen ist. Sols aber nicht seyn und unser
unpusfertig leben uns aller gnaden, rats
und trosts unwerd machet, so můssen wirs lassen gehen und unter dem
Teuffel uns leyden, Aber damit
unentschuldigt die, so hie helffen solten und thuns nicht.
Jch wil aber hiemit gar deuedlich
gesagt und bezeuget haben, das ich nicht
umbsonst den Keyser Carol genennet habe den man, der da widder den Tuercken kriegen sol. Andere Koenige,
Fuersten odder Oberkeit, so Keyser Caroln
[ 2 letzte ABCDEFGHI Kayserthumb H 4 letzte ABCDEFGHI Kayserthumb H 5 feinde H 6 Babsthumb
H vnternander I 15 zweiuel I 16
wegfueret I 17 fluchs FH 19 barmhertzickeit G 21 helffen G helffenn H huelffen
I follent I 24 nahen H 29 Carl I
30 Carlon ABCDEFGH Carl I]
[Seite 145]
verachten odder nicht unterthan sind odder
nicht gehorsam seyn wollen, die las ich
yhr ebentheur stehen.1 Auff mein raten odder vermanen sollen sie nichts thun: Jch hab Keyser Carl und den
seinen hierynn geschrieben, die andern
gehen mich nichts an. Denn ich kenne den stoltz wol ettlicher Koenige und Fuersten, die gerne wolten, das Keyser Carl
nichts were und sie selbs weren die
helden und meister, die widder den Turcken ehre einlegten. Jch gan yhn der ehren fast wol, Werden sie aber auch
druber geschlagen, so haben sie es
yhnen.2 [Bl. H 1] Warumb halten sie sich nicht mit demut an das rechte heubt und ordenliche oeberkeit? Die auffrur3
ynn den baurn ist gestrafft, Solt man
aber den auffrur ynn den Fuersten und herrn auch straffen, Jch acht es solten gar wenig Fuersten und herrn
bleiben. Wolan Gott gebe, das der
Tuercke nicht zu solcher straffe meister4 werde, Amen.
Am ende wil ich gar freundtlich und
treulich geraten haben, wenns dahin
kompt das man widder den Turcken streiten wil, So wolte man sich ia so ruesten und drein schicken, das wir den
Turcken nicht zu geringe halten und stellen
uns, wie wir Deudschen5 pflegen zu thun, komen daher mit .xx. odder .xxx. tausent man geruestet. Und ob uns
gleich ein glueck bescheret wuerd das
wir gewinnen, haben wir keinen nachdruck, setzen uns widderumb nidder und zechen ein mal, bis widder not wird.6 Und
wie wol solch stueck zu leren ich
ungeschickt bin und sie selbs freylich beser wissen odder yhe wissen
solten: Weil ich aber sehe das man sich
so kindisch dazu stellet, mus ich dencken das
entweder die Fuersten und unser Deudschen des turcken macht und gewalt
nicht wissen noch gleuben, odder kein
ernst sey widder den Turcken zu streiten,
sondern villeicht, wie der Bapst bis her mit dem namen des Tuerckisschen
krieges und ablas das gelt aus Deudschen
landen geraubt hat, also wollen sie auch
dem Bepstlichen exempel nach itzt uns auch umbs gelt nerren.
Darumb ist mein rat, das man die
ruestung nicht so geringe anschlahe und
unser armen Deudschen nicht auff die fleischbanck opfferre. Wil man nicht einen statlichen redlichen widderstand thun,
der einen nachdruck habe, so were viel
besser den streit gar nicht angefangen und dem Turcken on vergeblich blut vergiessen zeitlich7 eingereůmet land
und leute, denn das er mit solcher leichter
schlacht und schendlich blut vergiessen doch gewinnen solt, Wie es
geschach ynn Hungern mit Koenig
Ludwigen. Denn widder den Turcken kriegen ist nicht
[ 2 obentheur I 17 wirt G wůrde H
wuerde I 19 wider nider I 20 vngeschicht I 25 Deudschenlanden I 28 opfferen G]
[Seite 146]
als widder den Konig von Franckreich,
Venediger odder Bapst kriegen: Er ist
ein ander kriegsman. Er hat volck und gelts die menge, Er hat den
Soltan1 zwey mal nach einander
geschlagen, da hat volck zu gehoeret. Lieber, sein volck sitzt teglich ynn der rustunge, das er bey
drey oder vier hundert tausent man bald
kan zusamen bringen. Wenn man yhm ein hundert tausent man abschluge, so ist er bald widder da mit so viel man und
hat doch den nachdruck.
Darumb ists ia nichts, das man yhm wolt
begegenen mit funfftzig odder sechtzig
tausent man, wo nicht noch so viel odder mehr ym hinder halt2 ist. Denn, lieber, zele du sein land: Er hat gantz
Kriechen, Asian, Syrien, Egypten,
Arabien &c.: das ist so viel landes, das wenn gleich Hispanien,
Franckreich Engelland, Deudschland, Welschland,
Behemen, Hungern, Polen, Denemarck alle
zu samen gerechent werden, dennoch seinem lande noch nicht gleich sind Und er ist dazu der selbigen alle mechtig ynn
trefflichem bereitem gehorsam Und sitzen
auch (wie gesagt) ynn teg-[Bl. H ij]licher, merglicher rustung und ubungen des streits, das er kan nach drucken
und zwo, drey, vier grosse schlacht nach
einander uberliefern, wie er mit dem Soltan beweiset hat. Es ist ein ander Maiestet mit diesem Gog und Magog, denn
mit unsern Koenigen und Fuersten.
Solchs sage ich darumb das ich besorge,
meine Deudschen wissens odder glaubens
nicht, Dencken villeicht sie seyen alleine mechtig gnug und halten den Turcken etwa fur einen herrn als den Konig zu
Franckreich &c.., dem sie leichtlich
widderstehen wollen. Aber ich wil warlich entschuldigt sein und meine
zunge und fedder mit dem blut nicht
beschweret haben, so sich ein Konig odder Furst
allein widder den Turcken legt. Denn es heist Gott versucht, wenn
yemand mit geringer macht sich an einen
mechtigern Konig macht, wie Christus ym
[Luk. 14, 31] Euangelio Luce auch anzeigt, Sonderlich weil unser Konige
nicht so geschickt sind, das man
gottlicher wunderwerg sich bey yhn versehen mocht. Der Konig zu Behemen3 ist itzt ein mechtiger Furst,
Aber Gott sey dafur das er nicht allein
sich an den Turcken lege, sondern habe Keiser Carol zum heubtman
[ 5 man (2.) fehlt H
[Seite 147]
und nachdruck1 mit aller macht. Wolan, Wers
nicht gleubt, den las ichs aus der
erfarunge lernen. Jch weis wol, was des Tuercken macht fur eine macht ist, Es liegen mir denn die Historici und
Geographi neben der teglichen erfarung,
welchs sie mir nicht thun, das weis ich.
Das sage ich nicht darumb, das ich wolt
die Koenige und Fuersten abschrecken vom
streit widder den Turcken, Sondern das ich sie vermane weislich und mit ernst dazu sich ruesten und nicht so
kindisch und schlefferig die sachen
angreiffen. Denn ich wolt gerne vergeblich blut vergiessen und verlorne
kriege verkomen2, wo es ymer gesein3 mochte.
Dieser ernst were aber der, wenn unser
Koenige und Fuersten yhre sachen die weil auff ein klewel4 wuenden und hierynn beide kopff und hertz, beide hende
und fuesse zusamen thetten, das ein
einiger leib were eines mechtigen hauffens, Aus welchem man (ob eine
schlacht verloren wurde) nach zu setzen
hette, Und nicht wie bis her geschehen eintzele
Koenige und Fuersten hinan lassen ziehen, gestern den Koenig zu Hungern,
heute den Koenig zu Polen, morgen den
Koenig zu Behemen, bis sie der Tuercke einen
nach dem andern auffrese Und nichts damit ausgericht wuerd, denn das
man unser volck verret und auff die
fleischbanck5 opffert und unnuetzlich blut vergeust.
Denn wo unser Koenige und Fuersten
eintrechtiglich einander beystunden und
huelffen, dazu der Christen man auch fur sie bettet, Wolt ich unverzagt und groesser hoffnung sein, der Turcke solte
sein toben lassen und einen man an
Keiser Carol finden, der yhm gewachssen were. Wo aber nicht, sondern solt also gehen und stehen wie es itzt gehet
und stehet, das keiner mit dem andern
eines noch unternander trew, ein iglicher fur sich ein man sein wil odder mit eim bettels reuterdienst6 zu felde
zeucht, mus ichs geschehen lassen, wil
auch zewarten gerne helffen beten. [Bl. H iij] Aber ein schwach gebet
wirds sein, denn ich zu mal wenig
glaubens drynnen haben kan, das7 erhoeret
werde, weil man so kindisch, vermessenlich und unfursichtig solche
grosse sachen fur nympt, da ich weis das
Gott versucht wird und kein gefallen dran
haben mag.
[ 5 die fehlt H 9 Eernste H 11 hertzs H
13 wůrden H 16 wirt G 17 verraethe H verreht I 18/19 beystuenden vn̄ hulffen G 21 Carl I 23 vnter
einand' H 24 bittels H 25 zů warten H zwarten I 26 darinnen I 28 da] das
H]
[Seite 148]
Aber was thun unser lieben herrn? Sie achtens
fur ein lautern schertz Und wie wol es
war ist, das uns der turcke auff den hals komen ist, ob er gleich dis iar nicht widder uns auszihen
wolt, doch alle stunde geruest und
geschickt fur handen ist, uns ungerusten und unbereiten anzugreiffen,
wenn er wil: So handeln unser Fursten
die weil, wie sie den Luther und das Euangelion
plagen, das ist der Turcke, da ligt die macht1 an, das mus fortgehen. Gleich wie sie auch itzt eben zu Speyr thun:
Da ist das groesseste umbs fleissch und fisch
essen zuthun2 und der gleichen narrn werck. Das euch Gott ehre3, yhr untrewen heubter ewr armen leute4:
welcher Teuffel heist euch so hefftig
mit den geistlichen unbesolhenen sachen umbgehen, welche Gott und das
gewissen betreffen, und so lass und faul
die sachen handeln, die euch von Gott befolhen
und euch und ewr arme leute angehen itzt ynn der hoehesten und nehesten
not, Und damit nur hindert alle die
ienigen, die es hertzlich gut meinen und gerne
dazu theten? Ja singet die weil und horet Messe vom heiligen geist: Er
hat grosse lust dazu und wird euch
ungehorsamen widderspenstigen fast gnedig sein,
weil yhr das lasset ligen, das er euch befolhen und das treibt, das er
euch verboten hat. Ja der boese geist
mocht euch hoeren.
Jch wil aber hie mit mein gewissen
verwaret haben5, denn waserley masse und
weise ich zum Tuerckenkriege rate, sol dis Buechlin mein zeuge sein: Feret yemands anders, den las ich faren, Gott
gebe6 er siege odder lige. Jch wil
seines sieges nicht geniessen und seiner nidderlag nicht entgelten,
sondern von allem vergeblich vergossenem
blut entschuldigt sein. Denn wie wol ich
weis das ich mit diesem Buche keinen gnedigen herrn am Turcken finden werde, so es fur yhn kompt, so hab ich doch
meinen deudschen die warheit so viel mir
bewust anzeigen und beide danckbarn und undanckbarn trewlich raten und dienen wollen. Hilffts so hilffts,
hilffts nicht, so helffe unser lieber
Herr Jhesus Christus und kome vom hymel erab mit dem iungsten
gericht und schlage beide Turcken und
Bapst zu boden sampt allen tyrannen und
gottlosen Und erloese uns von allen sunden und von allem ubel, AMEN.
[ 7 Speier I 13 hyndern H maynen G 15 grossen H 19 weys vnd masse
H 20 yemand G jmand I 21 Sigs I 22/23 ichs mayß H 26 dienen] helffen H 27 herab
GI]
[Seite 149]
[Einleitung]
[Seite 149]
“Weil der Türke uns nahe kommt”, hatte
Luther in der Widnung seiner Schrift “Vom Kriege wider die Türken” an den
Landgrafen Philipp geschrieben. Das Wort war prophetisch. Am
Luthers Briefe aus dieser Zeit spiegeln
diese Ereignisse wieder. Jm Juli sind Gerüchte aus Ungarn zu ihm gedrungen von
einem unermeßlichen Türkenheer, das sich gegen Deutschland heranwälze. Am 17.
October erfährt er auf der Rückreise vom Marburger Gespräch in Torgau, daß die
Türken vor Wien stehen und, während er bis dahin unterwegs gutes Muts gewesen,
wird er jetzt von bangster Sorge erfüllt; auch körperliche Leiden stellen sich
wieder ein. Jhm und Melanchthon kommen Gespräche wieder in den Sinn, die sie in
Marburg und Eisenach mit Friedrich Mykonius geführt hatten. Von seltsamen
Weissagungen des Franziskanermönchs Johannes Hilten hatte er ihnen erzählt, der
schon vor Jahren in Daniels dunkeln Prophezeihungen die Türkennot habe
vorausgesagt gefunden. Gleichzeitig schreiben Melanchthon und Luther an
Mykonius und bitten ihn, ihnen doch ganz genau aufzuschreiben, was er von der
Sache wisse. Und wenige Tage späater verrät Luther, nach Hause zurückgekehrt,
in bangen Briefen Conrad Cordatus und Nikolaus Hausmann in Zwickau die Sorge
seines Herzens, teilt letzterem, dem ständigen Teilhaber seiner literarischen
Pläne, auch bereits mit, daß er auf eine Ermahnung der Deutschen gegen der
Türken Ansturm sinne. Aber kaum eine Woche später ist frohe Botschaft nach
Wittenberg gekommen: “Heri accepimus Turcam discessisse a Vienna versus
Hungariam magno Dei miraculo” schreibt Luther am 27. Oktober an Amsdorf und
verrät die Freude seines Herzens in dem ausführlichen Bericht, den er dieser
Kunde hinzufügt.
Am gleichen 26. Oktober aber, an dem
ihn die Nachricht vom Abzug der Türken erreicht hat, hat er noch Hausmann
gegenüber seinen Befürchtungen und
[Seite 150]
trüben Ahnungen Luft gemacht: “ego
usque ad mortem luctor adversus Turcas et Turcarum Deum” schreibt er.
Gleichzeitig teilt er ihm jetzt den Titel seiner neuen Türkenschrift mit und
verrät schon durch bestimmte Andeutungen, daß der Plan der Schrift ihm bereits
feststeht. Und er hält an ihm dann auch trotz der plötzlichen Wendung der Dinge
fest. Gleich nachdem ihm diese bekannt geworden, vielleicht schon am 28.
Oktober, an dem er an Johann Lange neben der frohen Meldung zugleich die
resignierten Worte schreibt: “nos Germani stertimus semper”, die mit der
Anfangstimmung der Schrift wohl zusammenstimmen, muß er sich angeschickt haben
zu der “Heerpredigt wider den Türken”.1
Weit mehr, als die erste Türkenschrift
“Vom Kriege...” ist sie ein Mahnruf ans deutsche Volk, sich des Türken zu
erwehren. Wohl kehren auch hier Mahnungen wieder, wie jene sie ausgesprochen,
ja Luther bezieht sich ausdrücklich auf sie zurück, aber gerade daß er für
manche Hauptgedanken, die er in ihr zum Ausdruck gebracht, auf sie
zurückblickt, zeigt, daß er mit der “Heerpredigt” im Grunde etwas anderes will.
Wollte er dort mehr mahnen und warnen, so will er hier mehr ermutigen.
Vorherrschend sind hier die Ermahnungen für “die Faust”. Die bange Sorge, die
man in den letzten Monaten und vor allem in den letzten Wochen ausgestanden um
den Feind, der nichts verschone, weder alt noch jung, weder Mann noch Weib, klingt
in den Kriegsfanfaren der Schrift deutlich nach.
Besonders charakteristisch aber sind
ihr die Beziehungen auf Daniel, auf Ezechiel und die Offenbarung. Sie sind
veranlaßt durch des Mykonius Mitteilungen, von denen wir hörten, und über die
ein späterer Brief an Luther, vom
Auch Melanchthon wurde durch die mit
Mykonius geführten Gespräche veranlaßt, an einer Türkenschrift zu helfen. Wohl
ging unter Justus Jonas' Namen aus, doch war von Melanchthon entworfen und
disponiert:
“Das sie-||bend Capitel Da||nielis /
von des Tuercken || Gotteslesterung vnd || schrecklicher mor-||derey / mit vn-
|| terricht || Justi Jonae. || Wittemberg. ||” (Mit Titeleinfassung, auf der
Titelrückseite eine Erdkarte3, die sich auf Bl. Cb wiederholt. 16 Blätter in
Quart. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg / || durch Hans Lufft. ||” Vorhanden:
Leipzig U., München HSt.)4
Dem Landgrafen Philipp von Hessen
gewidmet, ist die Schrift, auch abgesehen von den auf Daniel und Ezechiel sich
beziehenden Partien der “Heerpredigt” mehrsach
[Seite 151]
verwandt. Neben einer Übersetzung des
7. Kapitels des Propheten Daniel, die nachher Luther bei seiner Übersetzung
vorgelegen haben wird, bringt sie dazu die Auslegung; außerdem aber auch eine
Unterweisung über türkisches Wesen und türkisches Regiment.
Daniels Weissagungen wurden Luther
Veranlassung, nach Kap. 11, 36 neben den einen Feind der Christenheit auch
wieder, wie in der Schrift “Vom Kriege..”, den andern, den Papst, zu stellen,
der der sei, der mit List und falschem Gottesdienst über alle Götter sich
erhebe. Und noch einmal kommt er am Schluß der Schrift auf ähnliche Gedanken,
wenn er die von den Türken etwa gefangenen Christen tröstet, daß sie unter dem
Teufel dort, dem Türken, noch längst nicht so schlimm daran seien, wie unter
dem Teufel hier, denn jener zwinge sie doch nicht, seinen Glauben anzunehmen
und Christus zu verleugnen. Trotz der großen Not, die der Türke der
Christenheit bereitet, hat Luther über ihn doch nicht seinen vornehmsten
Gegner, den Feind seines Lebens, vergessen.1
Sehr bald ging von der “Heerpredigt”
eine zweite Ausgabe (s. S. 152 B) aus, ja sie wird der ersten unmittelbar
gefolgt sein. Denn wenn Luther am
Als 1541 die Türkengefahr wieder
besonders dringend wurde und man eine neue Belagerung Wiens fürchten mußte, als
der Kurfürst von Sachsen aufs neue anordnete, daß das Volk zum Gebet wider die
Türken solle vermahnt werden, und Luther eine “Vermahnung” dazu ausgehen ließ,
da erlebte auch die “Heerpredigt” noch einige neue Ausgaben (unten G und H).
Vielleicht hat Luther selbst noch einmal Hand an sie gelegt; wenigstens ist die
Daniel-Stelle nach der inzwischen festgestellten endgültigen Fassung der
Bibelübersetzung umgestaltet.
Ausgaben.
A “Eine Heer-||predigt widder || den
Tŭrcken. || Mart. Luther. || Wittemberg. || MDXXIX. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 30 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.
Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz, Anno || MDXXIX.
||”3
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Aschaffenburg, Berlin (Luth. 5391), Breslau St. und U., Dessau, Dresden,
Eisleben, Erlangen4, Gotha, Göttingen, Halle Wais., Hamburg, Heidelberg,
Helmstedt (3), Hirschberg Gymn., Jena, Beste Roburg, Königsberg U., Leipzig U.
(2, eines unvollst.), Lübeck, Magdeburg, München HSt. und U., Münster, Nürnberg
GM., Rostock, Straßburg, Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel (4), Zittau St.;
Amsterdam U. Sem., London. — Erl. Ausg. 31, 80 Nr. 1.
Bogen F hat nur zwei Blätter.
B wie A, doch Zeile 1, 2, 3 und 5 des
Titels rot, Zeile 6 “MDXXX.” Auf der Titelrückseite eine Karte der alten Welt
in Holzschnitt, die
[Seite 152]
sich auf Blatt A 4b wiederholt. 30
Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch ||
Nickel Schirlentz. ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Altenburg, Arnstadt, Berlin, Breslau St., Dresden (unvollst.), Heidelberg,
Leipzig U. (2, eines unvollst.), München U., Wittenberg L., Wolfenbüttel,
Zerbst Francisceum. — Erl. Ausg. 31, 81 Nr. 4.
Bogen F hat nur zwei Blätter. B hat
gegen A durchaus neuen Satz.1
Ca “Eine Heer-||predigt wider den ||
Turcken. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrueckseite bedruckt. 22 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende:
“Gedruckt zů Nuernberg durch || Johann Stuechs. ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Arnstadt (2), Aschaffenburg, Bamberg, Berlin, Halle U., Heidelberg, München H.
und U., Nürnberg GM., Stuttgart, Weimar, Wittenberg L., Wolfenbüttel, Würzburg
U.; Schaffhausen St. (2).
Bogen E hat nur zwei Blätter.
Cb wie Ca, doch Z. 1 des Titels: “Heer
||”. Vorhanden in Berlin (Luth. 5394), Wittenberg; Amsterdam U. Sem., Prag U.
(nur Bogen A und B.). — Erl. Ausg. 31, 80 Nr. 2.
D wie C, nur Zeile 3 des Titels:
“Tütcken.”, am Ende: “Gedruckt zů Nuernberg bey || Johann Stüchs. ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin (Luth. 5395), Eßlingen, Hamburg, Veste Koburg, Königsberg U., Straßburg,
Wernigerode; Olmütz. — Erl. Ausg. 31, 81 Nr. 3.
D hat gegen C durchaus neuen Satz.
E “Eine her- || predig wider || den
Türckē. || Mar. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 44 Blätter in Oktav, das letzte leer.
Am Ende: “Gedruckt zu Nurn- || berg durch Fride- || rich Peipus. || 1530. ||”
Vorhanden in Danzig St.
F “Ein heer || predigt wid- || der den
Tuer- || cken. || Martinus Luther. || M. D. xxx ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 44 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am
Ende: “Gedruckt zu Marpurg. || den iiij. tag Martij. ||”
Vorhanden in Arnstadt, Nürnberg St.,
Wolfenbüttel. - Fehlt Erl. Ausg.
Bogen E hat nur vier Blätter. Druck von
Franciscus Rhode (v. Dommer unbekannt).
G “Eine Heer- || predigt, Wider den ||
Tuercken. || D. Mart. Luther. || Wittemberg. || 1 5 4 1 . ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.
Am Ende: “Gedrueckt zu Wittenberg, durch || Georgen Rhaw. ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.
(unvollst.), Berlin (Luth. 5398), Bremen; Breslau St., Gotha, Halle Wais.,
Heidelberg, München U., Nürnberg GM., Rostock, Stuttgart, Wolfenbüttel,
Zwickau; London.
[Seite 153]
H “Eine Heer- || predigt, Wider || den
Tuercken. || Mart. Luth. || Wittemberg. [so] || 1 5 4 2. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 36 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Oben auf der
vorletzten steht: “Gedrueckt zu Wit- || temberg, durch || Nickel Schir- ||
lentz. Anno || M. D. XLII. ||”
Vorhanden in Bamberg, Berlin (Luth.
5402), Celle, Danzig St., Dessau, Eisenach, Freiburg U., Gotha, Hamburg,
Heidelberg, München HSt., Stuttgart (Titel sehr verletzt), Weimar, Wittenberg
L., Wolfenbüttel (2); London, Zürich U. - Erl. Ausg. 31, 81 Nr. 6.
Auf Blatt B 1a der Holzschnitt der
alten Welt wie in B.
I wie H, doch Zeile 2 des Titels:
“Predigt”, Zeile 5: “Wittemberg.” Vor der Schlußschrift steht noch ein Stück
Text auf der vorletzten Seite.
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Berlin (Luth. 5401), Dessau, Dresden (2), Erfurt Kgl., Frankfurt St., Görlitz
Milich. (Bl. B 1a fehlt), Hamburg, Heidelberg, Veste Koburg, München HSt.,
Straßburg, Tübingen, Wittenberg L., Worms, Zittau St., Zwickau; London. - Fehlt
Erl. Ausg.
I hat gegen H durchaus neuen Satz.
K “Ein Heer- || predigt, Wider [so] den
|| Türcken. || Mart. Luth. || M.D.XXXXII. ||’ Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 27 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zů Augspurg durch || Hainrich Stainer. ||”
Vorhanden in der Knaakeschen Slg.,
Heidelberg, Karlsruhe, München HSt. (Blatt A 4 fehlt); Jnnsbruck.
Bogen A hat fünf, Bogen G nur zwei
Blätter. Auf Seite A 5a ein Nachschnitt der Weltkarte wie in BHI.
L “Ein Heerpre || dig, Wider den ||
Türcken. || Mart. Luth. || Wittemberg. || 1542. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 28 Blätter in Quart, das letzte leer. Am Ende: “Getruckt
zů Straßburg bey Hans Preussen, || Jm jar M. D. xlij. ||” Vorhanden in
Zürich St.
Spätere Drucke.
M “Leonhardt Fronspergers Kriegßbuch,
Dritter Theyl” (Franckfurt 1573, s. Krieg wider den Türken M) enthält auf Bl.
CCCXXXXIIa bis CCCLIIb “Eine Hehrpredig wider den Tuercken, Doct. Martin
Luthers. Anno M. D. XXIX.”
Vorhanden in Bamberg, Wolfenbüttel.
N “Heerpredigt D. Martin Luthers, wider
den Tuercken....[o. O.].M.D.XCIII.”
Vorhanden in Wernigerode (vgl. Vom
Kriege wider den Türken N.). — Vor dem Text der Heerpredigt 3, nachher 9 Seiten
Gebete, Bibelzitate und Stellen aus andern Lutherschriften.
O Die “Antiturcica Lutheri” Leipzig
1596 (s. Krieg wider den Türken O) enthalten auf S. 106 –197 die Heerpredigt.
Vorhanden in Jena.
P Der “Ottomannus Theologicus” Eißleben
1601 (s. Krieg wider den Türken P) enthält als zweiten Bestandteil die
Heerpredigt.
Vorhanden in Celle.
[Seite 154]
Q “Dr. Martin Luthers Heerpredigt wider
den Türken. Nach der Original-Ausgabe vom Jahre 1530 in der Sprache der
damaligen Zeit abgedruckt. Quedlinburg und Leipzig, bei Gottfr. Basse. 1826.”
Bemüht sich, D buchstabentreu
abzudrucken.
R Theodor Mundts Ausgabe von “Martin
Luthers politischen Schriften” (s. Krieg wider den Türken S) enthält in Bd. 3
S. 109 –148 einen Abdruck der Heerpredigt, so frei, daß sich die Vorlage nicht
erkennen läßt.
Die Schrift erscheint in den
Gesamtausgaben Wittenberg 2 (1548) 553b –569b, (1551) 538b –553a, (1557) 458b
–470a; Jena 4 (1556) 487b –502b, (1574 und 1586) 472a –486b; Altenburg 4 (1661)
565 –580; Leipzig 22, 356 –371; Walch 1 20, 2691 –2741; Walch 2 20, 2154 –2195;
Erlangen 31 (1842) 80 –121.
A ist der in großer Auflage verbreitete
Urdruck, von dem Luther am
G und alle späteren Drucke geben die
Danielstelle 163, 2 –165, 15 nach der endgültigen Fassung der Lutherbibel.
Wegen ihrer starken Abweichungen ist diese Stelle unter dem Texte von A
vollständig noch einmal nach G mit den Abweichungen von HIKL mitgeteilt. G
teilt mit CDE die Masse ihrer Lesarten, von denen gleich 160, 15 wunderbarlich;
161, 2 herfür; 161, 18 noch; 170, 28 wie hernach folget gegen A sekundär sind.
Chronologisch kann G nicht Vorlage
[Seite 155]
eines der Drucke CDE sein, CD kommen
aus den oben angegebenen Gründen nicht als Vorlage von G in Betracht, aber auch
E nicht, weil G mit 161, 30 zuerst; 168, 24 hats; 175, 8 so; 180, 12 jre zu den
von CDE versassenen Lesarten von A zurückkehrt, wozu es hier keinen Anlaß, bei
184, 4 fahr; 185, 23 solten; 186, 1 weil; 187, 10 ernst; 196, 1 fallen; 196, 17
heubt gar keine Möglichkeit hatte, wenn ihm E vorlag. Wir müssen demnach einen
zweiten versornen (Wittenberger?) Druck (X) annehmen, der aus A floß und
seinerseits Vorlage von Y und G ward. HI gehen in viesen sekundären Lesarten
zusammen: 172, 26 koenig fehlt; 174, 25 Christen; 175, 26 gar fehlt; 176, 12
warten; 178, 8 wol; 181, 1 einem und stimmen zu G gegen alle früheren in 161,
15 must; 162, 15 Christ; 162, 26 zwar fehlt; 167, 20 Meden in Persen. I
entfernt sich weiter von G als H: 161, 19 ja so boese; 167, 20 versetzen; 172,
2 Egypten; 178, 12 verlacht. K stimmt mit 172, 26 koenig fehlt; 174, 5 vom dem;
176, 12 warten allein zu HI, mit 166, 16 wurde; 169, 18 dan̄; 170, 29 Jüngsttag; 172, 2 Egyptum;
176, 8 seuchten zu H gegen I. L ist mit 172, 10 noch so vil; 177, 11 kriegt
Vorlage keines andern Drucks, teilt die Lesarten der Gruppe HIK und darüber mit
K allein dessen meiste Sonderlesarten, z. B. 165. 21 anderer; 176, 7 in dem
lufft; 196, 3 so. Anderseits hält sich aber L von so viel Sonderlesarten von K
frei (z. B. 161, 19 ja boeß; 169, 9 dise; 189, 18 eines; 190, 3 alle), daß es
nicht Abdruck von K sein kann, sondern mit diesem aus einer verlorenen
gemeinsamen Vorlage (Z) geflossen sein muß. Daraus ergibt sich folgender
Stammbaum:
Unserem kritischen Text ist demnach A
zugrunde gelegt. Die Abweichungen von B sind unter dem Texte vollständig
mitgeteilt, die von C bis L nur, soweit sie nicht sprachlicher Natur und derart
sind, daß sich hier zusammenfassend darüber berichten läßt. M bis Q sind nach
Luthers Tode erschienen und textkritisch ohne Belang.
I. Umlaut
1) des a mit ae bezeichnet: veraechter
162, 23 CDEL, maerterer (15) CDE (9) K, taeglich (2) CE (4) L, maegte 190, 2
CD, aertzney 188, 28 E, maechtig u. s. F. (9) K (16) L, Laendern (1) K (4) L,
schaeden(n) 188, 27 KL, Zaene 164, 27, Haende 171, 5 K, faege 170, 23,
Kriegßhaendeln 179, 14, praechtig 189, 29, schaelck 194, 27 L. ae führt K auch
in draewen 170, 31, Vnglaeubigen 188, 6, Zaeuberer 188, 29 ein.
2) des â mit ae bezeichnet von KL in
wunderthaeter 189, 13, von L ganz regelmäßig: gnaedig(klich), faerlich(kent),
kaeme, klaerlich, vnderthaenige, übermaessigem, staetiger, jaemerlich, daecht,
beyschlaefferin.
[Seite 156]
3) Es führen ein Umlaut des a in
vntersaeß 173, 33 CDE, waegen 178, 24 CDL, genent 169, 16 G, gleubens 167, 16
H.
4) des o in woellen u. s. F. (19) C
(16) D (15) E (7) GH (6) I (13) K (12) L, moerden (11) CE (12) DL (1) H (5) K,
hoeren 162, 19 CDEGHIKL, getödtet 164, 1 DE, Hoehesten 165, 14 CDE, koempt (1)
C (3) D, Koenige 165, 7 E, boeßheit (2) F, [stoessest] 178, 21 GHIK, stoessen
179, 12, gehoercht 182, 21 H, Bischoeff 161, 7, getroest 179, 20 L.
5) des u in fünff u. s. F. (4) CDE (1)
GHI (2) KL, für (5) CDE (3) FK (1) HI (4) L, hynfürt (2) C (1) K (3) L, sünde
m. Formen u. Abl. (11) CD (12) EKL (3) GH (5) I, Türcke, Türckisch (2) CDGHIL
(3) E (1) F (7) K, druecken u. s. F. (1) EK (2) GHI, in kürtz 161, 11 CDIK,
geschüt(t) 181, 12 CDEGHIKL, plündern 183, 20, Buerger 184, 13 CDEGHI, kuend
183, 21 GHIK, wuenderlich 194, 10 GHI, vermuegen 189, 6 E, -ueumb (4),
Tuegenden 195, 3 I, über (stets), überig (4), gewüßt (2), übel (2), üppigkeit
190, 12 L.
6) des uo in muessen (2) CDEGI (1) KL,
drueß 176, 3 CDEGHIKL, fueren u. s. F. (2) CDKL (1) EG, brueder 186, 13 CDEGHI,
rueffen (2) CDEK (1) L, heimsueche 170, 24 G, ueben 168, 30 L.
7) Es beseitigen Umlaut des a in
anfahet 173, CDEL, arbeyt u. s. Abl. (6) CDEKL (4) GHI, schatzung 183, 6 CDG
(2) EHIKL, artzney 188, 28 FHIKL, starcken 192, 6 F, Verachter 162, 23 G, laßt
mit Komp. (3) K (6) L, -macher 175, 3 KL, halten u. s. F. (3), marterer (15),
Gerats 174, 24 L.
8) des au in glauben m. s. F. u. Abl.
(13) CD (15) E (6) GHI (11) K (stets) L, verlaugnen u. s. F. (4) CDE (1) GHIK,
zůhawet 177, 19/20 CDEGHIK, kauffen u. s. Abl. (3) CDGHI (4) EK (2) L,
rauber 191, 27 CDEGHIKL, haußlin 184, 17 C, ausserlichen (2) C (1) DE, Haupt
(haubt) 164, 29, versaumet 183, 12 KL, zauberer 188, 29 L.
9) des o in Konig u. s. Abl. (13) C,
Oberherrn (6) CDGHIKL (5) E (3) F,, Oberkeyt (17) CDEGHIKL (3) F, kommen u. s.
F. (1) CD (3) EGHI, (5) KL, wollen u. s. F. (2) EGH (3) I, trosten 161, 26,
grosser 164, 14, boßlich 183, 11, mochten 185, 20 F, vberbosen 161, 15, gehort
191, 25 G, Gottlich 168, 16 H, Horner 172, 3 HI, kostlich 177, 4 KL, fordersten
163, 28, loblicher 174, 23, stoßt 178, 5, Zollner (3) L.
10) des u in -umb (stets) CDL (30) EGH
(15) F (19) I (28) K, wurde (Konj.) u. s. F. (19) C (18) D (17) E (2) F (4) GIL
(10) H (1) HI (16) K, (vn) schuldig u. i. F. (12) CDEKL (9) F (11) G, (vn)
gedultig u. i. F. (5) CDEK (2) HI, drucken m. F. u. Zss. (3) C (4) DK (1) E (2)
F (6) L, druber (1) CF (2) D, daruber (3) D (1) EF, fur (3) E (7) F (47) G (46)
H (48) I (4) K, gulben (1) EF (5) L, Juden (10) CDEKL (3) F, Turcke m. F. u.
Abl. (34) F (1) HL, stuck(e) (4) F (7) K (8) L, burger (2) F, (4) KL, schmucken
u. s. F. (1) F (3) K (2) L, nutz u. s. F. (1) FHIK (2) L, (vn) gedultig (3) G
(5) L, wurgen u. s. F. (1) DF, funden 183, 24 CDEKL, entzucken u. s. F. (2)
FKL, gewunne 167, 3 HIKL, zuchtigen 183, 13 HI, lufften (1) H (2) I, rugken
163, 23, Lugner 166, 19 KL, flugel (2) C, kurtzest 164, 4, verkundigt (4),
furchten 174, 17, beschutzen u. s. F. (2),
[Seite 157]
mugen (2), iung (3), vngluck 184, 22, verhullet
187, 22, hubschen 188, 6, Spruche 196, 2, Fursten 197, 8 F, dunckel 185, 14,
Junger 194, 20 K.
11) des uo in bucher, buchlin (4),
mussen (5), bruder 187, 22, (be)-huten (2), rhumen 188, 10, furen u. s. Abl.
(2) F, mutiger 174, 13 GH.
II. Sonstiger Vokalismus.
1) Altes â stellt K in wa 4, L 30 mal
her, beseitigt L in gethon (13), vnderthon(en) (7), verthon 181, 17. Jn da
entfernen CD 11, E 5 mal altes a, stellen es E 1, G 3 mal her.
2) ai für altes ei führen ein in kain
stets mit 2 Ausnahmen C, stets D, (48) E, allain(e) (16) CD (7) E, klain stets
D, mainen m. F. u. Abl. (16) C (17) D (13) E, gemain(igklich) (2), raynige 170,
23, waynens 182, 11 CD, rain 186, 27, layd(er) (3) CDE, stain(e) (2) CD (1) E.
Jn K bemüht sich Hainrich Stainer, altes î und ei als ei und ai zu scheiden.
doch ist ihm das gegen die nicht scheidende Vorlage höchst mangelhaft und
streckenweis gelungen. Auf Bogen A ist noch kein ai, das erste B 1a Zeile 3
zaygt, doch sind auch von da ab die ein, kein, zeygt, Heyligen, klein, zwey,
geyst, allein fast häufiger als die in Stainers Sinne korrekten ai-Formen. — CD
haben eine Vorliebe für ey und unterscheiden den Jnfinitiv seyn vom Pronomen
sein.
3) Altes i wird von altem ie in CDL
richtig geschieden, also yederman, yegklich, yetzt, vil, glider, geschriben,
beschriben, dise, spisset, Vereinzelt bleibt zihen, nimmer CD, immer, nirgendt
L. Jm einzelnen führen ie ein in viehe 182, 26 E, yetzt (jetzt) (13) E (11 K),
yetz (13) L, yegklich (jegklich) (7) EK, yederman (jederman) 173, 31 GHIK,
Friede(n) (6) GHI, (1) K, sieghaff(t) 171, 3 GHI, ziehen 180, 9 HIK, regiert
168, 16, gestoltzieret 181, 11 K. ie entfernen in glider (3) E, vil (stets),
dise u. s. F. (stets), frid(en) (2), stil(e)st 193, 3 sowie in den Partizipien
und Plur. Praet. der ersten Ablautsreihe (ge-, beschriben, ver-, getriben,
bliben) EK, spissen u. s. F. (7) EGHIK, sig(en) (11) EK (1) GHI, siben u. s.
Zuss. (6) E (1) GHIK, vihe (1) EK (2) GHI, nimand 167, 11 G, stigen 163, 8, sy
(12) K.
4) u und ů werden in CD richtig
geschieden; ü bezeichnet hier Umlaut des u, ue des ů, daher ändern CD
wueeten, wueten der Vorlage stets in wueten. Ganz vereinzelt bieten sie Buerger
184, 13. F führt ů statt u ein in zů (3). HI bieten statt uee stets
ue, K in wueten u. s. F. (4), wuettig 176, 28. KL geben altes uo stets mit
ů, also: zů, zůr, zům, můß, brůder, růffen,
genůg(sam), můt uff. L scheidet altes ü und üe als ü und ue.
5) Unbetontes e wird zugesetzt
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
[Seite 158]
Zu diesen Zahlen ist zu bemerken, daß
der Marburger Druck F unbetontes e fast nur zusetzt, um die Zeile zu füllen
oder um ein Wort besser abteilen zu können, daher Formen wie lenderen 167, 1,
fuerwitze 174, 3. Die Worttrennung spielt auch bei L ihre Rolle: eheren 191,
23, mach||et 186, 13, geflů||chet 194, 6, ka-||me 193, 25. Bemerkenswert
sind ferner die Präterita ware (2), frasse 163, 8, bleybe 163, 9, schluge 189,
1 in E, warde (1) in EL, sowie die Formen Bischoue (2) GHI, Brieue 185, 21 GH,
daselbest 188, 8, Kriegshendelen 179, 14 HI, Alkayer 167, 23 I, (vn)gehorsame
(12) L. Gehäuft ist Zutritt des e in eine redliche busse 181, 22 E. — Nicht in
obigen Ziffern enthalten sind yhn > jhnen (jnen) (6) CD (10) G (9) HI, den
> denen (2) CDG.
6) Unbetontes e wird beseitigt
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
Erwähnenswert sind aus dieser Zahl
einige ursprünglich dreisilbige Dative, die nach Behaghels Gesetz (Grundriß I2
710) ihr Auslauts-e verloren haben: vom Tuercken krieg (Tuerckenkrieg) 181, 1,
heyland 187, 14 und die unter gleichen Betonungsverhältnissen stehende Formel
Gott zů lieb 182, 3 CDEG HIKL. Jhnen schließt sich an der Genetiv Koenigs
196, 30 L. Nicht selten ist Auslauts-e vor Vokal des folgenden Wortes
ausgefallen, z. B. hab vor Vokal (3) CDEGL (2) HIK, Koenig vnd 161, 6 H, wolle
uns > wol vns 197, 20 F, > woell vns L. Gehäuft ist der Abfall des e in
Türck (41), das letst gekretz vnnd gereuff 171, 28 L.
III. Konsonantismus.
1) Fortis führen ein in Bapst(um) (1) D
(2) EFGHIKL, Amptman 167, 19 CDGHIKL, gepet (5) CDE (1) G, prangen u. s. F. (1)
GHIK (3) L, pracht 190, 13 GHIKL, Heupt (Haupt) (1) GK; Teutsch (stets) CD (13)
EL (1) K, Deütsche (6) K, Teutschlandt (stets) CD (3) E, Deütschland 166, 29,
Teütschland 168, 11 K (5) L, Deutschlandt 180, 20 E, Deutschland F; kuendte
172, 16, maegte 190, 2 CD, vber(über)weltigen 175, 25 CDEGHIKL, Stat(t) 178, 26
EKL, gedultig 192, 27 EHIK, schentlich 161, 10, wart (3), geberten 190, 12,
mort 195, 29 F, wirt (1) F (38) K (stets) L, wirdt (7) K, niemant 172, 8 FK,
schwert (1) FL (6) K, tapffer (1) GHIK (2) L, vierte (5) K (3) L, vierdte (8) K
(4) L, Bro(d)ts 183, 1 IKL, seyt (sitis) 193, 12 K, trucken m. F. u. Abl. (6),
tugenten 195, 3 L; junckfraw(en) (4) CD (2) EK (3) L, vber(über)schwencklichen
191, 11 CDEGL, fluchs (3) CD flucks (3) E, hencken 176, 9, schwanck 196, 3 L.
2) Auslautendes d mandeln gern zu dt in
Endtchrist, endtlich, landt, Schwerdt, wirdt, Kindt CDE, sind = sunt und ex quo
(2) F, todt (1) HIK (11) L, landt 184, 11 K, verwandt 197, 15 KL, schendtlich
161, 10,
[Seite 159]
schwerdt (6), werdt (2), magdt 184, 9,
blindtheit (2) L. Auslautendes g wandeln gern zu gk in wegk, -igklich, yegklich
u. s. F. CDEL, zwangk CDE, schwangk (1) C (2) D, -igklich (6) K, gefengkniß (2)
L. Auslautendes s wandeln gern in ß in biß, daß, groß, auß, můß (muß),
gewiß (lich) CD EFKL, fraß, reiß CDEKL, leßt, gewachssen CDE. Charakteristisch
für L ist sß in fasß, gewisß(lich), rosß, gespisßte, wisß.
3) Lenis führen ein in Babst (umb) (6)
C (2) DF (3) E (1) GH, vnbůß(bus)fertigen 161, 22 CDEGHIKL, gebrenge 188,
3 CDE, brechtig 189, 29 CDEHIK, sambt 182, 31 E, bochen 179, 9 KL; verderb(e)t
169, 26 CDEGHIKL, koende (stu) (2) CD (1) EGHI, tode (1) E (2) K, bedeudet 168,
14 F, dunckeln 171, 5 FIK, nirgend 187, 21 F, niemand 195, 16 FKL, rad (1) GHI
(2) K, leude 170, 26 G, kuende 178, 3 GHI, dranck 190, 25 HIK, vnder (stets
außer 163, 17), Soldan (4), dantzen u. s. F. (2) L.
4) dd vereinfachen GHIKL stets in
wider, nider, oder, gefodert (gefordert), E in wider, nider, während odder
gelegentlich stehen bleibt. F vereinfacht öfter (wider, gefodert), als es dd
einführt (odder). E vereinfacht tt in Got u. s. F.
5) Graphisches h wird im ganzen
häufiger beseitigt als eingeführt: es schreiben vntertenige 174, 8 E,
Tessalonicern (2) F, -tum̄ (stets) K, Mahomet (stets) L, gewenen u. s. F. (2) CDE
(1) G, jn, jr usw. (stets) GHIK, je (ye) (stets) GHIKL, ruemen, geen, steen,
ee, mer u. s. Abl. (stets) KL. Dagegen: rathe 173, 29 E, Jsrahel 169, 20,
Mahometh u. s. Abl. (5), vntherthanen 179, 18 F, ehs (5), ehr (is) (1), ahn
184, 16, Thürcke 166, 12, Junckherrn 182, 17 K, Rhom, Rhoemisch (3), jha (2),
gerathen 173, 18 L, fehrlich (1) GK (2) HI, wehren u. s. F. (2) HI. Befehl
statt befelh schreiben GHI.
IV. Wortformen.
Die r-Formen stellen her in darzů
(darzu) (stets) CDEGK (25) H (22) I (33) L, daruon (darvon) (4) E (3) G (1) HIK
(5) L, darmit (1) EHI (5) K (4) L, dardurch (1) EHK (2) L, darneben (1) EHIKL,
darfur (darfür) (1) HIKL. a führen ein in daran (5) CDEHIK (4) G (7) L, darauff
(1) HI (2) L, darinnen (2) L, darein (2) L. widder > weder (5) CDKL (4)
EGHI. nu > nun (stets) CD (fast stets) EK (37) L. sondern > sonder
(stets) CD (fast stets) EKL (7) F (1) H. dennoch > dennocht (stets) CDE (6)
K. — thum > -thumb(en) (stets) CDEGHI (fast stets) KL. zu- > zur- (2) CD.
denn > dann (2) CD (13) K (6) L. deste > dester (8) CDEKL (7) GHI. -niß
> -nüß (10) CD (stets) E, > -nus (4) G, > -nuß(en) (4) K. foddern u.
s. F. > fordern (8) CDE. -ickeyt > -igkeyt (-igkeit) (4) CDEG, hoehisten
> hoehesten (3) CDEHI (2) GK, nicht > nit (21) F1 (20) K (72) L.
Euangelion > Euangelium (stets) GHIKL. woelch u. s. F. (stets) K. sind >
seind (8) K (57) L. letste (9), sonst > sunst (9), wird > würd (3),
gewest > gewesen (10), selbst > selbs 176, 3 L.
[Seite 160a]
[Bl. A ij]
Wie wol ich ynn meinem buechlin vom
Tuerckenkriege fast genugsam unterricht
gethan habe, mit welcherley gewissen und weise
(wo sichs begebe) der krieg widder den Tuercken solt fuer zu nemen sein, Doch habe ich bey meinen lieben
deudschen die gnade, das sie mir widder
gleuben noch zu hoeren, bis das sie zu
lange harren, und der glaube ynn die hand koemet und denn widder huelffe noch rat da ist, gleich wie dem volck
Jsrael auch geschach, das sie die [1.
Kön. 22, 8. 27] Propheten (als .j. Regum ultimo stehet) so lange verachten, das
zu letzt auch kein rat noch huelffe mehr
da war. Eben so ists uns itzt auch gangen, Niemand wolt gleuben, was ich vom Tuercken schreib,
bis das wirs nu1 mit so grossem iamer
erfaren und so viel tausent menschen2 ynn so wenig tagen erwuerget und weg gefueret gesehen haben. Das wolten
wir haben, Vnd hette nicht Gott
wuenderlich und so unversehens uns geholffen, So solten wir erst ein
rechten iamer ynn deudschen landen
erfaren haben.
Und kenne ich recht meine lieben
deudschen, die vollen sewe, so sollen sie
wol yhrer weise nach sich widderuemb nidder setzen und mit guttem mut
ynn aller sicherheit zechen3 und wol
leben Und solcher grossen gnade erzeigt gar nicht brauchen, sondern mit aller
undanckbarkeit vergessen Und dencken: ha der
Tuercke ist nu weg und geflohen, Was wollen wir viel sorgen und unnuetze koste drauff wenden? Er koempt vielleicht
nymer mehr widder, Auff das wir ia unser
wol verdiente straffe von Gott redlich empfahen. Wolan, ich kan doch nicht mehr thun. Do ich anzeigt, man
solt des Tuercken gewalt nicht
verachten, Ey das war ein spoettische und nichtige rede, Da waren viel
Fuersten
[Seite 160a]
[ 1 Heerpredig EGKL 3 buechlin EHI 8
hendt D kompt L 9 hilffe CEK hilff
DL huelffe I das] da GKL 10 als 4.
Reg. 17. stehet (steet L ) HIKL 11 hilffe CE hilff DL ists itzt vns F 12 Tuecken F schrib L 15 wunderbarlich CDEIKL
wuenderbarlich GH 23 entpfahen L 24 Da HIK da L anzeygete L]
[Seite 161a]
mechtiger denn er, Jch solte die deudschen
fuersten nicht so schrecken noch verzagt
machen. Las nu die selbigen geyfferer erfuer tretten und die fuersten
troesten und des Tuercken macht
verachten. Jch meine ia, der Tuercke habe sie zu luegenern und mein wort war gemacht.
Aber doch umb der gotlosen und Christus
lesterer willen nichts angefangen, also
auch umb yhrer willen nichts gelassen. Es haben koenige und fuersten, Bischoff und pfaffen bisher das Euangelion
veriagt und verfolget, viel bluts
vergossen und den dienern Christi alle plag und unglueck angelegt und
ist die lesterung und schmach auch
widder die offentliche erkante warheit, so uber die massen schendlich gros gewest und das volck
so uber aus boese und mutwillig, das ich
hab weissagen muessen, Deudschland muesse ynn kurtz Gott eine torheit bezalen.
Dasselbige gehet itzt daher und fehet
an, Gott helffe uns und sey uns gnedig,
Amen. Denn weil sie widder Christum so trefflich zornig und boese sind, [Bl. A iij] das sie sein wort und
diener uberboesen, Und er mus leiden und
schwach gegen sie sein, So thut er warlich recht nach dem sprichwort ‘Es ward nie keiner1 so boese, Es kam noch
ein boeser uber yhn’2 und zeucht ab,
lest sich uber boesen, Schicket aber an solche boese zornige iunckern nach
einen boesern, den Tuercken, Wil
zusehen, weil sie ia boese sein wollen, welcher hie den andern uber boesen werde. Sey nu boese
wer boese sein kan, itzt gilts boesens
und uber boesens.
Solchs wil ich gesagt haben widder die
unpusfertigen, starrige feinde und
verfolger des worts Christi, Aber weil dennoch viel ynn deudschen landen sind, die das wort lieben, und Christus on
zweyffel nicht ein geringe zal glieder
drynnen hat, umb der selbigen willen sol diese heerpredigt aus gehen, sie zu troesten und zuvermanen ynn diesen
grewlichen, ferlichen leufften. Denn der
teuffel sucht durch seinen zeug den Tuercken, freilich nicht allein die
weltliche herschafft, Sondern auch das
reich Christi und seine heiligen und glieder,
[Dan. 7, 25] vom glauben zu stossen, wie Daniel sagt am siebenden
Capitel. Daruemb wil ich diese predigt
ynn zwey stueck teylen, zuerst die gewissen unterrichten, darnach auch die faust vermanen. Das gewissen zu
unterrichten dienet wol zursachen, das
man gewis sey, Was der Tuercke sey und wofuer er zurhalten sey nach der
[ 1fůrsten F so] also CDEGHIKL noch] vnd L 2 herfür CDEL herfur GHIK 4
luegener F 6 Künig L 8 diener F
alle] viel BF 9 erkante fehlt F 11 hab] haben F muesse] mueß L kuertz B kürtze L 14 treffenlich L 15
must GHIK muest L 16 Sprüchwort L 17 boeserer L 18 Junckhern L nach] noch CDEGKL 19 ja so boese IK
19/20 welcher bis werde fehlt F 25 darinnen CDGHIK darynnē E Heerpredig L
26 geuerlichen L leuffen L 30
predig EL zuerst] Zum ersten CDE
31 zursachen A 32 zu halten BFK zůhalten CDL zuhalten EGHI]
[Seite 162a]
schrifft. Denn die schrifft weissagt uns von
zweyen grausamen Tyrannen, welche sollen
fuer dem iuengsten tage die Christenheit verwuesten und zurstoeren, Einer geistlich mit listen odder falschem
Gotts dienst und lere widder den [Dan.
11, 36 f.] rechten Christlichen glauben und Euangelion, Davon Daniel schreibt
am eylfften Capit. das er sich sol
erheben uber alle Goetter und uber alle Gottes dienst &c.. [2. Thess. 2, 3] Welchen auch Sanct Paulus
nennet den Endchrist ynn der ander Epistel zu
den Thessalon. am andern Capit. Das ist der Babst mit seinem
babstum, davon wir sonst gnug
geschrieben. Der ander mit dem schwerd leiblich und [Dan. 7, 25] eusserlich auffs grewlichst,
davon Daniel am siebenden Capit. gewaltiglich
[Matth. 24, 21] weissagt Und Christus Matthej am vier und zwentzigsten
Cap. von einem truebsal, des gleichen
auff erden nicht gewest sey, das ist der Tuercke, Also mus der teuffel, weil der welt ende fuerhanden
ist, die Christenheit zuvor mit beyder
seiner macht auffs aller grewlichst angreiffen und uns die rechte letze
geben, ehe wir gen himel faren.
Wer nu ein Christen wil sein zu dieser
zeit, der fasse ein hertz ynn Christo
und dencke nur nicht hinfurt auff fride und gutte tage. Die zeit solcher truebsal und weissagung ist da,
desselbigen gleichen unser trotz und trost
auff die zukunfft Christi und unser erloesung ist auch nicht fern,
sondern wird flugs drauff folgen, wie
wir horen werden. Daruemb so halt feste und sey
sicher, das der Tuercke gewislich sey der letzte und ergeste zorn des
teuffels widder Christum, damit er dem
fass den boden ausstoesset1, und seinen grym
gantz ausschuettet widder Christus reich, Dazu auch die groesseste
straffe Gottes auff erden uber die
undanckbarn und gotlosen verechter [Bl. A 4] und verfolger Christi und seines worts Und on zweiffel der
vorlauff der hellen und ewiger [Dan. 7,
26] straffe. Denn Daniel sagt, das noch dem Tuercken flugs das gericht und
die helle folgen sol, Und man sihets
auch zwar wol an der that, wie grewlich2
er die leut, kind, weiber, iung und allt erwuerget, spiesset, zu hacket,
die yhm doch nichts gethan, und so
handelt, als sey er der zornige teuffel selbs leibhafftig, Denn nie kein koenigreich also getobet hat
mit morden und wueeten, als er thut.
Wolan wir wollen das hie von dem Propheten Daniel hoeren.
[ 1von] vom H 2 fuer] vor L zerstoeren L 3 odder] vnd CD 4
Christlichen] Christen F eylfften]
12. GHIKL 6 andern BCDE zun BCDEF
6/7 Endchrist, 2. Thess. 2. Das GHIKL
[Seite 163a]
Vier keiserthum hat Daniel beschrieben, die
auff erden komen sollen, ehe [Dan. 7, 3
ff.] der welt ende keme, wie wir lesen Danielis am siebenden Capitel: Das
er vier grosse thier sahe aus dem meer
steigen, das erst war gleich einer Lewin
und hatte adelers fluegel, Das ander war gleich einem Beren und hatte drey rigen zeene ynn seinem
maule, Das dritte wargleich einem Parden
und hatte vier fluegel und vier koepffe, Das
vierde war ein grausam und wuenderlich thier und seer starck, und hatte grose eiserne zeene, damit es fras und
umb sich reis, und was ubrig bleib, das
zutrats mit seinen fuessen, Und hatte zehen
hoerner. Jch sahe die hoerner an und sihe, zwisschen den selbigen wuchs ein ander klein horn, fur dem selbigen
wurden drey der ersten hoerner
abgestossen und das selbige horn hatte augen wie menschen augen und sein maul redet grewlich ding. Jch
sahe zu, bis stuele gesetzt wurden Und der
Alte sich setzet. Das gericht ward gehalten
und die buecher auff gethan, Jch sahe zu umb der grewlichen rede
[Seite 164a]
[[Heerpredigt wider den Türken]] 164b
[ 1getoedtet BF 5 auslegung B außlegung
F 6 stand F 9 ewigkeit BEF 10 pfaten E 11 zurtart E 12 seym F 15 jhnē E ]
willen, so das horn redet Und ward
gewar, das das thier getodtet war und
sein leichnam umbkomen und yns feur geworffen war zuverbrennen, Und der andern thier gewalt
auch auffgehaben war.
[Bl. B 1] [Dan. 7, 16] Das ist der text
Daniel auffs kuertzest erzelet so viel uns itzt
not ist. Nu die auslegunge folget ym selbigen capitel hernach, da er
spricht: Jch trat zu einem dar da bey
stund und fraget yhn umb das alles die warheit
Und er legt mirs aus und leret mich also: Diese vier grosse thier sind
vier keiserthum die auff erden komen
sollen, Aber die heiligen des Hoehisten werden
ynn ewickeit das reich besitzen. Darnach hette ich gerne gewust, was das vierde thier were, das so fast grausam war,
Welchs eiserne zene und pfoten hatte und
fras und reis und das ubrige mit fuessen zutrat, Und was die zehen hoerner auff seinem kopffe weren, Und was das
ander horn were, fuer welchem drey
hoerner gefallen waren, Und von dem selben horn, das augen hatte und ein maul, das gewliche ding redet und war
groesser denn die andern. Jch sahe zu
und sihe, das horn streit widder die heiligen und fieget yhn an bis
[[Heerpredigt wider den Türken]] 163b
[ 1 kumen F 3 grosse fehlt F 5 reigen F
7 wunderlich BEF 9 zurtrats E fueessen E 11 fuer BF 12 hoernen A 13 grewliche
BF]
[Seite 165a]
der Alte kam und hielt gerichte mit den
heiligen des Hoehesten und die zeit kam,
das die heiligen das reich besassen.
Und er sprach also: Das vierde thier
wird das vierde keiserthum sein auff
erden, Welchs wird groesser sein, denn alle koenigreiche und wird alle land fressen, zutretten und zu malmen. Die
zehen hoerner sind zehen koenige, so zu
solchem keiserthum gehoeren Und nach dem selbigen wird ein ander auff komen, der wird mechtiger sein, denn die
ersten, und wird drey konige demuetigen
Und wird widder den Hoehesten reden und die heiligen des Hoehesten
zutretten, Und wird sich unterstehen,
ordnung und gesetz zu endern Und sie werden ynn
seine hende gegeben werden eine zeitlang und aber etliche zeit und noch
ein wenig zeit. So wird denn das gericht
gehalten werden, das die gewalt auffgehaben
werde und zubrochen und endlich umb kome. Aber das reich, gewalt und macht, so unter dem gantzen hymel ist,
werde gegeben den heiligen des aller
Hohesten, Welchs reich ist ewig und alle koenige werden yhm dienen und gehorsam sein.
[[Heerpredigt wider den Türken]] 165b
[ 1 Hoehisten B Hohisten F 7 koenige BF
8 den] der F Hoehisten (beidemal)
BF 14 Hoehisten B Hohistē F]
[Seite 166a]
Diese weissagung Danielis ist eintrechtiglich
von allen lerern ausgelegt von den vier
folgenden keiserthum: Das erst das keiserthum zu Assyrien und Babilonien, Das ander das keiserthum der
Persen und Meden, Das dritte das
keiserthum des groffen Alexanders und der Kriechen, Das vierde das Roemische keiserthum, welchs das groessest,
gewaltigst und grausamest, dazu auch das
letzte ist auff erden, wie hie Daniel klerlich zeigt, das nach dem Vierden thier odder keiserthum das gericht folget und
kein ander keyserthum mehr, sondern das
reich der heiligen das ewig ist &c.. Weil denn nu das gewis ist und keinen zweiffel hat, das auff erden sol
das Roemisch reich das letzte sein, wie
auch ym andern Capitel Daniel zeigt ynn dem grossen bilde odder seulen, die einen guelden kopff, sylbern brust,
eherne hueffte und eisern schenckel hatte,
So mus das draus folgen, das der Tuerck ym Roemischen keiserthum sein
wird und ym vierden thier mus begriffen
sein, Denn das ist beschlossen1, weil das
Roemisch keiserthum das letzte ist, So wird und [Bl. Bij] kan der
Tuercke nymer mehr so mechtig werden,
als das Roemisch reich gewesen ist, sonst
wuerden nicht vier, sondern funff keiserthum auff erden komen. Daruemb
mus der Tuercke kein keiser werden noch
ein new odder eigen keiserthum auffrichten,
wie ers wol ym syn habt, Aber es wird und mus yhm gewislich feylen
odder Daniel wuerde zum luegener, Das
ist nicht mueglich.
Weil aber zu dem der Tuercke dennoch so
gros und mechtig ist und ym Roemischen
reich sitzen sol, mussen wir yhn ynn dem selbigen suchen und unter den hoernern des vierden thiers finden. Denn
es mus ein solch gewaltig ding ynn der
schrifft verkuendigt sein. Wolan, Horn heist ein koenigreich ynn der schrifft, wie hie Daniel selbs sagt, das die
zehen hoerner zehen koenige sind, die
zum vierden keiserthum gehoeren. So kan nu der Tuercke keines der
selbigen zehen sein, denn die selbigen
hoerner sind die koenigreich, so zum Roemischen
keiserthum gehoeret haben, da es ynn seiner vollen macht gestanden ist,
als nemlich Hispanien, Franckreich,
Jtalia, Africa, Egyptus, Syria, Asia, Gretia,
Deudschland &c.. Solch land haben die Roemer alle gehabt yn voller
macht, ehe denn der Mahometh odder
Tuerck ist komen. So spricht nu Daniel, das
nach solchen zehen hoernern erst kompt das kleine horn zwisschen den
zehen hoernern. Hie kompt und findet
sich der Tuercke, Denn gleich wie das kleine
horn unter den zehen auff wechst und stoesset der selbigen drey weg,
Also
[ 2 Keyserthumbē CDEG
Keiserthumben H Keiserthumen I Kayserthum̄en KL Das bis Assyrien] Asserien F 9 keine F
kain K kein L 10 ander F 11 guldin K
silberin L heueffte F 12 darauß CDKL daraus EGHI würdt K 14 Rhoemische L 16 wurde HKL 18
habt] hat CDEHIKL hab G feelen
CDEGHI feln K faelen L 19 wůrde F 21 muessen BF 23 Künigreych K Künigreich
L 24 Künige K Künig L 26 Künigreych K Künigreich L 27 voller CD 28 Jtalienn K
Affrica FI Grecia DF 31 Hoerner
K koempt BF kumpt K 32 koempt BF
33 hoern A zehenen L stoessest E stoßt L]
[Seite 167a]
muste ia komen ein koenigreich, das ynn den
obgenanten lendern und koenigreichen des
vierden thiers odder keiserthums wuechse, und der selbigen drey gewuenne, Solchs alles zeigt und bezeugt auch
das werck und stymmet mit dem Text, das
der Mahometh dasselbige kleine horn sein mus, Denn er ist von geringem anfang auffkomen, Er ist aber
also gewachsen, das er drey hoerner ym
Roemisschen keyserthum hat abgestossen und eingenomen, nemlich Egyptum, Griechland und Asiam. Denn der
Soltan und Sarracener1 haben lange zeit
dieser hoerner odder koenigreich zwey ynnen gehabt, Egypten und Asiam, und sind also drinnen blieben sitzen,
wie auch der Tuerck drinnen sitzt auff
den heutigen tag und hat das dritte horn, Griechland, dazu gewonnen. Solchs hat sonst niemand gethan und wir
sehens da fuer augen stehen, das
geschehen ist, Das ist Mahomeths reich, da haben wir das kleine horn
gewis.
Ob nu wol der Tuercke den Soltan
veriagt1 und solche lender eingenomen
und seinen hoff odder sitz anders wo hellt, denn der Soltan thet, ists daruemb kein ander odder new reich,
sondern eben dasselbige Mahomeths reich,
Denn beyde Soltan und Tuerck des selben und gleich eines glaubens sind, nemlich des Mahomeths. Das aber einer
den andern veriagt, ist auch wol fast
ynn allen keyserthumen geschehen, das ein bruder den andern veriagt, ein ambtman seinen herrn vertrieben hat, Wie
geschachs ynn Persen, da sie den
keyserlichen sitzt und hoff aus Medien ynn Persien versetzten2, bleib dennoch gleichwol dasselbige keyserthum Und
das keyserthum zu Assyrien von Ninive
gen Babylon3 Und [Bl. Biij] das Roemisch von Rom gen Constantinopel versetzt ward, also ist auch itzt das
Mahomeths reich von Alkayr gen Constantinopel4
versetzt mit dem hofelager, Aber ist gleich wol dasselbige Reich des Mahomeths blieben, Denn person und
hofelager muegen sich ynn eym reich
[ 1 Künigreych K Künigreich L 1/2
Künigreychē K Künigreichen L 3 das gantz werck K 4 hoern A 7 Griechenlandt
CD Griechen land E Griechenland GHIKL 8 Künigreich KL Egyptum F 9 also sind F 10 hat das]
hats F Griechenlandt CDK
Griechenland EGHIL gewunnen CDE 11
sunst KL neimand A fur] vor KL 13/14 eingenum̄en L 14 anderstwo K anderßwa L
15 sonder H selbigē D 17
ander HI 19 amptman BF sein GKL 20
sitz BCDEFL Sitz GHIK Meden in
Persen GHIKL versetzen I 23
versetz, wart F das] des CDFGHIKL Alkar F 24 Hoffleger K Hofflaeger L 25
personen L hofeleger F Hoffleger K
Hofflaeger L moegen L eynem B
einem D ainem K eim L]
[Seite 168a]
wol endern, das dennoch das reich fuer sich
selbs bleibe ynn seiner weise, regiment,
glaube und allem wesen.
So wir nu das selbige kleine horn den
Mahomethen und sein reich hie gewislich
haben, So koennen wir nu leichtlich und klerlich aus Daniel lernen, Wo fuer der Tuercke und das Mahometisch reich
zu halten sey, Und auch, was er fuer
Gotte gelte. Erstlich sol er wol ein mechtiger herr sein, als der dem Roemischen reich drey hoerner, das ist drey
fast die besten koenigreich, als
Egypten, Gretiam, Asian abgewinnen und behalten und damit Mechtiger
sein, denn keines unter den zehen hoernern
ist. Das ist der klare text Und findet
sich also ym werck, Denn kein koenig, so unter den Roemern gewest, als
Franckreich, Hispanien, Welschland,
Deudschland &c.. so mechtig ist, als das Tuerckisch odder Mahometisch reich, das der Tuercke itzt
hat Und sitzt also fast mitten ym
Roemischen Reich, ia ynn des Roemischen keysers hause zu Constantinopel,
wie das kleine horn unter den zehen
hoernern ym vierden thier bedeutet.
Zum andern hat das horn Menschen augen,
das ist, des Mahomeths Alkoran odder
gesetz damit er regirt, Jnn welchem gesetz ist kein Goettlich auge, sondern eitel menschliche vernunfft on Gottes
wort und geist. Denn sein gesetz leret
nichts anders, denn was menschliche witze und vernunfft wol leiden kan Und was er ym Euangelio funden hat, das zu
schweer und hoch zu gleuben gewest, das
hat er ausgethan, sonderlich aber das Christus Got sey und uns erloeset hat mit seinem todte &c..1 Das
meinet Daniel da er des horns auge
deutet und spricht: Er wird sich unterstehen gesetz und ordernung zu
endern, vernym2 Gottes ordnung, als das
Euangelion und Christliche lere.
Zum dritten hats ein maul, das redet
grewliche ding, das sind die grausamen
lesterungen, damit der Mahometh Christum nicht alleine verleucket, sondern auch gantz auffhebt Und gibt fuer, Er
sey uber Christum viel hoeher und
wirdiger fuer Gott denn alle engel, alle heiligen, alle Creaturn, dazu uber Christum selbs, wie das yn seinem
Alkoran klerlich stehet und die Tuercken
teglich rhuemen und yhe lenger nhe grewlicher solche lesterung treiben und uben. Darumb spricht hie Daniel von dem
selbigen horn und deutet
[ 1 blibe E 2 glauben GHIKL 4 leren
EFGHIKL 5 Wo] war K wa L Tuecke F 6 es fur G er vor K es vor L 7 Romischen
B beste F Künigreych K Künigreich L 8 Greciam
DFK Asiam BCDEFGHIK Asiā
L abgewünnen D 9 hoerner F 10
wercke BF Künig KL 11 Deuschland I
18 nichts] nit F menschliche] menschen F 24 hat es CDE 25 verlaugnet CDE
verleugnet GHIKL 27 fuer] vor KL 28 Alkaron I 29 lestrunge K 30 Daruemb B
Daruem̄ F]
[Seite 169a]
desselbigen grosses maul: Er wird widder den
Hoehesten reden, das ist widder Christum
leren, yhn lestern und schenden, damit das er yhn nicht fuer den hoehesten, sondern fuer einen schlechten und
viel geringern propheten hellt, denn
sich selbs, und spricht, Christus lere habe ein ende, da Mahometh komen
sey.
Zum vierden, das er widder die heiligen
des hoehisten krieg fueret, Dis darff ia
keiner glosen. Jch meine wir habens bisher wol gesehen und gefuelet, [Bl. B. 4] Denn der Tuerck keinem volck so
feind ist auff erden als den Christen,
Streit auch widder niemand mit solchem blutdurst als widder die
Christen, auff das er diese weissagung
Danielis erfuelle. Daniel aber heist die Christen heiligen des Hoehisten, Denn ob wol viel
falscher Christen sind unter dem
hauffen, Weil aber das Euangelion und Sacrament von Christo befolhen
ynn einem lande bleibt, so sind
gewislich ynn dem selbigen lande viel Christen,
Und wie wenig der selbigen ist, so wird doch dasselbige land umb yhrs
glaubens, predigens und Euangelions
willen, Ja umb Christus willen, welchs name,
wort, geist, Sacrament daselbst ist, Christenland und rechte heiligen
Gottes genand, Daruemb auch noch ynn der
Tuerckey viel Christen sind Und villeicht
mehr denn sonst ynn einem lande, als die da gefangen sind und dem
Tuercken dienen muessen, der sie
gewonnen hat, wie Daniel hie saget, das er siegen solle widder die heiligen und uber sie herrschen.
Gleich wie zur zeit Elia des propheten
ym volck Jsrael geschach, Da so viel
boeser und wenig frumer leute waren, das Elias selbs meynet, Er were [1. Kön. 19, 14. 18] allein und wuendscht
daruemb tod zu sein, Aber dennoch wol sieben tausent funden wurden, die Gott yhm behalten hatte
frum und heilig, Umb welcher willen
dennoch das volck Jsrael Gottes volck und Gottes heiligen hiessen, als bey welchen sein name, wort und geist wonete,
Wie itzt auch und bisher unter dem
Bapstum geschehen, da es auch alles also gar ist verterbet gewest mit menschen leren und wercken, das man schier
keine Christen mehr gesehen hat. Aber
dennoch haben etliche da muessen sein, weil Christus name, Tauffe, Euangelion, Sacrament blieben ist, Umb
welcher willen auch das gantze land der
Christen land und sie die Christenheit odder Christus volck und Gottes [2. Thess. 2, 4] heiligen heissen. Denn
Paulus sagt .j. Thess. iiij. Der Endchrist der Bapst solle ym tempel Gottes sitzen. Nu ist der Tempel
Gottes die Christenheit odder die
heiligen Gottes, wie Daniel redet.
[ 1 Hoehisten BF Hoechsten KL 2
Christen I das fehlt CDEGHIKL 3
Hoehisten BF hoechsten L 5 Hoechsten L 8 Streitet GHIKL 9 diese] die K dise L
10 Hoechsten L 13 der selben HI 16 genent HIL genendt K 17 die da] da die GHIKL gefangnen K 18 gewunnen CDEGHKL das] dan H dan̄ KL soll L 21 fromer I 22 wuenscht CDE
wunscht K wünschet L 23 from I 24 heissen F 25 welchem HIL woelchem K 27
kainē K kein L 29 Sacrament &c.. GHIKL 31 Hailgen K S. Paulus GHIKL sagt in der erstē Epistel zun
Thessalonicern am vierden Capitel F
soll L]
[Seite 170a]
Auch so mus man ynn diesem spruch Danielis
mehr achten und richten nach des
Tuercken meinung und willen, denn nach der Christen zal. Denn der Tuercke hellt hie keine rechnung noch
unterscheyd, wie viel odder wenig
heiliger Christen unter uns seyen. Er hellt einen wie den andern, achtet
uns alle fuer Christen, wie denn der
name Christus uns allen gemein ist, Denn
er ist dem Christlichen namen feind, den selbigen wolt der teuffel gerne
unterdruecken mit dem schwerd des
Mahomeths, wie er denn auch mit falscher lere
bey uns den selbigen unterdruckt, Und wil sich also an unserm Herrn
Christo rechen. Also wil Daniel sagen,
Das nach des Tuercken gewissen und meinung
alles Christen (das ist heiligen Gottes) sind, die er bekriegt Und
hellts dafuer, das kein erger volck auff
erden sey, denn die Christen. Daruemb nennen uns auch die Tuercken nicht anders denn Paganos1,
das ist heiden, Sich selbs aber halten
sie fuer das heiligste volck auff erden.
Das funfft, das er (wie gesagt) glueck
hat ym [Bl. C 1] kriegen widder die
Christen und gemeiniglich obligt und den sieg behelt, Und dasselbige
stueck macht auch die Tuercken so
stoltz, verstockt und sicher ynn yhrem glauben, das sie gar nicht zweifeln, yhr glaube sey recht
und der Christen falsch, als den Gott so
viel sieg gibt und die Christen also verlesst, Wissen aber nicht, das hie ym Daniel also zuvor verkuendigt ist, das
die Christen umb yhrer sunde willen hie
auff erden gestrafft und die unschueldigen zu Merterer gemacht werden. Denn Christus mus Merterer haben,
Daruemb hat er allezeit die seinen
lassen leiblich unterligen und schwach sein, Widderuemb seine feinde obligen und mechtig sein, Auff das er die
seinen fege und reinige, darnach seine
feinde, wenn sie wol angelauffen2 und auffs hoehest komen sind, heymsuche mit dem hellischen feure ewiglich. Solch
urteil und weise wissen die blinden
unsinnigen leute nicht Und meinen, weil sich Christus so schwach
stellet, Es sey kein volck auff erden
angenemer denn sie, Aber gar weidlich lauffen sie an2 und wird sich das spiel ploetzlich
wenden, ehe sie meinen wie folget.
Zum Sechsten sol flugs auffs Tuercken
reich und wueten der iuengst tag und das
reich der heiligen komen, Wie Daniel hie spricht, das des horns krieg und sieg sol weren bis der Alte kome und
setze sich zu gericht. Solch drewen
[ 1 Daniels K 6 geren K gern L 10 alle
K 12 nichts K nit L 15 gemanigklich E gemeinklich K gemeyngklich L 17 nicht]
nichts CDEGHIKL den] denen
CDEGHIKL 21 hat] hatte CDEGHIK 24 hoechst L 25 feur BF und weise fehlt GHIKL 28 ploeßlich
L wie hernach folget CDEGHIKL 29
wueeten B wůeten F wueten L 29 Juengstag H Jüngsttag K 31 droewen L]
[Seite 171a]
und schrecklich gericht gleuben die Tuercken
auch nicht, das Gott damit uns erloesen
und sie ynn die helle stossen wird, Wie lange aber das weren solle, das er so sighafft sey, kan niemand wissen,
Denn Christus sagt, das von dem tage
niemand wissen solle on der Vater alleine, wie denn hie Daniel auch [Matth. 25, 13] mit tunckeln worten sagt: Sie
werden ynn seine hende gegeben eine zeitlang
und aber etliche zeit und noch ein wenig zeit, So wird denn das gericht gehalten werden.
Aus dem es scheinet, das des Tuercken
reich von hymel gestoertzt werden sol
Und kein koenig komen werde, der yhn unterdruecke und mechtiger werde nach yhm, wie auch Daniel hie sagt, das der
leib des vierden thiers nach dem grossen
lestern des kleinen horns yns feur sol geworffen werden zuverbrennen. [Offenb. 20, 8 f.] So stehet ia auch ym1
Apocalypsi am zwentzigsten, das der Gog und Magog solle durchs feur vom hymel verzeret werden.
Eben dasselbige schreibet auch [Hes. 38,
22] Ezechiel am dreyssigsten capitel, das Gott wolle feur und schwefel uber
Gog und Magog regenen lassen und uber
yhr heer. Nu ist kein zweifel, Gog sey
der Tuercke, der aus dem land Gog odder der Tattern2 komen ist ynn
Asian, wie die historien beweisen.
Weil aber dennoch Christus hat zeichen
gegeben, da bey man kennen sol, wenn der
iuengst tag nahe sey und dem nach, wenn der Tuercke ein ende haben werde, So koennen wir sicherlich weissagen,
das der iuengst tag muesse fuer der
thuer sein. Denn weil Daniel hie sagt, das ym vierden thier das kleine
horn solle das mechtigiste und letzte
sein Und wir sehen offentlich, das ynn des
Roemischen reichs lendern kein mechtiger ist, denn der Tuercke und nach
[Bl. C ij] yhm keiner mehr komen wird,
so ist die schrifft des Tuercken halben schon
erfuellet. Denn Er hat die drey hoerner weg3 (wie gesagt) Und Daniel
gibt yhm kein horn mehr, Dem nach ists
zu hoffen, das der Tuercke hinfurt kein
land des Roemischen reichs mehr gewinnen wird, Und was er ynn Hungern und Deudschen landen thut, das wird das
letzte gekretze4 und gereuffe5 sein, das
er mit den unsern und die unsern mit yhm haben werden, Und damit
[ 1 vns damit F 2 soll KL 4 soll L 5
gegeben werden eine (ein L) CDEGHIKL 8 vom GHIKL gestuertzet GHI gestürtzt KL 9 Künig K
[Seite 172a]
ein ende, also das er Hungern und Deudsche
land wol zausen mag, aber nicht
ruegelich besitzen, wie er Asiam und Egyptum besitzt. Denn Daniel gibt
yhm drey hoerner und nicht mehr, zwackt
und reisset er etwas den grentzen und
nachtbarn abe, das sey sein schlaff trunck zu guter nacht.
Daruemb der krieg und sieg des
Mahomeths, davon Daniel sagt, ist am
meisten geschehen und erfuellet ynn Asia, Gretia, Egypto, Und wird also
ein ende nemen, wenn er am aller mechtigsten
und auffs aller best geruest ist, das er
gleich sicher daher schwebt und feret, als dem nu niemand weren noch widderstehen koenne und noch viel land zu
gewinnen gedenckt. Eben wenn das selb
stuendlin komen wird, das er so viel noch thun wil und trotzig und gyrig sein wird, Da wird Christus mit schwefel und feur
uber yhn komen und fragen, waruemb er
seine heiligen, die yhm kein leid gethan, on alle ursache so grewlich verfolget und geplagt habe. Amen.
Denn die schrifft ist alle erfuellet, So
sind diese zeit so viel zeichen geschehen Und ist so gros liecht des Euangelij fuer handen, dazu solch gros
lestern, mutwillen, frevel ynn der welt,
als nie gewest, auch nicht erger sein kuende: Es mus brechen1 und ein ende haben.
Bis her haben wir nu gesehen, Wo fuer
der Tuercke und sein Mahometisch reich
zu halten sey nach der heiligen schrifft, nemlich das er sey ein feind Gottes und ein lesterer und verfolger Christi
und seiner heiligen durch schwerd und
streit, also das er gleich darauff gericht und gestifft ist mit schwerd
und kriegen widder Christum und die
seinen zu wueeten. Denn ob wol andere
koenige vorzeitten auch haben die Christen verfolget mit dem schwerd, so
ist doch yhr reich und regiment nicht
drauff gestifft und gericht gewest, das sie
Christum lestern und bekriegen sollen, sondern geschicht zufalls2 aus
eynem misbrauch. Hats ein koenig
verfolget, So ist ein ander koenig hernach gut
gewest und hats lassen gehen, Das also nicht die koenigreiche odder
regiment an yhn selbst widder Christum
gestrebt, sondern die personen, so das regiment
gehabt haben, sind zu weilen boese gewesen. Aber des Mahomets schwerd
und reich an yhm selber ist stracks
widder Christum gericht, als hette es sonst
nichts zu thun und koenne sein schwerd nicht besser brauchen, denn das
er widder Christum lestert und streitet,
wie denn auch sein Alkoran und die that
dazu beweisen.
[ 1 Teutschen landen CD deudschlād
F Deudschland GI Deudsch land H Teütschland KL 2 Asian CD Egypten I 4 nachbarn BCDEF Nachbarn
GHIK nachburn L nacht] nach F 6
Grecia DF 7 mechtigisten CDE 9 künne K 10 noch so vil L trutzig L 11 Schwebel KL 15 vorhanden
KL 20 ein lesterer und fehlt F 21 mit dem schwerde F 22 wueten L 23 Künig K
Koenig L vorfolget H 24 darauff KL
26 Künig (1.) K koenig (2.) fehlt
HIKL 27 hat es F Künigreyche K
Koenigreich L 28 jhnen CD jnen K jnē L selbs K 30 selber] selbs F gerichtet K 31 künne K]
[Seite 173a]
Aus dem kan nu ein iglicher sein gewissen
richten und versichern, wo er zum streit
widder den Tuercken gefoddert wird, wie er gedencken und sich hal [Bl. C iij] ten sol, Nemlich, das er
keinen zweifel haben sol, Wer widder den
Tuercken (so er krieg anfehet) streit, das er widder Gottes feind und
Christus lesterer, ia widder den teuffel
selbs streit, Also das er sich nicht besorgen
darff, ob er etwa einen Tuercken erwuergt, das er unschueldig blut
vergiesse odder einen Christen erwuerge,
Sondern gewislich erwuerget er einen feind
Gottes und lesterer Christi, als den Got selbs durch die schrifft Danielis
fuer einen feind Christi und seiner
heiligen zum hellischen feur verurteilet hat,
Daruemb auch kein Christen noch Gottes freund ynn des Tuercken heer
sein kan, er verleugne denn Christum und
werde auch Gottes und seiner heiligen
feind, sondern sind alle des teuffels eigen und mit dem teuffel besessen
wie yhr herr Mahometh und der Tuerckisch
keiser selbs. Denn du must die wort
Danielis wol fassen und mercken, da er dem kleinen horn das
lestermaul widder Gott und den streit
widder die heiligen Gottes zu schreibt, Welche
wort nichts guts, sondern alles ubel und bosheit vom Tuercken odder Mahometh zeugen.
Daruemb hab ich ym vorigen buechlin1
auch so trewlich geraten, Das man nicht
solle widder den Tuercken kriegen, als unter der Christen namen noch mit streit angreiffen, als einen feind
der Christen, Denn hie hoerestu das dem
Mahometh odder Tuercken der sieg widder die Christen und heiligen
verkuendigt ist, wie denn bisher
geschehen ist ynn den drey hoernern, die er
abgestossen hat, das ist yn Gretia, Asia, Egypten. Christus wil schwach
sein und leiden auff erden mit den
seinen, auff das er die gewaltigen zu narren
und zu schanden mache und brauche yhres wueetens dazu, das sie yhm
(wie wol unwissend) den hymel voll
Merterer und heiligen machen, da mit sein
reich deste ehe vol werde und er zu gericht kome und den tyrannen
yhren lohn gebe ehe sie sichs versehen.
Sondern so hab ich geraten und rate
noch also, das wol ein iglicher sich
vleissigen sol ein Christen zu sein, willig und bereit zu leiden vom
Tuercken und yderman, Aber solle nicht
streiten als ein Christen odder unter eins Christen namen, Sondern las deinen Welltlichen
oeberherrn kriegen. Unter desselbigen
panier und namen soltu reisen als ein weltlicher untersass nach dem leibe,
[ 1 nu] nur K nun L 2 es zum CDE gefordert HIL gefo||dert K 3 kain CDK
kein EGHIL 4 kriege CDEG 5 loesterer K 6 etwan KL erwirget K 7 ain Christen K erwuerge] erwuerget GHI erwirget K
erwürgt L erwuerget] erwirget K
erwürgt L 8 Loestrer K den] denn F
9 Hoellischen K 10 freind K Hoer K
18 ym] in F 19 soll L 23 Grecia DF 25 machen I wuetens F wuetens L 27 eher GHIL ee
K er fehlt GHIKL 28 sichs] sich F
30 Christ L 31 soll L Christ (1.)
L 32 las] als K dem selbigen F ]
[Seite 174a]
der seinem oeberherrn geschworn ist mit leib
und gut gehorsam zu sein, das [Röm. 13,
1, Tit. 3, 1] wil Gott von dir haben, zun Roemern am dreyzehenden, Titum am
dritten capitel Und sonderlich wo solcher
streit geschicht nicht aus fuerwitz, gut und
ehre zu erlangen, sondern zu schuetzen und schirmen land und leute, weib
und kind &c.. wie dieser krieg ist
widder den Tuercken. Also lesen wir von den
lieben heiligen S. Moritz und seinen gesellen1 und viel andern heiligen,
das sie ynn streit gezogen sind nicht
als Christen, auch nicht widder die Christen,
Sondern als unterthenige gehorsame buerger odder ritter, gefoddert und
beruffen von yhrem keiser odder ander
yhrer oeberkeit, den sie mit leib und gut zu
dienen schueldig waren, Und hies nicht ein Christenheer odder volck,
noch ein Christen streit, Sondern des
keisers volck odder heer.
[Bl. C 4] Sihe, also stehet denn dein
gewissen recht und fein und kanst ein
muetiger freydiger man sein, das solch hertz und mut on zweifel deinen
leib und ross auch deste stercker machen
wird, Denn du bist gewis, das du ynn
deins oeberherrn gehorsam und yn Gottes willen und befelh zeuchst und
streitest, der dir solche heerfart
aufflegt und von dir haben wil, So darffstu auch nicht sorgen noch fuerchten, das du ynn der
Tuercken heer unschueldig blut treffest,
weil du hoerest, das sie von Gott als seine feinde zum tode und zur
hellen verurteilet sind, Und gebeut dir
durch deinen oeberherrn, das du solch urteil
an dem Tuercken volbringen solt und itzt deine faust und spies Gottes
faust und spies ist und heist, Und bist
also Gottes des aller groessesten herrn scharffrichter odder hencker2 widder seinen grossen
verdampten feind. Wie koentestu
ehrlicher und loeblicher streiten?
Gerets aber, das er dich ersticht odder
erschlecht, wie kanstu redlichers tods
sterben, so du anders ein Christ bist? Denn zum ersten stehet da Daniel
und macht dich zum heiligen, da er
spricht, Der Tuercke streite widder Gottes heiligen, Das auff der Tuercken und teufels seiten die
fahr3 stehet, das er als ein moerder
eitel unschueldig und heilig blut treffe und so viel heiliger merterer
mache, so viel er auff unser seyten
erschlegt, Wie es denn gewis ist, das er eitel unschueldig blut trifft, weil er die angreifft, da er
kein recht noch ursache zu hat und on befelh
und not solch morden fuer nympt. So ists auch gewis, das er viel merterer mache (Denn es muessen Christen
drunder sein, wo der Tuercke widder
[ 1 seinen F 2/3 haben, Ro (Roma L)
.13. Titum 3. Vnd GHIKL 2 Romern B 3 capiteln CDE 5 von dem GL vom dem HIK 8
bůrger F gefordert L 9
anderer CDL den] denen CDEGHIKL 10
odder] vnd D 13 freüdiger L manne
CDE solchs D 15 befelch L zeü||hest K 16 bedarffstu CDE darffst
du L 17 foerchten L 18 zur] zu der F 21/22 scharpffrichter CDEL 22 widder]
weder E kündstu K kündestu L 25
anderst CDEG Christen HIK 29
erschlecht CDEGKL erschlet HI 30 trifft] treffet F 31 befehl K befelch L ists] ist K 32 darunder DKL]
[Seite 175a]
die heiligen streit, als Daniel sagt) und thut
also, denn der Tuercke an dir, was
Daniel von yhm sagt, nemlich das er ein heiligen moerder und merterer mecher1 ist. Zum andern stehet da dein gut
sicher gewissen, das du durch Gottes
gebot ynn deins oeberherrn einfeltigem gehorsam erfunden und erstochen wirst. Und wenns gleich zu wechseln sein
solt, soltestu hundert tausent mal
lieber ein Christ, gehorsamer buerger odder ritter vom Tuercken
erstochen sein wollen, denn des
Tuerckischen keisers selbs sieg mit alle seinem gut und ehre haben. Denn wie gesagt du bist gewis ein
heilige, wo du so thust, das du ein
Christ bist und ynn gehorsam streitest. Der hymel ist dein, das hat keinen zweifel, Was ist aber des Tuercken sieg und
ehre, ia aller wellt, gegen dem hymel
und ewigem leben?
Gedenck, wie woltestu thun, wenn du zur
zeit der Merterer gelebt hettest, da
dich auch die boesen keiser und tyrannen erwuerget hetten umb Christus willen? Odder wie woltestu itzt thun,
Wenn dich der Bapst, Bischoff, unser
Keiser odder tyrannen erwuergeten umb des Euangelions willen, wie denn vielen geschicht? Du muestest
dennoch gleuben, das sie dich zum
heiligen und Merterer machten Und gewis sein, das du ynn einem rechten stand und gehorsam erfunden wuerdest. Was ist
nu der Tuercke anders mit seinem streiten,
denn ein solcher boeser tyrann, der Gottes heiligen toedtet und zu merterer machet, on das der Tuerck mit
grosser gantzer macht on unterlas solchs
thut und fuer allen andern viel [Bl. D 1] mehr heiligen macht, wie sichs denn gebuert am ende der wellt, das der
teuffel unserm Herrn Christo ein gute
reiche letze gebe. Lieber, Es ist ein trefflich gros wort, das Daniel
sagt: Der Tuercke solle nicht etliche
einzelen heiligen Martern, wie ander Keiser,
sondern mit streit und aller macht angreiffen und sie uber weldigen.
Ym streit aber muessen gar viel mehr
heiligen unterliggen, denn der eintzelen
merterer ist, die ausser dem streit hin und widder gemartert werden.
So weistu ia wol, das du dennoch ein
mal sterben must und keinen tag noch
stunde des todes sicher bist. Wie wenn denn solcher streit widder den Tuercken eben dein stuendlin sein solt
und von Gott also verordent were?
Soltestu nicht lieber, ia dazu mit freuden, dich alda Gott ergeben
ynn einen solchen ehrlichen heiligen
todt, da du so viel Goettlicher ursachen, gebot
und befelh hast und sicher bist, das du nicht ynn deinen sunden, sondern
ynn Gottes gebot und gehorsam stirbest,
villeicht ynn einem augenblick aus allem
iamer kompst und gen hymel zu Christo auffleugest, Denn das du auff
dem bette muestest liggen und dich lange
mit deinen sunden, mit dem tod und
[ 5 wirdest CDE soltest du F 8 so] also CDEL 11 ewigen
HIKL 12 woelest du D wolstu F 17 machen BF 21 fuer] vor KL 24 soll L 26 mussen
B gar fehlt HIKL vnterligen CDEI vnterliegen GH
vnderligen KL 28 dannocht D 30 verordnet FGHIKL 31 Soltest du L 32 einem HIL
eynem K heihiligen F 33 befelch L
36 muegest F ligen CDEGHIKL]
[Seite 176a]
teuffel reissen, beissen, kempffen und ringen
ynn aller fahr und not, und dennoch
solche herrliche Gottes befelh und gebot nicht haben? Hie stirbstu allein fuer dich selbst und frisset dich ein
amechtige1 drus2 oder pestilentz dahin,
Dort, spricht Daniel, sterben viel heiligen mit dir, und hast
Goettliche, heilige, liebliche
gesellschafften3, die mit dir faren.
Summa: Wer kan allerley fahr des todes
erzelen4, darynn wir teglich schweben zu
wasser, zu feur, zu feld, zu hause, ynn der lufft, auff erden, So viel thier5, so viel seuchen sind umb uns,
Der fellt vom dach, der vom ros, der
fellt ynn sein messer, etlich hengen, erstechen, erseuffen sich selbs, Der kompt sonst, der so6 umb, Der wird umb gellts
willen, der umb eins weibs willen, der
umb eins worts willen, Ja etlich umb wolthat willen erschlagen, So mancherley toede muessen wir teglich
gewarten und wagens etlich mit freuden,
da doch kein redlich ursach noch Goettlich befelh ist, dazu die hinfart ferlich und mislich ist, wie man dort ankome,
Und solten uns hie so faul odder verzagt
stellen, da wir gewissen Gottes befelh und gefallen haben, unser oeberkeit zu gehorchen mit leib und gut, Dazu
so wir Christen funden werden, gewis das
ewige leben mit den heiligen haben. Were doch solcher tod zu suchen an der welt ende, wenn das stuendlin
da ist, Und wer sich solchs nicht
bewegen lesst, dem were kein billicher fluch zu wuendschen, denn das er
zum Tuercken fiele und ein Tuercke
wuerde, des teuffels leibeigen, wie sein herr der Tuercke ist, von Gott zum tode und der hellen
verdampt.
Solchs alles rede ich fuer die, so
Christen sind odder gerne weren, das sie
wissen, wie sie sich zu dieser zeit richten und troesten sollen, das sie
nicht zu fast erschrecken fuer dem
Tuercken noch fur dem teuffel, seinem Gott. Denn wenn der Tuercke die Christen (so es mueglich
were) schon alzumal fresse, hette er
[Bl. D ij] damit nichts gewonnen, denn das sein verdamnis deste groesser wuerde und deste eilender keme und die
Christen deste ehe gen hymel fueren. Er
sey so zornig und wueetig als er ymer wil, mit allen teufeln dazu, so mus er knecht und diener sein der Christen
Und eben damit zu yhrem besten
[ 2 befelch L stürbstu L 3 onmaechtige K onmechtige L
6 erzoelen L darinnen CDGHIKL
darynnen E 7 in dem lufft KL 8 seuchten GHKL fellet BF 10 koempt BF geldes HI geltes K 12 warten HIKL 13
goettlicher L befelch L 15 befelch
L 19 zůwuenschen CDKL zu wuenschen EFGH 21 der fehlt FGHIKL 24 fuer] vor
KL fur] fuer B vor KL 25 ehs jhm
müglich K 26 gewunnen CDEGHKL
verdamnüß CDE 28 wuetig L
woell L]
[Seite 177a]
helffen, damit er sie meynet zu verderben.
Denn da stehet Daniel und spricht, [1.
Petri 3, 13] Es seyen heiligen, die er schlegt und wuerget, So spricht S.
Petrus: ‘Und wer ists der euch schaden
kan, so yhr dem guten nach strebt?’ David auch ym [Ps. 116, 15] hundert und funfftzehenden
Psalm: ‘O wie koestlich ist fuer dem Herrn der tod [Ps. 72, 14] seiner heiligen’ Und ym ein und
siebentzigsten Psalm: ‘Und yhr blut ist theur
fuer seinen augen’. Solche und der gleichen troestliche, herrliche
sprueche machen ein solch urteil, das
der Tuerck sey ein heiligen moerder und thu yhm selbs damit den groesten schaden ewiglich, Widderuemb
das sein zorn und morden muesse hie
zeitlich dienen und helffen den Christen zu grosser ewiger herrligkeit on seinen danck1, on seinen willen und
wissen.
Wer teusscht und mordet nu hie den
andern am besten? Der Tuercke mordet die
Christen zeitlich zum ewigen leben, Aber eben ynn dem selbigen mordet er sich selbes zum ewigen hellischen
feur mit allen teuffelen. Denn die
Christen haben zu herrliche mechtige sprueche, wie gehoert, Und Daniel heisst sie heiligen und den Tuercken einen
heiligen moerder. Da wird er nicht viel
an gewinnen und die Christen nicht viel verlieren, Aber so sol der Mahometh mit den seinen bezalet werden und
die Christen an sich selbs rechen und
seinen lohn von sich selber empfahen. Daruemb halt ich das nicht fuer ein meisterstueck, das der Tuercke die
Christen zu schrecken yhre kindlin zu
hewet, zu sticht und auff den zaunstecken spiesset und was sonst nicht
fort kan alles erwuerget und grausam
handelt. Es ist mehr ein gros narren stueck2
auch fuer der welt, Denn damit wuerde kein frum man sich schrecken
lassen, das er sehe sein kind und weib
zu hacken und zu spiessen, sondern viel mehr
zornig und bitter werden und vollend hinan setzen und wagen strumpff3
und stil, und was da noch ubrig were.
Und ob er tod were, wuerden odder solten
yhe die andern ubrigen deste bitterer und zorniger werden, auch alles
vollend an die teuffels gelieder zu
wagen.
Aber fuer den Christen ist solche
wueeterey viel weniger schrecklich, Denn
die wissen, das solche gespiessete und zu hackte elende kindlin und
frume leute eitel heiligen sind Und das
yhn der Tuercke das hunderste teil nicht kuendte so
[ 2 sein HIKL schlecht CDEGHIKL 3/4 im 116. Psalm
GHIL im cxvj. psal. K 4 fuer] vor KL 5 im 72. Psalm GL im .72. Psal. HI im
lxxij. Psal. K 6 fuer] vor KL 10 an alle (allen L) seinen (1) GHIKL 11
teusscht] kriegt L nu hie] nun hie
CE hie nun D 13 selber L 15 einen] ein L 18 sich] jm L selbert K entpfahen L 19/20 zerhauwet L 20 zůrsticht
K zersticht L furt D 22 fuer] vor
KL from I 23 zůrhackē K
zerhackē L zůr spissenn
K zerspissen L 24 stumpff CDEGHIKL 25 stuel L 27 glider CDEKL gelid' F glieder
G 28 fur] vor KL wieterey K
wueterey L 29 zurhackte CDEGI zurhackete HK zerhackte L frome I from̄e K 30 jnen KL hundertste L]
[Seite 178a]
viel guts thun, wenn er ein iglichs auch zum
Tuerckischen keiser selbs machete, als
er damit thut, das er sie aus des teuffels zorn so grausam handelt.1 Denn er opffert sie damit Gott ynn den hymel
Und kuendte auch alle welt sich nicht so
reichlich und herrlich an yhm rechen, als er an sich selbs solche leute rechet, Denn er stoesset sich selbs
damit ynn abgrund der hellen. ‘Ja,
sprichstu, Des lachet er und fragt nichts darnach mit allen den seinen!’ Wolan, er sols auch lachen, dazu nicht werd
sein, das ers gleuben odder erkennen
solle, Christus wird yhn das lachen bald vertreiben und [Bl. D iij] das alles wol lernen. Denn ich dis (wie
gesagt) den Christen schreibe zu [Apg.
2, 11] trost und nicht den Tuercken odder Tuercks genossen zu lachen. Daniel
hat yhm fuer uns allen gnug geschrieben,
da er yhn einen feind und lesterer Gottes
zum hellischen feur verdampt, verkuendigt. Wird Daniels schrifft
veracht, so ligt nichts dran, ob unser
schrifft auch verlacht werde, Wir haben den text, der uns nicht leugt noch treugt, das2 Gottes
heiligen sind, widder welche der Tuercke
streit. Sinds heiligen Gottes, so fragt ein Christen3 nicht gros darnach, wie grausam der Tuercke odder der
teuffel mit den kindlin und Christen
eusserlich am leibe umbgehet: Es muessen doch Engel da sein, die auff yhre seele warten und sie auff den henden
tragen und gen hymel bringen.
[Ps. 91, 11 f.] Denn es stehet
geschrieben ynn dem neuntzigsten Psalm: Er hat seinen engeln befelh uber dir gethan, das sie dich
auff den henden tragen, auff das du deinen
fuss nicht an einen stein stossest, So spricht auch Christus Matthei [Matth. 18, 10] am achtzehenden: Jch sage
euch warlich, das yhr engele sehen allezeit das
[2. Kön. 6, 17] angesicht meines Vaters ym himel. Wir lesen ynn der
koenige buecher vom propheten Elisa, wie
er gantze berge vol feuriger wagen und reuter umb sich seinem diener zeigete widder die Syrier. So
dazu mal so viel Engel umb die Stad
waren zum leiblichen schutz, wie viel mehr, meinstu wol, das hie ynn solchem streit die Engel da sind,
empfahen und beschuetzen geistlich die
seelen der Christen odder wie Daniel sagt der heiligen Gottes? Das aber
die Christen nicht allezeit werden
beschuetzt leiblich von den Engeln, wie ym alten testament, hab ich droben angezeigt, Das
Christus wil und mus hie auff erden
leiden, schwach sein und sich toedten lassen, auff das sein reich eilend
[ 2 handlet K 4 sich (1.)] sy K sich (2.)] jm L 5 selber L 8 soll
L yhn] jhm D jm HIKL bald] wol HIKL 9 leren CDEGHIKL 11
fuer] vor L 12 helschen F
verdampt, vnd verkuendigt CDEGHIL verdāpt vnnd verkündigt K Danielis BFGHIKL verlacht I 13 veracht F 14 treuget BF
15 Christ FGHIKL 17 vmgehe F 18 seelen D 19 dem 91. Psalm GHIL dem xcj. Psalm K
neuntzigisten CDE 20 befolhen vber (über L) dir, das GHIKL 21 ein L 22 jhre
(jre GHIKL) Engel CDE GHIKL 23 Künig K Koenig L 24 waegē CDE 25 Syrer
GHIKL 27 emfahen F entpfahen L ]
[Seite 179a]
gemehret und vol werde. Denn sein reich ist
nicht leiblich auff erden, Daruemb ist sein
streit am sterckisten, wenn viel leiden da ist und viel merterer werden, wie er S. Paulo antwortet
ynn der andern Episteln zun [2. Kor. 12,
9] Corinthern am zwoelfften Capitel: Las dir benuegen an meiner gnaden,
Denn meine krafft wird volkomen ynn schwacheit.
Also thun ynn diesem fal die Christen
auch, Lassen yhn benuegen an der gnade,
das sie Christen und Gottes heiligen sind, durch unsern Herrn Christum, wie Daniel sagt, Und wenns nicht anders sein
wil, lassen sie den Tuercken ymer hin
siegen, rhuemen und pochen, bleiben sie schwach und lassen sich martern, Denn sie sehen das, gleich wie bey
yhrem sterben eitel Engel sind, die auff
yhre seele warten, Also widderuemb yns Tuercken heer eitel teuffel sind, die auff der Tuercken seele warten und sie
ynn abgrund der hellen stossen, Nicht
das sie waffen und wehre von sich werffen und sich also von den Tuercken wehrlos ermorden lassen solten, wie die
Merterer ausser den kriegs hendeln
gethan haben, und noch thun und thun sollen, Sondern weil die Christen
mit leib und gut Weltlicher oeberkeit
unterworffen sind Und sie alle, ein iglicher
von seiner oeberkeit zum streit widder den Tuercken gefoddert und
beruffen werden, sollen sie thun als die
trewen gehorsa[Bl. D 4]men unterthanen (wie
sie denn gewislich thun, so sie rechte Christen sind) und mit freuden
die faust regen und getrost drein
schlahen, morden, rauben und schaden thun, so viel sie ymer muegen, weil sie eine ader1 regen
koennen. Denn solchs gebeut yhn yhr
welltliche oeberkeit, welcher sie gehorsam und solchen dienst schueldig
sind, [Röm. 13, 1] Und Gott von yhn wil
haben bis yn den tod hinein, zun Roemern am
[Tit. 3, 1] dreyzehenden, Titum am dritten Capitel.
Gleich wie vorzeiten die heiligen
merterer (wie droben gesagt) gethan haben,
Wenn sie vom Keiser etwa widder einen Tyrannen odder ander feinde gefoddert wuerden, worffen sie freylich nicht
die waffen und wehre von sich und
liessen sich ermorden, wie der Tyrann wolt, Denn damit hetten sie yhrem Keiser nicht wol gedienet, ia viel schadens
gethan, Sondern sie haben trewlich
[ 1 leidlich L 2 stercksten CDEGL
sterckesten HIK 3 ander F Epistel
CDE 3/4 antwortet, 2. Corinth. 12. Las (Laß L) GHIL antwortet, ij. Corinth.
xij. Laß K 4 dir] dich L 6 thůnd CD thund E yhn] jhnen CDE jnen GK sich L 12
stoessen K 17 geforddet H gefordert KL 18 trewen vnd gehorsamen CD 20 schlagen
F 21 moegen L künnen K 22 solche F
23/24 hinein, Rom. 13. Titum 3 GHI hinein, Rom. xiij (13 L). Titum iij (3 L).
KL 24 capiteln CDE 26 etwan L 27 gefordert IL wurden BFIKL warffen L]
[Seite 180a]
die faust geregt und nach yhrs herrn gebot
froelich drein gestochen und gehawen,
Als die freylich wol gewust und gedacht haben, das sie auff das mal
nicht als Christen sondern als diener
und unterthanen des Keisers mit leib und
gut gefoddert waren zu streiten, zu wuergen, und den feinden schaden zu
thun Und welche darueber sind
erschlagen, sind eitel heiligen worden, als die nicht allein rechte Christen, sondern auch frume
gehorsame trewe unterthane erfunden
sind. Also sollen itzt die Christen auch thun, Denn der Tuerck ist ein
feind und Tyrann nicht allein widder
Christum, sondern auch widder den Keiser
und unser oeberkeit. Foddert sie nu die oeberkeit, sollen sie zihen und
drein schmeissen wie gehorsame
unterthanen. Werden sie darueber erschlagen, Wolan so sind sie nicht allein Christen, sondern
auch gehorsame trewe unterthanen
gewesen, die leib und gut ynn Gottes gehorsam bey yhre oeberherrn
zugesetzt [2. Sam. 11, 17] haben, Selig
und heilig sind sie ewiglich, wie der frume Urias.
Aber weil der Tuercke gleichwol Gottes
rute und eine plage ist uber die sunde
beide der Christen und unchristen odder falschen Christen, so sol sich solches trostes und trotzes, davon bis her
gesagt, nicht ein iglicher an nemen Und
tolkuene daher faren und sprechen ‘Jch bin ein Christ, Jch wil dran’, Sondern zuvor sich bekeren und sein leben
bessern und also mit furcht und
ernstlichem gebet zu solchem trost und trotz komen. Denn ich hab droben gesagt, weil Deudsch land so vol bosheit und
lesterung ist, das1 zu hoch uber macht2
ist und yn hymel schreyet, kans nicht anders werden, wo wir uns nicht bessern und ablassen von verfolgung und
lesterung des Euangelij, wir muessen
herhalten3 und eine staupe leiden.4 Wo es der Tuercke nicht thut, so
mus doch etwas anders thun, Es were
denn, das der tuengst tag selbs keme. Es
kome aber staupe odder iuengster tag: Wer Christen ist und sich
gebessert hat, der kans erleiden und
wird selig, Die andern muessen gestrafft und verloren werden. Von diesem stuecke, das man sich
bessern und beten solle, habe ich
[ 2 mal] maul I 4 gefordert L 5 wilche
F 6 rechte fehlt GHIKL frome GHI
from̄e
KL vnterthanen CD vnderthonen L 7
sind] worden seind L 9 Fordert L
dareyn D 10 schmeissen] schlagen L
druber F 12 jhren CDEL jre G jr K 13 frome GHI from̄e K 15 solle CDEGHIK 16 trutzes
L 17 daran F 18 bekoeren L forcht
CDEFKL 19 erstlichem H sollichem
K trutz L 20 Deuschland HI
Deütschlandt K 23 staupe] strauß L
mus es GHI můß es KL 24 doch fehlt F Juengstag HI 25 staupe] strauß L Juengstertag HI 26 mussen BF 27 Von]
Vom F stucke B sol CDEGHIK soll L]
[Seite 181a]
gnugsam geschrieben ynn ihenem buechlin vom
Tuercken kriege, das nicht not
widderuemb hie zu erholen.
[Bl. E 1] Das sey gnug vom ersten teil
dieser predigt, nemlich die gewissen zu
unterrichten und troesten. Nu woellen wir das ander fuer uns nemen, Auch die faust zu vermanen, das ist,
das man leib und gut dran wagen und
williglich dran strecken solle, Und wo die oeberkeit zu diesem streit [Röm. 13, 6] schatzung foddert, das man die
selbigen gebe, wie man schueldig ist, zun Roemern am dreyzehenden. Desselbigen gleichen, wo sie
die person odder leib foddert, sol man
auch zulauffen, denn da hat Got gehorsam geboten. Denn unser Jungkern vom Adel haben bis her gnug
gebrasset, geschlemmet, gerennet,
gestoltzirt1, gebranget mit alzu uberfluessiger kost und kleidung,
dadurch sie alles gellt aus Deudschem
lande geschut und sich (on was der sunden widder Gott ist) an leib und gut verderbet. Es ist
zeit, das sie auch yhren stand und ampt
beweisen und ein mal mit ernst sehen lassen, das sie vom adel sind. Desselbigen gleichen auch die buerger und
kauffleut mit ubermessigem schmuck und
unzelichem wucher und geitz lange gnug yhre lust gebuesset, Haben sie so viel hundert tausent guelden so lange
verkleidet, verthan odder versamlet2,
sollen sie auch ein mal eine busse dauon geben umb yhrer hoffart
willen, dazu sie bis her so guten
stillen fride gehabt und des missebraucht.
Also auch der handwercks und baurs man,
haben so lange her mit ubersetzen,
schinden, stelen und rauben, neben andern grossen mutwillen und
ungehorsam eine redlich busse wol
verdienet, sonderlich sint der zeit das Euangelion an tag ist komen, dadurch sie frey und reich
geworden, von allen schindern und
bettlern3 erloest, das sie meinen, sie duerffen Gott nicht mehr geben noch allen seinen dienern, sondern allein zu sich
scharren und reissen auff dem marckt
durch ubersetzen, gleich als aus dem beutel stelen. Dazu sie bisher grossen fried gehabt, gesoffen, getantzt und
gesungen haben ynn aller sicherheit.
Wolan, was sie ersparet, gestolen und gesamlet haben, was sie yhren
Predigern und Pfarherrn entzogen, das
sollen sie bruder Veiten den landsknechten zu samen bracht haben und keinen danck dazu haben.4
Die Fuersten sollens on alle
[ 1 ihenem] einem HIKL 2/3 zuerholen.
Das ander Teil der Heerpredigt. DAS HIK Das ander Teil (Teyl L) der Heerpredigt
(Heerpredig L). DAS GL 3 predig L 4 fur BF 7 schuldig BF 7/8 ist, Rom. (Roma.
L) 13. (xiij. K) GHIKL am xiij.
capitel CD 8 fordert L 9 vnsern BF 10 Junckern CDEGK Junckhern L 11
gestolt-zeirt F alzu] zů vil
L vberflussiger B vberflussyger F
15 burger BF 16 vnzeligē F vnzoelichem L jren lust L gebusset BF 17 gulden BF 18 jr K jhrer
L 19 friede F 21 anderm GHIK anderem L grossem K 22 ein HIKL redliche FHIKL sint] seind CDE seyt K seidt L 23
dardurch G worden L schindlern F 24 durffen BF doerffen L 27 getantz F]
[Seite 182a]
barmhertzigkeit von yhn nemen und kriegs volck
damit halten, Quod non tollit Christus,
tollit fiscus, So sol es gehen. Hastu nicht woellen einen guelden geben zum frieden, Gotte zu liebe und dienst,
so gib nu zehen odder zwentzig zum
streit, Gotte zur straffe und busse. Haben wir guts empfangen von dem [Hiob 2, 10] Herrn (spricht Hiob) waruemb
woellen wir das boese auch nicht leiden?
[Pred. 3, 1] Es hat ein iglichs thun
seine zeit, Spricht Salomon Ecclesiastes am
ersten, Bisher ists fridens zeit gewest, nu ists streitens zeit, Bisher
brassens und brangens zeit, Nu aber
sorgens und erbeitens zeit, Bisher wucherns, stelens, scharrens zeit, Nu aber ausgebens, bezalens
und ausstrewens zeit, Bisher essens,
trinckens, tantzens, freuden, lachens zeit, Nu aber traurens, schreckens, fuerchtens, weinens zeit, Bisher ringens,
schlaffens, muessiggehens, sicher lebens
zeit, Nu aber [Bl. E ij] wachens, unruge, schaffens, werens zeit. Haben
wir ihene gute zeit kund gerne haben und
dennoch Gotte nichts dafuer dancken noch
erkennen, So last uns nu diese boese zeit auch dulden und dran lernen
fuer ihene gute zeit dancken. Ja, Wenn
Gott ymer gute zeit gebe und liesse uns
drinnen mit aller bosheit und mutwillen die erden fuellen bis an den
hymel hinan und hies uns dazu lieben
Junckern, das moechten wir leiden, und sind
also der guten tage und fridens ynn aller bueberey gewonet. Nu wills
uns faul thun1, das auch boese zeit und
unfride koempt, Und woellen scheel und saur
sehen, schatzung zu geben odder selbes zu reisen, Ja man muests uns
bestellen.2 Warumb hastu zuvor nicht gehorcht,
da man dir Gottes wort sagt, So hoere nu
den teuffel ym Tuercken, der du Gott nicht hoeren woltest ynn Christo.
Sperrestu dich aber und wilt nicht
geben noch reisen, Wolan, so wird dichs
der Tuercke wol lernen, Wenn er yns land koempt und thut dir wie er itzt vor Wien gethan hat, Nemlich, das er
keine schetzung noch reise von dir
fordert, sondern steckt dir haus und hoff an, nympt dir vihe und futter,
gellt und gut, sticht dich zu tod (wo
dirs noch so gut wird), schendet odder wuerget
dir dein weib und toechter fuer deinen augen, zuhacket deine kinder und
spiesset sie auff deine zaunstecken, Und
must dazu, das das ergeste ist, solchs alles
leiden und sehen mit boesem verzagtem gewissen als ein verdampter
unchrist, der Gott und seiner oeberkeit
ungehorsam gewest ist, odder fueret dich sampt
yhn weg ynn die Tuerckey, verkeufft dich daselbs wie einen hund, das du
dein
[ 1 yhnen E jhnen CD jnen GKL 2 Hast du
L 3 friden F zweintzig K 4
entpfangen L 5 Herren B her||ren F
wolten L 6/7 am ersten] 1. GHIL j. K 7 ist friedens HI ist fridens KL
fredens F ist streytens K 11
foerchtens L 12 vnrůhe CDKL vnruhe EGHI 13 kündē K koennen L zůdancken K 16 erde F Erde HIK erd
L erfuellē EGHIKL 17
Junckhern L 21 Waruemb B hast du K 23 Sperrestu du IK wilst GHIK 24 leren CDEGHIKL 25 vor]
fur I 26 foddert BFGHI hoef K viehe F vich L 28 Tochter F Toechtern
K für] vor CDEGHIKL zerhacket K zerhackt L 29 ergerste F 30
verzagtē E verzagten GHIL 31 fieret K 32 weg] hinweg L daselbst CDEGHIKL einen] ein GHIL ain K]
[Seite 183a]
leben lang must umb ein stueck brods und
trunck wassers dienen ynn stettiger
erbeit tag und nacht, mit ruten und knuettlen getrieben und dennoch keinen lohn noch danck1 verdienen, Und wo ein sturm
sol geschehen, mustu der verloren hauffe
sein2 und alle erbeit ym heer thun, Uber das kein Euangelio hoeren, Nichts von Christo und deiner seelen
seligkeit lernen, Als denn wuerdestu gern
von zwo kueen eine zur schetzung3 geben, Gerne wuerdestu selbs die
helfft deiner guetter auch anbieten,
gerne selbst unter deinem Fuersten reisen, gerne einen Prediger selbs erneren, der dir ym iar
viermal predigte, und wird alles
umbsonst sein. Sihe, das wiltu haben, darnach ringestu itzt, Denn der
Tuercke ist der man, der dich lernen
wird, was du itzt fuer gute zeit hast und wie
iemerlich, undanckbarlich, boeslich du sie widder Gott, seine diener und
deinen nehisten zubracht, verseumet und
missebraucht hast. Der Tuercke weis den Adel
zu mustern und zu demuetigen, die buerger zu zuechtigen und gehorsam zu
machen, die baurn zu zemen und den
mutwillen zu buessen. Daruemb dencke und sey
frum und bitte Gott, das der Tuercke nicht dein schulmeister werde, das
rat ich dir. Er hats vor Wien alzu
grewlich beweiset, wie ein wuester unsauber
zuchtmeister er sey.4
Jch wolt wuendschen (wo uns unser sunde
fuer Got so viel witze und mut liessen)
das alle Deudschen so gesinnet weren, das sich kein flecklin noch doerfflin plundern noch weg fueren liessen
vom Tuercken, [Bl. E iij] Sondern wenns
zu solchem ernst und not keme, das sich werete was sich weren kund, iung und alt, man und weib, knecht und magd,
bis das sie alle erwuerget wuerden, dazu
selbs haus und hoff abbrenneten und alles verderbeten, das die Tuercken nichts fuenden, denn Junge kindlin,
welche sie doch on das spiessen und zu
hacken, wenn sie uns lebendig wegfueren, und wir den selbigen doch nicht helffen koennen, Und das solchs
geschehe mit vorgehendem gebet zu Gott,
darynn sie alles seiner gnaden befolhen und als ym gehorsam der
oeberkeit wie
[ 2 knuetteln BGHIL knůtteln F
knitlen K 4 heer] Hoer K 5 wurdest du F
gerne BF 6 zwů K
wuerdest du F selbest HI
selbst K 7 auch fehlt HIKL selbst] selbs CDE FHIL sels G wurdestu
selbs K 8 ernoeren KL würdt K wirt
L 10 leren CDEGHIKL 11 undanckbarlich fehlt F 12 nehesten CDEGHI Nechsten K
nechsten L waist K 13 vnd
demuetigē K 15 from K 16 vor] fur HI
alzu] zůuil L 17 Zuchmeister H 18 wuenschen CDEKL wundschen F fuer] vor KL 19 liesse L 20 plinderenn
K plünderen L ließ F 21 woeret
L woeren L kuend BF kündt L 22 jung vnd vnd alt
H maegdt L 25 zerhacken L 26
künnen KL]
[Seite 184a]
droben gesagt. Es were yhe beser, das man den
Tuercken ein leer land liesse denn ein
volles, Und wer weis, was solche thurst schaffen wuerde bey den Tuercken? Werden wir weggefurt, so haben wirs
viel erger, denn so wir erwuerget
werden, wie droben gehoeret, Und ist grosse fahr, das wir ynn der Tuerckey vom Christlichen glauben zum
Tuerckischen glauben fallen wuerden, zum
teuffel ynn die helle hinein.
Schreiben doch die Roemer1 selbs von
der Deudschen weiber, das sie vorzeiten
eben so wol als die menner zu felde gezogen und gestritten haben,
Und welche magd odder iungfraw nicht hat
einen feind erwuerget, hat zur straffe
muessen iungfraw bleiben. So schreiben die newen historien von den
Tuercken, da sie zu Lemno2 ynn Griechen
land sind eingefallen und den thorhueter
erstochen, hat die tochter des thorhueters, da sie den vater tod
gesehen, seine were genomen und den
Turcken ym thor so lange geweret, bis die burger dazu komen sind und die Tuercken vertrieben
haben. Thun doch die Tuercken selbs auch
also, das sie sich ehe und lieber erwuergen denn fangen lassen Und nemen keine gefangene widder an, ob sie
gleich gerne widder heim wolten.
Denn ich achte kein heuslin so geringe,
wo man sich draus weren wolte, die
feinde muesten har3 drueber lassen. Doch
solchs alles wissen die kriegsleute
besser denn ich, der ich mich auff solch gelegenheit und leuffte4 nichts
verstehe, Sondern davon rede ich, weil
es doch ynn solchem fall mus gewagt sein Und
keiner gnaden bey dem Tuercken zu hoffen ist, wenn er uns weg fueret,
sondern alles unglueck, hon und spot
leiden muessen leiblich, dazu ynn geistlicher
ferlickeit der seelen des worts beraubt sein und yhr ergerlich
Mahometisch leben sehen muessen, so
decht ich, es were das beste, Gott sich befelhen Und aus gethaner pflicht und gehorsam der
oeberkeit sich weren so lange und mit
wasser weise man ymer koendte und sich nicht fangen lassen, sondern
wuergen, schiessen und stechen ynn die
Tuercken, bis wir da legen. Denn das du umb
der iungen kindlin willen gedechtest dein leben zu behalten, ist nichts,
Weil du gehoeret hast, das die Tuercken
solche kindlin und was sie nicht mit fueren
[ 1 dem Tuercken GHIKL 2 solcher durst
L 2/3 dem Türcken L 3 habens wirs F 4 gefahr CDE 5 von dem L 9 iunffraw F 10
jūgffraw mussen F ein jungkfraw L 13 woer L angenommen EKL angenomen GHI Tuercken B gewoeret L buerger BF 15 fahen L 17 woeren L 19
leuffe K leüff L 22 hon] haben L 23 ferligkeit BFHIK faerligkeyt L 26 wasser]
welcherley CDEGHIKL kündte KL fahen L 27 ligen I 28 gedechst K
gedaechtest L 29 mit fehlt L]
[Seite 185a]
muegen alles erstechen, zu hacken und
spiessen, das du doch yhn widder helffen
noch retten kanst, sondern allein groessern iamer und elend dran sehen
must.
Und ob sie gleich die kindlin mit dir
weg fuereten, so darffestu nicht hoffen,
das sie die selbigen lassen bey dir bleiben, da wird nicht aus, Man verkeufft ynn der Tuerckey die gefangene
Christen wie [Bl. E 4] das viehe und wie
die sew, achtet nicht Wer hie vater, mutter, kind odder weib sey, Da wird das weib dorthin, der man hieher
verkaufft, Also gehets auch mit elltern und
kindern zu, das keins bey dem andern gelassen wird, wie die keuffer und verkeuffer wollen, Das doch allenthalben
besser were daheymen ym hause sich weren
und erwuergen lassen ynn Gottes willen und der oeberkeit gehorsam, denn sich ynn solch ferlich, schendlich
gefengnis geben. Das ist mein guter
wundsch, Aber ich halt es wil wol ein wundsch bleiben, Denn ich solchs
sage meinen lieben Christlichen
Deudschen zu gut, so da gerne wollen unterricht
sein, Die andern beduerffen nichts, haben selbs gut duenckel sack und
fas vol1, Aber wollen wir mit dem
Tuercken streiten und uns weren, so werden wir
muessen andere und new gedancken fassen und uns anders schicken und gewehnen, beide mit hertz und hand, denn wir
bisher gewohnet sind.
Hiebey mus ich auch eine vermanung thun
und einen trost geben den Deudschen, so
bereit ynn der Tuerckey gefangen sind odder noch gefangen [Jer. 29, 1 ff.] moechten werden, gleich dem
exempel nach des heiligen propheten Jeremia,
welcher auch einen brieff schreib gen Babylonien und vermanet seine
gefangene Jueden das sie solten
gedueltig sein ym gefengnis und ym glauben feste bleiben bis auff die zeit yhrer erloesunge, das sie
sich nicht ergern solten an der
Babylonier glauben und Gottes dienst, welcher gros war und treflichen
schein hatte, das gar viel Jueden dahin
fielen, wie ich denn hoere und lese, das auch
die Christen seer abfallen und des Tuercken odder Mahomethts glauben williglich und ungezwungen an nemen umb des
grossen scheins willen, den sie haben
ynn yhrem glauben. Darumb merck auff mein lieber bruder, las dich warnen und vermanen, das du ia ym
rechten Christen glauben bleibest und
deinen lieben Herrn und heiland Jhesum Christum, der fur deine sunde gestorben ist, nicht verleugnest noch
vergessest.
[ 1 mugen B mugen mit fueren (S. 184,
29) F moegen L zerhacken L jhnen CDE jnen KL wider CEG weder DKL 2 retten] raten
GHIKL 3 fureten B fueren HIKL 4 nichts L 5 Turckey B gefangene fehlt F gefangnen L vich L 6 saw L vnnd achtet gar nicht F 7 mit den
eltern CDEGHIKL 11 schendlig I 12 wunsch (beidemal) CDEL (das erstemal) K 13
wolten L 14 bedorffen F
beduerffens nichts GHIK bedoerffens nit L 15 dem] den BHL 16 uns] was
GHIK etwas L 17 gewoenen L
gewoenet L 19 bereit] schon L 21 schrib L 22 Gefengnus G 23 solten fehlt
CDE 24 treffenlichen CDEG 25 lese] liß L 29 rechen A]
[Seite 186a]
So lerne nu, weil du noch raum und stat hast,
die zehen gebot, dein vater unser, den
glauben und lerne sie wol, sonderlich diesen artickel da wir sagen ‘Und an Jhesum Christ seinen einigen
Son unsern Herrn, der empfangen ist vom
heiligen geist, geborn von der iungfrawen Maria, gelitten hat unter Pontio Pilato, gecreutzigt, gestorben und
begraben, Nidder gefaren zur hellen, Am
dritten tag aufferstanden von den todten, auffgefaren gen hymel, sitzend zur rechten Gottes des allmechtigen Vaters,
von dannen er komen wird zu richten die
lebendigen und die todten &c..’ Denn an diesem artickel ligts, von diesem artickel heissen wir Christen und sind
auch auff den selbigen durchs Euangelion
beruffen, getaufft und ynn die Christenheit gezelet und angenomen, und empfahen durch den selbigen den heiligen
geist und vergebung der sunden, dazu die
aufferstehung von den todten und das ewige leben. Denn dieser artickel macht uns zu Gottes kinder und
Christus bruder, das wir yhm ewiglich
gleich und mit erben werden.
[Bl. F 1] Und durch diesen artickel
wird unser glaube gesondert von allen
andern glauben auff erden, Denn die Jueden haben des nicht, Die Tuercken
und Sarracener auch nicht, dazu kein
Papist noch falscher Christ noch kein ander
ungleubiger, sondern allein die rechten Christen. Darumb, wo du ynn die Tuerckey komest, da du keine prediger noch
buecher haben kanst, da erzele bey dir
selbs, es sey ym bette odder ynn der erbeit, es sey mit worten odder gedancken, dein Vater unser, den Glauben und
die Zehen gebot, und wenn du auff diesen
artickel koempst, so drucke mit dem daumen auff einen finger odder gib dir sonst etwa ein zeichen mit der
hand odder fuss, auff das du diesen
artickel dir wol einbildest und mercklich machest, Und sonderlich, wo du etwa wirst ein Turckisch ergernis sehen
odder anfechtung haben. Und bitte mit
dem Vater unser, das dich Gott behuete fuer ergernis und behalte dich rein und feste ynn diesem artickel, Denn an
dem artickel ligt dein leben und
seligkeit. Eben so vermanet S. Jeremias seine Jueden auch zu Babylonien, wenn sie die guelden und sylbern goetzen
sehen wuerden, solten sie an yhren Gott zu Jerusalem gedencken und bey sich sprechen:
Herr, dich allein sol man anbeten
&c.. Also thu hie auch, Wo du bey den Tuercken wirst etwa sehen einen grossen schein der heiligkeit, so las
dichs nicht bewegen, sondern sprich: Und
wenn du ein Engel werest, so bistu dennoch nicht Jhesus Christus, Herr Jhesu an dich gleube ich alleine, hilff mir
&c..
[ 1 weil] die weyl CDE 3 Christum
F entpfangen L 4 hat fehlt
CDEGHIKL 5 Poncio CDEG 8 &c.. fehlt K 10 gezoelt L 11 entpfahen L selben L 13 kindern L brueder BEFKL 15 glauben GHIKL gesündert L 19 kompst L keinen L erzoele L 20 Boette K 21 gepot B 22
kompst BFL kumpst K einen] ein CDE
den GHIKL 23 sunst KL etwan L 25
wirdest CDE Tuerckisch B 26 fur BF
vor KL 27 dem] diesem I 28 Eben also CDEGHIKL auch fehlt CDEGHIKL 29 silberin L 30
solle CDEGHI soll KL 31 wirdest CDE etwa wirst L 32 dichs] dich EGHIKL 33
dennocht C dannocht D]
[Seite 187a]
Unter andern ergernissen bey den Tuercken ist
das wol das fuernemeste, Das yhre
priester odder geislichen1 solch ein
ernst, dapffer, strenge leben fueren,
das man sie moecht fuer Engel und nicht fuer menschen ansehen, das mit
allen unsern geistlichen und moenchen ym
Bapstum ein schertz ist gegen sie. Offt
werden sie auch entzueckt, auch uber tissch bey den leuten, das sie
sitzen als weren sie tod, Thun auch
zuweilen grosse wunderzeichen dazu, Wen solt nu
solchs nicht ergern und bewegen? Du aber, wenn dir solche fuerkomen,
So wisse und gedencke, das sie dennoch
nichts von deinem artickel odder von
deinem Herrn Jhesu Christo wissen noch halten. Darumb so mus es
falsch sein, Denn der teuffel kan auch
ernst sein, saur sehen, viel fasten, falsche
wunder thun und die seinen entzuecken, Aber Jhesum Christum mag er
nicht leiden noch hoeren. Daruemb so
wisse, das solche Tuerckische heiligen des
teuffels heiligen sind, die durch yhre eigen grosse wercke wollen frum
und selig werden und andern helffen on
und auffer dem einigen heilande Jhesu Christo,
und verfueren also beide sich selbs und alle andere, die diesen artickel
von Jhesu Christo nicht wissen odder
nicht achten aller dinge, wie uns unser Moenche
haben woellen zum hymel helffen mit yhrer eigen heiligkeit.
Zum andern wirstu auch finden das sie
ynn yhren kirchen offt zum gebet zu
samen komen und mit solcher zucht, stille und schoenen eusserlichen geberden beten, das bey uns ynn unsern
kirchen solche zucht und stille auch
nirgent zu sinden ist. Denn da sind die weiber an sonderlichem ort und so ver[Bl. J ij]huellet, das man keine kan
ansehen, das auch unsere gefangen brueder
ynn der Tuerckey klagen uber unser volck, das nicht auch ynn unsern
kirchen so still, ordenlich und
geistlich sich zieret und stellet. Sihe, das moecht aber mal ein solchen gedancken geben ynn dein
hertz und sagen: Fuer war, So fein
halten und stellen sich die Christen nicht ynn yhren kirchen &c.. Da
druecke aber mal mit dem daumen auff einen
finger und dencke an Jhesum Christum,
den sie nicht haben noch achten, Denn las sich zieren, stellen, geberden
wer do wil und wie er wil, gleubt er
nicht an Jhesu Christ, so bistu gewis, das
Gott lieber hat Essen und trincken ym glauben, denn fasten on glauben,
lieber wenig ordenlich geberde ym
glauben, denn viel schoener geberd on glauben,
[ 1 fürnempste L 2 ein (ain K) solch
CDEGHIKL solchen ernst F 3 fur (beidemal) BF 4 münchen CDEL Muenchen GHIK Bapstumb E sie] jhnen L 5 entzueckt, vber HI
entzuckt vber KL 6 grosse fehlt F 7 furkomen BF 10 ernst] ernstlich CDEL vil F 11 wunder] wunderzeychen CDE
Wunderzeichen GHI wunderzaichen K wunderzeychen L 12 Darumb BF 15 verfuren BF
16 alle dinge F uns fehlt GHIKL münche CDE Muenche GHIK Münch L 17
aignen K eygnem L 18 ander I
wirdestu CDE fündē K 19 schonen BF 21 an eim
(einem K) sonderlichen HIKL 22 gefangen KL 23 unsern] vnser K 24 ordentlich HI
24/25 abermals L 25 solch K Fur BF 27 gedencke CDEG gedenck HIKL 28
sich] sie K da CDHIKL 29 Jesum
CDEL Jhesum GHIK bis du F 31 ordentlich FHIK ordenlicher L]
[Seite 188a]
lieber wenig gebet ym glauben, denn viel gebet
on glauben. Christus urteilet [Luk. 7,
40 ff.] doch ym Euangelio Luce am siebenden, das die arme sunderin fruemer were mit wenigen geberden, denn Simon der
aussetzige mit allem seinem geprenge
[Luk. 18, 14] Und der arme sunder der Zoelner muste besser sein on
fasten und feyren, denn der homuetige
Phariseer mit seinem fasten und aller heiligkeit Und sprach dazu [Matth. 21, 31] widder die huebschen
ungleubigen phariseer: alle Hurn und Zoelner werden ehe gen hymel komen denn yhr.
Zum dritten wirstu auch walfarten zu
den Tuerckischen heiligen daselbst
finden, die doch nicht ym Christen glauben, sondern ym Mahomets
glauben gestorben sind, wie sie bekennen
und rhuemen. Da geloben sich die Tuercken
hin, lauffen und ruffen sie an, aller massen1 wie wir zu unsern
Walfarten gelauffen sind und unser
heiligen angeruffen haben. Es wird auch vielen
geholffen und geschehen viel grosse zeichen gleich wie bey uns auch
geschehen ist. Von solchen falschen
wunderzeichen haben wir offt und viel geschrieben, die bey uns von den heiligen (als wir
gemeinet) und bey den Walfarten
gschehen, das auch etliche todten aufferweckt, blinden sehend, lamen
gehend [Matth. 24, 24] worden sind und
der gleichen, wie denn Christus verkuendigt hat Matthei am vier und zwentzigsten, das die falsche
Christi und falsche propheten solche
wunder thun solten, das auch die ausserweleten moechten verfueret
werden, Des [2. Thess. 2, 9 f.] gleichen
S. Paulus ynn der andern Episteln zun Thessalonicern am vierden auch verkuendigt. Denn das ist dem teuffel
ein geringes, einen menschen zu plagen,
das er und yederman nicht anders wehnet, denn er sey blind, lam, tod, Darnach, wenn er damit hat seine
abgoetterey angericht und die leute von
Christo etwa zum heiligen (das ist sich selbs) anzuruffen getrieben, als
denn ablasse zu plagen, das der mensch
gleube, Sein heilige habe yhm geholffen.
Er kan auch wol so viel kunst, das er zuweilen rechte kranckheit
vertreiben und rechte scheden heilen
kan. Denn er ist ein Doctor uber alle doctor ynn der ertzney, dazu ein Fuerst der wellt. Sihe
was wunder thut er bey und durch seine
zeuberer, wie seltzam er yhn hilfft, unbegreiffliche ding zu thun.
[Hiob 1, 16 ff.] Was thet er dem
heiligen Man Hiob, welch ein wetter und donner
macht er ynn der lufft und [Bl. G 1] verbrand yhm alle sein gut und
toedtet
[
[Seite 189a]
yhm seine kinder, dazu schlug er yhm seinen
eigen leib mit grewlichen boesen blatern
und schweren: Sihe, wie er unsern Herrn Christum selbs ynn den [Matth. 4, 1 ff.] luefften fuerete auff den
tempel und vom tempel auff den hohen berg (als were er sein Gott) und zeiget yhm alle reiche auff
erden ynn einem augenblick. Kan er nu
wetter machen, blatern schaffen, ynn luefften fueren und also mit den heiligen spielen, dazu mit Christo selbs,
was solt er nicht vermuegen mit seinen
gotlosen und unchristen? Daruemb sey gewarnet, Wenn du ynn der Tuerckey zeichen sehen odder hoeren wuerdest,
das du gedenckest bey dir selbs und
sprechest: Und wenn du alle todten auff wecktest und alle zeichen
thettest, weil du da neben Jhesum
Christum verleugnest und lesterst odder nicht kennen wilt, so gleube dir der teuffel an meiner stat, ich
wil lieber on zeichen und wunder bey
meinem schwachen Christo bleiben, denn zu dir starcken und mechtigen wundertheter fallen.
Und ist zwar ynn der Tuerckey das
vorteil, das man solche falsche wunder
leichtlich kennen und sich dafuer hueten kan, weil die selbigen nicht ynn Christus namen geschehen, sondern widder
Christus namen, ynn des Mahomets namen,
Denn wie gesagt: Sie halten nichts von Christo, spotten und lestern viel mehr die Christen mit dem namen Christi
als mit eines untuechtigen heiligen
namen, der die seinen verlesst und yhn nicht hilfft widder den Mahometh. Aber bey uns unter dem Bapstum sind
solche falsche zeichen viel ferlicher und
schwerer zu erkennen, weil sie bey uns als bey den Christen und unter dem namen Christi als von seinen
Christlichen heiligen geschehen. Da hat
er sein recht teuffels spiel unter dem namen Christi, die leute von
Christo zu fueren auffs aller geschwindest
und behendest, wie Christus spricht, das
[Matth. 24, 24] solche falsche Christi moechten auch die ausserweleten
verfueren.
Zum vierden wirstu sehen bey den
Tuercken nach dem eusserlichen wandel
ein dapffer strenge und ehrbarlich wesen: Sie trincken nicht wein1,
sauffen und fressen nicht so, wie wir
thun, kleiden sich nicht so leichtfertiglich und froelich, bawen nicht so prechtig, brangen
auch nicht so2, schweren und fluchen
nicht so, haben grossen trefflichen gehorsam, zucht und ehre gegen yhren Keiser und herrn, Und haben yhr regiment
eusserlich gefasset und ym schwanck,
[ 1 eygnen KL 2 geschweren CDEGHIKL 6
vermoegen L 9 aufferwecktest HIKL 10 darneben CDG 11 der fehlt EG wil vil (viel GHI) lieber CDEGHIKL 14
der vorteyl L 15 leichtlich] lich F
dauor K daruor L 18 dem] den F
eines] einen GHI einem K 19 die seine HIK jnen K jhnen L nichts F 21 und (2.) fehlt K 24 auffs]
als auffs HIKL 25 außerwoelten KL 26 wirdestu CDE 29 froelich] koestlich
CDEGHIL kostlich K bauwenn K so] also L schwoeren L 30 jrem L]
[Seite 190a]
wie wirs gerne haben wolten ynn Deudschen
landen. Und wie wol yhr gesetze zu
lesst, das einer mag zwelff ehe weiber haben und dazu Megde odder beyschlefferin wie viel er wil und dennoch
aller kinder gleich erben sind, So
halten sie doch solche weyber alle ynn grossem zwang und gehorsam, das
auch der man fuer den leuten selten mit
seiner weib einem redet odder leichtfertiglich
bey yhr sitzt odder schertzt. Denn ob wol der man yhm solche weiber lesst vertrawen durch die priester, so
behellt er doch das recht und die macht
von sich zu lassen welche er wil, nach dem sie verdienet odder er sie lieb
hat odder gram wird. Hie mit zwingen sie
[Bl. Gij] yhre weiber gewaltiglich Und
wie wol solche ehe nicht ein ehe fuer Gott sondern mehr ein schein ist, denn eine ehe, noch halten sie damit yhre
weiber ynn solchem zwang und schoenen
geberden, das bey yhn nicht solch fuerwitz, uppickeit, leichtfertickeit und ander uberfluessiger schmuck, kost und
bracht unter den weibern ist, als bey
uns.1
Nu ist solcher schein auch wol so ein
gros ergernis eym unberichten und
schwachen Christen als kein guelden bilde zu Babylon den Jueden gewest
ist, und kein kartheuser kloster2 bey
uns ist, weil bey uns kein orden so heilig
ist, der nicht wein trincke, Und kein weib noch Jungfraw der massen ym
zaum leben mus. Daruemb sihe dich fuer
und druecke abermal den finger mit dem
daumen, Denn du findest auch ynn diesem stuecke deinen Christum nicht.
Was hilfft denn solch schoen ding, so es
auffer und widder Christum ist? Da magst
du wol sagen, das sprichwort ‘Es ist schoen boese’ Aber bey uns ist
Alber feste3, Denn es ist ia besser ynn
Christo messig wein trincken und froelich sein, Denn ausser Christo solch trefflich saur ding fuer
geben, das widder Propheten noch Apostel
noch Christus selbs hat fuer gegeben, Denn Christus ass und tranck beyde mit man und weibern, beyde mit
Phariseern und Zoelnern, Aber die
Tuercken muessens hoeher und besser machen denn Gott und sein eigen Son
selbs machen, welchen sie doch die weil
lestern und verfolgen wie unser geistlichen
und Gleissner bey uns auch thun. So wisse nu, das Christus reich
stehet nicht ynn essen odder trincken,
auch nicht ynn eusserlichen geberden, sondern
[ 1 wirs] wir HIKL gern BFL 2 zu lesset BF zwoelff L maegte E maegdt L 3 alle K 5 fuer] vor
KL weiber L einem] einer HI ainem K 5/6
leichtfertig IK 8 sich] jhm L nach
dem sie] nach sie dem B 10 fuer] vor KL
mehr] vil mer L 11 damit fehlt K 12 jnē KL solcher L leichtfertigkeit BF 13 vberflissiger K
15 grosse L eym] einem CDEGHIL
eynem F ainem K 17 Karthuser F 21 sollich K 21/22 magstu BFGHIKL 22 Sprüchwort
KL schon GHIKL Alber] Aber IK 23 boesser K 24
treffenlich CDEGHIKL 25 fürgebē K 26 mannen CDEL Mannen GHIK]
[Seite 191a]
[Luk. 17. 20] ym glauben des hertzen, Luce am
siebenzehenden &c.. und las dich solch gleissen nichts anfechten.
Uber diese ergernis schlegt nu das
grosse glueck zu, das die Tuercken so
mechtig worden sind, so viel sieg haben, die Christen (wie sie meinen)
so offt darnidder gelegt haben und
bisher so trefflich zu genomen, das es keine vernunfft anders deuten mag, denn das yhr heiligkeit
solchs verdiene und yhr glaube und wesen
Gotte so wol gefalle, Darueber sie so starrig1, hart und verstockt werden, das man meinet, es sey
unmueglich einen Tuercken zu bekeren.
Widderuemb halten sie, das kein erger volck sey, denn die Christen und
kein schendlicher glaube, denn der
Christliche glaube, Und fallen daher ynn solchen uberschwenglichen hohmut zu lestern und zu
schenden Christum und seine Christen,
das sie unternander rhuemen, spotten und sagen: Die Christen sind Weiber, Aber die Tuercken sind yhre Menner,
als weren sie allein eitel Helden und
Risen Und wir Christen eitel weiber und memmen, Wissen aber nicht, wie saur es wird mit yhn ausgehen. Die stoltzen
Babylonier waren auch menner und die
Jueden musten weiber sein, Aber die selbigen weiber blieben zu letzt beide man und herr, da die
Babylonier widder haut noch har behielten.
Sihe unter diesem heiligen schein der
Tuercken ligen verborgen, ia
unverborgen, so viel ungehewrer schrecklicher grewel, nemlich, das sie
Christum [Bl. Giij] nicht allein
leugnen, sondern auch lestern und schenden, mit seym blut, sterben, aufferstehen und mit allem
gut, das er der wellt gethan hat, und
setzen yhren Mahometh uber yhn, damit sie auch Gott den Vater lestern und den teuffel an Gottes stat ehren, Darnach
auch solch bluthunde sind, so grewlich
viel blut vergiessen und mord begehen, ynn so viel lendern, als nie auff erden gehoeret ist, Dazu solch Welsch
und Sodomisch unkeuscheit treiben, das
nicht zu sagen ist fuer zuechtigen leuten, on was das ist, das sie die ehe so gar nichts achten, Sind dazu die aller
groessesten reuber und verderber aller
land und leute, Und wer wil alle solche grewel erzelen, der sie doch
keine fuer sunde halten, sondern alles
fuer eitel tugent? Das heisst blindheit uber
alle blindheit Und wird solchs alles mit dem eusserlichen schein (wie
gesagt) also geschmueckt, das viel
Christen abfallen und zu yhrem glauben und zu
solchem grewlichen heslichem schoenen teuffel williglich sich geben, Und
zwar, wo solche falsche heiligkeit ist,
da muessen alle laster auff eym hauffen sein,
[ 1 Luc. 17. (xvij. K) vnd GHIKL Luce.
17. vnd L sollich L 3 schlecht
CDEGHIKL 5 treffenlich CDEGHIKL 7 glauben CDEGHIKL 8 zůbekoeren L 10
Christenliche CDEG 11 vber (über L) schwencklichen HIKL hochmůt CDKL hochmut EGHI 12 vnter (vnder KL)
einander CDEGHIKL 15 mit jnē wirt L
jnen K 16 die selbige F 17 do HIK 20 seinem CDEGHIKL 23 solche BF
solliche L 24 begeben K begeen L 26 fuer] vor KL zeuechtigen F 28 erzoelen L 31
abgefallen F 32 willigklichen CDE 33 vff L
eym] eynem BF ein IL]
[Seite 192a]
wie wir wol sehen an unsern geistlichen, das
yhr lestern, hohmut, mord, geitz,
unzucht und aller laster kein mas ist.
Sie troesten sich aber mit diesem
spruch: Ey meinstu das Gott so viel
leute so lange solt yrren und verdamnen lassen, wie sich unser
Endechrist auch troestet. Welcher spruch
odder gedancken auch wol kan einen bawfelligen1
Christen stossen und einen halstarrigen buben stercken, gleich wie sich
die Jueden vorzeiten auch damit setzten
widder die heiligen Propheten und
sprachen: Ey, Gott ist nicht so zornig, Er wird nicht so ubel thun,
wie [Micha 2, 6 f.] Micheas schreibet
und die anderen, Aber man mus diesen spruch und gedancken aus den augen thun und von Gottes werck odder
urteil nicht richten nach menschen werck
odder urteil. Denn es ligt nicht dran, ob viel odder wenig menschen gleuben odder nicht gleuben,
verdampt odder selig werden, Sondern da
ligts an, Was Gott gebotten odder verbotten hat, Was sein wort odder nicht sein wort sey, Da sol man auff sehen
und nach dencken und die gantze wellt
nicht achten, ob sie gleich allzu mal zum teuffel fueren. Denn Gott und sein wort bleiben, ob gleich hymel und
erden vergehen, Daruemb hallt fest,
hallt fest, sage ich, an deinem Christo, das du fuer solchen pfeilen und stuermen des teuffels sicher sein und ein
Christ bleiben muegest, so wirstu selig.
Las Tuercken und alle gottlosen, wenn sie nicht anders wollen, zum
teuffel faren.
Das sey von der vermanung an die
gefangene, auff das sie ym glauben feste
bleiben widder alle ergernis und anfechtungen. Nu wollen wir sie auch troesten das sie gedueltig sein sollen ynn
yhrem gefengnis und alle yhr elende umb
Gottes willen williglich leiden und tragen. So mercke nu: Wo es Gott verhenget, das du vom Tuercken gefangen,
weggefurt und verkaufft wirst, das du
must yhres willens leben und ein knecht sein, So dencke, das du solch elende und dienst von Gott zugeschickt
gedueldig und willig an nemest und umb
Gottes [Bl. G 4] willen leidest, und auffs aller trewlichst und
vleissigest deinem herrn (dem du
verkaufft wirst) dienest, unangesehen, das du ein Christ und dein herr ein heide odder Tuercke ist, darumb
er nicht werd solte sein, das du sein
knecht sein soltest, Und bey leibe lauffe nicht weg (wie etliche thun und meinen, sie thun recht und wol dran, Etliche
auch sich selbs erseuffen odder sonst
erwuergen): Nicht, Nicht so, lieber bruder2, Du must dencken; das du
[ 1 hochmůt CDKL hochmut EGHI 4
verdammen CDGKL 6 halßstarrigen CDEL
sich] sie HIKL 7 Heilige HKL 17 fuer] vor KL pfilenn F 18 moegest L wirdestu CDE 21 gefangnē L 23 yhrem]
jrer L Gefengknis HI Gefengkniß KL
25 wegk gefueret CDE würdest CD
wirdest E 26 muest CDE gedenck
CDEGHIKL 29 wirdest CDEGHIK würdest L 30 daruemb B 31 hinweg L 32 ertrencken L
33 brůder F]
[Seite 193a]
deine freyheit verloren hast und eigen worden
bist, daraus du dich selbs on willen und
wissen deines herrn nicht on sunde und ungehorsam wircken kanst, Denn du raubest und stielest damit deinem
herrn deinen leib, welchen er gekaufft
hat odder sonst zu sich bracht, das er fort hin nicht dein sondern sein gut ist wie ein viehe, odder ander seine
habe.
Denn hie ists zeit zu gehorchen und zu
halten die sprueche S. Petri und Pauli,
da sie leren, das die knechte odder leibeigen sollen yhren leiblichen herrn gehorsam, trew, demuetig, ehrsam und
vleissig sein, nicht anders, denn als
dieneten sie Christo dem Herrn selbs, ob gleich die herrn unchristen odder [1. Kor. 7, 20 f.] boese sein, wie du lesen
magst ynn der ersten Episteln zun Corinthern am
[Kol. 3, 22.] siebenden, Ephesiern am sechsten, Und zun Colossern am
dritten Cap: Yhr knechte seid gehorsam
ynn allen dingen ewren leiblichen hern, nicht mit dienst fur augen, als den menschen zu gefallen,
sondern mit einfeltickeit des hertzen
[1. Petri 2, 13. 18] und mit Gottes furcht .&c.. Auch ynn der Ersten
Episteln Sanct Petri am Andern Capitel.
Denn wo du sonst ein rechter Christ
bist, schadet dir solcher dienst und
elend nicht, Ja wo du sein kanst Christlich und gedueltig brauchen, ist
dirs gut und nuetz zur seligkeit als
dein creutz, darynn dein glaube geuebet und
beweret wird. Gedencke an die exempel aller heiligen, Sihe wie der
Ertzuater Jacob dem schalckhafftigen
argen Laban seinem schweher dienet umb Rahel
[1. Mose 29, 28] und hielt, yhm seinen dienst trewlich aus1, Genesis am
dreyssigsten Capitel, Und darnach sein
son Joseph, wie der selbige seinem vater gestolen und verkaufft von seinen eigen bruedern ynn Egypten seinem
heidnischen herrn so trewlich dienet und
drueber ynn kercker kam, Aber zu letzt herrlich heraus [1. Mose 39, 23] kam und ein herr des landes
ward Genesis am acht und dreyssigsten Capitel.
Jtem wie einen schweren dienst das gantz volck Jsrael muste thun lange
zeit [2. Mose 1, 11] dem koenige Pharao
ynn Egypten Exodi am ersten Capitel Und lieff doch keiner aus seinem dienst, wie unschlachtig odder
heidnisch und boese yhre herrn waren.
Jtem hernach, war das nicht ein
schwerer dienst, da das koenigreich Jsrael
gen Assyrien und hernach das koenigreich Juda gen Babylonien gefueret
ward, da musten Koenig, Koenigin,
Juersten, Priester, Propheten und viel heiliger leute,
[ 1/2 on wissen vnd willen L 2 herren
BF würcken L 4 kaufft L sunst KL
sich] jm L furthyn D fürthin L 5
vihe F Vich L seiner EGHIK 6 die
spruch F 7 leibeygnen L 10 sein] sind DEGHIK seind L 10/11 magst 1. Cor.
(Corint. L) 7. Ephe. (Ephes. K) 6. Vnd Colos. (Colo I) 3. Jr GHIKL 11 capiteln
CD capeteln E 12 seind L eüwern L
13 fuer BF vor KL einfeltigkeit
BFHIL einfaltigkeit K 14 forcht CDEKL 14/16 Auch .1. Pet. (Petri KL) 2. Denn
GHIKL 14 Sanct fehlt BF 16 solch K 17 nichts L 18 nuetze B nutze F 19 Gedenckt
CEGHIL Gedenck K
[Seite 194a]
denn du bist, dienen und knechte sein, wie
Daniel und seine gesellen (Danielis
[Dan. 1, 5 f.] am ersten Capitel) unter dem grawsamen koenige, da sie
viel ferligkeit leibs und seelen teglich
warten und auch dulden musten mit aller schmach und spott, wie der hundert sieben und [Bl. H 1]
dreyssigste Psalm wol anzeiget [Ps. 137,
1] ‘Super flumina Babylonis’ &c.. Da sind freylich auch ungedueltige
Jueden gewest, die geheulet, geklagt,
geflucht und gemurret haben, etliche dazu vom
Juedenthum gefallen und heiden worden sind. Aber es muste gleichwol
sein, Die frumen hatten gedult, lieffen
nicht weg, sondern dieneten mit aller trew
und vleis, wie Daniel und seine gesellen und blieben ym rechten
glauben. Daruemb wurden sie auch
erhoehet und von Gott gnediglich und wunderlich
erloeset.
Und das wir zum newen Testament komen,
Must nicht Christus die Jueden und den
heiden Pilaton und Heroden mit sich machen lassen, was sie wolten? Muste nicht Paulus gefangen sein und
fast alle Apostel, etlich ynn [Offenb.
1, 9] das elend verstossen und verbannet, als S. Johannes ynn Pathmos Und hernach viel heiliger Merterer aus Rom und
andern stedten von haus und hoff, von
weib und kind ynn ferne wueste Jnsulen vertrieben und daselbst ynn stein bruechen1 und ander schwere erbeit
wie die esel erbeiten: Waruemb woltestu
es besser haben, denn dein Herr Christus selbs mit allen seinen heiligen ym alten und newen testament? Der
iuenger sols nicht besser haben, denn
sein meister (spricht Christus), Denn er ist rechtschaffen, wenn es yhm [Luk. 6, 40] gehet, wie seinem meister, Luce
am sechsten.
Mit unwillen und ungedult thust du
nicht mehr, denn das du deinen herrn,
des knecht du worden bist, ergerst und deste boeser machest, Schendest dazu die lere und den namen Christi, als
seyen die Christen solche boese,
untrewe, falsche leute,die nicht dienen sondern entlauffen und sich
selbs entwenden2 wollen als die schelcke
und diebe und werden da durch ynn yhrem
glauben herter und verstockter. Widderuemb wo du trewlich vnd vleissig dienetest, wuerdestu das Euangelion und den
namen Christi schmuecken und preisen,
das dein herr und villeicht viel ander, wie boese sie weren, sagen muesten: Wolan, Nu sind doch die Christen ein
trew, gehorsam, frum,
[ 1 knecht KL seinen K 1/2 Danie. 1. GHIL Daniel j. K
2 Künige K Liebs HI 4 der 137.
Psalm G dryssigste D 8 fromen
I hetten K hinweg L sunder L 9 bleiben HIK bliben L 10
warden L erhoeret CDEGHIK erhoert
L wunnerlich C wunderbarlich K 13
Pilatum vnd Herodem GHIKL Herodem
CDE 14 S. Paulus GHIKL Aposteln
CDE 17 vertreiben F 19 woltest du CDE 21 er ist] ist er CDEFGKL rechtgeschaffen CDEHIKL 22 sechsten
Capit. (Capitel. F) BF sechsten capitel CDE Luc. 6. G Luce 6. HIKL 23 thůstu K
29 schmuecken] loben L 30 ādern F 31 from I from̄ K]
[Seite 195a]
demuetig, vleissig volck, Und wuerdest dazu
der Tuercken glauben damit zu schanden
machen und villeicht viel bekeren, wenn sie sehen wuerden, das die Christen mit demut, gedult, vleis, trew und
der gleichen tugenden die Tuercken so
weit ubertreffen. Das meinet S. Paulus, da er Titum am dritten [Tit. 2, 110] Capitel spricht: Die knecht
sollen die lere unsers Herrn schmuecken odder zieren ynn allen dingen.
Denn wie boese kans denn sein, einem
Tuercken odder heiden zu dienen, so fern
du gleubig und ein Christ bist und bleibest? Mus doch hie bey uns mancher dienen einem buben, tyrannen odder
boesen herrn, Ja wie muessen wir thun
unter dem Bapstum, da unser tyrannen uns fangen, zwingen, veriagen, treiben, brennen, koepffen, erseuffen und
erger mit uns handeln denn die Tuercken
mit dir thun: Noch muessen wir weichen, dulden, leiden, dienen, helffen, raten, beten, heben und tragen,
Welchs du alles mit uns wagen und warten
muestest, wo du [Bl. H ij] mit uns woltest ein Christ sein und Christum bekennen. Denn der Bapst ynn dem stueck viel
erger ist, denn der Tuercke.1 Der
Tuercke zwinget doch niemant Christum zu verleugnen und seinem glauben anhangen Und wenn er gleich auffs hoehest
wuetet mit leiblich morden an den
Christen, so thut er damit nichts (so viel an yhm ist), denn das er den
hymel vol heiligen machet. Denn seine
lesterung widder Christum und sein eusserlicher
heiliger schein zwingen nicht, sondern versuchen und locken, Aber
der Bapst, eben damit das er wil nicht
feind noch Tuercke sondern der liebe Vater,
ia der aller heiligst vater und aller treweste hirte sein, fuellet er
(so viel an yhm ist) die helle mit eitel
Christen, Denn er reisset die edlen seelen2 von
Christo durch seine lesterliche menschen lere und fueret sie auff eigen
gerechtigkeit, welchs ist das recht
geistlich morden und schier so gut als des Mahomets odder Tuercken lere und lesterung. Wo man
aber yhm solcher hellischen teufflischen
verfuerungen nicht wil gestatten, nimpt er sich des Tuercken weise
auch an und mordet auch leiblich.
Vermoechte ers, on zweifel er solt wol groesser
mord und blutvergiessen anrichten, denn der Tuercke, wie sie bisher
wol beweiset haben mit so viel kriegen,
hetzen und reitzen unter Keiser und
Koenigen &c..
Summa, Wo wir hin komen, da ist der
rechte wirt, der teuffel3, da heym:
Komen wir zum Tuercken, so faren wir zum teuffel, Bleiben wir
[ 2 bekoeren L 4/5 S. Paul. da er ad
Tit. 3. I Tit. iij. cap. F Titum 3. GHKL 5 spricht] vermanet CDE 8 ferr L Christen I 10 fahen L 11 ertrencken
L handlen HIK 14 Christ] Christen
I 15 Turcke B 16 seinen E 17 hoechst K
leiblichen I leiblichem L 19 heyllgen D macht BF 30 bewisen L 31 Künigen K 32
würt L]
[Seite 196a]
unter dem Bapst, so fallen wir ynn die helle,
Eitel teuffel auff beiden seiten und
allenthalben. So stehet es leyder itzt ynn der wellt und gehen die
sprueche [2. Tim. 3, 1] Christi und S.
Pauli ym vollem schwang, das ynn den letzten tagen sol [Offenb. 20, 7] ferliche und grausame zeit
sein, da der teuffel los worden, alle wellt verfueret und solch iamer und not anricht, das kein
Mensch kuend selig werden, wo Gott die
selbigen tage nicht wuerde verkuertzen umb seiner ausserweleten willen. Es mus also gehen zur letze1, das der teuffel
die Christenheit mit aller macht auff
allen seiten angreiffe, beide leiblich und geistlich, und sein bestes und hoehestes an yhr versuche, damit ein ende.
Daruemb lasst uns wachen und wacker2
sein ynn festem glauben an Christum Und
ein iglicher halt sich unter seiner oeberkeit gehorsam und warte, was Gott machen wird Und las gehen was da
gehet, faren wie es feret. Es ist doch
hinfurt nichts guts mehr zu hoffen, Das toepffen3 ist zu brochen und die suppen verschuet, wir muegen die scherben
vollend hinach wagen und so viel es
mueglich ist guts muts dazu sein, wie uns Christus leret und spricht
von [Luk. 21, 28] dieser boesen zeit,
Luce am ein und zwentzigsten Capitel: Wenn yhr solchs sehet, das angehet, so sehet auff und richtet
ewr heubt auff, denn ewr erloesung koempt
und ist nahe.
Doch das ich das nicht vergesse: Wenn
du unter dem Tuercken bist und dienen
must, wie gesagt ist, so solt du solchen dienst nicht weiter verstehen noch deuten, denn so fern es deinem haus
herrn [Bl. H iij] nuetzet zu seinen
guetern. Wenn er dich aber zwingen wolt, widder die Christen zu
streiten, da soltu nicht gehorsam sein,
sondern lieber alles leiden, was er dir thun
kan, ia viel lieber sterben, Denn du hoerest hie, das Daniel vom
Tuercken schreibt, Sein streit sey
widder die heiligen Gottes, die yhm nichts gethan haben, und vergeusst eitel unschueldig blut.
Da mustu dich fuer hueten, das du dich
des nicht teilhafftig machest, Gleich wie du seinem lesterlichen abgott und Mahometh nicht must zufallen, ob du
gleich unter yhm dienen must. [2. Kön.
5, 1 ff.] Bleib doch der frume Naaman ym dritten buch der Koenige am
funfften Capitel ynn seines herrn
koeniges dienst und bettet auch mit yhm ynn seinem tempel. Aber dennoch bettet er seinen abgott
nicht an Und die lieben heiligen
[ 1 fallen] faren CDE 3 yhn die letzten
F sol] so KL 6 selbige F Außerwoelten KL 7 letzte HIK letz L 9
hoehistes F hoechstes L 10 lasset BF
ynn festem F 13 Der toepffen E Der hafen L zerbrochen L 14 moegen L hynnach CDE] daran L 16 Lu. 21. G Luce
21. HIK Luce am 21. capitel L solch L 17 heubter CDE Haupt KL 21
ferne BF ferr L 23 leiber H 24 von dem L 26 vergeusset BF můst du L fuer] vor KL 27 seinen E 29 Blib
KL frome I from̄ K ym] ynn dem F 29/30 3. Reg. 5. GHIKL 30
herr G Künigs K]
[Seite 197a]
Merterer S. Moritz und seine gesellen, da sie
der Keiser hies widder die Christen
streiten, wolten sie es nicht thun, worffen die waffen weg und sprachen: Wenn er wolt widder die Christen
streiten, duerfft er keine ander suchen,
sie weren selbs da als Christen leute, bereit zu leiden was er wolte.1
Eben also soltu deinen dienst den
Tuercken auch leisten, das du damit
nicht widder die Christen noch widder Gott strebest, sondern allein
seinem haus und guetern zum besten
helffest. Solchs wil ich auch gesagt und geraten haben allen den ihenigen, so unter unserm
Keiser, Bapst, Fuersten leben, das sie
sich nicht gebrauchen lassen widder das Euangelion odder widder die Christen zu streiten odder sie zu verfolgen,
Denn damit werden sie unschueldig [Apg.
5, 29] blut auff sich laden und nichts besser sein denn die Tuercken. Man
mus Gott mehr gehorsam sein denn den
menschen, So hat Gott keinem herren die
oeberkeit der massen gegeben odder die leute unterworffen, das er damit
solle widder Gott und sein wort streben
odder fechten Und ist auch ynn solchem
fall kein unterthan seiner oeberkeit ein harbreit schueldig odder
verwand2, Ja es ist als denn schon kein
oeberkeit mehr, wo solchs geschicht, Sondern die unterthanen sind schueldig, der oeberkeit
leiblich zum besten zu dienen, das fride
auff erden erhalten werde und dis leiblich leben muege deste sicher sein
und wol stehen.
Aber Gott der Vater aller gnaden und
weisheit wolle uns diese zeit gnediglich
verkuertzen und uns mit weisheit und stercke begaben und bereiten, das wir die weil weislich und manhafftig
wandeln und der zukunfft unsers lieben
Herrn Jhesu Christi froelich warten und von diesem iamertal seliglich [Ps. 84, 7] scheiden muegen. Dem sey lob und
danck, ehre und preis ynn ewigkeit.
AMEN.
[ 2 wůrffen CD wurffen E warffen
KL hinweg L 3 doerfft CDEL 5 solt
du L 5/6 damit nicht] nicht damit BF 7 helffen D 8 vnd Fürsten L 10 sie (1.)]
sich E vnschuldig B 13 soll L 15
vnderthoner L 18 dises CDE moeg
L sicherer CDEL sein fehlt GHIKL 24 moegen L eher K eer L]
[Seite 163b]
[Eine Heerpredigt widder den Turcken.
Martinus Luther.] 163a
1529
G] JCh Daniel (spricht er daselbs) sahe
ein Gesicht in der nacht Und sihe, die
vier Winde unter dem Himel stuermeten widdernander auff dem grossen Meer Und vier grosse Thier stiegen erauff aus
dem Meer, eins je anders denn das ander.
Das erste wie ein Lewe und hatte fluegel wie ein Adeler. Das ander Thier hernach war gleich einem Beeren
und stund auff der einen seiten und
hatte in seinem Maul unter seinen Zeenen drey grosse lange Zeene etc. Das dritte war gleich einem Parden, das hatte
vier Fluegel wie ein Vogel auff seinem
ruecken, und dasselbige Thier hatte vier Koepffe etc. Das vierde Thier war grewlich und schrecklich und seer
starck und hatte grosse eiserne Zeene,
frass umb sich und zu malmet und das ubrige zutrats mit seinen fuessen. Es war auch viel anders denn die
vorigen und hatte zehen Hoerner. Da ich
aber die hoerner schawet, sihe da brach erfur zwischen denselbigen ein ander klein horn, fur welchem der foerdersten
hoerner drey ausgerissen wurden, Und
sihe, dasselbige Horn hatte augen wie Menschen augen und sein Maul das redet grosse ding. Solchs sahe ich, bis
das Stuele gesetzt wurden Und der Alte
setzet sich, Das Gericht ward gehalten und die Buecher wurden auffgethan..
[Seite 163b] [vor 16 steht Folget die
Figur sampt dem Text H Folget die
Figur, Der vier Keiserthumb, dauon Daniel Weissagt, Sampt dem Text I am 7. Cap. Folget die Figur, Der vier
Keiserthumb, dauon Daniel Weissagt, Sampt dem Text. Danie. 7. Cap. K am 7. Cap. Folget die Figur sampt dem
Text. L Hier fügen HIKL eine
Weltkarte ein. 17 wider einander K widernander L 18 herauff KL 19 Loewe K hat HIKL 22 hette K 23 hette K etc.
fehlt K 24 erschrecklich K 25 zůrtrats L 27 herfür K 28 vor woelchem K]
[Seite 164b]
G] Jch sahe zu umb der grossen rede willen, so
das Horn redet, Jch sahe zu, bis das
Thier getoedtet ward und sein Leib umbkan und ins fewer geworffen ward Und der ander Thier gewalt auch aus war.
Das ist der Text Daniel, auffs
kuertzest erzelet so viel uns jtzt not ist.
Nu die Auslegunge folget im selbigen Capitel hernach, da er spricht:
Jch gieng zu der einem die da stunden
und bat In, das er mir von dem allem
gewissen bericht gebe. Und er redet mit mir und zeigt mir, was es
bedeutet. Diese vier grosse Thier sind
vier Reich, so auff erden komen werden, Aber die Heiligen des Hoehesten werden das Reich
einnemen und werdens jmer und ewiglich
besitzen. Darnach hette ich gern gewust gewissen bericht von dem vierden Thier, welchs gar anderst war denn
die andern alle, seer grewlich, das
eiserne Zeene und eherne Klawen hatte, das umb sich fras und zu malmet und das ubrige mit seinen fuessen zutrat Und
von den zehen Hoernern auff seinem Heubt.
Und von dem andern, das erfur brach, fur welchem drey abfielen und von demselbigen Horn, das augen
hatte und ein Maul das grosse ding redet
und groesser war denn die neben jm waren. Und ich sahe dasselbige Horn streiten wider die
Heiligen und behielt den sieg wider
[Eine Heerpredigt widder den Turcken.
Martinus Luther.] 164a
[ 16 grosse K 17 getoedt K 19 auffs]
auff H kurtzest HI kürzst K 22
zeiget I 24 Hoechsten L 26 welches HIKL 27 zurmalmet L 28 zůrtrat L 29
herfür KL fur] vor KL 31 grosser HK]
[Seite 165b]
G] sie, bis der Alte kam und Gericht hielt fur
die Heiligen des Hoehesten und die zeit
kam das die Heiligen das Reich einnamen. Und er sprach also: Das vierde Thier wird das vierde Reich auff erden
sein, Welchs wird mechtiger sein denn
alle Reich und wird alle Land fressen, zutretten und zu malmen. Die zehen Hoerner bedeuten zehen Koenige, so
aus demselbigen Reich entstehen werden.
Nach demselbigen aber wird ein ander auffkomen, der wird mechtiger sein denn der vorigen keiner und wird drey
Koenige demuetigen. Er wird den
Hoehesten lestern und die Heiligen des Hoehesten verstoeren und wird
sich unterstehen Zeit und Gesetz zu
endern. Sie werden aber in seine hand gegeben
werden eine zeit und aber etliche zeit und ein halbe zeit. Darnach wird
das Gericht gehalten werden, da wird
denn sein gewalt weggenomen werden, das
er zu grund vertilget und umbbracht werde. Aber das Reich gewalt und macht unter dem gantzen Himel wird dem
Heiligen Volck des Hoehesten gegeben
werden, Des Reich ewig ist und alle Gewalt wird jm dienen und gehorchen.
[Eine Heerpredigt widder den Turcken.
Martinus Luther.] 165a
[ 16 Hoechsten L 19 zertretten K
zůtrettē L
zůrmalmen KL 20 Künige K Künige L 21 anderer KL 22 Koenig HI Künig
KL 23 Hoechstē (1.) L Hoechsten (2.) L 24 geben K 28 hoechsten L 29 aller
K]
[Seite 198]
[Einleitung]
[Seite 198]
Am
Das Schriftchen ist schon im 15.
Jahrhundert wiederholt gedruckt worden. Hain nennt unter Nr. 15 672 –15 677
sechs Ausgaben. Luther als Vorlage gedient hat wohl die unter Nr. 15 675
angeführte, denn nur diese weist den Zusatz: ‘Ioachim Abbatis de Mahometis
secta opinio’ auf, der in dem Lufftschen Drucke fol. K 4a sqq. wiederkehrt.
Datiert ist keine jener Jnkunabeln; die unter Nr. 15 672 beschriebene läßt
Vouilliéme3 bei Konrad Fyner in Urach, die unter Nr. 15 674 beschriebene bei
Johann Koelhoff in Köln erschienen sein. Derselbe Gelehrte nennt als den
Verfasser Georgius de Hungaria, vielleicht auf Grund der Bemerkung in Jöchers
Gelehrtenlexikon4: “Georgius von Ungarn, ein Dominikaner im 15. Seculo, schrieb
ein Buch de ritibus Turcarum, welches zu Rom im Collegio St. Mariae super
Minervam im Manuscript anzutreffen.” Daß unser Autor dem Dominikanerorden
angehörte, ergibt sich in der Tat aus der Bemerkung fol. F 8a: ‘sicut legitur
de Sancto Vincentio ordinis nostri5, qui plures Sarracenorum conuerterit’.
[Seite 199]
Über zwanzig Jahre lang — nach fol. A
4a bis einschließlich 1458 — hat unser Verfasser in türkischer Gefangenschaft
geschmachtet. Über den Anfang seiner Leidenszeit läßt er uns freilich im
unklaren. Er berichtet fol. A 2b sq., daß er bei der Eroberung von Mühlbach in
Siebenbürgen, wo er als 15 –16 jähriger Jüngling studiert habe, von den Türken
gefangen genommen, an Kaufleute verkauft und in Ketten bis Adrianopel
geschleppt worden sei. Die Eroberung von Mühlbach bringt er nun sol. A 2b in
folgenden geschichtlichen Zusammenhang: ‘Cum anno Domini 1426 in obitu
Imperatoris Romanorum Sigismundi magna inter Hungaros et Alemannos exorta fuisset
dissensio de faciendo Rege, eo quod Imperator legittimum sibi non reliquisset,
Turcus magnus, qui uocabatur Moratbeg, pater illius, qui nunc regnat, videlicet
Mahometbeg1, cum magna exercitus multitudine partes illas intrauit, ... ea
intentione, ut totam Hungariam deuastaret, quod fecisset, nisi cuiusdam fluuij
inundatio (Deo sic disponente) sibi impedimento fuisset. Illa intentione
frustratus direxit aciem ad prouinciam ultramontanam, quae Septem castra
uocatur, et omnia sibi occurrentia crudeliter deuastauit et demolitus est nullo
sibi impedimento obstante.’ Bekanntlich ist Kaiser Sigismund nicht 1426,
sondern am
Später hat unser Verfasser wohl in Rom
an der Kurie ein priesterliches Amt bekleidet. Das macht folgende Stelle auf
fol. H 7b wahrscheinlich: ‘Cum in primis annis Sixti quarti Legatio, quae
contra Turcos missa fuerat, per mare plurimos eorum (= Turcorum) Romam
detulissent, quorum meliores Papae praesentati, reliqui aliorum praelatorum
Curijs deputati, omnes fere baptisati sunt, quorum aliquos ego familiares
habui, qui magnam deuotionem ad Fidem Christi ostendentes, me interpretante
etiam confessionem et communionem petierunt, quorum unius quidem confessionem
accepi. Ei autem, qui curam eius habebat, sacerdoti, communionem differre
persuasi; mihi enim multum difficile uidebatur, ueram fuisse conuersionem
eorum, sicut postmodum rei probauit euentus. Nam post aliquos annos omnes
inuenta occasione et commoditate fugerunt, licet etiam, qui in curia Papae
erant, bonam habuissent prouisionem, In hoc aperte ostendentes se ad baptismum
ficte accessisse’. Diese Stelle läßt uns nun auch den terminus a quo für die Abfassung
unserer Schrift finden. Am
[Seite 200]
Luthers Vortwort ist außer von
Sebastian Franck später noch einmal von Justus Jonas übersetzt worden. Ende
1537 erschien bei Joseph Klug in Wittenberg: Turcicarum rerum commentarius
Pauli Iouii episcopi Nucerini1 ad Carolum V. Imperatorem Augustum, Ex Italico
Latinus factus, Francisco Nigro Bassianate2 interprete ...3 mit einer Praefatio
Melanchthons an Herzog Joh. Ernst von Sachsen4 vom Oktober 1537.5 Dieses Werk
übersetzte Justus Jonas alsbald ins Deutsche.6 An den Schluß stellte er eine
Widmung an den Augsburger Bürger Hans Honold7 vom
Luthers Vorrede steht im lateinischen
Originaltext in folgenden Ausgaben:
A. “LIBELLUS || DE RITV ET MORIBVS ||
TVRCORVM ANTE || LXX. ANNOS AE-||DITVS, || Cum prefatione Marti-||ni Lutheri.
|| VVittembergæ apud Io- || hannem Lufft. || Anno. M. D. XXX. || ||” Titelrückseite bedruckt. 84 Blätter in
Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Impressum VVittembergæ, || apud Iohannem
Lufft. ||
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Ui 14, 2), Zwickau. — Op. var. arg. VII, 514 (Nr. 1); Panzer IX, 89 Nr. 210.
B. “LIBELLVS || DE RITV ET MO-||RIBVS
TVRCO-||RVM ANTE || LXX. ANNOS AE-||DITVS. || Cum præfatione Mar-||tini
Luttheri. || Anno. M. D. XXX.||” Titelrückseite bedruckt. 84 Blätter in Oktav,
letzte Seite leer. Am Ende: “EXCVSVM NORINBERGAE || sub Prælo Friderici Peypus,
impen-||sa Leonhardi à Quercu, Men || se Martio, Anno resti||tutæ salutis || M.
D. XXX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9196), Zwickau; London. — Op. var. arg. VII, 514 (Nr. 2).
[Seite 201]
“MACHVMETIS || SARACENORVM PRINCIPIS,
EIVS'QVE SVC-||CESSORVM VITAE, AC DOCTRINA, IPSE'QVE || ALCORAN, || Quo uelut
authentico legum diuinarum codice Agareni & Turcæ, || alijq; CHRISTO
aduersantes populi regūtur. quæ ante annos CCCC, || uir multis nominibus,
Diui quoq; Bernardi testimonio, clarissimus, || D. Petrus abbas Cluniacensis
per uiros eruditos, ad fidei Christianæ || ac sanctæ matris Ecclesiæ
propugnationem, ex Arabica || lingua in Latinam transferri curauit. || His
adiunctæ sunt CONFVTATIONES multo- || rum, & quidem probatißimorum
authorum, Arabum, Græcorum, & || Latinorum, unà cum excellentiß. Theologi
MARTINI || LVTHERI præmonitione. Quibus uelut instructißima || fidei Catholicæ
propugnatorum acie, peruersa dogmata & || tota superstitio Machumetica
profligantur. || Adiunctæ sunt etiam, Turcarum, qui non tam sectatores
Machumeticæ uæsa- || niæ, quàm uindices & propugnatores, nominisq;
Christiani acerrimos hostes || aliquot iam seculis præstiterunt, res gestæ
maximè memo-||rabiles, à DCCCC annis ad nostra || usq; tempora. || Hæc omnia in
unum uolumen redacta sunt, opera & studio THEODORI BIBLI || ANDRI, Ecclesiæ
Tigurinæ ministri, qui collatis etiam exemplaribus Latinis & Arab. ||
Alcorani textum emendauit, & marginib. apposuit Annotationes, quibus
doctrinæ Machu- || meticæ absurditas, contradictiones, origines errorum,
diuinæq́; scripturæ deprauationes, atq; alia || id genus indicantur. Quæ
quidem in lucem edidit ad gloriam Domini IESV CHRI-|| STI, & multiplicem
Ecclesiæ utilitatem, aduersus Satanam principem tenebrarum, eiusq́; nun ||
cium. Antichristum: quem oportet manifestari, & confici spiritu oris
CHRI-|| STI Seruatoris nostri. || Cum Cæsareæ Maiest. gratia &
priuile-||gio ad quinquennium. ||” Jn Folio. 12 Blätter (Signatur a –ß Blatt ß
6b leer), 230 Seiten und 5 Blätter (Signatur a –u; Blatt u 6b leer); 4 Blätter
(Signatur *), 178 Seiten und 1 leeres Blatt (Signatur A –P); 163 Seiten und 1
leere Seite (Signatur aa –oo).
Druck von Johannes Oporinus in Basel
1543.
Das Werk besteht, wie auch aus den
Signaturen und Seitenziffern ersichtlich ist, aus drei Teilen. Teil 2 und 3
haben besonderen Zwischentitel und je auf der Rückseite des Zwischentitels die
Angabe, daß sie Tomus 2 und 3 des Werkes bilden. Auf der Rückseite des
Haupttitels steht außer dem Jnhaltsverzeichnis ein Vorwort des Herausgebers
Bibliander.
Der Zwischentitel von Tomus 2 beginnt:
“CONFVTATIONES || LEGIS MACHVMETICAE, QVAM VOCANT ALCO-||RANVM ...”
Der Zwischentitel von Tomus 3 lautet:
“HISTORIAE DE || SARACENORVM || SIVE TVRCARVM ORIGINE, MORIBVS, NE-|quitia, religione,
rebus gestis: itemq; de ordinatione po-||litiæ eorundem domi & foris, &
disciplina ac or-||dine militiæ Turcicæ, deq; itineri-||bus in Turciam, || Vnà
cum uitis omnium Turcicorum imperatorum ad nostra || usque tempora, alijsq;
lectu dignissimis, hocq; præ-||sertim sæculo cognitu utilissimis, ac|| ualde
necessarijs. || Quorum catalogum proxima statim || pagella indicabit.|| Cum
gratia & priuilegio imperiali || ad septennium. ||” — Dieser Teil enthält
Seite 3 –6 (Blatt aa2a –aa3b) unsere Vorrede Luthers, beginnend “MARTINVS
[Seite 202]
LVTHERVS || LECTORI PIO S. || GRATIAM
& pacem in Christo. Hunc li-||brum de religione & moribus Turcorū
obla-||tum, libenter accepi ...”
Vorhanden: Berlin (Zu 6051), Zwickau. —
Dieses Exemplar enthält außerdem im ersten Teil Blatt a2aff. die auf dem
Titelblatt und im Jnhaltsverzeichnis auf der Rückseite desselben verzeichnete
Praemonitio, beginnend: “D. MARTINI LVTHERI PRAE-||MONITO AD CHRISTIA-||num
Lectorem. || INITIO admonēdus est lector Christianus, || contra Mahometi
furores ...”
“MACHVMETIS||SARACENORVM PRINCIPIS,
EIVS'QVE SVC-||CESSORVM VITAE, AC DOCTRINA, IPSE'QVE || ALCORAN, || Quo uelut
authentico legum diuinarum codice Agareni & Turcæ, || alijq; CHRISTO
aduersantes populi regūtur, quæ ante annos CCCC, || uir multis nominibus,
Diui quoq; Bernardi testimonio, clarissimus, || D. Petrus abbas Cluniancensis
per uiros eruditos, ad fidei Christianȩ || ac sanctæ matris Ecclesiæ
propugnationem, ex Arabica || lingua in Latinam transferri curauit. || His
adiunctæ sunt CONFVTATIONES multo || rum, & quidem probatißimorum authorum,
Arabum, Græcorum, et || Latinorum, unà cum doctißimi uiri PHILIPPI
ME-||LANCHTHONIS præmonitione. Quibus uelut instru||ctißima fidei Catholicæ
propugnatorum acie, peruersa dog-||mata & tota superstitio Machumetica
profligantur. || Adiunctæ sunt etiam, Turcarū qui non tam sectatores
Machumeticæ uæsa || niæ, quàm uindices et propugnatores, nominisq; Christiani
acerrimos ho-||stes aliquot iam feculis præstiterunt, res gestæ maximè memo-||rabiles,
à DCCCC annis ad nostra || usq; tempora. || Hæc omnia in unum uolumen redacta
sunt, opera & studio THEODORI BIBLI||ANDRI, Ecclesiæ Tigurinæ ministri, qui
collatis etiā exemplaribus Latinis & Arab.|| Alcorani textum
emendauit, & marginib. apposuit Annotationes, quibus doctrinæ
Machu-||meticæ absurditas, contradictiones, origines errorū, diuinæq;
scripturæ deprauationes, atq; alia || id genus indicantur. Quæ quidem in lucem
edidit ad gloriam Domini IESV CHRI-||STI, & multiplicem Ecclesiæ utilitatem,
aduersus Satanam principem tenebrarū, eiusq́; nun||cium Antichristum:
quem oportet manifestari, & confici spiritu oris Chri-||STI Seruatoris
nostri. || Cum Cæsareæ Maiest. gratia & priuilegio || ad quinquennium. ||”
Jn Folio. 14 Blätter (Signatur α –γ Blatt β 6b und γ2b
leer); 230 Seiten und 5 Blätter (Signatur a –u; Blatt u6b leer); 178 Seiten und
1 leeres Blatt (Signatur A –P); 163 und eine leere Seite (Signatur aa –oo).
Druck von Johannes Oporinus in Basel
1543.
Aus drei Teilen bestehend mit
Zwischentiteln und dem Vorwort Biblianders auf der Rückseite des Haupttitels
wie das Exemplar Berlin Zu 6051. Satz der gleiche außer auf Bogen a und ß des
ersten Teiles. Von diesen beiden Bogen haben nur Blatt a1b 2a trotz der
Änderungen (s. u.) und Blatt a5ab 6ab gleichen Satz wie jenes Exemplar.
Luthers Vorrede Gratiam et pacem in
Christo. Hunc librum de religione et moribus Turcorum oblatum, libenter accepi
steht auch hier im dritten Teil Seite 3 –6 (Blatt aa2a –aa3b). Die auf dem
Titelblatt und im Catalogus auf der Rückseite des Titelblattes verzeichnete
Prämonitio ist beide Male als eine
[Seite 203]
solche Melanchthons bezeichnet und
beginnt (im erstem Teil) Blatt α 2a “PHILIPPI MELANCHTHONIS || PRAEMONITIO
AD CHRISTIA-||num Lectorem.|| INITIO admonēdus est lector Christianus, ||
contra Mahometi furores ...” Hinter Bogen β ist ein Bogen γ
eingefügt, der im Bogenverzeichnis am Ende des Buches nicht verzeichnet ist;
Blatt γ1a beginnt: “MARTINI LVTHERI DOCTORIS|| Theologiæ, &
Ecclesiastis ecclesiæ Vuittenbergensis, || in ALCORANVM Præfatio. || EDITA sunt
à multis mediocria uolumina, quæ || continent Iudæorū huius ætatis ritus
...”
Vorhanden: Berlin (Zu 6051a); Bogen *
und damit der Zwischentitel des zweiten Teiles fehlt, ist aber im
Bogenverzeichnis am Ende aufgezählt.
“MACHVMETIS || SARRACENORVM PRINCIPIS
VITA AC DO-||ctrina omnis, quæ & Ismahelitarum lex, & || ALCORANVM ||
dicitur, ex Arabica lingua ante CCCC annos in Latinam translata, || nuncq;
demum ad gloriam Domini IESV, & ad Christianæ fidei confir||mationem,
doctorum ac piorum aliquot uirorum, nostræq; adeŏ reli-||gionis orthodoxæ
antistitum studio & authoritate, uelut è tene-||bris in lucem protracta
atq; edita. || Quo uolumine perlecto, pius & studiosus lector fatebitur,
librum nullum || potuisse uel opportuné uel tempestiuè magis edi hoc rerum ||
Christianarum & Turcicarum statu. || Adiectæ quoq; sunt Annotationes,
Confutationes, Sarracenorum ac rerum Turcicarum ||à DCCCC annis ad nosra usq;
tempora memorabilium historiæ, ex probatißi-||mis autoribus tum Arabibus, tum
Latinis & Græcis, quorum Catalo-||gum uersa in singulis Tomis pagina prima
reperies. || ITEM, || PHILIPPI MELANCHTHONIS, uiri doctiss. præmonitio || ad
Lectorem, cum primis pia & erudita. || THEODORI BIBLIANDRI, sacrarum
literarum in Ecclesia Ti-||gurina professoris, uiri doctissimi, pro Alcorani
editione Apologia, multa eru||ditione & pietate referta, lectuq;
dignissima: quippe in qua multis ac ualidiss. || argumentis &
uitilitigatorum calumnijs respondetur, & quàm non || solùm utilis, sed
& necessaria hoc præsertim sȩculo sit || Alcorani editio, demonstratur. || Cum Cæsareæ
Maiestatis gratia & priuile-||gio ad septennium. ||” Jn Folio. 12 Blätter
(Signatur α –β; Blatt β6b leer), 230 Seiten und 5 Blätter
(Signatur a –u, Blatt u6b leer); 4 Blätter (Signatur *), 178 Seiten und 1
leeres Blatt (Signatur A –P); 163 Seiten und 1 leere Seite (Signatur aa –oo).
Druck von Johannes Oporinus in Basel
1543.
Aus drei Teilen bestehend mit
Zwischentiteln wie die beiden anderen Exemplare Berlin Zu 6051 und 6051a. Aber
das Vorwort Biblianders auf der Rückseite des Haupttitels fehlt. Bogen γ
fehlt wie in Berlin Zu 6051. Bogen a hat von den beiden anderen Exemplaren
abweichenden Satz, Bogen β gleichen Satz mit Berlin Zu 6051. Alles übrige
hat den gleichen Satz wie die beiden anderen Exemplare. Luthers Vorrede Gratiam
et pacem in Christo. Hunc librum de religione et moribus Turcorum oblatum,
libenter accepi steht auch hier im dritten Teil wie in den beiden anderen
Exemplaren, die Praemonitio geht wie in Berlin Zu 6051a auf dem Haupttitel, im
Jnhaltsverzeichnis auf der Rückseite desselben und Blatt a2a unter dem Namen
Melanchthons.
Vorhanden: Greifswald. Das Exemplar,
obwohl in altem Einband, ist verbunden. Auf Teil 1 folgt Teil 3, dann ein auch
an die zwei anderen Exemplare angebundener Druck (Ioannis Cantacuzeni
Constantinopolitani regis contra
[Seite 204]
Mahometicam fidem christiana et
orthodoxa assertio ... Basel, Oporinus 1543), dann erst Teil 2.
“MACHVMETIS || SARRACENORVM PRINCIPIS
VITA AC DO-||ctrina ...”
Beschreibung genau wie das Exemplar
Greifswald, nur geht hier die Praemonitio im ersten Teil wie in dem Exemplar
Berlin Zu 6051 unter dem Namen Luthers: Titelblatt Z. 17 “ITEM, || MARTINI
LVTHERI, Theologi doctiss. præmonitio || ad Lectorem ...” und Blatt a2a
“MARTINI LVTHERI PRAE-||MONITIO ...”
Vorhanden: London (die drei Teile hier
in richtiger Reihenfolge).
Jn Sebastian Francks Übersetzung findet
sich Luthers Vorwort Titelrückseite — Bl. A iiijb folgenden Drucks:
“Chronica vnd be-||schreibung der
Türckey || mit yhrem begriff, ynnhalt, prouincien, || voelckern, ankunfft,
kriegē, reysen, glauben, religi-||onen, gesatzen, sytten, geperdē,
weis, regimentē, || frümkeyt, vnnd boßheiten, von eim Siben-||bürger xxij.
jar darinn gefangen gelegen || yn Latein beschrieben, verteütscht || Mit eyner
vorrhed D. || Martini Lutheri. || Zehen oder aylff Nation vnd Se-||cten der
Christenheyt || Anno M. D. XXX. ||” Titelrückseite bedruckt. 54 Blätter in
Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nuermberg durch || Fridericum
Peypus. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung.
[Nachdrucke dieser Übersetzung
erschienen bei Heinrich Stainer in Augsburg am 26. Oktober und
Jn Justus Jonas' Übersetzung Bl. Viijb
–Xiiijb folgenden Drucks:
“Vrsprung des Tur-||kischen Reichs, bis
auff den || itzigen Solyman, durch D. || Paulum Jouium, Bischoff Nucerin, || an
Keiserliche Maiestat, Carolum || V. jnn Welscher sprach ge-||schrieben, er nach
aus dem || Latin, F. Bassiana-||tis, Verdeutschet || durch || Justum Jonam. ||
Von der Turken rü-||stung, vnd kriechs bestel-||lung &c.. vleissiger
bericht. || Vorrede, Phil. Mel. ||” Titelrückseite leer. 88 Blätter in Quart,
letzte Seite leer.
Druck von Johann Lufft in Wittenberg.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Ui 257), Danzig, Nürnberg G. M., Zwickau. — Erl. Ausg. 65, 248 (einziger
Druck).
Ferner auch in folgendem Drucke:
“Zween brieff, Einer || D. Doctoris
Martini Luther, || Der ander D. Justi Jonae, || Von der Turcken Histo-||rien P.
Jouij, Vnd || wie der Bapst, das gros vn-||zeliche Ablas gelt, an-||gelegt hat.
|| .·. || Gedruckt zu Hall im Sachs-||sen, Durch Hans || Frischmut. || M. D.
XLII. ||” Titelrückseite leer. 9 unbezifferte Blätter.
Vorhanden: Berlin (Luth. 9202).
Jn den Gesamtausgaben findet sich
Luthers Vorwort: (lateinisch) Op. var. arg. VII, 514 –519; (deutsch) Wittenberg
9 (1557), 546a –548a; Jena 5 (1557), 260a –262b; Altenburg 5, 393 –395; Leipzig
22 Anhang, 96 –98; Walch 14, 268 –276; Walch2 14, 298 –305; Erlangen 65, 248
–254. Walch2 bringt einen neuen deutschen Text nach Op. var. arg., die andern
Gesamtausgaben die Übersetzung des Justus Jonas.
[Seite 205]
Martinus Lutherus Lectori pio.
1530
[Seite 205]
Gratiam et pacem in Christo. Hunc
libellum de religione et moribus
Turcorum oblatum libenter accepi et non sine
consilio, ut mihi videor, sano edere constitui. Hactenus enim cum vehementer cuperem nosse religionem
et mores Mahometistarum, nihil
offerebatur quam quaedam confutatio
Alkorani1 et item Cribratio Alkorani N. de Cusa2; Alkoranum vero etiam num frustra cupio
legere.3 Videbatur sane tam ille
Confutator quam Cribrator pio studio Christianos simpliciores velle a Mahometo absterrere et
in Fide Christi retinere. Sed dum nimio
student quaeque turpissima et absurdissima ex Alkorano excerpere, quae ad odium faciunt et ad invidiam movere
possint vulgum, et bona, quae in eo
sunt, vel transeunt non confutata vel occulunt, factum est, ut parum fidei et autoritatis invenerint, quasi vel
odio illorum vel impotentia confutandi
sua vulgarint.
Hic autem vir, quisquis fuerit huius
libri autor, videtur summa fide causam
agere, qua fide et apud me magnam autoritatem consecutus est, ut ei fortiter credam tanquam synceriter vera narranti.
Et quamquam modica et parva [Bl. 2]
sunt, quae narrat, et plura et maiora desiderem, tamen ea ipsa modica et parva fideliter ostendit. Sic
enim ea narrat, ut non solum mala eorum
recitet, sed etiam optima eorum iuxta opponat, eaque sic praedicat, ut nostros homines illorum collatione arguat
et vituperet. Nec tamen ea probat
tanquam pie facta, sed animose et fortiter, quantum pro illo tempore fieri potuit, confutat. Haec sunt sane certa
signa candidi et synceri pectoris nihil
scribentis ex odio, sed ex amore veritatis omnia narrantis. Qui enim hostem vituperat tantum et solum turpia et
absurda eius criminatur, honesta vero et
laudabilia eius tacet, is magis nocet causae quam prosit. Quid enim facilius quam palam turpia et inhonesta (quae
seipsa confutant) criminari? At bona
honestaque specie detracta confutare hoc est causae prodesse, hoc
[Seite 206]
Itaque ex hoc libro videmus Turcorum seu
Mahomethi religionem caeremonijs, pene
dixerim et moribus, esse multo speciosiorem quam nostrorum, etiam religiosorum et omnium clericorum. Nam
ea modestia et simplicitas victus,
vestitus, aedium et omnium rerum, ut hic liber indicat, item ieiunia et preces, conventus generales vulgi
apud nostros non videntur uspiam, imo
impossibile est vulgus nostrum ad ea persuaderi. Deinde miracula et monstra abstinentiae et
disciplinae in religiosis ipsorum quem
non pudefacerent monachorum, sive sit Chartusianus (qui volunt optimi videri) sive Benedictinus? Umbrae sunt nostri
religiosi ad illos collati, et vulgus
nostrum plane prophanum ad illorum vulgus comparatum. Nec ipsi vere Christiani, nec Christus ipse, nec
Apostoli, neque Prophetae tantam speciem
unquam praestiterunt. Atque hoc est, quod multi tam facile a Christi Fide deficiunt ad Mahometum et ei tam
pertinaciter adhaerent. Ego plane credo
nullum Papistam, monachum, clerum aut eorum fidei sotium, si inter Turcos triduo agerent, in sua fide
mansurum. Loquor de iis, qui serio fidem
Papae volunt et optimi inter eos sunt. Caetera turba et maior eorum pars, presertim Itali, quia porci sunt
de grege Epicuri, nihil prorsus
credentes, securi sunt ab omni haeresi et errore fortesque et invicti in
sua fide Epicurea tam contra Christum
quam contra Mahometum et contra ipsum
suum met Papam.1
Atque hoc consilio hunc librum edimus
et in faciem adversantium Euangelio
protrudimus, ut stulta sua opinione confusi re ipsa experiantur et manibus proprijs palpent hoc, quod Euangelium
docet, verum esse, Nempe Christianam
religionem longe aliud et sublimius ali-[Bl. 3]quid esse quam caeremonias speciosas, rasuram, cucullos,
pallorem vultus, ieiunia, festa, horas
Canonicas et universam illam faciem Ecclesiae Romanae per orbem. Nam in his omnibus superant longissime Turci, qui
tamen Christum et negant et ardentissime
persequuntur, non minus quam nostri Papistae eundem negant et persequuntur. Deinde et hoc palpent
esse verum, Scilicet Christianam
religionem longe aliud esse quam bonos mores seu bona opera. Nam in his quoque ostendit is liber Turcos
longe superiores esse Christianis
nostris.
Ite nunc, Tyranni et Pontifices, et
propter Fidem Christi, id est propter
caeremonias vestras, occidite, exurite, suffocate, proscribite et pleno
impetu
est scandala tollere et angelum lucis
mentita forma spoliare et sua propria
turpitudine et rapina lucis odiosum reddere.
[Seite 207]
insanite, cum hic videatis vestrarum
caerimoniarum claritatem non esse
claritatem propter excellentem claritatem Turcorum Et vestros mores
ad illorum mores collatos plane abominationes
esse. Itaque pro Apologia quadam
Euangelij nostri simul hunc librum edimus. Nunc enim video, quid causae fuerit, quod a Papistis sic
occuleretur religio Turcica, Cur solum
turpia ipsorum narrarint, Scilicet quod senserunt, id quod res est, si
ad disputandum de religione veniatur,
totus Papatus cum omnibus suis caderet
nec possent fidem suam tueri et fidem Mahometi confutare, cum ea
confutare oporteret, quae ipsimet maxime
probant et quibus maxime nituntur, et ea
tueri, quae illi maxime probant et quibus maxime nituntur.
Sunt, fateor, plurima apud Turcos in
speciem quoque turpia et absurda,
fortasse et interim plura creverunt, nec modo per omnia tales nunc Turci
sunt, quales hic liber fingit ante
captam Constantinopolim, id est ante 70 annos
editus, sicut solent omnia cum tempore in peius prolabi. Sed haec
mala pulchre teguntur specie tam
efficaci et valida ceremoniarum, bonorum morum
et falsorum miraculorum. Nam quid non fuit apud nostros quoque
turpitudinis in tot monstris libidinum,
avaritiae, ambitionis, superbiae, invidiae,
discordiae, blasphemiae, mendaciorum, vanitatis, impietatis, ut Sodomam
et Gomorram vinceremus? et tamen haec
tecta fuerunt infirmiore specie caeremoniarum,
quam Turcorum est, ut ea omnia non viderentur et ipsi nihilominus Sancti haberentur. quanto minus movebunt
Turcos sua turpia tam religiosis
caeremonijs ornata!
Proinde hunc librum etiam hoc altero
consilio edimus, ut scandalum
Mahometicum praeveniremus. Cum enim in vicino nunc Turcam et suam religionem habeamus, monendi sunt nostri, ne
specie religionis illorum et facie morum
commoti aut vilitate nostrae fidei ac morum difformitate offensi negent Christum suum [Bl. 4] et Mahometum
sequantur, Sed discant religionem
Christi aliud esse quam caeremonias et mores Atque Fidem Christi
prorsus nihil discernere, utrae
ceremoniae, mores et leges sint meliores aut deteriores, Sed omnes in unam massam contusas dictat ad
iusticiam nec esse satis nec eis esse
opus. Haec nisi discamus, periculum est, ne plurimi ex nostris Turci fiant, alioqui proclives ad multo minus
speciosos errores.
Et quamvis hic autor Turcorum absurda
et turpia satis exagitet, deinde eorum
speciosa scandala (quibus et ipse motus aliquando lapsus est, uti fatetur) satis candide et recte confutet, Tamen
videmus illo tempore non ita valuisse in
publico nostra summa praesidia et robustissima arma, quae sunt articuli de Christo, Scilicet quod Christus sit filius
Dei, mortuus pro nostris peccatis,
resuscitatus ad vitam nostram, quod Fide in illum iusti et peccatis
remissis salvi sumus etc. Haec sunt
tonitrua, quae destruunt, non modo Mahomethum,
sed et portas inferi. Mahometh enim negat Christum esse filium Dei,
Negat ipsum mortuum pro nostris
peccatis, Negat ipsum resurrexisse ad vitam
nostram, negat Fide in illum remitti peccata et nos iustificari, Negat
ipsum
[Seite 208]
iudicem venturum super vivos et
mortuos, licet resurrectionem mortuorum
et diem iudicij credat, Negat Spiritum sanctum, Negat eius dona. His
et similibus articulis est munienda
conscientia contra caeremonias Mahomethi.
His machinis Alkoranus eius confutandus est.
Nam si iam dictos articulos quis neget,
Quid illi prosit, etiam si Angelorum
religionem habeat, etiam si bis sit Turcorum religiosus? Contra, si quis hos articulos teneat, Quid illi
noceat, si neque tam multa ieiunet,
oret, vigilet, abstineat neque victu, vestitu, gestu, re familiari tam
modestus sit? Sint Turci, sint Papistae
his rebus clari, At simul vera Fide vacui et
iuxta alijs criminibus turpissimis oppleti sunt et coram Deo
abominabiles et apud homines odibiles.
Sed venia huic danda est autori, qui communi vitio seculi maiora non attigit et quae attigit
stilo usitato sui temporis formavit,
Laudandus vero ob insignem zelum, candorem et diligentiam, quibus,
quantum potuit, praestitit fideliter.
Plura forte dicam, siquando mihi ipse Mahomethus Alkoranusque suus in manus venerit. Spero
enim Euangelion nostrum tanta luce
fulgens etiam impetum facturum esse ante iudicij diem in ipsum Mahomethum abominabilem prophetam,
quod faciat Dominus noster Iesus
Christus cito, Cui sit gloria aeterna. Amen.
[Seite 209]
[Einleitung]
[Seite 209]
Auch nach dem Bauernkriege wucherten in
Thüringen aufrührerische und schwärmerische Jdeen weiter. “Wiedertäufer” aber
regen sich erst im Jahre 1528, als Melchior Rink in der Nähe von Hersfeld eine
Schar von Anhängern gewann.1 Den beiden Superintendenten Justus Menius zu
Eisenach und Friedrich Myconius zu Gotha machten sie viel zu schaffen. Menius
hatte schon im Dezember 1528 gemeinsam mit dem Amtmann von der Wartburg
Eberhard von der Thann einen Bericht über die Bewegung an den Kurfürsten
eingesendet und sie seitdem unablässig beobachtet und studiert. In den ersten
Monaten des Jahres 1530 verband er sich mit Myconius zur Herausgabe einer
Gegenschrift, die er dann aber allein ausarbeitete. Am
[Seite 210]
A. “Der Widder-||tauffer lere vn̄ geheim-||nis, aus heiliger
schrifft widder-||legt, Mit einer schoenen Vorrede, || Martini Luther. || Psam.
LXIII. || Sie ertichten schalckheit vnd haltens heimlich || vnter sich selbst,
jm tieffen hertzen. || Aber Gott wird sie mit plotzlichen pfeilen schie||ssen,
das sie wund werden. || Jhr eigen zung hat sie gefellet, das jhr spottet || wer
sie sahe, vnd alle menschen erschracken. || Wittemberg. || MDXXX. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 100 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.
Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. || MDXXX. ||”
Einige Exemplare haben auf dem
Titelblatt Zeile 8 den Druckfehler “hertzenl”.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9216 und “hertzenl”. 9216a), Breslau St., Dresden, Hamburg, Heidelberg,
München U., Nürnberg St., Wittenberg, Zwickau; Basel U., London.
B. “Der widderteu || ffer Lere vnd
geheim || nis, Aus heiliger schrifft || widderlegt. || Justus Menius. || Von
der Wid- || dertauffe an Zween || Pfarher, Ein Brieff. || D. Martinus Luther ||
Vnterricht wid||der die lere der Wid- || derteuffer. || Philip. Melancht. ||
Wittemberg. || MDXXXIIII. ||” Titelrückseite leer. 160 Blätter in Oktav, letzte
Seite leer. Am Ende: “Gedrueck zu Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. ||”1
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 9219), Göttingen, Zwickau; London.
In den Gesamtausgaben steht unsere
Vorrede Wittenberg 2 (1548), 304b –306b (Menius’ Schrift weiter bis 359a); 92
(1557), 548a –549b; Jena 5 (1557), 262b –264b; Altenburg 5, 396 –397; Leipzig
22 Anhang, 98 –100; Walch 14, 276 –283; Walch2 14, 306 –311; Erlangen 63, 290
–296.
Der zweite Schirlentzsche Druck (B)
hält sich enge an den ersten und zeigt fast nur Änderungen in der
Umlautsbezeichnung: u > ue in luegen, tuegent, geruempel, fuer, wuerden,
Tuercken, vertuenckeln, kuenfftig, ruestig, kluegling, versuenen; o > oe
koempt, poebel, moerder, der groesschen; jhr > jr; große Anfangsbuchstaben
sind häufiger als in A; in Zitaten steht z. B. am achzehenden für .18.
[Seite 211]
[Bl. Aij]
[Seite 211]
[Matth. 18, 7] Vnser Herr Jhesus
Christus hat Matth. 18. klerlich gnug verkundigt, das seine liebe kirche jmer muesse Rotten und
Secten leiden, da er spricht: ‘Es
muessen ergernisse komen, Aber doch wehe
dem menschen, durch welchen die ergernisse komen’, So [1. Kor. 11, 19] hat auch S. Paul 1. Corin.
11 gesagt: ‘Es muessen Rotten odder [2.
Petri 2, 1] Ketzerey sein, auff das die bewereten offenbar werden’, Und 2. Pet.
2: ‘Es werden aber unter euch falsche
lerer sein, wie unter jhenen auch falsche propheten waren, Wie denn solchs von anfang der
Christenheit, auch zur Apostel zeit bis
da her mit der that vollenkoemlich geschehen ist, Und bis an der welt ende geschehen wird. Denn Christus ist ein
Koenig und Herr, darumb mus er auch
streiten und kriegen, Er streitt aber geistlich mit der warheit widder die lugen, so weret sich die luegen und wil
nicht unterligen, Also gehen denn die
Rotten an, und hebt sich solcher lerm und rumor jnn der Christenheit.
Der halben sol niemand sich wundern
noch entsetzen, ob er Rotten geister und
ketzer unter den Christen sihet auff komen und so greulich poltern wider die warheit, Bistu ein Christ und gleubest
Christo und seinen Aposteln, so mustu ja
das auch gleuben und gewarten, da sie sagen: Es muessen Rotten und ergernis komen, Und solch jhr wort fur
keine luegen odder lose leichtfertige
rede halten, sondern das sie von redlichen, grossen, grewlichen sachen
reden, wie Gottes wort zu reden gebuert,
Und must dirs lassen nicht seltzam sein,
wenn sie komen, sondern dich daran gewenen, das du koennest sagen:
Wolan, las her gehen und komen, was da
kompt, ich habs lengest wol gewust, das
Rotten komen musten, Sind es diese nicht, so muessens andere sein,
lassen diese ab, so fahen andere an.
Wiltu das liebe Euangelion haben, so mustu die
hellische pforten und teuffel auch haben, das du das selbige Euangelion
nicht [Joh. 14, 27] mit liebe noch
friden habest, wie Christus spricht: ‘Jch gebe euch meinen friden, Nicht wie die welt gibt.’
Und jnn Summa, der teuffel ist ein
polter geist und rumpel geist1, poltern
und rumpeln kan er nicht lassen, Bis her unter dem Bapst hat er gepoltert In heusern, jnn kirchen, auff dem
felde, In den welden, und hat da mit
einen seel marckt gestifft, hat sich fur menschen seelen veil geboten und verkaufft, da durch die Messe und alle
Christliche werck jns fegfeur, ja jnn
die helle geschleifft und aller welt gueter jnn faulfressige2 beuche
gesteckt, ja jnn der kloester und stifft
Cloacas und heimliche gemach versenckt, Nu aber
solcher seelen marckt jhm nidder gelegt ist, richt er ein new gepolter
und ein ander gerumpel an, durch die
Rotten geister, Darumb wie man fur den
polter geistern jnn heusern jtzt sich nicht mehr fuercht, also solten
wir uns
[Seite 212]
auch fur seinem poltern jnn den Rotten
nicht mehr entsetzen, Es mus doch
gepoltert und gerumpelt sein, so lange die wellt stehet.
Aber es mus uns doch alles zu gut komen
und nicht einerley1 nutz schaffen.
Erstlich, das wir da [Bl. A iij] durch geubt werden, das wort Gottes deste vleissiger zu handeln und halten und da
mit jhe lenger jhe gewisser der warheit
werden, Denn wo solche Rotten nicht weren, da durch uns der teuffel so auffwecket, wuerden wir zu faul,
schlieffen und schnarckten uns zu tode,
Wurden auch beide, glauben und wort, bey uns vertunckeln und
verrosten, bis es gar alles verdoerbe,
Aber nu sind solche Rotten unser schleiffstein und polirer, die wetzen und schleiffen unsern
glauben und lere, das sie glw2 und rein
wie ein spiegel glentzen, lernen auch dar uber den teuffel und seine gedancken kennen und werden rustig und
geschickt gegen jhm zu streiten, Welchs
alles nach bliebe, wo wir ruge hetten fur den Rotten.
Zum andern, so wird auch das wort selbs
da durch deste bas und heller an tag
bracht fur der welt, das viel die warheit durch solchen krieg erfaren odder jhe drinnen gesterckt werden, die sonst
nicht da zu kemen, Denn es ist ein
schefftig3 ding umb das wort Gottes, darumb gibt jhm Gott auch zu
schaffen, henget und hetzet dran beide,
teuffel und die wellt, auff das seine macht und
tuegent offenbar und die luegen zu schanden werde, Ob nu etliche da
durch verfuret werden, ist auch recht,
und geschicht zur straffe und rache uber die
Gottlosen, stoltzen verechter und undanckbarn menschen, die unser lere
verfolgen, lestern odder verachten, Denn
was frumer einfeltiger hertzen daneben
verfuret werden, da ist hoffnung, das sie widder zu recht komen muegen,
Die stoltzen aber und kluglinge sollen
drinnen verstockt, und jhrer undanckbarkeit
und eigener hoffertigen klugheit lohn also jnn sich selbs empfahen.
Solchs alles wirstu hie jnn diesem
feinen buch reichlich finden, wie Gott
unsern glauben durch der Widderteuffer faule, lame zoten4 ubet und
sterckt, Widderumb auch wie billich er
jhren stoltzen duenckel und undanckbarkeit strafft, das sie verblendet und verstockt solch
nerrisch ding reden und darumb auch
nicht gern an das liecht wollen, sondern jhr gifft jm tunckel bergen.
Und wie wol all jhr luegen jnn diesem
buch klerlich und gewaltiglich sind uberwunden,
wil ich doch auch ein wenig anzeigung thun, das man greiffen mag, der
teuffel habe sie aus gesand, und mit
eitel luegen umb gehen, wie wol es alles vorhin jnn diesem buch begriffen ist.
Erstlich ist das ein gewis zeichen des
teuffels, das sie durch die heusser so
schleichen und lauffen jm lande umb Und nicht offentlich aufftretten, wie die Apostel gethan und teglich alle
ordenliche prediger thun, Sondern sind
eitel meuchel prediger, komen auch jnn frembde heuser und ort, da hin
sie niemand beruffen noch von jemand
gesand sind, koennen auch solchs schleichens
[Seite 213]
und lauffens keinen grund noch warzeichen1
bringen.2 Dis stueck feilet nicht [Joh.
10, 8] und ist gewis, das sie vom teuffel komen, wie Christus sagt Johan. 10:
‘Alle die vor mir komen, sind diebe und
morder.’ So habe ich vor hin Psalm 823
vermanet beide, oberkeit und unterthan, das man solche schleicher,
meuchel lerer und winckel prediger
schlecht nicht leiden sol, Denn da ist kein Gott nicht, sondern gewis der teuffel selbs, Es gleisse,
wie es wolle.
Zum andern ist jhr lere nichts anders
denn [Bl. A iiij] welltliche guter,
zeitliche, fleischliche und jrdissche verheissung, die der pobel gern
hoeret, nemlich das sie wie die Juden
und Turcken auff erden ein Reich ertichten, dar jnn alle Gottlosen erschlagen, und sie allein gute
tage haben sollen. Wer moechte das
nicht? Das ist doch ja eine offentliche greiffliche luegen, denn
Christus hat den seinen nicht ein
weltlich reich, sondern ein himlisch reich bestellet und [Joh. 16, 33, Joh. 18, 36] spricht: ‘Jnn der
welt werdet jhr angst und not haben’, Jtem: ‘Mein reich ist nicht von dieser welt’, Und heisst uns
diese wellt verleucken und des himel
reichs warten, sonst kemen die vorigen heiligen und merterer, Christus
und alle Apostel ubel da zu, das sie
hetten solchs welltlichen reichs muessen emperen, Darumb ist dis stueck ein gewis zeichen, das
sie der teuffel reite.
Zum dritten, das sie leren, Christus
werde die Gottlosen durchs schwerd umb
bringen, und werde das schwert solchen bunds brudern befelhen, Da sihestu offenberlich den moerdisschen, aufrurisschen,
rachgirigen geist, dem der odem nach dem
schwert stinckt, Und das noch viel feiner ist, Sie predigen sich selbs, sie wollen solche gesellen sein, das
schwert zu furen, Und das sie doch die
luegen also hetten geputzt, das nicht sie selbs, sondern andere thun
solten, wie die Propheten von den
kunfftigen Christen weissagen, so hette es doch ein wenig farbe, Aber diesen gesellen sind jhre
nachbar nicht wol geraten, drumb muessen
sie sich selbs predigen und nicht Christum noch seine werck, sonder was sie gern thun wolten und jhre moerdissche
werck, Wir wissen aber, das Christus den
seinen kein schwert befolhen, sondern verboten hat, da er sagt: [Luk. 22, 26] ‘Jhr aber solt nicht so sein
odder thun’, Solch wort hat er nicht widderruffen, wird sich selbs auch nicht luegen straffen,
Und wird die Gottlosen nicht mit dem
schwert, sondern mit dem odem odder geist seines mundes toedten und durch die erscheinung seiner zu kunfft sie
hinrichten4, Dar umb ist dis aber mal
ein gewis, greifflich zeichen, das der leidige teuffel sey.
[ 14/15 himel reichs B]
[Seite 214]
Zum vierden, sihe, wie fein sie von guten
wercken leren, Sprechen, sie geben jhre
gute werck umb einen grosschen, da mit wollen sie unser affen sein und uns nach leren, weil sie gehoert haben,
das wir leren, Gute werck machen nicht
frum, tilgen auch die sunde nicht, versuenen auch Gott nicht, Uber solchs thut hie der teuffel seinen zu satz und
veracht die guten werck so gar, das er
sie alle umb einen grosschen verkeuffen wil, Da lobe ich Gott, meinen
Herrn, das der teuffel sich selbs jnn
seiner klugheit so schendlich mus beschmeissen1
und betoren.2 Wir leren also, das Gott versunen, frum machen, sunde
tilgen, sey so hoch, gros, herrlich
werck, das allein Christus Gottes Son thun muesse, und sey eigentlich ein lauter, blos,
sonderlich werck des einigen rechten Gottes
und seiner gnade, da zu unser werck nichts sind noch vermuegen. Aber
das darumb gute werck solten nichts sein
odder eines grosschen werd sein, Wer hat
das jhre geleret odder gehoeret? on jtzt aus dem luegen maul des
teuffels.
Jch wolt meiner predig eine, meiner
lection eine, meiner schrifft eine,
meiner Vater unser eins, ja wie kleine werck ich jmer gethan odder
noch thue, nicht fur der3 [Bl. A5] wellt
gueter geben, ja ich acht es theurer denn
meins leibs leben, das doch einem jglichen lieber ist und sein sol denn
die gantze wellt. Denn ists ein gut
werck, so hats Gott durch mich und In mir
gethan. Hatts Gott gethan und ist Gottes werck, Was ist die gantze
wellt gegen Gott und sein werck? Ob ich
nu wol durch solch werck nicht frum werden
(denn das mus zu vor geschehen durch Christus blut und gnade on werck), dennoch ists Gott zu lob und ehren
geschehen, dem nehesten zu nutz und
heil, Welcher keines man mit der wellt gut bezalen odder vergleichen
kan. Und diese feine Rotten nimpt einen
grosschen da fur! Ah wie fein hat sich
der teuffel hie verborgen! Wer kuendte jhn doch hie nicht greiffen?
Widder den glauben leren sie ein
welltlich reich, Widder die gute werck leren sie zeitlich gut und gelt und halten sie geringer denn
einen grosschen, Widder das Creutz leren
sie schwert und rache. Ach das muessen mir zarte und ja feine Christen sein, Darumb ist der billich verdampt, der
solche offenberliche, greiffliche luegen
und lesterung des teuffels gleubt. Aber weiter wirstu jnn dem buch
selbs finden und sehen, wie Christus
diesen luegen geist angreifft, stuertzt und zu
scheitert, Dem sey lob und danck jnn ewigkeit, sampt dem Vater und
heiligen geist, warhafftigem Gott und
Herrn, Amen.
[ 13 maul] mal B]
[Seite 215]
[Einleitung]
[Seite 215]
Von seinem Kanzler Georg Vogler
angeregt, hatte Markgraf Georg von Brandenburg den Nürnberger Stadtschreiber
Lazarus Spengler in einem eigenhändigen Schreiben aufgefordert, “einen lauteren
Auszug in deutscher Sprache aus den päpstlichen Rechtsbüchern zu machen, über
die Dinge, welche mit dem göttlichen Wort und Lehre übereinstimmen, in
Hoffnung, daß es dem heiligen Evangelio nicht unförderlich sein sollte”. Obwohl
mit allerlei Amtsgeschäften und täglicher Leibesschwachheit beladen, unterzog
sich Spengler dieser Arbeit, fertigte aus den zwei päpstlichen Büchern der
Decret und Decretalen einen solchen Auszug an und schickte ihn mit einem vom
Jm Dezember wurde der Auszug bei Jobst
Gutknecht in Nürnberg gedruckt.2 Der Verfasser verschwieg jedoch seinen Namen,
verfaßte auch eine andere Einleitung.3 Am
[Seite 216]
auch schon von einem andern zugesandt
worden sei.1 Er habe es zum Teil übersehen und darin befunden, “das, der solch
buch hat lassen ausgehen, ... dye text der concilia vnd decret nicht gantz hat
bleiben lassen, sondern zu seynem besten vnd vornemen getollmetzt vnd
verdeutzet”. Aber gern habe er vernommen, daß die Gegner jetzt “in den
canonibus vnd concilien” mancherlei fänden, “das ihn schmeckt vnd das dem
evangelio gemeß vnd nicht entkegen”; damit bewiesen sie, daß Luther mit Unrecht
die geistlichen Rechte öffentlich verbrannt und geschrieben habe, “es sey nit
eyn gut worth in allen geystlichem recht”; hoffentlich würden sie “seyner
vnwahrheyt meher befynden vnd daraus vermergken, wye sye mit vnwarheit in
vnrechtlich vngestumigkeyt vorfurt seyn”. Kurfürst Joachim dagegen antwortete
aus Cölln a. d. Spree unterm
“Des verdechtigen auß-||zugs
Baepstlicher Rechte, der De-||cret vnd decretalen, In den Artickeln die ||
vngeferlichē Gottes wort vnd dem Euan||gelio
[Seite 217]
gemeß sein sollen, kurtze || erklerung
durch || Wolffgang Redorffer D. || M. D. XXX. || ❧ ||’ Titelrückseite bedruckt.
24 Blätter in Quart, letztes Blatt leer.
Augsburger Druck. — Ex. z. B. in Berlin
(Cu 5284) und München U.
Und Herzog Georgs coadjutor in
spiritualibus Johann Cochläus veröffentlichte sogar drei Gegenschriften gegen
den Auszug.1 Die erste begann er Ende Februar.2 Sie wird eröffnet durch ein
“Dresden,
“Auff den Tewtsch||en Auszug
vbers||Decret, von vnbe||nanten leuthen gemacht. || Antwortt||D. Jo.
Cocleus.||Gedrugkt zu Dreszden||durch Wolffgang||Stoeckel.|| M. D. XXX. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in Quart, letzte Seite
leer.
Ex. z. B. in Berlin (Cu 1595), München
U. und Zwickau.
Dagegen reagierte ein unbekannter
Verfasser, der sich hinter dem Pseudonym “Hieronymus von Berchnishausen”
versteckte, — ihn mit Spengler zu identificieren3, verbieten die Angaben, die
der Verfasser über sich macht4 — mit einer kraftvollen und humorgewürzten
Schrift, die gleichfalls ein Widmungschreiben an Bürgermeister und Ratmannen
der Stadt Leipzig (datiert: Augsburg,
“Antwort auff das vn-||warhafft
gedicht: so Jo-||han Cocleus: der sich Do-||ctor nennet: Widder den ||
gedrückten auszug Bebst||licher rechten: new-||lich hat ausge-||hen las-||sen.
|| D. Hieronymus von Berch-||nishausen etc.|| Liess, es wird dich nicht
gerewen, besondern || von der Priester ehe.||” 36 Blätter in Quart,
Titelrückseite und letztes Blatt leer.
Ex. z. B. in Berlin (Cu 525) und
Frankfurt a. M.5
[Seite 218]
Unterdessen waren von dem Auszug
mehrere andere Ausgaben1, darunter eine mit einer Vorrede Luthers versehene
Wittenberger, erschienen. Letztere kam Cochläus bereits auf seiner Hinreise zum
Augsburger Reichstag (Ende April oder Anfang Mai)2 zu Gesicht.3
a “Ein kurczer || auszuge, aus den ||
Bebstlichen rechten der De-||cret und Decretalen, Ynn den || artickeln, die
vngeferlich Got||tes wort vnd dem Euangelio || gemes sind, odder zum
we||nigsten nicht widder || streben. || Mit einer schoenen Vorrhede. || Mart.
Luth. || Wittemberg. 1530. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36
Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu
Wittembergk durch || Joseph Clugk. || M D. XXX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung;
Arnstadt, Berlin (Luth. 9211), Danzig, Dresden, Frankfurt a. M., Gotha,
Heidelberg, Stuttgart, Weimar, Wittenberg; London. — Erl. Ausg. 63, 287 Nr. 1.
b wie a, aber mit folgenden
Abweichungen auf dem Titelblatt: Zeile 2 “auszueg”; Zeile 7 “||mes sind, odder
zum we-||”. Gleicher Satz wie a.
Vorhanden: Zwickau.
Niederdeutsch.
“Eyn korth || vthtoege, vth den -
Pewestliken rechten, der || Decreten vn̄ Decretalen,|| Jn den artikelen, de
vngeferlick, || Gades wort, vnde dem Euangelio || gelickfoermich syn, edder
thom weni-||gesten nicht wedder streuen. || Mit einer schoenen Voerre-||de
Martini Luthers. || M. D. XXXI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer.
47 Blätter in Oktav. Am Ende: “Gedrůcket tho || Magdeborch bi || Hans
Walther || [Querleiste] ||”
Vorhanden: Berlin (Fp 3197), Hamburg,
Wolfenbüttel.
“Eyn korth || vththoege, vth || den
Pewestliken rechten, || der Decreten vnde Decre-||talen, Jn den artikelen, de
vnge-||ferlick, Gades wort, vnde dem || Euangelio gelyckfoermich syn, || edder
thom wenigesten nicht || wedder streuen. || Mit einer schoenen Voer-||rede
Martini Luthers. || M. D. XXXj. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer.
48 Blätter in Oktav, das letzte Blatt leer. Am Ende: “Gedruecket tho
Mag-||deborch by Hans || Walther. || [Querleiste] ||”
Vorhanden: Hamburg, München U.,
Wernigerode.
In den Gesamtausgaben steht Luthers
Vorrede an folgenden Stellen: Wittenberg 9 (1557), 545b –546a; Jena 5 (1557),
259b –260a; Altenburg 5, 393; Leipzig 22, Anhang 95; Walch 14, 267 –268; Walch2
14, 296 –299; Erlangen 63, 287 –290.
[Seite 219]
[Bl. Aij]
[Seite 219]
Ein solch buch hab ich mir selbs offt
und lange furgenomen zu stellen, wie das
ist, aus dem Decret und geistlichen rechten,
Und dasselbige unsern geistlichen und weltlichen herren, so unser lere verfolgen, zu zuschreiben, damit sie
doch sehen moechten, wie gar stock
starblind1 sie sind, die nicht allein yhr eigen lere nicht halten, sondern auch verdamnen als eitel
Ketzerey. Daran man wol spuren kan, wie
grosser ernst es sey, das sie furgeben, Ketzerey zu vertreiben, die nicht also viel vleis zursachen thun, das sie doch
wissen und lernen mochten, was sie selbs
gleubten, odder was yhr eigen lere, odder wie fern sie widder uns were, Sondern schlechts einherfaren: diese
lere gefellt uns nicht, drumb sols
Ketzerey sein, wenns auch gleich unser eigen lere und ynn unsern
buechern gesetzt were, Was sol man sich
aber gutts zu solchen leuten versehen, die ander leute und sich selbs verdamnen und nicht wissen
warumb, wie odder wenn?
Jch weis einen grossen ErtzBisschoff,
den ich nicht nennen wil2, der hielt
viel von S. Cypriano, dem heiligen Bisschoff und Marterer, und lass
des selbigen bucher ein wenig widder die
Lutherisschen, als damit er sie gar zu
sturtzen vermeint. Da yhm aber ward angezeiget, das ynn des
selbigen S. Cypriani buchern stunde, wie
die Heilige Christliche Kirche nicht allein zu
Rom, sondern an allen enden der wellt were, Sprach er: Wenn ich wuste,
das Cyprianus das leret, so wolt ich
seine bucher als eins Ketzers auch verbrennen,
Und als yhm ward ynn dem buche furgelegt, warff er den heiligen Cyprian
mit seinem buche weg und wolt den Ketzer
nicht mehr lesen.
Aber weil sie von Gott verstockt und
verblendet bleiben wollen, so mussen wir
doch die warheit ehren und mit solchem buch anzeigen, wie die elenden leute nicht allein so ungleich den alten
vetern leren und leben, sondern auch
widder yhr eigen Recht, darumb sie doch fechten, so schendlich wueten
und toben, bis der kompt, der uns
erlosen und yhn vergelten wird nach yhrem verdienst.
Darumb gefellet mir dis buchlin wol,
vnd ist auch wol werd, das mans lese,
Denn wir haben uns bisher so hoch erboten, nachzulassen und zuthun alles, was sie nur setzen und gebieten
kundten, wo sie uns allein die heubtstuck
Christlicher lere frey liessen, welche doch auch viel ynn yhrem eigen
rechtbuch stehen, und sie selbs nichts
dauon wissen. Christus, unser herr, erhore unser seufftzen und gebet, Und schaffe allem yrthum
und ubel ein ende, Dem sey lob und ehre
sampt dem Vater und Heiligen Geist ynn ewigkeit, AMEN.3
[Seite 220]
[Einleitung]
[Seite 220]
Es ist charakteristisch für Luthers
Tatenlust, daß er, sobald er seine einsame, stille Wohnstätte auf der Veste
Koburg bezogen hatte, auf Beschäftigung für die Mußezeit, die ihm hier winkte,
sann. Gleich noch am Tage seines Einzugs, am
Vielleicht ist unsere Übersetzung gar
die erste Arbeit, die Luther auf der Veste Koburg begonnen hat. Er deutet die
beiden Kapitel auf die Bedrängnis, in die die Christen (= Jsrael) durch die
Türken (= Gog und Magog)4 gebracht werden würden, und auf den endlichen
Untergang der letzteren durch ein göttliches Strafgericht. Das sind aber genau
die Gedankengänge, in denen er sich in den ersten Tagen seines Aufenthalts auf
der Veste Koburg bewegte. In dem Briefe an Melanchthon vom 23. April, von dem
wir ausgingen, schreibt nämlich Luther weiter: “Ego incipio totis animi
affectibus in Turcam et Mahometum commoveri,
[Seite 221]
videns intolerabilem illam Satanae
suriam in corpora et animas tam superbe grassantem. Orabo igitur et plorabo,
nec quieturus, donec clamorem meum exauditum in coelis intelligam.”1
Nur zwei hochdeutsche Druckausgaben
sind uns bekannt geworden: der von Nickel Schirlentz in Wittenberg hergestellte
Originaldruck und ein Nachdruck, der 1531 bei Kunigunde Herrgott in Nürnberg
erschien. Von Luthers Handschrift hat sich die Übersetzung der beiden
Ezechielkapitel im Cod. Solg. Mss. Qu. 8 der Nürnberger Stadtbibliothek
erhalten.2 Wir fügen sie in Paralleldruck bei.
Ausgaben:
A “Das XXXVIII || vnd XXXIX || Capitel
Hese-||chiel vom || Gog. || Verdeudscht durch || Mart. Luther. || Wittemberg.
|| MDXXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart,
letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg durch Nickel || Schirlentz.
MDXXX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung;
Arnstadt, Berlin (Luth. 5991), Breslau U., Danzig, Hamburg, Heidelberg,
Wittenberg, Wolfenbüttel, Zittau, Zwickau; London.
B “Das .xxxviij || vnd .xxxix. Capitel
|| Hesechiel vom || Gog. || Verteutscht durch || Mar. Luther || Wittemberg. ||
M. D. XXXI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 12 Blätter in Oktav,
die drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nürmberg || durch Künigund
|| Hergotin. ||”
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 5995, ohne Bl. B1).
Niederdeutsch.
“Dat xxxviij. || vn̄ xxxix. Capi||tel Hesechiel ||
vom Gog. || Vorduedeschet dorch || Mart. Luther || Wittenberg. || M. D. XXX.
||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite
leer. Am Ende: “Hedrucket tho Magdeborch, dorch || Hinrich Ottinger. ||”
Vorhanden: Hamburg.
In den Gesamtausgaben: Wittenberg 2
(1548), 502a –505a; Jena 5 (1557), 3a –6b; Altenburg 5, 2 –5; Leipzig 7, 493
–497; Walch 6, 1406 –1421; Walch2 6, 880 –891; Erlangen 41, 220 –231.
Der Nürnberger Druck B zeigt die zu
erwartenden Abweichungen in den Formen. Wir verzeichnen sie im folgenden.
I. Vokale, 1) Umlaut: e > ae
taeglich, vaeter, staets; o > oe voegel, Boecke; u > ue fuer, hinfuerter,
pluendern, fueren, ∞ darumb, herumb, widerumb, stuck; eu > au glauben,
haupt, ∞ scheuer. 2) o > u genumen, kumen, kumst, sunst, Kunig,
hinfurt. 3) i und ie, u und ů
[Seite 222]
meist geschieden, aber nicht ü und ue,
ei und ai. 4) Unbetontes e fehlt oft im Auslaut: gnad, -ung, hab, hauff, hell,
wuest (Adj.), nam, ein (una), sein (sua), der heylig; im Jnlaut zerstoert,
versundigt; ∞ der geiste, huelffe, er helffe, im Jnlaut sewen, herren, regenen
(< regen), welches, jres, eynes. 5) Unechtes h fehlt in jm, jn, jr, faren,
auch in steen, geen.
II. Konsonanten: d > dt, t seyndt,
wirdt, wirt, kindt, niemandt, entlich, schwert, hinfuerter, teutsch, teudsch; b
> p pracht, verporgen; g > k gefengknus. Doppelkonsonant vereinfacht in
wider, oder, in, Got, ∞ kummest, statt (urbs), allzumal, eyffern.
III. Vor- und Nachsilben: nis > nus,
iglich > igklich.
IV. Deklination: Umlaut in voegel,
Boecke.
Konjugation: komen, kompst > kumen, kumpst, bracht
> gepracht; wollen > woellen.
V. Wortformen: sonder, nit, dann, yetz
(< itzt), herauff, herauß, herzů, fur mit Dat. > vor, nun; yeglich,
yederman, selbs > selbst, ruffen > rueffen, schauer > scheuer.
[Seite 223]
[Bl. Aij]
[Seite 223]
[Off. 20, 8] Weil ynn der offenbarunge Sanct
Johannis am zwentzigsten Capitel der Gog
wird beschrieben, wie er mit grossem heer, wie sand am meer unzelich, widder die Christenheit
streiten und endlich mit feur vom himel
zerstoeret werden sol, Welchen wir fur
den Tuercken halten, Habe ich mir, weil ich hie so muessig sitze, furgenomen, die zwey Capitel Hesechiel,
nemlich das XXXVIII. und XXXIX. auch zu
verdeudschen, welche fast gleich mit der offenbarung stimmen, und sihet, als hab es Sanct Johannes aus
Hesechiel genomen und weise uns hieher
ynn den Propheten Hesechiel, der ein wenig weiter dauon redet. Sonst findet man nirgent ynn der heiligen schrifft von dem
namen Gog.
Und mich dunckt, das der heilige geist
dem Tuercken den namen verkuertzt und
nennet yhn nicht schlecht Magog, welchs der rechte gantze name ist, [1. Mose 10, 2] Genesis am zehenden, Sondern
bricht yhm den kopff ab, nimpt yhm den
ersten buchstaben weg und nennet yhn Gog, wie wol doch beide, Gog
und Magog, ein name ist, an diesem ort
und ynn der offenbarung, und auch beide
den selbigen Tuercken bedeuten, Das thut er daruemb, uns trost zuerzeigen, das er dem Gog fast feind ist, Gleich wie ein
iglicher mensch seinen feind mit halbem
namen nennet, wenn er seinen zorn odder unwillen zeigen wil, als wenn man einen sonst teglich
Johannes heisst und aus zorn Hans [Jer.
22, 24] ruffet, Und der Prophet Jeremia am zwey und zwenzigsten den koenig
Jechania schlecht Chania nennet, welchen
er doch sonst offt Jechania nennet, Also hie der Tuercke, der mit gantzem namen Magog heisst,
mus mit halbem namen auch Gog heissen,
wie wol solch verkuertzen der namen auch offt aus liebe geschicht, als man spricht: Lippes1, Lehne2, Thrine, ia auch
wol: du schelcklin, du bueblin.
Und Gog ist ein name aus dem
Ebreischen. Gag, das heisst ein dach,
Das Gog odder Magog so viel heisst als ein Dachman oder der unter
dem dach wonet, Welchs reymet sich
beide, mit den Tuercken und yhren vetern, den
Tattern, Es ist beides ein wild reubisch volck, das nicht nach heusern
fraget, sondern wie das vihe wonen sie
ynn huetten als unter dechern und schauren3,
zu raub und krieg ymer bereit, Und sie wollens gerhuemet sein, das sie
als eitel grosse heiligen nicht grosse
schone heuser bawen, wie bey uns geschicht,
Und ist auch fein: wie die heiligen sind, so ist die heiligkeit auch,
Und solche
[ 27 du (2.) fehlt B]
[Seite 224]
heiligen sollen solche heiligkeit haben voller
geitz, unzucht, hoffart, mord, Gotts
lesterung und darnach ein dach fur ein haus erwelen, gleich wie aller
heuchler heiligkeit auch zuthun pfleget.
Zu dem haltem sie auch nicht haus nach der
[Ps. 127, 3] schrifft ym [Bl. A iij] hundert und sechs und zwentzigsten
Psalm, Denn sie achten der ehe nicht und
ist yhrer unzucht kein ziel gesteckt, nemen und lassen weiber, wie sie wollen, und stehet also yhr huetten
hinden und fornen und zu allen seiten
offen, das sie der unzucht nachlauffen wie das vihe, Das dach aber haben sie zum zeugnis grosser abstinentz und
messigkeit.
Es ist aber vorhin1 gnug angezeiget,
wie Gog der Tuercke sein herkomen hat
aus den Tattern odder roten Juden, da der grosse Cam2 koenig ist, wie [1. Mose 10, 2] die landferer sagen, welche
urspruenglich den namen Magog haben, Gene. am
zehenden. Daruemb auch der Tuercke solchen seines vater landes namen
hie erben mus nach gewonheit der
schrifft, da zu weilen wol ein einzele person
[1. Mose 49, 27] eins gantzen landes namen fueret, gleich wie Sanct
Paulus Genesis am neun [Ps. 68, 28] und
viertzigsten und ym sieben unnd sechtzigsten Psalm Ben Jamin des gantzen geschlechts namen erbet, als were er allein
Ben Jamin3, Welche weise auch wir
deudschen haben, wenn wir also sagen: Sachsen odder Saxonia hielt fest,
da man den Keiser welet, Sachsen thet
das beste, Hie mit meinen wir nicht mehr
denn hertzog Fridrichen zu Sachsen, die einzele person, Und wenn
ein Spaniol mit eim Venediger kempffet,
spreche man: Hui, Hispania, were dich,
Hispania siegt, Venedig liegt, und der gleichen viel, Also heisst hie der heilige geist den Tuercken nach seinem
vaterland Magog, und aus zorn den Gog.
Nach dieser weise sol man auch das wort
Jsrael ynn diesen zweyen Capiteln
vernemen, Denn die Apostel und andere juenger Christi, so aus den Jueden komen, waren rechte Jsrael, Und haben
auch des gantzen volcks Jsrael namen
geerbet, wie Sanct Paulus den namen Ben Jamin, Druemb ist der name Jsrael hinfurt bey den Aposteln blieben
und auff alle yhre juenger geerbet, das
nu mehr die heilige Christenheit und wir auch und alle, die dem wort der Apostel gleuben und yhre juenger
find, Jsrael heissen, Gleich wie alle
lender mussen hie Gog mit heissen, weil sie unter dem Tuercken sind und yhm folgen, ob sie wol der geburt nicht alle
Gog sind, sondern Griechen, Moren,
Araber und der gleichen, denn der hauffe wird genennet nach dem heubt, des das panier ist.
Daruemb mussen wir hie durch die berge
Jsrael nicht die berge bey Jerusalem
verstehen, da Gog sol erschlagen werden, Es sind die Christlichen kirchen hin und wider, Unter den Christen sol
er darnidder ligen, Aber nicht mit dem
schwert, sondern mit blix, donner, hellisch feur vom hinel herab,
[ 22 den (2.)] fehlt B]
[Seite 225]
Denn unser fursten, die lieben Apostel, sind
rechte natuerliche Jsrael. so sind wir
Christen unter yhrem panier, das ist: unter dem Euangelion, daruemb heissen wir nach yhrem namen recht und
redlich Jsrael. Hies doch der schelm
Julianus1 die Christen Galileer, daruemb das sie an Jhesum aus
Galilea hiengen, Und mus gantz Asia Gog
und Tuercken heissen umbs yhrs tyrannen
willen, Waruemb solten wir nicht auch umb unsers herrn Jhesus willen
Jsrael heissen? So er doch ein rechter
natuerlicher Jsrael, ja das einige kleinot ynn
Jsrael ist, Und seine Apostel, [Bl. A 4] unsere hertzogen, auch rechte
Jsrael sind?
Das sage ich daruemb, das man sich an
der Jueden auslegung nicht kere, [Dan.
9, 27] Es gehet sie dieser text nichts an. Daniel am neunden Cap. hat yhn
angezeiget yhr ende, das sie keiner
versamlung mehr hoffen duerffen, Wir sinds,
die aus allerley voelcker zu samen bracht unter einen herrn Christum,
Und sonderlich jtzt, ynn diesen letzten
zeiten, sind wir kaum ein wenig durchs
Euangelion aus allen yrrigen glauben zu samen bracht, Das merckt
der teuffel ym Gog (spricht hie
Hesechiel) und wil an uns, das er uns auffreibe, Denn weil er sihet, das Bapst; Keiser,
koenige und fursten das Euangelion nicht
muegen dempffen, denckt ers mit macht durch seinen Gog zu vertilgen.
Denn ich kan die gedancken nicht lassen,
kans auch den teuffel nicht verwissen2,
das er mich und mein heufflin nicht fuernemlich solt meinen zu suchen, Wir mussen yhm auch deudsch land
heissen3, Jst unser Euangelion recht, so
feylen mir diese gedancken nicht, Und weis, das der teuffel solchs mus ym synn haben, Denn er wil und kan unser
Euangelion nicht leiden, Er risse lieber
himel und erden ynn einander, schweige denn, das er nicht solt seinen Gog auff wecken.
Daruemb habe ich deste mehr diese zwey
Capitel wollen auslassen4, die unsern zu
troesten und vermanen zur besserung und zu vleissigem, ernstlichem gebet, auff das wir die verheissen erloesung
ynn diesem text und das untergehen des
Gogs seliglich und mit freuden sehen muegen, Er zeucht daher und hats ym sinn, Gog hat das deudsche blut
gekostet, Er gedenckt sich vol drynnen
zu sauffen, So ist uns der teuffel feind, er wil uns rein abkeren, So sehen wir hie am ende des neun und
zwentzigsten Capitels, wer den Tuercken
so gros und mechtig gemacht hat, wer yhm so viel und grossen sieg gibt: Nicht fur war seine menge odder macht,
sondern unser sunde, sagt der text, die
haben Gottes zorn erweckt und sein angesicht von uns verborgen und den Gog so grewlich lassen wueten.
So bekere sich nu jderman, fuerchte
Gott und ehre sein Euangelion, Last uns
unser sunde bekennen und nicht leugnen, Darnach mit starckem gebet
[ 15 auffreibe] aufftreybe B 31
zwentzigsten] dreissigsten B]
[Seite 226]
und hertzlichem seufftzen umb huelff und gnade
bitten, Denn unser vermessenheit wird den
Gog nicht schlahen, Gottes zorn sey denn zuvor weg durch unser busse und gebet, wie er hie ym text sagt, das
mit dem Gog sein zorn erauff zihe, Es
sol yhn der donner, blix und hellisch feur erschlahen, gleich wie dem [2. Kön. 19, 35] Sanherib geschach, das ist
sein urteil und sein ende, Welch urteil mussen die Christen mit yhrem seufftzen und bitten
treiben und fodern, Sonst wirds niemand
thun, denn daruemb ist auch das Euangelion jtzt so helle erschienen, das Christus beide, Bapst (wie er angefangen)
und Tuercken, wil hinrichten und
abhelffen1 und uns ein mal gantz und gar erloesen mit seiner herrlichen zukunfft, welcher wir teglich warten. Des
helff uns seine gnade und barmhertzigkeit,
festiglich zu gleuben und hertzlich zu bitten, Amen.
[ 10 welcher] welchem B]
[Seite 226a]
[Das 2d. und 2g. Kapitel Hezechiel vom
Gog]
[Bl. 39a] Cap 38 1
1530
[Seite 226a] [Das XXXVIII Capitel
Hesechiel.] 226b
Vnd Gottes wort geschach zu mir vnd, sprach, Du menschen kind wende dich gegen Gog der aus dem land Magog ist vnd ein furst ist aus den herren ynn Mesech und Thǔbal vnd weissage von yhm und sprich.
So spricht Gott der HErr, Sihe, Jch wil an dich, Gog, der dǔ ein̂
[ 13Daneben und darunter von Veit
Dietrichs Hand: ‘Duo Capita Ezechielis de gog & Magog Coburgj’ 14 Gottes
steht über 〈des HErrn〉 16 –18 Zuerst schrieb L.: gegen Gog yns land des Magog,
der ein furst ist vnter den herren ynn Mesech ..., dann korrigierte er: aus dem
lande Magog, dann wieder: yns land des Magog, dann wieder: aus dem land Magog,
endlich wie oben. Statt ynn Mesech korrigierte L.: aus M., strich dann aber aus
wieder. Am Rande noch die durchgestrichene Bemerkung: Magog ē Turca ex Gog
./· ex tartaris Gog turca ex Magog tattaris. 20 Gott der steht über 〈der HERR〉 21 L. übersetzte zuerst: wil
an dich, strich es dann und schrieb darüber: rede von dir, strich es aber dann
wieder und stellte am Rande die ursprüngliche Übersetzung wieder her: wil an
dich.]
[Seite 227a]
fürst bist aus den herren ynn Mesech vnd Thubal, Sihe, ich wil dich herumb len̂cken vnd wil einen zaǔm ynn
dein maul legen, Vnd wil dich eraǔs
komen lassen mit alle deinem heer, ros
vnd man, die alle wol gepǔtzt sind,
ein grosser haüffe mit spies vnd
schild, vnd alle das schwerd fǔren,
Denn es sind bey dir Persen, Moren vnd aüs Lybia, die haben alle schild vnd helmen, Dazu Gomer vnd sein heer, sampt dem haǔse Togarma, so gegen mitternacht ligt, mit, all seinem heer [Bl. 39b] Ja, es ist ein gros volck bey dir,
Wolan ruste dich wol, dǔ vn̂d alle dein̂e hauffen so bey dir sind vnd sey dü yhr hǔeter, Auff das du lange hern̂ach heimsǔchest vnd nach viel
vergangenen iaren komest ynn das
land, das vom schwerd widder bracht
vnd aus vielen volckern zu samen komen ist, nemlich auff die berge Jsrael, welche stetts wüste gewest sind, Vnd
[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 227b
[ 1 aus steht über 〈vnter〉 über ynn steht 〈aüs〉 2/3 L. übersetzte zuerst:
herumb len̂cken,
strich es dann und schrieb darüber: hin̂richten, strich es aber dann wieder und
stellte am Rande die ursprüngliche Übersetzung wieder her: herumb len̂cken. 3 wil o 6 ein steht über 〈mit〉 7 grosser c aus grossem haüffe c aus haüffen mit o 8 vnd 〈sie o 〉 Sebel r 12 sampt dem steht über 〈auch das〉 hause c aus haus 14 Ja steht über 〈Summa〉 ein o 16/17 L. übersetzte zuerst: vnd
las sich grosse hauffen zu dir [?] versamlen, dann: dǔ vn̂d alle dein̂e hauffen, so sich zu dir [?]
versamlen, endlich wie oben. 18 Zu hǔeter am Rande die dann wieder
durchgestrichene Bemerkung: (Hüeter) wie ein hirt vber schaff, der sie treibt,
wo er hin wil du 〈nach ettliche〉 20 das 〈wolgebawet〉 21 widder bracht steht über 〈erloset ist〉 vnd 〈von〉 24 stetts steht über 〈teglich〉]
[Seite 228a]
nǔ ausgefuret aǔs vielen volckern
vnd alle sicher won̂en̂
Du wirst erauff zihen, Wie ein vn̂gestǔm wirstü komen vnd wirst sein̂ wie eine wolcke, die das land bedecket, du vnd dein heer vnd das grosse volck mit dir
So spricht Gott der HErr zu der zeit wirds dir ein̂fallen vnd wirsts bose ym synn haben vnd gedencken, Jch wil das vnbewaret land vber fallen, vnd vber die komen̂ so sicher vnd on̂ sorge won̂en̂, als die alle on maüren da sitzen vnd haben weder rigel noch thor, auff das du raǔben vnd
plundern mügest vnd dein̂e hand lassen gehen vber die verstoreten, so widder bracht sin̂d vnd vber das volck, so aus den heiden zu samen gerafft [Bl. 40a] ist vnd sich ynn die narung gericht vnd kaǔm gesetzt hat, vnd mitten ym
lande won̂et
Das Reich Arabia, Dedan Vnd die kaǔffleute auff dem meer, vnd alle
gewaltigen die da selbs sind, werden zu
[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 228b
[ 1 aǔs vielen volckern rh;
aǔs steht über 〈von〉 2 alle o zu
sicher am Rande die dann wieder durchgestrichene Bemerkung: a facie gladij p̱secutoris, pacis Ec̄ce ... [drei unlesbare
Buchstaben] Maho[m]et 3 Wie c aus wie 4 vnd wirst sein̂ o 5 die steht über 〈wirstu〉 bedecket c aus bedecken 6 das o grosse c aus gros 8 Gott der steht über
〈der HERR,〉 9 wirds c aus ?; wirds 〈d..〉 9/10 dir —haben zu dieser
Zeile am Rande, aber durchgestrichen: Turca 11 vnbewaret c aus vnbeward 12
ursprünglich komen̂ vber die so 〈sich〉 13 alle o 14 haben rh weder steht über 〈on〉 noch steht über 〈vnd on〉 19 ist steht über 〈sin̂d) 23 Das steht über 〈Seba〉 23/24 Das —kauffleute zu
dieser Zeile am Rande, aber durchgestrichen: Arabia te n 24 meer 〈werden〉 24/25 gewaltigen die steht
über 〈die reich [c aus reiche]〉]
[Seite 229a]
dir sagen, Jch meine ia du seyest recht komen, zu raǔben, vnd hast Deine haüffen versamlet zu plündern, auff das du weg nemest, silber vnd gold vnd samlest vieh vnd gǔter, vnd
grossen raub treibest
Darumb so weissage du menschen kind vnd sprich zu Gog So spricht Gott der HERR Jsts nicht also? das du wirst mercken, wenn mein volck Jsrael sicher wonen wird, So wirstu komen aus deinem ort nemlich von den enden gegen Mitternacht, du vnd gros volck mit dir, alle zǔ
rossen ein grosser haǔffe vnd ein
mechtiges heer Vnd wirst eraǔff
zihen vber mein volck Jsrael wie eine
wolcke, die das lan̂d bedecket, Du wirst sein,
ynn den letzten tagen, Jch wil dich
aber darumb erzubringen ynn mein lan̂d, auff das die heiden mich erkennen, wie ich an̂ dir, O Gog, geheiliget werde fur yhren aǔgen [Bl. 40b] So
spricht Gott der HERR, Dü bists, von dem
ich gesagt habe ynn den vorigen
tagen, durch meine diener die propheten
ynn Jsrael, die zur selbigen zeiten
weissagten, das ich dich vber sie
komen lassen wolt
¶ Vnd es wird geschehen, zur zeit, wenn Gog komen wird vber das land
[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 229b
[ 2 Deine steht über 〈deinen und noch ein unlesbarer Buchstabe〉 5 gǔter 〈zu [durchgestrichen] zu raube〉 6 zu diesem Abschnitt am
Rande: dü bist der rechte keiser 9 Gott der steht über 〈der HErr〉 HERR 〈Zebaoth〉 13 enden 〈der〉 14 alle zǔ steht über 〈auff〉 rossen 〈reitend〉 15 ein (2.) o 17 die steht
über 〈vnd wirst〉 18 bedecket c aus bedecken 20 darumb o ynn mein lan̂d rh 21 die steht über 〈alle〉 heiden 〈erfaren〉 24 Gott der steht über 〈der HErr〉 30 ¶ rh es 〈sol〉 wird rh]
[Seite 230a]
Jsrael, spricht Gott der HERR wird er aüff zihen mein zorn ynn meinem grim Vnd ich rede solchs ynn meinem eyuer vnd ym feǔr meines zorn̂s, Denn zür selbigen zeit, wird gros zittern sein ym lande Jsrael das fur meinem angesicht, zittern sollen, die fissch ym meer, die vögel vnter dem himel das viehe aüff dem felde, vnd alles was sich regt vnd wegt auff dem lande, vnd alle menschen, so auff der erden sind Vnd sollen die berge vmbgekeret werden, vnd die wende fallen, vnd alle maüren zu boden fallen
Jch wil aber vber yhn ruffen, dem schwerd aǔff allen meinen bergen,
spricht Gott der HErr, das eins iglichen
schwerd sol widder den andern sein̂, Vnd ich wil [Bl. 14 a] yhn richten mit
pestilentz vnd blǔt Vnd ich wil
regen lassen, platz regen mit schlossen,
feur vnd schwefel, vber yhn vnd sein
heer vnd vber das grosse volck, das
mit yhm ist, Also wil ich denn
herrlich, heilig vnd bekand werden für
vielen heiden, das sie erfaren sollen,
das ich Gott sey
[Das XXXVIII Capitel Hesechiel.] 230b
[ 1 Gott der steht über 〈der HErr〉 wird steht über 〈sol〉 2/3 er — ynn zu dieser Zeile
am Rande: .s. p̱ istum Gog. 3 Vnd steht über 〈Denn〉 5 zittern steht über 〈beben〉 7 zittern steht über 〈beben〉 12 die steht über 〈alle〉 13 werden o vnd 〈alle〉 wende steht über 〈maüren〉 15 〈Vnd〉 Jch; Jch c aus ich wil aber o dem steht über 〈das〉 17 Gott der HErr steht über 〈der HErr HERR〉 17/18 das — sein̂, zu diesem Abschnitt am Rande: süo gladio corruet 17 schwerd 〈wird〉 18 sol rh widder u 19 richten 〈lassen〉 20 wil 〈vb〉 21 mit 〈hagel stein〉 schlossen, 〈blitzen〉 24 Also 〈de〉 27 Gott steht über 〈der HERR〉]
[Seite 226b]
[Bl. B 1]
[Seite 226b] [Cap 38] 226a
Und das Gottes wort geschach zu mir und sprach: Du menschen kind, wende dich gegen Gog, der aus dem lande Magog ist und ein furst aus den herren ynn Mesech und Thubala, und weissage von yhm und sprich: So spricht Gott der HErr: Sihe, ich wil an dich, Gog, der du
[Seite 227b]
[Cap 38] 227a
ein furst bist aus den herren ynn Mesech und Thubal, sihe, ich wil dich heruemb lencken und wil einen zaum ynn dein maul legen und wil dich eraus komen lassen mit alle deinem heer, ros und man, die alle wol geputzt, sind, ein grossen hauffen mit spies und schild und alle das schwerd fueren, Denn es sind bey dir Persena, Moren und aus Lybia, die haben alle schild und helmen, Dazu Gomerb und sein heer sampt dem hause Thogarmac, so gegen mitternacht ligt, mit all seinem heer, Ja, es ist ein gros volck bey dir.
Wolan, ruste dich wol, du und alle deine hauffen, so bey dir sind, und sey du yhr hueter, Auff das du lange hernach heimsuchest und nach viel
vergangenen iaren komest ynn das
land, das vom schwerd widder bracht und
aus vielen voelckern zu samen komen
ist, nemlich auff die berge Jsrael,
welche stets wueste gewest sind und nu
ausgefuret
[ 18 yhr hueter] jr * hueter; und
dementsprechend ein Stern auch bei der Glosse am Rande B]
[Seite 228b]
[Cap 38] 228a
aus vielen voelckern und alle sicher wonen.
Du wirst erauff zihen, wie ein
ungestuem wirstu komen und wirst
sein wie eine wolcke, die das land
bedecket, du und dein heer und das gros
volck mit dir.
So spricht Gott der HErr: zu der zeit wirds dir einfallen und wirsts boese ym synn haben und gedencken: ich wil das unbewaret land uber fallen und uber die komen, so sicher und on sorge wonen, als die alle on mauren da sitzen und haben wedder rigel noch thor, auff das du rauben und plundern muegest und deine hand lassen gehen uber die verstoereten, so widder bracht sind, und uber das volck, so aus den Heiden zu samen gerafft ist, und sich ynn die narung gericht und kaum gesetzt hat und mitten ym lande wonet.
Das Reich Arabia, Dedana und die kauffleute auff dem meer und alle gewaltigen, die da selbst sind, werden
[Seite 229b]
[Cap 38] 229a
zu dir sagen: Jch meine ja, du
seiest rechtb komena zu rauben und
hast deine hauffen versamlet zu
plundern, auff das du weg nemest silber
und gold und samlest vihe und gueter
und grossen raub treibest.
Daruemb so weissage, du menschen kind, und sprich zu Gog: So spricht Got der HErr: ists nicht also, das du wirst mercken, wenn mein volck Jsrael sicher wonen wird, so wirstu ko-[Bl. B ij]men aus deinem ort, nemlich von den enden gegen mitternacht, du und gros volck mit dir, alle zu rosse, ein grosser hauffe und ein
mechtiges heer, und wirst erauff zihen
uber mein volck Jsrael wie eine wolcke,
die das land bedeckt, Du wirst sein
ynn den letzten tagen, Jch wil dich aber daruemb erzubringen ynn mein land, auff das die Heiden mich erkennen, wie ich an dir, O Gog, geheiliget werde fuer yhren augen.
So spricht Gott der Herr: du bists, von dem ich gesagt habe ynn den vorigen tagen durch meine diener, die Propheten ynn Jsrael, die zur selbigen zeit weissagten, das ich dich uber sie komen lassen wolt.
Und es wird geschehen zur zeit, wenn Gog komen wird uber das land
[Seite 230b]
[Cap 38] 230a
Jsrael, spricht Gott der HErr,
wird erauff ziehen mein zorna ynn
meinem grim, Und ich rede solchs ynn
meinem eyver und ym feur meines
zorns, Denn zur selbigen zeit wird
gros zittern sein ym lande Jsrael, das
fur meinem angesicht zittern sollen
die fisch ym meer, die vogel unter
dem himel, das vihe auff dem felde und alles, was sich regt und wegt auff dem landeb, und alle menschen, so auff der erden sind, und sollen die berge umbgekert und die wende fallen und alle mauren zu boden fallen.
Jch wil aber uber yhn ruffen dem schwerdc auff alle meinen bergen,
spricht Gott der HErr, das eins iglichen
schwerd sol widder den andern sein, Und
ich wil yhn richten mit pestilentz und
blut und wil regen lassen platz regen
mit schlossen, feur und schweffel uber
yhn und sein heer und uber das
grosse volck, das mit yhm ist, Also wil
ich denn herrlich, heilig und bekand
werden fur vielen heiden, das sie
erfaren sollen, das ich Gott sey.
[Seite 231a]
XXXIX
1530
[Seite 230b] [Das XXXIX. Capitel.] 231b
Vnd du menschen kind, Weissage widder Gog, vnd sprich, Also spricht Got der HERR, Sihe, ich wil an dich Gog, der dǔ ein furst bist
aus den Herrn ynn Mesech und Thubal Sihe, ich wil dich herum len̂cken vnd locken vnd aus den enden von Mitternacht bringen und auff die berge Jsrael komen lassen, Vnd wil dir den bogen aus deiner lin̂cken hand schlahen̂, vnd deine pfeile aus deiner rechten han̂d werffen Auff den bergen Jsrael soltu niddergelegt werden, dü mit alle deinem heer, vnd mit dem volck das bey dir ist, Jch wil dich den vogeln wo sie her fliegen, vnd den thieren auff dem felde zü fressen geben, dǔ solt auff dem felde dar nidder ligen, Denn ich Gott der HErr, habs gesagt
[Bl. 41 b] Vnd ich wil feǔr
werffen vber Magog, vnd vber die so ynn
den Jnsulen sicher wonen, Vnd sollens
erfaren, das ich Gott bin, Denn ich
wil meinen heiligen namen künd
machen vnter meinem volck Jsrael, Und
wil
[ 4/5 wil an dich steht über 〈rede von dir〉 4/6 Sihe — Thubal zu diesem
Abschnitt am Rande: ./· occupat regiones imp̱ij Romani [teilweise
durchgestrichen] 7 L. übersetzte zuerst: herumb lencken, strich es dann durch
und schrieb darüber: hin richten, strich es dann auch und korrigierte am Rande
wieder: herumb len̂cken. 8 L. übersetzte zuerst: füren, fügte dann über der Zeile wil dich
ein, strich dann beides und korrigierte: reitzen, strich endlich auch dieses
und korrigierte: locken. 12 han̂d steht über 〈hand〉 14 niddergelegt steht über 〈gefellet〉 dü o 16 Jch steht über 〈Vnd ich〉 17 wo sie her fliegen steht
über 〈vnd fliegen〉 18 dü c aus da 19 solt c aus soltu dar o ligen steht
über 〈gelegt werden〉 21 werffen steht über 〈senden〉]
[Seite 232a]
[Das XXXIX. Capitel.] 232b
meinen heiligen namen nicht lenger schen̂den lassen sondern die heiden sollen erfaren, das ich Gott bin̂, der heilige ynn Jsrael, Sihe, Es ist schon komen vnd geschehen spricht Gott der HErr, Das ist der tag daǔon ich
geredt habe
Vnd die burger ynn stedten Jsrael, werden er ausgehen vnd feür machen vnd ver brennen die waffen, schild,
spies, bogen, pfeil, stecken vnd
stangen, Vnd werden sieben iar lang,
feǔr werck damit halten, Das sie
nicht durfen holtz auff dem felde holen,
noch ym walde hawen, sondern von den
woffen werden sie feǔr halten, Vnd sollen rauben, von denen sie beraübt sind, vnd plundern, von denen sie geplundert sin̂d, Spricht Gott der HErr,
Vnd sol zu der zeit geschehen, da wil ich Gog eine stet geben zum
begrebnis ynn Jsrael, nemlich, das thal,
[ 1/2 lenger 〈so〉 schen̂den steht über 〈mehr entheiligen〉 sondern steht über 〈Vnd〉 9 er o 10 vnd 〈brennen vnd〉 Dazu auch am Rande durchgestrichen:
antzunden ver o 11 pfeil 〈vnd hand [o] stecken〉 stecken rh
13 damit 〈mach〉 15 woffen 〈so〉 16 sollen 〈also〉 17 rauben 〈d〉 21 geben o 21/22 stet — nemlich zu dieser Zeile am
Rande, durchgestrichen: Er sol nicht daheimen sterben 22 Nach nemlich fuhr L.
zuerst fort: das geben̂ete [?] thal, gegen morgen [dazu über der Zeile: werts]
am meer, welchs das gen̂ger thal [dazu am Rande, durchgestrichen: gen̂ger ./· homo [?] q̱ hic [t]ransiuit pedib9 [p̱ditus?]], strich dann alles und
schrieb: am meer gegen morgen werts, welchs thal die gen̂ger beschleüsst [dazu unten:
tāta ē q;i ip̄i fueri[nt] — die letzten drei Wörter durchgestrichen —
so weit ist so viel yhr ist], strich dann auch dies und schrieb: [Bl. 42 a]
thal ist verschlossen da die ban wendet, [darüber durchgestrichen: enge finit],
strich dies wieder und schrieb: Da selbst sollen sie Gog begraben vnd alle
seine menge vnd sol heissen, Das thal der menge Gog, Es sol sie aber das
haǔs Jsrael begraben, auff das sie das land reinigen, sieben monden lang,
Vnd alles volck ym lande, sol sie begraben, Vnd dieser tag meiner herrlickeit,
sol gerumet werden [dazu am Rande: yhn ein ehr — Rest vom Buchbinder
abgeschnitten] Spricht Got der HERR
Vnd sie werden tegliche [rh] leute
aǔssondern, die ym lande vmbzihen vnd werden mit den selbigen
Vnd die leute werden teglich [rh] die
genger absondern ym lande, vnd die genger begraben sampt allen̂ die noch [o] vbrig da ligen
[da ligen steht über 〈sind〉] auff dem lande [auff dem lande rh], das sie es
reinigen, nach sieben monden werden sie forschen Vnd die genger werden ym lande
vmbzihen Vnd wenn einer eins menschen beyn sihet wird er ein mal da
auffrichten, bis das 〈mans〉 die todten greber [die —greber rh] begrebet [ist von der
Konstruktion mit dem Subjekt ‘man’ her unkorrigiert stehen geblieben] ym thal
der menge Gog, Vnd die stad sol heissen Hamona (Mengestad.) vnd werden also das
land rein̂igen.
All dies strich L. aber wieder. 22/236, 1 thal —morgen dazu am Rande, durch
gestrichen: circa sodomam]
[Seite 233a]
[Das XXXIX. Capitel.] 233b
da man gehet am meer gegen morgen, Also das man daselbst nicht mehr gehen wird, weil man daselbst Gog mit seiner men̂ge begraben hat, vnd sol heissen Gogsmengethal, Es wird sie aber das haǔs Jsrael begraben, sieben monden lan̂g, damit das lan̂d [Bl. 42b] gereinigt werde, Ja alles volck ym lande wird an yhn zu begraben haben, Vnd werden rhǔm daǔon haben, das ich des tages meine
herrligkeit erzeigt habe, spricht Gott
der HERR
[ 2 daselbst 〈fort hin o〉 3 wird steht über 〈muge〉 man o 4 seiner c aus seinem men̂ge steht über 〈hauffen〉 5 L. übersetzte zuerst:
Gogshaǔffenthal, dann: Gogsmen̂gethal, strich dies, stellte aber am
Rande diese Übersetzung wieder her: Gogsmengethal. wird steht über 〈sol yhn〉 8 Ja 〈d〉 10 werden c aus wird; werden 〈yhnen ein〉]
[Seite 234a]
[Das XXXIX. Capitel.] 234b
Vnd sie werden leute aüsson̂dern, die stetts ym lande vmbher gehen Vnd mit den selbigen, die todten greber zu begraben die vbrigen aüff dem lande, auff das es gereiniget werde, Nach sieben monden, werden sie forschen, Vnd die so ym lande vmbhergehen vnd ettwa eins menschen beyn̂ sehen, werden dabey ein mal auff richten, bis es die todten greber auch ynn Gogsmen̂gethal begraben, So sol auch die stad heissen Hamona Also werden sie das land rein̂igen
Nu dü menschen kind, So spricht Gott der HERR, sage den vogeln wo her sie fliegen vnd allen thieren aüff dem felde, Samlet eǔch vnd kompt
her, findet euch allenthalben zu hauffe
zu meinem schlacht opffer, das ich
euch schlachte ein gros schlacht opffer
auff den bergen Jsrael, vnd fresset
fleisch vnd saǔfft blut fleisch der
starcken solt yhr fressen vnd blut der
fursten auff erden solt yhr
saǔffen, der widder der hemel, der
bocke, der ochsen, die allzǔmal
[Bl. 43a] feyst vnd wolgemestet
[ 2 stetts o 3 todten greber steht über
〈so da begraben〉 3/4 zu begraben rh 4 die steht über 〈der〉 6 Zu forschen am Rande: s. [=
scilicet] an vspiā aliq̱s restet 8 menschen 〈knochen〉 beyn̂ rh werden 〈sie〉 12 〈Mengestad〉 r 15 sage c aus sagen den steht über 〈allen〉 15/16 wo her sie fliegen rh 18
L. übersetzte zuerst kompt, dann laufft, dann fügt euch, endlich findet euch.
19 opffer dazu am Rande, durchgestrichen: quō sepeliūt si
deuorāt ? scz interim q℘ sepeliunt, deuorāt et nunc
[?] euch 〈opffer〉 20 schlachte rh 21 den steht
über 〈meinen〉 23 fressen c aus essen 23/24 auff erden rh 26 allzumal
Am Fuße der Seite von Veit Dietrichs Hand: feist und wolgemestet 〈fett [?]〉 feyst]
[Seite 235a]
[Das XXXIX. Capitel.] 235b
sind, Vnd sollt das fette fressen, das yhr vol werdet, vnd das blut sauffen, das yhr truncken werdet, von mein̂em schlacht opffer, das ich euch schlachte, Setigt euch nü vber meinem tisch von rossen vnd reǔtern von starcken vnd allerley kriegsleuten, Spricht Gott der HERR
Vnd ich wil meine herrligkeit
vnter die heiden bringen das alle
heiden sehen sollen, mein vrteil, das
ich hab gehen lassen, vnd meine hand,
die ich an sie gelegt habe Vnd also das
haus Jsrael erfare, das ich der HERR
yhr Gott bin von dem tage, vnd
hinfurder Vnd auch alle heiden erfaren,
wie das haüs Jsrael vmb seiner missethat
willen sey weg gefuret, Vnd das sie sich
an mir versündigt hatten Darümb
habe ich mein angesicht von yhn verborgen, Vnd habe sie vbergeben ynn die hende yhrer widdersacher, das sie allzümal dǔrchs schwerd fallen musten, Jch hab yhn gethan, wie yhr sünde vnd
vbertretten verdienet haben, vnd also
mein angesicht von yhn verborgen
[Bl. 43b] ¶ Darumb so spricht Got der HERR · Nǔ wil ich die gefengnis Jacob widder bringen, vnd mich des gantzen hauses Jsrael erbarmen̂, vnd vmb meinen heiligen namen eyǔern, Sie aber werden yhre schmach vnd yhr sunde, damit sie sich an mir versundigt haben, tragen, wenn sie nǔr sicher
[ 1 L. übersetzte zuerst: das fette
essen, dann: fressen, was fett, endlich: das fette fressen 3 mein̂em steht über 〈dem〉 4 schlachte steht über 〈opffer〉; schlachte 〈Vnd sollt vol werden〉 5 nü vber steht über 〈von〉 17 Jsrael 〈sey〉 18 das steht über 〈weil〉 19 Darümb o 21 vbergeben c aus
gegeben 35 nǔr rh]
[Seite 236a]
[Das XXXIX. Capitel.] 236b
ynn yhrem lande wonen mugen, das sie niemand schrecke, vnd ich sie widder aus den volckern bracht vnd aus den landen yhrer feinde versamlet habe, vnd ich ynn yhnen geheiliget worden bin fur den augen vieler heiden, Also werden sie erfaren, das ich der HERR yhr Gott bin, der ich sie habe lassen vnter die heiden weg1 furen, vnd
widderumb ynn yhr land versamlet, vnd nicht einen von yhnen dort gelassen habe, Vnd wil mein angesicht nicht mehr von yhn verbergen, Denn ich hab meinen geist vber das haus Jsrael ausgegossen, Spricht Gott der HErr
[ 10 vnd 〈hab〉 11 yhnen c aus yhn]
[Seite 231b]
1530
[Seite 231b] [xxxix] 231a
Und du, menschen kind, weissage widder Gog und sprich: Also spricht Gott der HERR: Sihe, ich wil an dich, Gog, der du ein fuerst bist aus den herrn ynn Mesech und Thubal, Sihe, ich wil dich heruemb lencken und locken und aus den enden von mitternacht bringen und auff die berge Jsrael komen lassen, Und wil dir den bogen aus deiner lincken hand schlahen und deine pfeile aus deiner rechten hand werffen, Auff den bergen Jsrael soltu nidder gelegt werden, du mit alle deinem heer und mit dem volck, das bey dir ist, ich wil dich den vogeln, wo her sie fligen, und den thieren auff dem felde zufressen geben, du solt auff dem felde darnidder ligen, Denn ich, Gott der HERR, habs gesagt.
Und ich wil feur werffen uber Magog und uber die, so ynn den Jnsulen sicher wonena, [Bl. B iij] und sollens erfaren, das ich Gott bin, Denn ich wil meinen heiligen namen kund machen unter meinem volck Jsrael und
[ 12 pfeile] pfleile A]
[Seite 232b]
[xxxix] 232a
wil meinen heiligen namen nicht lenger schenden lassen, sondern die heiden
sollen erfaren, das ich Gott bin, der
heilige ynn Jsrael, Sihe, es ist schon
komen und geschehen, spricht Got der
HERRE, Das ist der tag, davon ich gered
habe.
Und die burger ynn stedten Jsrael werden eraus gehen und feur machen und verbrennen die waffen, schild,
spies, bogen, pfeil, stecken und stangen,
und werden sieben iar lang feurwerck
damit halten, das sie nicht duerffen
holtz auff dem felde holen noch ym
walde hawen, sondern von den waffen
werden sie feur halten und sollen
rauben, von denen sie beraubet sind, und
plundern, von denen sie geplundert sind,
spricht Gott der HERR.
Und sol zu der zeit geschehen, da wil ich Gog eine stet geben zum
begrebnis yn Jsrael, nemlich das thal,
[ 11 pfeil] pfleil A]
[Seite 233b]
[xxxix] 233a
da man gehet am meer gegen morgen, also das man daselbst nicht mehr gehen wird, weil man daselbst Gog mit seiner menge begraben hat, Und sol heissen Gogshauffenthala, Es wird sie aber das haus Jsrael begraben, sieben monden lang, damit das land gereiniget werde, Ja alles volck ym lande wird an yhn zu begraben haben, und werden rhum davon haben, das ich des tages meine herrligkeit erzeiget habe, spricht Gott der HERR.
[Seite 234b]
[xxxix] 234a
Und sie werden leute aussondern, die stets ym lande umbher gehen, und mit den selbigen die todten greber, zu begraben die ubrigen auff dem land, auff das es gereiniget werde, Nach sieben monden werden sie forschena, Und die, so ym lande umbher gehen, und etwa eines menschen bein sehen, werden da bey ein mal auff richten, bis es die todten greber auch ynn Gogshauffenthal begraben, So sol auch die stat heissen Hamonab, Also werden sie das land reinigen.
Nu, du menschen kind, So spricht Gott der HErr: Sage allen vogeln, wo her sie fliegen, und allen thieren auff dem felde: Samlet euch und kompt her, findet euch allenthalben zu hauffe, zu meinem schlacht opffer, das ich euch schlachte, ein gros
schlacht opffer auff den bergen Jsrael,
und fresset fleisch und saufft blut,
fleisch der starcken solt yhr fressen
und blut der fursten auff erden solt yhr
sauffen, der widder, der hemel, der
bocke, der ochsen, die alzumal feist und
wol gemestet
[Seite 235b]
[xxxix] 235a
sind, Und solt das fette fressen, das yhr vol werdet, und das blut sauffen, das yhr truncken werdet von dem schlachtopffer, das ich euch schlachte, Settigt euch nu uber meinen tisch, von rossen und reutern, von starcken und allerley kriegs leuten, Spricht Gott der HErr.
Und ich wil meine herrligkeit
unter die heiden bringen, das alle
heiden sehen sollen mein urteil, das ich
habe gehen lassen, und mei-[Bl. B 4] ne
hand, die ich an sie geleget habe, und
also das haus Jsrael erfare, das ich
der HERR yhr Got bin, von dem tage und hinfurder, Und auch alle heiden erfaren, wie das haus Jsrael umb seiner missethat willena sey weg
gefueret und das sie sich an mir
versundiget hatten, Daruemb habe
ich mein angesicht von yhn verborgen
und habe sie ubergeben ynn die hende
yhrer widdersacher, das sie alzumal
durchs schwerd fallen musten, Jch habe
yhn gethan, wie yhr sunde und
ubertretten verdienet haben, und also
mein angesicht von yhn verborgen.
Daruemb so spricht Gott der HErr: Nu wil ich die gefengnis Jacob widder bringen und mich des gantzen hauses Jsrael erbarmen und umb meinen heiligen namen eyvern, Sie aber werden yhre schmach und yhr sunde, damit sie sich an mir versundigt haben, gerne tragen, wenn sie nur sicher yn
[Seite 236b]
[xxxix] 236a
yhrem lande wonen muegen, das sie niemand schrecke, Und ich sie widder aus den voelckern bracht und aus den landen yhrer feinde versamlet habe und ich ynn yhnen geheiliget worden bin fur den augen vieler heiden, Also werden sie erfaren, das ich der HERR yhr Gott bin, der ich sie habe lassen unter die heiden weg fueren und
widderuemb ynn yhr land versamlen
und nicht einen von yhnen dort gelassen habe, und wil mein angesicht nicht mehr von yhn verbergen, Denn ich habe meinen geist uber das haus Jsrael ausgegossen, spricht Gott der HErre.
[ 3 bracht] gebracht B]
[Seite 237]
[Einleitung]
[Seite 237]
[Erster Abschnitt]
Am Morgen des
[Seite 238]
an den Ulmer Stadtarzt Wolfgang
Richard1, datiert: Augsburg
Den Originaldruck hat Hans Luft in
Wittenberg hergestellt. Er war wohl schon Ende Mai fertig. Am 2. Juni schickt
ihn Wittenberger Stadtschreiber Urban Balduin an seinen Zwickauer Kollegen
Stephan Roth und rechnet dabei mit der Möglichkeit, daß dieser “solch exemplar”
schon “vorhin” d. h. mit einer früheren Büchersendung von ihm oder auch von
anderer Seite bekommen haben könnte.3 Sehr bald darauf lieferte Josef Klug in
Wittenberg einen Nachdruck. Am 7. Juli bittet Josef Levin Metzsch auf Mylau4
Roth in Zwickau, ihm ein weiteres Exemplar der “vormanung Doctor Martinj
Luthers an dj bischoff auff dem Reichstage iczunder versamleth” aus seinem
Vorrat von aus Wittenberg bezogenen Büchern zu schicken, fügt aber hinzu: “vnd
das es ein fein rein Exemplar vnd nicht auff grob aber seher schwarczs papir
gedruckt sey, vnd das Es des ersten druckes, wj Jr mir zcuuor auch eines
geschickt”.5 Offenbar will Metzsch von den Klugschen Nachdrucken nichts wissen.
Wir geben im folgenden den Luftschen
Originaldruck wieder und stellen ihm Luthers Manuskript gegenüber, das sich in
der Dresdener Handschrift6 A 155, Bl. 1 –40 erhalten hat.7
Ausgaben.
A “Vermanūg || an die geistlichen
|| versamlet auff dem || Reichstag zu Augs- || burg, Anno. 1530. || Mart.
Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini
Iudices terræ. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 36 Blätter in
Quart, die zwei letzten Blätter leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg, ||
durch Hans Lufft. || MDXXX. ||”
Einige Exemplare wie z. B. Knaakesche
Slg. 1530, 31, D haben Bl. H 3a letzte Zeile von unten den Druckfehler:
“vnzelih”.
Vorhanden: Knaakesche Slg. (das eine
der beiden Exemplare trägt die handschriftliche Widmung: Croto patruo suo longe
charissimo; über Crotus Rubianus vgl. Enders 9, 112f.3); Arnstadt, Berlin
(Luth. 5721), Breslau U., Dresden, Erfurt Martinsstift, München U., Nürnberg
GM. u. St., Stuttgart, Wernigerode, Wittenberg, Wolfenbüttel; Zürich St.;
London. — Erl. Ausg.2 24, S. 356, *a.
B “Vermanūg || an die geistlichen
|| versamlet auff dem || Reichstag zu Augs- || burg, Anno. 1530. || Mart.
Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini
Iudices terræ. ||” Mit derselben Titeleinfassung wie A, Titelrückseite leer. 28
Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittenberg, || durch
Joseph klug. || M. D. XXX. ||”
[Seite 239]
In einigen Exemplaren ist die erste
Zeile von Blatt C 4a, beginnend, “teglichen brauch ...” als letze Zeile auf
Blatt C 3b hinübergesetzt.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt,
Berlin (Luth. 5722 und 5722a), Heidelberg, Wernigerode, Wittbrietzen
Kirchenbibl., Wittenberg, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 2 24, 356, *b.
C “Vermanung an die geystlichen ||
versam̄let auff
dem Reichstag zů Augspurg, || Anno M. D. XXX. | Mart. Luther. ||
Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite. Erudimini Judices terre.
||” Titelrückseite leer. 30 Blätter in Quart.
Druck aus Basel oder Zürich. —
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Luth. 5730). — Erl. Ausg. 2 24, 357, *e.
D “Vermanūg || an die geistlichen
|| versamlet auff dem Reichß-|| tag zů Augspurg. || Anno. 1530. || Mart.
Luther. || Wittemberg. || Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini
Judices terre. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in
Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zů Nuermberg bey || Georg
Wachter. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt,
Berlin (Luth. 5726), Dresden, Greifswald, Heidelberg, München U., Nürnberg St.,
Stuttgart, Wittenberg; London. — Erl. Ausg. 2 24, 357, *c.
E “Vermanūg || an die geistlichen
versam-|| let auff dem Reichstag zu Augs-|| burg, Anno. 1530. || Mart. Luther.
|| Psal. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini Judices terrae. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, letzte Seite
leer.
Druck von Adam Dyon in Breslau. —
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Danzig, Königsberg U., München U.; London. — Fehlt
Erl. Ausg.
F “Verm̃anūg an die
geist-||lichen versamlet auff || dem Reichßtag zů || Augsburg. || Anno
1530. || Mart. Luther. || Wittenberg. || Psal. 2. || Et nunc reges intelligite,
|| Erudimini iudices terræ. ||” Titelrückseite leer. 26 Blätter in Quart,
letzte Seite leer.
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg. —
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt, Berlin (Luth. 5728), Dresden, Heidelberg,
Nürnberg St., Stuttgart (in einem zweiten Exemplar a. d. Titel: Vermanūg
...), Wittenberg; Zürich St.; London. — Erl. Ausg. 2 24, 357, *d.
Die Exemplare sind im titel und im
Bogen f identisch, in Bogen a –e sind dagegen einzelne Seiten neu gesetzt (die
Zeileneinteilung ist genau eingehalten), andere durchkorrigiert. Wir bezeichnen
den älteren Satz als F1 (vorhanden z. B. Kn. 1530, 31 C) den jüngeren mit F2
(z. B. Kn. 1530, 11 C). Möglicherweise sind einzelne Exemplare aus älteren und
jüngeren Abzügen gemischt. Für die Priorität von F1 spricht deutlich die nähere
Übereinstimmung in Text- und Formvarianten mit A, vgl. die Lesarten.
Als Kennzeichen für F2 sei hier
angeführt: [Tabelle: ] [Tabelle: ]
[Seite 240]
G “Vermanung an die || geystlichen
versamlet vffdem || Richstag zů Augßburg. || M. D. XXX. || Mart. Luther.
|| Wittemberg· || Psalmo .2. || Et nunc reges intelligite, || Erudimini iudices
terrae, ||” Titelrückseite leer. 22 Blätter in Quart, letzte Seite leer.
Schweizer Druck (Zürich?). — Vorhanden:
Knaakesche Slg.; Basel U. — Fehlt Erl. Ausg.
H “Vermanūg || an die geistlichen
|| versamlet auff dem Reichs-|| tag zu Augsburg, Anno || 1531. || Marti.
Luther. || Wittemberg. || Psalm. 2. || Et nunc Reges intelligite, || Erudimini
Iudices terræ. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 28 Blätter in
Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “GedrucKt zu Wittemberg, || durch Joseph
klug. || M. D. XXXi. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5732), Dresden, Heidelberg, Stuttgart, Zwickau. — Erl. Ausg. 2 24, 357,
*f.
Niederdeutsch.
I “Vormanynge || D. Martini Luthers, ||
Vnde syner lere, eyne || Erynneringe, || An de geystliken vor-||sammelt, vp dem
Ry-||kesdage, tho || Augsborg. || M. D. XXX. || Psalmus. ij. || Et nunc Reges
intelligite. || Erudimini Judices terre. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 36 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedrücket tho Magde-||borch dorch Hans || Wolther. ||”
Vorhanden: München U., Wolfenbüttel. —
Erl. Ausg. 2 24, 357, g (nach Hülße, Gesch. der Buchdruckerkunst in Magdeburg,
in: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg 16, 94 Nr. 68).
K “Martinus Luther. || Vormanynge vnde
|| syner lere, eyne || erynneringe, || an de geystlicken vorsammelt, || vp dem
Rykesdage tho || Augsborg. || M. D. XXX. || Psalmus. ij. || Et nunc Reges
intelligite. || Erudimini Judices terre. || [Leiste mit je 3 Blättchen zur
Seite] ||” 36 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende:
“Gedrücket tho Magde-|| borch dorch Hans || Wolther. || M. D. XXX. ||”
Vorhanden: Greifswald, Wolfenbüttel;
Kopenhagen (defekt). — Erl. Ausg. 2 24, 357, h (nach Hülße Nr. 69).
Jüngere Ausgabe.
“Ein guthes sehr nützliches Buechlein
vor vielen Jaren im Drucke ausgegangen, vnd dieser zeit, von wegen allerley
seltzamer rencke vnd duecke, dardurch etliche die Goettliche Warheit zu
schwechen sich vnterstehen, wol vnd fleissig Zuuermercken, mit einem vorgehenden
dienlichen bericht, jetzund in sonderheit widerumb in Druck verfertiget, Durch
D. Johan Pfeffinger. Eme, Lege, Iudica. Leipzig. 1569.” 48 Blätter in Quart,
letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Leipzig, durch Jacobum Berwald.”
Vorhanden: Berlin (Luth. 5735),
Dresden, Heidelberg, Helmstedt, Wernigerode, Zwickau.
[Seite 241]
In den Gesamtausgaben steht unsre
Schrift: Wittenberg 7 (1554), 446a —461b; Jena 5 (1557), 114b –133a; Altenburg
5, 201 –220; Leipzig 20, 146 –165; Walch 16, 1120 –1179; Walch 2 16, 945 –992;
Erlangen 24, 329 –379; Erlangen 2 24, 356 –407.
Von den neun hochdeutschen Drucken ist
A Urdruck und unmittelbare Vorlage für B, D, E, F1 und G; C ist wie H nach B
gedruckt. Von den beiden Drucken F steht F1 dem Urdruck in Sprachform und Text
näher als F2; letzteres ist trotz der typographischen Übereinstimmung mit F1
doch wohl zum größten Teil oder völlig neu gesetzt und hat F1 als Vorlage. Wir
stellen hier die sprachlichen und orthographischen Abweichungen der Nachdrucke
zusammen.
I. B (Wittenberg) H (Wittenberg): B
bleibt A sehr nahe; nur in der Umlautsbezeichnung weicht es oft ab; H ist
nachlässig gedruckt und ändert die Umlautsformen noch gründlicher als B; wo vor
(;) nicht anders bemerkt, gelten die folgenden Formen für B und H.
I. Vokale: o > oe boesem (sinus),
oelung; groesser groessest H, ∞ horen, notig H; u > ueuml; nuetze,
kuendte, suender, fuerhanden; fuerchten, nuer, buerger, gekuendigt, gruendlich,
suenden, iuenger, Muentzer H; ∞ sunde, schuldig; hinfurt H; i > ie ziehen;
o > u sunderlich; frum H, ∞ soende (einmal) H.
II. Konsonanten: sch > s Slüssel; g,
ch und h öfter verwechselt z. B. weygen, halstarrich H; Doppelkonsonant
vereinfacht: pfar, Ban, herligkeit, Welsch, gesel H.
III. Verbum: vorgegeben > vorgeben;
du darffst > darffs H, gewuest > gewust.
IV. Formen: Habern > Hafern; Pinstag
> Pfingstag H; verdamnen > verdammen.
C (Basel oder Zürich) behält die md.
Sprache fast durchweg bei; nur die ů und ü, die häufigen ae und ganz
vereinzelte Formen weisen bestimmt nach dem Süden, ebenso die Typen, die
besonders an Wolf in Basel erinnern. Hier mit B verglichen. Der Druck hat viele
Flüchtigkeiten.
1. Vokale. 1) Umlaut e > ae Baepste,
vaetter, taeglich, aengsten, aepfel, maegde, aedern, verraeter (auch ë > ae
haell); e > a arbeiten, schatzung, arbeyt; e > oe schoepffung; o > oe
soelle, wilkoere, Abgoetterey, koennen, groesser; u > ü wie H, dazu tüchtig,
würde, stück, erfuellet, Nürmberg, fünff, buessen; ue > u buberey,
schmucken; — eu > au glauben.
2) i > e weder; u > o forcht,
foerchten, doerfft, thoerst, doppel, frommer; u > ü gestürtzt, verlüren,
sunst; i und ie geschieden (doch viel, geschwiegen, flihen).
3) h geschwunden in eelos, ∞
sehr, ehrloser.
4) Unbetonte e sind selten abgefallen:
er soell, die Koenig, die Münch, stück (Plur.); es treffen auf 44 auslautende e
in A etwa 43 in C; auch im Jnnern fehlt e selten: keins, erfolgte, vorge (>
vorige), demuetigste,
[Seite 242]
treflich (< treffelich); ∞
kame, alle andere; gesaget, zeuget, erkennet; -est > ist öfter, handeln >
handlen.
II. Konsonanten: 1) d > t hinfürter,
wirt, Deutsch, > dt schendtlich, th > t verraeter; zwangk selten >
zwang. Doppelkonsonant vereinfacht in nider, wider, weder, oder, honig, Hern,
Goetlich, bilich, groesest; ∞ vatter, vaetter, guetter, gebott, ettwas,
ettliche, tretten, frumme, wellt.
III. Vor- und Nachsilben: ge > g
gnesen, gwissen, gsagt; ung > üng (einmal), nis > nus (einmal), tyranney
> tyranni.
IV. Deklination: in diesen (<
diesem) stück, aus ewren Stiftlichen (< -em) Mammon, die grundsuppen (<
-e).
Konjugation: kam > kame, ihr habt
> habent, wirst > wirdst, verloeren > verlüren: wolle(n) > woellen,
woelle, duerfft, duerffen > doerfft, doerffen, thuerst > thoerst, muegen
> moegen, sind > seind, wuste > wüste ∞ gewust, tün (< tun)
kann auch tůn bedeuten, da ü auch für ů steht.
V. Formen: denn öfter > dann, nicht
> nit, auff > uff, zu (vor Jnf.) > ze, zuletzt > zuletst, sondern
> sonder, sintemal > sintenmal (!); selb > selbs; wantzken >
wantzen, beichtvater > beichvatter, marckt einigemale > marck, wolkenbruch
fem. > masc. (?); feylen > felen, feelen, verdamnen > verdam̄en, verleugnen >
verleucknen.
D (Nürnberg) zeigt alle charakteristischen Nürnberger
Abweichungen.
1. Vokale: e > ae taeglich, Vaeter;
jaemerlich, verrhaeter, kaese, Cardinaele; e > oe oepffel, kloeppern; e >
a arbeyt; o > oe hoenig, soendert, moerden, Abgoetterey, Abgoettin, noetig,
persoenlich, groessest, hoechst; u > ue kuendte, fuenff, pluendern, juenger,
gruentlich, drueber, huelffe, guelden, erfuelt, tuechtig, duerffte, fuerchten, Nuermberg,
fueren, Thuemisch, anrueffen; ue > u schuldig, Juden, sunde, sundigen,
entschuldigen, unschuldig; eu > au glauben, laugnen, gesaumet, saufferey,
rauber, hauptstueck.
2) i > e weder, stecken; o > u
genumen, sunst, kumen, Kuenig, Suntag, gestuertzt, ∞ forcht, vorhanden,
hinfort; o > a waffe (nicht immer); i und ie geschieden, seltener ů und
u, nicht ei und ai, ü und ue.
3) Unechtes h fällt: far, jr, mer;
muehe > mhue; dagegen weyhbischoff.
4) Unbetontes e fällt in allen Fällen
ab, auch in Pluralen, Konjunktiven, am seltensten bei beim Plural von
Adjektiven (solche, gute), Verhältnis der auslautenden e
II. Konsonanten: d > t, dt
freuntlich, entlich, grüntlich, begert, bekant, hinfuerter, jr seyt, kuent,
schwert, Teutsch, moerdtlich, kuendt; t > d poldern; b > p gepoten,
Augspurg, auffpracht, ∞ unbůßfertig; h > ch hoechst. Doppelkonsonant
vereinfacht: Got, wider, weder, oder, fodern, hoenig, gestelt, gefelt, genent,
heyls; ∞ tretten.
III. Vor- und Nachsilben: iglich >
igklich, nis > nus.
[Seite 243]
IV. Deklination: die bischove >
Bischoeff, dere (quorum) > der, von dem > vom.
Konjugation: unterscheiden (Partiz.)
> unterschiden, holffen > hulffen, koempt > kumpt, komen > kumen; o
> oe in woellen, gewoelt, gewust > gewuest.
V. Wortformen: denn > dann, ytzt
> yetz, fur > vor (mit Dat.), nicht > nit, nu > nun, sondern >
sonder, erfur > herfuer; Pfennig > Pfenning, ruge > ruhe, threnen >
trehern, Wantzken > Wantzen, Pfinstag > Pfingstag; boernen > prennen,
feylen > felen.
E (Breslau) hält sich eng an A, hat
aber viele Druckfehler, die hier nicht berücksichtigt werden.
I. Vokale: o > oe hoeren; u > ue
nuetze, Muentzer, Bruederschafft; ∞ gefullet, entschuldigung, fur (mit
Dativ), widerumb, drucken, stucken, schutzen, hurerey; e > i wider (‘weder’)
∞ weder (‘wider’); i > ie ergrieffen; u > o schold, auspotzen.
Unbetonte e bleiben meist (41 gegen 44 in A) aber z. B. new (Plural), vor
Konsonant: treibt, gefarn; -est > ist.
II. Konsonanten: d > t begert,
verterben, ∞ kunde; p > b Babst; g > k in kegen, ken; g > ch
unzeliche; -en > e oder > enn öfter. Doppelkonsonant vereinfacht: oder,
wider, weder, nider, Ban, splieter, Got, Goetlich, abgoeterey, tol, ∞
ausgerott.
III. furhanden > verhanden, lin >
lein.
IV. Konjugation: konnet > koennet.
V. Wortformen: verhanden; Ebtissin >
Ebtischin, Bettelmuench > Bettlermůnch, Wantzke > Wantze, Pfinstag
> Pfingstag, splitterrichter > spittelrichter; riesen > reisen,
verteydingt > vertedingt; uberteubet > verteubet.
F1 und F2 (Nürnberg). F2 entfernt sich
weiter von A; wo vor (;) nichts anderes bemerkt, stehen die unten
zusammengestellten Formen in beiden Abdrücken.
I. Vokale. 1) Umlaut: e > ae aeffen,
vaeter, Baepstisch, Cardinael F2, Officiael, naeme, waere, braecht; e > a
genarret, arbeyt; e > oe oepffel, o > oe moecht, soelchs, hoenig,
koennen; abgoeterey F2; schoen, oelung, hoechst, groesser, groessest; oe > o
Gotlich, kostlich, konnen, morder, horte, hochst, notig F2; u > ü, ue nütze,
für, fruem (Adj.), drueber, fürchten, bedürffen, bürger, hinfürt, gekündigt,
sünden, kündten, plündern, jüngst, tüchtig, kuessen, wüste (Verb), zur luest,
stueck, verhuelen; Luetherisch F2; ue > u schuldig, schuldigen,
entschuldigung, widerumb, wurde, gulden, kuchen, hůrerey, schmucken,
auffrucken; stucke, funfft, F2; eu > au glauben, rauberey, Widertauffer,
saufferey, verkauffen, hauptstuck, verlaugnen; drewen > droen; saur >
saür (F1 und 2).
2) e > i Schwirmer, firmlung; u >
o forcht, vorhanden, kondten, bedoerfft; o > u kumen, künig, kuennen,
gestürtzt, hulfen, verlüren, frum, Hanswůrst, thun > thon (selten); a
> o gethon; ∞ waffen (vereinzelt) F2; i > ue begreufflich, ∞
hilf; die Scheidung von ei: ai, u: ů, ü: ue, die Schreibung eü ist nicht
genau durchgeführt.
[Seite 244]
3) Unechtes h fehlt oft: yr, yn, geen,
Ee, eebruch, mer, auffrur, waal, ye.
4) Unbetontes e (i) fällt ziemlich
häufig, besonders im Jnlaut: maß, zinß (Plur.), ab, sol (Konjunkt.); gehoert,
gemeinst, habt, gefelt, betruebt, heilges; Verhältnis der auslautenden e zu
denen in A etwa 37 (F1), 35 (F2): 44; öfter ist e eingefügt: ewer, regirenn,
erwürget, machet, treffelich, Fewer; angefügt selten: ware (F2), herre Gott; es
> is, Ebtissin > Ebtissen, huerlin > huerlen; edle > edel, geordent
> geordnet.
II. Konsonanten: d > t, dt
hinfürter, deutsch, freuntlich, jr kuents, trucken, jr seyt, hinter, endtlich,
stadt, wirdt; t > d, dt bekandt, erdichtet, bereidt, seyd (latus); th > t
luterisch ∞ rath; b > p gepot, Augspurg; h > ch hoechst; g > ck
vergencklich; h eingeschoben in Weyhbischoff F2. Doppelkonsonant vereinfacht:
wider, oder, Gotlich, Abgoeterey, biten, rueteln, verhuelen, ynen; ∞ reitten.
III. Vor- und Nachsilben: ickeit >
igkeit, lin > lein (huerlen), in > en ebtissen; keuscheit > keuschheit
F2; nis > nus.
IV. Deklination: en > e in die
goetliche (divinam), die kauffmesse (Plur.); ∞ e > en die heiligen
schrifft F2, seine losen drewwort, aller Koenigen; m > n in bisschofflichen
amt; Umlaut in die Cardinele, die Officiael F2.
Konjugation: komen, kompt > kumen,
kumpt, holffen > hulffen, verloere > verluere; kunde > kondte,
kuendte, ∞ koennen > kuennen, kuendet (Jnd.) > koennet, Umlaut in
woellen, gewoelt, woeltet; soell, soellen F2; ü > oe auch moegen (mogen F2),
bedoerfft, gewust > gewist, gewuest > gewust, du darffsts > darffts
(darffs F2).
V. Wortformen: ytzt > ytz (yetz,
yetzt F2), sondern > sonder, nicht > nit, zewarten > zuwarten (zwar),
fur > vor (mit Dat.), anders > anderst, furhanden > vorhanden, dazu
> darzu, darein > darinn, fur (vor) > für; solch > soelch, selb
> selber F2, nichts > nichs F2, beide > bede F2, yederman > yderman
F2 1, niemand > nieman F2; saur > saür (F1 und 2), gemeiniglich >
gemeinglich, halstarrig > halsstarrig, schrecklich > schroecklich,
selbschuldig > selbsschuldig, unerhoert > ungehoert, Latinisch >
Lateinisch, hulffe > hilffe, bosem > bůsen, Reichstag > Reißtag
(einmal in F1, einmal in F2), marckt > marck F2, steigreiff > stegreiff,
Pfarher > Pfarrer F1, Muench > Münich, jargezeiten > jarzeiten, honig
> hoenig, ruge > rwe, pfennig > pfenning (aber pfennige), predigt >
predig, pfinstag > pfingstag, das Ablas > der A., das vortheil > der
v., Passio > Passion; feilen > felen, drewen > droen, verdamnen >
verdammen, foddern > fodern, verteidingen auch > vertedingen, geordenet
> geornet.
VI. Wortwahl: thuerst > dorfft
(nicht immer).
VII. Syntax: gegen den > g. dem,
trotz dem > tr. den.
G (Zürich?) ist fast ganz in
allemannischen Druckdialekt übersetzt; außer den charakteristischen alten
Vokalen i, u, ue, ou sei folgendes hervorgehoben:
[Seite 245]
I. Vokale. 1) Umlaut: e > ae fast im
neuhochd. Umfang: jaeger, staedte, aeltest, traehen, kaetzlin, aeffen, kaes,
jaemerlich, gnaedig, bestaetigen, dazu aber auch laeren (docere), schael,
laesen, waesen, laeben, baeer; e > oe woelich, oepffel, froemd; e > a
maiestat, schantlich, arbeit; o > oe soelich, ermoerden, getroest; u > ü
künte, gekuendigt, bürger, für, hinfürt; ue > u stuck, gulden, klunge,
schmucken, schuldig; eu > oeu toeuffen, roeumen, > ou glouben,
houptstuck.
2) e > i ich stirb, firmlung; u >
o forcht, forchten, thoerst, bedoerfft, kond; o > u umbsunst, gestürtzt,
fürt, trutzen; a > o do, gethon, domit, lossen, molen, obenthür; i > ü
sprüchwort, ungerümt; ë > ae s. oben.
3) Unechtes h bleibt oft, doch faar,
jr, Ee.
4) Unbetonte e fallen sehr oft
(Verhältnis der erhaltenen
II. Konsonanten: d > t othem,
Tüdtsch, trümmer; t > d vnder, erdichtet; th > t Luter; b meist > p
doch habt > hapt; k > ch wolchen; h > ch befelch. Doppelkonsonant
vereinfacht: wider, oder, ∞ vaetter, frumm.
III. Vor- und Nachsilben: ge > g
sehr oft gschůnden, gwaltig, gwarnet; zur > zer bizweilen, nis >
nuß, iglich > igklich.
IV. Deklination: -n angefügt in der
München, den Pfarrern; ∞ die herd (Sing.).
Konjugation: -et, -en im Plur. >
ent; treib, greiff > tryb, gryff; betrogen (Jnd.) ist als Partiz. aufgefaßt;
sterben ich > sterben ich und stirb ich; holffen > hulffen; Umlaut fehlt
in laßt, gefallt, entwandt > entwaend (Partiz.), stehen, gehen > stan,
staen, gahn; Umlaut in woellen (neben wellen), soelle; ue > oe thoerst,
doerfft, gewust > gewüst; gewest > gesin, gsin.
V. Wortformen: ytz > yetz, yetzt, zu
(vor Jnf.) > ze, dazemal, sintemal > sytemal, nicht > nit, für >
vor, zuletzt > zuleßt, weyl > dwil, die wil, denn > dann, nu > nun,
als > grad es, umb ewren willen > umb üwernt w,. dennoch > dannocht;
derhalben > derohalben, solch > solich, soelch, welch > woelch, nichts
> nüt, das > daes; greslich > groeßlich, lebend > lebendig; boes
blut > b. gebluet, die banck > der b., sprichwort > sprüchwort,
Pfarher > Pfarrer, kirche > kilche, marck > marckt, ruge > rüwe, Münch
> Münich, Lew > Loew, Pinstag > Pfingstag, Chresem > Chrysem,
Litania > Letania, Letany; feylen > faelen, verdamnen > verdammen,
ruffen > rueffen, leren > lernen, verteydingen > vertädingen
(seltener).
VI. Wortwahl: Butter > Ancken,
treudel > grempel, groschen > patzen, pfennig > rappen, 6 Pfennig >
plappart, splitter > spryssel, splitterrichter > sprissenrichter, kriegen
> uberkomen, auffrucken > uffrupffen, verhegen mißverstanden >
veriehen, fuelen ist beibehalten.
[Seite 246]
Exkurs.
Förstemann fand im Weimarer Archiv als
Anhang zu des Kanzlers Dr. Brück “Geschichte der Religionshandlungen auf dem
Reichstage zu Augsburg im Jahre 1530”, die er in seinem “Archiv für die
Geschichte der kirchlichen Reformation in ihrem gesamten Umfange” I. Band 1.
Heft (Halle 1831) herausgab, sechs verschiedene Auffätze, die er, mit A –F
bezeichnet, in seinem “Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu
Augsburg im Jahre 1530” I, Halle 1833, S. 66 –108 veröffentlichte und ohne
weiteres für die bisher vermißten Torgauer Artikel erklärte. Brieger zeigte
jedoch in seiner ausgezeichneten Abhandlung “Die Torgauer Artikel” in:
Kirchengeschichtliche Studien, Hermann Reuter zum 70. Geburtstag gewidmet2,
Leipzig 1890, S. 265 –320, daß es nicht schwer hält, “die meisten dieser
Auffätze aus dem von Förstemann vermuteten Zusammenhange zu lösen und mit
Wahrscheinlichkeit in einen anderen einzureihen” (S. 282) und daß nur de
Aufsatz A, der übrigens nicht von Luther verfaßt sein kann (S. 310), den Namen
“Torgauer Artikel” verdient. Bei seiner Beweisführung geht Brieger von dem uns
hier interessierenden Aufsatz F aus, über den er sich jedōch nur kurz
äußert (S. 282 f.). Er weist auf seine innige inhaltliche Verwandtschaft mit
unsrer “Vermahnung” hin und meint, daß “schon einzelne Wendungen, aus denen
sein publizistischer Charakter hervorgeht”, Förstemann hätten abhalten sollen,
ihn unter die “Torgauer Artikel” einzureihen. Er erklärt dann auch genauer: der
Aufsatz sei von Anfang an zur Veröffentlichung bestimmt gewesen, und verweist
dafür auf die beiden Stellen: “Von München wollen wir annder Zeit sagen” und:
“Do ist ein unnzelig geschwerm viller vngotlichen Jrthumb, daruon wir ander
Zeit schreiben wollenn”. Hier hat sich aber Brieger, um das gleich zu bemerken,
wohl nicht ganz richtig ausgedrückt. Der Aufsatz selbst war in der jetzt
vorliegenden Form kaum zur Veröffentlichung bestimmt; dazu ist er viel zu
flüchtig und formlos abgefaßt, wohl aber sollte er als Vorarbeit zu einer
Veröffentlichung, und zwar eben zu unserer “Vermahnung”, dienen.
Das genauere Verhältnis des Aufsatzes
zu der “Vermahnung” zu bestimmen, mußte Brieger damals, als die Grenzen seiner
Aufgabe überschreitend, unterlassen. Hier soll das nachgeholt werden.
Das Gerippe der Vorarbeit ist
folgendes:
“Jn der Kirchen Christi fodert man
diese nachgeschriebene Stuck . . . Do seind auch wahrhaftig . . . Jn der
Kirchen Christi seind . . . Jn der Kirchen des Papsts findet man diese Stucke .
. . Von Munchen wollen wir ander Zeit sagen . . . Dieses alles ist mit diesen
Mißbräuchen also allein in Pfarren gangen. Daruber ist noch das recht mare
magnum, was in Monchklostern, Nonnenklostern, Cartheuserklostern &c..,
Cathedralkirchen, Unterstiftkirchen mancherlei Gebet, Regeln, Statut neu
erfunden Gottesdienst gewesen. Do ist ein unzählig Geschwärm vieler ungotlichen
Jrrthumb, darvon wir ander Zeit schreiben wollen.”
Dem entspricht der Schlußabschnitt der
“Vermahnung”, dem folgende Disposition zugrunde liegt:
“Die stucke, so nottig sind ynn der
rechten Christlichen kirchen zu handeln, da wir wit umb gehen . . . Die stücke,
so ynn der gleissenden kirchen ynn vbung
[Seite 247]
vnd brauch sind gewest . . . Jch wil
hie auff horen . . . Jch hab auff dis mal nicht mehr wollen anzeigen̂ denn was allein̂ ynn den pfarkirchen ist ym
brauch gewesen . . . Solt ich aber ynn die stifft kirchen, Tümbkirchen,
official heuser, kloster vnd predigstul komen vnd darnach auff die bettel
Munch, Station̂ierer, Zuletzt vnter die Sophisten ynn den hohen schulen . . .”
Aber auch im einzelnen lassen sich die
Vorarbeit und der Schlußabschnitt der “Vermahnung” fast völlig zur Deckung
bringen. Fast alle in der “Vermahnung” aufgezählten Stücke der rechten
christlichen Kirche und der gleißenden Kirche finden sich schon in der
Vorarbiet. Nur einige wenige neue Gedanken sind neu hinzugekommen: Bei Nr. 12
zu “Heiligen dien̂st” der Zusatz: “ der ettliche nie geborn”, zu “Fasten halten” der Zusatz:
“ausgenomen die pfaffen”, ferner z. B. “S. Marx procession”, “Kirchweyh, Patron
fest”, “Haber S. Stephan”; bedeutsam ist die hinzugekommene Nr. 14: “Maria eine
gemeine Abgottin gemacht mit vnzelichen dienst, feyr, fasten, gesengen,
Antiphon &c..”, vgl. auch: “Marien gesang des abends” und: “Adüen̂t mehr marie denn Christo zu
dienst”; aus der Vorarbeit korrespondiert diesen Stellen nur: “Salve Regina und
dergleichen viel”; auch schon im Hauptteil der “Vermahnung” eifert Luther ja
gegen die Erhöhung der Maria über Christus. Ganze Komplexe von Stücken der
Papstkirche sind herübergenommen, so: “Caseln, Alben, korhembd”, und: “Kirchen,
Capellen, Altaria” usw. (Die “Altartücher” haben in den “Corporalia” ihre
Parallele; “Crucifix” ist neu hinzugekommen, desgl. “Liechter”.) Daß ab und zu
die Jdeenassoziation eine andere geworden ist, darf uns nicht wundern. Z. B.
setzt Luther bei Aufzählung der Stücke der Papstkirche in der Vorarbeit mit der
Fastenzeit ein und folgt dann zunächst dem Gange des Kirchenjahrs. Jn der
“Vermahnung” dagegen zählt er zunächst diejenigen Stücke auf, die er im
Hauptteil besprochen hat: “Ablas1, Opffer, Messen . . ., Bann . . .” Und St.
Blasius Licht begegnet in der Vorarbeit in dieser Verbindung: “S. Johannis
Evangelium an Hals hängen, Blasius Licht an Hals hängen”, in der “Vermahnung”
dagegen in folgendem: “S. Agatha liecht — S. Blasius liecht.”
Wir haben nun nur noch die Frage nach
dem Verfasser der Vorarbeit zu beantworten. Bretschneider und ihm folgend
Seidemann sehen Justus Jonas als den Verfasser an. Die Hinfälligkeit der
Beweisführung Bretschneiders hat Enders (Luthers Briefwechsel 7, 262 f. Anm. 1)
erwiesen. Aber aus einem andern Grunde könnte man zunächst doch in Jonas den
Verfasser vermuten. Es finden sich nämlich in annähernd gleichzeitigen
Schriften desselben überraschende Parallelen zu Stellen der Vorarbeit. Eine hat
Enders S. 276 Anm. 113 nachgewiesen: Sieben Zeiten, horae canonicae, von
welchen die Pfaffen selbst spottlich geredt und gesagt, sie hätten etlich
Scheffel Vesper und Metten auf Vorrath aufgeschutt etc.
man weis noch wol, wie die papisten ir
eigen winkel und papisten messe spotteten, ist gelt und presenz vorhanden
(sprachen sie), so wachsen uns die messen im leib, wie den hünern die eier.
Jtem wie sie ir eigen horas canonicas verlacheten, nicht viel gelt oder korn
habe ich (sprach einer zum andern), aber gewis retardat und ungebetete vesper
und metten habe ich etlich boden vol.2
[Seite 248]
Dazu kommt nun aber noch die folgende:
Von Munchen wollen wir ander Zeit sagen, doch ists auch vor [Er]innerung werth,
daß die Barfußer-Monche dahin die Leut uberredt, daß Ritter und Grafen sich
haben in ihren Kappen lassen begraben, dafur gehalten, wer mit der Kappen ins
Grab komme, konnt nit verloren werden. Was wurde wohl der Apostel Paulus wider
solchen schändlichen Mißbrauch gesagt haben, wenn es zu sein Zeiten geschehen?
etc.... Die Barfußer-Munch heften zwolf Paternoster-Kornlein an alle Thurmen etc.,
mit Verheißung unzähligs Ablaß etc. und Vergebung der Sunde ... /[Die Mönche
haben mit ihrer Traumheiligkeit und groben Heuchelei Christus und das
Evangelium gar unterdrückt,] bis das zu letzt die Barfussen Moenche, die
selbigen vnuerschamptesten, ergesten, verzweiuelsten heuchler vnter der Sonnen,
oeffentlich gelert haben, Wer sich jnn einer grawen Barfotten kappen begraben
lies, der kont nicht verdampt werden etc. Was wuerde wol Paulus gesagt haben,
wilcher so trewlich vmb die reinen lare von Christo gekempffet hat widder
Teuffel vnd menschen, wenn er ein solchen prediger odder lerer gehoert hette
etc., das, wenn ein Moenchs kappe eins morders, diebs odder andern sunders etc.
todten kalten stickenden leib, der kein seel jnne ist, anrueret, so sind dardurch
ausgelescht dem todten alle sunde etc. vnd sein verdamnis weggenomen etc....
Darueber so haben die Barfussen Moenche holtzern ronde kornlyn an alle thoren
gehefft etc. vnd gelert, wer etlich zoege, verdiente Gottes gnade etc.1
Während die Stelle mit den
Paternosterkörnlein an den Türen auch im Hauptteil der “Vermahnung” vorkommt,
bei Jonas also Reminiszenz daraus sein könnte, läßt sich die Übereinstimmung in
der ersten Hälfte (vgl. besonders beide Male die Wendung: “Was würde wohl
Paulus gesagt haben ...”) meiner Meinung nach nur erklären durch die Annahme,
daß Jonas hier von jener Vorarbeit abhängig ist. Damit ist aber natürlich noch
lange nicht bewiesen, daß Jonas ihr Verfasser wäre. Das Originalmanuskript oder
auch nur eine Abschrift davon kann
[Seite 249]
in seinen Besitz gelangt sein. Oder
vielleicht hat er das Schriftstück nur einmal irgendwo eingesehen und gerade
diese Stelle daraus sich gemerkt.
Dagegen spricht alles für Luther als
den Autor. An und für sich zwar wäre es gewiß nicht undenkbar, daß er eine
fremde Stoffsammlung ausgeschöpft hätte. Nun kehren ja aber in der Vermahnung
nicht nur die disiecta membra derselben wieder, sondern die Grundidee und die
Disposition! Die geringen Abweichungen aber, die sich finden, haben wir recht
gut zu erklären gewußt. Es kommt hinzu, daß solche Aufzählungen der Güter der
rechten christlichen Kirche wie zu Anfang der Vorarbeit “Luther sehr geläufig”1
waren. So werden wir denn wohl im Rechte sein, wenn wir die Vorarbeit Luther
zuweisen und in unserer Ausgabe nochmals nach der Abschrift im Weimarer Archiv
zum Abdruck bringen.2
In der kirchen Cristi fodert man diese
nachgeschribene Stuck:
Erstlich ein Rechtschaffenn predig
Ampt, do vleissig vnnd Treulich gepredigt vnnd geleret wirdet das hailig
gotlich wort nach Rainem Cristlichem verstannd ane zusatz einyger falschen
beilere.
In solcher predigt wirdt clar,
eigentlich vnnd richtig geleret vnnd dargeben, was da sey
Cristus vnnd das Euangelium,
Rechtschaffene bueß vnd forcht gottes,
Wie zuerlangen sei vergebung der sunde,
Von vermuge vnnd gewalt der schlussel
der kirchen.
Diesse Lare vnnd die gantze Suma des
Euangelij wirdt In dieser kirchen Cristi mit vleissigem waren anhalten teglich
vnnd ane vnnderlaß, baid In der gemeine vnnd bey einem Jden Cristen vor sich
getrieben durch predigen, lesen, trostenn vnnd vermanen, durch außlegen der
psalmen vnd allerlei pucher der schrifft, wie Paulus 1. Corinth. 14. [v. 26]
schreibt.
Do wirdet Recht geleret von Cristlicher
freiheit, wie die gewiessen frei seint In Cristo.
Vnnd solche Lahr zuerhalten wirdt mit
grosem ernnst vnnd hohestem vleis achtung gehabt, das Schulen für knaben vnnd
meidlich zu guter zucht der Jugennt auffgericht vnnd erhaldten werdenn.
Do sind auch die gaben der sprache
hebraijsch, kriechisch vnnd Lateinisch, vnnd thun dj bischoff vleis, damit
solch studia, so hochnottig seint, die heilig schrifft zuuerstehenn, nit
vndergehen.
[Seite 250]
Do seindt auch
Tauff,
Abentmalh Cristi,
Erkenntnus der sund vnnd gotlichs zorn,
Erkenntnus der gnade,
warhafftig Der heilig gaist mit seinen gaben,
Cristliche liebe,
vnderricht vom creutz vnd leiden1,
vnderricht von rechten guten wercken,
glaub, hoffnung,
baicht vnnd Rechtschaffenn brauch der absolution.
Rechtgeschaffen kinder zucht vnnd vnderweissung
der Jugennt Jm Catechismo, alls den zehenn gebotten, vatter vnnser, glauben,
kortzen trostlichen psalmen, Benedicite vnd gratias2, vnnd Erzellung etlicher
spruche vor der eldernn tische.
Jtem morgens, wan die kinder
auffstehen, das sie durch die eldtern vermanet werdenn, zubettenn Rechtschaffen
Ernnstlich gebet, baide offenntlich vnnd haimlich.
Cristlich Litaneien vnd gebet vor
allerlei stennde vnnd not.
Rechtgeschaffen pann, das ist, das
etlich vmb offenntlicher laster willen zunn Sacramenten nit gelassen werdenn.
In der kirchen Cristi seint
Rechtgeschaffenn gelerte bischofe vnnd
prediger, die der hailigen schrifft gewaltig seien, vnnd, wie Paulus spricht3,
gerustet vnnd geschickt zuleren, zutrosten vnnd den widersachern das maul
zustopfen.
Rechtschaffene diaconi, die sich der
armen annehmen.
Rechte, Clare, gewiß vnnd freundlich
vnderricht, was do sey die Cristliche kirche, vnnd sie sei:
Versorgung der Armen,
gemeines Castens recht bestellung,
Hospitalh,
besuchung vnnd Trostung der pfarkinder,
aller kranncken, aller klaynmuttigen, angefochtenen, betrubter vnnd bestortzter
gewissen,
Recht trostlich vnderricht an der
todsstunde fur die sterbennden,
Recht, Clar, gewiß gegrundet vnderricht
auß der schrifft: welche stende oder lebenn gotlich sein,
Von Obrickeit vnnd Jrem Ampt,
Von Eldern,
Was da geburt sich zuhaltenn Sohnen,
Dochtern, knechten, maiden, Herrn, vnderthanen, Eheleuttenn, allerlei Empter
vnd stennden, damit sie Jr stand vnnd leben fhuren mugen seliglich zu vnd
gotlich.
Auch seint do ordenlich, zimlich
Eusserlich Ceremonien vnnd gottes diennst,
Rechte fasten,
Erlich klaidung,
frei brauch der speiß,
Erlich kirchen vnnd stedte, da man
gotts wort predigt.
[Seite 251]
Vnnd dieses alles mit rechtem
vnderricht vonn Cristlicher freiheit, vnnd wie man der eusserlichen gottes
dinst gotlichen brauchen muge.
Nach diesen hochnottigen stuckenn,
daran allein alle macht leit vnd ann welche kain Cristlich kirch sein magk,
fragen die Jtzige bischoff wenig oder gar nit. Vnnd ist sich zuerbarmen vnnd
ewig zuklagen, das sie so grosse sachenn, welche Rechtenn bischouen geburen
zuwissenn, sich gar nit kumern, nich dauon gedenncken oder wissen, noch sich
dar Jnne vnnderrichten oder Leren lassen wollenn.
In der kirchen des Babsts findet man
diese Stucke:
Lere dem Euangelio entgegenn,
Die fasten der XC tage4,
Dy Lxxma: vnnd Lxma: Lma 5,
Aschermitwochenn,
Aschen aufs haupt legen6, Quatember,
Freitag, Sonnabent, Mitwoch,
allerlei heilig Ambt7,
hunger oder gemalt fasten tucher
hengen8 vnnd der fastenn den hals brechen9,
Dj gulden tafel vnnd hailigen pilder
mit tuchern verhullen8,
Baichten zweimal,
Marter wochen10,
palmen schiessen11a,
palmen vnnd worth weihenn11b,
palmen Creutzlein machen11c,
palmen schlucken fur etlich
kranckheit11d,
Cristus auff dem esel reiten mit seinen
zugehorungen11,
Die ganntz passion lesen viermal
lateinisch12,
Grune Dornnstag fuß waschenn oder
mandat haltenn13,
Passion predigen bey nacht acht
stunden14,
Am stillen freitag halbe messen an die
gestalt des weins15,
Creutz anbetten16 vnnd vier opffern17,
Creutz begrabenn16,
Psalter beym graben lessen tag vnnd
nacht17,
Finster Metten singen18 mit denn armen,
Judas19 vnnd Juden schelten20,
Schuller mit Clappern vmbgehen21,
Altar blösen vnnd mit besen waschen22,
vnnd an funff ort klaine wachslichtlein steckenn23,
Die Tauffe weihen mit einduncken der
Osterkertzen vnnd villen vngötlichen gesengen,
Neu feur weihen am osterabent24,
Osterkertzen machen, gulden vnnd
groschen, muscatennuß vnnd dergleichen Jnns wachs steckenn25,
Vffs Osterfest Creutz auß dem grab
nehmen vnd aduenis singen &c..26,
Die helle sturmen27,
Fladen, schincken, wurst, flaisch vnnd
aier weihenn28,
Procession vmb die kirchen mit fannen,
kertzen, sprengkessel, Monstrantz, Himel &c..29,
Allen auff dem Ostertag gebotten zu
comunicirn30,
[Seite 252]
Vmb die Tauffe gehen alle vesper
&c..31,
Christus bilde gein himel faren zur
None32,
Am pfingsttag den hailigen gaist
senden33,
Die faiertag der hailigen,
Sannt Mertinus Abent34,
S. Sebastian fasten fur pestlenntz35,
Sant Burckharts tag36,
Die gemeint wochen fur die armen
Sellen37,
Aller seelen tag38,
Vigilien; Seelbat39,
Bengnus mit viel messenn vff viel
altarn In einer kirchen vnder einander singen vnnd Etwas lanng ziehen vmb des
opffers willenn40; Aduent mit Fasten41; drei messen am Cristag, mitternacht Meß
halten42,
Die Creutz wochen vnnd mit Creutzen vff
die dorffer gehen43,
Jtem vmb die Flur gehenn,
Procession Corporis Cristi mit großem
geprenng, fannen, kertzen44 &c..,
Jnn allen heusern geschmuckt altar
anrichten &c..,
Alle sonntag vnnd heilig tag procession
gehenn45,
Rorate messen singen46,
Apparuit Singenn47,
kindlein wiegenn48,
Sannt Michels brief &c.. große
lugen49,
Sannt Michels kinder, so mit dem
fennlein giengen; mussige lose buben.50
Die Todten par In die kirchen stellen
mit vier wachs kertzenn,
Jtem die Ceremonien, die todten
zubegraben mit stolen, Reichfaß, weigewasser &c..51,
Jtem Mancherlei gefreß vff begengnus,
baide In dorffern vnnd stedten52,
Kindbetterin Jnn die kirchen fhuren53,
Frawen, die Jm kindtbette sterben, auch mit aigener Ceremonien begraben, vnnd
erst Jnn die kirchen furen54,
kirchenn, Altar, glocken, Mancherley
zimbeln, schellen, Orgeln,
bilder von gulden Tafeln,
hultzen, stainen, Silbern bilder,
hailigen dinst,
Salue Regina55 vnd dergleichen vil,
Tauffstein,
Gloriam56,
kelche,
leuchter,
Monnstrantzen,
fannen,
kertzen,
Rauchfesser, himel vnd dergleichen57,
Rosenkrenntz, vnser liebenn frauen
psalter58, hore priuate59, vnnser lieben frauen messe, gedopelt Rosenkrenntz,
Compassio b. virginis60,
Bruderschafften; Calend sant Sebastian
aller handwerk61,
portatel Altar,
Jnn heusern marmel feld, Cappellen
&c..62,
[Seite 253]
Casselnn63,
Albenn64,
Chorhembd65 vnd andern kirchen zirde,
Weywasser feßlin forn an den Thuren, Jn
kamer, stuben, mit zuuersicht, das es sund wegnehme66,
Weihewasser vff die todten grebernn
sprenngen, als solt es auch die Todten helffen67,
Derhalben Jm Oberlanndt vff einem
Jtzlichen grab ain aigen sprenng keselein gestellet &c..68,
S. Brigitten gebet69,
S. Bernnhardt versus70, die so gut
sollen sein, als viij ganntz psalter, vnnd ward dabei den hailigen Bernnarden
mit Rottinten geschrieben, der Teuffel hette es selbs geleret, Das recht were;
vnzelich gebette mit Rotten Titteln vom ablas, von Englischen offenbarung,
Validi Mendicantes; Betteler, so mit
Buberey vmbgienngen, vor den kirchen sassen, vnnd sich kranck, lame vnnd kropel
stelleten; wan der bottel mit der Rutten kam, kunten sie lauffen71,
Weihewasser alle Suntag weihenn,
Saltz weihenn72,
knoblach Panthaleonis Essenn73,
Saltz weyhen vnnd vmbtragen72,
wurtz weihen74,
Liecht weihen purificacionis75,
Am Sannt Agathen tag auff die liecht
schreiben: Mentem Sanctam Spontaneam &c..76,
Sant Johannes feur77,
Johannis Trunck vff Sant Johannis
tag78,
Johannys Trunck, den auch die fursten
vnnd hern weihen liessen ausserhalb S. Johannis tagk, wan sie abraisen wolten
&c..79,
Assumptionis honigk, wurtz weihen80;
mit dem Nagel Cristi groschenn vnnd gulden durchschlagen, vnnd das mittel stuck
vonn goldt vnnd Silber behalden zu warzaichen81,
Eigen Apostel welen nach dem Redlin
oder glucks loß vnnd wolgerat &c..82,
Assumptionis die schuler mit
Opfelpaumen Jnn der procession gehen.80 Allerlei abloß, da dan vnzelicher
mißbrauch war &c..,
Die parfussen Munch hefften zwolff
patter noster, kornnclein, an alle thurmer &c.. mit verhaissung vnzelichs
ablas &c.. vnnd vergebung der Sunde83, do wachte wider Babst noch Bischoff,
gaben ablas zu solcher vnuerschampter lugenn.
Casus reseruati des Babst, sonnde, da
niemandt von absoluiren kundt dan der Babst &c..84
Walfartenn mit glubden zu S. Jacoff ist
auch vonn mißbreuchen mit vnzelichen Capellen grunndtloß.85
Die gulden Pforte, das guldenn Jar zu
Rome.86
Das hailig plut: do die drescher auß
der scheurenn, die Arbaiter vom felde, die maide mit sichel vnnd graß tuchernn
auß einem dollen ankhumen &c.. hinlieffenn.87
Wider solche Neuerung, so wider alle
schriefft vnnd wort gottes ist, hat kain bischoff gewacht, sonnder liesen die
armenn gewissen verfhuren.
[Seite 254]
Nun solle das ware Euangelium vnd die
alte Rechte Lere, so Cristus Selbs, die Aposteln gepredigt vnnd geschrieben,
ein Newigkait vnnd ketzerei sein?
Des mißbrauchs vom hailigenn plut ist
noch heutigs tags anzeig befunden zu Braunschweig, do Jm Closter Sant Egidj
gerhumet wird heiligthumb, als sei es das plut, das Cristus vffm berg Cauarie
vergossenn88, derhalb man auch sonnderlich ablas außteilet vnnd aigen sigel
gemacht, dorauff dieser Tittel ist: Das sigel des pluts Cristi.
Vff etlichen walfarten haben sich weib
vnnd man, auch kinder, vff grossen wagen wegenn lassen, vnnd so schwer wachs
oder korn da gelassen, als sie gewegenn.89
Heiligthumb, welchs stucke aber ganntz
grundtloß von mißbreuchen vnnd vnuerschampten lugen; Do ist vnnser lieben
frauen milch90; Josephs hosen; Sannt Franciscus Niderclaid91; des weinß ein
gleßlein vol, den Cristus auß wasser zu Cana galilea gemacht &c..92; die
furhaut der beschneidung Cristi &c..93; S. Johannis Euangelium an hals
hengen94, Blasius Liecht am hals henngen95, Mit S. Annthonius hailigthumb
senckel gurtel bestraichen96,
Verbottenn Ehestannd der pfaffen,
Der bischoue Official genomen von einer
beischlefferinn Jerlich ein gulden, Wie dan des kortzuerschiner Zeit der
Official zu Halberstat Jnn die funfhundert guldenn des Zins eingenomen; so
starck haben sie gehaldten Jren spruch: si non caste, tamen Caute. Vor ein
priesters kind auch ein gulden. Dan ane kinder seint die priester mit Jren
kochin aber eins grads heiliger vnnd keuscher gewesenn97,
Platten der pfaffen,
Sieben Zeitenn, hore Canonice, von
welchen die Pfaffen selbst spotlich geredt vnnd gesagt, sie hetten etlich
scheffel vesper vnnd Metten auff vorrat vffgeschut &c..98 Diß stuck
begreifft vnseglich gotslesterung vnnd Spötterei gottes Jnn sich,
Pfaffen Testament/ Legennden /
Traditiones Predigen,
Nicht Rechtgeschaffenn haben sie
gepredigt von allen obgesagten stucken, Do wir von der Christlichen kirchen
gesagt &c..,
Die Edelleut, so Jnn krieg zogen, gaben
sich S. Jorgen gefangen &c.., damit sie nit gefangenn wurden.99
Polter gaister100 glaubenn,
Nachdem: frauen Jnn Cartheuser Clostern
Jn Jren kirchenn mit feuer wischen den staub vnnd weg, do sie ganngen, wider
Rain brennen &c.. Dergleichen Jn ander Clostern, vnnd das nur denn fromen
frauen &c..101,
Die Messen haldten allerlej, welcher
Mißbrauch greulich vnnd vnzelich ist,
kirchen weyhenn vnnd olweyhenn,
Jtem das Jn die aschen die
weyhebischoff etliche Caracteres auß einem buch maletenn,
Glocken Tauffenn, da man Jn die hundert
oder zweihundert geuattern ließ nur an den strick greiffenn &c..,
Altar Tauffen,
kresem vff Osternn vmb geldt holen.102
Jtem das die Corporalia vnnd solichs hailig geredt nitt frauen hennde, sonnder
man waschen musten, es dorfft kein lay kelch oder altartuch angreiffen103,
Gnug thuen Manncherley fur die sunde,
[Seite 255]
Der grose Bann,
Dy Sieben Zalh der Sacrament,
Priester weihenn, nit zum leren oder
predigen &c.., Dann also sagte der weihebischoff: Accipe potestatem
Consecrandj ac offerendj pro viuis et mortuis &c..,
Weihen {Tonsoristen/} {Lectores/}
{Accolitos/} {Diaconos/} {preßbiteros} vff Titel ein Edel mas, tisch oder sunst
ein partecken &c..104
Die weihebischoffe haben mit kirchen,
glocken, Altarn, bilden wunder kramwergk getrieben &c..105,
Auß den Sinodis, die sie Episcopales
genenet habenn, hat man ein gedruckt Zedelein geschickt, dar Jnne angezeigt,
wie (man) versickel &c.. vnnd das Benedicamus singen solt. Das haben sie
ordnen diuinorum oder diuinum genennet,
Von Munchen wollen wir annder Zeit
sagen, doch ists auch vor Jnnerung werdt, das die parfussen Monnche dahin die
Leuth vberredt, das Ritter vnnd grauen sich haben Jn Jren kappen lassen
begrabenn, dafur gehaldten, wer mit der kappen Jnnß grab keme, konnt nit
verloren werdenn.106
Was wurde woll der Apostel Paulus wider
solchenn schenndlichen mißbrauch gesagt habenn, wann es zu sein Zeitten
geschehenn? &c.. Aber der Teuffel schemet sich zu kainer lugenn &c..
Epistoler,
Euangelier, nur datzu verordennt, das
sie das puch tragen vnnd diacon Rock antragenn &c..107
Der weihebischoffe fermeln vnnd zu vil
annder kindisch geberde mit backen schlahen &c..108,
Eide der Ihenigen, die sich weihen
lassen109,
Freiheit vnnd priuilegien vor der
priester heuser, gutter, haußgesindt &c..110,
Dieses alles ist mit diesen mißbreuchen
also allein Jnn pfarren ganngen.
Daruber ist noch das Recht Mare
Magnum111,
Was Jn {Monch klosternn,/ {Nonnen
klosternn,/ {Cartheuser klosternn &c..,/ {Cathedral kirchen,/
{vnderstifftkirchen112,
mancherlej gebet, Regeln, statut, neu
erfunden gots dinst gewesen.
Do ist ein vnnzelig geschwerm viller
vnngotlicher Jrthumb, daruon wir ander Zeit schreiben wollenn.
Daruber nach der bischoff officialat
Comissarien &c..113
Ane diß alles kan die Cristlich kirch
sein vnnd bestehen, wie sie zu der zeit der Apostelnn gewesenn.
Derselbigen offenntlichen mißbreuchen
wollen die bischoffe vergessen, aber was er groses, greulichenn schadens den
selen vnnd gewissen solchs gethan, gibt die Erfarung. Got der Herr wolle
verleihenn, das alle lugen vnnd heuchelej zuschanden werde, vnd gottes wort,
wie bißannher, durchdringe, schnel lauffe vnd gepreiset werde! Amen.
[Seite 256]
Anmerkungen zu dem Text S. 249 —255.
Jn den Anmerkungen habe ich 1. mich im
großen und ganzen möglichst eingeschränkt, 2. um Wiederholungen aus dem
vortrefflichen Kommentar, den Enders bietet (E1 im folgenden bedeutet Anmerkung
1 bei Enders 7, 262 ff.), möglichst zu vermeiden, hauptsächlich möglichst
lehrreiche Quellenstellen zitiert und auf solche Literatur hingewiesen, die E.
nicht benutzt hat.
Abkürzungen:
Fr. W. = WEltbůch: spiegel || vn̄ bildtniß des gantzen erd- ||
bodens von Sebastiano Franco Woer-||densi in vier buecher, ... gestelt vnd
abteilt, ... (Tübingen, Ulrich Morhart 1534, vgl. Steiff, Der erste Buchdruck
in Tübingen (1498 –1534), Tübingen 1881, S. 195 f. Nr. 160; zum Jnhalt vgl.
Erich Schmidt, Deutsche Volkskunde im Zeitalter des Humanismus und der
Reformation, Berlin 1904, S. 118 ff.).
K. S. = Johannes Keßlers Sabbata,
herausgeg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen, St. Gallen 1902.
Link - Bapsts gepreng, || auß dem
Cerimo- || nien Bůch. || Auch etliche Cerimonien der || Bischoffe, auß
ihrem Pontifical || serr fleissig gezogen. || ... ¶ Durch Wenceslaum Linck- ||
en von Colditz, Doctor ... AN. M.D.XXXIX. || (Straßburg). (Vgl. Schelhorn,
Amoenitates literariae III, 1725, p. 149 u. RE3 11, 513.)
Diel = Die pfarramtlichen
Aufzeichnungen (Liber consuetudinum) des Florentius Diel zu St. Christoph in
Mainz (1491 –1518), herausgeg. von Franz Falk, Freiburg i. Br. 1904 (=
Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Gesch. des deutschen Volkes IV 3).
Eck = Johann Ecks Pfarrbuch für U. L.
Frau in Jngolstadt [1525 ff.]. Ein Beitrag zur Kenntnis der pfarrkirchlichen
Verhältnisse im 16. Jahrh., Münster i. W. 1908 (= Reformationsgeschichtliche
Studien und Texte Heft 4 u. 5).
Müller = Nik. Müller, Der Dom zu
Berlin. Kirchen-, kultus- und kunstgeschichtliche Studien über den alten Dom in
Köln-Berlin I, Berlin 1906.
Widmann = Enoch Widmanns Chronik der
Stadt Hof [W. führte sie zunächst bis 1592, dann bis 1601, gestorben 1615 64
Jahre alt] in: Quellen zur Geschichte der Stadt Hof, herausgeg. von Christian
Meyer, Hos 1894.
Katholik 1901 –1903 = Raich, Religiöse Volksgebräuche im
Bisthum Augsburg, Katholik.
Thalhofer = Th., Handbuch der katholischen Liturgik, 2
Bände, Freiburg i. Br. 1883, 1890.
Franz = Fr., Die Messe im deutschen Mittelalter, Freiburg
i. Br. 1902.
Sauer = S., Symbolik des
Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters,
Freiburg i. Br. 1902.
[Die Anmerkungen sind in den Text
eingefügt.]
[Seite 268]
[Vermahnung an die Geistlichen]
[Seite 268a]
[Bl. 2a]
[Seite 268a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 268b
[Anfang]
Gnade vn̂d fride von Gott vn̂serm Vater vnd dem herrn̂ Jhesu Christo, Wie wol wir (lieben herrn) n̂icht gebüret auff diesen
Reichstag personlich züerschein̂en, Vnd ob ich gleich
erscheinen müste odder solte, doch
nichts nutze da sein kundte, als an dem, ynn solcher pracht vnd
gescheffte, nichts gelegen sein würde,
So hab ich mir doch furgenomen, vber meine geistliche gegenwertigkeit (die ich mit gantzem meinem
hertzen, durch gebet vnd flehen zu
meinem Gott, vleissig vnd redlich, mit Gottes hulffe, beweisen wil) auch schrifftlich vnd mit dieser meiner
stummen vnd schwachen botschafft vnter
euch zu sein,
Vnd das darümb, das mich mein gewissen
treibt, euch allesampt, freündlich vnd
hertzlich zu bitten, zu flehen vnd zü ermanen, das yhr diesen
[ 2 Anno 1530. rh 6 müste steht über 〈kundte〉 solte, 〈wurde ich〉 7 kundte steht über 〈wurde〉 8 sein würde steht über 〈were〉 10 redlich, 〈ob Gott wil〉 11 vnd 〈todten〉 schwachen r 12 sein, 〈vnangesehen das ich weis, Es werden viel vnter eüch, on
das [on das c aus dennoch; neben on das steht noch am Rande, aber wieder
durchgestrichen auch] hiezu sagen, Wer darff dein? Wer hat dich hergebeten
odder beruffen? Denn ich mus vnd wil da sein, ob ich gleich hinder der thür
odder vnter der treppen sitzen müsse〉]
[Seite 269a]
reichstag nicht verseumet, noch vergeblich
missebraucht, Denn Gott, gibt euch gnade
raum zeit vnd vrsache [Bl. 2b] durch vnsern aller gnedigsten herrn keiser Carolo mit diesem Reichtag, viel vnd
gros guts zu schaffen vnd auszürichten
so yhr allein wolltet, vnd spricht freylich itzt wie S Paulus redet 2. Cor 6. Jch vermane euch das yhr die gnade
Gottes nicht vergeblich empfahet, denn
er spricht | [Bl. A ijb], Jch habe dich ynn der gen̂emen zeit erhoret vnd habe dir am tage des heils geholffen,
Sehet itzt ist eine angeneme zeit vnd
ein tag des heils, fur euch am aller meisten Vnd wir sehen vnd horen̂, wie aller menschen hertzen auff diesen Reichstag
gaffen̂ vnd
warten, mit grosser hoffnung, Es solle
gut werden
Solt aber dieser Reichstag, (da Gott
gnediglich fur sey) on ende zürgehen,
vnd nicht ettwas redlichs ausgericht werden, Vnd alle welt nü lange zeit her, mit Reichstagen vnd Concilijs
vertrostet vnd auff gezogen vnd alle hoffnung
gefeylet vnd vmsonst gewest, ist zübesorgen, es wurde ein verzweiüeln draus komen vnd yderman wurde des vertrostens
vnd harrens allzu mude werden, vnd das
vergebliche lange gaffen, vngedult vnd bose blut machen, Denn es kan vnd mag len̂ger so nicht stehen, wie es
itzt stehet, sonderlich mit
[Seite 270a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 270b
euch selbs vnd mit ewrem stande vnd wesen, das
wisset vnd fulet yhr besser, denn ich
euch sagen kan, So thu ich auch hiemit, was ich thu, euch zum besten, vmb fride vnd einickeit willen̂
ob aber ettliche villeicht hierinn
meine vermessenheit wolten sauer
ansehen, vnd furgeben Wer darff dein? Wer hat dein̂s vermanens odder schreibens yhe begerd? Es sind so viel
gelerter vnd frümer leut hie, die der
sachen besser zü raten wissen denn du narr &c̄.., Wolan, das wil ich
gerne gleuben, Vnd Gott helffe das alles
also war sey, Jch wil zewarten, meine
vermessenheit gerne gestrafft vnd verdampt haben, Aber noch ist das
auch war, Man kan des guten nicht zü
viel thün Vnd hat offt ein narr bessern
rat geben denn viel weisen, Vnd widderumb, weise leute gemeiniglich
den grossesten schaden auff erden
gethan, sonderlich [Bl. 3b] wenn sie sich auff yhre
[ 3 willen̂ 〈[Neue Zeile:] kan ich nu ettwas ausrichten, das ich euch
erweiche vnd bewege, damit yhr ewr selber erbarmet vnd schaffet an diesem
heutigen tage, was zu ewrem fride dienet, wie Christus vber Jerusalem spricht
[Bl. 3a] So werde ich freüden vol, Gott nymer mehr gnug dauor dancken konn̂en, kan ich aber nicht, vnd yhr
steiff vnd hart sein werdet, so mus ichs (wie wol von hertzen vngern.) lassen
geschehen, das vber euch gehe das ienige, so itzt fur ewren augen verborgen
ist, vnd allzu frue euch ynn die hende komen wird, Darumb das yhr die zeit ewr
heimsuchunge itzt [o] nicht erkennet 〈habe〉, Vnd sol als denn [als denn o] diese
meine stumme schrifftliche botschafft, fur Gott vnd aller wellt, meines
gewissen zeuge vnd fursprecher sein, das euch [o] solchs allein vmb ewr
hertigkeit willen [vmb —willen rh] on vnser [steht über 〈mein〉] schuld, vn̂d widder vnsern [steht von
Luther mit der anderen Feder des nächsten Abschnitts geschrieben, über 〈widder〉, das über 〈meinen 〉 steht] willen vnd wündsch
geschehen sey, als der ich [c aus ichs] so hertzlich vnd trewlich 〈ewr bestes rh〉 gesucht, gemein̂et, gebeten vnd geflehet habe〉 7 narr rh 8 also o sey 〈Amen o〉 wil 〈zu〉]
[Seite 271a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 271b
weisheit verlassen, vnd nicht auch mit Gottes
furcht gehandelt vnd mit demütigem
hertzen, vmb Gottliche hulffe vnd gn̂ade gebeten haben
Dauon alle historien vol exempel sind
beide ynn der schrifft vnd ausser der schrifft
Vnd wenn sonst kein ander exempel furhanden were mocht man es wol an ewrem eigen exempel spuren Denn yhr
habt nu bey zehen iaren, ynn dieser
sachen ewr weisheit wol versucht, mit so viel reichstagen, mit so viel ratschlagen mit so viel tücken vnd
practiken, mit so viel vertrostung vnd
hoffnüng, ia auch mit gewalt vnd zorn, mit mord vnd straff das ich
mein wünder vnd iamer an euch gesehen,
noch hatts nirgent dahin̂ gewolt, da yhrs
gern hin hettet, Das macht alles, das die weisheit on gottes fürcht
vnd demütiges gebet, durch sich selbs
hat wollen solche hohe grosse sachen meistern
vnd ist druber zu schanden würden ynn yhrer vermessenheit Vnd werdet
yhr euch noch nicht furchten vnd
demütigen fur Gott, das yhr, das drewen vnd
die rachgyr nach lasset, vnd Gott mit ernst vmb hulff vnd rat bittet, so
solt yhr noch nichts ausrichten, vnd weret
yhr gleich allzumal so weise als konig
Salomo Denn das stehet die schrifft. 1. Petri .5. Gott widderstehet den
hoffertigen, Aber den demütigen gibt er
seine gnade
Wir aber auff vnser seiten, beten mit
vleis vnd wissen auch die rechte weise
zu beten von [Bl. 4a] Gottes gnaden, Sind auch gewis, das vnser gebet
[ 1 gehandelt rh mit o 2 hertzen steht über 〈gebet〉 4 wenn 〈schon〉 kein sonst um 6/7 mit —tücken, mit
—ratschlagen, um 7 tücken steht über 〈anschlegen 〉 7/8 mit —hoffnung rh 14 Gott o
15 gleich rh 19 das 〈wir〉 19/272, 1 vnser —uns o]
[Seite 272a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 272b
angeneme vnd fur vns erhoret wird, welchs
alles beides, | [Bl. A iijb] (sorge
ich.) auff ewrem teil wen̂ig thün mugen, Vnd haben auch nu angefan̂gen mit ernst fur eüch zu bitten, das doch Gott
der allmechtige, ein mal wolte ewr
hertzen erleüchten vnd bewegen, sein wort zu furchten vnd demütiglich gegen yhm zu handeln, Angeneme ist solch
gebet fur vns das wissen wir, Aber Gott
helff, das yhr nicht halstarrig dawidder euch setzt vnd vnser gebet sich widder keren müsse ynn vnsern bosem als
bey eüch verloren vnd veracht Denn wir
sehen, das der teuffel mit dem Turcken herzu wil vnd erregt dazü eine rotten nach der andern̄, vnd wolts gern alles zu boden
stossen Soltet yhr denn auch noch
verstockt vnd halstarrig bleiben, wie bisher, das were doch zu viel vnd aller ding vntreglich,
Vnd auffs erst, So durfft yhr von
meinen vnd meiner gleichen wegen, nichts
handeln, Denn der rechte helffer vnd radherr, hat vns vnd vnser sachen so weit bracht vnd dahin gesetzt, da sie
bleiben sol, vnd da wirs auch lassen
wollen, das wir hierinn fur vns keines reichstages, keines rates,
keines meisterns bedurffen, dazu auch
von euch nicht haben wollen, als die wir
wissen, das yhrs nicht besser, ia nicht so gut, zu machen vermügt denn
wir
[ 1 wird steht unter 〈werden̂〉 5 fur uns rh 7 als o veracht
steht über 〈on frucht gethan〉 8 dazü o 9 wolte 〈gro und noch ein angefangener Buchstabe〉 14 vnd (1.) 〈so〉 15 fur vns rh 16 von euch rh 16/17
wollen —vermügt unten rh]
[Seite 273a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 273b
komen gleich vnter Turcken odder Tattern vnter
Bapst odder teuffel, so stehet vnser
sache [Bl. 4b] gewis, das wir wissen, wie wir gleuben vnd leben wie wir leren vnd thun, wie wir leiden vnd beten,
wie wir genesen vnd sterben, wo wir
alles gewarten, holen vnd finden, vnd wo wir endlich bleiben sollen̂, nach dem wort. S. Pauli Ro. 8. Den
ausserweleten schaffet der geist alle
ding zu yhrem besten Solchs hat vns Gott reichlich gegeben, durch
Christum Jhesum vnsern herrn̄, vnd ist bereit an durch
vieler frümer leüt blut vnd marter von
ewrem teil getodtet bekand vnd bestettigt Nicht das wir volkomen seien vnd alles erlanget hetten, sondern das
wir die rechten regel (wie .S. Paulus
redet.) den rechten weg, vnd den rechten anfang fur vns haben, vnd an der lere ia nichts mangelt, das leben
sey gleich wie es mag,
Aber für eüch vnd für das arme volck,
so noch vnter eüch gantz vnbericht odder
ye vngewis ist, da sorgen wir für, vnd wolten yhe gerne, hie helffen, mit beten, vnd vermanen, das beste
wir kündten, Denn ich furchte mir vbel,
das yhr ewrs ampts vnd der demüt gegen Gott vergessen̂, vnd die seyten zu hart spannen vnd das willige pferd
zu seer reiten werdet da mit widder ümb
ettwa sich ein̂e aüffrur erhebe, das beyde wir mit eüch yn̂n̂
[ 1 gleich o 2 sache c aus sachen 3 wie
(2.) c aus wo 4 wo (1.) c aus wie
wir c aus wirs alles
rh endlich rh 5 ausserweleten 〈hilfft〉 schaffet rh 7 ist rh 8 von —getodtet
rh Nicht 〈Aber fur euch vn̂d für das arme volck sd noch vnter euch
ist, vnd〉 11 sey 〈obe o〉 gleich rh 15 vergessen̂ c aus vergesset vnd (2.) 〈werdet〉 16 werdet rh]
[Seite 274a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 274b
iamer vnd not komen, wie vor mals geschehen
Denn yhr wisset noch wol on allen
zweifel, wie fur der auffrur, der Speyrissche [Bl. 5a] reichstag, mit so herrlicher trostlicher hoffnūg
ausgeschrieben ward, das alle wellt mit grosser
gyr gaffet vnd hertzlich wartet, es sollte da gut werden
Aber ewr ratschlag war da voller
weisheit, vnd ver schuffs, das der
selbige reichstag, stümpff, schimpflich vnd schendlich ward abgekundigt,
Da kam auch flugs drauff die rute,
nemlich der Muntzer mit der auffrur, vnd
gab euch einen schilling den yhr noch nicht vber wunden habe, vnd wir
leider noch grossern schaden daüon haben
Das heisst alles mit gewalt vnd eigen
synn ge faren, Also zu Wormbs müste das
Edle blut vnser lieber herr keiser Carol thün, was yhr woltet vnd mich mit meiner gantzen lere verdamnen,
welche yhr doch nu bisher selbs, ynn
vielen stucken habt heimlich angenomen vnd braucht. Vnd ewr prediger hetten itzt nichts zu predigen, wo
des Lüthers bucher nicht weren,
[ 2 fur 〈den〉 4 es c aus? 5 da 〈we〉 6 reichstag, 〈so〉 stümpff, 〈so〉 7 nemlich 〈die〉 der —der rh 8 euch steht über 〈vns〉; zu 〈vns〉 gehörte 〈beiden rh〉 yhr steht über 〈wir〉 habe entstanden dadurch, daß Luther das
n in haben in einen jetzt nicht mehr erkennbaren Buchstaben corrigierte und
diesen darauf wieder durchstrich. 9 daüon haben steht über (leiden〉 11 blut 〈k〉 12 gantzen rh
welche c aus welcher nach
doch ist ursprünglich ein anderer Buchstabe [b?] angefangen worden 13 heimlich
o 14 bucher 〈thetten〉 [Vgl. S. 276 Anm. 2]]
[Seite 275a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 275b
Denn yhr sermon buchlin, vnd was vorzeiten
auff der Cantzel, das geschrey war,
lassen sie fein vnter der banck ligen vnd fahen an widder vns vom glauben vnd guten wercken zu p̄digen vnd der gleichen dauon
man vor hin nichts horete noch wuste,
Vber das, erzwunget yhr dazu mal ein gebot, so
grewlich, vber die Lutherisschen zu todten, das yhrs darnach selbst
nicht halten noch leiden mochtet vnd
müste zu Nurmberg auff dem Reichstage geen̂dert werden, vnd ettliche fursten, von yhn selbs
dasselbige verbieten musten wolten sie
nicht selbs mit land vnd leuten ynn fahr sitzen.
[Bl. 5b] Dis erzele ich nicht eüch zum
hon odder spot (denn ich bin sonst allzu
hoch an euch gerochen) sondern euch hertzlich zu bitten vnd trewlich zu vermanen, das yhr doch an ewr eigen
erfarüng vnd vngluck lernen woltet,
hinfürder das trotzen vnd drewen, gewalt vnd pochen zu lassen, vnd gegen Gott mit furcht vnd demut zu handeln,
vnd hindangesetzt ewr vermessenheit,
seine hulff vnd gnade mit ernstlichem gebet zu suchen, Warlich, warlich, die sachen sind zu gros, Menschlich
weisheit vnd gewallt ist viel zu geringe
dazu, Gott mus helffen sonst wird vbel erger, Das ist gewis, Den̂n̂
[ 1 was 〈sie?〉 2 widder vns rh 3 vnd der
gleichen rh 4 wuste, 〈wie wol sie Dazu〉 Vber das rh
5 vber die steht über 〈von den〉 9 ich (1.) 〈darumb〉 12 vnd (2.) 〈vnter〉 13 zu o 14 mit o]
[Seite 276a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 276b
so yhr auff ewrem trotz vnd pochen beharren
wolt, so solt yhr wissen, das des
Müntzers geist auch noch lebt vnd meins besorgens, mechtiger vnd ferlicher, denn yhr gleuben odder itzt begreiffen kün̂d Es gilt euch mehr denn vns, wie wol er vns feinder ist, denn euch
Aber wir haben einen trotz widder yhn,
Gott sey lob ynn ewigkeit, wolt Gott yhr hettet den selbigen auch, nemlich, das reine wort vnd recht
schaffen gebet.
So wisset yhr auch wie trewlich vnd
fest wir gehalten haben, wider alle
rotten geister, Vnd wenn ich rhumen thürst, so wolt ich schier sagen, wir weren ewr schutzherrn gewest vnd sey
vnser geschefft das yhr bisher seyt
blieben was yhr noch seyt, Vnd hetten wir gethan, Jch sorge warlich,
ewr gelereten weren der sachen zu
schwach [Bl. 6a] gewesen vnd solten euch die
schwermer vnd rotten bald ein anders geleret haben, Derhalben sind sie
vns auch feinder, denn eüch, vnd
schüldigen vns, als die zu Creütz kriechen vnd
widderruffen, Das mussen wir leiden vnd das sprichwort erfaren, Wer dem
[ 5 hinter gott ein fast senkrechter
ziemlich langer und dicker Strich
hettet c aus hetteten 9 vnd —geschefft rh 11 gewesen r 12 ein o 14/277,4
vnd —Jüda steht über vmb ewren willen, Vnd leidens auch gerne, Denn das hat
mich kein heel, Wenn ich ia einerley leiden sol, wil ich lieber einen frumen
stillen [frumen stillen rh] papisten haben denn einen sacraments schwermer,
odder widder teuffer vnd dergleichen, Denn ym Bapstum, wo es stille ist [wo
—ist o] lesst man das wort vnd sacrament sein, was es ist, vnd ist allein der
misbrauch darinn strefflich, [darüber, aber auch wieder durchgestrichen: aber
sein ... ferlichen misbreüchen verderbt] Wer nü aber die [nü —die steht über 〈aber den〉] misbreuche [c aus misbrauch]
lassen wil [steht über 〈lesst〉] der kan doch finden was ein Christ finden [?] sol,
gleich wie vnter dem Turcken noch Christen bleiben kan, wer die gnade hat
[gleich wie —hat rh] aber die rotten teuffel [teuffel rh] stossens alles vmb vnd
lassen niemand nichts fin̂den [Die ganze Stelle ist stark durchstrichen, teilweise
auch wegradiert.]]
[Seite 277a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 277b
andern vom galgen hilfft, den̂ brecht der selb gern hinan,
Die rotten büben hetten nicht wissen ein
einiges stuck widder den bapst anzugreiffen, Nü sie aber durch vnser hülff los worden sin̂d vnd essen vnser brod, tretten
sie vns mit füssen wie Christus sagt von
seinem verrether Jüda
Es werden aber ettlich hie sagen, Ja
das ist alles dein schuld, dü hasts
angefangen, vnd das sind deiner lere früchte &c̄. Wolan, das müs ich
leiden, weis wol, das man mir solchs
nach sagt, Aber widderumb weis ich viel
frumer leute vnter euch, die da wissen, das nicht war ist. So stehet
das werck alda am tage, meine starcken
zeugen, das die rotten geister meine lere
allzeit veracht vnd hoher verfolgt haben, denn ewer lere vnd ich habe
mich auch stercker mussen gegen sie
setzen̄ vnd
herter wehren, denn ich widder den Bapst
ye gethan wie kans denn aus meiner lere komen sein? Odder warumb ist nicht solch vnlust entstanden bey den
meinen, da ich selbs teglich gepredigt
vnd geleret, da es doch am ersten vnd hohesten solt vbel zu gehen [Bl. 6b]
wo aus meiner lere solch vnrat komen
solt
Habt yhr aber vergessen, das der deusch
adel zu Wormbs, bey vierhundert stucken
k Mt furtrug darinn sie sich beklagten, von der geistlichen
[ 10 haben o denn 〈die〉 lere rh mich o 11 herter o 12 komen 〈sin̂d〉 14 ersten vnd unten rh 17
furtrug c aus furtrugen
geistlichen c aus geistligkeit]
[Seite 278a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 278b
beschweret, vnd sagten frey heraus, Wo k Mt,
nicht wolt solchs abschaffen, So wolten
sie es selbs thun, Denn sie kündtens nicht lenger leiden, Wie dunckt euch? Wo das were angan̂gen (wie es denn die auff rurer
darnach anfiengen.) vnd were nur ein p̂diger auffgestanden, der dazu
geraten hette, Wo woltet yhr geistlichen
itzt sein? Jnn bus correptam, Nu war doch dazu
mal meine lere ym schwan̂ck vnd hatte mit keiner auffrur angefangen odder bis daher gelauffen, Sondern die leüte fein
geleret fride zuhalten vnd der oberkeit
zü gehorchen, Vnd wo sie nicht gewest were, hetten gewislich der geistlichen beschwerung sollen ein recht
spiel an̂richten.
Nu mus es meine lere gethan haben, Aber
solcher danck geburt mir, Beger auch keines andern, So ists allen propheten vnd Aposteln vnd
Christo selbs gangen
Jtem habt yhr auch vergessen wie zum
ersten meine lere fast bey euch allen̂ so ein kostlich ding war, da
alle Bisschoff gar gerne sahen, das dem
Bapst (der die stifft zü hart antastet.) sein̂er tyranney ein wenig gesteuret
[ 2 thun c aus zuthun 3 die 〈rotten〉 6 keiner c aus keinem 8 were, 〈so〉 10 Aber steht über 〈Wolan〉 10/11 Beger — gangen
nachgetragen; 11 vnd (1.) — gangen r 12 fast rh]
[Seite 279a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 279b
würde, Da kündten sie mir fein zu sehen
horchen stille sitzen vnd lauren, wie
sie yhr Bisschoff|liche oberkeit widder gantz kriegen mochten, Da war
der Lüther ein feiner lerer, der das
ablas so redlich angreiff, Denn da zumal musten
die Bisschoffe vnd [Bl. 7a] pfarherr leiden, das ein munch odder ein
frembder boser bube mit den ablas briefen,
ynn seinem stifft vnd pfarr durch vnd
durch, eine schendliche schin̂derey treib, vnd thürste nicht da
widder mücken, Hie war kein doctor ynn
allen hohen schülen odder klostern, der solchem
vnflat hette wissen noch thüren begegenen, vnd war Luther das liebe
kind vnd fegete die stifft vnd pfarhen
von solchem treüdel markt, vnd hielt den
bisschofen den steigreiff das sie widder auffsessen, vnd warff dem Bapst
einen bloch ynn weg, Warümb war das auch
nicht aüffrurisch bey eüch?
Vnd hern̂ach da ich das kloster leben
angreiff vnd der monche nü weniger
worden sin̂d, hab
ich noch keinen Bisschoff odder Pfarher horen
druber weinen Vnd weis, das den Bischofen vnd pfarher n̂ie kein grosser dienst ist geschehen, den̂n̂ das sie der Munche also los
worden sind, vnd besorge fur war, Es
werde itzt zu Augsbürg kaum yemand sein, der sich der munche
[ 1 horchen rh steht unter 〈loben r〉 2 machten, 〈Ey〉 3 zumal rh (z und l und der
u-Bogen d nachgezogen) 4 ein frembder rh 5 stifft 〈erst ein angefangener Buchstabe, dann ynn alle〉 vnd pfarr
rh 8 wissen 〈odder〉 vnd steht
über 〈Da〉 10 das — auffsessen rh 12 nü o 14 n̂ie o 16 kaum 〈ein〉]
[Seite 280a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 280b
werde an nemen, vnd bitten, das sie wid|der zu
vorigem stande komen, Ja die Bisschofe
werdens nicht leiden, das solche wantzken vnd leuse widderumb solten ynn yhren peltz gesetzt werden, Sind
fro, das ich yhren, peltz so rein
gelauset habe, Wie wol doch die warheit zu sagen, die Munche musten
die kirchen regirn vnter dem Bapst vnd
die Bisschoue nichts dazu thetten, denn
liessen sich Junckher heissen, Nu habe ich doch die Munche nicht mit
auffrur zer[Bl. 7b]steret, sondern mit
meiner lere vnd gefellet den Bisschoffen wol,
Hettens auch mit aller konige gewalt noch mit aller hohen schulen
kunst nicht vermocht züthün, Warumb
halten sie denn das auch nicht für auffrürisch?
Ey es gefellet yhn zu wol das die Münche her unter sind, vnd damit dem Bapst schier eine gantze hand ab
ist, Vnd wissens doch dem Luther keinen
danck des lere sie so herrlich brauchen ynn diesem stuck
Vnd weil ich eben drauff kome, das man
vergessen hat, wie es dazu mal stund ynn
der wellt ehe meine lere an̂fieng, vnd nü niemand wil nie
[ 1 In Ja ist der zweite Grundstrich
des a d nachgezogen 2 das 〈sie〉 3 solten steht über 〈lassen〉 gesetzt werden steht über 〈setzen〉 das 〈sie yhr los worden sind〉 3/4 ich — habe d rh 8 noch —kunst rh 9 denn rh 12 danck 〈ders gethan hat〉 In stuck sind die
Grundstriche von u und c d nachgezogen]
[Seite 281a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 281b
nichts vbels gethan haben, So mus ich die
alten laruen er fur zihen, vnd den
geistlichen yhre vergessene tugent fur die aügen stellen̂, damit sie sehen, odder widder dran geden̂cken, was ynn der wellt solt
worden sein̂, wo vnser Euangelion nicht komen
were, vnd wir aüch zu vnserm trost, sehen, wie
manchfeltige herrliche frücht, das wort Gottes gethan habe Vnd
wollen anfahen eben an dem da meine lere
anfieng, nemlich vom Ablas
Vom Ablas,
Wenn vnser Euangelion sonst nichts
gethan hette denn dis stuck, das es die
gewissen von dem schendlichen grewel vnd abgot des Ablas, erloset hat, so sollt man doch dran kennen, das es
Gottes wort vnd krafft were, Denn das
mus alle welt bekennen das kein menschliche weisheit solchs ver mochte Sintemal kein bisschoff, kein stifft,
kein kloster [Bl. 8a] kein Doctor, kein
hohe schule, ich selber auch nicht dazu mal vnd summa keine vernunfft diesen grewel verstund noch kennete, viel
weniger, zu steüren noch anzugreiffen
wuste, sondern mustens alles billichen vnd fur gute heilsame lere gehen
lassen, namen auch die lieben Bisschoffe
vnd Bepste getrost gellt dauon vnd liessens
weidlich gehen, Nemlich
[ 4 aüch steht über doch 7 Vom steht
über 〈Das〉 8 über nichts Punkte 10 hat steht über 〈hette〉 13 ich —vernunfft rh 16 die
—Bepste rh]
[Seite 282a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 282b
.1.Das sie das ablas verkaufften fur die
gottlich gnade, so die sunde vergibt,
Dadurch denn Christus blut vnd tod verleügnet vnd verlestert ward sampt dem heiligen geist vnd Euangelio
.2.Das sie die seelen dadurch aus dem fegefewr
fel|schlich verkaufften, zu grosser
schmach Gottlicher Maiestet selbst, trug aber gelds die menge
.3.Das sie dadurch den Bapst zum Gott ym himel
setzen, der den engeln gebieten kundte,
der pilger seelen so aüff der Romfart sturben, gen himel zü füren
.4.Das Euangelion welch doch das einige rechte
ablas ist müste schweigen ynn den
kirchen fur dem ablas,
.5.Das sie die gantzen wellt vmb vmmeslich
gellt dadurch betrogen vnd schunden mit
vnuerschamptem geitz vnd lugen, als wolten sie widder den Turcken kriegen
.6.Denn sie ymer die vorgegeben ablas brieffe
nidderlegten vmb der
[ 1 .1. Diese und die folgenden Zahlen
über den Bruch nach links auf den Rand vorgerückt ablas o 5 menge 〈vnd hab r〉 7 der 〈Romschen〉 9 welch —ist o 12 über dem n
von wolten zwei Punkte 14 ymer steht über 〈legten〉 ablas o nidderlegten steht über 〈willen〉]
[Seite 283a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 283b
newen willen, vnd hüben ymer den alten ablas
auff ynn den kirchen vmb des newen
willen vnd spieleten mit dem gülden iar, darnach sie gellt haben wolten, Ja wol widder den Turcken
7 Vnd ist auch die larue des gulden iars ein
[Bl. 8b] lauter geticht vnd lose lugen,
zu verderben den glauben Christi, vnd das tegliche gulden iar Christi Vnd doch vnzeliche tausent seelen
damit verfuret vnd die leute gen Rom zu
lauffen, schendlich generret vmb gelt vnd gut betrogen mit verlorner muhe vnd kost dazu
8 Das sie ym ablas verkaufften gute wergk der
gantzen Christen heit, dazu die
absolution als ettwas sonderlichs, welche doch das Euangelion zuuor vnd ymerdar, der gantzen wellt vmbsonst gibt,
damit die gewissen vom Euangelio vnd von
Christo auff menschen werck verfuret würden
9 Das sie das ablas hoher lobeten denn alle
gute werck der liebe
10 Das sie der hailigen verdienst, als vbrig
fur sie selbs, züm schatz des ablas
legten, als were Christus leiden nicht gnugsam zur vergebüng auch aller sunden welchs aber mal den glaüben an
Christum verderbet
[ 1 ymer o 4 über lauter gedicht steht 〈vnd ist doc〉 5 das steht über des tegliche c aus teglichen iar c aus iars 6 Christi 〈erfunden durch den teufel selbs〉 7 vmb c aus vmd
vnd 〈vn (hinter dem n noch ein
Aufstrich)〉 betrogen o 8 vnd kost dazu z. T. r
nachgetragen 10 als —sonderlichs rh 11/12 vom —vnd o 13 gute o ]
[Seite 284a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 284b
.11.Das sie zü letzt das ablas so hoch huben,
das sie lereten, wenn gleich yemand die
mutter Gottes beschlaffen hette, so were es durchs ablas vergeben
.12.Das sie lereten, wenn der pfennig ynn den
kasten klunge, so fure die seele gen
hymel
.13.Das man nicht rew noch leide haben durfft,
das ablas zu erlangen, es were gnug das
man itzt das gelt ein̂legte
.14.Das S. Peter selbs n̂icht grosser gnade geben kunde
denn das ablas war,
.15.Wo ist nu das ummesliche gelt, schatz vnd
gut hinkomen, das durchs ablas so lange
her, gestolen [Bl. 9a] vnd so schendlich erworben ist?
Summa, Wer wil alle die grewel erzelen,
die allein das ablas ynn allen stifften,
klostern, kirchen, kapellen klausen; altaren, bildern, tafeln, ia fast ynn allen heusern und kamern, und wo nur
gellt war, als ein rechter gewaltiger
abgot gestifft hat? Man müste von newen an die bucher lesen, die bey zehen iaren da widder geschrieben
sind. Nu sagt an lieben herrn, An dieser
vnaüssprechlicher dieberey und reuberey des gellts, und an solcher
[ 7 es o 14 kamern, 〈als ein rechte〉 15 gewaltiger rh abgot 〈regierte〉 16 die 〈vor ze〉 17 an 〈der verf〉]
[Seite 285a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 285b
vnbegreifflichen menge der verfüreten̂ hertzen vnd gewissen, vnd an
solcher aller erschrockenlicher
grewlicher lugen vnd lesterüng, des leidens Christi, des Euāgelij, der gn̂aden vnd Gottes selbs, so
durchs ablas begangen ist, seid yhr
geistlichen alle sampt schüldig, nicht allein die yhr das gellt dauon
habt genomen, sondern auch die yhr still
dazu geschwigen vnd solchem teüffels
wueten williglich zugesehen habt, Man sagt von auffrur, von kloster
einnemen, von Turcken, Ja was sind
solche stuck alle sampt gegen euch ablas
kremer allein, wenn mans nur bedencken wolt? Es ist ein recht
Turckisch heer gewest gegen den rechten
Christlichen glauben
Welcher ist aber vnter euch allen, der
fur solch erschreckliche grewel, ye ein
mal busse gethan, ye ein mal geseüfftzet, odder ye ein auge nass gemacht hette, Ja yhr wolt itzt, als die verstockten
vnpusfertigen, nie kein vbels gethan
haben, kompt nu da|her gen Augsburg, vnd beredet vns, der heilige [Bl.
9b] geist sey bey euch vnd werde durch
euch (die yhr ewr lebtage nichts bey der Christenheit, denn schaden gethan habt) grosse Ding
aüsrichten vnd darnach flugs gen himel
furen, mit allen solchen vngebüsseten, dazu verteydingten greweln, als muste er ewr fro werden, das yhr ewrm Gott
Baüch so herrlich gedienet vnd sein̂e kirche so iemerlich verwustet
habt Darumb habt yhr auch kein gluck,
[ 2 lugen vnd rh 3 selbs, 〈seyd yhr〉 7/8 gegen — kremer allein um
8/9 Es — glauben rh 11 mal (1.) steht über 〈man〉 14 vnd 〈werde vns ketzer verdammen〉 14/15 werde — flugs rh 17/18 das —habt rh]
[Seite 286a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 286b
sollet auch keins mehr haben, yhr busset denn
vnd bessert euch Wolan das ist der
laruen eine, Also stünd vnd gieng es ehe meine lere kam, ynn dem stück, Das nu nicht mehr so stehet, ist
schuld meines auffrürisschen Euangelii
Dem ablas folget billich der ander iar marck. Confessionalia gen̂an̂t
2 Von den Confessionalibus
Das waren die butter briefe, darinn der
Bapst ver|kaufft freyheit, butter, kese,
milch, eyer, zu essen vnd macht gab ym hause messe zu horen, vnd sich ynn verboten gelied zü verheyraten
vnd einen beicht vater welen̂, so offt er wolt,
bey leben, vnd ynn todtes noten, von pein vnd schuld zu entbinden, vnd der gleichen, Lieber, war das nicht auch
ein lesterlicher iarmarckt ynn aller
wellt alles umbs gelt erfunden? Gerade als hette Gott solche stucke alle, nicht vor hin durchs
Euāgelion aller welt frey geschenckt
odder, als, hette es Gott verbotten, und sie weren die Risen, die Gottes
gebot mochten umb gellt verkeuffen., Das
Euangelion muste nichts sein vnd Gott
muste yhr kauffmanschafft sein. Dise schinderey iarmarckt und lesterung
ist
[ 1 denn rh 2 es 〈fur meiner〉 5 Confessionalibus 〈das ist von butter briefen〉 7 gab o 8 zü o 11 ynn — wellt rh 14 verkeuffen. 〈Nein〉 15 schinderey r 〈vnd〉 iarmarckt vnd rh]
[Seite 287a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 287b
auch durchs auffrurische Euan | [Bl. Ca]gelion
gestortzt. aber nu alles vergessen, und
ist kein bisschoff odder geistlich, dem es leid were [Bl. 10a]odder vergebunge bedurffte für Gott, und hie war auch kein
bisschoff noch Doctor, der solchs hette
gestrafft sondern alle geschwigen vnd bewilliget Wolan wir wollen auch zusehen, ob Gott sich so wolle effen lassen
wie sie meinen
·3· Von̂ der Beicht
Da sind ewr bucher noch vorhanden
darinn yhr die beicht gesetzt vnd gelert
habt, Welche ich fur der grossesten plagen eine rechn̂e aüff erden, damit yhr aller wellt gewissen
verwirret, so viel seelen verzweiffeln
gemacht, vnd aller menschen glauben an Christo geschwecht vnd
gedempfft habt Denn yhr habt vns gar
nichts vom trost der absolution gesagt, welche
das heubtstuck vnd das beste ynn der beicht ist, die auch den glauben
vnd vertrawen an Christo stercket,
Sondern, ein werck habt yhr draus gemacht,
mit gepotten durch gewalt erzwungen von den vnwilligen hertzen, ewr
tyranney zu stercken Vnd darnach, en̂gsten, martern vnd geisseln
lassen mit erzelung aller sunden, das
ist, mit vnmuglicher erbeit, ruge vnd fride des hertzen
[ 1 nu 〈nicht〉 alles c aus allein vergessen, 〈sondern〉 3/4 vnd — bewilliget rh 9 yhr 〈so viel〉 (über viel steht noch, aber
ausgewischt, vnd) aller wellt
rh seelen rh 11 habt rh 14 durch
gewalt rh 14/15 ewr — stercken rh 15 en̂gsten, steht über 〈beschweren,〉]
[Seite 288a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 288b
ewiglich, verstoret Wenn wolt yhr aber solche
seelen alle her widder bringen vnd den
mordlichen, grundlosen schaden erstatten? Solche beicht hat mein Euangelion auch zu recht bracht und die
blöden gewissen widder gesterckt, Da
kein Bisschoff doctor, noch hohe schule ichts von gewüst, Vnd itzt
widder rew noch leide fur solchen iamer
haben,
[Bl. 10b] 4 Von der busse
Das ist die grundsuppe vnd die helle
selbst, Und wenn man euch alle grewel
vergeben und schen̂cken wollte, so kan man euch doch dis stucke nimer mehr vergeben, Dis stucke hat die helle
gefullet vnd das Reich Christi
grewlicher verstoret, denn der Turcke odder die gantze wellt ymer mehr
thun kan, Denn so habt yhr vns geleret,
Das man solle durch vnser werck gnug
thun fur die sunde, auch gegen Gott Vnd das heisset die sün̂de gebusset. Der rew vnd beicht, habt yhr n̂irgen̂t so viel gegeben, wie wol yhr
auch werck daraüs gemacht habt, Was ist
nu das anders gesagt, dü müst fur deine
sunde gnugthun, denn so viel? Du must, Christüm verleugnen, dein tauffe
[ 1 ewiglich, rh verstoret c aus verstoren 5 haben, 〈Es were denn das die büsse [nun war ursprünglich
hineinkorrigiert: were] das sie einen ehlichen pfaffen todten, [nun
ursprünglich weiter: on o] vmb der ehe willen, Ehe das ist sunde Beicht marter
ist ablas vnd gottes dienst〉 12 auch — Gott rh 14 müst fur
steht über 〈solt〉]
[Seite 289a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 289b
widder ruffen, das Euangelion lestern, Gott
lugen staffen, die vergebung der sunden
nicht gleüben, Christus blut und tod mit fussen tretten, den heiligen geist schenden dürch dich selbs mit solchen
tugenden gen himel fahren Ach, wo sind
hie züngen vnd stimmen, die hievon mugen gnugsam reden
Was ist nu solcher glaübe anders denn
der Turcken vnd heiden vnd Jüden glaube,
welche allesampt auch wollen durch yhre werck gnug thün? Wie ists aber muglich, das eine seele nicht
verzweifele so sie kein andern̂ trost hat widder
die sunde denn yhre eigen werck? Dis alles kund yhr nicht leugnen Ewr bucher sind vorhan̂den, Darin̂n nichts vom [Bl. 11a] glauben,
wedder ynn der beicht noch busse geleret
wird, sondern eitel eigene werck, Noch ist
hie kein bisschoff noch geistlicher, der ein threnen liesse fur solche
gressliche, hellische lesterung Christi
Sondern sind rein vnd sicher, Schelten vns die weil auffrurer, und wurgen die ehepfaffen, auch
widder yhr eigen recht, ergern sich, das
die Luterisschen sich nicht stellen als fasteten sie, wie sie thun noch platten
[ 2/3 den —schenden rh 3 mit —tugenden
rh 4 sind steht über 〈ist〉 reden steht
über 〈schreien〉 reden 〈vnd zeter, mordio uder alle bisschoffe, Doctores vnd
geistlichen schreien [nun rh: die hie still geschwigen haben ], Dis stuck ist
mir zu weit vberlegen,〉 5 Was c aus Ab[er] 7 sie 〈nicht〉 8 eigen o 10 eigene steht über
〈gute〉 14 nicht —thun rh. Ursprünglich schrieb L.: nicht
fasten, fügte dann rh hinzu: furgeben wie sie, noch, strich dann aber dies
alles, auch noch, und mußte daher das vnd vor platten streichen und noch
darübersetzen.]
[Seite 290a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 290b
tragen, Vnd trotzen dem ewigen Gott noch dazu,
vber alle yhr vmmenschliche bosheit
Aus diesem grewel sind komen, vnd haben
auch mussen draus komen vnd ist kein
weren, gewest, alle ander grewel, nemlich, so viel der kloster vnd stifft eigen heiligkeit, mit yhrem Gotts
dienst, Die opffer Messen, Fegfeür,
Vigilien, brüderschafften, walfarten, Ablas, fasten, heiligen dienst,
heiligthum, Poltergeister, vnd die
gantze Procession des hellischen creützgangs,. Denn wie ists anders muglich, wenn sich ein gewissen
auff seine werck sol setzen vnd bawen so
sitzt es auff einem losen sande, der reitet vnd rieset ymer fort, vnd mus werck suchen ymer eines nach dem andern,
yhe lenger ye mehr, bis das
[eingeklebter Queroktavzettel 10c Rückseite] man zu letzt, den todten,
Munchkappen anzoch, darin̂n̂ sie solten gen himel faren,
Lieber herr Gott, wie solten arme
gewissen thun? Sie musten auff werck bawen, darumb musten sie auch
so iemerlich suchen, vnd erhasschen, was
sie sinden kündten, vnd ynn solche tieffe
torheit fallen
[ 4 gewest — grewel rh der o 5 eigen heiligkeit o 8 sich 〈hertz〉 ein gewissen rh 10 das 〈auch hernach der gantz welltliche stand dadurch zerrissen
vnd veracht worden ist, denn herr [steht, nicht mit durchgestrichen, über
oberkeit, worauf ursprünglich noch rh vnterthan] Vater, mutter, son, tochter,
knecht, magd, das [darüber, nicht durchgestrichen sein] sin̂d keine gute werck gewest,
haben auch zur buße nicht mussen gehoren Also hat dis stucke, beyde Gottes vnd
keisers reich, mit fussen getretten, Und [Bl. 11b] ein eigens daruber
ertichtet, das weder dis noch das ist. Und sie selbs nicht wissen, was es ist,
wie Moses [ursprünglich anderes Wort angefangen] sagt, das sie einen Gott
ehren, den sie selbst n̂icht ken̂n̂en̂〉]
[Seite 291a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 291b
Vber das wurden durch solche
schendliche lere alle rechtschaffene gute
werck, von Gott gestifft vnd geordenet, veracht vnd gar zu nichte
gemacht, als, oberherr, Vnterthan Vater,
Mutter, son, tochter, knecht, Magd, Das
hiessen nicht gute werck, gehoreten auch nicht zur busse, Sondern
hiessen ein welltlich wesen ferlicher
stand vnd verlorne werck, Also gar hat das stuck, beyde Christlich vnd [Vorderseite] welltlich
wesen mit fussen getretten, vnd widder
Gott noch dem keiser gegeben was yhn geburt. Sondern ein new vnd
eigens ertichtet, das widder dis noch
das ist, Vnd sie selbst nicht wissen, was es ist, weil kein Gottes wort dabey ist, wie Moses
sagt, Das sie den Gottern dienen, der
sie doch nicht ken̂n̂en; Vnd
das war auch nicht wunder, Denn man zu
der Zeit, auch dis Euangelion nicht anders wuste zu p̄digen, denn das man draus lernen solte, exempel vnd gute werck,
Vnd hat vnser nie keiner, ein Euangelion
gehert, das zu trost dem gewissen, zum glauben vnd trawen auff Christum gezogen were, wie es doch billich
sein solte, vnd wie es itzt Gott lob
widder gep̄digt wird, Vnd war also die wellt ym Euangelio, doch on Euangelio
[Bl. 11b] Das sie doch solch gnugthun
fur die sunde hetten weislich vnterschieden,
nemlich also, Das es geschehe gegen den menschen nicht gegen Gott wie
[ 3 Magd, 〈sein〉, 4 hiessen c aus hies 5 wesen 〈vnd〉 6 wesen 〈zer〉 10 der o 11 dis oder das c aus
die 17 nicht —Gott rh]
[Seite 292a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 292b
Christus Matt. 7. und 18. an zeigt, wie es
vorzeiten auch die heiligen Veter
gebraucht, vnd die Christen, so gesündigt hatten, liessen dafür gnug
thun, fur der kirchen vnd den brudern
wie es die wort mit bringen, das sie 2. 3. 7. mal haben büsse auff gelegt &c. so were
Christus doch blieben mit seinem gnugthun fur
vns ym himel, Aber hiemet weren die Gotts dienst ynn stifften und
klostern vnd ablas (wie droben gesagt)
nicht auffkomen vnd were dem grossen Gott
Bauch, nicht so viel zü gangen, Darumb musten sie es ynn ein̂ander mengen und zu letzt, allein fur Gott hin̂auff treiben̂, Wie wol dieser yrthum
von anfang der Christenheit, auch durch
grosse leüte, als Origenes S Hierony, S.
Gregoriū, an̂gefochten hat, aber n̂icht so gar yns regiment vnd zu Gottes stul komen, wie vnter dem Bapst geschehen.
Denn dieser yrthum ist der Eltest von
anfan̂g der
wellt gewest, wil aüch wol der iungst bleiben bis an der wellt en̂de Wollen nu der selbigen
erfolgeten ettliche stück erzelen̂
[ 1 an zeigt rh für am Anfang der
nächsten Zeile 〈leret〉 3/4 wie —&c. rh für auf dem anderen (linken) Rande
gegenüber 〈wie es die namen mit bringen〉 4 gnugthun 〈ym〉 5 vnd o 6 vnd ablas o grossen Gott rh 8 vnd steht über ia 9
Origenes rh 10 S. o 13 nu steht über 〈aber〉
ettliche rh]
[Seite 293a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 293b
Erstlich von der kauff messe odder winckel
Messe
Hie wisset yhr selbs, lieben herrn,
welch einen schendlichen treudel vnd iar
marckt yhr aus dem Sacrament gemacht habt, Das ist ewr aller gemein̂ hand [Bl. 12a] werck gewest, das yhr
teglich ynn aller wellt, so viel tausent
messen vmb gellt gekaufft vnd verkaufft habt, eine vmb einen grosschen, eine vmb acht pfennige, eine vmb sechs
pfennige &c̄. Vnd hilfft hie kein entschüldigung
noch leugn̂en, Denn ob yhrs nicht einen kauffs handel habet genennet, So wisset yhr doch, das ynn der
that nichts anders, denn ein kauffhandel
gewest ist, Vmb gelt ists geschehen, Jst nicht gellt da gewest, so sind die Messen nach blieben, Diese sunde ist
allein̂ so
grewlich, das nicht wunder were, ob Gott
hette alle welt lassen drüber zu Turcken werden odder ynn abgründ versincken, Vnd meiner grossen
verwunderung eine ist, das Gott hat
mugen so lange dulden, Es ist ein vnbegreiffliche gedult, wie wol der zorn sich nicht geseumet hat. Wolan̂ das habt yhr gethan, und so
ists gestanden bey euch, ehe vnser Euangelion
kam, durfft euch nicht so seer
[ 1 kauff steht über 〈opffer〉 2 schendlichen 〈ia〉 5 gekaufft vnd rh 6 Vnd 〈ist〉 10 allein̂ rh 11 ob 〈vns〉 12 ist o]
[Seite 294a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 294b
schmucken, Es ist am tage so fast, das eüch
selbs dazu mal da fur grewet vnd
liessets gleich wol gehen, vnd muste keine newigkeit heissen.
Jtzt wollen sich ewr gelerten pützen,
vnd zihen alte Canones vnd veter spruche
erfur, das die Messe ein opffer bey yhn genennet sey. Pütz dich liebes ketzlin, du darffts wol, Wenn du lange
Canones vnd spruche furest, was hilffts?
wir reden hie von den kauff messen und winckel messen, Vnd die Canones reden von der gemeinen odder coi̿canten Messen, [Bl. 12b] vnd
treiben dazu hefftig auffs Communiciern,
Das thun die kauff messen nicht, Vnd
reymen sich mit der gemeine odder coi̿cant messen, gleich wie eine
heymliche pfaffen hüre mit einer frumen
redlichen offentlichen braut So gar fein wissen
sie die Can̂ones zu furen, die hochgelerten. Und das noch viel feiner ist, Die alten Can̂ones scheiden das opffern vnd
coi̿ciern
fein von ein̂ander, so mengen sie es noch viel
feiner ynn einander, Denn ym anfang der Christenheit, wenn man messe halten wolt, hielten sie des alten
gesetzes weise, vnd brachten die
Christen erstling, auff den altar, von allerley fruchten auch von milch,
honnig, epfel vnd birn &c. das
opfferte deenn der priester, Wie Moses den Juden gebeüt, Da het das ampt auch lange hernach ein opffer
geheissen̂, Aber
darnach gieng
[ 4 sey steht über 〈sind〉 liebes rh 7 der gemeinen odder steht
über hohe des volcks Messen 〈Also stehen die schendlichen
kauff messen vnd winckel〉 8 dazu o 9 In der sind die
Grundstriche d nachgezogen
heymliche rh 10 frumen o 13 noch viel feiner rh 14 die c aus des 14/15
die Christen rh 15 erstling steht über primitias von o auch von rh 16 &c.. 〈wie solchs Mose〉]
[Seite 295a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 295b
das communiciern an, odder sacrament handeln,
das heissen sie nicht opffern sondern
coi̿cieren,
Aber vnser kauff messen machen ein opffern aus dem sacrament vnd lassen das coiciern faren
Hie müs ich nu mit euch, lieben herrn̄ reden, die yhr schreyet,
man solle kein newigkeit zu lassen, Sagt
mir, ist die kaüff messe nicht eine schendliche
newigkeit? Warumb habt yhr sie denn lassen auffkomen vnd schutzet sie noch itzt? Ja wenn yhr hettet keine
newigkeit zu lassen, Lieber, was vnd wie
viel wurde man doch itzt wol bey eüch finden, das ynn den alten Canonibus vnd vetern stehet? Jnn eine nus schalen wolt
ichs schier fassen, so doch da gegen ewr
newigkeit die wellt erfullet hat
[Bl. 13a] Jch wil wol mehr sagen, Was
ist ewr kirchen stand fur unserm
Euangelio gewesen, denn eitel tegliche newigkeit, eine vber die ander,
dazu mit hauffen, wie eine wolkenbruch
herein gerissen, Da hat einer .S. Annan auffgericht, der .S. Christoffel, der .S. Georgen, der S
Barber, der S Bastian, der S Katherin,
der wol xiiij nothelffer, Vnd wer wil allein solche newe heiligen dienst erzelen? Sind dis nicht
newigkeit? Wo waren da denn
[ 1 das 〈heissen, 2. und 3. Buchstabe c aus ?〉 heissen rh 2 kauff messen 〈thun〉 opffern 〈draus〉 2/3 aus dem sacrament rh 3
faren 〈Also〉 Dann: 〈Ja lieber Hans, du must brillen
auffsetzen, wenn du Canones bringen wilt, Sonst wirstu dich be... en〉 10 newigkeit 〈schier u〉 erfullet hat steht unter 〈nicht begreiffen kan〉 12 tegliche rh
ander c aus andern 15 solche 〈newigkeit〉]
[Seite 296a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 296b
bisschoue vnd schreir, die solchs nicht
solten zu lassen? Also weiter, Einer
richtet den rosenkrantz, der ander, die krone Marie, ihener, den Psalter
Marie, dieser zehen pater noster
steinlin an den thüren, dieser .S Brigitten gebet der dis gebet, ihener das gebet, vnd des on alle
zal vnd mas vnd alle bucher vol, Wo war
hie ein bisschoff odder Doctor, der solche newigkeit doch hette ein wenig schel angesehen?
Also mit den walfarten, da giengen
teglich newe auff, zum Grymtal, zür
Eichen, Birn̂baum zü Regensburg vnd so viel vnser liebe frawen, Es war schier kein kappelle odder altar, es wolt
eine walfart daselbs auff gehen, Vn̂d lieffen die leute, als weren
sie toll, aus dem dienst vnd gehorsam, das
[ 1 zu lassen? Danach sollte wohl eingeschoben werden,
was jetzt am Rande durchgestrichen steht: wo stehts ynn den alten canoī 3
dieser zehen —thüren rh 5 vol o 6 ein wenig rh angesehen? 〈Nein〉 8 zü Regensburg rh 10 aus dem
steht über 〈vom〉]
[Seite 297a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 297b
mans greiffen mocht, es were teuffels
gespenst, noch schwigen bisschoffe vnd
kloster vnd hohen schulen stille, Vnd were unser Euāgelion nicht
komen, so were kein raum noch stet mehr
zur walfart vbrig blieben, Vnd war das
nicht ein sonderlicher meisterlicher beschiss, mit vnsers [Bl. 13b]
herrn Rock zu Trier wie hernach
dieselbige schendliche lugen ist offenbar worden, Was haben alle lüterissche newigkeit gethan, gegen
diesem einigen betrüg vnd schalckeit?
Aber hie war niemand, der newigkeit beschreien odder auch anzeigen
kund, Sondern der luther, der solch
newigkeit anzeigt vnd strafft der bringt newes auff
Jtem wie teglich vnd mancherley
vernewet sich wol das ablas allein? wie
mancher ley newe bruderschafften richten pfaffen vnd munche aüff, dürch alle handwerck, durch aller heiligen namen?
teglich verkaufften sie briefe der
bruderschafft vnd gaben yhr gute werck vnd heiliges leben vmb gellt,
verkaufften vigilien, iargezeiten, seel
messen, mit gepreng vmb die bahr Ettliche
erfunden, gulden messe, ettlich, die funff messen, ettlich der vnd der
art messe,
[ 3 Und war steht über 〈War〉 5 wie 〈es〉 Luther hat später mit anderer Tinte
dieselbige lugen und dann auch noch schendliche hineinkorrigiert 8 Sondern
steht über 〈Aber〉 9 vnd mancherley o 10 newe o 14 der (2.) o]
[Seite 298a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 298b
die auch keine zal hatten Dauon doch freylich
nichts bey den altern Vetern funden
wird, Jch wil hie schweigen des heiligthumbs, Hilff Gott, wie gieng da newes vber newes, vnd darunter solch,
grobe, greiffliche lugen vom heiligen
creutz, von viel gantzen corper einerley heiligen von vielen fingern,
eines einigen heiligen, bis das man S
Franciscus nidderwad auch ehret, vnd frawen har
fur S katherin har, Sümma es war hie kein ende [Bl. D a] noch mas, , Das
yhr selbst ein gelechter zu letzt draus
machtet, noch giengs vngestrafft dahin, vnd
kein̂ bischoff, sahe hie ettwas newes
Wenn ich aber solt auff die Cantzel vnd
predig stul komen, da wurd es erst,
recht grundlos werden [Bl. 16a] Da predigen die munch teglich yhr newe gesicht, trewme vnd gedancken, newe
wunder vnd exempel, vnd des auch kein̂e masse. [Bl. 14b] Es war
schier kein munch, wenn er zwey odder drey
iar ein prediger gewest war, so macht er ein new sermon buch das muste denn eine zeitlang den p̄digstuel regieren, Vnd ward die
weltsolcher bucher vol, Vnd war doch
nichts drin̂n̂en von
Christo vnd dem glauben, sondern
[ 2 Hilff c aus Hilfft 4 viel o 5 man 〈hew〉 ehret, 〈vnd hew〉 har o 6 war hie steht über ist Das 〈vn〉 7 selbst 〈vm〉 9 Vor Wenn links r Hie mit 10
Nach werden r das Zeichen Links
darunter: Verte foliū Das Zeichen kehrt wieder Bl. 16a oben links r 12
masse. 〈Die Doctores ynn den hohen schulen
hatten sonst nichts zu thun. denn new opiniones zu [zu o] erdencken, Vnd es
hette [ hette steht über 〈were〉] einer nicht wol mit ehren [wol mit ehren rh] ein Doctor
konnen sein [konnen sein u. davor noch ein vorher durchgestrichenes mit steht
über gewest], der nicht was newes hette auff gebracht Das muste denn hernach
auff die Cantzel [Das —Cantzel rh]〉 Dafür is durch das
Zeichen auf Bl. 14b verwiesen. 13 buch 〈Vnd〉 15 Vnd steht über 〈Noch s〉 doch o]
[Seite 299a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 299b
alles von vnsern wercken, verdienst vnd
andacht, mit viel falschen schendlichen
exempeln, Wenn sie aber yhr bestes drinn thetten, So war es von den
heiligen anzuruffen, vnd yhrs ordens ia
nicht vergessen. bis das sie das heilige, edle
mensch die iungfraw Maria, aller wellt furbildeten als eine mitlerin
der armen sunder, auch gegen yhrem son
Christo selbs Denn wir wissen alle
mitein̂ander, Vnd ich bin so wol drinnen gesteckt alls alle ander, das wir Mariam schlecht an Christus stat vnd ampt zu
halten gelert waren, Hielten
Christū fur vnsern zornigen Richter, vnd Maria fur vnsern
gnadenstuel, da hin all vnser trost vnd
zuflucht stünd, so wir anders nicht verzweifeln wolten, War das nicht eine grewliche newigkeit? Wo
waren hie Bisschofe, die solche newe
lesterer und verrether Christi, strafften? die Christo sein ampt namen, vnd gabens, Maria, die vns lereten von
Christo fliehen vnd vns fur yhm furchten
als fur dem stock meister vnd vnser zuuersicht, die wir yhm schuldig sind als den rechten Gotts dienst, anders wo
hin keren, Eitel abgotterey haben wie
von [Bl. 14a] den verrethern gelernt
[ 1 alles rh 5 yhrem son rh 11 newe o
12 vns (2.) o 13 als —stock meister rh wir 〈ge〉 schuldig c aus schudig 14 als — Gotts
dienst rh 15 von darunter rechts r: den verrethern verte zu ruck]
[Seite 300a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 300b
Da zu holffen die Doctores ynn den
hohen schulen, die sonst nichts zuthun
hatten, denn new opiniones, einer vber den andern, zu erdencken, Vnd es hette einer nicht mit sonderlichen
ehren mugen Doctor sein̂, wer nicht ettwas
newes hette auffbracht, yhr bestes aber war, das sie die heilige schrifft verachten vnd vnter der ban̂ck liegen liessen Was Biblia,
Biblia? sprachen sie, Biblia ist ein
ketzer buch Man müs die Doctores lesen, Da find man es, Jch weis, das ich hie nicht liege, Denn
ich bin ia unter yhn auffgewachsen, hab
solchs alles von yhn gesehen vnd gehoret, Scotus schreibt, das man aüs der schrifft nicht beweisen kan, diesen
artickel, descendit ad inferos, Occam,
mein lieber Meister, schreibt, das man aus der schrifft nicht beweisen
muge, Das einem menschen zum guten
werck, Gottes gnade, not sey, Das sind die
besten zween, Was solten die andern thün? Vber diese alle gehet, Thomas Aquinas, lerer aller lerer (sagen anders die
Prediger münche recht) der sagt frey,
Das Munch werden sey gleich so viel, als getaufft werden, So sol man
[ 3 mugen 〈ein〉 4 yhr steht über 〈das〉 bestes c aus beste 5 vnd —liessen rh 6
Biblia — buch rh 11 gnade c aus gnaden 12 zween rh 12 /301,2 Vber —Bisschouen
unten nachgetragen]
[Seite 301a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 301b
Christus blut vnd sterben ehren, Noch ist das
kein newigkeit, vnd er ist dazü
Canonisiert vom Bapst vnd allen Bisschouen Summa es war iamer vnd hertzeleid mit predigen vnd leren Noch
schwigen alle bisschoue still vnd sahen
nichts newes, die doch itzt eine newe mucken ynn der sonnen sehen kon̂n̂en̂, [Bl. 16a] Vnd stünd also alle ding so must
vnd wilde, fur eitel vneinigem leren,
vnd seltzamen newen opinion, das niemand mehr wissen kund, was gewis odder vngewis was ein Christ odder
vnchrist were, Da lag die alte lere vom
glauben Chr̄ī, von der liebe, vom gebet, vom Creutz, vom trost ynn trubsaln gar darnider, Ja es war kein̂ Doctor ynn aller welt der den gan̂tzen Catechismum das ist das vater
vnser zehen gebot vnd glauben gewust
hette, Schweige, das sie yhn solten verstehen vnd leren, wie er den̂n̂ itzt (Gott lob) geleret vnd gelern̂t wird, auch von Jungen kindern
des beruffe ich mich auff alle yhre
bucher, beide Theologen vnd Juristen, Wird
man ein stuck des Catechismi draus recht lernen konnen, so wil ich mich
redern vnd edern lassen̂ Noch muste dort nichts newes
sein, dis aber mus newe sein̂
[ 1 er o 4 newe o kon̂n̂en̂, Daneben mit kleinerer Schrift
Sequitur Vnd stund [bezieht sich auf Bl. 16a] 6 mehr 〈gewis〉 7 vngewis 〈war, da〉 were c aus wer 9 ynn trubsaln o Ja steht über 〈Ja〉 war 〈schier o〉 〈nicht〉 10 den c aus da gan̂tzen steht über 〈Cate〉 Catechismum 〈auch schier nach dem text hin〉 das vater
—glauben rh 11 sie 〈es〉 den̂n̂ o 12 auch —kindern rh 12/15 des —lassen̂ rh 15 sein, 〈vnd〉 sein̂ <Jch mus euch, lieben
herrn, ettwas heimlichs ynn ein ohr sagen, [Nun ursprünglich, aber vorher
durchgestrichen: Mit] Es sind ettliche [o] ewrs teils hier in̂n warlich [r] zu grob vnd
vnuerschampt, das man̂s an der wan̂d mus greiffen, die mein̂en, Es musse da bey bleiben ynn aller wellt wenn sie
ettwas new heissen, so musse es new sein [so –sein rh], Wenn sie es aber nicht
new heissen, so musse es nicht new sein Gott [c aus Gotth?] gebe, Es sey odder
sey nicht also. [die mein̂en —also steht über und unter 〈Denn so yhr solche erzelete [rh] grewel bergen vnd
[bergen vnd o] schmucken vnd vns schelten, als die newigkeit auffbringen, So
wird mans mercken, das yhr der meynung seit [steht über 〈seit〉] [Nun ursprünglich, aber im 2.
Stadium durchgestrichen: Was] [16b] new [steht über 〈Newigkeit〉] solle heissen, was yhr
wollet, Was yhr aber wollet sol allt heissen Gott gebe es sey also odder nicht
[Gott —nicht rh]〉] Jch bitte aber, [o] gehet des
handels abe, Denn das wurde zu letzt schal aus vnd kal abe gehen, Ewr gelerten,
die solchs hoch [rh] treiben vnd viel dauon [rh] schreiben, machen ewr sachen
damit nicht besser [steht neben 〈gut 〉] denn yhr habt eine bose sache [denn —sache rh] Vnd were
euch not vnd gut, das yhr sie hiesset stille schweigen denn sie [c aus die]
sind dieser sachen viel [o] zu gering Vnd wollet bedencken, Sollts dahin komen,
das dieser reichstag an ende abgienge, Vnd wir solchen schreier solten
antworten (als wir thun musten) So wurden wir die sachen von anfang new
angreiffen, Vnd euch also malen, vnd den schreiern, die Canones also an̂streichen, das es must gut
gemacht heissen Denn wir haben auch Canones gelesen, Vnd euch allen zu gut wolt
ich das man mich ia nicht zwinge ein Doctor Canonist zu werden vnd lies mich
ein Doctor Theologus bleiben> Dafür ist durch das Zeichen auf das verwiesen, was in der Hs. Bl. 15b
steht, s. o.]
[Seite 302a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 302b
[Bl. 15b] Ja sprichstu, Diese stuck
sind nu angenomen vnd ym teglichen
brauch, Aber dein̂es ist gar new,
Lieber sage mir wie allt ist wol.
S. An̂nen Abgott? Wie allt ist der Rosen Crantz, die Marien kron̂e? Wie allt sin̂d die Barfussen Pater noster
stein̂e, an
den thuren vnd thoren vnd ynn allen win̂ckeln Wie allt ist die walfart
gen Grimtal, Regenspurg, der Rock zu
Trier, vnd der gleichen viel mehr, waren sie nicht new für x, xx, xxxx iaren? Wer hielt aber da zu mal widder
die newigkeit So lasse mein Eüan̂gelion doch auch so lange
lauffen, was gillts, Es sol aüch allt werden,
Ja dein new Euangelion ist wol recht,
aber es hat eine sonderliche newigkeit
an sich, die nicht leydlich ist, Welche ist die? Ey es thüt schaden
[ 3 Abgott steht über 〈Gottsdienst〉 Dann: 〈Jch〉 die o 5 die —gen rh 6/7 waren
—newigkeit rh 9/10 ist —Ey es rh 10 an sich –leydlich ist steht über und unter 〈die ist le〉]
[Seite 303a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 303b
ym beutel vnd ynn der kirchen sagen die
Tümherrn zu Magdeburg, Das laut, sprach
ihen̂er
knecht, Das were doch ein mal gut deüdsch, das kün̂nd man verstehen, Hette ich das vorgewust, Warumb verlieren wir
denn bis her so viel wort? Wolan, so
wollen̂ wir hie
ym heimlichen Concilio schliessen, Das
newe lere heisse, was ym beutel vnd kuchen schaden thut, Alte lere
heisse, was den beutel vnd küchen
fullet, o lieber, n̂u schreibe vnd siegel zu, wir wollen̂s aüff den Reichstag gen̂ Aügsburg schicken vnd hören,
was die herrn dazü sagen
[Fortsetzung Bl. 16b] Gott weis, das
ich euch solchs zu vnehren nicht sage
Mir ist an ewrem verderben nichts geholffen Jch wolt lieber, es
stunde besser umb euch Aber das kon̂t yhr selbs wol bedencken, wo
yhr solche grewel vergessen wollet, dazü
euch noch schmucken und putzen, So werden leute
vorhanden sein, die es nicht vergessen Vnd werden villeicht vnsauber
gnug dauon handeln Denn solcher
vnuerschampter freuel ist nicht zu leiden, das
newigkeit heissen muste, was yhr wollet, Was yhr aber nicht wollet
muste nicht newigkeit heissen, zu
vnterdrucken die warheit widder ewr eigen gewissen,
[ 1 sagen steht über 〈wie〉 Magdeburg 〈sagen〉 〈viel〉 2 knecht, 〈das kund man Deutsch [c aus ist] ist ein〉 3 Hette —vorgewust rh 4 ym o 6 n̂u rh 7 Reichstag 〈zü〉 gen̂ rh 9 Vor Gott: 〈Denn das〉 solchs c aus? 10/11 Mir —euch rh 12
dazü o noch o leute 〈f〉 13 werden c aus werdens
14/304,2 Denn —vorhin rh]
[Seite 304a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 304b
Darüber wurden wir widder zum anfang der
sachen komen, vnd her nach erger mit
euch werden, denn vorhin Wie wol es erschrecklich ist, das man fur nimpt, solchen iamer zu bergen vnd sich
daruber noch rechtfertigen, vnd andere
lestern vnd verfolgen, Das wil ein zeichen sein, ein̂s verstockten
vnpusfertigen hertzen, vnd das yhr bald
zu grund gehen [Bl. 17a] musset, Sintemal
kein̂ sunde Gott hoher beleidigt vnd verdreüsst, denn so man offentliche
bosheit leügnen, schmucken vnd bergen
wil, wie Kain vnd Saul thetten Nicht so,
lieben herrn, thut nicht so, ewr doch ettliche, gebt Gott die ehr,
bekennet das yhr, ynn solchen stucken
vbel gethan habt, demutigt euch, so wird er euch erhohen, bittet, so wird ers eüch vergeben,
bessert euch, so wird er euch helffen̂
Werdet yhr aber euch nicht demutigen,
sondern solche stucke, wollen vergraben,
geschwigen vngebusset vnd vngestrafft haben, Vnd daruber die armen Lutherisschen noch verfolgen vnd ynn
synn nemen sie zu dempffen̂, Wolan, da wollen
wir euch zu sehen, Gehet eine plage vber eüch, als nicht anders sein kan, so gedenckt daran, das yhr
gnügsam gewarnet seit gewesen, yhr solt
die ersten nicht werden, die Gott vberpochen, das weis ich fur war, Jch meine es ia hertzlich vnd trewlich, ob
ich doch ewr ettliche mocht bewegen,
[ 1 Darüber c aus Darumb 2
erschrecklich 〈gnug〉 4 vnd verfolgen o 4/5 vnpussertigen c aus vnpussertigem
5 Sintemal steht über 〈Denn〉 8 doch ewr um
ehr c aus ehre 12 die 〈arm und Anfang von e〉 13 noch o
sie rh 14 Gehet 〈denn〉 15 daran steht über 〈denn〉 gnügsam o gewesen, 〈Denn〉 17 bewegen steht über 〈erretten〉]
[Seite 305a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 305b
Weil ich hoffe, das noch ettwa ein Lot odder
zwene ynn ewer Sodoma sind, Die andern
so vnbussertig bleiben, sollen nicht allein solche grewel nicht erkennen, damit sie doch mehr denn tausent
mal den tod verdienet haben, sondern
daruber auch die vnschuldigen (so solche laster vnd schande nicht wollen loben) wurgen, ertrencken, hen̂cken verbrennen &c. wie sie
denn redlich thun
[Bl. 17b] Es wil mir itzt zü viel
dinges zufallen, Jch wil widder auff die
winckel messen komen Vnd die grewel die mir itzt hiebey einfallen, sparen, bis ich sehe, wie yhr euch bessern odder eüch
putzen vnd weisbernen wollet auff diesem
reichstage, So wollen wir denn komen mit ewr rechten farbe, vnd euch proficiat bieten, ob Gott wil Von dem iar marckt der kauff Messen sey dasmal gnug Nu wenn sie gleich
nicht verkaufft, sondern auffs beste vnd
vmb Gottes willen gehalten ward, dennoch leret vnd hieltet yhr sie fur ein opffer vnd werck, damit man, Gott
dienet, vnd beyde für vn̂s vnd andere, sie
weren lebend odder tod, die sünde, gnugthet, vnd das aller meiste
[ 1 ein 〈Lott〉 3 mal den o 7 wil steht über 〈wollen〉 itzt steht über 〈der grewel〉 dinges o Jch 〈wil〉 7 kauff rh 8 die 〈kauff und Anfang von m〉 hiebey rh 9
euch —odder rh 10 diesem steht über 〈dem〉 12 gnug 〈angezeigt〉 13 sie o]
[Seite 306a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 306b
fur die todten̂, wie wir alle wissen, das die
Messe schier gar fur die todten widder
das fegfewr streiten must Mein weybisschoff, da er mich zum Pfaffen macht vnd den kelch ynn die hand gab, sprach
ia nicht anders denn also. Accipe
potestatem sacrificandi pro viuis & mortuis, das vns da die erde nicht beide verschlan̂g, das war vnrecht vnd allzu
grosse Gottes gedült Die lebendigen
hatten das dauon, das sie gleubten, wer des tages eine messe sehe, der were genesen, sicher vnd selig, dis war
der beste vnd gemeineste braüch der
messen̂, Das
kont yhr nicht leugnen, fragt drümb alle kauffleüte vnd was vber felt zihen muste vnd alle frume
burger vnd burgerin ynn stedten, zum
wenigsten von der Rorate Messe.
Jst das nicht eine schreckliche
newigkeit? Sagen nicht ewr alte Canones
Apostolorüm, Niemand solle bey der Messe sein, der nicht coīcieren
odder das Sacrament nicht mit empfahen
wil, Hatts nicht Christus eingesetzt zu empfahen, vnd sein da bey zu [Bl. 18a] gedencken den
glauben an yhn zu stercken da er
spricht, Solchs thut zu meinem gedechtnis Jhr aber schweigt solchs gedechtnis lasst sie es nicht thun noch
empfahen leret vnd vermanet nicht
[ 1 todten̂ 〈vnd〉 2/5 Mein —gedült rh 3 hand o 4
das 〈wir〉 5 vnd —gedült nachgetragen 8 drümb rh 11 schreckliche
steht über 〈grosse〉 12 /13 das Sacrament c aus des Sacraments 13 nicht (1.) 〈br[auchen?]〉 14/15 den —gedechtnis rh 16
lasst —empfahen rh]
[Seite 307a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 307b
zum glauben, wie es chr9 eingesetzt hat,
lassets damit bestrichen sein, das der
beysteher, habe die Messe gesehen, die yhr die weil heimlich opffert,
Vnd lasst also dem armen zuseher, die
lugen vnd falsche zuuersicht ym hertzen bleiben, als hab er wol gethan, mit seinem zusehen,
vnd nichts vberal des sacraments widder
leiblich noch geistlich geneusst, wie es doch Christus haben wil vnd seine Apostel nach yhm, Jch sages noch, Jhr
klagt das man euch stifft vnd kloster
guter nimpt, Man solt vmb solchs grewels vnd lesterlichen misbrauchs willen der Messen, mit stifften vnd klostern
vmb gehen, wie Josias der konig Juda mit
den Altaren zu Bethel vmbgieng, das nicht ein stein auff dem andern bliebe, das were billich vnd recht, wo
yhr euch hier in̂n̂ nicht
bessern wollet
Jhr schreiet, Was ist doch gutes aus
der newen lere des Luthers komen? Jch
mus euch widder fragen, Sagt mir, Was ist auch guttes bey eüch blieben? Nicht ein stuck habt yhr vnüerderbt gelassen
Die Messe, vnsern einigen hohesten schatz, habt yhr (wie gehoret) mit vnzeligen
abgottereien vnd grewelen zu schanden
gemacht, vnd den rechten Christlichen brauch mit fussen zutretten, den
glauben verstoret, vnd das wort
geschwigen [Bl. 18b] Die tauffe ist bey den kindern
[ 2 die (2.) steht über 〈vnd〉 yhr 〈hab sie〉 opffert c aus geopffert opffert 〈habet〉 3 lugen vnd rh 4 als hab steht
über 〈das〉 gethan 〈habe〉 seinem c aus seiner. Dann 〈andacht〉 6 euch c aus ewrn 13 auch o 14
gelassen c aus lassen lassen vnüerderbt
um 15 abgottereien vnd rh]
[Seite 308a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 308b
blieben wie wol vngeschickt vnd vnvleissig
gnug, Aber so bald das kind erwachsen
ist vnd zur vernunfft komen, habt yhrs flugs erwurget erger denn der Turke thut vnd yhm die tauffe widder
genomen, dürch ewre leidige, busse vnd
werck lere, dadurch es lernet, seine tauffe, als durch sunde nu verloren
vnd zu nicht worden, zu verachten, vnd
hinfurt durch seine eigen werck die seligkeit
zü suchen, gerade als were die tauffe ein vergenglich menschen werck
gewesen, gleich wie die widerteuffer
leren, vnd nicht ein ewiger bund | [bl. D 4b] Gottes Sagt mir hie, was ist güts bey euch blieben,
Jch wil schweigen was gutts draus komen
sey? So wir auch vnser tauffe, sacrament, Euangelion, glauben, vnd Christum fur euch nicht haben konnen
behalten, Denn yhr nichts rechts,
sondern alles widder die tauffe, sacrament, busse gelert habet, das ist
am tage
Vnter dem Turcken ist doch das Vorteil,
das wenn yemand getaufft ist, so leret
man yhn̂ ia
nicht widder seine tauffe, son̂dern das bose Turckische
wesen vnd exempel ist ferlich vnd ergerlich, Vnd ob man gleich widder
die tauffe lerete, so ist gut widder zu
stehen weil der Turcke kein Christ vnd bey
eym Christen mit seiner lere veracht ist. Aber hie bey euch ist nicht
allein das exempel vnd wesen ferlich,
Sondern yhr leret auch da widder, vnd sturmet
[ 1 blieben o 2 ist o komen rh 2/3 erger —thut rh 4 sunde 〈ve〉 5 seine rh 6 die tauffe steht
über sie 6/7 gerade —Gottes oben rh statt links rh: 〈gerade als were sie ein [nun nachgetragen: vergenglich
menschen] werck gewesen vnd nicht ein ewiger bund Gottes,〉 9 ? c aus, 12 das (1.) c aus d ..? 13 yhn̂ ia steht über 〈doch〉 son̂dern steht über 〈allein〉 14 wesen vnd o 17/309, 1 vnd
sturmet —da widder a rh]
[Seite 309a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 309b
mit worten vnd wercken da widder vnd thut das
vnter dem namen Christi, als die lieben
Veter der seelen vnd freunde der tauffe, das schneit, wie ein scharffes scher messer, wie der Psalm sagt,
Welchs klagt auch .S. Peter vber euch
.2. Pet. 2. Sie reden [Bl. 19a] prechtige wort, da doch nichts hinder ist, vnd reitzen durch vn̂zucht zur fleischlichen lust.
die ien̂igen,
die RECHT ENTRVNNEN waren, vnd nu ym
yrthum wandeln müssen &c̄.. Das gut aber so
aus meiner lere komen ist, ist, das solche ewr grewel vnd lesterüng
alle an tag bracht vnd verdampt sind
welchs allzu viel vnd gros gut ist, Wie
wol noch viel mehr guts teglich draus komet, wie folgen wird, Bey eüch
aber ist alles gut verderbet, vnd nichts
blieben̂ | [Bl.
Ea]
Vom Bann
Da wisset yhr auffs erst den grossen
raub vnd freuel, das yhr den grossen ban̂n̂, genant Excoicāt̄īō Maior, (welcher
doch der welltlichen oberkeit zu stehet)
zu euch gerissen habt, bis das Bepste sich auch vnterstanden, keiser, konige vnd fursten ab zu setzen vnd sich
selbs welltliche keiser zu machen Lasst
euch sagen, lieben herrn, das ist nicht recht, Ewr ban̂n̂ sol der klein̂e heissen, der nicht die wellt, sondern den
himel zuschleusst vnd von der Christenheit
vnd sacrament sondert, wie Chr9 Matth. 18. spricht, Hallt yhn wie einen
[ 2 der seelen rh das 〈ist das ..?〉 4 prechtige steht über 〈stoltze〉 8 sind 〈vnd〉 viel 〈gut〉 9 wol 〈es〉 noch 〈nicht〉 15 welltliche c aus
welltlichen]
[Seite 310a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 310b
heiden &c̄. Vnd .S. Paulus .1. Cor. 5.
Was gehen mich an die draussen sind
&c̄. Wenn
andere stück solten gebessert werden, so muste man dis auch bessern, Denn Gott gefellet kein opffer odder
dienst, so vom raube kompt, wie Jsaias
sagt
[Bl. 19b] Vber das ist der brauch des
bannes vnd sol der sein, das man die
offentlichen later strafft als raub ehebruch, hürerey, mord, hass, wucher, seufferey, item ketzerey, lesterung vnd der
gleichen, wie vnser herr Christus leret
Matt 18. das der bann solle gehen vber die, so der kirchen odder seiner gemeine nicht gehorchen wollen So leret die
kirche ia n̂icht anders denn Gottes wort &c̄. Nu sagt an, was ist güts vnd
allts vom bann bey euch blieben? Was ist
hie nicht newer schedlicher misbreuche auffkomen? Jch wil schweigen, das yhr vnschuldige frume leute
fur ketzer verbannet, verflucht,
verdampt vnd erwurgt habt, der bann ist nirgent zugebraucht, denn das
man zinse vnd schuld hat dadurch
eingemanet, vnd manchen iamer vber arme leute
angericht, Denn was die buben, Official vnd Commissarien hie fur
mutwillen geubt, das wisset yhr zum
teile vnd wir wollen hernach, (wo yhr aüff
diesem reichtag nicht dazu thut) euch solcher tugent einen kalender
stellen,
[ 5 bannes 〈der〉 das man steht über 〈der〉 6 raub rh mord, 〈h〉 wucher 〈seu〉 7 seufferey, 〈lu ?〉 9 So c aus Die 11 schedlicher
rh 12 fur steht über 〈als〉 13 habt, 〈da ist allein〉 15 hie Grundstriche in h und e teilweise mit dunklerer
Tinte nachgezogen 16 wollen c aus wollens]
[Seite 311a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 311b
das yhrs greiffen sollet, das wir ewrenn
misbrauch hierinn verstanden haben, vnd
der gantzen wellt anzeigen
Aber an dem ort, da der Bann solte
seine rechte macht vnd braüch haben, da
ist er gar ein lauter ablas vnd eitel segen gewest, hat gar [Bl. 20a] hat gar nichts sch mugen, nemlich bey den bisschouen,
tumherrn, ia auch bey den den Bepsten
vnd Cardinelen selbs, Hie wolt ich gerne einen
Canonisten Doctor horen, der mir wolt anzeigen, wie viel mal, nach
den Canonibus vnd geistlichen rechten,
der Bapst Cardinal Bisschoffe, pfaffen,
stifft, vnd klostern der Simoney vnd ander vntugent halben ym bann
verdampt vnd verflücht sin̂d, Wer hellt sie aber
bennissch? Die Declaration stehet bey
yhn Vnd heisst also Jm bann ist, wen wir wollen drinnen haben, Wen wir nicht wollen drinnen haben der ist
nicht ym ban̂n, So faret fort, lieben herrn̄, Wenn ewr wille sol das recht,
hassen, so kan auch die Christenheit,
wol solcher Bisschoue vnd Bepste geraten
Und ich wolt gern wissen, wo fur man
doch euch halten solt, Christen wolt yhr
nicht sein̂ Denn
yhr wolt Christus wort vnd ordnūg nicht leiden,
[ 3 Aber 〈da〉 4 vnd 〈se〉 5 tumherrn, 〈Cardinel〉 7 horen, 〈wie〉 wolt steht über kund 8 Canonibus vnd rh
9 der steht über 〈vnd〉 ander steht
über 〈aller〉 halben
rh ym bann stand ursprünglich
hinter klostern 10 vnd rh verflücht 〈vnd ver〉 11 also 〈W〉 12 der 〈ich〉 13 auch o 14 geraten 〈on das mirs leid ist fur vnsern hern Christum〉 〈vnd die heiligen Veter, das sie
nicht gewust haben, das yhr aus mutwillen on recht so wol regieren kund, vnd
haben so vergeben muhe gehabt, mit leren vnd recht setzen〉]
[Seite 312a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 312b
So wolt yhr Bepstisch auch nicht sein Denn yhr
wolt die Canones vnd geistlichen recht,
viel weniger halten, als sie denn auch viel schwerer zu halten sind, denn das Euangelion Jst aber das nicht
ein seltzam new zeitung. das Bepstissche
wollen nicht Bepstissch sein, vnd geben sich doch fur Bepstissche aus Wollen der kirchen guter vnd regiment haben
allein zu yhrem mutwillen, vnd nicht zu
nutz der kirchen, das sind vngereympte sachen Wolan so seid Epicurisch vnd Turckisch ymer hin, das [Bl.
20b] seid yhr doch gewislich, Aber weil
yhr denn ia Epicurisch seid, vnd doch so kleglich itzt schreiet, das man die kloster vnd stifft guter so rappet, mus
ich der halben mit euch ein heimlich
freundlich gesprech halten
War ists, Gefellet mir aüch nicht, das
man solche guter so zu reisst vnd zu
strewet wie wol die Vn̂lütherisschen am aller meisten solchs thun, auch mehr dauon haben, denn die so man
Lutherissch schilt, wie das wol zu
beweisen ist, Vnd sonderlich gefellt mirs vbel, wo es bose buben
kriegen, (wie ich wol weis), die es
nicht verdienen, Denn welche erbeiten vnd trewlich dien̂en, da wil ich kein gewissen machen, ob denen
ettwas dauon wird, Aber darauff wolt ich
mir gern antworten lassen, weil offenbar sind zweyerley stifft diebe vnd kloster reuber, welchs doch vnter diesen
beiden die ergesten billich solten
[ 5/6 Wollen —sachen rh 6 sachen steht
über 〈fur nemen〉 7 ymer hin steht unter des teufels namen Aber steht über 〈Und〉 9 heimlich rh 11 vor War: 〈Es ist〉 17 diebe o 18 vnter —beiden
rh ergesten 〈mochten〉 solten o]
[Seite 313a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 313b
genennet werden Als ettliche eüsserliche,
ettliche ynnerliche, Die Eüsserlichen
sind die bosen vnd vn wirdigen, wie droben gesagt. Die ynnerlichen
sind, die Bisschoue Tumherrn, Munche
selbs, die drinnen sitzen̄, nemlich, die solche
guter, zu aller vntugent vnd vnzucht missebrauchen, vnd yhren gestifften
stand vnuerschampt vber tretten, vnd
grosse summen, gen Rom noch grössern buben,
dauon schicken, vnd die stifft damit so schendlich plün̂dern
[Bl. 21a] Meinstu nicht, die keiser,
könige, fursten vnd herrn̄ die solche
bisthümb vnd kloster gestifft haben, wenn sie hetten damit wollen,
hurheuser odder den Romern raub kirchen
stifften, sie weren wol so vernǖfftig gewest, das sie sich anders dazu gestellet hetten vnd
yhr gellt vnd gut, nicht hurn vnd buben
noch Romischen dieben vnd reubern̄ zugeordent. Weil denn nu
ynn stifften vnd klostern solche gesellen sitzen, vnd solcher guter, die
personen gebrauchen, welche die stiffter
nicht gemeinet noch gewolt haben, vnd sie also
widder yhren willen vnd stifftung, solchs ynne haben, lesterlich
verzeren vnd schen̂dlich zu bringen, vnd daruber
ym bann vnd yrregulares auffs hohest
verflucht sind, So sage mir, welche die ergesten stifft reuber vnd
kirchen diebe sind? So wirstu den Bapst
oben an sitzen sehen, sampt Cardinalen,
Bisschouen thumherrn, Ebten vnd Munchen, Denn sie halten vnd thun
[ 1 ettliche 〈die〉 3 Bisschoue 〈Bepste r〉 6 stifft 〈also〉 schendlich 〈b〉 7 solche 〈stifft〉 8 bisthümb rh damit o hurheuser 〈stifften〉 9 zu der Zeile Romern
—vernǖff steht ein durchgestrichenes damit am Rande kirchen rh 10 dazu 〈s〉 11 zugeordent c aus zu ordenen
13 gebrauchen, 〈die sie〉 welche die
stiffter rh sie o 14 haben, 〈vnd〉 15 /16 vnd daruber —sind rh 16
stifft rh 18 Bisschouen 〈vnd〉 vnd thun
rh]
[Seite 314a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 314b
nirgent das, darumb sie gestifftet sind
sondern stracks das widderspiel, als die
vnsinnigen, nemen vnd brauchen gleich wol der guter, wie sie wollen, Ey lieber, kanstu den splitter ynn eines andern
auge sehen, vnd schreien vber das
zwacken der geistlichen guter, So must man dir die balcken ynn deinen augen (die du nicht sehen wilt·) auch zeigen̄ kanstu eines sagen, So
müstu das ander auch horen auff das du
wüstest, ander leute haben auch augen,
fulen auch, riechen auch, horen auch
[Bl. 22a] Wenn yhr nu furgebt, man
solle euch das ewre nicht nemen,
freylich, sol man euch das ewre nicht nemen, Aber ich wolt gleich wol
ewrs geistlichen Rechts mit euch
spielen, dasselbige vrteilt verbannet verflucht vnd setzt euch abe, vnd spricht, Es sey nicht
ewr, Deponatur heissts, Denn yhr haltet
nicht ewr stifft vnd recht vnd habt damit euch selbs abgesetzt darumb habt yhr die guter nach ewrem eigen recht
lengst verloren, habt sie aber bis her,
wie die verdampten reuber mit freuel ynnen gehabt. Denn solt man das verbum Deponatur per omnes person̂as decliniern vnd Coniugirn, wo
wolt, Bapst. Cardinel, Bisschoff vnd
Tumherrn [Bl. 22b] bleiben?, Es wurde gewis
ein verbum Jmpersonale draus werden, das kein Person behalten wurde,
[ 1/2 sondern —vnsinnigen rh 4 dir 〈denn〉 5/6 kanstu —horen rh 7 horen
auch 〈vnd〉 8 vor Wenn das vor S. 315, 9 Niemand wiederholte Zeichen
÷÷÷; Wenn — S. 315, 8 neme hat Luther also nachträglich eingesetzt. Wenn steht unter 〈Un . . . s . . s〉 nu steht über 〈aber〉 9 gleich wol o 10 verbannet
verflucht rh 12 vnd habt — abgesetzt rh 13 verloren, 〈vnd〉 14 verdampten o 15 Conuigirn, 〈Teuffel〉]
[Seite 315a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 315b
Dunckts euch aber billich, das man gedult mit
euch habe, das yhr ewr recht nicht
haltet, So lassts euch widder umb auch billich duncken, das yhr gedult mit den habt habt, die euch, als den
vnpusfertigen Simonistern vnd verbanneten
reübern die guter nemen odder nicht folgen lassen̄ Weil sie doch hie ewr eigen Recht haben, das heisst DeponatuR
Also geschehe denn ewr beger, das man
euch das ewre liesse, das ist die hurerey vnd buberey, Aber was nicht ewr ist, das ist die zinse vnd guter,
nicht liesse, Sondern als den Reubern
vnd dieben widder neme
[Bl. 21b] Niemand wil ich hiemit
verteydingt haben, Ein iglicher sehe fur
sich, aus was verdienst odder vrsachen er solche guter brauche, Allein ich mache einen vnterscheid zwisschen der
geistlichen gutern brauch widder die
schreier Vnd sage noch, Wenn denn ia der stifft vnd kloster guter,
sollen hinein gen Rom boslich geraübt,
vnd heraussen, schendlich mit hurn vnd
buben verzeret werden, vnd der stiffter meinǖg so gar feylen so
wolt ich noch lieber, das sie die
keiser, konige, fursten vnd herrn selbs heraussen behielten, vnd legten sie besser an̂, Weil das gewis ist. das die
stiffter haben wollen damit versehen,
frume zuchtige, Christliche personen, nicht die da stunden vnd
[ 2 haltet c aus halten 3 den (1.) 〈herrn̄〉 die steht über 〈das sie〉 3/4 Simonistern — reübern o 4
sie doch steht über 〈yhr doch — und dann ging es
ursprünglich weiter: kein recht habt das vns heisse gedult mit euch haben [Nun
rh, aber gleichfalls durchgestrichen: denn yhr / vnd wolt das Euāgelion ia
nicht leiden] sondern wir〉 5/8 Also — neme nachgetragen
11/12 widder die schreier rh 12 stifft 〈guter〉 13 boslich rh geraübt 〈werden〉 14 vnd — feylen rh 15
heraussen o 16 vnd — an̂ rh 17 nach damit 〈haben o〉 17/316, 1 nicht — da rh]
[Seite 316a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 316b
bloken odder habich trugen sondern die da
studierten lesen vnd betten, damit man
gelerte leute kund daraus nemen, zu Bisschouen, Pfarherrn Predigern, Schulmeistern Can̂tzlern, schreibern &c. wie
denn anfenglich vor zeiten geschehen Nu
sie aber solche ampt vnd werck lassen vnd verachten, ia spotten vnd
verfolgens dazu vnd sind ym bann vielfeltiglich
So wolt ich nicht drumb weinen, wenn sie
auch den sold vnd zinse drüber verloren,, Es heisst Beneficium propter officium, nicht aber beneficium p̱pter maleficium, Das leret ewr
eigen recht vnd straffts mit dem ban̂n̂ auffs aller grewlichst, vnd
nen̂nets
Simonias,
[Bl. 23a] Sage mir nü welcher Babst,
bisschoff stifft odder kloster hat bis
her ye mals, rew vnd leide drumb gehabt, das sie solche officia haben
[ 1 In lesen der Anfangsbuchstabe
undeutlich (c aus?), deshalb am Rande wiederholt 3 Schulmeistern 〈vnd?〉 wie — geschehen rh 5 vnd —
vielfeltiglich rh 6 drüber o
heisst 〈officium〉 8 vnd (1.) — Simonias rh Ursprünglich ging es nach recht weiter:
Aber ewer eigen wille (.der an statt des rechts regieret.) der leret euch wie
yhr itzt lebet vnd habt dazu lob vnd ehr segen vnd gnad [dazu extra durchgestrichen]
an stat des bann̂es, proficiat vobis. Dann wurde das durchgestrichen und darüber
geschrieben: Gefellt euch solchs nicht, wolan so . . . . . wem solche guter
billicher sollen zu stehen was frag ich nach den gutern, wenn ich nur leute
hette. Dann wurde auch das wieder durchgestrichen und endlich alles dicht
durchkreuzt. 9 vor Sage Bl. 22b unten 〈Wenn yhr nu gleich So findet sichs g wenn man den vnflat regt, das er ye
scheüsslicher stinckt [Bl. 23a] das der splitter den balcken offenbart So fin〉 vor Sage das am Rande wiederholte Zeichen
¶ nü o Babst, bisschoff rh]
[Seite 317a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 317b
lassen vnter gehen, odder darnach getracht,
das sie widder angericht wurden? vnd
haben dennoch solche beneficia gleichwol gebraucht vnd also daher gelebt, zwiffeltige kirchen diebe vnd duppel kloster
reuber, Denn sie nicht allein die guter
ynnen gehabt, welche doch auff ander personen sind gestifft, weder sie sind, Sondern haben auch, der gantzen
Christenheit, gestolen, geraubt vnd
gehindert, früme, gelerte, Christliche Bisschoue, Pfarher, Prediger vnd
der gleichen notige personen, der man
nicht geraten kan, vnd sie doch haben sollen
geben, nach meinūg vnd willen der stiffter, Lieber die Stiffer
haben nicht die officia gemeinet, das du
einen langen rock, korhembt, Platten tregst, odder Caseln vnd geweyhete kleider anlegest, das
konnen stock vnd steine auch wol tragen,
Sie haben leute wollen zihen, der Christenheit zu trost vnd heil,
Wenn yhr nu wollet hoch poltern, Man
solle euch die stifft vnd kloster widder
gentzen vnd alles widder ümb ein reümen So sagt man euch billich,
[ 1vnter gehen, 〈vnd den noc〉 wurden rh 2 haben rh vnd (2.) 〈habe〉 4 weder steht über 〈denn〉 5 neben der mit haben
anfangenden Zeile links am Rande durchgestrichen so vie [le?] 8 stiffter, 〈sie〉 die Stiffter steht über 〈sie〉 10 konnen 〈holt〉 11 heil, 〈Das sei gnug auff [dafür rh aber auch durchgestrichen
fur] den splitter auff die balcken ge [ge versehentlich nicht durchgestrichen]〉 12 wollet steht über 〈werdet〉 13 alles steht über 〈nach〉 widder ümb rh ein reümen steht über 〈einsetzen〉]
[Seite 318a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 318b
widder umb, Lieben herrn, gebt vnd gen̂tzet zuuor [Bl. 23b] widder
ewrn zwifeltigen raub, nemlich, personen
vnd guter, Die personen habt yhr der Christen
heit geraubt, Die guter, den stifftern gestolen Gebt yhr solchs widder,
das die officia widder ynn schwan̂ck komen, Wolan so folgen euch
billich die beneficia denn es ligt der
christenheit mehr an solchen p̱sonen weder an allen
gutern vnd herrligkeit der gantzen geistligkeit Wo nicht, so wirds nicht
ein feine rechnūg werden, das yhr
allein die ausgabe wollet berechen vnd die ein
n̂ame
verschlagen, Man must eüch anders rechen heissen, vnd besser auff die feüst sehen, Jhr habt eingenomen, der herrn̄ guter, personen da mit zu
halten vnd zu zihen, Wo sind die
selbigen? rechent her, Ja yhr seids die auch die armen knaben schulen zurgehen lasset, das ia
die Christenheit auff allen seiten
durch, euch zu grund verderbet werde allein das ewr Epicurische bauch
wol stehe Das wil ich darumb gesagt
haben, das man sehe, was die splitterrichter dran
[ 4 komen, 〈so〉 4/5 beneficia 〈Sonst〉 5/6 denn — geistligkeit rh;
ausserdem an einer anderen Stelle des Randes: 〈denn es br〉 8 verschlagen, 〈Nein〉 Man c aus man 9 feüst steht über 〈hende〉 9/10 zu halten vnd rh 10/12 Ja
— stehe rh 12 stehe steht hinter 〈stunde〉]
[Seite 319a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 319b
gewinnen, wenn sie yhren vnflat rütteln̂, Darumb denckt vnd bittet
Gott, das er euch helffe auff diesem
Reichs tage, was güts schaffen, Die sachen sind
gros vnd schweer, vnd ligen leider tieff versenckt vnd verschlemmet,
das menschen krafft vnd witze hie nichts
schaffen mag, Der bann ist ia not, Aber
herr Gott, Er mus nicht mucken seygen vnd kamel verschlin̂gen, Sonst wird nichts draus
Die stücke von der bǔsse, Messe,
tauffe glauben vnd wercken, hab ich wol
sorge, das sie bey euch zu hoch sin̂d, darumb ich [Bl. 24a] wenig
hoffnūg habe, das yhr ettwas rein̂es hie rin̂n schliessen werdet, Weil ewr
gelerten selbs nichts dauon verstehen,
Und solche stucke on men schen zuthun, allein̂ durch Christum selbs vnd seinen heiligen
geist erhalten vnd getrieben werden
mussen Denn auch, aus genomen das erste Concilium Act. 15., kaum eines odder zwey dauon gehandelt haben, Darumb wil
ich weiter bitten flehen vnd vermanen,
vmb die stucke, darinn man nicht sonderlihe erleuch tunge des heiligen geists darfft, Sondern die bey allen
Christen, begreifflich vnd gewis sind,
auch fast durch vernünfft mugen erken net werden Und erstlich
[ 2 diesem steht über 〈dem〉 4 ia o 5 nicht 〈fliegen fangen vnd〉 6 draus neue Zeile als Überschrift: 〈Vom Ehelosen stan̂de〉 7 Messe 〈gl Sacra[ment]〉 tauffe 〈vnd〉 11 Christum 〈se〉 selbs rh geist 〈erha〉 12 mussen c aus mus mussen 〈vnd so ....〉 13 odder zwey rh bitten 〈vnd〉 15 geists 〈zü〉 16 fast 〈mit der ver〉]
[Seite 320a]
¶ Von beyder gestalt des Sacraments
Hie wisset yhr, ia wol, das die eine
gestallt eine ergerliche newigkeit ist,
widder die klaren hel len wort Christi, vnd widder der gantzen
Christenheit alten, langen braüch, wie
euch das alles durch viel schrifft ist gewaltiglich angezeigt, Dennoch habt yhr grossen feinde aller
newigkeit, nicht allein diese
lesterliche newigkeit, angenomen vnd gehalten sondern auch, mit
grewlichem wueten vnd ver folgen, aus
lauter | [Bl. Fa] mut willen, verteydingt damit Gott auffs hohest versucht, sein wort gelestert
vnd verdampt, Gott gebe das yhrs wol
[Bl. 24b] busset, vnd ewren synn seinem wort vnterwerffet. yhr kondts
mit keiner schrifft erhalten, Sollt yhrs
denn mit lauter freuel vnd gewalt widder die
schrifft erhalten das wird zu letzt nicht wol ausgehen, Vnd hilfft euch
nichts, des yhr fur wen̂det, Man solle nichts newes
machen, noch ettwas endern, Denn yhr
habt gehoret, das dis stuck eine newigkeit ist, Vnd das yhrs seid, die eitel newigkeit vnd enderūg ynn der
Christenheit, on vnterlas habt auffbracht
Vnd Was nach Gottes wort geendert wird, das ist kein newerung, dem sollen alle gewonheit weichen, wie gut sie
sind, spricht ewr eigen recht,, So
[ 3 widder o 7 ver folgen, 〈on sche〉 8 verdampt, 〈wie E〉 10/11 widder die schrifft rh
12 fur wen̂det c
aus fur wen̂den 15 ist steht am Rande vor 〈ich〉 newerung, 〈sond〉 16 recht, 〈wo yhr, recht an nemen woltet〉]
[Seite 321a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 321b
ist Gott vnd sein wort Ellter denn yhr seid,
wird auch wol iünger vnd newer sein,
denn wir vnd yhr sind, Sintemal Es, ist ewig, darumb so sol es beide alltes vnd newes endern, vnd regieren vnd
sich widder von newen noch alten endern
odder regieren lassen
Jhr gebt fur, Man solle, on willigung
der kirchen, nichts endern noch newern,
Wer ist denn die kirchen? Seid yhrs? So zeigt siegel vnd briefe, odder beweisets sonst mit der that vnd
fruchten, Warümb sind wirs nicht auch,
die wir so wol getaufft sind als yhr? leren, pre digen, haben die
sacrament gleuben, beten leben, hoffen
leiden, mehr denn yhr, odder seid yhr darumb
die kirchen, das yhr eitel newigkeit auffbringt. Gottes [Bl. 25a]
wort daruber endert, lestert verfolget
vnd mordet dazu stifft vnd kloster, als die
kirchen reüber ynne habt? Ja des teuffels kirche seid yhr, die selbige
ist eine lugenerin widder Gottes wort,
vnd eine morderin, wie sie sihet das yhr
Gott der teuffel auch ein lugener vnd morder ist, Denn die rechte kirche
mus ia die sein die sich an Gottes wort
hellt, und dar uber leidet, wie wir
(Gott lob) thun, vn̂d niemand morden noch von Gottes wort füren̄,, Darumb soltet yhr vns nicht viel sagen, kirche,
kirche, kirche, yhr solt vns gewis machen,
das yhr die kirche seid, Da ligts an,, Der teuffel kan auch sagen, Jch
bin
[ 2 beide o 3 alten 〈regiern〉 8/9 haben die sacrament rh 9
hoffen o odder 〈sind wir da〉 10 yhr 〈ne〉 11 lestert 〈vnd〉 vnd mordet o 12 reüber steht über 〈diebe〉 habt? 〈So〉 13 sie —yhr steht über 〈yhr〉 14 ist steht über 〈ist〉 ist, 〈Des werck treibt yhr auch〉 15 sich an rh]
[Seite 322a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 322b
Gott, bete mich an Matth. 4. Der wolff kan
auch sagen, Jch bin hirte Matt. 7. Joh.
X. Wir wissen selbs wol, das man der kirchen solle gehorchen, Aber wir fragen, Wer vnd wo sie sey.
¶ Gott helff eüch, zur besserung ynn
diesem artickel Thut yhrs nicht, So
wollen wirs mit Gottes gnaden dennoch thun wie bis her, Vnd wil mehr sagen̂, Wo es Gott schickt, das yhr
ettwas nach lasset, auff diesem Reichstage,
So wollen wirs nicht der meinūg von euch annemen, als sey es
durch ewr nachlassen nu recht, vnd bis
her vnrecht gewesen Rein, yhr solt vns viel
zu geringe dazu [Bl. 25b] sein das ynn ewrem willkore vnd macht stehen
solt, wenn vnd wie lange Gott warhafftig
odder ein lugener, Vnd wenn odder wie
lange sein̂ wort,
recht odder vnrecht sein solle, Denn Das were zu hoch gefaren vnd nach Endchristisscher hoffart,
eüch vber Gott vnd sein wort erheben, vnd
alle vnser lere vnd thun widder ruffen, Sondern wir wollens euch durch Gotts wortt, abgezwungen vnd als den
lesterern verfolgern vnd mordern abgeiagt
haben, das yhr euch für Gott demutigt ewr sunde mord vnd lesterung widder Gottes wort, bekennet vnd bessert als
die bisher, vnrecht gethan, gotts wort
verfolget vnd vnschuldig blut vergossen habt, Solche sunde vnd laster,
[ 3 sey. 〈Da schweigt vnd erstummet yhr, lieben herrn〉 5 mit —gnaden rh
her, 〈vnd eüch nicht ansehen〉 8 yhr steht unter 〈da〉 9 sein rh vnd macht rh 10 Vnd 〈wen〉 11 Denn o 13 vnd —ruffen rh 14
abgezwungen 〈habe〉 lesterern 〈vnd verleug〉 vnd mordern steht über 〈widder〉 15 mord o 16 widder Gottes
wort rh]
[Seite 323a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 323b
wollen wir vnuerborgen haben, vnd nicht mit
stille schweigen vnd decken drein
bewilligen, vnd solcher grewel vns teilhafftig machen, Odder wollen
vollend hinan setzen, was da ist, vnd
wollens mit euch ausstehen, auff Gottes wort,
welchs yhr verfolget Denn wie ich ym anfang gesagt, Bedürffen wir
ewrs reichstags vnd schliessens nirgent
zu. Wir stehen, da wir stehen, on ewr zu
thun, ia auch widder ewr toben vnd wüeten, Sondern vmb ewren willen vnd vmb des armen volcks willen thün wir hie
mit, was wir thün, ob wir euch odder ye
ettlichen̂, aus
euch, helffen vnd dem volck raten kündten, Gott
zü ehren vnd der Christenheit zu nǔtz
Vom Ehelosen stande
Celibatus das ist Der Ehelose stand
odder verbotten ehe (wie yhr wisset) ist
auch ewer [Bl. 26a] bepstlichen newigkeit ein̂e, widder das ewige Gottes wort, vnd widder den alten seligen brauch,
der Christenheit, auch widder die
Creatur vnd schepffung Gottes selbs, Da mit ist erfullet die weissagung Danielis .XI. da er spricht von ewrem kon̂ige, Er wird kein̂es Gottes noch frawen liebe achten, Es mus ye, Ein grosses
laster sein, (frawen nicht lieb
[ 1 vnd decken rh 2 Odder c aus odder 4
welchs steht über 〈das〉 ym 〈ang〉 7 vnd —willen rh 8 dem volck
rh 11 Celibatus das ist o odder
—ehe rh 13 widder den o 14 Gottes rh
ist steht über 〈yhr habt〉 15 Danielis. 〈eine Zahl〉]
[Seite 324a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 324b
haben,) weil es der prophet hie für ein
sonderlichen grewel des Endechrists anzeucht
nehst nach der abgotterey. Die alte translatio hat, Erit in con cupiscentijs feminarum, Er wird ynn frawen
liebe sticken, Aber das were nicht ein
Endechrisstissche tugent, sondern muste also sagen, Erit in con cupiscentijs masculorum,, wie wol er doch
dasselbige auch mit meinet, wenn er
spricht, affectum erga mülieres non curabit welchs der rechte text ist, ¶ Nu lieben herrn, wolt yhr from sein vnd wol
thun, So zwingt euch ynn diesem stuck
zür busse vber alle den̂ wusten vnaussprechlichen iamer, der
[ 1 sonderlichen c aus sonderlichs Ursprünglich hatte Luther hinter
sonderlichen hineinkorrigiert grewel, das strich er aber dann durch und trug am
Rande nach: grewel 〈des〉 des Endechrists 2 nach stand ursprünglich hinter nehst
am Ende der Zeile, wurde dann durchgestrichen, dann aber wieder vor der
nächsten Zeile am Rande nachgetragen 4 sondern 〈solte〉 5 auch rh mit rh meinet, 〈denn〉 7/325, 6 Zu: Nu lieben herrn
—darǔmb am Rande: (·: Scholion) Vor Zeiten haben sich die thum herrn
hierinn hart widder den Bapst ge setzt, sonder lich die zu Mentz, das sie zu
Erffort schier yhren Ertzbis schoff, hetten erschlagen Vide, Chro: German̂or 8 vber rh den̂ steht über 〈der〉]
[Seite 325a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 325b
vnzucht allerley gestalt, ynn aller wellt,
welcher, aus dieser verfluchten Bepstlichen
newigkeit erwachsen ist welche auch eüch allen auffm halse ligt vnd ligen bleibt, wo yhr nicht dazu thut vnd
enderts, ¶ Jhr horet hie, das ein
Endchristisscher grewel vnd plage ist, frawen liebe verachten, das ist,
die ehe verbieten, Denn Gott hat frawen
geschaffen zu ehren vnd hǔlff dem mann̂n̂e darǔmb [Bl. 26b] wil er solche liebe vn̂ǔerboten vnd vnüerracht
haben Das fleisch vnd der teuffel, leren
der frawen, allein zur vnehre brauchen, das
man eine nach der andern zu schanden mache, wie bis her gethan hat
ewr newer loblicher eheloser, (ich hett
schier gesagt. ehrloser) stand, vnd noch thut,
Das heisst nicht frawen lieben, sondern vnzucht vnd schande an den
frawen lieben vnd sǔchen̂, vnd sie nicht, wie frawen,
sondern wie hurn, halten vnd
[ 1 verfluchten 〈new〉 2 eüch 〈auff〉 Gott steht über 〈er〉 7 leren steht über 〈wollen〉 9 newer rh loblicher 〈stand〉 ehrloser rh]
[Seite 326a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 326b
achten, das sie hinfurt niemand lieb noch werd
haben mag Aber Gott wil, das man sie
halte vnd achte, wie frawen, vnd thu das gern vnd mit liebe, das ist, ehelich sol man sie ha ben vnd mit
ehlicher liebe bey yhn bleiben, Das
gefellt Gott wol, Aber es ist kunst vnd gnade
Wisset yhr auch das sechste gebot
heisst, Du solt nicht ehebrechen? Dis
gebot, (wie die andern alle.) macht kein vnterscheid der p̱son, sie seien geistlich odder welltlich, pfaffen odder leyhen So
sollen sie nicht, ehebrechen, das ist
eins andern frawen nicht berüren, Weil es aber yderman eins andern frawen verbeut, So ists gewis, das es yder man eigen
frawen zu lesst, Ja auff das niemand
eins andern frawen berǔre, zwingts yhn̂ zu einer eigen Wenns nǔ war were. (wie die lieben Canones
lestern.) das ein pfarher, nicht kundte
Gott dienen, neben ein̂er eigen frawen, so muste dis sechste gebot schlecht auffgehaben sein, vnd nicht ynn
gemein allerley p̱son treffen vnd eigen frawen
erleuben
[Bl. 27a] Denn also, mocht ich fort von
andern geboten auch sa gen, Du must kein
eigen gellt noch gut haben, sonst kanstu Gott nicht dienen, So doch
[ 1 das —mag rh 4 Aber 〈nicht dem teuffel vnd Endechrist nicht〉 gnade 〈dazu〉 5 Ursprünglich stand da: Das
sechste gebot heisst, Du ... Dann wurde überkorrigiert: Wisset yhr auch, aber
wieder durchstrichen, endlich vor Das, das aber irrtümlich durchgestrichen
wurde, am Rande hinzukorrigiert: Wisset yhr auch das 6 die steht über 〈alle〉 8 eins andern steht über 〈frembde weiber〉 nicht o 8 yderman stand
ursprünglich hinter verbeut eins
andern steht über 〈frembde〉 9 es 〈ia〉 zu lesst, 〈ia〉 10 niemand 〈frembde〉 yhn̂ c aus yhre yhn̂ 〈z.〉 15 Denn also steht über 〈Also〉 16 eigen o So c aus?]
[Seite 327a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 327b
das siebend gebot, Du solt nicht stelen, eigen
gelt vnd gut zu lesst, allein frembd gut
verbeut, Ja auff das man nicht stele, gebeuts eigen gut zu haben So weis ich auch noch nicht ob grosser fahr
sey der sunden bey eigen gellt odder bey
eigenem weibe, Geitz, Mammon vnd die gesellen sind warlich mechtig. Aber summa. Es ist eine grosse buberey des
Canonis, das er fur gibt Man konne Gott
nicht dienen bey einer eigen frawen: vnd konne doch wol Gott dienen, bey ei genem Mammon, gelt, gut,
schlossern vnd stedten Das widder spiel
ist war das besser sey bey eigener frawen Gott dienen, denn bey eigenem gut (wie wol keines einen Christen hindert.)
Denn ein weib das hat man doch, vnd ist
die sorge aus, wie mans kriege vnd sie kan sich selbs bewaren Aber gellts kan man nimer gnug kriegen, vnd
sorget ymer fort, on auffhoren wie mans
mehre vnd behalte, Solche sorge aber vnd liebe, das sind die rechten hindernis an Gottes dien̈st, welche sorge, wol ein weib
dem pfarher en̂tnemen kan das sie sorget, vnd lesst
yhn schlechts Gott dienen
Nein, So solt auch einer wol narren
widder das funfft gebot vnd sagen, Du
kanst nicht woffen, buchsen vnd ander wehre haben, vnd daneben Gott
[ 2 Ja —haben rh 3 ich o fahr c aus far sey 〈bey〉 4 odder steht über 〈denn〉 6 einer 〈christ〉 7 stedten 〈Jch halt〉 Das c aus das 8 ist war o 10 doch
o und sie —bewaren rh sie o rh 11 nimer 〈k〉 12 aber o 13 welche (w〉 14 kan o
dienen 〈o〉]
[Seite 328a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 328b
dienen, Denn du mochtest todschlahen, schaden
thun, odder damit gehindert werden, So
doch das funfft gebot [Bl. 27b] allein̂ verbeut, das man nicht todten solle, Erleubt aber gleich wol, woffen
vnd wehre, Ja auff das dem morden
gesteurt werde, gebeuts woffen vnd wehre zu haben, Warumb haben aber vnser Ehelosen heiligen leute beid eigen
gelt vnd woffen, bawen vnd streiten
getrost? hindert sie das nicht an Gottes dienst? Nein, sondern ein ehe frewlin mus sie hindern, Es ist ein Hans
worst gewest, der solchen Canonem
gemacht hat. Ein Hans worst den andern, Noch hat er alle wellt auch
alle hochglerten verblendt
Der teuffel aber hat das mit diesem
Canone anrichten wollen, das seine
Ehelosen keine eigen frawen, sondern an der selbigen stat, aller andern
frawen, tochter, megde dazu auch Sodomam
hetten welchs sie ynn der ehe nicht hetten
gethan Also auch an stat eygens gut, (denn es saur̈ wird zu erwerben.) aller wellt guter zu verschlingen vnd mit
mussig gang verbrassen, welchs auch wol
nach bliebe, wo sie solten eigen gut süchen vnd erwerben Also haben sie woffen verbotten, das sie aller konige schwerd
mochten regen vnd damit machen,
[ 5 eigen rh 6 Gottes dienst? 〈Vnd〉 Nein, sondern rh ehe o 7 frewlin 〈mus〉 8 wellt 〈ve〉 10 Canone 〈haben〉 12 megde 〈bu[ben]〉 hetten 〈welchs〉 13 gethan steht über 〈vermacht〉 16 konige 〈har〉]
[Seite 329a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 329b
was sie wolten, welchs euch wol nach bliebe,
wo sie yhr eigens allein haben musten
Aber wunder vber wunder ists, das solch drey stück nemlich allerley freye vnzucht, allerley geitz vnd pracht,
allerley woffen vnd krieg diese Ehelose
heiligen nicht hindern Gotte zu dienen, vnd ein einiges fromes ehe weib hindert sie
[Bl. 28a] Vnd wenn alle ding ia feylen
wurde das Bapst, Bisschoue, Tumherrn vnd
das volck, ia wolten ym ehlosen odder hurn vnd buben stande bleiben, Sintemal auch der heidnissche poet
bekennet, das buler vnd hurn treiber,
vngern ehefrawen nemen, So hoffe ich doch, yhr werdet euch vber die
armen pfarher vnd seelsorger erbarmen̂, vnd den selbigen die ehe
lassen, vnd nicht mehr solche
schendliche, mordissche tolle Canonisten odder Juristen sein, wie yhr bis her gewest seid Denn ewr Canones,
setzen, das man einen ehe pfaffen solle
suspen̂diern,
das ist, vom ampt setzen so habt yhrs mit ewren groben eselen vnd bachanten also gedeutet, man solle
sie hen̂cken,
ertrencken, erstechen ermorden vnd
veriagen, so gar blut durstig. vnd mordisch seid yhr bluthün de,
[ 2 solch 〈freye〉 nemlich allerley rh 4 hindern 〈an〉 Gotte c aus Gottes 5 sie o sie 〈Ey nu sprecht pfui dein [o] maul an, du verzweifelter
Satan mit deinem ehrlosen Ehelosen〉 6 wurde c aus wurden 7 odder
—buben rh 8 bleiben, 〈D〉 10 ehe 〈·〉 vnd (3.) 〈zum w[enigsten]〉 11 mordissche rh Canonisten
odder rh 12 ewr 〈new o〉 13 groben 〈esse rh〉 14 eselen vnd rh
erstechen steht über 〈seuffen vn [das vor
seuffen gehörige er am Ende der
vorhergehenden Zeile ist versehentlich nicht mit durchstrichen]〉 15 vnd (2.) 〈mordisch 〉]
[Seite 330a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 330b
das yhr widder vnd vber ewr eigen recht euch
nicht schemet zu wuten nach allem
mutwillen Werdet yhr euch nicht erbarmen, (als ich sorge, Es lige euch auffm halse, vnd drucke euch so viel
vnschuldigs bluts, so viel grewlicher
laster vnd vngehewrer bosheit, das euch Gott schwerlich gnade geben
wird, ettwas anders zu thun, on allein
solchs, damit yhr ia bald ewer verderben
vber eüch reitzt (wie S. Petrus spricht 2 Pet. 2.) Wolan, so wird man
dennoch thun, was Got wil vnd nicht, was
euch gefellt,
[Bl. 28b] Fur die Munche weis ich nicht
zu bitten Denn man weis wol, yhr woltet
lieber, das sie allesampt fur den teufel weren, Got gebe, sie nemen weiber odder nicht Vnd nicht vnbillich, Denn
zween han̂e auff
einer misten leiden sich nicht, Sie
wollen das leben haben, das yhr habt, vnd gern allein hettet, das ist eüch nicht zu leiden, darümb
lasst sie faren die schelmen, Sie sollen
n̂icht
Bisschofflich noch Thumisch leben füren, Es gebürt allein zu der kirchen vnd den Gottes dienern wie yhr seid,
Gott der allmechtige wolte ia
gnediglich, mehr vnd bessers thun, den̂n̂ yhr gedenckt, vnd wir vns zu
eüch versehen, Amen, Sonst wird der
teuffel (.sorge ich.) apt vnd seine mutter
[ 1 vber 〈ewr〉 eigen o wuten 〈Vnd〉 1/2 nach —mutwillen rh 2 lige 〈d〉 3 euch (1.) —halse rh viel (2.) o 4 vngehewrer 〈stücklein auffm halse, Das〉 5 solchs steht über 〈das〉 7 gefellt, 〈Vnd〉 8 man weis steht über ich halt
13 zu o 15 den̂n̂ c aus
dem? 16 wird 〈bose ding draus werden〉 apt 〈we〉]
[Seite 331a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 331b
Eptissin werden, On das dis meine hoffnūg
vnd trost ist, weil yhr nicht ewig hie
leben kondt Vnd man doch mus ymer new pfarher vnd seelsorger auff zihen so werden (.ob Gott wil.) die
iungen gesellen, die hernach dringen,
sich nicht lassen mit ewren tollen, lesterlichen, eiden vnd pflichten
zum ehrlosen stande vnd andern̄ grewlen verknupffen, Wer den
aber daruber die pfarhen wust, vnd das
volck on wort bleiben, vnd die Munche vergangen, so solt yhr sehen, wie lange Bisschoue vnd
Tümherrn, stifft vnd kloster bleiben
sollen. Es mussen ia pfarher sein, wenn schon nymer kein bisschoff, noch Thumherr, noch münche weren,
[Bl. 29a] Es ist die Christen̂heit bisher, so viel hundert
iar on solche stifft bisschoue vn̂d Tumherrn erhalten, sie kan
auch noch wol hin̂furt, on die selbigen erhalten
werden̂ Es wird
ia freylich am Jung sten gericht keine Christen
seele sich rhumen odder zeugen konnen̂ das ynn so viel hundert iaren,
ye eine | [Bl. Ga] von yhrem stifft
bisschove hette das Vater vnser, zehen gebot, glaüben̂, odder ein Euangelion gehort odder gelernt,
odder eins ein̂ichs bisschof lichen
[ 1 werden, 〈de〉 On steht über 〈Denn〉 dis steht über 〈ist〉 ist rh weil steht über 〈das〉 2 leben c aus lebet kondt rh 4 lesterlichen o 6 vnd (2.)
—vergangen rh so 〈w〉 8 sollen c aus sollet sollen. 〈Was gillts, ich treffe hie recht,〉 Es steht
über 〈Dennoch〉 ia rh 9 weren, 〈Denn was haben [so sollte, wie das davorstehende Zeichen
¶ zeigt, der neue Abschnitt beginnen]〉 10 solche rh 11 die steht über 〈der〉 11/12 die selbigen 〈stand〉 13 konneǹ rh 14 hette
von — bisschoue um]
[Seite 332a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 332b
ampts odder wercks empfunden odder genos sen,
Wir haben ia bis her fur dem Luther
selbs gelebt, als hetten wir gar keine bisschoue, mussen auch noch so leben, So weis ich fur war, das alle wellt
sagen mus, da sie fur des Luthers lere,
nicht mehr von yhren Bisschouen gehabt, denn itzunt vnd itzünt nicht weniger denn zuuor aüsgenomen die schinderey
vnd gelt schetzung, Sie konnen nicht
fulen noch mercken, ob sie vorhin bisschofe gehabt odder itzt kein̂e haben, So gar ist yhn nichts ab noch zu gangen Bis
schofflicher werck vnd ampt Das heisst
vleissig der seelen gewartet, So suchen sie itzt widderumb zu warten
Ja (sprechen sie.) Wir weyhen vnd
ordenen andere an vnser stat, die solchs
thun, Das thun sie auch nicht, sondern der Weyhbisschoff thuts, Der selbige hellt auch keine Bisschoffliche weise
noch art, Denn er weyhet, allein zur
opffer Messen, fragt [Bl. 29b] kein bissen dar nach, wie vnd was man predigen solle vnd was den leuten n̂ot ist zu lernen, Darumb ist er
auch zu friden, wenn die pfaffen kaum
ein Requiem lesen konnen, schmirt dar nach
flugs den vngelerten eseln sein̂en Chresem an vnd lesst sie
hinstreichen, Gott selbs schafft, pre
diger, wo sie sind vnd erhelt dadürch seine kirchen, der stifft
[ 1 genos sen, 〈Sie konnens auch nicht, Sie wollens dazu [o] auch nicht
konnen〉 1/2 fur —Luther rh 3 sie o 4 mehr 〈lere o〉 itzunt steht über 〈hernach〉 itzünt steht über 〈hernach〉 5 weniger 〈lere o〉 denn 〈vor〉 aüsgenomen — schetzung rh schetzung 〈vnd verfurung der seelen rh〉 6 vorhin steht über 〈itzt〉 7 So — ampt rh 8 Das —
vleissig steht über 〈So gar vleissig haben sie〉 gewartet, 〈vnd war ten auch noch〉 9 vnd 〈o〉 10 auch rh 12 opffer u 14 pfaffen 〈nu[r]〉 schmirt 〈er o〉 15 hinstreichen 〈vnd sorget r〉]
[Seite 333a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 333b
bisschoue vnd weybisschoue halben, were sie
lengest hundert tausen̂t mal zurgangen,
Wie wol, das sie bis her so vbel gestanden vnd noch stehet, wes
ists schuld, anders, denn der stifft
bisschoue, die ynn der Apostel stat vnd ynn
Bisschof lichem ampt sitzen, Vnd thün der selben keines, lassens alles
zu boden gehen Vnd schreien itzt
gleichwol, man solle sie zu vorigem regiment
komen lassen, sie suchen der seelen heil, Es ist sonst ein fein regiment
gewest, vnd suchen wol der seelen heil,
Ja den teuffel auff yhren kopff, der sie auch
reitet, vnd vnser aller vngluck auff vnsern hals, wie vns vorhin auch
widder faren ist, Es ist vmbs furstlich
Meüm vnd Tuum zu thun, Bisschofflich ampt
wil wol bey den pfar herrn vnd Predigern bleiben
Weiter (geben sie fur), Wir lassen aber
leute studiren ynn hohen schulen, die zu
predigen tuchtig vnd darnach aüs vnserm befelh durch den Wey bisschoff geweyhet werden, Das ist war, yhr [Bl. 30a]
lasst, sie leider studieren, Das thut
der Turck vnd die Juden auch, lassen studiern, Was geben odder helffen sie dazu? Jhr auch, was gebt vnd helfft yhr
da zu aus ewren stifftlichem Mammon, das
yrgent einer studire, wie yhr doch hoch schuldig seid? Ja wol, Es ist euch leid, das hohe schulen sin̂d, Sondern da stinckt euch der
odem
[ 4 selben rh 5 gehen o vorigem 〈macht〉 regiment steht über 〈tyranney〉 6 heil, 〈Ja〉 Es c aus es sonst o 7 Ja 〈das hellisch fewr〉 den teuffel rh 7 /8 der —
reitet steht über 〈das yhn auch begegen wird〉 8 vnd 〈vnser [c aus vnsern]〉 9 furstlich rh 13 leider 〈wie wol vngern〉 o 16 wie — seid rh]
[Seite 334a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 334b
nach, Der Muenche seid yhr nü los, odder ye
mechtig, das nemet yhr vom Eüangelio
frolich an, Der Theologen vnd gelerten weret yhr auch gerne los, die liegen euch noch ym wege, weren die weg
wolan so weret yhr der pfarhern vol
mechtige herrn̄, darnach kundt yhr widder vber konige vnd fürsten steigen, Ja auch den Bapst selbs, als der ewr
nicht geraten kun̂d zwingen vnd wir bisschoue allein
Gotter vnd herrn auff erden weren Da wollt yhr
hinaus, lieben herren Jsts nicht war, der heymliche ratschlag zu Mentz,
da ich nicht bey sein kun̂dt der selbige leisetritt gieng
auff dieser ban?, So hetten wir denn die
welt vol Esel, vnd die kirchen gar kein wort noch pfarhr ampt mehr, Ach Soltet yhr studieren lassen,
So doch die pfreunden, die auff den
stifften den hohen schulen eingeleibt sin̂d, niemand werden, Er hab denn zuuor, durch ander leüte hulff gestudieret,
Vnd wenn sie yhm werden sollen, mus er
sie zuuor mit einer summa keuffen vnd bezalen Vnd wenn er sie nu bezalet hat, wird er verbunden ym stifft
zu heulen vnd zu plappern, auff das ia
sein studirn vnd kunst, nicht zum p̄digampt odder lere ampt gedeye, So helfft yhr der Christenheit
[ 2 vnd gelerten rh 5 selbs — kun̂d rh kun̂d 〈das rh〉 6 vnd — weren rh und o 7/8 da
— kun̂dt rh 8
selbige leisetritt o 10 Ach o die
(2.) steht über 〈so〉 11 den (2.) steht über 〈dem ?〉 12 sollen rh 14 wird er o verbûnden 〈ist wird〉 15 p̄digampt 〈vn〉]
[Seite 335a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 335b
[Bl. 30b] Jch setze aber, das yhr
andere an ewr stat ver ordenet, (als yhr
doch nicht thut) die predigen vnd bisschoffe sein sollen von ewren wegen, So horet yhr ia wol Jch rede itzt von
Bisschouen, Vnd rede nicht von
bestellern, Ein bawr odder richter ym dorffe, Eine stad, ein fürst, kan
auch einen pre diger bestellen, Jst
drümb kein Bisschoff,? Ein bisschoff heisst, der selbs weiden sol Gottes volck. Denn da stehet
act XX: S Paulus lere, zu den
Bisschouen Habt acht auff eüch
selbs vnd auff die gantzen herd, vnter
welche euch der heilige geist gesetzt hat zu Bisschouen, zu weiden die
gemeine Gottes, welche er durch sein
eigen blut erworben hat. Weret yhr bisschoue,
wie ewr namen vnd ampt foddert, so wurden euch die har gen berge stehen fur diesem spruch, Vnd wurdet wol so vngern
stifft bisschoffe sein, als ich Prediger
vnd Doctor bin, Sintemal yhr wurdets nicht viel besser haben, denn ich vnd mein̂s gleichen So spricht auch .S. Paulus, Ein
Bisschoff sol didacticǔs sein 1
Timo. 3. Tit 3. das ist, leerhafftig, der ymer anhalte mit leren, Er meinet aber nicht
furstenbisschoffe, noch schlos bisschoue sondern kirchen bisschoue, die das werck treiben wie
(Gott hab lob) itzt viel feiner pfarher
thun, ob sie wol nicht spitze hute tragen, welche konnen die klotze
[ 2 yhr steht über 〈yhr c aus y ..〉 3 So — wol steht über 〈Antwort ich〉 5 heisst, 〈act. XX.〉 6 da steht über 〈so〉
über zu steht 〈vbe[r]〉 12 Sintemal steht über 〈Denn〉 15 noch 〈stifft〉 schlos rh 17 welche c aus welchs]
[Seite 336a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 336b
vnd Niclas bisschoue auch tragen Denn das yhr
als Bisschoue solt auffsehen, was recht
gelert sey vnd wisset es selber nicht, das ist lecherlich, ia leider nicht lecherlich, denn wirs bisher wol er
faren, was ewr auff sehen, guts
geschafft, wie obgemelte stuck zeigen
Dis alles hab ich, lieben herrn, euch
mussen erynnern vnd vermanen, vmb des
willen [Bl. 31a] das ich sehe, wie yhr Gott nicht furchtet vnd fur ewr grewlich verkeretes wesen, kein rewe, noch
busse suchet, auch kein gewissen druber
macht, damit denn Gott auffs aller hohest erzurnet wird, Denn sintemal, wir arme lutherisschen ehe weiber genomen,
lasst yhr euch duncken, yhr habt ein mal
ein stucklin an vns ergriffen weil yhr sonst nichts finden kundt das yhr eüch nutze machen wollet, vnd vns
damit so schmitzen vnd drücken, das
damit, alle ewr schendlichs vnzuchtiges hurn leben alle kloster raub vnd stifft dieberey, sampt aller grundsuppe, ewr
grewel, vnd verkereter vnbisschoff
licher misbrauch, schand, laster, schaden, vnd verderben der Christen
heit, solle, verborgen, bedeckt,
geschwigen, schon vnd gelobt werden, das yhr hin furt, als die reinen vnd vnschuldigen die nie kein
wasser betrubt gleich vber die Apostel
[ 1 tragen steht hinter 〈thün〉 1/4 Denn — zeigen rh 1 als
Bisschoue o 7 verkeretes rh 8 druber o Gott 〈g〉 9 arme lutherisschen o 10 weil
— kundt rh 12 schendlichs o hurn 〈w〉 kloster o vnd 〈diebstal [darüber ebenfalls durchgestrichen: stifft erey]〉 13 stifft dieberey rh 14 schaden, 〈dam〉 der Christen heit rh 16 die (2.) —
betrubt rh]
[Seite 337a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 337b
selbs, euch aller gewalt vnter winden muget,
Aber faret, schon, lieben herrn̄, Sehet, das euch
nicht feyle, sprecht nicht hui, yhr seid noch nicht vber den berg, Wie yhr euch decken vnd schmucken kund,
das habt yhr nu gesehen, Jhr habt aber
noch nicht gesehen, wie man euch den schonen balck abstreiffen kan̂ Vnd euch daher malen, das yhr euch selbs
musset anspeyen, Pocht vnd trotzt nur
nicht, Ewr sache ist nicht so gut als yhr meinet
Kund yhr vns vnser ehefrawen auff
rucken, die wir doch fur Gott mit gutem
gewissen, vnd [Bl. 31b] fur der welt, nicht als vnser hüren, sondern als vnser ehefrawen, bekennen, So gleubt yhr
nimer mehr, wie meisterlich, wir euch
wollen aus putzen, ewr hurlin, vnd geraubten ehe weiber, die yhr vnd wir wissen, das yhr sie mit keinem guten
gewissen habt. dazu fur der wellt nicht
anders denn als ewr hurn bekennen musset vnd euch als die hurn treiber vnd hurn wirte beide fur Gott
vnd der wellt nennen vnd vrteilen lassen
müsset, Zu dem wollen wir euch ewr Romische Sodoma wellsche hochzeit Venedische vnd Turckische
breute vnd floren̂tzische breutgam,
[ 4 noch o man steht über 〈wir〉 kan̂ steht über 〈konnen〉 7 fur Gott rh 11 wissen, 〈mit〉 12 als o bekennen musset [ausgewischt] rh, auf
dem andern Rande 〈haben〉 14 müsset rh
müsset, 〈Vnd〉 ewr steht
über 〈die〉 15 hochzeit 〈vnd〉
breute steht über 〈breute〉]
[Seite 338a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 338b
also ausstrei chen, das yhr sehen solt vnd
greiffen, das sich vnser ehe an ewr
ehrlosen keuscheit redlich gerochen habe Vnd ob villeicht ewr ettliche
nicht ynn allen solchen schuldig sind Da
fragen wir nicht nach, Es sol schutz herr
Verteydinger, gesell vnd genossen, gleich so viel als die selbschuldigen
gelten, Darumb, das sie solche laster,
nicht straffen, bannen, meiden, (wie das
Euangelion vnd ewr eigen recht leret.) Sondern solchen vbelthetern,
helffen, beystehen vnd widder vns neben
yhn wueten, vnd sich mit solchem beystand,
aller sol cher grewel teylhafftig machen, vnd damit nichts bessers sind,
denn die selbschuldigen Ro. 2. [Bl.
31c]1 Denn es hat nie kein heide, Nie kein Turcke, nie kein Bapst nie kein keiser, Vnd nie kein
mensch auff erden, gesetzt odder gethan,
das man yemand vmb der ehe willen hette ge todtet, Vnd ist ein new vnerhoret ding, von euch newen Bisschouen
angefangen, die yhr seid die grossesten
stifft reuber hürn wirte vnd hurn ieger, ynn ewrn stifften, so auff erden sind Vnd thuts auch nicht vmb keuscheit
willen zuerhalten, Sondern darumb, das
man nicht wil hurerey vnd vnzucht treiben, wie yhr thut, denn
[ 1 sich o an o ewr 〈vnzucht treiben〉 5 meiden, 〈sondern〉 6 vnd — recht o 7 wueten, 〈Qui tacet, consentire videtur〉 8 damit o 13 〈stifft〉 stifft reuber rh ieger, 〈ynn〉 14 vmb 〈straff willen die〉]
[Seite 339a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 339b
die selbigen lasst yhr vngestrafft, Vnd kan
niemand gleuben, das yhr die keuscheit
mit solcher straffe trewlich meinet, Sintemal grosser feinde der keuscheit nirgent sind, denn yhr seid, als
die yhr sie ynn ewren eigen leibe, mit
aller vnzucht, on vnterlas auffs aller schendlichst verfolget
[Bl. 32a] Wie wol solchs stuck das
geringst ist, gegen dem hohen gemeinen
grewel, das yhr solche Bisschofe seid, wie droben angezeigt vnd mit der
zeit, (wo yhr euch nicht bessert) anders
sol ausgemutzt werden. Denn sollen wir ia
gottlose Hurntreiber vnd Gottes fein̂de zu Bisschouen haben so
wollen wir auch yhn gar redlich weisen,
ynn welche kirchen sie gehoren das solt yhr gewislich erfaren, Denn so lange yhr vnser ehe nicht zu
friden lasst, solt yhr auch nicht viel
freude vnd ehre von ewr hure rey vnd Endchristisschen Bisschofferey haben Sterbe ich drober, so sind ander da, die es
besser konnen, Jn Summa, wir vnd yhr wissen das yhr on Gottes wort lebt,
Wir aber Gottes wort haben, Darumb ist
vnser hochste beger vnd demütigeste bitt, yhr wollet Gott die ehre geben, auch erkennen, bussen vnd bessern Wo
nicht So nemet mich hin, lebe ich, so
bin ich ewr Pestilentz, Sterbe ich so bin ich ewr tod, Denn Gott hat mich an euch gehetzt, Jch mus (wie Hosea
sagt) euch ein beer vnd lewe sein
[ 3 leibe c aus leiben 6 yhr (1.) 〈vnbisschoffliche〉 solche rh 7 Denn o sollen c aus Sollen wir 〈denn〉 8 gottlose rh Gottes fein̂de steht über 〈teuffels laruen〉 13 vnd yhr rh 14 hochste 〈bitt〉 16 Pestilentz steht über 〈stock meyster〉 tod steht über 〈teuffel〉 17 vnd 〈beer〉 lewe rh]
[Seite 340a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 340b
ym wege Assur yhr solt doch fur meinem namen
keine ruge haben, bis das yhr euch
bessert, odder zu grund gehet,
[Bl. 32b] Dar umb bieten wir euch an
die wahl Erstlich, weil yhr doch Bisschoffliche ampt vnd werck, nicht kund
noch wollet ver hegen, als die yhr zu
predigen vnd gewissen zu trosten vnd richten, doch warlich, warlich, nicht tuget, sampt alle ewrn gelerten, So
lasst vns doch ewr ampt, das yhr
schüldig seid, aüsrichten Gebt vns das Euangelion frey zu leren vnd
lasst vn̂s dem armen volck, (das from zu sein begert)
dienen̂
Verfolget vnd wehret doch dem nicht, das
yhr nicht kundt vnd doch schüldig seid vnd andere fur euch thun wollen.
Zum andern, so wollen wir vber das,
nichts von eüch begeren, noch sold von
euch nemen sondern wo vns sonst Gott erneeret, gewarten, auff das yhr also beide der erbeit vnd lohn der muhe
vnd kost, vber haben seid, Nicht das wir
so grosse lust hetten zu predigen, denn fur mich zu reden, wolt ich kein lieber bottschafft horen, denn die, so
mich vom Predigt ampt ab setzt, Jch bin̂s wol so müde, der grossen
vndanckbarkeit halben ym volck, aber viel
mehr, der vntreglichen beschwerung halben, so mir der teuffel vnd der
wellt zu
[ 1 meinem namen steht über 〈mir〉 2 gehet, 〈Denn der Jch heisse auch der Martin〉 3 an o
wahl, 〈(Jhr habt doch nie kein frumer
ketzer gehabt denn die Lutherisschen.) werdet sie auch nicht frumer kriegen.)〉 4 doch rh 5 yhr o 7 lasst vn̂s rh 11 noch 〈sod) 16 ym volck rh]
[Seite 341a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 341b
messen Aber die armen seelen [Bl. 33a] wollen
nicht. So ist auch ein man, der heisst
Jhesus Christus, der spricht, nein̂ dazu, dem folge ich billich, als der wol mehr vmb mich verdienet hat, So wisset yhr (Gott lob,) nu selbs alle das die Lutherisschen prediger frum
sind, vnd thun euch nicht schaden,
Sondern sind euch nützer denn alle ewr vnd des Bapsts gelerten Vnd
frumer ketzer habt yhr nie gehabt,
werdet sie aüch n̂icht frümer kriegen, bittet Gott,
das sie auch mǔgen bleiben̂.
Zum dritten wollen wir euch lassen
bleiben was yhr seid, vnd leren (wie wir
denn bis her gethan̂.) das man euch solle fursten vnd herrn sein vmb friedes willen, vnd ewr guter lassen̂ Welchs doch die Hussiten vnd
Viglephisten nicht gethan, auch noch
itzt kein schwermer noch rotten geister thun
wollen, Damit yhr doch sehet, das yhr nicht feinde, sondern grosse
freunde, ia auch schutzherrn an vns
habt, Denn was schadet vns das, ob yhr herr̄n̄ vnd fursten seid, wolt yhr nicht fur euch vnd
ewren stand vnd ampt thun was recht ist,
wolan, da werden nicht wir, sondern yhr rechenschaff vmb geben Allein halt doch friede, vnd verfolget vns
nicht Wir bitten ia nicht mehr, haben
auch nie anders gebeten, denn vmbs frey Euangelion [Bl. 33b] yhr kund
[ 3 yhr 〈nu〉 5 euch 〈d〉 Vnd steht über 〈Denn〉 9 sein o 10 willen 〈bleiben〉 doch 〈aüch〉 10/11 vnd Viglephisten rh 14
fursten 〈bl〉 vnd ampt rh
15 vmb o 17 haben — gebeten rh
frey rh]
[Seite 342a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 342b
vns vnd wir euch zum frieden helffen, Thut
yhrs nicht, So behalten wir die ehre,
vnd verlieret yhr beide fried vnd ehre
Zum Vierden, kund yhr den
bisschofflichen zwan̂ck widder anrichten (so fern yhr vns
das Euangelion frey lasset) da wil ich fur mein teil auch getrost zu helffen vnd ra ten, auff das yhr doch
ettwas bisschofflichs ampts auch haben
mügt, Vnd also hettet yhr denn zwey stuck bisschoffliches ampts Eines, das wir vnd die prediger, an ewr stat, das
Euangelion lereten, das an̂der, das yhr
hulfft solchs hand haben mit bisschoff lichem zwangk Ewr person leben Vnd furstlich wesen, liessen wir ewrem
gewissen vnd Gottes vrteil, So haben wir
auch bis her euch solchen zwangk nie genomen, yhr habt yhn selbs las sen fallen, Denn da yhr das ablas
vnd ander vnleidliche misbreüche, damit
nicht erhalten kundtet, liesset yhrs gantz vnd gar fallen vnd woltet vnser Euangelion nicht schutzen [Bl. 34a]
dazu auch nicht leiden, Sondern keretet
solchen zwangk widder vns vnd widder das Euangelion, Da must er wol sich stossen vnd stumpff werden Denn Gott
hat yhn nicht geord net widder sein
wort, sondern̂ für sein wort
Mehr vnd hoher kon̂n̂en wir vns warlich nicht er
bieten (vber das teglich gebet guten
willen vnd dienst die wir on das auch allen feinden schuldig
[ 1 vnd wir euch rh helffen, 〈Wir konnen euch zu ehren helffen,〉 wir (2.) 〈die ehre〉 3 yhr 〈widderumb〉 anrichten 〈(wie〉 4 fern 〈wir〉 fur — teil rh getrost 〈d〉 5 ra ten, 〈Vnd will gern〉 6 mügt 〈Den̂n̂ ich bin dem pofel on das feind〉 7 prediger, 〈d.〉 8 solchs steht über 〈druber〉 9 leben o 10 So haben steht
über 〈Denn〉 solchen 〈Mehr konnen wir, vnd ich fur mein〉 12 gar 〈ve〉 14 widder (2.) o 15 nicht 〈dazu geor dazu〉 17 vber steht über 〈ausgenomen〉 18 gebet 〈vnd〉 willen, 〈de〉 vnd dienst rh die steht über wie on das o]
[Seite 343a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 343b
sind.) nemlich Ewr ampt wollen wir aus
richten, Selbst wollen wir vns, on ewr
kost neren, Euch wollen wir helffen bleiben wie yhr seid, Dazu raten, das yhr vberhand habt vnd drein sehet, das
recht zu gehe Was sollen wir doch mehr
thun? War lich wir tragen schweer, haben euch vnd die rotten geister vnd alle wellt, ia alle teuffel auff
vns geladen, vnd vns hilfft niemand
Werdet yhr nu nicht wollen auch helffen, sondern ymer fort drucken, So
sehet zu das yhr vns den rücken nicht
entzweÿ brechet vnd die gedult zu hoch ver
sucht, Werdet yhr die frumen ketzer dempffen wollen, die euch tragen, so
sehet zu, wo yhr bleibet, Es ist vns
leider das spiel nicht mehr ynn der hand, wie
bis her gewesen der teuffel hats vns entwand, Wir konnen warlich euch nymer helffen, Helfft euch nǔ auch selbst
vnd sehet nicht eǔch sondern den
gemeinen hauffen vnd den lieben friede an, Es ist hohe zeit, wir wollen
auch vnser bestes thun, vnd ist yrgent
ein früm [Bl. 34b] hertz vnter euch, das kan
doch ia wol aus dieser gantzer schrifft mercken, das ich die warheit
sage, vnd sagen mus vnd von hertzen
trewlich mit euch vnd mit yderman meÿne, Mehr
kan ich ia nicht Denn yhr habt doch ia zu treffliche bose sachen.
[ 1 nemlich rh 2 ewr kost steht über
euch wir o 3 das — gehe rh 4 doch
o 4/5 vnd — geister rh vnd vns —
niemand rh 6 helffen steht über 〈weichen〉 7/8 vnd — ver sucht rh 8 Werdet c aus Werden yhr o ketzer 〈vnter [o] liegen〉 [über 〈liegen〉: 〈drucken〉] dempffen
wollen rh (Luther schrieb also
zuerst: Werden die fr. k. vnter liegen, korrigierte dann: Werdet yhr die fr. k.
vnter drucken, und endlich: dempffen wollen) 10 vns 〈ge〉 11/12 vnd — aǹ rh 13 vnd
o 14/15 vnd — mus rh]
[Seite 344a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 344b
[Bl. 35b]1 Ob yemand hie dencken wurde.
Es sey lecherlich zu horen, das die
stifft bisschoue, die kirchen regieren sollen, Weil man wol weis, das sie es nicht konnen noch wollen lernen, So doch
.S. Paulus spricht, Wer seinem eigen
hause vbel fur stehet, der wird der kirchen nymer mehr wol furstehen, Vnd man fur augen sihet wie die Bisschoue
yhren stifften fur stehen vnd zucht
halten, nemlich, das impunita Lupanaria vnd Latrocinia sind, Antwort, Jch weis leider wol, das so ist,
Aber auff das die heilosen leute sehen,
das wir fride suchen, vnd an vns nicht mangelt, kan ichs wol leiden, das sie pfarher vnd predigstuel mit ge
geschickten p̱sonen versorgen, vnd also das
Euangelion helffen handhaben, Mir ist lieber, der mangel sey an yhn, denn an vns, vnd Gott hat wol ehe durch lose
buben regiert vnd guts gethan Vnd mus
dencken, Es sey [Bl. 35a] itzt die zeit, da Herodes zu Jerusalem, das priesterlich ampt ver kaufft, Die Romer auch,
Vnd bleib dennoch Gottes dienst vnd
wort, Wollen sie aber das
Euangelion dempffen odder so gar vnbusfertig
bleiben, des mugen sie yhr ebentheur stehen, Wir Predigen doch, was
wir wollen Auch sitzen sie so feste nicht, haben
sie lust zu vngluck: So hat Gott bald
einen andern Muntzer er weckt, der sie vollend stortze, Wollen sie nicht Bisschoue sein ynn Gottes namen, so
seien sie yns teuffels namen Bader,
[ 11 gethan 〈Werden sie aber〉 14/15 odder — bleiben rh 16 wollen 〈So kan G[ott]〉]
[Seite 345a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 345b
on das wir nicht schuld noch vrsachen dazu
sein, Die Lutherisschen bleiben wol
MeisteR weil Christus bey yhn vnd sie bey yhm bleiben, Wenn gleich
helle, wellt, teuffel, fursten vnd alles
solt vnsinnig werd
[Fortsetzung Bl. 34b] Es wil aber itzt,
zu viel vnd zu lan̂g werden, mehr stücke zu handeln,
Gott helffe euch auff dem Reichstag, also faren, das vns nicht not sey alles von newen widder an
zufahen, denn das ist auch nicht gut, so
sin̂d wir
der muhe lieber vberhoben Doch das
yhr nicht denckt, Es seien lose drew
wort, das ich itzt sage, wil ich hie, so viel mir itzt einfellt, stuck vnd artickel erzelen, so auff beider
seite getrieben werden
Die stuck, so nottig sind ynn der
rechten Christlichen kirchen
zu handeln, da wir mit vmb gehen
[Sp. 1] Was gesetz sey, [Sp. 2] Wie man
recht beichtet
Was Euangelion Was der glaube
Was sunde Was vergebung der sunden
Was gnade Was die Christliche freÿheit
Was geists gabe Was der freye wille
Was die rechte busse Was die liebe
[ 1 vrsachen 〈dazu〉 2 Christus 〈yn〉 3 teuffel, 〈vnd〉 4 itzt, 〈we〉 6 widder o 10 rechten o 11 da
—gehen steht über 〈da die〉]
[Seite 346a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 346b
Was das Creutz Die Litania
Was die hoffnung Lesen vnd auslegung
der schrifft
Was die tauffe Was gute werck sind
Was die Messe, [Bl. 36a Sp. 2]
vnterricht des ehestands
Was die kirche {kinder
Was die Schlussel {der knecht
[Bl. 36a Sp. 1] Was ein Bisschoff, {Megde
Was ein Diaconus die oberkeit ehren
Was das predigampt kinder schulen
Der recht Catechismus krancken besuchen
{zehen gebot Armen vnd hospital versorg
als { Vater vnser Die sterbenden
berichten
{Glauben
Das recht gebet
Solche stucke hat nie kein bisschoff
gehandelt vnd sind dazu von den ewrn̄ auch nie grundlich verstanden
noch geleret vnd ein gros teil gar ver
blichen Das durfft yhr nicht leügnen, Wir sind ynn ewrn schulen
aufferzogen
[ 4 Messe steht über 〈des Herrn abendmal odder Messe〉 vnterricht
o des c aus der ehestands c aus
ehestand ehestands 〈vnd aller [c aus alle] stende〉 5/7 der kinder —Megde rh [Die 5. Zeile der 2. Spalte
hatte Luther ursprünglich angefangen zu re), strich das aber wieder durch und
fügte das eben Erwähnte ein] 8 oberkeit 〈zu〉 12 berichten steht unter 〈beschicken〉 14 Das c aus was 15 hat 〈man bey euch lieben herrn nie recht gehandelt, das mehrer
teil fallen 〈l〉 lassen〉 15/17 nie — ver blichen rh]
[Seite 347a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 347b
So sind ewr bucher noch vor handen, die
solches zeügen, So zeugt alle wellt, das
zuuor nie ist gepredigt Nu ists gewis, das an diesen stücken gelegen, vnd die Christliche kirche, mit diesen, versorgt
ist, vnd darff ewr vnnotigen zu setze
nichts vberal,
Hie bey wil ich nicht erzelen, die
deudsche lie der, braut segen vnd viel
guter heilsamer buch lin, Aber wie viel grewel, wir damit nidder gelegt
vnd bey vns aus gerott, wil ich itzt
aüch nicht erzelen, Jst gnug, angezeigt, von
wie viel stucken wir noch zu reden hetten, wo wir zeit vnd raum nemen
wolten
[Bl. 36b] Die stücke, so ynn der
gleissenden kirchen ynn vbung
vnd brauch sind gewest
[Sp. 1] 1 Ablas, 5 Poltergeister
2 Opffer Messen vnd die selbigen 6
Walfarten vn̂zelich
vntzelicher weise 7 Vigilien
3 Bann ym Misbrauch gar 8 Seel Messen
9 Jargezeit
4 Fegfeur 10 Vier wochen
[ 1 So (1.) c aus V 1/2 So — gepredigt
rh 4 vberal, 〈Wir aber treiben solche stuck
mit allem vleis〉 7 aüch o 8 wie steht über 〈wi〉 vnd raum rh 9 so 〈nach〉 11 Ablas 〈Confessionalia rh, darüber, auch durchgestrichen: Bütter
briefe〉 12 Opffer Messen c aus opffer messen]
[Seite 348a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 348b
11 Seel bad 22 Glocken teüffen mit 200
gefat
12 Heiligen dien̂st, der ett tern an einem strick
liche nie geborn 23 Vnterscheid der speise }
13 Heiligen feyr, on masse 24
Vnterscheid der tage } als nottig
14 Maria eine gemeine 25 Vnterscheid
der kleider }
Abgottin gemacht 26 Gezwüngen sieben zeit odder
mit vnzelichem hore Canonicȩ
dienst, feyr, fasten 27 Sontags procession ein̂ schawspiel
gesenge, Antiphen &c. 28 Die letzte ol¨ung zum tod, nicht
15 Butter briefe, zur gesundheit
16 Heiligthum vn zelich 29 Sacramen̂t der ehe
mit lugen 30 Sacramēt der priesterschafft
17 Bruderschafften vnzelich 31
Sacrament der fermlung
18 Ehelos leben 32 Accoliten }
[Sp. 2] 19 kirchen weyhen } 33
Tonsurist }
20 Altar weyhen } mit ablas 34 lectores
} weihen zü keinē ampt allein zur freyheit
21 Bilder Weyhen } 35 Subdiacon }
[ 3 geborn 〈als〉 14 Ehelos 〈ferlich〉]
[Seite 349a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 349b
36 Brigitten gebett
37 Vnd der gleichen on zal
vnd allerley bet búcher vol
mit lesterlichen, schendlichen
Gotts vnehren
[Bl. 37a Sp. 1] Platten Reüchfas
Caseln Taüffstein
Alben Monstrantz
korhembd Ciborium
Kappen { kelch
Kirchen { Orgeln
Capellen { Glocken
Altaria { Weyhwasser
Altartücher { Weyh saltz
Liechter { Würtz
Leuchter { Vnd allerley speise
Bilder {
Tafeln { [Bl. 37a Sp. 2] Jn der fasten
Crücifix { Asscher Mittwoch
kertzen Hunger tuch
Fanen Bilde verhüllen
[ 18 Jn der c aus Jnder]
[Seite 350a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 350b
Fasten halten, ausgenomen die pfaffen,
Litania der heiligen
Marien gesang des
Beicht marter
Busse vnd gnugthun
Lange preces
Palmen Esel
Palmen schiessen
Palmen schlucken
Palmen Creutzlin
Zwingen zur beicht
Zwingen zum sacrament
Creutz kussen vnd anbeten
Creutz begraben
Halbe Messe am stillen freytag
Beym grabe Psalter singen
finster Metten
Nicht Leuten̂, Aber klappern
Passio predigen 8 stunde
feur weyhen̂
Oster kertzen
Creutz aus dem grab heben
vnd spilen tragen
[Bl. 37b Sp. 1] Fladen weyhen am ostertage,
S Marx procession }
Creutz wochen } beides gut zu aller
vnzucht
Himel fart zur None
Heiligen geist am pfinstag
Processio corp Chr̄ī
Assumptio b Virg
Kirchweyh
Patron fest
Gemeind wochen
S burkards fest
Quatter temper
Aller heiligen fest
Aller seelen tag
S Martens gans
Adüen̂t mehr
marie denn Chrō zu dienst
Rorate Messe
Conceptio b Virg
Drey Christ messe
Apparuit vnd spiel
Haber S Stephan
Johan̂s trunck
Liecht messz vnd Wachs marckt
S Agatha liecht
S Blasius liecht
[Sp. 2] Jch wil hie auff horen,
denn wer vermags alles zu erzelen ynn
sol cher kurtze? Wil man aber nicht
friede haben, so kan ichs (, odder ein
ander besser) noch wol weiter zelen̂, auff das die lieben Tumherrn vnd bischoffe nicht dencken, die Munche haben allein
[ 2 Virg〈n〉 9 Palmen〈k〉 11 Adüen̂t 〈Ma〉 15 Unter Halbe —freytag: 〈fewr weih〉 16 spiel steht über〈tan̂tz〉 19 vnd o 25/26 zu c aus zur 26
weiter 〈aus〉 27 Tumherrn c aus tumhern]
[Seite 351a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 351b
gesun diget, vnd sie seien das reine ketzlin
Nicht also, Jch hab auff dis mal, nicht
mehr wollen anzeigen̂, denn was allein̂ ynn den pfarkirchen ist ym brauch
gewesen welche doch, das geringste stuck
[Bl. 38a] ynn ewrem regiment, vnd vber alle
masse veracht gewest sin̂d, welche yhr auch mit fussen getretten habt Solt
ich aber ynn die stifft kirchen,
Tümbkirchen official heuser, kloster vnd predigstul, komen, Vnd darnach auff die bettel Munch,
Station̂ierer
Zuletzt vnter die Sophisten ynn den
hohen schulen, Hilff Gott, mich wundert nichts, das yhr solch grundlosze grewel vergesset vnd euch nü
sucht zu schmucken, Hab ichs doch
[ 1 hab 〈hie hiemit, noch nicht angezeiget, was Munche, stifft,
kloster〉 4 gewest 〈ist〉 sin̂d 〈als die〉 über 〈als die〉 steht 〈welche〉 welche rh 5 Tümbkirchen c aus
Tümkirchen 7 ynn — schulen rh 8 grewel steht über 〈vngluck〉 Nach nü: 〈sucht zü o〉 sucht zu rh schmucken c aus schmuckt Hab c aus V]
[Seite 352a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 352b
selbs, (bey dem lieben Gott) vergessen vnd
nicht gemeinet das yhr da sesset, da ich
euch itzt sehe sitzen, O nu schweigt, vmb Gotts willen, vnd bessert euch Es, wird sonst bose mit euch werden
Wol ists war, das vnter obgezeleten
stucken ettliche sind, die nicht zu
verwerffen sind, vnd derselbigen ettliche sind gefallen, die ich nicht
wolt das sie gefallen weren, kön̂n̂en aber wol leichtlich widder
auffkomen, Vnd ist darinn das aller
best, das seine Latinsche gesang de tempore da sind blieben, wie wol sie dennoch von den newen heiligen
gesengen fast vberteubet, vnd auch
schier nichts gelten Doch behalten wir sie fest vnd gefallen vns von
hertzen wol Vnd das ich kurtz meine
meinūg sage, So ist das die Summa dauon
[Bl. 38b] Wenn man solche stucke hette
lassen bleiben ein kinder spiel fur die
iugent vnd iunge schuler damit sie hetten ein kindlich bilde gehabt
Christlicher lere vnd lebens, wie man
doch mus kindern, tocken, Puppen, pferde, vnd ander kinder werg furgeben, Vnd were bey dem brauch
blieben, wie man die kinder leret S.
Niclas vnd dem Christkin̂d fassten, das sie sollen yhn des
[ 1 vergessen vnd rh 3 bose — werden
steht über 〈auff mein theur heiliges
Creutz, dreck regen〉 5 derselbigen ettliche rh sind (2.) 〈yhr ettliche〉 6/7 ist darinn steht über 〈sonderlich ist das〉 7 de tempore rh 8 heiligen gesengen rh 12 ein 〈b〉 13 pferde steht über 〈rosslin〉 14 werg 〈haben〉 furgeben rh 15 fassten, 〈das sie so〉]
[Seite 353a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 353b
bescheren, wie sichs lesst ansehen, das vnser
vorfaren haben gemein̂et, So were es wol zu leiden, das
man Palm Esel, himelfart, vnd der gleichen viel liesse gehen vnd geschehen denn da were kein
gewissen mit verwirret
Aber das wir allte narren, ynn
Bisschoffs hueten vnd geistlichem gepren̂ge daher gehen vnd machen ernst
draus, Ja nicht allein ernst, sondern
artickel des glaubens, das es sunde mus sein, vnd die gewissen martern
wer solch kinderspiel nicht anbettet das
ist der teuffel selbs Daraus folget denn,
das alle obgenante stucke, wie kindisch vnd lecherlich sie sind, dennoch
mit ernst, den Christlichen glauben vnd
die rechten notigen stuck, so ob angezeigt
sturmen, vnd verderben, als were sonst kein hulffe, man hette denn
solchs gehalten Denn wir leyder wol
erfaren, bis her [Bl. 39a] das man solch
kinder vnd narren spiel, hat mehr vnd ernstlicher getrieben (vnd noch)
denn eben die rechten heubtstuck, So
sind wir nu der mey nung, konnen wir solch
kinderspiel die leidlich sind helffen erhalten vmb der iugent willen on
nachteil, der rechten ernsten heubt
stuck, so wollen wirs gerne thun, Aber, das wir
sie fur artickel des glaubens solten halten vnd auch ynn bischoffs
hǔeten narrare, da wird nicht
aǔs, zǔrn vnd lache, wer da wil.
[ 2 liesse c aus liessen 3 denn — verwirret
rh 5 draus, 〈dazu〉 6 vnd — martern rh
wer 〈d.〉 7 das — selbs rh 9 vnd — angezeigt rh 11 gehalten 〈Sonst wo du k Darumb hab ich〉 13 nu o 14 die — sind rh vmb — willen rh 16 sie fur rh 17
narrare mit Strich durchs n]
[Seite 354a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 354b
Dis wil ich auff dis mal, euch lieben
herrn, zur freündlichen vnd trewen
vermanūg an̂gezeigt haben, mit allerhohstem vleis bittend, yhr woltet sampt vns, Gott ernstlich anrǔffen das
er euch gn̂ade vnd
weisheit verleyhe, ynn diesen grossen
sachen, thun vnd handeln, das sein ehre vnd vn̂ser aller heil sey, Vnd wollet ia da fur sein, das yhr
eüch nicht schmücket, noch ewr vorige
mishandlung entschuldigt verteydingt, odder mit gewalt faret Denn was hilffts, das yhr noch mehr bose blüt ym
volck machet, Die hertzen sin̂d bereit vnd nicht
on redlich vrsachen allzu hoch erbittert, das wol not thut, mit demütigem bekentnis vnd statlicher
besserung die selbigen, zu lin̂dern, senfften vnd
stillen, vnd nicht weiter zerren vnd reissen [Bl. 39b] denn yhr wisset, (wenn schon kein Euangelion were.)
das ewr wesen vnd stand, auch widder ewr
eigen rechte, aüs der massen vnd zu viel, gefallen vnd verderbt ligt, das sichs nicht leiden wird, mit dem
kopff hindürch wollen.
¶ So wisset yhr auch wol, das Bapst
Adrianus durch seinen legaten zu
Nǔrmberg, selbs bekant, das der Romissche stuel viel iamers vrsache
were, vnd erbot sich zur besserung,
Warumb wolt yhr euch denn solchs zu bekennen
[ 1 freündlichen c aus freündlichem 4
grossen rh vnd (1.) 〈sch〉 5 ia o 6 entschuldigt c aus
entschuldigen entschuldigt 〈odder〉 odder — faret rh 8 vnd — vrsachen rh 13
wird, 〈hie〉 hindürch 〈reissen〉 wollen stand ursprünglich hinter 〈hie〉]
[Seite 355a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 355b
schemen, vnd dazu noch steyff auff ewrem
stoltz beharren, nichts weichen noch
reumen, sondern alles mit gewalt haben, vngeacht, ob besserung odder
ergerung draus folget, Denn yhr wisset,
odder solt ia wissen, das christlich regiment
odder gewalt nicht zu verderben sondern zu bessern, von Gott eingesetzt
ist, wie Paulus sagt, Vnd sol nicht eine
tyranney sondern ein dien̂st sein̂, So künden wir,
als denn euch bey dem volck widderumb helffen heben. Denn ich halt doch, yhr werdet der Lutherischen,
als der frumen ketzer, auffs wenigst
yhrs gebets, nicht wol emperen konnen, solt yhr anders ettwas
bestendiges ausrichten, Werdet yhr aber
mit gewalt faren steyff vnd halstarrig hindurch
wollen (da Gott fur sey) So bezeuge ich hie mit, sampt allen die mit
mir gleuben, fur Gott vnd aller wellt,
das vnser schuld nicht ist, wo [Bl. 40a]
euch ewr stoltz feylen würd, das yhr zu drummern gehet, Ewr blut sey
auff ewrem kopff, Wir sind vnd wollen
vnschuldig sein, an ewrem blut vnd verdamnis,
als die wir euch ewr missethat, gnügsam an̂gezeit, trewlich vermanet zur busse hertzlich gebeten, vnd zü allem,
das zu friden dienet, auffs hohest
erboten̂, Vnd nichts anders gesucht noch begert, denn den einigen trost, vnser seelen, das freye rein̂e Euangelion, Also das wir mit
gutem gewissen rhumen
[ 1 beharren steht über 〈stehen〉 noch (2.) 〈ein〉 7 werdet c aus werden 7/8
auffs —gebets rh 9 faren 〈vnd〉 13 kopff, 〈vnser〉 15 zur busse rh
hertzlich c aus hetzlich]
[Seite 356a]
[An die gantze geistligkeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530 Vermanung Martini Luther.] 356b
mugen, Der mangel sey an vns nicht
gewesen Aber Gott des friedens
vnd trostes, gebe eüch seinen geist der
euch weise vnd fǔre zu aller warheit, durch vnsern lieben herrn̄ Jhesum Christum, Dem sey lob
vnd danck fur alle seine
vnaussprechliche gnade vnd gaben ynn Ewigkeit Am|en
[
[Seite 268b]
[Bl. Aij]
[Seite 268b] [An die gantze
geistlickeit zu Augsburg versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug
Martini Luther.] 268a
[Anfang]
Gnade und friede von Gott unserm vater
und dem Herrn Jhesu Christo. Wie wol wir
(lieben Herrn) nicht gebueret auff diesen Reichstag personlich zu erscheinen, Und ob ich gleich erscheinen
mueste odder solte, doch nichts nutze da
sein kundte, als an dem jnn solcher pracht und gescheffte nichts gelegen sein wuerde, So hab ich mir
doch furgenomen, uber meine geistliche
gegenwertigkeit (die ich mit gantzem meinem hertzen, durch gebet und flehen zu meinem Gott vleissig und redlich
mit Gottes hulffe beweisen wil) auch
schrifftlich und mit dieser meiner stummen und schwachen botschafft unter euch sein.
Und das darumb, das mich mein gewissen
treibet, euch alle sampt freundlich und
hertzlich zu bitten, zu flehen und zu ermanen, das jhr diesen
[ 25 stummen] stümmen (d. i. Stimme) C]
[Seite 269b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanūg Martin̂i Luther.] 269a
Reichstag nicht verseumet noch vergeblich
missebraucht, Denn Gott gibt euch gnade,
raum, zeit und ursache, durch unsern aller gnedigsten Herrn Keiser Carolo, mit diesem Reichstag viel und gros
guts zu schaffen und auszurichten, so
jhr allein woltet, Und spricht freilich itzt, wie S. Paulus redet .2. Corinth.
6: [2. Kor. 6, 1 f.] ‘Jch vermane euch,
das jhr die gnade Gottes nicht vergeblich empfahet, Denn er spricht: Jch habe dich jnn der genemen
zeit erhoeret und habe dir am tage des
heils geholffen, Sehet, itzt ist eine angeneme zeit und ein tag des
heils’, fur euch am aller meisten, Und
wir sehen und hoeren, wie aller menschen
hertzen auff diesen Reichstag gaffen und warten, mit grosser hoffnung,
Es solle gut werden.
Solt aber dieser Reichstag (da Gott
gnediglich fur sey) on ende zurgehen und
nicht etwas redlichs ausgericht werden, Und alle welt nu lange zeit her mit Reichstagen und Concilijs
vertroestet und auffgezogen1, und alle
hoffnung gefeilet und umbsonst gewest, ist zubesorgen, es wuerde ein
verzweiueln daraus komen, und jederman
wuerde des vertroestens und harrens
allzu muede werden, und das vergebliche lange gaffen ungedult und boese
blut machen2, Denn es kan und mag lenger
so nicht stehen, wie es itzt stehet,
[ 20 gůt F]
[Seite 270b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 270a
sonderlich mit euch selbs und mit ewrem
stande und wesen, das wisset und fuelet
jhr besser, denn ich euch sagen kan, So thue ich auch hiemit was ich thue, euch zum besten, umb friede und
einigkeit willen.
Ob aber etliche villeicht hierinn meine
vermessenheit wolten saur ansehen und
furgeben: Wer darff dein? wer hat deins vermanens odder schreibens jhe begerd? Es sind so viel gelerter und frumer
leute hie, die der sachen besser zu
raten wissen, denn du narr, &c.. Wolan, das wil ich gerne gleuben, Und Gott helffe, das alles also war sey, Jch
wil zewarten1 meine vermessenheit gerne
gestrafft und verdampt haben. Aber noch ist das auch war: Man kan des guten nicht zu viel thun2, und hat
offt ein Narr bessern rat geben, denn
viel weisen, Und widderumb: [Bl. A iij] weise leute gemeiniglich den grossesten schaden auff erden gethan,
sonderlich, wenn sie sich auff jhre weisheit
[Seite 271b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 271a
verlassen und nicht auch mit Gottes
furcht gehandelt und mit demuetigem
hertzen umb Goettliche huelffe und gnade gebeten haben.
Dauon alle Historien vol exempel sind,
beide jnn der schrifft und ausser der
schrifft, Und wenn sonst kein ander exempel furhanden were, mocht man es wol an ewrem eigen exempel spueren, denn
ihr habt nu bey zehen iaren jnn dieser
sachen ewer weisheit wol versucht, mit so viel Reichstagen, mit so viel ratschlahen, mit so viel tuecken und
practiken, mit so viel vertroestung und
hoffnung, ia auch mit gewalt und zorn, mit mord und straff, das ich mein wunder und iamer an euch gesehen, noch
hats nirgent dahin gewolt, da jhrs gern
hin hettet, Das macht alles, das die weisheit on Gottes furcht und demuetiges gebet durch sich selbs hat
wollen solche hohe, grosse sachen
meistern, und ist druber zu schanden worden jnn jhrer vermessenheit,
Und werdet jhr euch noch nicht furchten
und demuetigen fur Gott, das jhr das
drewen und die rachgyr nach lasset und Gott mit ernst umb huelffe und
rat bittet, so solt jhr doch nichts
ausrichten, und weret jhr gleich all zumal so
[1. Petri 5, 5] weise als Koenig Salomo, Denn da stehet die schrifft 1.
Petri. 5: ‘Gott widderstehet den
hoffertigen, Aber den demuetigen gibt er seine gnade.’
Wir aber auff unser seiten beten mit
vleis und wissen auch die rechte weise
zu beten, von Gottes gnaden, Sind auch gewis, das unser gebet angeneme
[Seite 272b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 272a
und fur uns erhoeret wird, welchs alles
beides (sorge ich) auff ewrem teil wenig
thun muegen, Und haben auch nu angefangen mit ernst fur euch zu bitten, das doch Gott der almechtige ein mal
wolte ewer hertzen erleuchten und
bewegen, sein wort zu furchten und demuetiglich gegen jhm zu handeln. Angeneme ist solch gebet fur uns, das wissen
wir, Aber Gott helff, das ihr nicht
halstarrig dawidder euch setzt, und unser gebet sich widder keren muesse jnn unsern bosem, als bey euch verloren und
veracht.1 Denn wir sehen, das der
Teuffel mit dem Tuercken herzu wil, und erregt dazu eine rotten nach der andern, und wolts gern alles zu boden
stossen, Soltet jhr denn auch noch
verstockt und halstarrig bleiben wie bisher, das were doch zu viel und
allerding untreglich.
Und auffs erst, So durfft jhr von meinen
und meiner gleichen wegen nichts
handeln, denn der rechte helffer und Ratherr hat uns und unser sachen so weit bracht und dahin gesetzt, da sie
bleiben sol und da wirs auch lassen
wollen, Das wir fur uns keines Reichstages, keines rates, keines meisterns bedurffen, dazu auch von euch nicht haben
wollen, als die wir wissen, das ihrs
nicht besser, ia nicht so gut zu machen vermuegt, Denn wir komen gleich
[Seite 273b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 273a
unter Tuercken odder Tattern, unter Bapst
odder Teuffel, so stehet unser sache
gewis, das wir wissen, wie wir gleuben und leben, wie wir leren und
thun, wie wir leiden und beten, wie wir
genesen und sterben, wo wir alles gewarten,
holen und finden und wo wir endlich bleiben sollen, nach dem wort S.
Pauli [Röm. 8, 28] Roma. 8: ‘Den
ausserweleten schaffet der geist alle ding zu jhrem besten.’ Solchs hat [Bl. A4] uns Gott reichlich
gegeben durch Christum Jhesum unsern
Herrn, und ist bereit an1 durch vieler frumer leut blut und marter
(von [Phil. 3, 16] ewrem teil getoedtet)
bekand und bestetigt, Nicht das wir volkomen seien und alles erlangt hetten, sondern das wir die
rechten regel (wie Sanct Paulus redet),
den rechten weg und den rechten anfang fur uns haben und an der lere ia nichts mangelt, das leben sey gleich
wie es mag.
Aber fur euch und fur das arme volck,
so noch unter euch gantz unbericht oder
jhe ungewis ist, da sorgen wir fur und wolten jhe gerne hie helffen mit beten und vermanen, das beste wir kundten,
Denn ich furchte mir ubel, das jhr ewrs
ampts und der demut gegen Gott vergessen und die seyten zu hart spannen2, und das willig pferd zu seer reiten
werdet3, damit widderumb etwa sich eine
auffrur erhebe, das beide wir mit euch jnn iamer und not komen,
[ 18 Bapst] Baepst F2]
[Seite 274b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 274a
wie vormals geschehen. Denn jhr wisset noch
wol on allen zweiuel, wie vor der
auffrur der Speirissche Reichstag mit so herrlicher, troestlicher hoffnung ausgeschrieben ward1, das alle welt mit
grosser gyr gaffet und hertzlich wartet,
es solte da gut werden. Aber ewr ratschlag war da voller weisheit und verschuffs2, das der selbige Reichstag
stumpff3, schimpflich und schendlich
ward abgekundigt4, Da kam auch flugs darauff die rute, nemlich der
Muntzer mit der auffrur, und gab euch
einen schilling5, den jhr noch nicht uberwunden
habt, und wir leider noch grossern schaden davon haben.
Das heisst alles mit gewalt und eigen
sinn gefaren, Also zu Wormbs muste das
Edle blut, unser lieber herr Keiser Carol thun, was jhr woltet, und mich mit meiner gantzen lere verdamnen,
welche jhr doch nu bisher selbs jnn
vielen stuecken habt heimlich angenomen und brauchet, Und ewer Prediger
[ 26 brauchē F2]
[Seite 275b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 275a
hetten jtzt nichts zu predigen, wo des Luthers
buecher nicht weren, Denn jhr Sermon
buechlin, und was vorzeiten auff der Cantzel das geschrey war, lassen sie fein unter der banck ligen und fahen an,
widder uns vom glauben und guten wercken
zu predigen und der gleichen, davon man vorhin nichts hoerete noch wuste, Uber das erzwunget jhr dazu mal
ein gebot, so grewlich, uber die
Lutherisschen zu toedten, das jhrs darnach selbst nicht halten noch leiden mochtet, und muste zu Nurmberg auff dem
Reichstag geendert werden1, Und etliche
Fuersten von jhn selbs dasselbige verbieten musten, wolten sie nicht selbs mit land und leuten jnn fahr sitzen.
Dis erzele ich, nicht euch zum hon
odder spot (denn ich bin sonst2 alzu
hoch an euch gerochen), sondern euch hertzlich zu bitten und trewlich zu
vermanen, das jhr doch an ewer eigen
erfarung und unglueck lernen woltet, hinfuerder
das trotzen und drewen, gewalt und pochen zu lassen und gegen Gott mit furcht und demut zu handeln, und hindan
gesetzt ewer vermessenheit, seine huelff
und gnade mit ernstlichem gebet zu suchen, Warlich, warlich, die sachen sind zu gros, Menschliche weisheit und gewalt
ist viel zu geringe dazu, Gott
[ 23 moechtet F2 27/28 ermanen F2]
[Seite 276b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 276a
mus helffen, sonst wird uber erger, das
ist gewis, Denn so jhr auff ewrem trotz
und pochen beharren wolt, so solt jhr wissen, das des Muentzers geist auch noch lebt, und meins besorgens mechtiger
und ferlicher, [Bl. B 1] denn jhr
gleuben odder itzt begreiffen kuend, Es gilt euch mehr denn uns, wie wol
er uns feinder ist denn euch, Aber wir
haben einen trotz1 widder jhn, Gott sey
lob jnn ewigkeit, wolt Gott, jhr hettet den selbigen auch, nemlich das reine wort und rechtschaffen gebet.
So wisset jhr auch, wie trewlich und
fest wir gehalten haben widder alle
rotten geister. Und wenn ich rhuemen thuerst, so wolt ich schier sagen, wir weren ewr schutzherrn gewest, und sey
unser geschefft, das jhr bisher seid blieben,
was jhr noch seid, Und hetten wir gethan2, ich sorge warlich, ewr Gelerten weren der sachen zu schwach gewesen,
und solten euch die Schwermer und rotten
bald ein anders geleret haben, derhalben sind sie uns auch feinder denn euch und schueldigen uns, als
die zu Creutz kriechen und widderruffen,
Das muessen wir leiden und das sprichwort erfaren: Wer dem andern
[Seite 277b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 277a
vom galgen hilfft, den brecht der selb gern
hinan1, Die rotten buben hetten nicht
wissen ein einiges stueck widder den Bapst an zu greiffen, Nu sie aber durch unser huelff los worden sind und essen
unser brod, tretten sie uns mit [Joh.
13, 18] fuessen, wie Christus sagt von seinem verrheter Juda.
Es werden aber etliche hie sagen: Ja,
das ist alles dein schuld, du hasts
angefangen, und das sind deiner lere fruechte &c.. Wolan, das mus ich leiden, weis wol, das man mir solchs nach
sagt, Aber widderumb weis ich viel
frumer leute unter euch, die da wissen, das nicht war ist, So stehet das werck alda am tage, meine starcken
zeugen, das die rotten geister meine lere
allzeit veracht und hoeher verfolgt haben denn ewr lere, Und ich habe
mich auch stercker muessen gegen sie
setzen und herter weren, denn ich widder den
Bapst jhe gethan, Wie kans denn aus meiner lere komen sein? oder
warumb ist nicht solch unlust entstanden
bey den meinen, da ich selbs teglich gepredigt
und geleret, da es doch am ersten und hoehesten solt ubel zu gehen, wo
aus meiner lere solch unrat komen solt?
Habt jhr aber vergessen, das der
Deudsch Adel zu Wormbs bey vierhundert
stuecken Keiserlicher Maiestet fuer trug, darinn sie sich beklagten von
[ 30 entstanden] erstanden F 34/321, 1
von der] von den H]
[Seite 278b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 278a
der geistlichen1 beschweret2, und sagten frey
heraus: Wo Keiserliche Maiestet nicht
wolt solchs abschaffen, so wolten sie es selbs thun, denn sie kuendtens nicht lenger leiden, Wie duenckt euch? Wo das
were angegangen (wie es denn die
auffruerer darnach anfiengen) und were nur ein p̂diger auff gestanden, der dazu geraten hette, Wo woltet
jhr geistlichen jtzt sein? Jn bus
Correptam!3 Nu war doch dazu mal meine lere jm schwang und hatte mit keiner auffrur angefangen odder bis daher
gelauffen, Sondern die leute fein
geleret, friede zu halten und der Oberkeit zu gehorchen, Und wo sie nicht gewest were, hetten gewislich der
geistlichen beschwerung sollen ein recht
spiel anrichten, Nu mus es meine lere gethan haben, Aber solcher
danck gebuert mir, Beger auch keines
andern, So ists allen Propheten und Aposteln
und Christo selbs gangen.
Jtem, habt jhr auch vergessen, wie zum
ersten meine lere fast bey euch allen so
ein koestlich ding war? da alle Bisschoff gar gerne sahen, das dem [Bl. B ij] Bapst (der die stifft zu hart
antastet) seiner tyranney ein wenig
[ 15 beschwerung F 16 kundens
(Indikativ?) H 20 schwang] schwancz E 25 So] Also E]
[Seite 279b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 279a
gesteuret wuerde, Da kundten sie mir fein zu
sehen, horchen, stille sitzen und
lauren, wie sie jhr Bisschoffliche oeberkeit widder gantz kriegen
moechten, Da war der Luther ein feiner
lerer, der das Ablas so redlich angreiff, Denn
dazu mal musten die Bisschoffe und Pfarherr leiden, das ein Muench
odder ein frembder, boeser bube mit den
Ablas briefen jnn seinem stifft und pfarr,
durch und durch, eine schendliche schinderey1 treib, und thurste nicht
da widder mucken, Hie war kein Doctor
jnn allen hohen schulen odder kloestern, der
solchem unflat hette wissen noch thueren begegenen, Und war Luther das
liebe kind2, und fegete die stifft und
pfarren von solchem treudel marckt, Und hielt
den Bisschoffen den steigreiff3, das sie widder auff sessen, und warff
dem Bapst einen bloch jnn weg4, Warumb
war das auch nicht auffruerisch bey euch?
Und hernach, da ich das klosterleben
angreiff und der Muenche nu weniger
worden sind, hab ich noch keinen Bisschoff odder Pfarher hoeren drueber
weinen, Und weis, das den Bisschoffen
und Pfarherr nie kein groesser dienst ist geschehen, denn das sie der Muenche also los worden
sind, Vnd besorge fuer war, Es werde
jtzt zu Augsburg kaum jemand sein, der sich der Muenche werde
[ 20 mal fehlt C 23 reden G 29 pfarhern
F]
[Seite 280b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 280a
annemen und bitten, das sie widder zu
vorigem stande komen1, Ja die Bisschoffe
werden es nicht leiden, das solche wantzken und leuse widderumb solten In jhren peltz gesetzt werden2, Sind
fro, das ich jhren peltz so rein gelauset
habe3, Wie wol doch, die warheit zu sagen, die Muenche musten die kirchen regirn unter dem Bapst, und die
Bischoffe nichts dazu thetten, denn
liessen sich Juncker heissen, Nu habe ich doch die Muenche nicht mit
auffrhur zerstoeret, sondern mit meiner
lere, Und gefellet den Bischoffen wol, Hettens
auch mit aller koenige gewalt noch mit aller hohen schulen kunst nicht
vermocht zu thun, Warumb halten sie denn
das auch nicht fuer auffruerisch? Ey, es
gefellet jhn zu wol, das die Muenche herunter sind und damit dem Bapst schier ein gantze hand ab ist, Und
wissens doch dem Luther keinen danck,
des lere sie so herrlich brauchen jnn diesem stueck.
Und weil ich eben drauff kome, das man
vergessen hat, wie es dazu mal stund jnn
der welt, ehe meine lere anfieng, und nu niemand wil nie
[Seite 281b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 281a
nichts ubels gethan haben, So mus ich die
alten larven1 erfuer zihen und den
geistlichen jhre vergessene tugent fuer die augen stellen, damit sie sehen odder widder dran gedencken, was jnn der welt
solt worden sein, wo unser Euangelion
nicht komen were, Und wir auch zu unserm trost sehen, wie manchfeltige herrliche frucht das wort Gottes
gethan habe. Und wollen anfahen eben an
dem, da meine lere anfieng, nemlich vom Ablas.
Vom Ablas.
Wenn unser Euangelion sonst nichts
gethan hette denn dis stueck, das es die
gewissen von dem schendlichen grewel und abgot des Ablas erloeset hat, so solt man doch dran kennen, das es
Gottes wort und krafft were, Denn das
mus alle welt be-[Bl. B iij]kennen, das kein menschliche weisheit solchs vermoechte, Sintemal kein Bisschoff, kein
Stifft, kein Kloster, kein Doctor, kein
Hohe schule, ich selber auch nicht dazu mal, Und summa keine vernunfft,
diesen grewel verstund noch kennete,
viel weniger zu steuren noch anzugreiffen wuste, sondern mustens alles billichen und fuer gute
heilsame lere gehen lassen, namen auch
die lieben Bisschoffe und Bepste getrost gelt davon und liessens weidlich gehen, Nemlich:
[ 23 von E 33 liessen F2]
[Seite 282b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 282a
I. Das sie das Ablas verkaufften fuer
die Goetliche gnade, so die suende
vergibt1, Dadurch denn Christus blut und tod verleugnet und verlestert
wird, sampt dem Heiligen geist und
Euangelio.
II. Das sie die seelen dadurch aus dem
fegefeur felschlich verkaufften, zu
grosser schmach Goettlicher Maiestet selbst, trug aber gelts die menge.
III. Das sie dadurch den Bapst zum Gott
jm himel setzten, der den Engeln
gebieten kundte, der pilger seelen, so auff der Romfart sturben, gen himel zu fueren.2
IIII. Das Euangelion, welchs doch das
einige rechte Ablas ist, muste schweigen
jnn den kirchen fuer dem Ablas.
V. Das sie die gantzen wellt umb
unmeslich gelt dadurch betrogen und
schunden mit unverschamptem geitz und luegen, als wolten sie widder
den Tuercken kriegen.
VI. Denn sie jmer die vorgegeben Ablas
brieffe niderlegten3 umb der
[ 26 gschunden G]
[Seite 283b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 283a
newen willen, und huben jmer den alten Ablas
auff jnn der kirchen umb des newen willen,
und spieleten mit dem guelden jar, darnach sie gelt haben wolten, Ja wol widder den Tuercken.
VII. Und ist auch die larue1 des
guelden jars ein lauter geticht und lose
luegen, zu verderben den glauben Christi und das tegliche guelden jar Christi, Und doch unzeliche tausent seelen
damit verfueret und die leute gen Rom zu
lauffen schendlich generret, umb gelt und gut betrogen, mit verlorner muehe und kost2 dazu.
VIII. Das sie jm Ablas verkaufften gute
werck der gantzen Christenheit, dazu die
absolution, als etwas sonderlichs, welche doch das Euangelion zuvor und jmerdar der gantzen welt umb sonst gibt,
damit die gewissen vom Euangelio und von
Christo auff menschen werck verfueret wurden.
IX. Das sie das Ablas hoeher lobeten
denn alle gute werck der liebe.
X. Das sie der heiligen verdienst, als
ubrig fuer sie selbs, zum schatz des
Ablas legten, als were Christus leiden nicht gnugsam zur vergebung auch aller suenden, welchs aber mal den
glauben an Christum verderbet.
[ 26 etwas] etwan BCH]
[Seite 284b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 284a
XI. Das sie zu letzt das Ablas so hoch
huben, das sie lereten: wenn gleich
jemand die mutter Gottes beschlaffen hette, so were es durchs Ablas vergeben.1
XII. Das sie lereten, wenn der pfennig
jnn den kasten kluenge, so fuere die
seele gen himel.2
XIII. Das man nicht rew und leide haben
duerfft, das Ablas zu erlangen, Es were
gnug, das man jtzt das gelt einlegte.
XIIII. Das Sanct Peter selbs nicht
groesser gnade geben kundte, denn das
Ablas war.
[Bl. B 4] XV. Wo ist nu das unmesliche
gelt, schatz und gut hin komen, das
durchs Ablas so lange her gestolen und so schendlich erworben ist?
Summa: Wer wil alle die grewel erzelen,
die allein das Ablas In allen stifften,
kloestern, kirchen, kapellen, klausen, altaren, bildern, tafeln, ja fast In allen heusern und kamern und wo nur
gelt war, als ein rechter gewaltiger
abgot gestifft hat? Man mueste von newen an die buecher lesen, die bey zehen jaren da widder geschrieben
sind. Nu sagt an, lieben herren, An
dieser unaussprechlicher dieberey und reuberey des gelts, und an solcher
[Seite 285b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 285a
unbegreifflichen menge der verfuereten hertzen
und gewissen, und an solcher aller
erschrockenlicher grewlicher luegen und lesterung des leidens Christi, des Euangelij, der gnaden und Gottes selbs, so
durchs Ablas begangen ist, seid jhr
geistlichen alle sampt schueldig, nicht allein die jhr das gelt davon habt genomen, sondern auch die jhr stille dazu
geschwiegen und solchem teuffels wueten
williglich zu gesehen habt, Man sagt von auffrur, von kloester einnemen, von Tuercken, Ja was sind solche stuecke alle
sampt gegen euch Ablas kremer allein,
wenn mans nur bedencken wolt? Es ist ein recht Tuerckisch heer gewest, gegen den rechten Christlichen glauben.
Welcher ist aber unter euch allen, der
fuer solch erschreckliche grewel jhe ein
mal busse gethan, jhe ein mal geseufftzet odder jhe ein auge nass gemacht hette? Ja jhr wolt jtzt als die verstockten,
unpusfertigen nie kein ubels gethan
haben, kompt nu da her gen Augsburg und beredet uns, der Heilige
geist sey bey euch und werde durch euch
(die jhr ewr lebtage nichts bey der Christenheit denn schaden gethan habt) grosse ding aus
richten und darnach flugs gen himel
fueren, mit allen solchen ungebuesseten, dazu verteydingten greweln, als mueste er ewer fro werden, das jhr ewrn Gott
Bauch so herrlich gedienet und seine
Kirche so jemerlich verwuestet habt, Darum habt jhr auch kein glueck,
[ 20 erschrecklicher BCH 32 sey fehlt
E]
[Seite 286b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 286a
sollet auch keins mehr haben, jhr busset denn
und bessert euch. Wol an, das ist der
larven1 eine, Also stund und gienge es, ehe meine lere kam, jnn dem stuecke. Das nu nicht mehr so stehet, ist
schuld meines auffruerischen Euangelij.
Dem Ablas folget billich der ander jarmarckt, Confessionalia genant.
Von den Confessionalibus.
Das waren die Butter briefe, darinn der
Bapst verkaufft freyheit, butter, kese,
milch, eyer, zu essen, und macht gab, jm hause Messe zu hoeren und sich jnn verboten gelied zu verheyraten
und einen beichtvater welen, so offt er
wolt, bey leben, und jnn todes noeten, von pein und schuld zuentbinden, und der gleichen.2 Lieber, war dis nicht auch
ein lesterlicher jarmarckt jnn aller
welt, alles umbs gelt erfunden? Gerade, als hette Got solche stuecke alle nicht vorhin durchs
Euangelion aller welt frey geschenckt,
odder, als hette es Gott verboten und sie weren die Risen3, die Gottes
gebot moechten umb gelt verkeuffen. Das
Euangelion muste nichts sein, und Gott
muste jhr kauffmanschafft sein. Diese schinderey, jarmarckt und
lesterung ist
[ 22 Anckenbrieff G]
[Seite 287b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 287a
auch durchs auffruerische Euan [Bl. C 1]
gelion gestoertzt, aber nu alles vergessen,
und ist kein Bisschoff oder Geistlicher, dem es leid were, odder
vergebunge beduerffte fur Gott, Und hie
war auch kein Bisschoff noch Doctor, der solchs
hette gestrafft, sondern alle geschwiegen und bewilliget, Wolan, wir
wollen auch zusehen, ob Gott sich so
wolle effen lassen, wie sie meinen.
Von der Beicht.
Da sind ewr buecher noch vorhanden,
darinn jhr die Beicht gesetzt und
geleret habt. Welche ich fur der grossesten plagen eine rechne auff erden, damit jhr aller welt gewissen
verwirret, so viel seelen verzweifeln
gemacht und aller menschen glauben an Christo geschwecht und gedempfft habt, Denn jhr habt uns gar nichts vom trost
der absolution gesagt, welche das heubtstueck
und das beste jnn der Beicht ist, die auch den glauben und vertrawen an Christo stercket, Sondern ein
werck habt jhr daraus gemacht, mit
geboten durch gewalt erzwungen von den unwilligen hertzen, ewr tyranney zu stercken, und darnach engsten, martern und
geisseln lassen mit erzelung aller
sunden, das ist: mit unmueglicher erbeit, ruge und friede des hertzen
[ 26 gedempt G]
[Seite 288b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 288a
ewiglich verstoeret. Wenn wolt jhr aber solche
seelen alle her widder bringen und den
moerdlichen, grundlosen schaden erstatten? Solche Beicht hat mein Euangelion auch zu recht bracht und die
bloeden gewissen widder gesterckt, Da
kein Bisschoff, Doctor noch hohe schule ichts von gewust, und jtzt
widder rew noch leide fuer solchen jamer
haben.
Von der busse.
Das ist die grundsuppe1 und die helle
selbst, Und wenn man euch alle grewel
vergeben und schencken wolte, so kan man euch doch dis stueck nimer mehr vergeben, Dis stueck hat die helle
gefuellet und das Reich Christi
greulicher verstoeret, denn der Tuerck odder die gantze welt ymer mehr
thun kan. Denn so habt jhr uns geleret,
das man solle durch unser werck gnug
thun fuer die sunde, auch gegen Gott. Und das heisset die sunde
gebuesset. Der rew und beicht habt yhr
nirgent so viel gegeben, wie wol jhr auch werck
daraus gemacht habt, Was ist nu das anders gesagt: du must fur
deine suende gnugthun, denn so viel: Du
must Christum verleugnen, deine tauffe
[ 26 sol D]
[Seite 289b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 298a
widderruffen, das Euangelion lestern, Gott
luegen straffen, die vergebung der sunde
nicht gleuben, Christus blut und tod mit fuessen treten, den heiligen geist schenden, durch dich selbs mit solchen
tugenden gen himel faren? Ach, wo sind
hie zungen und stimmen, die hie von muegen gnugsam reden?
Was ist nu solcher glaube anders, denn
der Tuercken und Heiden und Jueden
glaube, welche alle sampt auch wollen durch jhre werck gnug thun? Wie ists aber mueglich, das eine seele nicht
verzweifele, so sie kein andern trost
hat widder die suende, denn jhre eigen werck? Dis alles kuend jhr nicht
leugnen, Ewer buecher sind vorhanden,
darinn nichts vom glauben, wedder jnn der beicht noch busse, geleret wird, sondern eitel
eigene werck, Noch ist hie kein Bisschoff
noch geistlicher, der ein threnen [Bl. C ij] liesse fuer solche
gresliche, hellische lesterung Christi,
Sondern sind rein und sicher, schelten uns die weil auffruerer, und wuergen die Ehepfaffen1, auch widder jhr
eigen recht2, ergern sich, das die
Lutherischen sich nicht stellen als fasteten sie, wie sie thun, noch platten
[ 19 und (2.) fehlt E]
[Seite 290b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 290a
tragen, Vnd trotzen dem ewigen Gott dazu, uber
alle jhr unmenschliche bosheit.
Aus diesem grewel sind komen, und haben
auch muessen draus komen, und ist kein
weren gewest, alle ander grewel, nemlich so viel der kloester und stifft eigen heiligkeit, mit jhrem Gottes
dienst, Die opffer Messen, Fegfeur,
Vigilien, Bruderschafften, Walfarten, Ablas, Fasten, Heiligen dienst,
Heiligthum, Poltergeister1 und die
gantze Procession des hellischen creutz gangs,2 Denn wie ists anders mueglich?: wenn sich ein gewissen
auff seine werck sol setzen und [Matth.
7, 26 f.] bawen, so sitzt es auff einem losen sande, der reitet und rieset3
jmer fort und mus werck suchen jmer
eines nach dem andern, jhe lenger jhe mehr, bis
das man zu letzt den todten Muenchkappen anzoch, darinn sie solten gen
himel faren.4 Lieber Herr Gott, wie
solten arme gewissen thun? Sie musten auff
werck bawen, darumb musten sie auch so jemerlich suchen und erhasschen,
was sie finden kundten, und jnn solche
tieffe torheit fallen.
[ 21 Heilthum F]
[Seite 291b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 291a
Vber das wurden durch solche
schendliche lere alle rechtschaffene gute
werck, von Gott gestifft und geordenet, veracht und gar zu nichte
gemacht, Als: Oberherr, Unterthan, Vater,
Mutter, Son, Tochter, Knecht, Magd, das
hiessen nicht gute werck, gehoreten auch nicht zur busse, Sondern hies ein weltlich wesen, ferlicher stand und
verlorne werck, Also gar hat dis stueck
beide Christlich und weltlich wesen mit fuessen getretten und weder Gott noch dem Keiser gegeben, was jhn gebuert,
Sondern ein new und eigens ertichtet,
das widder dis noch das ist, Und sie selbst nicht wissen, was es ist, weil kein Gottes wort dabey ist, wie Moses
sagt, Das sie den Goettern dienen, dere1
sie doch nicht kennen. Und das war auch nicht wunder, Denn man zu der zeit auch das Euangelion nicht
anders wuste zu predigen, denn das man
draus lernen solte exempel und gute werck, Und hat unser nie keiner ein Euangelion gehoert, das zu trost dem
gewissen, zum glauben und trawen auff
Christum, gezogen were, wie es doch billich sein solte, und wie es jtzt, Gott lob, widder gepredigt wird, Und war also
die welt jm Euangelio, doch on
Euangelion.
Das sie doch solch gnugthun fuer die
suende hetten weislich unterscheiden,
nemlich also, das es geschehe gegen den menschen, nicht gegen Gott, wie
Christus
[ 21 heissen E gehorete E]
[Seite 292b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 292a
[Matth. 7, 12; 18, 15] Matthej am
siebenden und achtzehenden anzeiget, wie es vorzeiten auch die heiligen Veter gebraucht und die Christen, so
gesuendiget hatten, liessen dafuer gnug
thun fuer der kirchen und den bruedern, wie es die wort mit bringen, das sie zwey, drey, sieben jar haben busse
auff gelegt &c.. So were Christus
doch blieben mit seinem gnugthun fuer uns jm himel, Aber hiemit weren
die Gottes dienst jnn stifften und
kloestern und Ablas (wie droben gesagt) nicht
auffkomen, und were dem grossen Got Bauch nicht so viel zu gangen,
Darumb musten sie es jnn einander mengen
und zu letzt al-[Bl. C iij] lein fuer Gott
hinaufftreiben1, Wie wol dieser jrthum von anfang die Christenheit,
auch durch grosse leute, als Originem,
S. Hieronymum, S. Gregorium, angefochten
hat, aber nicht so gar jns regiment und zu Gottes stul komen, wie
unter dem Bapst geschehen. Denn dieser
jrthum ist der eltest von anfang der
wellt gewest, wil auch wol der juengst bleiben, bis an der welt ende.
Wollen nu der selbigen erfolgeten2
etliche stueck erzelen.
[Seite 293b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 293a
Erstlich von der kauff Messe odder
winckel Messe.
Hie wisset jhr selbs, lieben herrn,
welch einen schendlichen treudel und jar
marckt jhr aus dem Sacrament gemacht habt, Das ist ewer aller
gemein handwerck gewest, das jhr teglich
jnn aller welt so viel tausent Messen umb gelt
gekaufft und verkaufft habt, eine umb einen groschen, eine umb acht
pfennige, eine umb sechs pfennige
&c.. Und hilfft hie kein entschueldigung noch leugnen, Denn ob jhrs nicht einen kauffshandel habet
genennet, So wisset jhr doch, das jnn
der that nichts anders denn ein kauffhandel gewest ist, Umb gelt ists geschehen, Jst nicht gelt da gewest, so
sind die Messen nach blieben. Diese
suende ist allein so grewlich, das nicht wunder were, ob Gott hette alle welt lassen drueber zu Tuercken werden oder In
abgrund versincken1, Und meiner grossen
verwunderung eine ist, das Got hat muegen so lange dulden, Es ist ein unbegreiffliche gedult, wie wol
der zorn sich nicht geseumet hat. Wolan,
das habt jhr gethan, und so ists gestanden bey euch, ehe unser Euangelion kam, duerffet euch nicht so seer schmuecken,
Es ist am tage so fast, das
[ 17 treudel] grempel G 20 groschen]
patzen G pfennige] rappen G 21
sechs pfennige] ein plappart, eine umb ein halben patzen G]
[Seite 294b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 294a
Jtzt wollen sich ewr gelerten putzen und zihen
alte Canones und Veter spruech erfuer,
das die Messe ein opffer bey jhn genennet sey. Putz dich, liebes ketzlin1, du darffsts wol! Wenn du lange
Canones und sprueche fuerest, was
hilffts? wir reden hie von den kauff messen und winckel messen, Und
die Canones reden von der gemeinen odder
Communicanten Messen, und treiben dazu
hefftig auffs Communiciern, Das thun die kauffmessen nicht, Und reimen sich mit der gemeine oder Communicant messen
gleich wie eine heimliche pfaffen hure
mit einer frumen, redlichen, offentlichen braut. So gar fein wissen sie die Canones zu fueren, die hochgelerten. Und
das noch viel feiner ist: Die alten
Canones scheiden das opffern und communiciern fein von einander, so mengen sie es noch viel feiner jnn einander,
Denn jm anfang der Christenheit, wenn
man Messe halten wolt, hielten sie des alten gesetzes weise, und brachten die Christen erstlinge auff den
altar von allerley fruechten, auch von
milch, honnig, epffel und birn &c.., das opfferte denn der Priester,
Wie Moses den Jueden gebeut, Daher das
ampt auch lange hernach ein opffer geheissen,
euch selbs dazu mal dafuer grawet, und
liesset es gleich wol gehen, und muste
keine newigkeit heissen.
[Seite 295b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 295a
Aber darnach gieng das Communiciern an odder
Sacrament handeln, das heissen sie nicht
opffern, sondern communiciern, Aber unser kauffmessen machen ein opffern aus dem Sacrament und
lassen das communiciern faren.
[Bl. C4] Hie mus ich nu mit euch,
lieben herrn, reden, die jhr schreiet,
man solle kein newigkeit zu lassen, Saget mir, ist die kauff messe nicht
eine schendliche newigkeit? Warumb habt
jhr sie denn lassen auff komen und
schuetzet sie noch jtzt? ja, wenn jhr hettet keine newigkeit sollen zu
lassen, Lieber, was und wie viel wuerde
man doch jtzt wol bey euch finden, das jnn
den alten Canonibus und Vetern stehet? Jnn eine nus schalen wolt ichs
schier fassen, so doch da gegen ewr
newigkeit die wellt erfuellet hat. Jch wil wol
mehr sagen, Was ist ewr kirchen stand vor unserm Euangelio gewesen
denn eitel tegliche newigkeit, eine uber
die ander, dazu mit hauffen, wie eine wolckenbruch herein gerissen1, Da hat einer S. Annan
auffgericht, der S. Christoffel, der S.
Georgen, der S. Barber, der S. Bastian, der S. Katherin, der wol xiiij nothelffer2, Und wer wil allein solche
newe heiligen dienst erzelen?
[ 29 Anna F 30 Barbern E Barbara BCFH
Barbel G Sebastian F1 (nur im
Kustoden) G Katharina H]
[Seite 296b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 296a
Sind das nicht newigkeit? Wo waren da denn
Bisschove und schreier, die solchs nicht
solten zu lassen? Also weiter: Einer richtet den rosen krantz auff, der ander die krone Marie1, jhener den
psalter Marie2, dieser zehen pater
noster steinlin an den thueren3, dieser S. Brigitten gebet4, der dis
gebet, jhener das gebet, und des on alle
zal und mas, und alle buecher vol, Wo
war hie ein Bisschoff odder Doctor, der solche newigkeit doch hette ein
wenig schel angesehen?
Also mit den walfarten, da giengen
teglich newe auff, zum Grimtal, zur
Eichen, Birn̂baum5, zu Regensburg6, Und so viel unser liebe frawen, Es war schier keine kappelle odder altar, es
wolt eine walfart daselbs auffgehen, Und
lieffen die leute, als weren sie toll7, aus dem dienst und gehorsam,
[ 13 auff fehlt H]
[Seite 297b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 297a
das mans greiffen mocht, es were teuffels
gespenst1, noch schwiegen Bisschove und
kloester und hohen schulen stille, Und were unser Euangelion nicht komen, so were kein raum noch stet mehr zur walfart
ubrig blieben. Und war das nicht ein
sonderlicher meisterlicher beschiss mit unsers Herrn Rock zu Trier2, wie hernach die selbige schendliche luegen
ist offenbar worden? Was haben alle
Lutherische newigkeit gethan gegen diesem einigen betrug und schalckeit? Aber hie war niemand, der newigkeit
beschreien odder auch anzeigen kund,
Sondern der Luther, der solche newigkeit anzeigt und strafft, der
bringet newes auff.
Jtem, wie teglich und mancherley
vernewet sich wol das Ablas allein? wie
mancherley newe bruderschafften richten Pfaffen und Muenche auff, durch alle handwerck, durch aller heiligen namen?3
teglich verkaufften sie briefe der
bruderschafft und gaben jhr gute werck und heiliges leben umb gelt,
verkaufften vigilien, jargezeiten, seel
messen, mit gepreng umb die bahr4, Etliche erfunden guelden messe5, etlich die funff messen6,
etlich der und der art messen, die auch
[ 24 wie fehlt E]
[Seite 298b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 298a
keine zal hatten, Davon doch freilich nichts
bey den alten Vetern funden wird. Jch
wil hie schweigen des heiligthumbs, Hilff Gott, wie gieng da newes uber newes, und darunter solche grobe,
greiffliche luegen, vom heiligen Creutz,
von viel gantzen coerper einerley heiligen1, von vielen fingern eines einigen heiligen, bis das man S. Franciscus
nidderwad auch ehret2, und frawen har
fuer S. Katherin har, Summa, es war hie kein ende [Bl. D1] noch mas, Das jhr selbst ein gelechter zu letzt
daraus machtet, noch giengs ungestrafft
dahin, und kein Bisschoff sahe hie etwas newes.
Wenn ich aber solt auff die Cantzel und
predigstuel komen, da wuerd es erst
recht grundlos werden, Da predigten die Muench teglich jhr newe gesicht, treume und gedancken, newe wunder und
exempel, Und des auch keine masse. Es
war schier kein muench, wenn er zwey oder drey iar ein prediger gewest war, so macht er ein new sermon buch, das
muste denn eine zeitlang den predigstuel
regieren, Und ward die welt solcher buecher voll, Und war doch nichts
[ 19 coerpern F 21 Katherina F 24
predigstul F]
[Seite 299b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 299a
darinnen von Christo und dem glauben, sondern
alles von unsern wercken, verdienst und
andacht, mit viel falschen schendlichen exempeln, Wenn sie aber jhr bestes darinn theten, So war es von den
heiligen anzuruffen und jhrs ordens ja
nicht vergessen, bis das sie das heilige edle mensch, die iungfrau Maria,
aller welt furbildeten als eine mitlerin
der armen sunder, auch gegen jhrem son Christo
selbs, Denn wir wissen alle miteinander, und ich bin so wol darinnen
gesteckt als alle ander, das wir Mariam
schlecht an Christus stat und ampt zu halten
gelert waren, Hielten Christum fur unsern zornigen Richter und Maria
fur unsern gnaden stuel, dahin all unser
trost und zuflucht stund, so wir anders
nicht verzweifeln wolten1, War das nicht eine greuliche newigkeit? Wo
waren hie Bisschove, die solche newe lesterer
und verrether Christi strafften? die
Christo sein ampt namen und gabens Maria, die uns lereten von
Christo fliehen und uns fur jhm
fuerchten, als fuer dem stockmeister, und unser
zuversicht, die wir jhm schueldig sind, als den rechten Gottes dienst,
anders wo hin keren? Eitel Abgoetterey
haben wir von den verrethern gelernt.
[ 17 schendlichen] schedlichen C 27
Marie F]
[Seite 300b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 300a
Dazu holffen die Doctores jnn den hohen
schulen, die sonst nichts zu thun
hatten, denn newe opiniones, einer uber den andern, zu erdencken, Und es hette einer nicht mit sonderlichen
ehren muegen Doctor sein, wer nicht
etwas newes hette auff bracht, Jhr bestes aber war, das sie die
heilige schrifft verachten und unter der
banck ligen liessen, Was Biblia, Biblia?
sprachen sie, Biblia ist ein Ketzer buch, Man mus die Doctores lesen, da
find man es, Jch weis, das ich hie nicht
liege, denn ich bin ja unter jhn auffgewachsen,
hab solchs alles von jhn gesehen und gehoeret. Scotus schreibt, das man aus der schrifft nicht beweisen kan
diesen artikel: descendit ad inferos.1
Occam, mein lieber Meister2, schreibt, das man aus der schrifft nicht
beweisen muege, das einem menschen zum
guten werck Gottes gnade not sey. Das sind
die besten zween, Was solten die andern thun? Uber diese alle gehet
Thomas Aquinas, Lerer aller lerer (sagen
anders die Prediger Muenche recht)3, der
sagt frey, das Muench werden sey gleich so viel als getaufft werden4, So
sol
[ 15 hoffen I 18 aber fehlt E 27 aller
l.] vber alle l. C 28 sagt] sage E]
[Seite 301b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 301a
man Christus blut und sterben ehren,
Noch ist das keine newigkeit, und er ist
dazu Canonisiert vom Bapst und allen Bisschoven. Summa: es war jamer und hertzeleid, mit predigen und leren,
noch schwiegen alle Bisschove stil und
sahen nichts newes, die doch jtzt eine newe mucken jnn der sonnen sehen koennen.1 Und stund also alle ding so
wuest und wilde, fuer eitel uneinigen
leren und seltzamen [Bl. Dij] newen opinion, das niemand mehr wissen kund, was gewis odder ungewis, was ein
Christ oder unchrist were. Da lag die
alte lere vom glauben Christi, von der liebe, vom gebet, vom Creutz, vom trost jnn truebsaln gar darnider,
Ja es war kein Doctor jnn aller welt,
der den gantzen Catechismum, das ist, das Vater unser, Zehen gebot und glauben gewuest hette, Schweige,
das sie jhn solten verstehen und leren,
wie er denn jtzt, Gott lob, geleret und gelernt wird, auch von iungen kindern, Des beruffe ich mich auff alle jhre
buecher, beide Theologen und Juristen,
wird man ein stueck des Catechismi daraus recht lernen koennen, so wil ich mich redern und edern2 lassen. Noch
muste dort nichts newes sein, dis aber
mus newe sein.
[Seite 302b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 302a
Ja, sprichstu, Diese stueck sind nu
angenomen und jm teglichen brauch, Aber
deines ist gar newe. Lieber, sage mir, wie alt ist wol S. Annen Abgott? wie alt ist der Rosen Crantz, die
Marienkrone? Wie alt sind der Barfussen
pater noster steine an den thueren und thoren und jnn allen winckeln? Wie alt ist die walfart gen
Grimtal, Regensburg, der Rock zu Trier
und der gleichen viel mehr, waren sie nicht new fuer x, xx, xxxx iaren? Wer hielt aber dazu mal widder die newigkeit?
So lasse mein Euangelion doch auch so
lange lauffen, Was gilts, es sol auch alt werden. ‘Ja, dein new Euangelion ist wol recht, aber es hat
eine sonderliche newigkeit an sich, die
nicht leidlich ist!’ ‘Welche ist die?’ ‘Ey, es thut schaden jm beutel
[ 13 der Marien H]
[Seite 303b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 303a
und In der kuechen’, sagen die Tumherrn
zu Magdeburg.1 Das laut, sprach jhener
knecht2, das were doch ein mal gut Deudsch, das kuend man verstehen. Het ich das vor gewuest, Warumb verlieren wir
denn bis her so viel wort? Wolan, so
wollen wir hie jm heimlichen Concilio schliessen, Das newe lere heisse, was jm beutel und kuechen schaden
thut, Alte lere heisse, was den beutel
und kuechen fuellet, O lieber, nu schreibe und siegel zu, wir wollens
auff den Reichstag gen Augsburg schicken
und hoeren, was die Herrn dazu sagen.
Gott weis, das ich euch solchs zu
unehren3 nicht sage, Mir ist an ewren
verderben nichts geholffen, ich wolt lieber, es stuende besser umb euch, Aber das kuend jhr selbs wol bedencken: wo
jhr solche grewel vergessen wollet, dazu
euch noch schmuecken und putzen, So werden leute vorhanden sein, die es nicht vergessen, Und werden villeicht
unsauber gnug davon handeln. Denn
solcher unverschampter frevel ist nicht zu leiden, das newigkeit heissen
mueste, was jhr wollet, Was jhr aber
nicht wollet, mueste nicht newigkeit heissen, zu unterdrucken die warheit widder ewr eigen
gewissen. Darueber wuerden wir
[Seite 304b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 304a
widder zum anfang der sachen komen und
hernach erger mit euch werden denn
vorhin, Wie wol es erschrecklich ist, das man fur nimpt, solchen jamer
zu bergen und sich darueber noch
rechtfertigen und andere lestern und verfolgen,
Das wil ein zeichen sein eins verstockten unbusfertigen hertzen, und das
jhr bald zu grund gehen muesset, Sintemal
keine sunde Gott hoeher beleidigt und
verdreust, denn so man offentliche bosheit leugnen, schmuecken und
bergen wil, [1. Mose 4, 9, 1. Sam. 15,
13 ff.] wie Cain und Saul theten. Nicht so, lieben Herrn, thut nicht so, ewr
doch etliche, gebt Gott die ehre,
bekennet, das ihr inn solchen stuecken [Bl. D iij] ubel gethan habt, demuetigt euch, so wird er euch
erhoehen, bittet, so wird ers euch
vergeben, bessert euch, so wird er euch helffen.
Werdet jhr aber euch nicht demuetigen,
sondern solche stueck woellen vergraben,
geschwiegen, ungebuesset und ungestrafft haben, Und darueber die
armen Lutherischen noch verfolgen und
inn sinn nemen sie zu dempffen, Wolan, da
woellen wir euch zu sehen, Gehet eine plage uber euch (als nicht anders
sein kan), so gedenckt daran, das jhr
gnugsam gewarnet seid gewesen, Jhr solt
die ersten nicht werden, die Got uberpochen1, das weis ich fuer war,
Jch meine es ja hertzlich und trewlich,
ob ich doch ewer etliche moecht bewegen,
[Seite 305b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 305a
Weil ich hoffe, das noch etwa ein Lot odder
zween jnn ewer Sodoma sind, Die andern,
die vnbusfertig bleiben, sollen nicht allein solche grewel nicht erkennen, damit sie doch mehr denn tausent
mal den tod verdienet haben, sondern
darueber auch die unschueldigen (so solche laster und schande nicht woellen loben) wuergen, ertrencken, hencken,
verbrennen &c.., wie sie denn
redlich thun.
Es wil mir jtzt zu viel dings
zufallen.1 Jch wil widder auff die
winckel Messen komen Und die grewel, die mir jtzt hiebey einfallen,
sparen, bis ich sehe, wie jhr euch
bessern odder euch putzen und weis boernen2 woellet auff diesem Reichstage, So wollen wir denn
komen mit ewr rechten farbe3, und euch
proficiat bieten4, ob Gott wil. Von dem jarmarckt der kauff Messen sey dis mal gnug, Nu, wenn sie gleich
nicht verkaufft, sondern auffs beste und
umb Gottes willen gehalten wuerde, dennoch leret und hieltet jhr sie fuer ein opffer und werck, damit man Gott
dienet, und beide, fuer uns und andere,
sie weren lebend odder tod, fuer die suende gnugthet, und das
[ 16 ewer] eyner D 18 erkennen]
bekennen E 23 hiebey] dabey G 24 boernen] halten G]
[Seite 306b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 306a
aller meiste fuer die todten, wie wir alle
wissen, das die Messe schier gar fuer
die todten widder das fegfewer streiten must. Mein wey Bischoff, da er
mich zum Pfaffen macht1 und den kelch
jnn die hand gab, sprach ja nicht anders
denn also: “Accipe potestatem sacrificandi pro vivis et mortuis,” Das
uns da die erde nicht beide verschlang,
das war unrecht und alzu grosse Gottes
gedult. Die lebendigen hatten das davon, das sie gleubten, wer des
tages eine Messe sehe, der were genesen,
sicher und selig, dis war der beste und
gemeineste brauch der Messen, Das koent jhr nicht leugnen, fraget
drumb alle kauffleute und was uber felt
zihen muste, und alle frume burger und
burgerin inn stedten, zum wenigsten von der Rorate Messe.2
Jst das nicht eine erschreckliche
newigkeit? Sagen nicht ewr alte Canones
Apostolorum, Niemand solle bey der Messe sein, der nicht communiciern odder das Sacrament nicht mit empfahen wil,
Hats nicht Christus eingesetzt zu
empfahen und sein dabey zu gedencken, den glauben an jhn zu stercken, da er spricht: Solchs thut zu
meinem gedechtnis, Jhr aber schweigt
solchs gedechtnis, lasst sie es nicht thun noch empfahen, leret und
vermanet
[ 28 sol D]
[Seite 307b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 307a
nicht zum glauben, wie es Christus eingesetzt
hat, lassets damit bestrichen sein1, das
der beysteher habe die Messe gesehen, die jhr die weil heimlich opffert, Und last also dem armen zuseher die
luegen und falsche [Bl. D4] zuversicht
jm hertzen bleiben, als habe er wol gethan mit seinem zusehen, und nichts uberal des sacraments, wedder leiblich
noch geistlich, geneusset, wie es doch
Christus haben wil und seine Apostel nach ihm. Jch sag es noch: Jhr klaget, das man euch stifft und kloester
gueter nimpt, Man solt umb solchs
grewels und lesterlichen misbrauchs willen der Messen mit stifften [2. Kön. 23, 15] und kloestern umb gehen, wie
Josias der Koenig Juda mit den Altaren zu
Bethel umbgieng, das nicht ein stein auff dem andern bliebe, das were
billich und recht, wo jhr euch hierinn
nicht bessern wollet.
Jhr schreiet: Was ist doch gutes aus
der newen lere des Luthers komen? Jch
mus euch widder fragen: Sagt mir, Was ist auch gutes bey euch blieben? Nicht ein stueck habt jhr unverderbet
gelassen. Die Messe, unsern einigen
hoehesten schatz, habt jhr (wie gehoeret) mit unzeligen abgoettereien
und grewelen zu schanden gemacht und den
rechten Christlichen brauch mit fuessen zutretten, den glauben verstoeret und das wort
geschwigen. Die Tauffe ist bey den
[ 27 bleibe H]
[Seite 308b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 308a
kindern blieben, wie wol ungeschickt
und unvleissig gnug, Aber so bald das
kind erwachsen ist und zur vernunfft komen, habt jhrs flugs erwuerget,
erger denn der Tuercke thut, und jhm die
tauffe widder genomen, durch ewer leidige
busse und werck lere, dadurch es lernet, seine tauffe, als durch suende
nu verloren und zu nicht worden, zu
verachten, und hinfurt durch seine eigen wercke
die seligkeit zu suchen, gerade, als were die Tauffe ein vergenglich
menschen werck gewesen, gleich wie die
Widderteuffer leren, und nicht ein ewiger bund
Gottes. Sagt mir hie: was ist guts bey euch blieben? Jch wil
schweigen, was guts daraus komen sey, So
wir auch unser Tauffe, Sacrament, Euangelion,
Glauben und Christum fuer euch nicht haben koennen behalten, Denn jhr nichts rechts, sondern alles widder die
Tauffe, Sacrament, busse gelert habet,
das ist am tage.
Unter dem Tuercken ist doch das
vorteil, das, wenn jemand getaufft ist,
so leret man jhn ja nicht widder seine tauffe, sondern das boese
Tuerckische wesen und exempel ist ferlich
und ergerlich, Und ob man gleich widder die
Tauffe lerete, so ist gut widder zustehen, weil der Tuercke kein Christ
und bey einem Christen mit seiner lere
veracht ist. Aber hie bey euch ist nicht
allein das exempel und wesen ferlich, Sondern jhr leret auch da widder
und
[Seite 309b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 309a
stuermet mit worten und wercken da
widder, und thut das unter dem namen
Christi, als die lieben veter der seelen und freunde der Tauffe, das
schneit [Ps. 52, 4] wie ein scharffes
scher messer, wie der Psalm sagt, Welchs klagt auch S. Peter [2. Petr. 2, 18] uber euch 2. Petri. 2: ‘Sie
reden prechtige wort, da doch nichts hinder ist, und reitzen durch unzucht zur fleischlichen lust
die jhenigen, die RECHT ENTRUNNEN waren
und nu jm jrthum wandeln muessen’ &c.. Das gut aber, so aus meiner lere komen ist, ist, das solche ewer grewel
und lesterung alle an tag bracht und
verdampt sind, welchs alzu viel und gros gut ist, Wie wol noch viel mehr guts teglich draus komet, wie folgen
wird, Bey euch aber ist alles gut
verderbet und nichts blieben.
[Bl. E1] Vom Bann.
Da wisset jhr auffs erst den grossen
raub und frevel, das jhr den grossen
Bann, genant Excommunicatio maior (welcher doch der weltlichen Oberkeit zu stehet), zu euch gerissen habt,
bis das Bepste sich auch unterstanden,
Keiser, Koenige und Fuersten ab zu setzen und sich selbs weltliche
Keiser zu machen. Last euch sagen,
lieben Herrn, das ist nicht recht, Ewr Bann
sol der kleine heissen, der nicht die welt, sondern den himel zu
schleust und [Matth. 18, 17] von der
Christenheit und Sacrament sondert, wie Christus Matth. 18. spricht:
[Seite 310b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 310a
[1 Kor. 5, 12] ‘Halt jhn wie einen
heiden’ &c.., Und S. Paulus 1. Corin. 5: ‘Was gehen mich an, die draussen sind’ &c.. Wenn andere
stueck solten gebessert werden, so mueste
man dis auch bessern, Denn Gott gefellet kein opffer odder dienst, so
vom [Jes. 61, 18] raube koempt, wie
Jsaias sagt.
Uber das ist der brauch des Bannes und
sol der sein, das man die offentlichen
laster straffe, als raub, ehebruch, hurerey, mord, hass, wucher, seufferey, item Ketzerey, lesterung und der gleichen,
wie unser Herr Christus [Matth. 18, 17]
leret Matth. 18, das der Bann solle gehen uber die, so der Kirchen oder
seiner Gemeine nicht gehorchen wollen,
So leret die Kirche ja nicht anders, denn
Gottes wort &c.. Nu sagt an, was ist guts und alts vom Bann bey
euch blieben? Was ist hie nicht newer
schedlicher misbreuche auffkomen? Jch wil
schweigen, das jhr unschueldige frume leute fuer Ketzer verbannet,
verflucht, verdampt und erwuergt habt.
Der Bann ist nirgent zu gebraucht, denn das
man zinse und schuld hat dadurch eingemanet1 und manchen jamer uber arme leute angericht, Denn was die buben,
Official und Commissarien hie fuer
mutwillen geuebt, das wisset jhr zum teil, und wir wollen hernach (wo jhr auff diesen Reichstag nicht dazu thut)
euch solcher tugent einen Kalender
[Seite 311b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 311a
Aber an dem ort, da der Bann solte seine
rechte macht und brauch haben, das ist
er gar ein lauter Ablas2 und eitel segen gewest, hat gar nicht schneiten muegen, nemlich bey den Bisschoven,
Tumherren, ja auch bey den Bepsten und
Cardinelen selbs. Hie wolt ich gerne einen Canonisten Doctor hoeren, der mir wolt anzeigen, wie viel mal
nach den Canonibus und geistlichen
rechten der Bapst, Cardinal, Bisschove, Pfaffen, stifft und kloester
der Simoney und ander untugent halben
jnn Bann verdampt und verflucht sind,
Wer helt sie aber bennisch? Die Declaration stehet bey jhn Und heist
also: Jm Bann ist, wen wir wollen
drinnen haben, Wen wir nicht wollen drinnen
haben, der ist nicht jm Bann. So faret fort, lieben Herrn, Wenn ewr willen sol das recht heissen, so kan auch die
Christenheit wol solcher Bisschove und
Bepste geraten.3
Und ich wolt gerne wissen, wo fuer man
doch euch halten solt. Christen wolt jhr
nicht sein, Denn jhr wolt Christus wort und ordnung nicht leiden,
stellen1, das jhrs greiffen sollet, das
wir ewren misbrauch hierinn verstanden
haben, und der gantzen welt anzeigen.
[Seite 312b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 312a
So wolt jhr Bepstisch auch nicht sein,
denn jhr wolt die Canones und geistlichen
recht viel weniger halten, als sie denn auch viel schwerer zu
halten [Bl. E ij] sind denn das
Euangelion, Jst aber das nicht ein seltzame newzeitung1, das Bepstissche wollen nicht Bepstisch sein?
und geben sich doch fuer Bepstissche
aus, Wollen der Kirchen gueter und regiment haben, allein zu jhrem mutwillen, und nicht zu nutz der
Kirchen, das sind ungereimpte sachen.
Wolan, so seid Epicurisch und Tuerckisch ymer hin, das seid jhr doch gewislich, Aber weil jhr denn ja Epicurisch
seid und doch so kleglich jtzt schreiet,
das man die kloester und stifft gueter so rappet2, mus ich der halben mit euch ein heimlich freundlich gesprech
halten.
War ists, Gefellet mir auch nicht, das
man solche gueter so zu reist und zu
strewet, wie wol die Unlutherisschen am aller meisten solchs thun, auch mehr davon haben denn die, so man
Lutherisch schilt, wie das wol zu
beweisen ist, Und sonderlich gefellet mirs ubel, wo es boese buben
kriegen (wie ich wol weis), die es nicht
verdienen, Denn welche erbeiten und trewlich
dienen, da wil ich kein gewissen machen, ob denen etwas davon wird.
Aber darauff wolt ich mir gern antworten
lassen: weil offenbar sind zweierley
Stifft diebe und kloester reuber, welchs doch unter diesen beiden die
ergesten
[Seite 313b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 313a
billich solten genennet werden, Als
etliche eusserliche, etliche jnnerliche, Die
eusserlichen sind die boesen und unwirdigen, wie droben gesagt, Die
jnnerlichen sind die Bisschove,
Tumherrn, Muenche selbs, die drinnen sitzen, nemlich, die solche gueter zu aller untugent und unzucht
missebrauchen und jhren gestifften stand
unverschampt uber treten und grosse summen gen Rom noch groessern buben davon schicken und die stifft damit so
schendlich plundern. Meinstu nicht, die
Keiser, Koenige, Fuersten und herrn, die solche Bistum und kloester gestifft haben, wenn sie hetten damit woellen
hurheuser odder den Roemern raub kirchen
stifften, sie weren wol so vernunfftig gewest, das sie sich anders dazu gestellet hetten und jhr gelt und gut
nicht hurn und buben, noch Roemischen
dieben und reubern zugeordent. Weil denn nu jnn stifften und kloestern solche gesellen sitzen, und solcher
gueter die personen gebrauchen, welche
die stiffter nicht gemeinet noch gewolt haben, und sie also widder jhren
willen und stifftung solchs jnne haben,
lesterlich verzeren und schendlich zu bringen
und darueber jm Bann und jrregulares auffs hoehest verflucht sind, So
sage mir, welche die ergesten stifft
reuber und kirchen diebe sind? So wirstu den
Bapst oben an sitzen sehen, sampt Cardinalen, Bisschoven, Thumherren,
Ebten und Muenchen, Denn sie halten und
thun nirgent das, darumb sie gestifftet
[Seite 314b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 314a
sind, sondern stracks das widderspiel, als die
unsinnigen, nemen und brauchen [Matth.
7, 3 ff.] gleichwol der gueter, wie sie wollen. Ey lieber, kanstu den splitter
jnn eines andern auge sehen und schreien
uber das zwacken1 der geistlichen gueter, So
mueste man dir die balken jnn deinen augen (die du nicht sehen wilt)
auch zeigen, Kanstu eines sagen, so
mustu das ander auch hoeren, auff das du
wuestest: ander leute haben auch augen, fuelen auch, riechen auch,
hoeren auch.
Wenn jhr nu fuergebt, man solle euch
das ewre nicht nemen: Freilich sol man
euch das ewre nicht nemen, Aber ich wolt gleichwol ewrs geistlichen Rechts mit euch spielen2, dasselbige urteilt,
verban=[Bl. Eiij] net, verfluchet und
setzt euch abe und spricht: Es sey nicht ewr, Deponatur heissts. Denn
jhr haltet nicht ewr stifft und recht
und habt damit euch selbest abgesetzt, darumb
habt jhr die gueter nach ewrem eigen recht lengst verloren, habt sie
aber bisher, wie die verdampten reuber,
mit frevel jnnen gehabt. Denn solt man
das verbum Deponatur per omnes personas decliniern und Coniugiern,
wo wolt Bapst, Cardinel, Bisschoff und
Tumherrn bleiben? Es wuerde gewis ein
verbum Jmpersonale draus werden, das kein person behalten wuerde.
[ 32Cardinal F2]
[Seite 315b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 315a
Duenckt es euch aber billich, das man
gedult mit euch habe, das jhr ewr recht
nicht haltet, So lassts euch widderumb auch billich duencken, das jhr gedult mit den habt, die euch, als den
unbusfertigen Simonistern und verbanneten
reubern, die gueter nemen odder nicht folgen lassen, Weil sie doch hie ewer eigen Recht haben, das heisst:
Deponatur, Also geschehe denn ewer
beger, das man euch das ewre liesse, das ist: die hurerey und bueberey,
Aber was nicht ewr ist, das ist: die
zinse und gueter, nicht liesse, Sondern als den
Reubern und dieben widder neme.
Niemand wil ich hiemit verteydingt
haben, Ein iglicher sehe fuer sich, aus
was verdienst odder ursachen er solche gueter brauche, Allein ich mache einen unterschied zwisschen der geistlichen
guetern brauch, widder die schreyer. Und
sage noch: Wenn denn ja der stifft und kloester gueter sollen hinein gen Rom boeslich geraubt und heraussen schendlich
mit hurn und buben verzeret werden und
der stiffter meinung so gar feylen, so wolt ich noch lieber, das sie die Keiser, Koenige, Fuersten und herrn
selbs heraussen behielten und legten sie
besser an. Weil das gewis ist, das die stiffter haben wollen damit versehen
[Seite 316b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 316a
frume, zuechtige, Christliche personen, nicht
die da stuenden und bloeken1 odder
habich truegen2, sondern die da studierten, lesen und beten, damit man gelerte leute kuendte daraus nemen zu
Bischoven, Pfarhern, Predigern, Schulmeistern,
Cantzlern, Schreibern &c.., wie denn anfenglich vor zeiten
geschehen. Nu sie aber solche ampt und
wercke lassen und verachten, ja spotten und verfolgens dazu und sind jm bann vielfeltiglich, So wolt
ich nicht drumb weinen, wenn sie auch
den sold und zinse drueber verloeren. Es heisst: Beneficium propter officium, Nicht aber: beneficium propter
maleficium, Das leret ewr eigen Recht
und straffts mit dem bann auffs aller grewlichst und nennets Simonias.
Sage mir nu: welcher Bapst, Bisschoff,
stifft odder kloster hat bis her jemals
rew und leide darumb gehabt, das sie solche officia haben lassen untergehen,
[ 12 beten] betten d. i. wohl beteten
F]
[Seite 317b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 317a
odder darnach getracht, das sie widder
angericht wuerden? und haben dennoch
solche beneficia gebraucht, Und also daher gelebt, zwifeltige kirchen diebe und duppel kloester reuber, Denn sie
nicht allein die gueter jnnen gehabt,
welche doch auff ander personen sind gestifft, weder1 sie sind, Sondern
haben auch der gantzen Christenheit
gestolen, geraubet und gehindert frume, gelerte, Christliche Bisschoue, Pfarher, Prediger und
der gleichen noetige personen, der man
nicht geraten kan, und sie doch haben sollen geben, nach meinung und willen der stiffter, Lieber, die Stiffter
haben nicht die officia gemeinet, das du
einen langen rock, [Bl. E4] korhembd, platten treegst, odder Caseln und geweihete kleider anlegest, das koennen
stoeck und steine auch wol tragen, Sie
haben leute woellen zihen, der Christenheit zu trost und heil.
Wenn jhr nu wollet hoch poltern2, Man
solle euch die stifft und kloester
widder gentzen3 und alles widderuemb einreumen4, So sagt man euch
billich
[ 25 hoch fehlt E]
[Seite 318b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 318a
widderumb: Lieben herrn, gebt und gentzet
zuvor widder ewrn zwifeltigen raub,
nemlich personen und gueter: Die personen habt jhr der Christenheit geraubt, Die gueter den stifftern gestolen.
Gebt jhr solchs widder, das die officia
widder jnn schwang komen, Wolan, so folgen euch billich die beneficia, Denn es ligt der Christenheit mehr an solchen
personen, weder1 an allen guetern und
herrligkeit der gantzen geistlickeit. Wo nicht, so wirds nicht eine feine rechnung2 werden, das jhr allein die ausgabe
wollet berechen und die einname
verschlagen3, Man mueste euch anders rechen heissen und besser auff die feust sehen, Jhr habt eingenomen der
herrn gueter, personen damit zu halten
und zu zihen, Wo sind die selbigen? rechent her! Ja jhr seids, die auch die armen knaben schulen zurgehen
lasset, das ja die Christenheit auff allen
seitten durch euch zu grund verderbet werde, allein das ewr Epicurischer
bauch wol stehe. Das wil ich darumb
gesagt haben, das man sehe, was die splitter
[ 20berechen] brechen H 20/21 einnaeme
F 26/319, 17 spittelrichter E]
[Seite 319b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 319a
richter dran gewinnen, wenn sie jhren unflat
ruetteln.1 Darumb denckt und bittet
Gott, das er euch helffe auff diesem Reichstage was guts schaffen, Die sachen sind gros und schweer, und ligen
leider tieff versencket und verschlemmet,
das menschen krafft und witze hie nichts schaffen mag. Der bann ist ja
not, [Matth. 23, 24] Aber Herr Gott, Er
mus nicht mucken seygen und kamel verschlingen, Sonst wird nichts draus.
Die stuecke von der Busse, Messe,
Tauffe, Glauben und Wercken, hab ich wol
sorge, das sie bey euch zu hoch sind, darumb ich wenig hoffnung habe, das jhr etwas reines hierinn schliessen
werdet, Weil ewer gelerten selbs nichts
davon verstehen, Und solche stuecke on menschen zuthun, allein durch
Christum selbs und seinen heiligen geist
erhalten und getrieben werden muessen. Denn
auch, aus genomen das erste Concilium Act. 15, kaum eines odder zwey
davon gehandelt haben. Darumb wil ich
weiter bitten, flehen und vermanen umb
die stuecke, darinn man nicht sonderliche erleuchtunge des Heiligen
geists darff, Sondern die bey allen
Christen begreifflich und gewis sind, auch fast durch vernunfft muegen erkennet werden. Und
erstlich:
[ 19 verschleymet F2 20 witz D]
[Seite 320b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 320a
Von beider gestalt des Sacraments.
Hie wisset jhr ja wol, das die eine
gestalt eine ergerliche newigkeit ist,
widder die klaren hellen wort Christi und widder der gantzen
Christenheit alten langen braůch, wie
euch das alles durch viel schrifft ist gewaltiglich1 angezeigt, Dennoch habt jhr grossen feinde
aller newigkeit nicht allein diese
lesterliche newigkeit angenomen und gehalten, sondern auch mit grewlichem wueten und verfolgen, aus lauter [Bl. F1]
mutwillen, verteidingt, damit Gott auffs
hohest versucht, sein wort gelestert und verdampt, Gott gebe, das jhrs wol busset und ewren sinn seinem wort
unterwerffet. Jhr kunds mit keiner
schrifft erhalten, Solt jhrs denn mit lauter frevel und gewalt widder
die schrifft erhalten, das wird zu letzt
nicht wol ausgehen, Und hilfft euch nichts,
das jhr fuer wendet, Man solle nichts newes machen, noch etwas endern,
Denn jhr habt gehoeret, das dis stueck
eine newigkeit ist, und jhrs seid, die eitel
newigkeit und enderung In der Christenheit on unterlas habt auffbracht,
Und was nach Gottes wort geendert wird,
das ist kein newerung, dem sollen alle gewonheit weichen, wie gut sie sind, spricht ewer eigen
recht.2 So ist Gott und sein
[Seite 321b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 321a
wort elter denn jhr seid, wird auch wol iunger
und newer sein denn wir und jhr sind,
Sintemal Es ist ewig, darumb so sol es beide, altes und newes endern und regieren und sich widder vom
newen noch alten endern odder regieren
lassen.
Jhr gebt fuer, Man solle on willigung
der Kirchen nichts endern noch newern,
Wer ist denn die Kirchen? Seid jhrs? So zeigt siegel und briefe, odder beweisets sonst mit der that und
fruechten, Warumb sind wirs nicht auch,
die wir so wol getaufft sind als jhr, leren, predigen, haben die
Sacrament, gleuben, beten, lieben,
hoffen, leiden, mehr denn jhr? Odder seid jhr
darumb die Kirche, das jhr eitel newigkeit auffbringt, Gottes wort
darueber endert, lestert, verfolget und
moerdet, dazu stifft und kloester als die Kirchen [Apk. 2, 9] reuber jnne habt? Ja des Teuffels
Kirche seid jhr! die selbige ist eine luegnerin
widder Gottes wort und eine moerderin, wie sie sihet, das jhr Gott,
der [Joh. 8, 44] Teuffel, auch ein
luegener und moerder ist, Denn die rechte Kirche mus ia die sein, die sich an Gottes wort helt und
darueber leidet, wie wir (Gott lob)
thun, und niemand morden noch von Gottes wort fueren, Darumb soltet jhr uns nicht viel sagen: Kirche, kirche,
kirche, Jhr solt uns gewis machen, das
jhr die Kirche seid, Da ligets an, der Teuffel kan auch sagen:
[ 36 auch fehlt E]
[Seite 322b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 322a
[Matth. 4, 9] Jch bin Gott, bete mich an,
Matth. 4. Der wolff kan auch sagen: Jch bin
[Matth. 7, 15, Joh. 10, 1] hirte, Math. 7, Johan. 10. Wir wissen selbs
wol, das man der Kirchen solle
gehorchen, Aber wir fragen, Wer und wo sie sey?
Gott helff euch zur besserung jnn
diesem artikel, Thut jhrs nicht, So
wollen wirs mit Gottes gnaden dennoch thun, wie bis her. Und wil
mehr sagen: Wo es Gott schickt, das jhr
etwas nach lasset auff diesem Reichstage,
So wollen wirs nicht der meinung von euch annemen, als sey es durch
ewr nachlassen nu recht, und bisher
unrecht gewesen. Nein, jhr solt uns viel zu
geringe dazu sein, das jnn ewrem wilkoere und macht stehen solt, wenn
und wie lange Gott warhafftig odder ein
luegener, und wenn odder wie lange sein
wort recht odder unrecht sein solle, Denn das were zu hoch gefaren und nach Endchristisscher hoffart euch uber Gott
und sein wort erheben und alle unser
lere und thun widder ruffen, Sondern wir wollens euch durch Gottes wort abgezwungen und als den lesterern,
verfolgern und moerdern abgeiagt haben,
das jhr euch fuer Gott demuetigt, ewr sunde, mord und lesterung widder Gottes wort bekennet und bessert, als die bis
her unrecht gethan, Gottes wort
verfolget [Bl. Fij] und unschuldig blut vergossen habt, Solche suende
und laster
[ 26 solt] sol F 34 verfolgen E]
[Seite 323b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 323a
wollen wir unverborgen haben und nicht
mit stille schweigen und decken darein
bewilligen und solcher grewel uns teilhafftig machen, Odder wollen
vollend hinan setzen1, was da ist, und
wollens mit euch ausstehen2, auff Gottes wort,
welchs jhr verfolget, Denn, wie ich jm anfang gesagt, Beduerffen wir
ewrs Reichstags und schliessens3 nirgent
zu, Wir stehen, da wir stehen, on ewr zu
thun, ia auch widder ewer toben und wueten, Sondern umb ewren willen und umb des armen volcks willen thun wir
hiemit, was wir thun, ob wir euch odder
je etlichen aus euch helffen und dem volck raten kundten, Gott zu ehren, und der Christenheit zu nutz.
Vom Ehelosen stande
Celibatus, das ist der Ehelose stand
odder verboten Ehe (wie jhr wisset), ist
auch ewer Bepstlichen newigkeit eine, widder das ewige Gottes wort und widder den alten seligen brauch der
Christenheit, auch widder die creatur
[Dan. 11, 37] und schepffung Gottes selbs, Damit ist erfullet die
weissagung Danielis 11, da er spricht
von ewrem Koenige: ‘Er wird keines Gottes noch frawen liebe achten.’ Es mus je ein grosses laster sein
(frawen nicht lieb haben), weil es
[Seite 324b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 324a
der Prophet hie fuer ein sonderlichen grewel
des Endechrists anzeucht nehest nach der
Abgotterey. Die alte translatio hat: Erit in concupiscentijs feminarum, Er wird jnn frawen liebe sticken, Aber das
were nicht ein Endechristissche tugent,
sondern mueste also sagen: Erit in concupiscentijs masculorum, wie wol er doch dasselbige auch mit meinet,
wenn er spricht: Affectum erga mulieres
non curabit, welchs der rechte text ist.
Nu, lieben Herrn, wolt jhr frum sein
und wol thun, So zwingt euch jnn diesem
stuck zur busse uber alle den wuesten, unaussprechlichen jamer der
[ 11 sticken] ersticken G 15 thun.]
Hierzu am Rande: Vorzeiten haben sich die Thumherrn hierinn hart widder den
bapst gesetzt, Sonderlich die zu Mentz, das sie zu Erffort schier jhren
Ertzbisschoff hetten erschlagen. Vide Chron: Germanie.1]
[Seite 325b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 325a
unzucht allerley gestalt jnn aller
welt, welcher aus dieser verfluchten Bepstlichen newigkeit erwachsen ist, welche auch euch
allen auff dem halse ligt und ligen
bleibet, wo jhr nicht dazu thut und enderts. Jhr hoeret hie, das ein Endchristischer grewel und plage ist: frawen
liebe verachten, das ist: die ehe
verbieten, Denn Gott hat frawen geschaffen zu ehren und huelff dem
manne, darumb wil er solche liebe
unverboten und unveracht haben, Das fleisch
und der teuffel leren die frawen allein zur unehre brauchen, das man
eine nach der andern zu schanden mache,
wie bis her gethan hat ewr newer loeblicher
eheloser (ich hette schier gesagt: ehrloser) stand, und noch thut,
Das heisst nicht frawen lieben, sondern
unzucht und schande an den frawen lieben
und suchen und sie nicht wie frawen, sondern, wie hurn halten und
achten,
[Seite 326b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 326a
das sie hinfurt niemand lieb noch werd
haben mag, Aber Gott wil, das man sie
halte und achte, wie frawen, und thu das gern und mit liebe, Das ist: ehelich sol man sie haben und mit
ehelicher liebe bey jhn bleiben. Das
gefellet Gott wol, Aber es ist kunst und gnade.1
Wisset jhr auch, das das sechste gebot
heisst: Du solt nicht ehebrechen?2 Das
gebot (wie die andern alle) macht kein unterscheid der person, sie seien geistlich odder weltlich, Pfaffen odder Leyen,
so [Bl. Fiij] sollen sie nicht ehebrechen,
das ist: eins andern frawen nicht berueren, Weil es aber jederman eins andern frawen verbeut, So ists gewis,
das es jederman eigen frawen zu lesst,
Ja, auff das niemand eins andern frawen beruere, zwingts jhn zu einer eigen. Wenns nu war were (wie die
lieben Canones lestern), das ein Pfarher
nicht kuendte Gott dienen neben einer eigen frawen, so mueste dis sechste gebot schlecht auff gehaben sein3 und
nicht jnn gemein allerley person treffen
und eigen frawen erleuben.
[Seite 327b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 327a
Denn also moecht ich fort von andern
geboten auch sagen: Du must kein eigen
gelt noch gut haben, sonst kanstu Got nicht dienen, so doch das siebend gebot: Du solt nicht stelen, eigen
gelt und gut zu lesst, allein frembd gut
verbeut, Ja, auff das man nicht stele, gebeuts eigen gut zu haben. So weis ich auch noch nicht, ob groesser fahr
sey der suenden bey eigen gelt odder bey
eigenem weibe. Geitz, Mammon und die gesellen sind warlich mechtig. Aber summa: Es ist eine grosse bueberey des
Canons, das er fuer gibt, Man koenne
Gott nicht dienen bey einer eigen frawen, und koenne doch wohl Gott dienen bey eigenem Mammon, gelt, gut,
schloessern und stedten, Das widder
spiel ist war, das besser sey bey eigener frawen Gott dienen, denn bey
eigenem gut (wie wol keines einen
Christen hindert), Denn ein weib, das hat man
doch, und ist die sorge aus, wie mans kriege, und sie kan sich selbs
bewaren, Aber gelts kan man nimer gnug
kriegen, und sorget jmer fort on auff hoeren,
wie mans mehre und behalte, Solche sorge aber und liebe, das sind die rechten hindernis an Gottes dienst, welche
sorge wol ein weib dem Pfarher entnemen
kan, das sie sorget und lesst jhn schlechts Gott dienen.
Jtem, So solt auch einer wol narren
widder das fuenfft gebot und sagen: Du
kanst nicht woffen, buechsen und ander wehre haben und daneben Gott
[ 28 mehre u. b.] mehr b. H]
[Seite 328b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 328a
dienen, Denn du moechtest todschlahen, schaden
thun, odder damit gehindert werden, So
doch das fuenfft gebot allein verbeut, das man nicht toedten solle, Erleubt aber gleichwol woffen und wehre, Ja,
auff das dem morden gesteuret werde,
gebeuts waffen und wehre zu haben. Warumb haben aber unser Ehelosen heiligen leute beide, eigen gelt und woffen,
bawen und streiten getrost? hindert sie
das nicht an Gottes dienst? Nein, sonder ein ehefrewlin mus sie hindern, Es ist ein Hans worst gewest,
der solchen Canonem gemacht hat, Ein
Hans worst den andern, noch hat er alle welt, auch alle hochgelerten, verblendet.
Der teuffel aber hat das mit diesem Canone
anrichten wollen, das seine Ehelosen
keine eigen frawen, sondern an der selbigen stat aller andern frawen, toechter, megde, dazu auch Sodomam1,
hetten, welchs sie jnn der ehe nicht
hetten gethan. Also auch an stat eigens guts (denn es saur wird zu erwerben) aller wellt gueter zu verschlingen
und mit muessiggang verbrassen, Welchs
auch wol nachbliebe, wo sie solten eigen gut suchen und erwerben. Also haben sie woffen verbotten, das sie
aller Koenige schwerd moechten regen
[ 18 sol F]
[Seite 329b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 329a
und damit machen, was sie wolten,
welchs auch wol nach bliebe, wo sie jhr
eigens allein haben muesten, Aber wunder [Bl. F4] uber wunder ists,
das solch drey stuecke, nemlich:
allerley freye unzucht, allerley geitz und pracht, allerley woffen und krieg, diese Ehelose
heiligen nicht hindern Gotte zu dienen,
Und ein einiges fromes Eheweib hindert sie.
Und wenn alle ding1 ja feylen wuerde, das
Bapst, Bisschove, Tumherrn und das volck
ja wolten jm ehelosen odder hurn und buben stande bleiben, Sintemal auch der heidnische Poet2 bekennet,
das buler und hurn treiber ungern
ehefrawen nemen, So hoffe ich doch, jhr werdet euch uber die armen Pfarher und seelsorger erbarmen und den
selbigen die ehe lassen und nicht mehr
solche schendliche, moerdissche, tolle Canonisten odder Juristen sein, wie jhr bis her gewest seid, Denn ewr Canones
setzen, das man einen Ehepfaffen solle
suspendiren, das ist, vom ampt setzen3, so habt jhrs mit ewren groben Eselen und Bachanten4 also gedeutet: man
solle sie hencken, ertrencken,
erstechen, ermorden und veriagen, so gar blutduerstig und moerdisch seid
jhr
[Seite 330b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 330a
bluthunde, das jhr widder und uber ewr eigen
Recht euch nicht schemet zu wueten nach
allem mutwillen. Werdet jhr euch nicht erbarmen, als ich sorge, Es lige euch auff dem halse, und druecke euch
so viel unschueldigs bluts, so viel
grewlicher laster und ungehewrer bosheit, das euch Gott schwerlich gnade geben wird, etwas anders zu thun, on allein
solchs, damit jhr ja bald ewer [2. Petri
2, 18] verderben uber euch reitzt (wie S. Petrus spricht 2. Pet. 2), Wolan, so
wird man dennoch thun, was Gott will,
und nicht, was euch gefellet.
Fuer die Muenche weis ich nicht zu
bitten, Denn man weis wol, jhr woltet
lieber, das sie allesampt fuer den teuffel weren1, Gott gebe, sie nemen weiber odder nicht, Und nicht unbillich, Denn
zween hane auff einer misten leiden sich
nicht2, Sie wollen das leben haben, das jhr habt und gern allein hettet, das ist euch nicht zu leiden, Darumb
lasst sie faren, die schelmen, Sie
sollen nicht Bisschofflich noch Thuemisch3 leben fueren, Es gebuert allein zu der Kirchen und den Gottes dienern, wie
jhr seid. Gott der almechtige wolte ja
gnediglich mehr und bessers thun, denn jhr gedencket und wir uns zu euch versehen, Amen, Sonst wird der
teuffel (sorge ich) Abt4 und seine
[ 22 verberben AE 25 naemen F]
[Seite 331b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 331a
mutter1 Ebtissin werden, On das dis meine
hoffnung und trost ist: weil jhr nicht
ewig hie leben kuend, und man doch mus jmer newe Pfarher und seelsorger auff zihen, So werden (ob Gott
wil) die jungen gesellen, die hernach
dringen, sich nicht lassen mit ewren tollen, lesterlichen eiden und
pflichten zum ehrlosen stande und andern
greweln verknuepffen. Werden aber darueber
die pfarhen wuest, und das volck on wort bleiben, und die Muenche
vergangen2, so solt jhr sehen, wie lange
Bisschove und Tumherrn, stifft und kloester bleiben sollen, Es muessen ja Pfarher sein, wenn
schon nimer kein Bisschoff, noch
Tumherr, noch Muenche weren.
Es ist die Christenheit bis her so viel
hundert iar on solche Stifft Bisschove
und Tumherrn erhalten, sie kan auch noch wol hinfuert on die selbigen erhalten werden. Es wird ia freilich
am Jungsten gericht keine Christen seele
sich rhuemen odder zeugen konnen, das jnn so viel hundert iaren jhe eine [Bl. G 1] von jhrem Stifft
Bisschoue3 hette das Vater unser, Zehen
gebot, glauben odder ein Euangelion gehoert odder gelernt odder eins
einigen Bisschofflichen ampts odder
wercks empfunden odder genossen. Wir haben ja
[ 18 seelsolger A]
[Seite 332b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 332a
bisher, vor dem Luther, selbs gelebt,
als hetten wir gar keine Bisschove,
muessen auch noch so leben, So weis ich fur war, das alle welt sagen
mus, das sie vor des Luthers lere nicht
mehr von jhren Bisschoven gehabt denn
jtzunt, und jtzunt nicht weniger denn zuvor, ausgenomen die schinderey
und gelt schetzung. Sie koennen nicht
fuelen noch mercken, ob sie vorhin Bisschove
gehabt oder jtzt keine haben, So gar ist jhn nichts ab noch zu gangen
Bisschoflicher werck und ampt, Das heist
vleissig der seelen gewartet, So suchen sie
jtzt widderumb zu warten.
Ja (sprechen sie), Wir weihen und
ordenen andere an unser stat, die solchs
thun, Das thun sie auch nicht, sondern der Weybisschoff thuts, der selbige helt auch keine Bisschoffliche weise
noch art, denn er weihet allein zur
opffer Messen1, fragt kein bissen2 darnach, wie und was man predigen
solle und was den leuten not ist zu
lernen, Darumb ist er auch zu frieden, wenn
die Pfaffen kaum ein Requiem lesen koennen, schmirt darnach flugs
den ungelerten eselen seinen Chresem an,
und lest sie hin streichen.3 Gott selbs
schafft Prediger, wo sie sind, und erhelt da durch seine Kirchen, der
Stifft
[Seite 333b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 333a
Bisschove und Weybisschove halben were
sie lengest hundert tausent mal zurgangen.
Wie wol, das sie bisher so ubel gestanden und noch stehet, wes ists schuld anders, denn der Stifft bisschove? die
jnn der Apostel stat und jnn
Bisschofflichem ampt sitzen und thun der selben keines, lassens alles zu
boden1 gehen, Und schreien itzt
gleichwol, man solle sie zu vorigem regiment komen lassen, sie suchen der seelen heil. Es ist
sonst ein fein regiment gewest, und
suchen wol der seelen heil, Ja, den Teuffel auff jhren kopff2 (der sie
auch reitet3) und unser aller unglueck
auff unsern hals, wie uns vorhin auch
widderfaren ist. Es ist umbs Fuerstlich Meum und Tuum zu thun,
Bisschofflich ampt wil wol bey den
Pfarherrn und Predigern bleiben.
Weiter (geben sie fuer): Wir lassen
aber leute studiren jnn hohen schulen,
die zu predigen tuchtig und darnach aus unserm befelh durch den Weybisschoff geweihet werden. Das ist war,
jhr last sie leider studiren. Das thut
der Tuerck und die Jueden auch, lassen studiern, Was geben odder helffen sie dazu? Jhr auch, was gebt und
helfft jhr dazu aus ewren Stifftlichem
Mammon, das jrgent einer studire, wie jhr doch hoch schueldig seid? Ja wol, Es ist euch leid, das hohe schulen
sind. Sondern da stinckt euch der
[Seite 334b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 334a
odem nach1: Der Muenche seid jhr nu los
odder jhe mechtig, das nemet jhr vom
Euangelio froelich an, Der Theologen und Gelerten weret jhr auch gerne los, die ligen euch noch jm wege, Weren die
weg, wolan, so weret jhr der Pfarherrn
vol mechtige herrn, darnach kund jhr widder uber Koenige und Fuersten steigen, Ja auch den Bapst selbs, als
der ewer nicht geraten kund, zwingen,
das wir Bisschove allein Gotter und Herrn auff erden weren, Da wolt jhr hinaus, lieben Herrn, Jsts nicht
war: der heimliche ratschlag zu Mentz2,
da ich nicht [Bl. Gij] bey sein kundt, der selbige leise tritt3 gieng auff dieser ban? So hetten wir denn die welt
vol Esel, und die Kirchen gar kein wort
noch Pfarr ampt mehr. Ach, soltet jhr studiren lassen, So doch die pfreunden, die auf den stifften den hohen
schulen eingeleibt sind, niemand werden,
er habe denn zuvor durch ander leute huelff gestudiret, Und wenn sie jhm werden sollen, mus er sie zuvor mit einer
summa keuffen und bezalen, Und wenn er
sie nu bezalet hat, wird er verbunden jm Stifft zu heulen und zu plappern, auff das ia sein studirn und
kunst nicht zum predig ampt odder lere
ampt gedeye, So helfft jhr der Christenheit!
[Seite 335b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 335a
Jch setze aber, das jhr andere an ewr
stat verordenet (als jhr doch nicht
thut), die predigen und Bisschove sein sollen von ewren wegen: So hoeret jhr ja wol, Jch rede jtzt von Bisschoven und
rede nicht von bestellern, Ein Bawr
odder Richter jm dorffe, Eine Stad, ein Fuerst, kan auch einen Prediger bestellen, Jst drumb kein Bisschoff. Ein
Bisschoff heisst, der selbs [Apg. 20, 28]
weiden sol Gottes volck. Denn da stehet Act. xx Sanct Paulus lere zu den Bisschoven: ‘Habt acht auff euch selbs und
auff die gantzen herd, unter welche euch
der heilige geist gesetzt hat zu Bisschoven, zu weiden die Gemeine Gottes, welche er durch sein eigen blut erworben
hat.’ Weret jhr Bisschove, wei ewer
namen und ampt foddert, so wurden euch die har gen berge stehen1
fur diesem spruch, Und wurdet wol so
ungern Stifft bisschove sein, als ich Prediger
und Doctor bin, Sintemal jhr wuerdets nicht viel besser haben denn ich
und [1. Tim. 3, 2 Tit. 1, 9] meins
gleichen, So spricht auch S. Paulus: ‘Ein Bisschoff soll Didacticus sein’, 1. Timo. 3, Tit. 3, das ist
leerhafftig, der jmer anhalte mit leren, Er
meinet aber nicht Fuersten bisschove, noch Schlos bisschove, sondern
Kirchen bisschove, die das werck
treiben, wie (Gott lob) jtzt viel feiner Pfarher thun, ob sie wol nicht spitze huete2 tragen, welche
koennen die kloetze und Niclasbisschove1
[Seite 336b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 336a
auch tragen. Denn das jhr als Bisschove
solt auffsehen, was recht gelert sey,
und wisset es selber nicht, das ist lecherlich, ja leider nicht
lecherlich, denn wirs bisher wol erfaren,
was ewr auff sehen guts geschafft, wie
obgemelte stuecke zeigen.
Dis alles hab ich, lieben Herrn, euch
muessen erinnern und vermanen, umb des
willen, das ich sehe, wie jhr Gott nicht fuerchtet, und fuer ewr grewlich verkeretes wesen keine rewe noch
busse suchet, auch kein gewissen drueber
macht, damit denn Gott auffs aller hoehest erzuernet wird, Denn sintemal wir arme Luterisschen eheweiber
genomen, lasst jhr euch duencken, jhr
habt ein mal ein stuecklin an uns ergriffen, weil jhr sonst nichts finden kuendet, das jhr euch nuetze machen wollet,
und uns damit so schmitzen2 und
druecken, das damit alle ewer schendliches unzuechtiges hurn leben, alle
kloester raub und stifft dieberey, sampt
aller grundsuppe3 ewer grewel und verkereter,
vnbisschofflicher misbrauch, schand, laster, schaden und verderben
der Christenheit, solle verborgen,
bedeckt, geschwigen, schoen und gelobt werden, das jhr hinfurt, als die reinen und unschueldigen,
die nie kein wasser betruebet4,
[Seite 337b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 337a
gleich uber die Apostel selbs, euch aller
gewalt unterwinden mueget. Aber faret
schon1, lieben her-[Bl. G iij]ren, sehet, das euch nicht feyle, sprecht nicht: Hui, jhr seid noch nicht uber den berg.2 Wie
jhr euch decken und schmuecken kuend,
das habt jhr nu gesehen, Jhr habt aber noch nicht gesehen, wie man euch den schoenen balck abstreiffen3 kan, Und
euch daher malen4, das jhr euch selbs
muesset anspeyen, Pocht und trotzt nur nicht, Ewer sache ist nicht so gut, als jhr meinet.
Kuend jhr uns unser ehefrawen
auffruecken, die wir doch fuer Gott mit
gutem gewissen und fuer der welt nicht als unser huren, sondern als
unser ehefrawen bekennen, So gleubt jhr
nimer mehr, wie meisterlich wir euch wollen
aus putzen5 ewer huerlin und geraubten eheweiber, die jhr und wir
wissen, das jhr sie mit keinem guten
gewissen habt, dazu fuer der welt nicht anders
denn als ewr huren bekennen, und euch als die huren treiber und huren
wirte, beide fuer Gott und der welt,
nennen und urteilen lassen muesset. Zu dem
wollen wir euch ewer Roemische Sodoma6, Wellsche hochzeit7, Venedische
und Tuerckische breute und Florentzische
breutgam8 also ausstreichen, das jhr sehen
[ 24 auffruecken] vffrupffen G]
[Seite 338b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 338a
solt und greiffen, das sich unser Ehe an ewer
ehrlosen keuscheit redlich gerochen
habe.1 Und ob villeicht ewer etliche nicht jnn allen solchen schuldig
sind, Da fragen wir nicht nach. Es sol
schutz herr, verteidinger, gesell und genossen
gleich so viel als die selbschuldigen gelten, darumb, das sie solche
laster nicht straffen, bannen, meiden
(wie das Euangelion und ewer eigen recht leret), Sondern solchen vbelthetern helffen,
beistehen und widder uns neben jhn
wueten und sich mit solchem beistand aller solcher grewel teilhafftig
machen [Röm. 2, 1] und damit nichts
bessers sind, denn die selbschuldigen, Roma. 2.
Denn es hat nie kein Heide, nie kein
Tuerck, nie kein Bapst, nie kein Keiser
und nie kein mensch auff erden gesetzt odder gethan, das man jemand umb der Ehe willen hette getoedtet2, Und ist
ein new unerhoeret ding, von euch newen
Bisschoven angefangen, die jhr seid die grossesten Stifft reuber, huren wirte und huren ieger jnn ewren
Stifften, so auff erden sind.3 Und thuts
auch nicht umb keuscheit willen zu erhalten, Sondern darumb, das man nicht wil huererey und unzucht treiben,
wie jhr thut, denn die selbigen
[ 25 ungehoert F]
[Seite 339b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 339a
Wie wol solchs stueck das geringst ist gegen
dem hohen gemeinen grewel, das jhr
solche Bisschove seid, wie droben angezeigt und mit der zeit (wo jhr euch nicht bessert) anders sol ausgemutzt1
werden, Denn sollen wir ia Gottlose
Huren treiber und Gottes feinde zu Bisschoven haben, so wollen wir auch jhn gar redlich weisen, jnn welche
Kirchen sie gehoeren, das solt jhr
gewislich erfaren, Denn so lange jhr unser Ehe nicht zufrieden last,
solt jhr auch nicht viel freude und ehre
von ewer huererey und Endchristisscher
Bisschofferey haben, Sterbe ich drueber, so sind ander da, die es besser
konnen. In summa, wir und jhr wissen,
das jhr on Gottes [Bl. G4] wort lebt, wir
aber Gottes wort haben, Darumb ist unser hochste beger und
demuetigeste bit, jhr wollet Gott die
ehre geben, euch erkennen, buessen und bessern, Wo nicht, so nemet mich hin2, Lebe ich, so bin
ich ewr pestilentz, Sterbe ich, so
[Hosea 13, 7 f.] bin ich ewer tod3, Denn Gott hat mich an euch gehetzt,
ich mus (wie Hosea
last jhr ungestrafft, Und kan niemand
gleuben, das jhr die keuscheit mit
solcher straffe trewlich meinet, Sintemal groesser feinde der keuscheit
nirgent sind, den jhr seid, als die jhr
sie jnn ewrem eigen leibe mit aller unzucht
on unterlas auffs aller schendlichst verfolget.
[Seite 340b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 340a
sagt) euch ein Beer und Lewe sein jm wege
Assur, Jhr solt doch fuer meinem namen
keine ruge haben, bis das jhr euch bessert odder zu grund gehet.
Darumb bieten wir euch an die wahl.
Erstlich, weil jhr doch Bisschoffliche
ampt und werck nicht kund noch wollet verhegen1, als die jhr zu
predigen und gewissen zu troesten und
richten doch warlich, warlich nicht tueget
sampt alle ewren gelerten, So last uns doch ewr ampt, das jhr schueldig
seid, aus richten, Gebt uns das
Euangelion frey zu leren, und last uns dem armen volck (das frum zu sein begert) dienen,
Verfolget und weret doch dem nicht, das
jhr nicht kund, und doch schuldig seid, und andere fuer euch thun wollen.
Zum andern, so wollen wir uber das
nichts von euch begeren noch sold von
euch nemen, sondern, wo uns sonst Gott erneeret, gewarten, auff das jhr also, beide der erbeit und lohn, der muehe
und kost, uberhaben seid. Nicht das wir
so grosse lust hetten zu predigen, Denn, fuer mich zu reden, wolt ich kein lieber botschafft hoeren, denn die, so
mich vom predigt ampt absetzt, Jch bins
wol so muede, der grossen undanckbarkeit halben jm volck, aber viel mehr der untreglichen beschwerung halben, so mir
der Teuffel und die welt zu messen.
[ 21 verhegen] veriehen G
274; Berbig, der Veit-Dietrich-Kodex
Solgeri 38 zu Nürnberg S. 7 und Enders, Luthers Briefwechsel 9, 20710).]
[Seite 341b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 341a
Aber die armen seelen wollen nicht, So
ist auch ein man, der heisset Jhesus
Christus, der spricht nein dazu, dem folge ich billich, als der wol mehr
umb mich verdienet hat.1 So wisset jhr
(Gott lob) nu selbs alle, das die Lutherisschen
Prediger frum sind, und thun euch nicht schaden, Sondern sind euch nuetzer, denn alle ewr und des Bapsts
gelerten. Und fruemer ketzer habt jhr
nie gehabt, werdet sie auch nicht fruemer kriegen, bittet Gott, das sie
euch muegen bleiben.
Zum dritten, wollen wir euch lassen
bleiben, was jhr seid, und leren (wie
wir denn bis her gethan), das man euch solle Fuersten und Herren sein, umb friedes willen, und ewer gueter lassen,
Welchs doch die Hussiten und
Viglephisten nicht gethan, auch noch jtzt kein schwermer noch rotten
geister thun wollen, Damit jhr doch
sehet, das jhr nicht feinde, sondern grosse freunde, ja auch schutz herrn an uns habt, Denn was
schadet uns das, ob jhr Herrn und
Fuersten seid? Wolt jhr nicht fuer euch und ewren stand und ampt thun, was recht ist, Wolan, da werden nicht wir,
sondern jhr rechenschafft umb geben,
Allein halt doch friede und verfolget uns nicht. Wir bitten ja nicht mehr, haben auch nie anders gebeten, denn
umbs frey Euangelion, Jhr
[Seite 342b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 342a
kuend uns, und wir euch, zum frieden
helffen. Thut jhrs nicht, So behalten
wir die ehre, und verlieret jhr, beide fried und ehre.
Zum vierden, Kuend jhr den Bisschofflichen
zwanck widder anrichten (so ferne jhr
uns das Euangelion frey lasset), da wil ich fuer mein teil, [Bl. H 1] auch getrost zu helffen und raten,
auff das jhr doch etwas Bisschoflichs
ampts auch haben mueget. Und also hettet jhr denn zwey stueck Bisschofliches ampts, Eines, das wir und die Prediger, an
ewer stat, das Euangelion lereten, Das
ander, das jhr huelffet solches handhaben mit Bisschoflichem zwangk. Ewr person leben und Fuerstlich wesen
liessen wir ewrem gewissen und Gottes
urteil, So haben wir auch bis her euch solchen zwangk nie genomen, jhr habt jhn selbs lassen fallen.
Denn da jhr das Ablas und ander
unleidliche misbreuche damit nicht erhalten kundtet, liesset jhrs gantz und gar fallen, und woltet unser Euangelion
nicht schuetzen, dazu auch nicht leiden,
Sondern keretet solchen zwangk widder uns und widder das Euangelion, Da must er wol sich stossen und stumpff
werden, Denn Gott hat jhn nicht geordnet
widder sein wort, sondern fuer sein wort.
Mehr und hoeher koennen wir uns warlich
nicht erbieten (uber das teglich gebet,
guten willen und dienst, die wir on das auch allen feinden
[Seite 343b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 343a
schueldig sind), nemlich: Ewer ampt wollen wir
ausrichten, Selbst wollen wir uns, on
ewer kost, neeren, Euch wollen wir helffen bleiben, wie jhr seid, Dazu raten, das jhr uberhand1 habt und drein sehet,
das recht zu gehe. Was sollen wir doch
mehr thun? Warlich, wir tragen schweer, haben euch und die rotten geister und alle welt, ja alle teuffel auff
uns geladen, und uns hilfft niemand.
Werdet jhr nu nicht wollen auch helffen, sondern jmer fort druecken, So
sehet zu, das jhr uns den ruecken nicht
entzwey brechet und die gedult zu hoch versuechet. Werdet jhr die frumen ketzer dempffen wollen,
die euch tragen, so sehet zu, wo jhr
bleibet. Es ist uns leider das spiel nicht mehr jnn der hand, wie bis her gewesen, der teuffel hats
uns entwand, Wir koennen warlich euch
nimer helffen, Helfft euch nu auch selbst und sehet nicht euch, sondern den gemeinen hauffen und den lieben friede
an, Es ist hohe zeit, Wir woellen auch
unser bestes thun. Und ist jrgent ein frum hertz unter euch, das kan doch ja wol aus dieser gantzen schrifft mercken,
das ich die warheit sage und sagen mus,
und von hertzen trewlich mit euch und jederman meine, Mehr kan ich ja nicht, Denn jhr habet doch ja zu
trefflich boese sachen.
[ 30 treffliche C]
[Seite 344b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 344a
Ob jemand hie dencken wuerde, Es sey
lecherlich zu hoeren, das die stifft
bisschove die Kirchen regieren sollen, Weil man wol weis, das sie es
nicht [1. Tim. 5, 3] koennen noch woellen
lernen, So doch Sanct Paulus spricht: ‘Wer seinem eigen hause ubel fuer stehet, der wird der Kirchen
nimer mehr wol fuer stehen’, Und man fur
augen sihet, wie die Bisschove jhren stifften fuer stehen und zucht halten, nemlich, das impunita Lupanaria und
Latrocinia sind1, Antwort: Jch weis
leider wol, das so ist, Aber auff das die heilosen leute sehen, das wir friede suchen, und an uns nicht mangelt,
Kan ichs wol leiden, das sie Pfarren und
Predigstuel mit geistlichen personen versorgen und also das Euangelion helffen handhaben, Mir ist lieber,
der mangel sey an jhn denn an uns, Und
Gott hat wol ehe durch boese bu-[Bl. Hij]ben regiert und guts gethan, Und mus dencken, es sey itzt die
zeit, da Herodes zu Jerusalem das
Priesterlich ampt verkaufft2, Die Roemer auch, Und bleib dennoch Gottes
dienst und wort. Wollen sie aber das
Euangelion dempffen odder so gar unbusfertig
bleiben, des muegen sie jhr ebenteur stehen3, Wir predigen doch,
was wir wollen. Auch sitzen sie so feste
nicht, haben sie lust zu unglueck, so hat
Gott bald einen andern Muentzer erweckt, der sie vollend stoertze.
Wollen sie nicht Bisschove sein jnn
Gottes namen, so seien sie jns teuffels namen Bader,
[ 21 woellen fehlt BCH]
[Seite 345b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 345a
on das wir nicht schuld noch ursachen
dazu sein. Die Lutherisschen bleiben wol
Meister, weil Christus bey jhn und sie bey jhm bleiben, Wenn gleich helle, wellt, Teuffel, Fuersten und alles
solt unsinnig werden.
Es wil aber jtzt zu viel und zu lang
werden, mehr stuecke zu handeln, Gott
helffe euch auff dem Reichstage also faren, das uns nicht not sey alles von newen widder an zufahen, denn das ist
euch nicht gut, so sind wir der muehe
lieber uber haben. Doch das jhr nicht dencket, Es seien lose drew wort, das ich jtzt sage, wil ich hie, so viel mir
jtzt einfellet, stuecke und artikel
erzelen, so auff beider seit getrieben werden:
Die stucke, so noetig sind jnn der
rechten Christlichen Kirchen zu handeln,
da wir mit umb gehen.1
Was Gesetz sey. Wie man recht beichtet.
Was Euangelion. Was der Glaube.
Was Suende. Was vergebung der suenden.
Was Gnade. Was die Christliche
freiheit.
Was Geists gabe. Was der freye wille.
Was die rechte Busse. Was die Liebe.
[Seite 346b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 346a
Was das Creutz. Das recht Gebet.
Was die Hoffnung. Die Litania.
Was die Tauffe. Lesen und auslegung der
schrifft.
Was die Messe. Was gute werck sind.
Was die Kirche. Untericht des
Ehestands.
Was die Schluessel. { Kinder.
Was ein Bisschoff. Der { Knecht.
Was ein Diaconus. { Megde.
Was das Predigampt. Die Oberkeit zu
ehren.
Der recht Catechismus. Kinder schulen.
{ Zehen gebot. Krancken besuchen.
als { Vater unser. Armen und hospital
versorgen.
{ Glauben. Die sterbenden berichten.1
Solche stuecke hat nie kein Bisschoff
gehandelt, und sind dazu von den ewren
auch nie grundlich [Bl. H iij] verstanden noch geleret, und ein gros teil gar verblichen, Das durfft jhr nicht leugnen,
Wir sind jnn ewren schulen
[ 19 Litania D 24 der] als der G]
[Seite 347b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 347a
aufferzogen, So sind ewer buecher noch
vorhanden, die solchs zeugen, So zeugt
alle welt, das zuvor nie ist gepredigt. Nu ists gewis, das an diesen
stuecken gelegen, und die Christliche
Kirche mit diesen versorgt ist, und darff ewer
unnoetigen zu setze nichts uberal.
Hie bey wil ich nicht erzelen die
Deudschen lieder, Braut segen und viel
guter heilsamer buechlin, Aber wie viel grewel wir damit nidder gelegt und bey uns ausgerott, wil ich jtzt auch nicht
erzelen, Jst gnug angezeigt, wie viel
stuecken wir noch zu reden hetten, wo wir zeit und raum nemen wolten.
Die stucke, so jnn der gleissenden
Kirchen jnn ubung und brauch sind
gewest.1
1 Ablas.2 4 Fegfeur.
2 Opffer Messen, und die selbigen 5
Poltergeister.
untzelicher weise. 6 Walfarten unzelich.
3 Bann jm misbrauch gar. Vigilien.
[ 17 auffgezogen E]
[Seite 348b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 348a
8 Seel Messen. 21 Bilder weyhen, mit
Ablas.3
9 Jargezeit.1 22 Glocken teuffen mit
200 gefattern
10 Vier wochen.2 an einem strick.
11 Seel bad. 23 Unterscheid der speise,
12 Heiligen dienst, der etliche nie 24
Unterscheid der tage,
geborn. 25 Unterscheid der kleider, als notig.
13 Heiligen feyr on masse. 26 Gezwungen
siebenzeit odder hore
14 Maria eine gemeine Abgottin
gemacht Canonice.
mit unzelichem dienst, feyr, 27 Sontags procession ein schawspiel.
fasten, gesenge, Antiphen. 28 Die letzte olung zum tod, nicht
15 Butter briefe. zur gesundheit.4
16 Heiligthum unzelich, mit luegen. 29
Sacrament der Ehe.
17 Bruederschafften unzelich. 30
Sacrament der Priesterschafft.
18 Ehelos leben. 31 Sacrament der
fermlung.
19 Kirchen weyhen, 32 Acoliten,
20 Altar weyhen, 33 Tonsuristen,
[Seite 349b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 349a
34 Lectores,
35 Subdiacon weyhen zu keinem
ampt, allein zur freiheit.1
36 Brigitten gebet.
37 Und der gleichen on zal, und
allerley betbuecher voll mit lesterlichen,
[28, 29] schendlichen Gottes unehren
Platten.
Caseln.
Alben.
Korhembd.
Kappen.
Kirchen.
[Bl. H 4] Capellen.
Altaria.
Altartucher.
Liechter.
Leuchter.
Bilder.
Tafeln.
Crucifix.
/Kertzen.
Fanen.
Reuchfas.
Tauffstein
Monstrantz.
Ciborium.2
Kelch.
[ 24 allein] allen BH]
[Seite 350b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 350a
Orgeln.
Glocken.
Weyhwasser.
Weyhsaltz.
Wuertz,
Und allerley speise.
Jnn der Fasten.
Asscher mitwoch.
Hunger tuch.
Bilde verhullen.
/Fasten halten, ausgenomen
die Pfaffen.
Litania der heiligen.
Marien gesang des
Beicht marter.
Busse und gnugthun.
Lange preces.
Palmen Esel.
Palmen schiessen.
Palmen schlucken.
/Palmen Creutzlin.
Zwingen zur Beicht.
Zwingen zum Sacrament.
Creutz kussen und anbeten.
Creutz begraben.
Halbe Messe am stillen
Freitag.
Beim grabe Psalter
singen.
Finster Metten.
[Seite 351b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 351a
Nicht leuten, aberklappern.
Passio predigen acht
stunde.
Feur weyhen.
Oster kertzen.
Creutz aus dem grabe
heben, und spielen1
tragen.
Fladen weyhen, am Oster
tage.
[19, 20] S. Marx procession.2 } beides
gut zu aller unzucht.
Creutz wochen. }
Himelfart zur None.
[10, 11] Heiligen geist am Pfingstag.
Processio corporis Christi.
Assumptio beate virginis.
Kirchweyh.
Patron fest.
Gemeind wochen.
S. Burkards fest.
Quater temper.
Aller heiligen fest.
Aller seelen tag.
S. Martens gans.
/Aduent, mehr Marie,
denn Christo zu dienst.
Rorate Messe.
Conceptio beate virginis.
Drey Christ messe.
Apparuit, und spiel.
Habern S. Stephan.3
Johans trunck.
Liecht mess und wachs
marckt.
S. Agatha liecht.
S. Blasius liecht.
Jch wil hie auff hoeren, Denn wer
vermag es alles zu erzelen jnn solcher
kuertze? Wil man aber nicht friede haben, so kan ichs (odder ein ander
besser) noch wol weiter zelen, auff das
die lieben Tumherrn und Bischove nicht
dencken, die Muenche haben allein gesuendiget und sie seien das reine
ketzlin.4 Nicht also, Jch hab auff dis
mal nicht mehr woellen anzeigen, denn was allein jnn den Pfarkirchen ist jm brauch gewesen,
Welche doch das geringste stueck jnn
ewrem regiment und uber alle masse veracht gewest sind, welche jhr auch mit fuessen getretten habt. Solt ich aber jnn
den stifftkirchen, Thumbkirchen,
Official heuser, Kloester und Predigstuel, komen, Und darnach auff die
bettel Muench, Stacionierer, Zu letzt
unter die Sophisten jnn den hohen schulen,
[ 17 Burkans BH 30 Predigstůl F 31
Statutionierer E]
[Seite 352b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 352a
Hilff Gott, mich wundert nichts, das jhr solch
grundlose grewel ver-[Bl. J 1] gesset,
und euch nu sucht zu schmuecken, Hab ichs doch selbs (bey dem lieben Gott) vergessen und nicht gemeinet, das jhr
da sesset, da ich euch jtzt sehe sitzen.
O nu schweiget umb Gottes willen und bessert euch, Es wird sonst boese mit euch werden.
Wol ists war, das unter obgezelten
stuecken etliche sind, die nicht zu verwerffen
sind, Und der selbigen etliche sind gefallen, die ich nicht wolt, das
sie gefallen weren, koennen aber wol
leichtlich widder auff komen. Und ist darinn
das aller best, das feine Latinische gesang de tempore da sind blieben,
wie wol sie dennoch von den newen
Heiligen gesengen1 fast uberteubet, und
auch schier nichts gelten, Doch behalten wir sie fest, und gefallen
uns von hertzen wol. Und das ich kurtz
meine meinung sage, So ist das die Summa
davon:
Wenn man solche stuecke hette lassen
bleiben ein kinderspiel fur die jugent
und junge schueler, damit sie hetten ein kindlich bilde gehabt Christlicher
lere und lebens, wie man doch mus
kindern tocken, puppen, pferde und ander
kinder werck fur geben, Und were bey dem brauch blieben, wie man die
kinder leret Sanct Niclas und dem
Christkind fasten, das sie jhn sollen des
[ 25 verteubet E]
[Seite 353b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 353a
bescheren, wie sichs lesst ansehen, das
unser vorfaren haben gemeinet, So were
es wol zu leiden, das man Palm esel, Himelfart und gleichen viel
liesse gehen und geschehen, denn da were
kein gewissen mit verwirret. Aber das
wir alte narren jnn Bisschoffs hueten und geistlichem geprenge daher
gehen und machen ernst draus, Ja nicht
allein ernst, sondern artikel des glaubens,
das es suende mus sein, und die gewissen martern, wer solch kinderspiel
nicht anbetet, das ist der teuffel
selbs, Daraus folget denn, das alle obgenante
stuecke, wie kindisch und lecherlich sie sind, dennoch mit ernst den
Christlichen glauben und die rechten noetigen
stueck, so ob angezeigt, stuermen und verderben, als were sonst kein huelffe, man hette denn
solchs gehalten, Denn wir leider wol
erfaren bis her, das man solch kinder und narren spiel hat mehr und ernstlicher getrieben (und noch) denn eben
die rechten heubtstueck. So sind wir nu
der meinung: Koennen wir solch kinderspiel, die leidlich sind, helffen
erhalten, umb der jugent willen, on
nachteil der rechten ernsten heubt stueck, so wollen wirs gerne thun. Aber, das wir sie fur
artikel des glaubens solten halten, und
auch jnn Bisschoffshueten Narrare1, da wird nicht aus, zuern und lache, wer da wil.
[Seite 354b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 354a
Dis wil ich auff dis mal euch, lieben
Herren, zur freundlichen und trewen
vermanung angezeigt haben mit aller hoehestem vleis bittend, jhr woltet sampt uns Gott ernstlich anruffen, das
er euch gnade und weisheit verleihe, jnn
diesen grossen sachen thun und handeln, das sein ehre und unser aller heil sey, Und wollet ia da fur sein,
das jhr euch nicht schmucket, noch ewer
vorige mishandlung entschuldigt, verteydingt, odder mit gewalt faret, Denn was hilffts, das jhr noch mehr [Bl. J
ij] boese blut jm volck machet?1 Die hertzen
sind bereit und, nicht on redliche ursachen, alzu hoch erbittert, das wol not thut, mit demuetigem bekentnis und
statlicher besserung die selbigen zu
lindern, senfften und stillen, und nicht weiter zerren und reissen. Denn jhr wisset (wenn schon kein Euangelion were),
das ewer wesen und stand, auch widder
ewer eigen Rechte, aus der massen und zu viel gefallen und verderbt ligt, das sichs nicht leiden wird mit dem
kopff hindurch wollen.2
So wisset jhr auch wol, das Bapst
Adrianus, durch seinen Legaten zu
Nurmberg, selbs bekant, das der Roemissche stuel vil jamers ursache
were, und erbot sich zur besserung3,
Warumb wolt jhr euch denn, solchs zu bekennen,
[ 18 allem hoehesten F]
[Seite 355b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 355a
schemen und dazu noch steiff auff ewrem stoltz
beharren, nichts weichen noch reumen,
sondern alles mit gewalt haben, ungeacht, ob besserung odder ergerung draus folget? Denn jhr wisset, odder solt ja
wissen, das Christlich regiment odder
gewalt nicht zu verderben, sondern zu bessern, von Gott eingesetzt ist, [2. Kor. 13, 10] wie Paulus sagt, Und sol
nicht eine tyranney, sondern ein dienst sein, So kuendten wir als denn euch bey dem volck widderumb
helffen heben. Denn ich halt doch, jhr
werdet der Lutherischen, als der frumen Ketzer, auffs wenigst jhrs gebets, nicht wol emperen koennen, solt
jhr anders etwas bestendiges ausrichten.
Werdet jhr aber mit gewalt faren, steiff und halstarrig hindurch wollen (da Gott fur sey), So bezeuge ich hie
mit, sampt allen, die mit mir gleuben,
fur Gott und aller welt, das unser schuld nicht ist, wo euch ewr stoltz feylen wurde, das jhr zu druemmern
gehet. Ewr blut sey auff ewrem kopff,
Wir sind und woellen unschueldig sein an ewrem blut und verdamnis, als die wir euch ewer missethat gnugsam
angezeigt, trewlich vermanet zur busse,
hertzlich gebeten und zu allem, das zu frieden dienet, auffs hoehest
erboten, Und nichts anders gesucht noch
begert denn den einigen trost unser seelen, das
freye reine Euangelion, Also das wir mit gutem gewissen rhuemen muegen,
Der
[ 24 frumer E]
[Seite 356b]
[An die gantze geistlickeit zu Augsburg
versamlet auff den Reichstag Anno 1530. Vermanug Martini Luther.] 356a
mangel sey an uns nicht gewesen. Aber
Gott des friedens und trostes gebe euch
seinen geist, der euch weise und fuere zu aller warheit, durch unsern
lieben Herrn Jhesum Christum, Dem sey
lob und danck fur alle seine unaussprechliche
gnade und gaben jnn ewigkeit, AMEN.
[Seite 357]
[Einleitung]
[Seite 357]
In der unter dem Namen “Veit Dietrichs
Tischredensammlung” bekannten Handschrift der Nürnberger Stadtbibliothek (Mss.
cent. 5 Append. 75 fol. 207a bis 210a) findet sich eine lateinische Übersetzung
von Exodus cap. XX mit Glossen; die Übersetzung ist mit dunkelbrauner, die
Glossen sind mit roter Tinte geschrieben. Vor der Überschrift ‘Exodi XX’ hat
Dietrich bemerkt: ‘Lutherus scripsit Coburgi’, und auf der letzten Seite der
Lage fol. 210b unten: ‘Meis pueris Alberto & Cincio, vt ediscant. Vitus.’
Wir werden diese Bemerkungen so zu verstehen haben, daß Dietrich, der Luther
auf der Veste Koburg als Amanuensis diente, eine Niederschrift Luthers
abschrieb und die Blätter nach Wittenberg an seine Privatschüler Albert und
Johann Zink aus Königsberg in Franken1 sandte oder senden wollte, damit diese
die lateinische Übersetzung auswendig lernten.
In einem Briefe an Justus Jonas, der
wohl vom
[Seite 358]
[fol. 207a] Exodi XX.
1530
[Seite 358]
Et locutus est deus omnia verba hec dicens: Ego sum dominus deus tuus1 , qui eduxi te de terra Aegipti de domo seruorum.
Non sint tibi dij alij coram me, Non facias tibi sculptile aut vllam figuram, quȩ in coelo sursum et quȩ in terra deorsum et quae in aquis sub terra. Non adores ea neque seruies2 eis.
Ego enim dominus deus tuus sum zelotes, visitans iniquitatem patrum in filios vsque in terciam & quartam generationem [fol. 207b] eorum, qui oderunt3
me4 , & benefaciens in millia
eorum, qui diligunt3 me &
seruant5 mandata mea.
Non assumes6 nomen domini dei tui in vanum, quia non habebit deus innocentem7 , qui assumit verbum eius in vanum.
Memento diei Sabbathi8 , vt
sanctifices eum, Sex diebus operaberis
& facies omnia opera tua, dies
autem septimus sabbath est donum dei
tui9 , Non facies vllum opus neque tu
neque filius tuus neque filia tua
neque seruus [fol. 208a] tuus neque
ancilla tua neque iumenta tua neque
peregrinus tuus, qui est intra portas
tuas.10 Sex enim diebus fecit dominus
coelum & terram & mare &
omnia, quȩ in eis sunt, & quieuit11 die septimo.
Ideo benedixit dominus diem Sabbath
& sanctificauit eum.12
[fol. 208b] Honora patrem tuum
& matrem tuam 13 , vt prolongentur
dies tui supra terram, quam dominus
deus tuus dat tibi.
Non occidas.14
[Seite 359]
Non adulteres.1
Non facias furtum.2
Non reddas contra proximum tuum falsum testimonium.
Non desideres domum proximi tui.
Non desideres3 vxorem proximi tui4
neque seruum eius neque ancillam
eius neque bouem eius neque asinum
eius neque vllum, quod proximi tuj est.5
[fol. 209 a] Et cunctus populus
videbat voces & faces6 & vocem tubae7 & montem fumigantem & timuit populus & nutauit, ac stetit a longe8 &
dixerunt ad Mose: loquere tu nobiscum
& audiemus, Non loquatur nobiscum
deus, ne moriamur.
Mose autem dixit ad populum: Nolite timere, propter tentare vos venit deus et propterea, vt timor suus sit coram vobis9 , ne peccetis.
Populus itaque stabat a longe, Mose vero accessit ad caliginem10 , in qua erat deus. [fol. 209b] Et dixit dominus ad Mose: Sic dices ad filios Jsrael. Vos vidistis, quid de coelo locutus sum vobiscum. Non facietis me nec facietis vobis deos argenteos & deos aureos.
Altare de terra facies mihi. Et
offeres super ipsum holocausta tua &
solutiones tuas, oues tuas & boues
tuas [!].
Jn quocunque loco memoriam nominis mei posuero, ibi veniam ad te & benedicam tibi.
Si altare de lapidibus mihi
feceris, non ȩdificabis illud de lapidibus
sectis.
[fol. 210a] Erit enim prophanum, vbi gladium tuum super eo duxeris.
Non ascendes gradibus ad altare meum, ne reueletur turpitudo tua erga ipsum.
[Seite 360]
[Einleitung]
[Seite 360]
Am
Aus diesen Briefstellen sehen wir
deutlich, aus welchen Beweggründen heraus und in welcher Stimmung Luther den
“Widerruf vom Fegefeuer” begonnen hat. Es kam ihm so vor, als wäre Melanchthon
bereits in dem Bekenntnis den
[Seite 361]
Gegnern zu weit gewichen, und nun
sollten gar noch Verhandlungen darüber stattfinden, ob man noch weiter
“zurückkriechen” solle. In seinem einfältigen, ungebrochenen, urkräftigen,
prophetisch-idealistischen, kühnen Gottvertrauen konnte er die
weltklug-diplomatische, ängstlich-irenische Haltung Melanchthons nicht
verstehen und war in diesem Momente bereit, seine eigenen Wege zu gehen und
loszuschlagen. In dem oben erwähnten Briefe an Melanchthon vom 29. Juni schrieb
er diesem: “Wenn ihr meinen Standpunckt nicht teilt, dann redet auch nicht, ihr
folgtet meiner Autorität und unterwürft euch meinen Weisungen! Jch werde selbst
handeln, wenn ich auf meinem Standpunkt allein bleibe.” 1 Es kam hinzu, daß
höchst wahrscheinlich in ebendiesen Tagen Luther auch von seinem Kurfürsten die
Anfrage erhielt, was er in den Artikeln “von beider Gestalt des Sacraments, von
der Priester Ehe, von der Messe, vom Ordiniren oder Weihen, vom Papstthumb, von
Klostern, von der Beicht, von Fasten und Unterschied der Speis, von den
Sacramenten” behaupten solle oder “bewilligen” könne. 2 Luther erkannte daraus,
daß in der Tat Verhandlungen über etwaige weitere den Papisten zu machende
Zugeständnisse im Gange waren. Das trieb ihn dazu, die Kluft, die ihn von
seinen Gegnern trennte, weit aufzureißen.
Aus einem späteren Briefe Luthers an
Justus Jonas (vom 21. Juli) ersehen wir, daß er an dem Bekenntnis klare
Stellungnahme zu den Artikeln de purgatorio, de sanctorum cultu et maxime de
Antichristo Papa vermißte.3 Diese Lücken wollte er jetzt ausfüllen und zuerst
“Von der Sophisten lügen vnd grewel mit dem Fegfeur” handeln. Es war ihm zu
Mute, als begönne er von frischem einen neuen Kampf mit dem alten, bösen Feind
(an Brenz: ‘velut instituens ab integro novam in illos pugnam’; in unserm
Vorwort: “So mus ich dagegen widderuemb das alte register erfur ziehen vnd jhre
loebliche tugent widder an die sonnen bringen ... Jch wils versuchen vnd
widderuemb alles vnd alles von newen vnd forn anfahen”). Die Schrift vom
Fegefeuer sollte eine ganze Reihe von Streitschriften eröffnen, in denen er
“darnach von den andern luegen vnd greweln jnn der riege vnd ordnung nach
einander her” handeln wollte.
Jronisch nannte er seine Schrift: Ein
Widerruf vom Fegefeuer, um gleich im Titel anzudeuten, daß er keinesfalls zu
Konzessionen bereit sei. Die Forderung zu “weichen” müsse vielmehr an die
Gegner gestellt werden. Diese dächten ja aber nicht daran, zu büßen und zu
bessern, sondern wollten lieber “durch sunde jnn den heiligen geist, zu trotz
der warheit vnd Gott selbs, oeffentliche vnd von jhn selbs wol erkante lügen
schützen, verteidingen vnd handhaben”.
“Allen vnsern nachkomen” widmete Luther
seine Schrift, auch darin deutlich von Melanchthon abrückend. Dieser hatte
seine diplomatische und irenische Haltung mit dem Hinweis darauf entschuldigt,
daß er der Nachwelt gegenüber sich verpflichtet fühle, für Herstellung des
Friedens zu arbeiten. Demgegenüber betont Luther, daß er vielmehr den
Nachkommen zur Warnung — wenn anders die Welt noch länger stehen sollte — eine
Denkschrift hinterlassen wolle, “warueber der Luther vom Bapst verdampt sey vnd
was des heiligen Bapstumbs lere gewesen sey, auff das sie sich dafur wissen zu
hüten”.
[Seite 362]
Am 20. Juli wußte Luther die Schrift in
Wittenberg im Druck.
Christenliche erhaltung || der stell
der geschrifft, für das Feg||feur, wider Luthers la-||sterbüchlin. || Durch
doctor Johan Eck. || M. D. XXX || 3
Bachmanns Schrift kam am 26. Oktober
bei Wolfgang Stöckel in Dresden heraus:
Luthers widerruff || vom Fegefewer ||
mit farbe auß || gestrichen || durch || den Abbt zur al-||den Zcellen. || 4 —
Ein Blatt des Lutherschen
Originalmanuskripts ist in eine 1558 zu Wittenberg gedruckte, reich verzierte
Foliobibel eingeklebt, die auf dem Vorsatzpapier auch Einträge von Joh.
Draconites (1562) und Joh. Major (1564) aufweist. Die Bibel gehörte 1627 einem
gewissen Michael Leister “von der Mittweyda” und wird jetzt in der Wittenberger
Lutherhalle aufbewahrt. Unter dem Blatte aus Luthers Widerruf vom Fegefeuer ist
noch folgender Zettel von der Hand des Reformators aufgeklebt:
Si deus pro nobis, Quis contra nos? 5
Wenn wir das Pronomen, Nos, vnd Nobis, wol kundten decliniren vnd verstehen, So
wurden wir das Nomen Deus, auch wol coniugirn, vnd aus dem, Nomen, ein Verbum
machen, das hies, Deus dixit, Et dictus est, Da wuerde die Prepositio, Contra,
Zu allen schanden werden, vnd endlich Ein infra nos draus werden, Wie es doch
mus vnd wird geschehen. Amen.
M L D
.1542.
Das handschriftlich erhaltene Stück fügen wir an der
rechten Stelle in Paralleldruck ein.
Ausgaben:
A “Ein Wid-||derruff || vom ||
Fegefeur. || Mart. Luther. || Wittemberg. || 1530. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 24 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedrůckt zu Wittem-||berg durch Geor||gen Rhaw. ||”
Die Exemplare dieses Druckes
unterscheiden sich durch ein Jnitial-D auf Bl. E 3 b, welches entweder einen
reitenden oder einem flöteblasenden Engel zeigt. Gelegentlich findet sich auf
Bl. F 2a die Signatur F a ij statt F ij.
[Seite 363]
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt,
Berlin (Luth. 5792), Bonn, Breslau U., Dresden, Erfurt Martinsstift, Göttingen
U., Heidelberg, Königsberg U., Marburg, München U., Nürnberg St., Stuttgart,
Wernigerode, Wittbrietzen, Wittenberg, Wolfenbüttel, Worms Paulusmuseum,
Zwickau; London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 2.
B “Ein Wid-||derruff vom || Fegefeur.
|| Mart. Luther. || Wittemberg. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 24 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende:
“Gedruckt zu Wittemberg || durch Hans Lufft. || M D XXX. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5791), Heidelberg, Königsberg U., München U., Stuttgart, Wittenberg,
Wolfenbüttel; London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 1.
C1 “Eyn Widerruff || vom Fege-||feür.
|| Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 14 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “¶
Gedruckt zů Nuermberg bey || Georg Wachter. ||”
Bl. A 1b Z. 1 “nachkommen”, Z. 4
“Sophisten mit allem || fleyß”, B 1a Z. 16 “nit || reden”, B 1b Z. 1 “vnd”, B
3b Z. 1 “Das vierd Capitel”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5795), Dresden, Heidelberg, Nürnberg St., Stuttgart, Wittenberg,
Würzburg; Zürich St., London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 3.
C2 Beschreibung wie C1, aber Bogen A
und Bl. B 1b B 2b B 3a B 4b von anderem Satz, die übrigen Seiten von dem
gleichen Satz wie C1; auf Bl. B 1a und B 3b sind bei gleichem Satz einige
Korrekturen eingesetzt. — Zwitterdruck zu C1.
Bl. A 1b Z. 1 “nachkummen”, Z. 4
“Sophistē mit allem fleis ||”, B 1a Z. 16 “nit || dauon redē”, B 1b
Z. 1 “vñ”, B 3b Z. 1 “Das viert Capitel.”
Vorhanden: Berlin (Luth. 5795 a),
München U., Wernigerode. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 3 unterscheidet C1 und C2
nicht.
D “Eyn Wyderrueff || vom Fegfewr. ||
Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite bedruckt. 14 Blätter in Quart.
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Bl. D 4a Z. 13 haben einige Exemplare
den Druckfehler “über rreffen” statt “über treffen”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5797), Göttingen U., Stuttgart; London. — Erl. Ausg. 31, 184 Nr. 4.
Niederdeutsch:
“Ein Wed || derrop vam || Vegevuer. ||
Mart. Luther. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 20
Blätter in Oktav. Am Ende: “Gedruecket tho Magdeborch dorch || Henrick
Ottinger. ||”
Vorhanden: Wernigerode, Wittenberg,
Wolfenbüttel.
“Eyn Wed- || derrop, vam || Fegevuer.
|| Martinus Luther. || Wittemberch. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 24 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am
Ende: “Gedrueckt tho
[Seite 364]
Mag- || deborch, dorch || Hans Wolther.
|| M. D. XXX. || [Bild: Zwei gekreuzte Schlüssel] ||”
Vorhanden: Heidelberg.
Späterer Druck.
Wider die alte, grobe, Heydnische
Luegen der Papisten, vom Fegfewer, welche jetzundt die Jesuiten, sampt jrem
anhang, inn jren Buechern wider auff die Bahn bringen, vnd zubekrefftigen
vnderstehen. Drey fuernemer Schrifften. I. Doctor Martinus Luther seligen, von
jm geschrieben Anno 1530. II. Herrn Philippi Melanthons seligen, auß seinem
Buechlein, Von der Kirchen, Anno 1539. geschrieben, trewlich verteutschet. III.
Herrn Johan Brentzen Verdeutschet, auß seiner Apologia, so er Anno 1559. wider
ein̄
Spanischen Moench, Petrum Sotum, hat lassen außgehen. Auß diesen Schrifften,
als die auff den Rechten Grund weisen, kan sich jeder Christ gnugsam verwaren,
wider der Jesuitern, vnd aller Papisten Verfuerisch Geschwetz vnd Schreyen,
nicht allein vom Fegfewer, sondern auch von der Meß, vnd Fuerbitt fuer die
verstorbenen, vnd was dergleichen, jrem bauch zu gutem, von jnen ist erdicht
worden. Jm Register kan der Leser bald sehen, was fuer nuetzliche vnd noettige
Puncten erkleret sind. Getruckt zu Franckfurt am Mayn, durch Nicolaum Basse.
ANNO M. D. LXX.
68 Blätter in Quart.
Herausgeber ist Matthias Ritter.1
Luthers Schrift “Ein Widerruff vom Fegfewer” steht Bl. B 3b –G 2b.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin (Cz
920), Marburg. — W. Köhler, Bibliographia Brentiana, Nr. 515.
Wieder abgedruckt ist die Schrift in
den Gesamtausgaben: Wittenberg 7 (1554), 436b –445b; Jena 5 (1557), 133a –144b;
Altenburg 5, 291 –302; Leipzig 20, 237 –248; Walch 181, 1048 –1082; Walch2 18,
874 –903; Erlangen 31, 184 –213.
Von dem Urdruck A ist B und C1
abgedruckt. Der abweichende Satz von C2 erweist sich durch den größeren Abstand
von A als jünger, ihm liegt C1 zugrunde. D hat C2 als Vorlage gehabt. Wir geben
den Text nach A mit den Textvarianten aus B –D. Diese sind sehr gering an Zahl.
Nur stellenweise scheint der Setzer von D durch Unaufmerksamkeit den Text
verändert zu haben. Wir lassen hier die sprachlichen Abweichungen folgen, wobei
wir jeden Text mit seiner Vorlage vergleichen.
B (Wittenberg) verglichen mit A. Außer
der Einführung von j für i vor Vokalen und vielen großen Anfangsbuchstaben ist
zu verzeichnen:
I. Vokale: 1) Umlaut. o > oe
moerder, volkoemlich, geboete, schoen, hoehest; u > ue fuer (= vor), wuerde,
thuerste, Fuerst, duerfft, kuertzest, suendlich, suendigen, suende, schueldig,
entschueldigen, juecken, stueck, schuetzer, darueber, Jueden, suechen, fueren,
mueste, kuee, buechlin, versuenen; ∞ durchweg drumb.
[Seite 365]
2) o > u frumer (in A seltener); i
> ie ziehen.
3) h fällt in jr.
4) unbetontes e neu in schneyte
(niveret), thuerste, schicket (Prät.), luegener; ∞ Fegfewr; verduncklen
> verdunckeln.
II. Konsonanten: t > dt erkandte; p
> b geboete, gebot; ch > g wissentliger.
Doppelkonsonant vereinfacht; etlich,
theten, geboete, Gotheit, ∞ wenns, wellt, spott, huett, Cappellen (pp).
III. Konjugation: koempt > kompt,
gehat > gehabt.
IV. Wortformen: nur > nuer; schrift
> schricht (niedd.? Druckfehler?).
C (Nürnberg) verglichen mit A. C1
behält vielfach Formen von A bei, die in C2 durch Nürnberger ersetzt sind; im
folgenden ist C2 allein berücksichtigt.
I. Vokale: 1) Umlaut. e > oe
zwoelff, e > ae vaeter, verraeter, schaecher, Maerterer, baepstlich,
jaemerlich; e > a abentheuer, arbeit, warlich; o > oe moerden (immer),
oeffentlich, woellen; schoene, hoeher, ∞ stoßt; u > ue gegruent,
fuenff, fuenffzehen, fuenfft, fuerst, kuertzest, erwuergten, fuer guelden
(Subst.), kue, mueß (Konj.), fueren, buechlin; ∞ widerumb, darumb, Juden,
kunstreich, Lugen; eu > au laugnet, glauben, glaubig, eu > oew droewen.
2) o > u kumen, nachkummen,
volkumlich, genumen, sunst, kuenig, kuennen; ∞ bedoerfft, versoenen; a
> o do; ie und i sind geschieden, u und ů nicht immer, ue und ü gar
nicht; ei > ai nur in Hayden.
3) unechtes h beseitigt in steen, geen,
wan, lonen, mer (aber wahr, fahr bleiben), jm, jn, jr, verraeter, ye.
4)unbetontes e ist in C1 noch oft
beibehalten, in C2 kann es überall fehlen: schand, suend, hab, Jud, leut, het,
der gut, das dritt, ein (una), auch dest, sol als Konjunktiv; vor t harten,
erwuergten, auffgehoert, gefast (< tet), bestelt, vor n verlorn, luegner,
vor s heiligst, in Kompositis: boeßwicht, fegfeuer, Meßbuecher; ∞ forne;
heysset, altaren, seien, verdunckeln > verduncklen. Auf 57 auslautende e in
A treffen in einem mittleren Stück in C1 40, in C2 33.
II. Konsonanten: d > t, dt teuetsch
(an beiden Stellen), tuerffte, geret, geredt, schantloch, gegruente, handthabe,
gruntlos, viert, vierdten, wirt, wert, goldt, sibent, verstant, gethoen; b >
p gepot, verpoten, (ge) pracht, mißprauch, ∞ bruefet; scharff >
scharpff; g > k junckfraw, hencken, -igklich.
Doppelkonsonant vereinfacht: Got,
etlich, verpoten, herligkeit, gepler, edel, weder, wider, oder; ∞
nachkummen, kummen, Cappellen (< p), huett dich, deutten, bestettigen (auch
∞), Bischoff, jaem̄erlich.
III. Vor- und Nachsilben: offenberlich
> -barlich, iglich > igklich, nis > nus, gewis > gwis, gleuben >
gelauben (ge- am Zeilenschluß).
IV. Deklination: den buecher >
buechern.
Konjugation: komen > kummen, stoeßt
> stoßt; koennen, konnen > kuennen, beduerfften > bedoerfften; wollen
> woellen; sie sind > sein.
V. Wortformen: itzt > ytz, yetz,
denn > dann, dennoch > dannoch, fur (mit Dativ) > vor, erfur >
herfuer, draus > darauß, sondern
[Seite 366]
> sonder, nicht > nit, fern >
fer (nu bleibt immer); predigt > predig, pfennige > pfenning; hengen >
hencken, verdampt > verdamnt.
D (Nürnberg) hat ausgeprägt Nürnberger
Charakter, zeigt daneben aber nicht wenige mitteldeutsche Formen, die in C
fehlen. Da D aber mehrere Lesarten nur mit C gemeinsam hat, andere allein
bietet, muß C (C2) die Vorlage gewesen sein, wenn nicht ein mit C nahe
verwandter Druck verloren ist. Die mitteldeutschen Formen erklären sich daraus,
daß bei Stüchs um dieselbe Zeit mehrere Drucke nach Luthers Handschrift
hergestellt wurden, der Setzer also daran gewöhnt war.
I. Vokale: 1) Umlaut: e > oe loewe;
e > ae geaefft; oe > o offentlich (mehrmals); u > ü, ue sünde, kuende,
Lügen, luegner, schuetzer, fünfft.
2) o > u trutz, kuennen, ∞
koenig; o > a Schwatz, an, ∞ won.
3) unechtes h beseitigt nur in Ernfest,
∞ gehen, stehet, yhr; verrhaeter > verraether.
4) unbetonte e häufiger als in C:
geplerre, sünde, were, die drytte, vierde, woelle, ein lautere, erzelete,
zeuget, ∞ stewr, leer, peth, ab, het, mueg, schleusst, luegner, maertrer;
verduncklen wieder > verdunckeln.
II. Konsonanten: d, dt > t
hanthaben, verstant (und ∞), t > dt bewerdt, t > d duerffte, t >
th arth; b > p poecke, peth, ∞ blapert, baebstlich (> baepstlich),
mißbrauch; kue > khue; h > ch befelch.
Doppelkonsonant vereinfacht: biten,
beten, blapern, abgoeterey, ∞ rassend, kummen, kumm, ortte.
III. Vorsilben: gewaltig > gwaltig;
Nachsilbe: nus (bisweilen) > nis.
IV. Deklination: altare (Plur.) >
altaren, vigilien > vigilen (einmal), einen > ein, seinem > seim, mit
faulem > faulen (Sing.), etliche gefangen > e. gafangne.
Konjugation: kemen (venirent) > koemen, sie seyn >
seind, koennen > kuennen.
V. Wortformen: vor > für, auß >
darauß, hynach > hin nach, von seinen wegen > v. seinent w., von forne
> v. fornen, ytz > yetz (öfter als C), weder > werder; Schwotz >
Schwatz, Mammon (öfter) > Mommon, befelh > befelch; ruegig > ruewig,
yderman > yederman (einmal, yglich bleibt); verteydingen > verteydigen,
verdamnen > verdamen, verdamnt > verdampt, rugen > rhůen, feilen
> faelen, felen.
VI. Wortwahl: statt untetlin untedelin.
VII. Syntax: gegen die > gegen der.
[Seite 367]
[Seite 367]
[Bl. A ij] Allen unsern nachkomen
Martinus Luther.
Gnad und friede ynn Christo unserm
Herrn, Weil ich sehe, das die Sophisten
mit allem vleis jhr luegenpredigt, schande und
grewel, da mit sie die Christenheit verderbt haben, jtzt durch viel geplerr und geschrey unterstehen
zuverbergen und sich erfur putzen, als
hetten sie noch nie kein unthetlin begangen,
Der hoffnung, weil wir eine zeit lang daher gegen sie geschwigen und
uns mit den rotten geistern geschlagen,
sie wolten jnn des daher schleichen und
aus jhrem schandloch erfur sich mutzen1, das man all jhr lesterlichs
leren und wesen vergessen solle, und
wollen also ungebuesset, ungebessert, dazu unversehens und unverschampt mit der zeit alle jhre
Teuffels lere widder anrichten, So mus
ich dagegen widderuemb das alte register erfur ziehen2 und jhre loebliche tugent widder an die sonnen bringen, das sie
nicht so schwartz verfaule, sondern wol
gebleicht werde, damit man jhr nicht so vergesse, wie sie hoffen.
Denn weil die verzweivelten lesterer
und moerder teglich viel bluts vergiessen,
liegen und triegen, Gott aber nicht so viel ehre thun woellen, das
sie doch ettliche stuecke (die sie selbs
wissen und fuelen, wie sie darinn geirret und
die welt betrogen haben) bekenneten, buesseten oder besserten, Ja nicht
jnn eim stueck woellen sie weichen,
Sondern woellen schlecht lieber durch sunde jnn den heiligen geist, zu trotz der warheit und Gott
selbs, oeffentliche und von jhn selbs
wol erkante luegen schuetzen, verteidingen und handhaben, und darueber
alle die, so solchen oeffentlichen
luegen, als artickeln des glaubens, nicht folgen, morden, brennen, verfolgen, wueten, toll und
toericht sein, So mus ich, unsern
nachkomen zur warnung (ob die welt ia solt noch lenger stehen), ein
register und vorrat zur Historien
stellen3, darinn sie sehen, warueber der Luther vom Bapst verdampt sey, und was des heiligen
Bapstumbs lere gewesen sey, auff das sie
sich dafur wissen zu hueten, wenn Gott die gnade gibt.
Versehe mich auch gantz troestlich, das
ich hie mit den Sophisten selbs werde
einen sonderlichen dienst thun, weil jhn so aus der massen itzt wol ist, und die haut so seer iucket4 und mir
villeicht fast feind sind, das ich sie bis
her nicht recht und gnug gemalet habe, sondern allein auff ein papir
schlecht abgerissen, Und derhalben
begeren, ich solle sie auch mit der farben ausstreichen,
[ 6 untedelin D5]
[Seite 368]
des helffe mir Gott und erhoere jhr begeren,
Jch wils versuchen und widderuemb alles
und alles von newen und forn anfahen, Und weil die reinen heiligen nicht [Bl. A iij] wissen, waruemb sie doch so
schreien, wil ich jhn dazu helffen und
zu schreien geben, So mir Gott das leben gan.1 Und zum anfang wil ich das Fegfewr zu erst fur mich nemen, jhre
schendliche luegen eraus zu setzen2,
denn ich bis her da widder nie nichts sonderlichs geschrieben habe, Und
darnach von den andern luegen und
greweln jnn der riege3 und ordnung nacheinander
her.
Von der Sophisten lügen und grewel mit
dem Fegfeur.
Das erst Capitel.
See haben einen Text, der fast jhr
eckstein und bester grund ist, 2. Machabeorum
[2. Makk. 12, 43 ff.] 12, der lautet also: ‘Judas aber, der Ehrn vheste,
samlet eine steure und schickt hin gen
Jerusalem zwelff tausent drachmas silbers, das
man opffern solte fur die sunde der verstorbenen, als der von der todten
aufferstehen eine rechte und Goetliche
meinung hatte, Denn wo er nicht gegleubt
hette, das die, so erschlagen waren, wurden aufferstehen, were es
vergeblich und unnuetz anzusehen gewest,
fur die todten zu bitten, Daruemb ists eine
heilige und gute meinung, fur die todten zu bitten, das sie von den
sunden los werden.’
Du must aber hie nicht dencken, das die
Sophisten jnn jren seel Messen diesen
Text zur Epistel haben gebraucht umb der zwelff tausent drachmas willen, Sonst wurden dir boese gedancken
einfallen, als hetten sie es aus geitz
gethan, Und were dieser Text jhr Schneberg, Schreckenberg, Schwotz4 und alle silber und goldberge gewest, Sondern sie
habens gethan aus grosser liebe und
andacht, den armen seelen zu trost und Got (nicht dem schendlichen Mammon) zu ehren, wie das leichtlich an jhren
wercken und fruechten zu mercken ist.
[ 13 nach silbers steht am Rande Das
ist tausent und funff hundert guelden. Eine drachma ist funff schwerd
grosschen, odder xxx. lewen pfennige Meissenisch.5]
[Seite 369]
Auffs erst.
Wie wol dis buch Machabeorum nicht jnn
der zal der heiligen schrifft ist, auch
von den alten vetern nicht fur heilige schrifft ist angenomen, wie auch zwar die art der sprach selbs gnug
zeuget, Das damit gnugsam jhr
ungegrundte schendliche luegen moecht verdampt sein, als die einen Text
fur gewis und zum Artikel des glaubens
halten, leren und predigen, der doch
nicht gewis sein kan, dazu uber solchem ungewissen verworffen Text die
leute ketzern und morden, als hetten sie
macht, Artikel des glaubens zu stellen, was
und wie sie wolten, So wollen wir doch dismal zum uberflus und zum [Bl. A 4] dienst den luegnern diesen Text
lassen gelten als sonst eines frumen
heiligen mans rede, der dennoch wol zu weilen etwas guts und
warhafftiges reden kunde, ob man gleich
nicht schuldig ist, dasselb zu gleuben, weil er on schrifft und Gottes wort redet, Und daruemb nicht
zuverdamnen ist als ein ketzer.
Aber der Sophisten erste weidliche
luegen (ausgenomen die itzt erzelete,
vom ungewissen buch einen artickel des glaubens zu machen) ist diese, das sie diesen Text deuten auffs fegfewer,
woellens auch damit gruenden und
beweisen, so doch kein wort noch buchstabe drinnen vom fegfewr stehet,
Sondern sie dringen und brewen solchen
luegenverstand hinein aus jhrem eigen kopff umb
der zwelff tausent drachmas willen. Der text sagt von den sunden der verstorbenen und lobet den Judas umb den artickel der
aufferstehung, das der gute man, der dis
buch gemacht hat, wil hiemit preisen den edlen artickel von dem aufferstehen der todten, der dazumal
(wie auch noch) seer verachtet war, So
ziehens die Papisten auffs fegfewr, denn sie achten der aufferstehung nicht so gros, als der zwelff tausent
drachmas, die gleissen fur jren augen
mehr denn aufferstehen und ewigs leben dazu.
Und zwar zeigt der Text selbs an, das
er nichts halte von der pein odder
fegfewr der seelen, Denn er spricht ia also: Es were vergeblich und unnuetz fur die todten bitten, wo kein
aufferstehen were, Wil ia klerlich damit
anzeigen, ob sunde da weren der todten, die moechten jhn jnn der
aufferstehung schaden thun, nicht fur
der aufferstehung, Denn fur und on die aufferstehung helt ers vergeblich, das man fur die todten
bitte, Denn wo sie nicht auff stehen und
ehe sie auff stehen, ists umbsonst, fur sie bitten, Das also dieser Text nicht allein ungewis, sondern auch
stracks widder jhr fegfewr, feilfeur
odder luegenfeur ist.
Zu dem, so ist das ein lose faule
Dialectica und folget und schleust nicht
fein: Ein gestorbener ist jnn sunden, druemb ist er jm fegfeur, Wo mit
wil man diese folge beweisen odder
erzwingen? Es thetten denn die 12 tausent
drachmas, sonst gibts der Text nicht, man helffe denn eine luegen hinein
treiben, Denn aller heiligen leichman
ligen jnn der erden und sind sundlich und jnn
[Röm. 5, 12] sunden gestorben, wie Sanct Paulus sagt Roma. 6. ‘Der leib
ist gestorben umb der sunde willen’,
dennoch ist er nicht jm fegfeur, Die Teuffel sind auch jnn sunden und doch wedder jm fegfeur noch
jnn der helle pein, Daruemb
[Seite 370]
folgets nicht: Judas lest bitten fur die
todten, druemb sind sie jm fegfeur, Das gebet
kan wol gehen und gehet auch auff die aufferstehung, und wers auffs fegfeur deutet, der redet das seine on
beweisung, das ist eben so viel als eine
lesterliche luegen, sonderlich, weil sie hie einen Artikel des glaubens aus machen wollen.
[Bl. B 1] Die ander lügen.
Ob gleich Judas solch opffer hette zu
seiner zeit jm alten Testament gethan,
wie komen wir da zu, das wirs auch hinach thun muessen? Wollen wir zu ruecke und widder zu Juden werden? Wer
hat uns die gewalt gegeben. das man aus
eines menschen (er sey gleich heilig) werck ein Exempel, ia ein gebot und Artickel des glaubens mache,
daruber man ketzer verbrennet? Jst das
nicht zu hoch Gott versucht und uber Gott gefaren mit unerhoreter
vermessenheit? Sagt doch dieser Text
nicht, das mans hinach thun musse odder
solle, odder Gott befolhen habe, sondern sagt allein daher ein
geschicht, was Judas habe gethan fur
sich selbs, und wir faren ein hin, machen flugs ein gebot und Artikel draus, aus eigener thurst,
frevel und mutwillen, das uns Gott nicht
befolhen, sondern verbotten hat.
[1. Mose 22, 2] Also theten die Jueden
vorzeiten auch, da sie jnn Genesi funden, wie
Gott Abraham befalh seinen son Isaac zu opfferen, harreten sie nicht,
bis das jhn Gott auch solchs gepotte,
furen zu, wie die unsinnigen, machten flugs ein
Exempel, gebot und Artikel draus, opfferten jhre soene und toechter, bis
sie das land vol bluts machten, und
erwurgeten dazu alle Propheten, die solchs
straffeten und wehreten, gleich wie jtzt die rasenden blut hunde auch
thun und umbs fegfeurs willen die
unschuldigen toedten, so sie doch kein Gottes wort fur sich haben und dazu diesen Text
felschlich furen und noch das Exempel
Juda (das sie furwenden) nicht haben, und wens gleich ein Exempel
were, dennoch nicht gnug zum gebot odder
artickel were.
Es ist aber der rechte Muenzerisch
geist, des Dialectica und Theologia war
hierin auch gantz Sophistisch, Denn so leret er, David, Gedeon, Josua und der gleichen haben die Gottlosen koenige
erschlagen und wol dran gethan und sind
von Gott gelobet, Druemb so wollen und sollen wir auch die fuersten todschlahen eben diesem Exempel nach, wie
diese luegener leren: Judas hat fur die
todten geopffert, druemb sollen wirs Christen auch thun. Und ist dazu ungewis, ob Judas hiemit fur Gott recht
gethan hat odder nicht, weil das gantze
buch ungewis und von den alten verworffen ist, Aber die xij tausent Drachmas haben das hertze leid, machen
Artikel und gebot, wie sie wollen.
Es ist ia nichts schedlichers jnn der
welt, denn wo man auch der heiligen
werck on Gottes befelh zum Exempel, gebot, lere und Artickel setzt. Denn wir sollen keinem Exempel folgen, da sie
ein sonderlichen befelh gehabt,
[ 5 darauß D 13/14 solle odder fehlt D]
[Seite 371]
den wir nicht haben, Wir haben unsern befelh
fur uns, als gleuben, lieben, [Phil. 3,
16] dabey sollen wir alle gleich bleiben, sagt S. Paulus Phil. 3, bis er uns
etwas weiters heisse, wie er jhenen
gethan hat, Weil wir nu kein wort noch
[Bl. B ij] befelh von Gott haben, das fegfeur zu gleuben, so ists eine
verfluchte lesterung und luegen, durch
uns selbs ein gebot und Artikel daraus zumachen, und wens eitel heiligen Exempel schneyet und
regente, Hatts Judas gethan aus eigener
andacht, so stehe es auff jhm, Er ist unser Gott noch lerer nicht. [Richt. 8, 27] Gedeon richtet auch aus eigner
andacht ein Ephod an, aber gieng drueber zu
scheitern, und wer weis, ob Judas auch umb dieser eigner andacht willen [1. Makk. 9, 18] hernach so fallen und
erschlagen werden must, Es ist, on Gottes wort, nicht zu schertzen mit menschen werck und der
heiligen Exempel.
Die dritte lügen
Jst die allerfeineste, Judas selbs, von
dem dieser Text sagt, hat nicht
gegleubt, das ein fegfeur sey, hats auch nicht koennen gleuben, Denn es
ist jm alten Testament kein fegfeur
gewest, auch nicht jm newen Testament, zur
zeit der Apostel und lang hernach, Und die Sophisten sagen selbs, das
jm alten Testament sey keins gewest,
Sind mir das nu nicht feine, trewe hirten
und lerer, die einem frembden Text (ausser der heiligen schrifft) ein
furen, den sie selbs wissen und bekennen
muessen, das er nicht vom fegfeur redet noch
reden kan, dennoch aus eigner thurst und frevel, mit mutwilligem liegen
und triegen, deuten und zwingen das
fegefeur zubestetigen, also rasend und
unsinnig, das sie solche jhre wissentliche luegen auch zum Artikel des
glaubens setzen und die leute morden,
die solche offenberliche, wissentliche luegen nicht als Gottes wort anbeten? Heist das nicht jnn
den heiligen geist auffs unverschamptest
gesundigt und eigene gewisse luegen uber Gott gesetzt?
Die vierde lügen.
So liegen sie auch damit, das sie solch
verboten und ungewis Exempel des Judas
selbs nicht halten, Denn Judas hat wie ein Juede nach dem alten gesetz geopffert, welche nu durch Christum
haben auffgehoeret. Und wo Judas jtzt
lebte, thurst ers nicht mehr thun, Wie komen denn unser lugener darauff, das sie dis Exempel des alten opffers, das
lengest auffgehoeret, nu widderuemb auff
werffen? Wollen sie Juda folgen, so muessen sie enhindern1 jns alte Testament, und zu Jerusalem mit den Jueden
schaff und ochsen opffern, sonst ist das
Exempel tod und gar nichts, Weils denn Judas jtzt selber nicht thet, wo er lebete, und auch kein fegfeur
gleubet, Jsts ia ein unverschampte
lesterliche luegen, seinem todten und nu untuechtigen Exempel zu folgen,
ein Artikel draus zu machen. Wenn sie
denn ia der Jueden Exempel wollen
[ 6 schneyet] scheinet D 7 noch] vnd D
36 seinen D]
[Seite 372]
folgen, must man sie auch beschneiten
und zu allem gesetz Mosi zwingen, auff
das Christus von jhn volkomlich verleugnet wurde, Denn wer das gesetz [Gal. 6, 13, Jak. 2, 10] jnn einem stuck
helt, der mus jnn allen halten, Galat. 6.
Nu faren sie noch weiter: Judas Exempel
[Bl. B iij] folgen sie nicht, das sie
doch rhuemen, Sondern creutzigen dazu Christum, machen an stat des
auffgehaben opffers Jude Christum und
die Messe zum opffer, das reimet sich wol
mit Judas Exempel, Aber davon weiter, wenn wir auff die Messe komen.
Sihe du nu zu: Das buch ist verworffen
und ungewis, der Text sagt nichts vom
fegfeur, Und Judas hat kein Gottes wort fur sich, heists uns auch nicht nach thun, gleubt selbs kein
fegfeur, Und ist alles jm alten Testament
geschehen, da kein fegfeur gewesen ist, und gilt solch Exempel und
werck nicht mehr jm newen Testament, so
folgen sei auch dazu seinem Exempel
nicht, Ertichten die Messe fur ein opffer, und furen gleich wol diesen
Text auffs fegfeur, wie gar schendlich
ist doch das alles durchstuncken und durchlogen
und gantz grundlos mit luegen und lesterungen, Dennoch
mutwilliglich machen sie aus solchen
luegen Artikel des glaubens (das Judas jnn seinem opffer doch nicht gethan), morden daruber die
leute als ketzer, Sind mir das nicht
verfluchte, schendliche lesterer und moerder?
Sie schreien, Die kirche, kirche,
kirche sagts, Das ist auch erlogen, Die
[1. Tim. 3, 15] kirche ist ein pfeiler der warheit, sagt Paulus, und ist
heilig, Druemb ists unmueglich, das sie
mit solchen mutwilligen, greifflichen oeffentlichen luegen solt umbgehen. Aber die kirche, das solche luegen
jnnen regieren, ist jhr eigen kirchen,
Denn diese Epistel lesen sie durch alle Stifft, kloester, kirchen, Cappellen, altarn, jnn den seelmessen vom
fegfewr, wie jhre Messebuecher zeigen
und am tage ist. Daruemb sey du gewis, das sie hierinn luegener,
lesterer, abtruennige Gottes feinde,
Christus verrheter und moerder sind, Und huet dich, das du nicht dich teilhafftig machest jhres
liegens und mordens.
Das ander Capitel.
[Ps. 66, 12] Auch haben sie einem
schoenen text aus dem 65. Psalm, der laut also:
‘Wir sind durch fewr und wasser gangen.’ Weil nu hie das wort ‘fewr’ stehet, so mus es das fegfewr heissen,
Und das wort ‘Wir’ heist: wir armen
seelen jm fegfewr. Da hastu das fegfewr gewis bestettigt, Gehe nu hin und sage, das die Sophisten on schrifft
reden und ungelerte esel seien, Das aber
da bey auch ‘Wasser’ stehet, mustu dieweil nicht achten, sondern auffs wort ‘feur’ sehen, sonst solt dich wol
ein lachen bestehen, wie doch die
Sophisten wasser jns fegfeur bringen koennen, Es sind kuenstreiche
leute, das sag ich dir fur war, Es gehet
alles hie mit der [Bl. B4] weissen kunst zu, und nicht mit schlechten kreutern.1
[Seite 373]
Wolan, ich kuende wol leiden, das sie
mit der schrifft also gauckelten und
narreten, wenn sie es heimlich bey sich selbs theten, auff jhr ebentheur.1 Aber nu ists ein solcher ernst (wie gesagt),
das sie offentlich durch die gantze
Christenheit Artikel des glaubens draus machen und die leute drueber
morden, brennen, lestern und verdamnen,
und mit solchen spruechen gruenden sie jhre
verfluchte luegen und fressen damit der welt gueter und verfuren die
Christlichen seelen iemerlich, denn es stehen
auff solchen gruenden fast die stifft, kloester, kirchen, altar allzumal.
[Seite 373a]
[Erste Version]
[[Zweite Version]] 373b
[Hs.] Die erste lugen
Jderman kan itzt ym Psalter selbs wol sehen das dieser spruch gar nichts vom fegfeur redet Sondern wird durch die verlogene sophisten felschlich dahin gefuret, Er sagt allein vom leiden der heiligen ynn dieser zeit, wie denn drinnen stehet, Gott du lessest menschen vber vnser heubt gehen, Nü sagen die papisten ia, selbs, das nicht menschen, sondern teuffel ym fegefeur die seelen plagen̄
Die an̂der lugen
So gehoret der psalter eigentlich den heiligen zu ym allten testament, Vnd ist auch ym allten testament gemacht vnd drinnen gefasset, Das fegfeur aber ist da zu mal noch nicht gewest, Darumb kan er nicht dauon reden, wie kan ers denn vns ym newen testament beweisen?
[ 11 sehen 〈deud〉 13 die 〈lu〉 verlogene 〈papisten vnd〉 sophisten r 16 stehet, 〈Das〉 Gott 〈me〉 18 selbs o 19 son̂dern̂ 〈da〉 22 eigentlich 〈yns allte〉 26 nicht 〈erfunden〉]
[Seite 374a]
[[Zweite Version]] 374b
Die dritte lugen
So werden die aus dem fegefeur ia nicht opfern diese opffer dauon der [Ps. 66, 13. 15] psalm meldet vnd spricht Jch
wil ynn dein haus gehen mit brandopffer,
ich wil rinder vnd bock zu richten,
welchs sind opffer des allten testaments
vnd nu lengest alle tod vnd abe, doch
pfennige, grosschen, gulden vnd xij
tausent dragmas werden das wol
verantworten
Die Vierde lugen
Das der Psalm auch vom Wasser sagt, wie droben angezeigt, Aber der Mammon vermag alle ding ynn dieser heiligen Sophisten kirchen auch die lugen zur warheit, vnd aus dem teufel einen Gott zü machen Haben sie doch kalt wasser auch ynn der [Hiob 24, 19] helle funden wie sie aus Hiob
24 beweisen, da er spricht, Sie
gehen ynn grosse hitz vom schnee
wasser, Vnd sol der meinung sein das
die seelen von der hitze zur kellte
vnd widderumb faren müssen Hiob
aber sagt, wie der schnee n̂eme ein ende vnd werde zu wasser von der sonnen hitze Also verderben auch die ehebrecher hie auff erden an leib vnd
[ 8 lengest o 11 〈Das〉 Die 14 Mammon steht über 〈glaube〉 ding 〈bey〉 15 Sophisten steht über 〈Bapsts〉 die rh 17 zü o machen 〈kan̂〉 〈Sie haben〉 haben 18 der c aus die 19
helle 〈gebracht〉 funden
r 〈Denn yn〉 wie 21 Luther begann zuerst
vonn gr, strich es und begann von neuem: aus der grossen hitz, strich dann aus
der durch und schrieb darüber ynn und korrigierte grosse vom steht über 〈yns〉 wasser, 〈wollen〉 22 Vnd 〈ist〉 sol rh sein o 25 n̂eme 〈doch〉 27 verderben steht über 〈vergehen〉 27/28 ehebrecher steht über 〈Gottlosen〉, am Rande steht auch noch
durchgestrichen: stoltzen 28/375, 1 an leib vnd güt o]
[Seite 375a]
[[Zweite Version]] 375b
güt. Aber nu ists ein artickel des glaubens das sonnen hitze, vnd schn̂ee wasser ynn der helle sey das muste gleuben odder bist ein ketzer, denn Hiob hats den Sophisten so gesagt
Mich wundert aber, Warumb sie nicht aus Daniel: ix aüch das fegfeur beweisen, da
[ 1 Aber 〈glaube du, das es von dem hellischen feur sey gesagt
wiltu nicht ein ketzer〉 2 Luther schrieb zuerst: das
es leider sey heis vnd kalt ynn der helle 4/5 denn Hiob — so gesagt
nachträglich hinzugesetzt.]
[Seite 373b]
[Zweite Version]
[[Erste Version]] 373a
Die erste lügen.
Jderman kan jtzt jm Psalter selbs wol sehen2, das dieser spruch gar nichts vom fegfeur redet, sondern wird durch die verlogene Sophisten felschlich dahin gefuret, Er sagt allein vom leiden der heiligen hnn dieser zeit, [Ps. 66, 12] wie denn drinnen stehet: ‘Gott,
du lessest menschen uber unser heubt
gehen,’ Nu sagen die Papisten ia selbs,
das nicht menschen, sondern Teuffel jm fegfeur die seelen plagen.
Die ander lügen.
So gehoeret der Psalm eigentlich den heiligen zu jm alten Testament und ist auch jm alten Testament gemacht und drinnen gefasset, das fegfeur aber ist da zu mal noch nicht gewest, Daruemb kan er nicht davon reden, wie kan ers denn uns jm newen Testament beweisen?
[ 1 wol fehlt C 23 heililigen A 27
davon fehlt C1]
[Seite 374b]
[[Erste Version]] 374a
Die dritte lügen.
So werden die aus dem fegfeur ia nicht opfern diese opffer, davon der Psalm meldet und spricht: ‘Jch wil jnn dein haus gehen mit brand opffer, ich wil rinder und boecke zu richten’,
welchs sind opffer des alten Testaments
und nu lengest alle tod und abe, doch
pfennige, groschen, gulden und xjj
Tausent drachmas werden das wol
verantworten.1
Die vierde lügen.
Das der Psalm auch vom wasser sagt, wie droben angezeigt, Aber der Mammon vermag alle ding jnn dieser heiligen Sophisten kirchen, auch die luegen zur warheit und aus dem Teuffel einen Gott zu machen. Haben sie doch kalt wasser auch jnn der helle funden, wie sie aus Hiob xxiiij
beweisen, da er spricht: ‘Sie gehen
jnn grosse hitz vom schnee wasser’, und
sol die meinung sein, das die seelen
von der hitze zur kelte und
widderümb faren muessen, Hiob aber sagt,
wie der schnee neme ein ende und
werde zu wasser von der sonnen hitze.
Also verderben auch die ehebrecher auff
er- [Bl. C 1] den an leib und gut, Aber
nu
[ 5 dein] dem C]
[Seite 375b]
[[Erste Version]] 375a
ists ein artickel des glaubens,
das sonnen hitze und schnee wasser jnn
der helle sey, das mustu gleuben
odder bist ein ketzer, Denn Hiob hats
den Sophisten so gesagt.
Mich wundert aber, Waruemb sie nicht aus Daniel ix auch das fegfeur beweisen, da
[Seite 375]
[Dan. 9, 4 ff.] er so hertzlich klagt
und bittet fur die sunde der verstorben
veter, das sie Gott woelle vergessen, Und Gott selber jm [2. Mose 20, 5] ersten gebot drewet, Er
woelle der veter missethat heimsuchen an den kindern bis jns dritte und vierde gelied, damit er ia
die kinder vermanet, fur der veter sunde
zu buessen. Hieraus solt ia auch ein fegefeur zu bawen sein, so es aus dem exempel Juda so meisterlich gezimmert
ist, Und haben sie so scharff gesicht,
das sie wasser jm fegfeur und schnee jnn der helle auch on brill und
latern ersehen koennen, solten sie ia
hie auch zum wenigsten das helle feur sehen jnn
solcher finsternis. Aber ich halt, Es mangelt daran, das an diesen orten
nicht stehet von xij tausent Drachmas
noch vom opffer, wo die selbigen nicht hin
leuchten, da ist kein fegefeur zu ersehen, die rechte latern stehet
nicht da bey.
Das dritte Capitel.
[Off. 14, 13] Stehet Apoc. xiiij: ‘Jch
hoeret eine stimme zu mir sagen: Schreibe, Selig sind die todten, die jnn dem HERRN sterben
von nu an, Ja der geist spricht, das sie
rugen von jhrer erbeit, denn jhre werck folgen jhn nach.’
Das ist der Text, ders thut, der gehet
jnn dem seel ampt jm rechten schwangk,
Und reimet sich zu den seelen jm fegfeur so eben, das lust ist zu sehen, Auch stoest er die gantze ketzerische
lere des Luthers zu boden, Denn hie
stehet klerlich, das jhre werck folgen jhn nach, das ist, wie sie gethan haben, so wird jhn gelohnet, Aber sonderlich
sind es die werck, die man jhn nach
thut, durch Vigilien und seelmessen etc. Was solt sonst dieser text jm seel ampt zu thun haben? Denn das die
selbigen werck hernach folgen, wenn
einer tod ist, mus gewislich war sein, darff keines glaubens, man sihets
wol, Auch so hoeret mans aus des
Priesters munde, wenn er fur dem altar zum
volck spricht: Lieben freunde, helfft mir bitten fur die seele N. N.,
die man itzt begehet mit Vigilien und
seelmessen, das Gott wolt ansehen die guten
werck, die jhm nachgeschehen etce. Ja, dis nachfolgen der werck hat
werlich
[Seite 376]
viel tausent Drachmas erlauffen und
eriagt, Es heissen aber des verstorbenen
werck daruemb, das er sie bestellet und gestifft hat, odder ander von
seinen wegen.
[Bl. C ij] Lieber, frage nuer hie alle
Sophisten aus allen hohen schulen,
stifften, kloestern, pfarhen, ob sie gleuben, das die seelen, dafur sie
beten, jm HERRN verscheiden sind odder
nicht. So muessen sie sagen, das sie jm
HERRN verscheiden sind, Denn fur die unchristen und so nicht jm HERRN verscheiden sind, beten sie nicht, Es muessen
eitel rechte Christen seelen sein jm fegfeur, die andern sind alle verdampt. Und
ist auch warhafftig also, das man fur
die unchristen seelen nicht beten sol noch kan. Das ist eins.
Nu spricht hie der Text, das solche
todten, so jm HERRN sterben, sind selig,
Wie bitten sie denn fur die seligen umb gelt? Und ob sie wolten eine faule glose furgeben, das solche seelen
jnn hoffnung selig weren, noch nicht jm
wesen, das ist nichts denn jhr eigen glose, koennens auch nicht beweisen, So leidets auch der text nicht, der
spricht, sie sind also selig, das [Jes.
57, 2] sie rugen und jm friede sind, wie auch Jsaias lvij sagt, das die
gerechten (Ein [Röm. 1, 17] Christ aber
ist gerecht, Roma. j), wenn sie sterben, gehen jnn den frieden [Weish. 3, 3] wie jnn ein bette, Und Sap. am
iij. zeuget auch: ‘der gerechten seelen sind
jm friede’. So zeigt auch die schrifft hin und widder, als von
Abraham, Jsaac, Jacob, Josia, das sie jm
friede sollen sterben, Und heissen auch daruemb
die schlaffenden, und jhr tod ein schlaff durch die gantze schrifft.
Und was sagt sonderlich das gantz newe
Testament denn das: Wer an Christo
gleubt, der sey gerecht? wie Paulus zun Roemern gewaltig beweiset und Johannes jnn seinem Euangelio, Daruemb,
Wer jm HERRN stirbt, der mus gerecht und
selig sein, wenns gleich nicht hie jnn Apocalip. stuende, odder Gott mueste selbs liegen, Und wenn der
trost und glaube solt nichts sein, das
der selig sey, der jnn Christo stirbt, Was ist denn unser Christen glaube? so wolt ich eben so mehr ein Tuerck,
Juede und Heide sein, Was huelffen mich
so treffliche, herliche verheissung Gottes, das, wer an Christo [Joh. 3, 18] gleubt, solle nicht gericht
werden, Johan. iij, Sondern gerecht, selig, heilig sein, vergebung der sunde und ewiges leben
haben? Last uns eben so mehr einen
andern Gott suchen, der uns nicht so leuget und treugt.
Wolan, das ist das ander, das sie selig
sind, die jnn Christo sterben, wie hie
der Text und die gantze schrifft sagt, Und das gewaltig Exempel des schechers am Creutze auch zeuget, dazu
Cyprianus an viel orten leret, das itzt
zu lang ist zu erzelen. Nu frage weiter meine lieben Sophisten, waruemb sie denn sagen, Gott solle die guten werck
ansehen, die jhn nachgeschehen, und
nicht das sterben jm HERRN, Denn er sagt ia nicht, das sie durch
werck selig werden, sondern durchs
sterben jm HERRN, nicht durchs sterben allein,
sondern das sie jm HERRN sterben, das ist jm glauben Christi, Der
thuts, Unser sterben allein thets
nimermehr, wie doch die verfuerer allenthalben
betriegen die ar= [Bl. C iij] men leute, so man richtet und abthut umb
jhrer missethat willen.
[Seite 377]
Sihestu nu, was die xij tausent
Drachmas vermuegen? Diesen schoenen,
troestlichen, lebendigen spruch verduncklen sie durch jhr schendlich
geplerr und geitz, auff das die Christen
ia nicht behalten noch lernen jm HERRN sterben,
Sondern schrecken sie durch jhr Fegefeur ab von solchem trost, das sie
den glauben an Christo muessen faren
lassen und solchen trost und verheissung
verachten, Dafur aber auff nachfolgende werck sich verlassen und
darauff sterben und also ewiglich
verderben. Sihe, das wolt der Teuffel haben mit
dem fegefeur, das die Christen an jhrem ende, wenn sie des glaubens am aller meisten und noetigsten beduerfften, als
denn muesten gar fallen lassen und auff
jhre eigen werck bawen, ob sie gleich solchen glauben jhr lebenlang bis daher gehabt hetten, Und fur solche trewe
lere des leidigen teuffels haben sie der
welt gueter verdienet und zu sich bracht, Und ist also der undanckbarn welt jhr undanck fur Christus gnaden redlich
bezalet und wol gestrafft.
Wenn du nu fragest, Waruemb sie bitten
fur die seligen seelen jnn Christo
verschieden? Was woellen sie sagen? Sie muessen sagen: Gott sey nicht mehr denn schlecht einfeltiglich heilig, Aber
der Bapst ist der aller heiligest,
daruemb gibt er den seligen seelen viel eine groesser seligkeit denn
Gott selbs, Und wenn seine andechtigen
Vigilien thetten1, die sie lauterlichen umb Gottes willen beten, so muesten die seligen seelen
unselig und die ruegigen unruegig sein,
ob Gott gleich selbs sie allzumal selig gemacht hette.
Wie gefallen dir diese gesellen? Jch
meine, sie treffens, Noch gehets also:
wer jhrer luegen nicht gleubt, der mus ein ketzer sein und brennen. Sanct Augustinus2 spricht auch, Es sey eine
schande, wo man fur die Merterer bittet,
denn sie sind selig, Und das ist auch war, Denn fur einen Merterer bitten, ist eben soviel gesagt als, Er ist
nicht jnn Gott gestorben, Gott hellt
auch sein wort nicht, da er gered hat, sie sollen selig sein, die umb
seinen [Matth. 5, 10ff. Luk. 6, 22 f.]
willen sterben, Matthei v. Luce vj. und viel mehr orten. Aber S. Augustin hat diesen artickel nicht verstanden, den die
Sophisten leren, das die folgenden
frembden werck die seligen jnn Gott verscheiden selig machen. Er ist
auch gewislich ein ketzer und alle, die
es mit ihm halten.
Also sehen die Esels koepffe, die
Sophisten, alle schrifft an, das sie den
text oeffentlich widder sich selbs zwingen, und machen gleichwol
artickel des glaubens draus und morden
die leute drueber. Johannes wil hie soviel sagen: [Ps. 116, 15] die Christen, so jm HERRN
sterben, sind selig, wie auch der cxv. Psalm sagt: ‘Fur dem HERRN ist der tod seiner heiligen koestlich’,
wiewol sie fur der welt verflucht und
verdampt heissen und als die ketzer sterben muessen, und also all jhr lere und thun auch mus [Bl. C 4] jnn
schanden stecken, Aber gleich wie sie
[ 9 bedoerffen D 34 so] so hie D]
[Seite 378]
sterben und dadurch zur seligkeit und
zur herrligkeit furhin gehen, also werden
jhre werck auch hernach gehen und auch herrlich werden jnn aller welt,
wie [1. Tim. 5, 25] Paulus davon auch
redet j. Timoth. v. Also ist Johannes Hus selig worden fur seine person, da er starb jm HERRN1, itzt
folgen seine werck hernach, und heissen
nu auch selig und heilig, die bis her sind gelestert und verdampt gewest, Denn es bleibt nichts dahinden von
den heiligen, nicht ein har vom heubt,
Es mus alles hinach, und auch selig und heilig werden.
[Off. 14, 1 –4] Also haben sie auch
(weil ich jnn dem selbigen xiiij. Capitel so eben bin) genarret, da Johannes von den 144000
Jungfrawen redet, die dem Lam nach
folgen, und machen leibliche iungfrawen draus, So doch der text klerlich sagt, Es sein mans bilder und seien daher
iungfrawen, das sie dem Lam folgen. Denn
so spricht er: ‘Diese sind, die mit weibern nicht befleckt sind, denn sie sind iungfrawen’, Wenn er nu weibs
bilde meinete, mueste er so sagen: diese
sind mit mannen nicht befleckt, Und wenns gleich die alten lerer von weibs bilden verstehen, so ist der text
selbs klar da fur augen und spricht: Es
sind iungfrawen, die mit weibern nicht befleckt sind, das muessen ia menner sein. Was were es sonst fur eine
iungfrewliche iugent2, sich mit weibern
nicht beflecken? Das gehe seinen weg, ist gnug, das man sehe, wie die katzen meister3 und morder so vleissig
jnn der schrifft sind, und wie gewis sie
jhrer truncken trewme sind, daruemb sie die leute so schendlich wuergen.
Das vierde Capitel.
[1. Kor. 3, 15] Sanct Paulus j. Cor.
iij spricht: ‘Er wird selig werden, so doch als durchs feur’, (das ist) durchs Fegefeur. Hie mustu
gar nichts ansehen, wo von Paulus vorher
redet, und was er fur ein feur meinet, Sondern, weil du hoerest, das er das wort (feur) nennet,
flugs, nicht weiter gedacht noch umbgesehen,
schlecht gegleubt, es ist das fegfeur, so ists denn ein artickel
des glaubens, und must ein ketzer sein
und sterben, wo du anders gleubest, Denn
der goldschmide feur ist wasser gegen diesem feur, Sintemal jhr feur
schmeltzt wenig silber und gold, Aber
das Fegfeur schmeltzt eitel xij tausent Drachmas. Ja alle Stifft, Kloester, Kirchen, Capellen,
altar mit alle jhrem gut und ehre ist
aus dem fegfeur geschmeltzt, druemb dasselbige zubestettigen, sol mans setzen jnn die schrifft, wo das wort feur stehet,
und als denn nicht zweiveln, die
schrifft rede vom Fegfeur, Und wer anders sagt, der sey verdampt und verbrand wie ein ketzer.
[Bl. D 1] Weil aber mein lieber herr
und freund, Er Johann Pomer, unser zu
Wittemberg und wol an mehr orten rechter Ertzbischoff, diesen Text
[Seite 379]
hat reichlich ausgelegt und
gewaltiglich den fegfeurs Aposteln und Tyrannen
abgeiagt1, So wil ich dis mal die leser zu des selbigen buechlin
geweiset haben, darin sie werden finden,
wie redlich und wol die blinden leiter haben Sanct Paulus wort jns fegfeur gezogen und mit
solcher schendlichen luegen der welt gut
ausgesogen und die armen seelen so gar iemerlich betrogen, daruber sie doch noch nicht buessen odder rewen, sondern
verstockte schutzer bleiben wollen.
Ein jglicher lese selbs den Text, So
wird er spueren muessen den grossen
vleis und das trewe hertz der Sophisten gegen die Christenheit, wie sie
mit ernst der seelen heil gesucht haben.
Denn jtzt auffs kurtzest zu sagen, Gibts
der Text klar, das er von den predigern und lerern redet, die da sollen
die [1. Kor. 3, 12] Christliche kirche
bawen mit jhrer lere, und heisst etliche lere gold, silber, eddelsteine, etliche aber holtz, hew, stro,
Nicht das gold, silber, eddelsteine, das
die weiber am halse tragen, auch nicht holtz, haw, stro, das die kue
und kelber fressen, Denn die lere und
predigt bey den Christen wird keine kue
fressen noch ein weib an den hals hengen, das kan schier eine kue wol
selbs rechen, ob sie schon nicht ein
Sophist ist, Also auch das feur, damit die
lere bewerd werden, ist nicht das feur, damit gold, silber, hew, stro
bewerd wird, Sondern ein ander feur, das
da bewerd am Tage, jnn welchem es wird
offenbar, was recht odder unrecht ist, Aber davon gnug, und weiter
jns Pomers buchlin.
Weil denn das nu eigentlich gewis ist,
das Sanct Paulus an diesem ort redet von
den lerern odder predigern, das der selbigen gebew odder lere muesse durchs feur bewerd werden, So moecht
ich aus der massen gerne wissen, waruemb
sie fur die seelen der gemeinen Christen leute bitten, von welchen dieser Text nichts saget, Und nicht viel mehr
widderuemb den gemeinen man lassen fur
sich bitten, und geben sie selbs gelt dafur? Denn redet Paulus hie vom fegfeur, so triffts ia allein die
lerer, prediger und Pfarher, das ist die
geistlichen, die das predigampt haben, und nicht den gemeinen Christen man, Jst denn nu dieser Text nicht fein auffs
fegfeur gefuret? welcher allein von dem
feur redet, das nicht des gemeinen mans, sondern die Pfarher, lerer und geistlichen leiden muessen, Und sie
tichten und zihens auff ein feur, das
der gemein Christen mensch leiden muesse, Ja, lieber gesel, der Mammon
ist ein allmechtiger Gott und gelerter
Theologus, der weis die schrifft recht aus
zulegen, wie du hie sihest.
[Seite 380]
Hie schreien sie aber (und was koennen
sie sonst denn schreien?), Die heiligen
Veter und die Christi- [Bl. D ij] che kirche habens also gedeutet und fur das fegfeur verstanden, als Augustinus,
Gregorius und der viel mehr, Dazu auch
der grosse vater selbst, Mammon, der groessest Muentzemeister auff erden, der die xij tausent Drachmas glentzen
sahe jm alten Testament, und machet
durch sein Alchimey aller welt gut aus den selbigen jm newen Testament.
Hie soltu sagen, und mercks ia wol: Die
lieben heiligen veter haben nicht allein
an diesem ort, sondern auch wol an mehr orten die schrifft gefurt nach jhrem sin und guter meinung,
nicht das sie damit haben wollen Artikel
des glaubens stellen, noch jemand drueber ermordet odder verdampt haben, Wie denn sonderlich Sanct Bernhard
offt der schrifft sprueche aus der
massen reichlich braucht, obs gleich nicht der schrifft eigentliche
meinung ist, und doch on schaden wol so
mag verstanden werden, so fern das man nicht
ernst noch Artickel daselbst aus mache, Das mus ich mit Exempeln
beweisen.
[Ps. 4, 9] Als wenn Augustinus1 spricht
auff den vierden Psalm: ‘Jn pace in
idipsum dormiam’, Und deutet mit langen worten, das Jdipsum heisse
Got selbs, so es doch jm Latinischen und
Griechischem solchs nicht gibt, viel weniger
jm Ebreischen, Solt man dem guten man solche gedancken nicht billich zu
gut halten? weil er doch keinen jrthumb,
sondern eitel gute Christliche gedancken
da hat, ob sie wol an dem ort nicht, sondern anderswo gegruendet sind. Wenn aber hierauff ein toller Sophist, wolt
fussen und einen Artickel des glaubens
draus machen und die leute drueber verbrennen, welche nicht gleuben wolten, das Jdipsum Gott heisse, meinstu, das
solchs wurde Sanct Augustin gefallen, wo
er jtzt lebete? Meinstu, er wurde sagen: Jch habs wollen gebieten und ein Artickel des glaubens haben,
was ich sage, Und wer es nicht helt, den
sol man verbrennen? Ja huet dich dafur, er solt wol sagen: Wer hat dich heissen meine wort zum glaubens
Artikel machen?
[Matth. 25, 15] Jtem, wenn Sanct
Gregorius2 spricht: Funff pfund (Matth. xxv) sind die funff sinne, und zwey pfund sind verstand
und werck und ein pfund ist verstand
allein, Und jemand spreche, lieber vater, haben doch die thier auch funff sinne, wie koennen es denn funff pfund
heissen, die Christus seinen Aposteln
gibt, welche er doch nicht allein hoeher denn alle thier, sondern auch uber aller menschen vernunfft zu meister
setzt durch die gantze welt, und solt
jhn nichts hohers denn funff sinnen dazu geben, welche sie doch vorhin
hatten,
[Seite 381]
und auch schier die leuse und floehe
haben? Wolan, nu leret solchs Sanct
Gregorius, meinstu aber, er wolle solchs fur ein Artikel des glaubens
haben gesetzt und alle die heissen
morden, die es nicht gleuben?
Jtem, wenn Sanct Hieronymus1 schreibt,
Das die Jungfrawschafft mache den himel
vol, [Bl. D iij] Aber der ehestand mache die erden vol, Meinstu, er habe das mit solchem ernst odder der meinung
geschrieben, das ein Artikel des
glaubens sein solle, und jderman das zu gleuben schuldig sey? Was moecht unchristlicher und ketzerischer gesagt
werden, denn das der ehestand nicht zum
himel, sondern auff erden herab gehoere? Solte kein ehelich mensch
muegen selig werden, wo bliebe Abraham
und alle veter und Apostel? Und solte
Jungfrawschafft zum himel helffen, so durffte man Christus und seines
glaubens nichts, und muesten gar viel
Heiden, so ungetaufft, unchristen und Gotlos
gewesen sind, jm himel sein, denn sie haben warlich viel Jungfrawen gehabt. Wer sihet nu hie nicht, das Sanct Hieronymus
hierin viel zu milde redet? hats aber
dennoch nicht boese gemeinet, ist auch daruemb kein ketzer, Aber viel weniger sols auch ein Artikel des glaubens
sein, der uns solchs zu gleuben zwinge.
[Ps. 19, 3] Jtem, wenn Sanct Ambrosius2
(Psalm xjx): ‘Dies diei eructat verbum,
Ein tage sagts dem andern, eine nacht verkuendigts der andern’, also
deutet: Ein tag, das ist, ein Christe
sagts dem andern, Eine nacht, das ist, ein Juede sagts dem andern, Meinstu, Er wolle mich hie
gezwungen haben, das jchs muesse gleuben
als einen Artikel, das Tag einen Christen, und Nacht einen Jueden heisse? So es doch der Psalm nicht
gibt noch leidet jm Text.
Solche weise die schrifft zu furen
heisst Katachresis, abusiuus modus
loquendi, Ein misverstand, das man der schrifft zu weilen einen
spruch abborget und reisset damit einen
bossen (wie wirs nennen), doch on schaden
dem Text und dem rechten verstand, welcher den ernst on alle bossen
haben sol. Wie man aus dem Alexandro3
solcher bossen seer viel gemacht hat, als:
‘U non mutabis, donec plurale videbis’, Man solt alt schuch nicht
weg werffen, man habe denn newe,
‘Jndeclinabile vulgus’4, Der pofel ist ein
ungezogen ding. Wie wol es were besser, man liesse mit solchen bossen
die heilige schrifft unverworren, odder
mit grosser vernunfft damit umb gienge,
Denn es ist dabey, das man zu letzt vom Text koempt und den rechten sin verleuret und aus dem misverstand und
bossen ein Artikel des glaubens
[Seite 382]
wird, wie die Sophisten und Papisten
hie thun jm fegfeur, ia fast eitel solche
Katachreses haben jnn jhren Artikeln.
[Matth. 13, 23] Und wenn Gregorius,
Hieronymus und der alten lerer viel aus Matth. xiij, das der Same (Gottes wort) etlicher dreissig,
etlicher sechtzig, etlicher hundertfeltig
tregt, also verstehen, das dreissig heisse den ehestand, sechtzig den
widwen stand, hundert den Jungfraw
stand1, Welche stende alle drey vorhin jnn der
welt sind (on solchen samen Christi) von Gott geschaffen und eingesetzt,
Und lecherlich ist, das Christus wort
nicht mehr thun solt, denn diese drey stende
geben, die vorhin [Bl. D 4] da sind, Wolan, noch ist solchs gesungen und geklungen durch die gantze Christenheit, Und
wer es wolt fur ernst so halten, da
moecht kein grosser ketzerey auff erden komen sein, denn damit were und gebe Christus und sein wort nichts mehr denn
das vorhin da gewesen ist, bey allen
Heiden, Gottlosen und Teuffels dienern.
Wer wil nu sagen, das solchs muesse ein
Artikel des glaubens sein, daruber die
leute zu toedten seien? Wie viel besser ists, das man sage, die lieben veter haben solchs unbedacht, aber
nicht boeser, ketzerischer meinung
gered. Denn wie Sanct Augustinus sagt, jrren macht nicht ketzer,
sondern wissentlich und halstarriglich
jrren macht ketzer, Jrren mag ich (spricht er
abermal), aber ketzern wil ich nicht.2 Waruemb? Er wil den jrthumb
nicht setzen zum Artikel noch
verteidingen, sondern sich weisen lassen. Solcher spruche der lieben heiligen Veter wolt ich uber
tausent auff bringen, darin sie etwa
gefeilet, etwa auch gute gedancken, aber nicht an rechtem ort, gehabt,
darin sie doch nicht halstarrig noch
hart drauff blieben weren, wo sie anders bericht weren, Viel weniger haben sie wollen Artikel
draus gemacht und die Christen drueber
verdampt und getoedtet haben, wie unser unsinnigen blut hunde thun.
Und was sol man viel sagen? Thueren wir
doch nicht das wogen, das wir alle werck
und wort unsers Herrn Christi folgen moechten, welcher doch
[Seite 383]
[1. Petri 2, 22] nie keine sunde gethan
noch geirret odder gefeilet hat, wie Sanct Petrus und [Jes. 53, 9] Jesaias sagen, das er keine
sunde gethan und nie kein falschs jnn seinem
munde erfunden ist, Denn ich thar freilich nicht viertzig tage fasten
und auff dem meer gehen, wie er gethan
hat.1 So hat er auch wedder haus noch hoff,
weib noch kind, noch jchtes eigens gehabt auff erden, Er hat auch der
keines befolhen jhm nach zuthun. So hat
er auch geleret von den dreyerley verschnitten,
[Matth. 19, 12] Matth. xix, darin auch nicht not ist alles zu halten.
Warumb solten wir denn gezwungen sein
als zu Artikel des glaubens, was die lieben Veter thun und reden, on schrifft, welche doch sundigen
und jrren muegen, ja offt und teglich
haben muessen sundigen und jrren, auff das sie das Vater unser [Ps. 19, 13] und den xix. Psalm liessen war
und recht bleiben?
Und wenn sie ja wollen der heiligen
Exempel folgen jnn allen (auch
unnoetigen) stuecken, Waruemb folgen sie nicht viel lieber dem Herrn
Christo selbs und lassen stifft,
kloester und alles eigen gut faren? Ja gesund sehen wir uns, kom morgen widder!2 Hie ligts,
steckts und hafftets, Was dem Mammon
dienet, da koennen wir der Veter Exempel und wort brauchen, was aber nicht, das mus ketzerey sein, Seid jhr
da zurissen, Lieben Papisten, so flicke
euch der Teuffel3, Nu ists nicht wunder, das jhr der Veter sprueche allzumal zu Artikel ma-[Bl. E 1]chet. Also
haben auch die prediger muench jhren
Thomam von Aquino der Christenheit auffgeladen, das alle buchstaben muessen artickel sein, der doch vol jrthum
stickt, bis das die hohen schulen selbs
nicht haben leiden koennen, und etliche stueck an jhm verdamnen muessen4, Und war schier dahin komen, das wir
musten lassen artickel des glaubens
sein, wenn einem vollen Muench der bauch kurret5 odder einen faulen wind faren lies. Aber nu ists
alles vergessen, haben nie nichts ubels
gethan.
[1. Kor. 3, 15] Wenn man nu Veter daher
fueret uber diesen text Pauli j. Corin. iij
vom fegefeur, das ist gar nicht gnug, Sondern sie muessen weiter
beweisen, das die selbigen Veter haben
solchs woellen fur artickel des glaubens und nicht fur jhre blosse gedancken haben, Dazu noch
mehr auch beweisen, das die Veter von
Gott befelh haben, newe artickel des glaubens ausser der schrifft zu
setzen und die Christen dazu zu zwingen
oder zu toedten, Wo das nicht geschicht,
so bleiben alle Veter und heiligen, wie gros sie sind, mit alle jhrer
lere und [1. Thess. 5, 21] leben unter
diesem spruch j. Thess. v: ‘Pruefet alles und behaltet das gute’, denn da wirfft sie der heilige geist unter
die Christen und verbeut jhnen die
gewalt, artickel des glaubens zu stellen.
[Seite 384]
Dasselbige bekennet auch S. Augustinus
selbs und schreibt zu Sanct Hieronymo
also1: ‘Lieber bruder, Jch halte nicht, das du deine buecher woltest gleich der Apostel und Propheten buecher
gehalten haben, Denn ich ausser der
heiligen schrifft buecher die andern alle also lese, das ichs nicht
daruemb alles gleube, was sie sagen, sie
seien wie gelert und heilig sie sein muegen, es sey denn, das sie mirs mit der schrifft odder mit
heller vernunfft beweisen, Eben so wil
ich auch leser haben uber meine buecher, wie ich bin uber den andern buecher’. Hec Aug.
Weil nu das klar ist, das die lieben
Veter offt gestrauchelt und offt gute
gedancken an unebenem ort gehabt, aber nie ketzerisch, halstarrig gewesen, viel weniger solch jhr straucheln und
gedacken zu artickeln des glaubens
(darueber die Christen zu verbrennen) geboten, gesetzt odder geleret
haben, So ist leicht zu rechen, wie
redlich und trewlich die Sophisten mit den Christen umbgehen, die aus jhrem eigen tollen kopff,
aus freveler thurst und Teuffels
eingeben, on Gottes befelh, widder der Veter willen, on alle ursach,
alles zu artickel des glaubens machen,
was sie woellen, jnn den heiligen Vetern, und
die leut drueber ermorden, ungeacht und mit fuessen getretten den
heiligen geist, [1. Thess. 5, 21] der da
sagt: ‘Pruefet alles und behaltet das gute’, Da mus denn nicht feilen, weil sie der Veter jrthum bestettigen on
jhren willen und befelh, das nicht die
Veter, sondern sie selbs ketzer sind unter dem namen und schein der Veter, wie man spricht: Wer die luegen nach sagt,
der leuget noch seerer2, Denn der leuget
nicht, so etwas falsch odder jrrig redet, sondern der drauff beharret und handelt halstarrig-[Bl. Eij]lich, das ist
ein wissentlicher luegener.
[ 7 den] der B 8 buechern C]
[Seite 385]
Das funfft Capitel.
Hie haben sie nu S. Gregorium jnn
seinem Dialogo1, welcher fast der erst
und mechtigest ist, der das fegfeur und die opffer messen auffbracht und angericht hat, Der selbige zeigt an viel
Exempel von den geistern, so erschienen
sind, welchen er (als ein gut frum einfeltig man) gleubet, dazu auch den fliegenden liechtern und jrrwisschen
gegleubt hat, als werens seelen, welche
doch die Heiden vorzeiten nicht fur seelen gehalten, Und nu offenbar ist, das Teuffel sind. Und des dings setzt er
viel, der gute man, und gleubt alles, on
schrifft und zeugnis Gottes, Und das ist fast der sterckest und einiger grund des gantzen fegfeurs, Dem hat alle welt
gefolget, und ist also eingerissen, das
schier kein Gottes dienst, kein gut werck, kein gelt auff erden ist blieben, es hat jns fegfeur gemuest und den
seelen helffen, und ist meins achtens kein
reicher luegen auff erden komen denn das fegfeur, bis das sie mit dem ablas sich selbs verrhaten und zu boden
gestossen haben.
Hie sage ich, wie droben: Man lasse
Sanct Gregorium einen fromen man sein,
der solchs alles on ketzerey gehalten, auch niemand dazu gezwungen, noch einigen artickel des glaubens draus
gemacht, noch mit schrifft odder wunder
jemals beweiset hat. Aber wie keme ich dazu, das ich mueste das fur einen artickel des glaubens halten,
darueber ich leib und seel verloren solt
haben, das doch S. Gregorius selbst nicht wil fur artickel des
glaubens gehalten haben, hat mirs auch
nirgent geboten, hats auch keinen befelh gehat
zu gebieten? Das man aber artickel des glaubens draus macht und die
leute drueber mordet, das ist nicht S.
Gregorius meinung, noch der heiligen kirchen,
kans auch niemand beweisen, Sondern es ist ein boshafftiger zusatz, uber
mas und eigen fuendlin der geitz wanste,
der luegenhafftigen Sophisten, die damit
der welt leib und gut, seel und heil fahen und umbbringen, und
handeln also aus eigener thurst mit der
lieben Christenheit, nicht allein als Ertzketzer und luegener, Sondern als die verzweivelten
verrether, boesewicht, moerder und
lesterer, die lieber durch jhre luegen die gantze welt woellen verdampt
haben, denn der xij tausent drachmas
emperen.
Und ob sie furgeben, Die kirche hette
solcher Veter buecher approbirt und
bestettigt, Wissen sie selbs wol, das die kirche mit jhrem bestetigen
nicht mehr zusetzt der Veter buecher,
denn drinnen stehet, wie doch hie die Sophisten
thun, So halten sie auch selbs nicht, das alles recht sey, was jnn
einem bestettigten lerer funden wird.
Exemplum de [Bl. E iij] Thoma Aquinate,
[ 8 das (1.)] das es D]
[Seite 386]
So ist das auch ein zusatz, das die
kirche artickel des glaubens mache mit
jhrem bestetigen, Die Sophisten ertichten solchs.
So hat zwar der Bapst selbs jnn seinem
geistlichen recht gesetzt aus S.
Augustin spruechen 9. c. Noli1, das man keinen Vetern gleuben solle, sie beweisen es denn mit der schrifft. Sol man nu
diesem geistlichen recht folgen, so mus
man warlich S. Gregorio und dem Fegefeur nichts gleuben, denn da ist keine schrifft fur handen,
sondern eitel eigen gedancken, Widderuemb
aber itzt, Wo man nicht gleubt S. Gregorio vom fegefeur, da ist
leib und seele verloren, Jsts nicht ein
seltzam wunder umb das Sophistische
Bapstum? Es wil seinem geistlichen recht gegleubt haben, odder man mus ketzer sein und brennen, Gleubt man jhm denn,
so ist man aber mal ketzer und mus
brennen, Denn hie zwinget es mich, S. Gregorio nicht zu gleuben und doch zu gleuben, Welchs ich nu thu, so
bin ich verdampt und verloren, So sey
der Teuffel ein Papist an meine stat. Wiewol solche bueberey alle sampt ist allein der Sophisten schuld, Denn
was die leren, mus Bapst und Bischoff
gleuben und die gantze welt, Denn Bapst und Bisschove nemen sich des lerens und predigens wenig an.
Das sechst Capitel.
Da haben sie die gantze schrifft fur
sich mit allen buchstaben und titteln,
Und ist nichts blieben fur dem fegfeur, Denn da sihe jhr vigilien und seelmessen an, so wirstu finden, wie
meisterlich sie die gantze schrifft
auffs fegfeur ziehen und deuten, Es mus alles fegfeur heissen, was new
und alt Testament jhemals gewesen ist,
Jch mus hie erzelen etliche Psalmen und
Text, die sie brauchen jnn jhren vigilien und seel ampt, dabey man
doch greiffen muege, wie schendlich sie
Gott und die welt geeffet und genarret haben.
Funffzehen edler feiner Psalmen haben
sie zur vigilien erwelet, die magstu
selbs nu jm deudschen Psalter lesen2, Jch wil dir sie anzeigen, Und findestu einen buchstaben drinnen, der sich
jns fegfeur oder auff die verstorben
seele reime, so wil ich keins menschen mehr werd sein3, Und wie koennen
sie auch, weil sie alle jm alten
Testament gemacht sind, da nie kein gedancken
vom fegfeur gewesen ist? Aber sie muessen itzt wol, der Mammon kan sie
es wol leren.
Es sind aber diese:
j. Der funfft; ‘HERR, hoere meine
wort.’
ij. der sechst: ‘Ach, HERR, straff mich
nicht.’
iij. der siebend: ‘Auff dich, HERR,
traw ich.’
[Bl. E 4] iiij. der xxiij.: ‘Der HERR
ist mein hirte.’
[Seite 387]
v. der xxv.: ‘Zu dir, HERR, erhebe
ich.’
vi. der xxvij.: ‘Der HERR ist mein
liecht.’
vij. der xl.: ‘Jch harret des HERRN.’
viij. der xlj.: ‘Wol dem, der sich annimpt.’
ix. der xlij.: ‘Wie der hirsch
schreiet.’
Auff diese ix Psalmen haben sie ix
Lection aus dem buch Hiob, davon ein
sonderlich buch widder sie zu schreiben were, wei sie die selbigen so
lesterlich, schendlich daher ziehen.
Darnach folgen die Laudes Psalmen. j.
der lj.: ‘Gott sey mir gnedig.’
ij. der lxij.: ‘Meine seele schweiget.’
iij. der lxiij.: ‘Gott, du bist mein
Gott.’
iiij. der cxxx.: ‘Aus der tieffen.’
v. Isaie xxxviij: ‘Jch sprach: Nu mus
ich.’
vj. Die letzten drey Psalmen.
Lieber, nim einen Sophisten zu dir und
lies diese Vigilj Psalmen alle odder
einen und las dir doch zeigen, jnn welchem wort vom fegfeur gesagt werde odder wieviel seelen jm alten Testament
dadurch aus dem fegfeur erloeset seien,
Denn darauff kanstu ia gewis fussen, das dieser Psalmen etliche, als der xl. und xlj., allein und sonst
nirgent hin denn auff Christus [Joh. 13,
18, Hebr. 10, 5] eigene person gehen, wie sie denn jm Euangelio Johan. xiij.
und Ebre. x. eingefurt werden, und die
andern alle von leiden und trost der heiligen hie auff erden reden, Und jnn keinen weg zu leiden
ist, das man (wo es mit ernst solte
geschehen) die Psalmen wanckeln mache, das sie zu gleich von Christo und nicht von Christo reden solten, damit
unsers glaubens artickel ungewis wurden,
und der glaube fallen muste, und alle unser trost jnn noeten zu nichte werden.
Jch wil hie lassen anstehen die todten
vesper und seelmessen, sonderlich aber
die lesterlichen Collecten, darinn sie den himel jhren wolthetern
erbitten, Denn es ist grundlos mit
luegen und lestern In dem fegefeur, auff das andere auch etwas haben hierinn zu dencken, und ob
sie widder kemen, ich weiter sie zwagen2
und baden muege.
Fur die edlen theuren Psalmen ist mirs
leid, das sie In solchem schendlichen,
lesterlichen, manchfeltigem misbrauch muessen dem stinckenden geitz
und unfletigem bauch dienen. Erstlich,
das der rechte verstand von Christo und
seinen heiligen mus umb des fegfeurs willen vertunckelt, verhindert und
verderbet werden, und die hertzen der Christen
des beraubet sein, Welchs allein ursach
gnug were, das man druemb alle vigilien sampt Stifft, Kloester, Capellen (wenns nicht anders sein wolt) aus rottet,
das kein gedechtnis mehr davon bliebe,
Denn die Psalmen sind gemacht, den glauben darinn zu uben und
[Seite 388]
zu lernen, und nicht, das man damit die seelen
durch misverstand aus dem fegefeur
loesen sollen.
Zum andern, das sie muessen Gott zu
spot und schanden so vergeblich und jm
nichtigen wahn ge-[Bl. F 1]sungen und gelesen werden, Denn weil das fegfeur nichts ist noch beweiset kan
werden, und man doch mit diesen Psalmen.
Gott drueber bittet, so ists eben, als wenn ich einen fursten umb etliche gefangen jnn einem thurm bete, und er
wueste selbs weder von thurm noch
gefangen, Da mueste ich ia unsinnig sein odder spottet gewis des fursten als eines narren mit schonen worten, die sich
uber das nicht daher reimeten, Wollen
sie nu auch Gottes nicht als eines narren spotten, so muessen sie warlich das fegfeur zuvor gewis machen, Denn
Gott weis nichts druemb, weil er ia kein
wort davon jhemals gesagt hat, Wenn wollen sie es aber gewis machen?
Zum dritten, weil sie der Psalmen nicht
zum glauben brauchen, wie sie denn fur
dem misverstand nicht konnen, so folget von not wegen, das sie die selbigen schlecht hin lesen on hertz, on
beten, und handeln damit als mit einem
werck, dadurch sie Gott wollen die seelen abkeuffen, Nu ist ein werck jnn Gottes dienst on glauben ia ein rechte
lauter abgoetterey und versuchung
Gottes, dazu ein gespoette gegen Got, So sihet mans auch wol, das
jhr Vigilien kein beten ist, Denn wo sie
drinnen beten wolten, wuerden sie wol
ander personen dazu bestellen, die nicht so leichtfertig drinnen
handelten, duerfften auch soviel
Psalmen, lection und gedoene nichts uber all, Es thet wol ein Psalm.
Aber das man sehen solle, es sey ein
werck, damit man dem volck das maul
auffsperre, und deste mehr gelt trage, So mus das die beste Vigilj sein, welche die lengste ist und am meisten
plappert, gerade als hette Gott lust zu
[Matth. 6, 7] grossem und vielem geplepper, So er doch spricht Math. vi:
‘Wenn jhr betet, sollet jhr nicht viel
plappern, wie die Heiden.’ Und der Pfaff, so fur dem altar sagt, das Gott wolle ansehen die guten
werck, die jhm nach geschehen, bekennet
frey, das sein Vigilien, Messe und seelampt ein werck sey, damit sich Gott sol versunen lassen, und duerffen
Christus des mitlers nichts dazu, Gott
mus wol fort und sie selbs mit jhren ungleubigen wercken on Christo erhoeren.
Zum vierden, weil solch misverstand,
vergebliche erbeit und ungleubig werck
jnn jhren Vigilien ist, so mus weiter folgen auch eusserlicher misbrauch dieser Psalmen, nemlich, das man sie mit unvleis,
unlust, verdrus, unwillen singnet und
liset, das auch solcher unwille ein werck verderbt, wens gleich recht und gut jnn reinem glauben geschehe, Denn
Gott wil luestige und willige diener
haben und mag gezwungen und unwillige dienst nicht haben, Nu sihet man ia vor augen, wie sie jnn Stifften und
kloestern Vigilien singen, da
[ 1 zu fehlt D 2 solle D 5 kan] mag D 7
gefangne D]
[Seite 389]
schnattern sie die lieben Psalmen
dahin1, wie die gense das haberstro, das sie
nicht ein gantz wort machen, wie denn der Teuffel sie selbst spottet,
mit dem sprichwort: Es must ein armer
Teuffel sein, dem die solten eine seele abbeten.2
[Bl. F ij] Zum funfften, weil denn da
eitel misverstand, jrthum, unglaub,
muehe und unlust ist jnn dem werck, so mus zuletzt auch das folgen, das es mit gelt mus erhalten und allein umb
gelts willen und nicht umb Gottes willen
gethan werden, sonst were die erbeit gar umb sonst und mochte nicht bestehen. Und das ist auch der rechte
Vigilien Gott, umb des willen hellt man
sie, man sehe sie sonst nicht an, Das sehen wir fur augen, das kein Vigilien on gelt gehalten wird, und ist
zu allen sonderliche zinse gestifft, Und
sie verkeuffen sie auch warlich unverschampt wie eine ander wahr, on das es nicht mus gekaufft heissen, und du soltest
wol sehen, wo das geld wendet, ob da
nicht auch bald solten die Vigilien und seelmessen wenden.3
Solcher lesterlicher misbreuch und
grewel wolt ich wol mehr anzeigen, wenn
ich sie gegen alle gepot und lere Christi rechen wolte, Und die lieben edlen Psalmen muessen hiezu dienen und dem
leidigen abgot Mammon hofieren, die
seelen der Christen zu verfueren, Christum und Got zu spotten und lestern, und fur das alles der welt gueter fressen und
mit hurn und buben schendlich verzeren
helffen.
Und damit ia alle tugent der
Bepstlichen kirchen auff einen hauffen
komen, lassen sie jhn an diesen greweln nicht genuegen, das sie die
Psalmen durch misverstand so verkeren,
glauben und trost des geists hindern, die seelen verfueren, Gott mit glaublosen, faulem,
nichtigem werck spotten und jrem bauch
und Mammon dienen, der welt gueter damit rauben und schendlich verbrassen, Sondern faren zu, und wer solche grewel nicht
wil an beten und fur recht halten, der
mus ein verdampt ketzer sein und verbrennen. Also sind sie denn jhrem vater aller ding ehnliche
kinder, Denn wie kan es aussen bleiben,
das, wer ein luegener ist, solt auch nicht ein moerder dazu werden, [Joh. 8, 44] Weil der Teuffel, sein vater,
ein luegener und moerder ist, Johann. viij?
Und zur ubergabe4 machen sie uber der
keinem kein gewissen, rewen und buessens
nimer mehr, sondern trotzen Gott dazu und rhuemens als den hohesten Gottes dienst, der sie uber alle
heiligen jm himel kroenen werde fur
solchen mord, luegen und blut vergiessen, und mit solchem stueck
ubertreffen sie den Teuffel selbs, jhren
vater, und bessern sein reich damit, da er nicht
[Seite 390]
kan, Denn wiewol er auch verstockt ist,
so kan er doch den hohmut noch trotz
nicht fassen, das jhm Gott fur seinen mord und luegen jm himel herrlich lohnen werde, wie sie thun, seine lieben
kindlin.
Also viel wil ich dis mal zum vorrat
odder anfang der Historien, zu stercken
die unser und zur warnung unsern nachkomen haben angezeigt, damit sie ein wissen haben, wie das Bapstum vom
fegfeur geleret, und was fur tugent sie
daruber begangen haben. Und auff das sie sich zu hueten wis- [Bl. F iij] sen fur jhm, damit sie nicht jnn
jhr lesterliche grewel etwa bewilligen
und sich teilhafftig machen alle des bluts, das durch die Papisten
vergossen ist, Denn wer jnn des
Bapstumbs werck verwilligt, der mus auch auff sich laden und teilhafftig sein aller grewel,
lesterung, luegen, mord und verfurung,
[Matth. 23, 35] die drinnen sind, ja auch wol alle des unschuldigen
bluts (wie Christus sagt), das vergossen
ist auff erden, von Abel an bis hieher, Denn es ist ein hauffe, ein leib, ein geist, ein wille, ein
Exempel aller heiligen moerder, Jch wil
entschuldigt sein und trewlich gewarnet haben.
Was ich aber hie zu wenig gesagt habe,
wil ich jnn dem Artikel von der Messen
und andern (wils Gott) weiter sagen, Denn weil sie obgenante Psalmen und sprueche thueren auff jhr fegfeur
ziehen, wie solten sie nicht auch wol
mehr sprueche daselbst hin zihen? kan man doch wol die gantze schrifft (wers thun wil) auff eine luegen zihen, Es
ist Mammon der aller mechtigste [2.
Thess. 2, 4, Dan. 11, 36] Gott uber alle Goetter, sagt Paulus und Daniel, drumb
ists nicht wunder, das er sich auch
erhebt uber unsern Gott und macht aus der heiligen schrifft, was er wil, Denn das soltestu sehen, Wenn
Mammon mein Got were, das ich der xij
tausent Drachmas gnug geben kuende, ich wolt alle Sophisten und ketzer auff einen tag bekeren und nicht
allein das fegfeur, sondern das gantz
Bapstum auffheben, ehe ein mond vergienge, Daruemb mangelt meiner
lere nichts denn die Gottheit des
grossen Gottes Mammon, Wenn ich die hette,
so were es keine ketzerey noch jrthum, sondern die liebe reine warheit,
Nu aber ist sie jrrig und ketzerisch,
Waruemb? Daruemb, das sie arm ist, Armut
ist mein irthum und ketzerey. Das sey davon gnug, Jch wil bey
meinem armen Got bleiben, dem sey lob
und danck jnn ewigkeit Amen.
[Seite 391]
[Einleitung]
[Seite 391]
Auch nach dem Bauernkriege des Jahres
1525 behielt Erzbischof Albrecht noch fast ein Jahrzehnt eine friedliche
Verständigung mit den Protestanten im Auge.1 Jnsbesondere suchte er persönlich
durch gelegentliche kleine Aufmerksamkeiten die Wittenberger Reformatoren von
seinen wohlwollenden Absichten zu überzeugen. So verehrte er 1525 nach Luthers Hochzeit
dessen Käte 20 Goldgulden2 und schickte er zu der Vermählung der ältesten
Tochter Melanchthons Anna mit Georg Sabinus am
[Seite 392]
auch zu Luther auf die Koburg. Am
Von demselben Tage ist nun der Brief
Luthers an den Erzbischof datiert, der uns hier beschäftigt.
In der Einleitung erklärt Luther, daß
er den Brief am liebsten “heimlich” und in seiner Originalhandschrift an den
Erzbischof geschickt hätte; er hätte jedoch gefürchtet, der Brief möchte in
“diser schwinden [= bösen] zeyt” “etwa verruckt [= entstellt] ausskomen” und
ihn und den Erzbischof in Unannehmlichkeiten verwickeln. Darum habe er
vorgezogen, den Brief “frey offentlichen durch den druck ans liecht” zu geben.
Er sandte daher — auffälligerweise erst am
[Seite 393]
Eine inhaltlich recht unbedeutende
Entgegnung auf unsern Brief von dem Altzeller Abt Paul Bachmann (Amnicola) gab
Johann Cochläus mit einer Vorrede an Abt Konrad von Kaisersheim vom
Antwort auff Luthers||Sendtbrieff,
geschribenn gen||Augspurg, and den Cardi-|| nal, Ertzbischoffen zu || Mentz
Chur-||fürsten &c.. || P. A. C. || M. D. XXX. || (Blättchen) ||1
Wir reproduzieren den Nürnberger
Originaldruck und stellen ihm Luthers Originalhandschrift gegenüber, die in
Cod. Solg. Mss. Qu. 8 der Nürnberger Stadtbibliothek2 erhalten ist.
Ausgaben:
A “Ein Brieff an den Car-||dinal
Ertzbisschoff || zu Mentz. || Martini Luther. ||” Titelrückseite leer. 8
Blätter in Quart, die beiden letzten Blätter leer. Schluß auf Blatt b 2b; Bl. b
2b Z. 20 “1230”, in einzelnen Exemplaren durch Rasur und Überdruck in “1530”
gebessert (so: Breslau St.).
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5745), Breslau St., Königsberg U., München H. u. U., Wittenberg; Basel
U., London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 3.
B “Ein Brieff an den Car-||dinal
Ertzbisschoff || zu Mentz. || Martini Luther. ||” Titelrückseite leer. 6
Blätter in Quart, letzte Seite leer. Schluß auf Blatt b 2a.
Der Satz ist der gleiche wie in A, nur
daß auf jeder Seite eine Zeile mehr steht als dort, wodurch die letzte Seite
frei geworden ist; dazu kommen einige Änderungen am Satz: Bl. b2 Z. 5 Fuersten
> Fuerstē, b2, 6 muesse > muessen, am Ende 1230 > 1530.
Einige Exemplare (B1) z. B. Berlin
haben Bl. a2a Z. 3 herrn > Herrn, weitere (B2) dazu Blatt b1a Z. 4 brauch
> breuch (z. B. Berlin 5744 u. 5744a).
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5744 u. 5744a), Breslau U., Hamburg, München H. u. U., Nürnberg St.,
Wernigerode; Zürich St., London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 2.
C “Ein Breiff an den Car-||dinal
Ertzbisschoff || zu Mentz. || Mart. Luther. ||” Titelrückseite leer. 7 Blätter
in Quart.
Druck von Melchior Sachse in Erfurt.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; München H.,
Wolfenbüttel. — Nicht bei Enders.
D “Ein Brieff an || den Cardinal ||
Ertzbisschoff zu || Mentz. || Martini Luth. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter
in Oktav, letztes Blatt leer.
Druck von Jos. Klug in Wittenberg (?).
Vorhanden: Berlin (Luth. 5747); London.
— Nicht bei Enders.
E “❧ Ein || Brieff an || den
Cardinal Ertz-||bischoff zu Mentz. || Mart. Luth. ||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart,
[Seite 394]
die drei letzen Seiten leer. Am Ende:
“Gedrůckt zu Wittemberg || durch Georgen || Rhaw. ||”
In einigen Exemplaren ist Blatt B 3a
Zeile 15 die Ziffer “3” der Jahreszahl herabgerutscht und dadurch das “K” der
folgenden Zeile ausgefallen, sowie Blatt A 4 a Zeile 1 “blieben” statt
“bleiben” gedruckt. — Berlin und Wolfenbüttel haben Exemplare mit beiden
Lesarten.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt,
Berlin (Luth. 5741 u. 5741a), Breslau U., Freiberg, Hamburg, Königsberg U.,
München H., Wittbrietzen, Wolfenbüttel, Zwickau; London. — Enders, Briefwechsel
8, 85 Nr. 4.
F “Ein brieff an den Cardinal Ertz ||
bischoff zů Mentz. || Jtem viertzig stuck oder artickel, welche Doctor ||
Martinus Luther, mit Gottes gnaden || erhaltē will, wider die gantze ||
Satans schůl, vnd alle || porten der hel-||len. || Martinus Luther. ||” Titelrückseite
leer. 8 Blätter in Quart.
Druck von Joh. Schöffer in Mainz.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5749), München H.; Basel U., London. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 5.
G “Ein Brieff an den Car||dinal
Erczbisschof || zu Mencz. || Martinus Luther. ||” 6 Blätter in Quart, letzte
Seite leer.
Druck von Adam Dyon in Breslau.
Vorhanden: Knaakesche Slg. 1530, 32, A.
— Nicht bei Enders.
H “Ein Brieff an den Car||dinal,
Ertzbischoff zu Meintz, || vnter dem Reichstag zu Augsburg, || Anno. M. D. XXX.
|| Geschrieben, durch || D. Mart. Luther, || Mit einer kurtzen Auslegung des ||
andern Psalms. || Jn dieser zeit nuetzlich zu lesen. || Witteberg. || Gedruckt
durch Hans Lufft. || 1546. ||” Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5753), Breslau
St. u. U., Freiberg, Hamburg, Zwickau. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 6.
Niederdeutsch:
I “Eyn breeff an den Car-||dinal,
Ertzbisschop || tho Mentz. || Mit antekinge des an-||deren Psalmes, || Quare
fremuerunt || gentes. || Martinus Luther. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite
leer. 8 Blätter in Oktav, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruecket tho
Magdeborch. ||”
Druck von Hans Walther in Magdeburg.
Vorhanden: Hamburg.
Eine spätere Ausgabe erschien noch im
Jahre 1630:
“Ein Brieff D. MARTINI LUTHERI, an den
Cardinal, ErtzBischoff zu Maeintz, daß er zum Friede rathen wolte. Anno M. D.
XXX. [Brustbild Melanchthons in Medaillonform.] Jetzo aber Auff instehendes
Jubel Jahr, Anno 1630. Jedermaenniglichen zur Nachrichtung in Truck gegeben.
[Strich.] Gedruckt im Jahr, M. D C. XXX.” 8 Blätter in Quart, letztes Blatt
leer.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5760), Breslau
St. u. U. — Enders, Briefwechsel 8, 85 Nr. 7.
[Seite 395]
In den Gesamtausgaben: Wittenberg 9
(1558), 434b –437b; Jena 5 (1557), 110b –114b; Altenburg 5, 198 –201; Leipzig
20, 142 –145; Walch1 16, 1085 –1095; Walch2 16, 916 –924; Erlangen 54, 159
–168; de Wette 4, 72 –79; Enders, Briefwechsel 8, 84 –87. — Lateinisch:
Coelestin, Historiae comitiorum Augustae II (1577), 211a –216a; Buddeus, Suppl.
epist. Lutheri (1703), 129 –139.
Von dem Nürnberger Urdruck A, nach dem
der Text von uns gegeben wird, sind unmittelbar abgedruckt D, E, G, H; B, das
mit A fast völlig übereinstimmt, war Vorlage für C und F.
A hat Luthers Formen ziemlich getreu
beibehalten, nur wenige Nürnberger Besonderheiten einfließen lassen. Als
Besonderheit sei hervorgehoben, daß es, wie andere Drucke von Stüchs, die
Zierform des W als V verwendet. Die mitteldeutschen Drucke C D E G H bleiben
dem Urdruck sehr nahe, oft auch, wo dieser oberdeutsche Formen zeigt (weder,
oder, glauben). Wir stellen sie deshalb im folgenden zusammen. F weist mit der
Form reilich ziemlich sicher nach Mainz, hat aber noch mehr südwestdeutsche
Formen als andre Mainzer Drucke (wa, selbert, weyßt), so daß die Annahme nahe
liegt, daß es nicht unmittelbar aus B, sondern aus einem (Augsburger?)
Zwischendruck abzuleiten sei. Bei H ist hervorzuheben, daß es alle Bibelzitate
nach der späteren Übersetzung korrigiert.
C (Erfurt), D (Wittenberg?), E
(Wittenberg), G (Breslau), H (Wittenberg) verglichen mit AB.
I. Vokale: 1) Umlaut. o > oe koenig
CDGH (∞ GH), voerig C, oeberkeit C, oeffentlich H, koempt EG, koendte H,
hoehest CH; ∞ solch CDH. u > ue duenckel CH, duencken H,
entschueldigen, schueldig CDH, suende H, kuendte C, Jueden CEH, Juenger CDH,
duerffte CH, gedrueckt (impressum) EH, daruemb, waruemb EH, suechen C; ∞
fur CDEGH, Furst CE (H nur bei großer Schriftgattung), furchten D, zurnen D,
wurde E, schut (Subst.) C, mussen C, ruffen CDE, fruchtlin D, stunde DE,
schluge C, furen (Konj.) E, lugen D. au > eu gleube (doch nicht immer) CH.
2) u > o moegen, genoch, dorch,
kortz, erzoernen C, foerchten, zornen G, o > u furcht H; i und ie, u und
ů sind in den md. Drucken nicht geschieden; a > o yo, annomen C,
∞ gethan, van, gewanheit C, nach (nec) D.
3) unbetontes e zugefügt oft in C
ungluecke, alleine, bekentnisse (Sing.), gnade, habe, vielleichte, balde, zu
gute, konige (auch H), die rechte; erwuerget (auch D), nichtes (öfter), in H
koendte; ∞ erfarn, Gots C, zu nicht DE, untadlich, gesalbten G.
4) stummes h beseitigt jr, jnen, jenes
H, umgestellt gewher D, yrhem G.
II. Konsonanten: d > t, dt yemant,
schendtlich C, dt > d entbrand EH, gered, bekand E, dt > t erkante C; th
> t teil C, rat E; p > b babst (an beiden Stellen) C, Pabst D; g > ch
halsstarrich C, genoch C; g > k dinck C, kegen G, gnugsam > gnusam D.
[Seite 396]
Doppelkonsonant vereinfacht: grim CE,
wils C, Vater C, vernomen E, tadeln G, angeboten, etliche E, vieleicht H, wider
H; ∞ heillig, erbeitten C, odder, widder DG, schuett H.
III. Vor- und Nachsilben: ver- > vor
z. B. vorfolgen, vorlachen, vornicht C, glimpff > gelimpff H, bescheissery
> bescheisserey H.
IV. Deklination: die topffen >
toepffe H, die Apostel > Aposteln D.
Konjugation: kompt > koempt HGE,
gangen > gegangen H; woellen, woellt > wollen, wollt CD, muegen >
moegen C.
V. Wortformen: für (auch in Kompositis)
> vor C, hie > hir C, sein lebenlang > s. lebelang C; soelch >
solch CD; histori > historie C, Grisogens > Crisogens C, Chrysogoni H,
Mentz > Meintz H, Zepter > Scepter H, Sion > Zion H; verdammen >
verdamnen CDGE; deudsch öfter > deusch D; schwind > geschwind D.
F (Mainz?) gibt neben den oberdeutschen
Formen von AB, wie oben angeführt, auch andere (schwäbische), hier mit AB
verglichen.
I. Vokale: 1) Umlaut: gesetz >
gsatz; o > oe oeberkeit, hoehest, ∞ solch, trostlich; u > ü, übel,
sünd, züchtigen; ∞ lugen, wurde; eu > au glaubt.
2) o > u sunst, sun, kummen, die
nachkummen, kuenig, kundten, günne, trutz, sunderheit, sunder; ∞ moegen;
o > a wa, i > ü würt; i und ie gut, u und ů z. T. unterschieden, ei
> y: verlyhen.
3) unbetontes e oft beseitigt: frid,
band, gsell, ich foercht, bit, ler, laß, dueck, alweg (< allewege), volgt,
folgten, ∞ ins > in des, ewr > ewer; handeln > handlen.
4) stummes h ausgefallen: steen, sten,
geen, gen, vertauscht steth, gewher.
II. Konsonanten: d > t wirt, Teütsch;
t > d dück, vnder; b > p sampt, gepoten; g > ch schlechstu, lh > ll
befollen.
Doppelkonsonant vereinfacht: gotes, ich
bit, etliche, erreten, vater, wider, tadeln, ∞ vill, soll, befollen,
woll, nachkummen.
III. Vor- und Nachsilben: ge < g
gschriben, gwissen, gwest usf., verkomen > fürkummen, zu- > zer-; niß
> nuß, nueß; igkeit > ikeit.
IV. Konjugation: schlegst >
schlechst, komen > kummen; yhr seid > sein, seind, muegen > moegen,
wollen > woellen, er weis > weißt, kondten > kundten.
V. Wortformen: denn > dann, wenn
> wann, fuer (mit Dativ) > vor, nicht > nit, auff > uff, dazu >
darzu; selbs > selbert, soelch > solch; handschrifft > handtgschrifft,
bekentnis > bekantnueß, vhedbrieff > vhebrieff (Druckfehler oder der Aussprache
folgend?), gesetz > gsatz, reichlich > reilich (kein Druckfehler!);
feylen > felen, fodern > fordern.
[Bl. 2a] Dem Hochwirdigsten ynn Gott
Vater, durchleuchtigsten hochgebornen
fursten vnd herrn, her̄r̄n Albert, Tit S Grisogens
Cardinal
Priester, Ertzbisschoff zu Mentz vnd
Magdeburg, Primaten ynn Germanien
vnd Admīstrator zü Halberstat
&c̄.
Marggrauen zu Brandenburg
&c. meinem gnedigsten her̄r̄n
1530
[Seite 397a]
[Vorbemerkungen]
Gnad vnd fride ynn Christo Ihesů
vnserm herrn̄ Hochwirdigster Durchleuchtigster
hochgeborner fürst gnedigster herr, Jch hette wol lieber heimlich vnd mit meiner handschrifft diesen
brieff an E k f g geschrieben, So
besorget ich mich, dieser schwinden zeit, das er mocht ettwa verruckt auskomen vnd mir als denn,
sonst vnd so gedeutet werden, Vnd
villeicht E k f g selbs auch damit ynn verdacht furen, Dar umb hab ich denselbigen frey offentlichen, durch den
druck ans liecht wollen geben, den
gifftigen argwenigen deutern, damit vrsachen yhrs deutens zu verkomen̂,
[Seite 398a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
398b
Bitte vntertheniglich E k f g wolten mir solch
schreiben gnediglich zu gut halten̄
Denn die weil E k f g der furmest vnd
hohest prelat ynn deudschen lan̂den ist, derhalben ynn diesen sachen
mehr thun mugen denn sonst ye- [Bl. 2b]
mand, hab ich mich lassen meine gedancken vber mugen E k f g ynn sonderheit vntertheniglich mit dieser
schrifft zu ersuchen, auff das ich ia allenthalben reichlich das meine thu vnd mein gewissen
gegen Gott und der welt beware, ob
villeicht ein vngluck vnd Gottes zorn folgen wurde, (als ich war lich vbel furchte Jch hie mit en̂tschuldigt sey, als der ich,
auff alle wege habe friden helffen
suchen vnd angeboten
E k f g haben der vnsern vbergeben
bekentnis vnd lere, on zweiuel, sampt
allen andern̄ vernomen, Vnd versehe mich gantz trostlich, Sie sey der gestallt furgetretten, das sie mit frolichem
munde sagen thar, mit Christo yhrem
herrn̄, Hab
ich vbel geredt, so beweise, das es vnrecht sey, Hab ich aber recht geredt, was schlegstu mich? Sie
schewet das liecht nicht vnd weis zu
singen aus P̄s̄. 118.
Jch rede von deinen zeugnissen fur den konigen, vnd
[ 1 Im ersten Buchstaben von Bitte sind
die Schriftzüge zum Teil nachgezogen 4 ist o 6 sonderheit 〈zuner〉 7 das meine reichlich um 8/9
(als —furchte rh 9 vbel 〈mich〉 ich 〈all〉]
[Seite 399a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
399b
bestehe nicht mit schanden, Denn wer die
warheit thut, der kompt ans liecht, das
sein̂e werck
offenbar werden, Denn sie sind ynn Gott gethan̂
Da gegen kan ich wol achten, das vnser
gegenteil solche lere nicht annemen
werde, viel weniger die selbigen zu verlegen sich vnterstehen, Habe auch, des, keine hoffnung, das wir der lere
solten eines [Bl. 3a] werden, denn yhr
ding kan das liecht, nicht so leiden, Vnd sind zu dem so durch bittert vnd entbrand, das sie lieber ynn der hellen ewige
glut furen, wenn sie gleich dafur yhnen
offen stunde, ehe denn sie vns weichen, vnd yhre weisheit lassen solten Das mussen wir so lassen gehen vnd
geschehen. Wir sind an yhrem blut
vnschüldig,
Aber die gedancken habe ich, darumb ich
auch an E k f g schreibe, weil vnser
widderteil, nicht kan vnser lere taddeln vnd wir mit dieser bekendnis, klerlich bezeugen vnd beweisen, das wir nicht
vnrecht noch falsch geleret, Vnd
derhalben auch nicht verdienet haben das man vns so schendlich
verdamnen,
[ 1 schanden, 〈Denn ich weis〉 4 zu rh 6 so (1.) nicht um 7 ewige rh 9 sind 〈des〉 14 haben rh]
[Seite 400a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
400b
so grewlich verfolgen solt, wie bis her vnd
noch, geschehen, ob doch so viel zu
erlangen were, das vnser widderteil, doch friede hielte, vnd nicht so
lestert vnd todtet, die vnschuldigen,
vmb dieser vnstrefflichen lere willen, die sie
selbs mussen loben, züm aller wenigsten, damit, das sie da gegen
erstümmen vnd nichts haben da widder zu
reden, Denn das sie von vns nicht wollen
geleret sein, noch vnser lere an nemen mussen wir lassen geschehen,
Wir zwingen niemand auch zur warheit
nicht, wie sie doch zwingen zur lugen.
Hie bitte ich nu auffs vnterthenigst,
weil keine hoffnung da ist, das wir (wie
gesag ist) der lere eines werden [Bl. 3b] E k f g wolten sampt andern dahin erbeiten, das ihenes teil fride halte,
vnd gleube, was es wolle vnd lasse vns
auch gleuben, diese warheit, die itzt fur yhren aügen bekand ist, vnd vnthaddelich erfunden ist, Man weis ia wol,
das man niemand sol noch kan zum glauben
zwingen, stehet auch weder yns keisers noch Bapsts gewallt,
[ 1 ob 〈nicht〉 3 todtet, 〈die vn〉 vnstrefflichen rh 4 sie 〈still〉 erstümmen 〈vnd〉 7 auch rh nicht o 9 (wie gesag ist) u 13 zwingen,
〈ist〉 stehet rh]
[Seite 401a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
401b
Denn auch Gott selbs, der vber alle gewallt
ist, hat noch nie keinen menschen, mit
gewallt zum glauben wollen dringen, Was vnterstehen sich denn solchs seine elenden armen Creaturn̄, nicht allein zum glauben,
sondern auch zu dem, das sie selbs fur
falsche lugen halten mussen, zu zwingen?
Wo aber solcher friede nicht zu
erlangen ist Wolan, so haben wir das
vorteil bey Gott, vnd den glimpff bey aller wellt, das wir vnser lere
frey offentlich bekant fride, gesucht
vnd angeboten haben vnd doch nicht erlangen
mugen, So man doch vns ynn der lere nicht schuldig noch strefflich
erfunden hat, Was Gott vnd vnser nach
komen hie zu sagen werden, das wird man
wol erfaren, vnd mussen vns trösten des exempels der lieben Apostel,
Da auch die hohen Priester vnd fursten
ym volck Jsrael, (wie Lucas sagt Act iij)
nichts kundten widder der Aposteln that vnd wort auffbringen, hatten
auch nichts das sie da widder reden
mochten, Noch hielten sie nicht friede,
Sondern vber das, das sie die warheit nicht [Bl. 4a] an namen, da mit
sie vber zeugt vnd vber wunden waren,
steupten vnd verfolgeten sie die Apostel
noch dazu
[ 1 alle c aus allen 2 gewallt 〈zu〉 zum glauben wollen rh 6/7 vnser —
bekant rh 7 gesucht c aus gesuch
haben rh 9 hat steht über 〈sind〉 10 Apostel 〈act iij〉 11 vnd 〈der Rat ab〉 iij 〈vnd 4 rh〉 13 sie (2.) o]
[Seite 402a]
Ja wie ists yhn auch zu letzt druber
gangen̂? Wo
sind sie nǔ? Wo ist Jerusalem? Es
stund zwar auff vnter yhn Gamaliel, vnd gab yhn auch solchen rat, das sie solten friede halten,
vnd die Apostel lassen machen, wenn sie
es ia nicht wolten an nemen, Aber es halff nicht, Wolt Gott, E k f g kundt, odder wer es were itzt auch ein
Gamaliel sein, der solchen rat des
frides den andern̄ furschluge vnd sie beredete, ob villeicht Gott gnade
verleyhen wolte, das sie von yhrem toben
ab liessen, vnd nicht so halstarrig,
widder yhr gewissen vnd widder Gott stritten, Es ist ia der beste rat,
den man ynn dieser sachen haben kan, Vnd
Lucas solch exempel nicht vmbsonst so
vleissig hat wollen schreiben, So ists ia gewislich eine sǔnde ynn den
heiligen geist, die erkandte warheit
anfechten, Vnd zwar wir hetten sonst sunde
gnug, durfften nicht noch dazu die sunde ynn den heiligen geist, aüch
auff vns laden
Aber das horen vnd achten sie nicht,
Sie wollen faren, da die Juden hin
gefaren sind, Doch ob villeicht etliche zu erretten weren, das sie nicht
mit yhnen fǔren, Sondern den trewen
rat Ga-[Bl. 4b]malielis an nemen vnd
folgeten, so theten E k f g hiemit nicht ein geringen Gottes dienst,
Lieber Gott, Schadet doch solche lere
euch nicht, hellt sie doch fride vnd leret fride, lesst euch bleiben, was yhr seid, Lehret
auch, das man euch alles lassen vnd
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
402b
[ 2 auch o 4 g 〈w〉 5 sein 〈vnd nicht allein ein das, son〉 11 hetten wir um 14 faren steht über 〈gehen〉 15 hin 〈gangen〉]
[Seite 403a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
403b
nichts nemen solle, das solt doch alleine
gnugsam zum friede zu be wegen, obs
sonst die warheit an yhr selbs nicht thett, Ja sie hilfft warlich euch
alle erhalten vnd hats bisher gethan Sol
sie denn ia singen, Qüi retribüebant mihi
mala pro bonis, aduersantur mihi, So ists nicht fein vnd euch allen nicht gut, das sie es von euch geistlichen
singen vnd vber euch klagen mus
Wil aber widder fride noch einigkeit
folgen, widder Gamaliels rat, noch der
Apostel vnd der Jǔden exempel helffen, So las faren, was nicht bleiben wil, Vnd zurne, wers nicht lassen wil
Er wird zorns vnd vnfrides, darnach er
ringet, vbrig gnug fin̂den, Wir wollen die weil mit den lieben Aposteln vnd iungern singen (das werden sie
vns ia nicht weren das weis ich wol)
Warumb toben die heiden vnd die volcker tichten vmbsonst Die konige auff erden lehnen sich auff, vnd die
fursten ratschlahen miteinander widder
den HERRN vnd seinen gesalbeten, Vnd sprechen, Lasst vns zu reissen yhre bande vnd von vns werffen yhre seyle,
Wie konige vnd fursten itzt widder
[ 1 zu be o 2 nicht thett steht über 〈were〉 5 geistlichen rh 6 aber steht
über nǔ 9 ringet c aus ringen 10/11 das —wol rh 13 seinen 〈s〉]
[Seite 404a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
404b
den HERRN [Bl. 5a] vnd seine erkandte warheit
toben vnd seine ban̂de wollen zu reissen, von yhm
vngefangen vnd vngelert sein, das sehet yhr alle selbs, Aber, das solch toben vergeblich sey, sol man
nicht itzt, sondern mit der zeit sehen,
Denn es folget her nach, Der ym himel
wonet, spottet yhr vnd der HERR verlacht
sie, Als denn wird er mit yhnen reden ynn seinem zorn vnd wird sie schrecken ynn seinem grim Solchs sihet vnd gleubt man auch
nicht, Man wills aber sulen, das sol
auch geschehen, So wird sichs denn sehen lassen, wie vergeblich yhr toben sey gewest, wie fein
sie die bande des HERRN zu reissen vnd
sein wort vnterdruckt haben, Vns aber, die wir solchs gleuben, vnd gewis wissen, das geschehen müs, ists die weil
trostlich vnd lieblich Denn
wenn konige vnd fursten lange toben vnd
tichten, reissen vnd werffen, So werden sie
vnsern konig sitzen lassen, wie folget
Jch aber hab meinen konig gesetzt auff
meinen heiligen berg zion, Jch wil vom
satz predigen Der HERR hat zu mir gesagt, Du bist mein son heute hab ich dich gezeuget Las nu hie konige
toben, pabst wueten, fursten reissen,
[ 1 erkandte o 1/2 vnd (2.) —sein rh 7
schrecken 〈mit〉 man vnd
gleubt um gleubt c aus gleubts 8
sichs steht über 〈man〉 lassen o 11
müs o die weil o wenn 〈sie〉 12 konige vnd [o] fursten
rh sie 〈den〉 14/16 Jch (1.) —gezeuget mit
Rötel un terstrichen, ebenso die folgenden Psalmstellen.]
[Seite 405a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
405b
heiden werffen Da sitzt der konig vnd ist son
zu hause, lieben, zornigen Junckern,
lasst yhn doch noch eine weile sitzen, Wenn yhr vns nicht wollet frieden lassen, So bitte ich vmb Gottes
willen, wollet doch diesen konig sitzen
lassen, vnd nicht so bald her unter reissen [Bl. 5b] als yhr gedenckt,
odder mǔs er ia her unter, lieber,
so schickt yhm doch zuuor einen vhedebrieff, das er ewrn grausamen zorn vnd drewen erfare,
villeicht wird er sich rusten mit schut
vnd bolwerg, das er fur euch bleibe, auffs wenigst so lange bis dieser reichstag fur vber sey, odder ewr zorn vnd
vngnade sich lege
Es wil auch dieser vnser konig ein
pfaff odder priester sein̂, gibt predigen
fur von einem newen satz, nemlich, das er Gottes son sey vnd solchs solle man gleuben, Aber wenn ich als die
konige vnd fursten were, So wolten wir
yhm das predigen verbieten, das er vns nicht aus vnser gewehr setzet, vnd it seinem satz vnser eigen lere
vnd allte gewonheit zu nicht machet, Hui
an yhn flugs, heisst yhn schweigen als einen ketzer Aber sehet sonst mit zu, das yhr euch an einem Priester
nicht vergreifft, vnd das Si
[ 1 konig rh 5 ia 〈so〉 6 vnd 〈gr〉 9 pfaff 〈odder〉 steht über 〈Bisschoff sein〉 11 were c aus weren 13 eigen rh]
[Seite 406a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
406b
süadente, gebe euch den donner vnd blitz, Denn
es ist ein grosser Bisschoff der yhn
geweyhet vnd zu predigen befolhen hat, der heisst HERR, vnd hat yhm ein format gegeben, das heist, Noli me tangere,
vnd laut also
Heissche von mir, so wil ich dir die
heiden zum erbe geben vnd der wellt ende
zum eigenthum du sollt sie mit dem eisen zepter zuschlahen wie ein topffen soltu sie zuschmeissen Wer hat
sein leben lang yhe eine grossere lugen
gehoret? Die heiden, sin̂d der zornigen konige erbe, vnd die wellt, der grimmigen fursten eigenthǔm, Das sihet
man ia wol, das sie es damit machen wie
sie wollen als mit dem yhren, Alle yhre gedancken vnd [Bl. 6a] anschlege, sonderlich widder diesen konig vnd priester,
gehen so fein fur sich, als hetten sie
von krebssen gehen gelernt odder wolten die krebs gehen leren, das
freylich dieser konig, nicht einen
stecken zu eigen hat ynn aller wellt, Aber schimpff lege dich, Hore was folget
Und nü yhr konige werdet klug, lasst eüch
zuchtigen yhr richter aüff erden
[ 1 ein o 5/6 du — zuschmeissen rh 7
zornigen rh 8 grimmigen rh 11 krebssen 〈ler〉 14 konige 〈seid〉]
[Seite 407a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
407b
So sol man konige vnd fursten an reden,
Was wil das werden? Es ist nie auff
erden solch schendlich lesterlich ding geredt Sollen̂ kon̂ige klug werden? Mein̂stu denn das sie narren sind?
Sollen Richter sich lassen zuchtigen?
Mein̂stu denn
das es kinder ynn der schulen, sind? Ey konige
sind zuuor klug haben gesetze, landrecht, Juristen vn̂d Rethe, wissen wol was sie thun sollen, Die Richter auch also haben
auch, rechte, sitten, weise vnd mas,
brauch vnd gewonheit, wissen wol was sie richten, vrteilen vnd halten sollen, Dieser Psalm ist gewislich ein
ketzer, schmeht die konige, lestert die
Richter, Vnd handelt als ein auffrurer, widder die oberkeit, vnd alle
yhre rechte vnd gewonheit, weil sie aus
der alten gewehr treiben Dazu spricht
sie so verechtlich an, Jhr konige, yhr richter, gleich wie ein herr sein̂en knecht, Du hans, Du peter, als hellte er sie gar fur
nichts vnd weren gantz sein eigen wie
eine kue odder gans
Ja lieber geselle, Er beken̂n̂et, das konige vnd richter, wol
vernünfft, rechte vnd weisheit haben
Denn es kan kein konig noch Richter sein, der nicht [Bl. 6b] rechte vnd gesetze ym lande habe,
Aber Er wirfft sie mit diesem vers, alle
vnter diesen konig, sampt yhren Rechten, sitten, vernunfft, vnd was sie
[ 1 an reden, 〈als werens〉 1/2 Es —geredt rh
quergeschrieben 4 schulen, 〈die man〉 5 zuuor rh 6 sollen, 〈Vn〉 8 die (1.) o 11 wie o 12
nichts 〈vnd musten yhn〉 17 sampt steht über 〈mit〉]
[Seite 408a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
408b
an weisheit vnd gewalt vnd spricht, Es sey
nicht gnug an dem, das sie haben, Es sey
wie schon recht odder sitten, es wolle. Sie sollen gegen diesen kon̂ig vnd priester, narren vnd
kinder werden yhm zu horen vnd sich
lernen lassen Sein wort fur meister halten vber alles gehen vnd
herrschen lassen, Weil denn der Bapst,
so wol als der keiser vnd konige, auch nicht
ober diesen konig sind sondern vnter den richtern auff erden bleiben
mussen̂, so sol sein decret vnd sein lere, auch narr
vnd kind sein gegen dieses koniges wort
vnd lere, Vnd sol nicht druber richten, Sondern, sich da durch richten vnd leren lassen
Aber itzt zu Augsburg, werden sie
diesen vers wol anderst meistern vnd
mustern, das er müs also laüten, Vnd nǔ du konig zü zion werde klug, du richter ym himel las dich zuchtigen, denn
du bist ein narr vnd kind gegen vn̂s, Wir mussen vrteilen vnd
setzen, was du fur warheit solt halten odder
nicht, Was wir nicht setzen, richten odder bestettigen, da sey dir trotz
geboten, das du es fur warheit haltest,
odder must herunter vnd mit den ketzern verbrand sein, So wirds gewislich diesem konige gehen,
Denn sie wollen warlich
[ 1 an (1.) —gewalt rh an (2.) dem o 2 sitten, 〈wie〉 4 wort 〈lassen〉 fur o halten steht über sein (Luther schrieb
also ursprünglich: Sein wort lassen meister sein) 5 lassen o 8 wort vnd o 10
anderst o 11 zion 〈l〉 15 must 〈henn〉]
[Seite 409a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
409b
der gewehr unentsetzt sein, das sie bis her
[Bl. 7a] vber Gottes wort meister vnd
richter gewest sind Was wil aber dieser konig darzu sagen, der auch ynn der gewehr sitzt vnd wil vngemeistert vnd
vngerichtet sein, son̂dern allein meistern vnd richten? Da
lassen sie yhn fur sorgen, Das wird er auch thun wie folget
Dienet dem herrn mit furcht vnd frewet
euch mit zittern Kusset den son, auff
das er nicht erzürne vnd yhr auff dem wege vmbkomet, denn sein zorn wird bald angehen Wol allen, die auff
yhn trawen
Da stehets, Wer Christus wort nicht
horen, sondern meistern wil, der sol ym
zorn vmbkomen vnd dasselbige gar balde, Er wil nicht seǔmen, Man sol yhm dienen vnd nicht sein wort vnserm
kopff zu dienen zwingen, Man sol yhn
kussen vnd hulden vnd nicht Christum odder sein wort vnserm dunckel vnter werffen. Er wills nicht leiden̂, das ist kurtz und gut
Solchs wil ich E k f g vntertheniglich
angezeigt haben, ob Gott wolt gnade
verleyhen, durch ewr ettlichen vleis vnd erbeit, das der lesterūg
weniger wǔrde, Wo n̂icht, das doch friede gestifft
wurde Den̂n̂ das der Bapst sich rhumet mit den seinen, ynn einer zedel so
gedruckt ist der keyser, werde yhm
[ 7 yhn 〈ho[ffen]〉 12 das —gut nachgetragen 14
vnd 〈mu[he]〉 16 ynn —ist rh
yhm rh]
[Seite 410a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
410b
alles widder restituiern vnd ergen̂tzen̂, das wird yhm feylen̂, das weis ich wol, Denn was were das anders, denn das wir
sol-[Bl. 7b]ten alles widderruffen, was
wir yhe geleret haben, auch diese itzige vberantworte Bekentn̂is, die yhr selbst musset für recht halten, Vnd
dagegen alle vorige lügen preisen, der
yhr alle selbst viel bekennet, vnd alle das vnschuldig blut, das von ewrm teil vergossen ist, auff vns laden, Ja lieber
papst vnd papisten gebt vns vor widder,
Lenhard keiser, vnd alle die yhr vnschuldiglich erwürgt habt, alle seelen, die yhr mit lugen verfuret habt,
alles gelt vnd gut, das yhr mit
bescheissery geraubt habt, alle die ehre, die yhr Gott mit lestern,
gestolen habt So wollen wir von der
restitution handeln, Es sol ynn eine history
geschrieben werden, das der Bapst vnd seine papisten solch lesterlich
ding thar vnuerschampt vnd offentlich
begeren, als weren eitel klotze ynn deudschem
lande vnd auff dem reichstage eitel affen dazu alle fursten, die es mit
treiben, das sie bey vnsern nach komen
ein ewiger stanck sein sollen, dafur man speyen
vnd gecken musse
[ 4 vorige rh 5 alle (1.) 〈lugen vnd vergossen [rh] blut, recht sprechen〉 selbst 〈wol〉 vnschuldig o 5/6 von ewrm teil
rh 6 lieber —papisten rh 11 das 〈man〉 der Bapst
vnd seine 〈bisch〉 papisten rh 12/13 als —affen rh 14 man steht über 〈sie〉 15 und gecken o musse c aus mussen]
[Seite 411a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
411b
Aber der teuffel sucht damit ein
anders, Wolt Gott, das unser herrn alle
wol drauff acht hetten Wir deudschen̂ horen nicht auff dem Bapst vnd seinen walen zu gleuben, bis sie vns bringen
nicht ynn ein schweis bad, sondern ynn
ein blut bad, Wenn̂ deudsche fursten ynn einander fielen, das
mocht den Bapst das florentzisch fruchtlin frolich machen, das er ynn
die faüst lachen kund vnd sagen, Da yhr
deudsche bestien, wolltet mich nicht zum
Babst haben, So habt [Bl. 8a] das, O grosse liebe vnd trewe, hat er
zum keiser, wie er fein beweiset fur
paǔia, da er widder den keiser zoch, Deudschland hat er noch lieber, das er den keiser aus
hispanien foddert (Denn wer kundte
solche practick mercken?) vnd darnach on bey sein̂ der deudschen fursten, kronet, nach laut der bullen, Jch bin kein
prophet, Aber ich bitte euch herrn
[ 1 vnser c aus vnsern 2 deudschen̂ rh dem c aus den 2/3 Bapst vnd seinen rh 3
vns 〈ynn e〉 bringen
stand ursprünglich hinter bad 5 Bapst 〈C〉
fruchtlin rh 〈Jch hett schier was gesagt〉 7 hat er steht über 〈hat der Bapst〉 8/9 Deudschland 〈noch〉 9/10 (Denn —mercken?) rh 10 mercken?) 〈die dazu mal〉 darnach rh]
[Seite 412a]
[Dem hochwirdigsten in Gott Vatter ...]
412b
alle, Sehet euch wol fur, Vnd lasst euch ia
nicht duncken, das yhr mit menschen
handelt, wenn yhr mit Bapst vnd den seinen handelt, Sondern mit eitel teuffeln, Denn es sind auch eitel
teuffels tucke dahinden, das weis ich,
Gott der allmechtige helffe euch, das zum frieden alles gerate Amen
Hie mit wil ich E k f g ynn Gottes
gnaden befolhen haben, Vnd was ich mit
beten kan, gar trewlich dienen Vnd E k f g wolte mir solche schreiben gnediglich zu gut halten Jch kans
ia nicht lassen Jch mus auch sorgen fur
das arm, elend, verlassen veracht, verrathen vnd verkaufft deudsch land dem ich ia kein arges, sondern alles
gutes gonne, als ich schuldig bin meinem
lieben vater lande Ex Eremo f4 post Visitationis 1530
E k f g
Vntertheniger
Martinus Luther
[ 1 fur 〈Jhr ha〉 2 vnd 〈seinen Wa[len]〉 3 weis 〈euch〉 ich rh 7
halten rh 10 vater lande 〈..〉]
[Bl. a 2] Dem hochwirdigsten in Gott
Vatter, Durchleuchtigsten hochgebornen
Fuersten und herrn, herrn Albert, Tit.
S. Grisogens Cardinal
priester, Ertzbisschoff zu Mentz und
Magdeburg, Primaten in Germanien
und Administrator zu Halberstat
&c.., Marggraven zu Brandenburg
&c.., meinem gnedigsten herrn.
1530
[Seite 397b] [Dem Hochwirdigsten ynn
Gott Vater ...] 397a
Gnad und fride in Christo Jhesu, unserm
Herrn, Hochwirdigster Durchleuchtigster
Hochgeborner Fürst, gnedigster Herr! Jch hette wol lieber heimlich und mit meiner handschrifft
disen brieff an E. K. F. G. geschriben,
so besorget ich mich diser schwinden1 zeyt, das er moecht etwa verruckt2 außkomen und mir als denn sonst und so3
gedeutet werden und villeicht E. K. F.
G. selbs auch damit in verdacht fueren. Darumb hab ich den selbigen frey offentlichen durch den druck
ans liecht woellen geben, den gifftigen
argwenigen deutern damit ursachen ihrs deutens zu verkomen.4 Bitte
[ 17/18 Marggraven —&c.. fehlt F 22
sorget G geschwinden D]
[Seite 398b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
398a
untertheniglich, E. K. F. G. wolten mir solch
schreiben gnediglich zu gut halten.
Denn die weil E. K. F. G. der fürnemest
und hohest Prelat in Deudschen landen1
ist, derhalben in disen sachen mehr thun muegen denn sonst yemand, hab ich mich lassen meine gedancken
ubermügen2, E. K. F. G. in sonderheyt
untertheniglich mit diser schrifft zu ersuchen, auff das ich ya
allenthalben reichlich das mein thun und
mein gewissen gegen Gott und der welt beware,
ob villeicht ein unglueck und Gottes zorn folgen würde (als ich warlich
ubel fuerchte), ich hiemit entschuldiget
sey, als der ich auff alle wege habe friden
helffen suchen und angebotten.
E. K. F. G. haben der unsern ubergeben
bekentniß unnd lere on zweifel sambt
allen andern vernommen, Und versihe mich gantz troestlich, sie sey der gestalt fürgetretten, das sie mit froelichem
munde sagen thar mit Christo [Joh. 18,
23] yrhem herrn: ‘Hab ich ubel geredt, so beweise, das es unrecht sey, Hab
ich aber recht geredt, was schlegstu
mich?’ Sie schewet das liecht nicht und weis
[Ps. 119, 46] zu singen aus psalm 118: ‘Jch rede von deinen zeugnissen
fur den Konigen
[ 27 bekentnisse C 32 cxvij C cxix H]
[Seite 399b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
399a
[Joh. 3, 21] und bestehe nicht mit schanden’.1
Denn wer die warheit thut, der kompt ans
liecht, das seine werck offenbar werden, denn sie sind inn Gott gethon.2
Da gegen kan ich wol achten, das unser
gegentheyl solche lere nicht annemen
werde, vil weniger dieselbigen zu verlegen3 sich unterstehen. Habe auch des gar kein hoffnung, das wir der lere
solten eins werden4, denn yhr ding kan
das liecht nicht so leiden, Und sind zu dem so durch bittert5 und entbrandt, das sie lieber inn die hellen
ewige glůt fueren, wenn sie gleich da
für yhnen offen stünde, ehe denn sie uns wichen und yhre weyßheit
lassen solten. Das muessen wir so lassen
gehen unnd geschehen. Wir sind an ihrem
blůt unschuldig.
Aber die gedancken habe ich, darumb ich
auch an E. K. F. G. schreibe, weil unser
widdertheil nicht kan unser lere taddeln, und wir mit diser bekendtnis klerlich bezeugen und beweisen,
daß wir nicht unrecht noch falsch
geleret, Und derhalbenn auch nicht verdienet haben, das man uns so
schendlich
[ 15 bestehe —schanden] scheme mich
nicht H 21 die] der H]
[Seite 400b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
400a
verdamnen, so grewlich verfolgen solt,
wie bißher und noch geschehen. Ob doch
so vil zu erlangen were, daß unser widdertheil doch friede hielte1 und nicht so lestert unnd toedtet die unschuldigen
umb dieser unstrefflichen lere willen,
die sie selbs muessen loben2, zum aller wenigsten da mit, das sie da gegen erstummen und nichts haben da widder zu
reden, Denn das sie von uns nicht wollen
geleret sein noch unser lere annemen, müssen wir lassen geschehen, wir zwingen niemant, auch zur
warheit nicht, wie sie doch zwingen zur
lügen.
[Bl. a3] Hie bitte ich nu auffs
unterthenigst, weil kein hoffnung da ist,
daß wir (wie gesagt ist) der lere eins werden, E. K. F. G. wolten
sampt andern dahin arbeiten, das yhenes
teil fride halte und glaube, was es woelle,
und lasse uns auch glauben diese warheit, die itzt für jhren augen
bekand und untaddelich erfunden ist.
Mann weis ja wol, das man niemand sol noch
kan zum glauben zwingen, stehet auch weder ins Keisers noch Bapsts
gewalt.
[Seite 401b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
401a
Denn auch Gott selbs, der uber alle gewalt
ist, hat noch nie keinen menschen mit
gewalt zum glauben woellen dringen. Was unterstehen sich denn solchs seine elenden armen creaturn, nicht allein
znm glauben, sonder auch zu dem, das sie
selbs für falsche lügen halten muessen, zu zwingen?
Wo aber solcher fride nicht zu erlangen
ist, wolan, so haben wir das vorteil bey
Gott und den glimpff1 bey aller welt, das wir unser lere frey offentlich bekant, fride gesucht und
angebotten haben, und doch nicht erlangen
muegen, so man doch uns inn der lere nicht schuldig noch strefflich
erfundenn hat. Was Gott und unser
nachkomen hie zu sagen werdenn, das wird man
wol erfaren2, Und muessen uns troesten des exempels der lieben Apostel,
Da [Apg. 4, 14] auch die hohen priester
und fürsten ym volck Jsrael (wie Lucas sagt Act. 3.) nichts kondten widder der Apostel that und
wort auff bringen, hatten auch nichts,
das sie da wider reden mochten. Noch hielten sie nicht friede, Sonder uber das, das sie die warheyt nicht annamen,
da mit sie uberzeugt und uberwunden
waren, steupten und verfolgeten sie die Apostel noch dazu.
[ 24 inn] vmb C 25 hir C]
[Seite 402b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
402a
Ja wie ists yhn auch zu letzt drüber
gangen̂? Wo
sind sie nu? Wo [Apg. 5, 34 ff.] ist
Jerusalem? Es stund zwar auff unter yhn Gamaliel und gab yhn auch solchen rath, das sie solten fried halten und
die Apostel lassen machen, wenn sie es
ya nicht wolten annemen. Aber es halff nicht. Woelt Got, E. K. F. G. kondt, oder wer es were, ytzt auch ein
Gamaliel seyn, der solchen rath des
frides den andern furschluege und sie beredete, ob villeicht Gott gnade
verleyhen wolte, das sie von irem toben
abliessen und nicht so halßstarrig wider yhr
gewissen unnd wider Gott stritten. Es ist ya der beste rath, den man
inn diser sachen haben kan, Und Lucas
solch exempel nicht umb sonst so vleissig
hat wollen schreiben. So ists ya gewißlich ein sunde in den heyligen
geyst, Die erkante warheit anfechten.
Und zwar wir hetten sonst sunde gnug, durfften
nicht noch dazu die sunde in den heiligen geyst auch auff uns laden.
Aber das hoeren und achten sie nicht,
Sie wollen faren, da die Juden
hingefaren sind. Doch ob villeicht ettliche zu erretten weren, das sie
nicht mit yhnen fueren, sonder den
trewen rath Gamalielis annemen und folgeten,
so theten E. K. F. G. hie mit nicht ein geringen Gottes dienst, Lieber
Gott, schadet doch solche lere euch
nicht, helt sie doch fride und leret fride, lesst euch
[ 21 yhm (1.) E]
[Seite 403b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
403a
bleiben, was yhr seid, leret auch, das man
euch alles lassen und nichts nemen
solle, das solt doch alleine gnugsam zum fride zubewegen, obs sonst die warheit an yr selbs nicht thet, ja sie hilfft
warlich euch alle erhalten, Und [Ps. 35,
12. 19] hats biß her gethan. Sol sie den ja singen: ‘Qui retribuebant mihi
mala pro bonis, aduersantur mihi’, so
ists nicht fein und euch allen nicht gůt, das sie es von euch geystlichen singen und uber
euch klagen můß.
Wil aber weder fride noch einigkeit
folgen, weder Gamalielis rath noch der
Apostel und der Juden exempel helffen, so laß faren, was nicht bleiben wil, Und zürne, wers nicht lassen wil. Er
wird zorns und unfrides, darnach er
ringet, ubrig gnug finden. Wir woellen die weil mit den lieben Aposteln und iungern singen (das werden sie uns ya
nicht weren, das weiß ich wol):
[Ps. 2, 1 ff.] Warumb toben die heyden,
und die voelcker tichten umb sonst?1 Die
koenige auff erden lehnen sich auff, und die fuersten rathschlahen mit einander wider den [Bl. a (4)] HERRN und
seinen gesalbeten. Und sprechen:
Laßt uns zu reissen yhre bande und von
uns werffen yhre seyle.
[ 16 solle] sol F 26 voelcker —sonst]
Leute reden so vergeblich H 27 auff erden] im lande H fuersten] Herrn H 30 Las
D 31 seyle] seele D]
[Seite 404b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
404a
Wie koenige und fuersten ytzt wider den
HERRN unnd seine erkandte warheit toben
und seine bande woellen zu reissen, von yhm ungefangen und ungelert sein, das sehet yhr alle selbs. Aber
das solch toben vergeblich sey, sol man
nicht ytzt, sonder mit der zeyt sehen. Denn es folget hernach:
[Ps. 2, 4. 5] Der im hymel wonet, spottet
yhr, und der HERR verlachet sie. Als
denn wird er mit yhnen reden in seinem zorn und wird sie schrecken in seinem grimm.
Solchs sihet und gleubt man auch nicht,
Man wills aber fuelen, das sol auch
geschehen. So wird sichs denn sehen lassen, wie vergeblich ihr toben sey gewest, wie fein sie die bande des HERRN
zurissen und sein wort unterdruckt
haben. Uns aber, die wir solchs glauben und gewiß wissen, das geschehen muß, ists die weil troestlich und
lieblich. Denn wenn Konige unnd Fürsten
lang toben und tichten, reissen und werffen, So werden sie unsern Konig sitzen lassen, wie folget:
[Ps. 2, 6. 7] Jch aber hab meinen Konig
gesetzt auff meinen heiligen berg Sion.
Jch wil vom satz predigen: Der HERR hat zu mir gesagt: du bist mein son, heut hab ich dich gezeuget.
[ 20 folgen G 21 Der] Aber der H spottet] lachet H 21/22 verlachet sie]
spottet jr H 22 Als denn w. e.] Er wird einest H 22/23 und —grimm] Und in
seinem Grim wird er sie schrecken H 31 Aber ich habe H eingesetzt H 32 Zion H vom satz] von einer solchen Weise
H Das der H. zu mir g. h. H]
[Seite 405b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
405a
Laß nu hie Konige toben, Babst wueten,
Fürsten reissen, heyden werffen, Da
sitzt der Konig und ist son zu hause, lieben zornigen iunckern, last yhn doch noch ein weil sitzen. Wenn yhr uns nicht
woellet friden lassen, so bitte ich umb
Gottes willen, woellet doch disen konig sitzen lassen und nicht so bald herunter reissen, als yhr gedenckt, oder
můß er ya herunter, lieber, so schickt
yhm doch zuvor einen vhedbrieff1, das er ewern grausamen zorn und drewen erfare, villeicht wird er sich ruesten mit
schüt2 und bollwerg, das er für euch
bleibe, auffs wenigst so lange, biß disser reichstag fur uber sey oder
ewr zorn und ungnade sich lege.
Es wil auch dieser unser konig ein
pfaff oder priester seyn, gibt predigen
für von einem newen satz, nemlich, das er Gottes son sey, und solchs
solle man glauben. Aber wenn ich als die
konig und fürsten were, so wolten wir
yhm das predigen verbieten, das er uns nicht auß unser gewehr3 setzet
unnd mit seinem satz unser eigen lere
und alte gewonheyt zu nicht machet. Hui
an yhn flugs, heißt yhn schweigen als einen ketzer. Aber sehet sonst mit
zu, das yhr euch an einem priester nicht
vergreifft, und das ‘Si suadente’4 gebe
[Seite 406b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
406a
euch den donner und blitz1, Denn es ist ein
grosser Bisschoff, der yhn geweyhet und
zu predigen befolhenn hat, der heißt HERR, und hat yhm ein format2 gegeben, das heißt: Noli me tangere,
und laut also:
[Ps. 2, 8. 9] Heissche von mir, so wil
ich dir die heiden zu erbe geben und der
welt ende zum eigenthum. Du solt sie mit dem eysen zepter zu schlahen, wie ein topffen soltu sie zu
schmeissen.
Wer hat sein lebenlang yhe ein
groessere lügen gehoeret? Die heyden
sind der zornigen konig erbe, und die welt der grimmigen fuersten
eygenthum. Das sihet man ya wol, das sie
es da mit machen, wie sie woellen, als mit
dem yhren. Alle yre gedan [Bl. b (1)] cken und anschlege, sonderlich
wider diesen konig und priester, gehen
so fein fuersich3, als hetten sie von krebsen gehen gelernt, odder wolten die krebs gehen leren4,
das freylich diser konig nicht einen
stecken zu eigen hat5 in aller welt. Aber schimpff lege dich.6
Hoere, was folget:
[Ps 2, 10] Und nu, yhr konige, werdet
klug, laßt euch zuechtigen, yhr richter
auff erden.
[ 18 zum FH 19 einem eisern Scepter H
20 toepffe H 23 ya] je H 29 Undklug] So lasst euch nu weisen jr Koenige H]
[Seite 407b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
407a
So sol man konig und fuersten anreden,
Was wil das werden? Es ist nie auff
erden solch schendlich, lesterlich ding geredt. Sollen konig klug werden? Meinstu denn, das sie narren sind?
Sollen richter sich lassen zuchtigen?
Meinstu denn, das es kinder inn der schůlen sind? Ey, konig sind zuvor klug, haben gesetze, landrecht,
Juristen und Rethe, wissen wol, was sie
thun sollen. Die richter auch also, haben auch recht, sitten, weise und maß, brauch und gewonheyt, wissen wol,
was sie richten, urteylen und halten
sollen. Diser psalm ist gewißlich ein setzer, schmehet die konig, lestert die Richter und handelt als ein auffruerer
wider die oberkeyt und alle yhre rechte
und gewonheyt, wil sie aus der alten gewehr1 treyben. Da zu spricht sie so verechtlich an: Jhr konige, yhr
richter, gleich wie ein herr seinen knecht:
Du Hans, du Peter, als halte er sie gar vernichts, und weren gantz
sein eygen, wie ein kue oder gans.
Ja, lieber geselle, er bekennet, das
konige unnd richter wol vernunfft, recht
und weißheyt haben, denn es kan kein konig noch richter seyn, der nicht recht und gesetz im lande habe, Aber er
wirfft sie mit disem verß alle unter
disen konig sampt yhren rechten, sitten, vernunfft, und was sie haben an
weißhaben
[ 19/20 klug werden] sich weisen lassen
und leren H 24 breuch B2 28 so fehlt E]
[Seite 408b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
408a
heyt und gewalt, und spricht, Es sey nicht
gnug an dem, das sie haben, Es sey, wie
schon recht oder sitten es wolle1, Sie sollen gegen disen konig und priester narren und kinder2 werden, yhm zu
hoeren unnd sich lernen lassen, sein
wort für meyster halten, uber alles gehen unnd herrschen lassen. Weil denn der Bapst so wol als der Keyser und
konig auch nicht uber disen konig sind,
sonder unter den richtern auff erden bleiben müssen, so sol sein Decret und sein lere auch narr und kind2 seyn gegen
dises konigs wort und lere, und sol nicht
drüber richten, sonder sich da durch richten und leren lassen.
Aber ytzt zu Augsburg werden sie disen
Verß wol anderst meistern und
můstern, das er můß also lauten: “Und nu, du konig zu Zion,
werde klug, du richter ym himel laß dich
zuchtigen, Denn du bist ein narr und
kind gegen uns, Wir muessen urteylen und setzen, was du für warheyt
solt halten oder nicht, Was wir nicht
setzen, richten oder bestetigen, da sey dir
trotz gebotten, das du es für warheit haltest, oder můst herunter
und mit den ketzern verbrandt seyn”, so
wirds gewißlich disem koenig gehen, Denn
[ 18 schoen F 26/27 werde klug] las
dich weisen H]
[Seite 409b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
409a
sie woellen warlich der gewehr unentsetzt
sein1, das sie biß her uber Gottes wort
meister und richter gewest sind. Was wil aber diser konig dazu sagen, der auch in der gewehr sitzt, und wil
ungemeistert und ungerichtet seyn,
sonder allein meistern unnd richten? Da lassen sie yhn für sorgen2, das
wird er auch thun, wie folget:
[Ps. 2, 11. 12] Dienet dem HERRN mit
forcht, unnd frewet euch mit zittern.
Kuesset den son, auff das er nicht erzuerne, und yhr auff dem weg umbkomet, Denn sein zorn wird bald angehen.
Wol allen, die auff yhn trawen.
Da stehets, Wer Christus wort nicht
hoeren, sonder meistern wil, der sol ym
zorn umbkomen, und dasselbig gar bald. Er wil nicht seumen. Man sol yhm dienen und nicht seyn wort unserm
[Bl. b 2] kopff zu dienen zwingen, Man
sol yhn kuessen und hulden, und nicht Christum oder sein wort unserm dunckel unterwerffen, Er wils
nicht leyden, das ist kurtz und gůt.
Soelchs wil ich E. K. F. G.
untertheniglich angezeygt haben, ob Got
woelt gnad verleyhen durch ewr ettlichen uleiß und arbeit, das der
lesterung weniger würde, wo nicht, das
doch fride gestifft würde. Denn das der Babst
sich rhuemet mit den seinen, inn einer zedel, so gedruckt ist3, der
Keyser werde yhm alles wider restituiern
und ergentzen, das wird yhm feylen, das weis
[ 23 zuerne H 23/24 umbkomet auff d. w.
H 24 angehen] anbrennen H Aber wol
H 35 und fehlt C]
[Seite 410b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
410a
ich wol, Denn was were das anders, denn das
wir solten alles widerrueffen, was wir
yhe geleret haben, auch diese ytzige uberantworte bekentnis, die yhr selbst muesset für recht halten.1 Und da
gegen alle vorige luegen preysen, der
yhr alle selbst vil bekennet, Und alle das unschuldig blut, das von ewrm theyl vergossen ist, auff uns laden? Ja
lieber Pabst unnd Papisten, gebt uns vor
wider Lenhard Keyser2 und alle, die yhr unschuldiglich erwürgt habt, alle seelen, die yr mit lügen verfueret
habt, alles gelt und gůt, das yhr
mit bescheissery geraubt habt, alle die ehre, die yhr Gott mit lestern
gestoln habt, So wollen wir von der
restitution handeln.3 Es sol ynn eine histori
geschriben werden, das der Pabst und seine Papisten solch lesterlich
ding thar unverschampt und offenlich
begeren, als weren eytel kloetze inn Deudschem
lande, und auff dem Reichstage eytel affen, dazu alle Fürsten, die es mit treiben, das sie bey unsern nachkomen4 ein
ewiger stanck seyn sollen, dafür man
speyen und goecken5 muesse.
[ 16 das (1.)] es F 23 mit lestern Gott
F 26 thar] thoern C 29 muessen BCF]
[Seite 411b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
411a
Aber der teufel sucht damit ein anders,
Wolt Gott, das unser Herrn alle wol
drauff acht hetten. Wir Deudschen hoeren nicht auff, dem Bapst und seinen Walen zu glauben1, biß sie uns bringen
nicht in ein schweißbad, sonder in ein
blůtbad. Wenn Deudsche Fuersten ynn ein ander fielen2, das moecht den Bapst, das Florentzisch
fruechtlin3, froelich machen, das er in die
faust lachen kundt und sagen: Da, yhr Deudsche bestien, woltet mich
nicht zum Bapst haben, so habt das. O
grosse liebe und trewe hat er zum Keyser, wie
er fein beweyset fuer Pavia, da er wider den Keyser zoch. Deudsch land
hat er noch lieber, das er den Keyser
auß Hispanien foddert (denn wer kundte
solche practick mercken?) und darnach on bey sein der deudschen Fürsten
kroenet4, nach laut der Bullen.5 Jch bin
kein prophet6, aber ich bitte euch Herrn alle,
[ 12 such F 19 Deudsche C]
[Seite 412b]
[Dem Hochwirdigsten ynn Gott Vater ...]
412a
sehet euch wol für und laßt euch ia nicht
duncken, das yhr mit menschen handelt,
wenn yhr mit Bapst und den seinen handelt, sonder mit eitel teuffeln, Denn es sind auch eitel teuffels tücke
dahinden, das weiß ich, Gott der
almechtig helffe euch, das zum friden alles gerathe, Amen.
Hie mit wil ich E. K. F. G. in gottes
gnaden befolhen haben, Und was ich mit
beten kan, gar trewlich dienen Und E. K. F. G. wolte mir solch schreiben gnediglich zu gů halten. Jch
kans ia nicht lassen, ich můß auch
sorgen für das arm, elend, verlassen, veracht, verrathen und verkaufft
Deudsch land, dem ich ia kein arges,
sonder alles gůtes goenne, als ich schuldig bin meinem lieben vatterlande.1 Ex Eremo. Feria
4. post Visitationis 1530
E. K. F. G.
Untertheniger
Martinus Luther
[ 23 anno 1230 A]
[Seite 413]
[Einleitung]
[Seite 413]
Gleichzeitig mit Luthers Brief an den
Kardinal Erzbischof von Mainz vom
Höchstwahrscheinlich hat Luther die
lateinischen Thesen in Nürnberg (und zwar wohl bei demselben Drucker, aus
dessen Presse de Brief an Kardinal Albrecht hervorging) drucken lassen. In
demselben Briefe an Wenzeslaus Link vom 20. Juli nämlich, in dem Luther seine
Freude darüber ausspricht, daß sein Brief an Kardinal Albrecht in Nüernberg zum
Drucke zugelassen sei2, fährt er fort: ‘Interim spero, advenerint et
propositiones illae irritatrices adversariorum, quia fixum est, si illi ita
pergant furere, ego quoque rursus cornua sumam et occurram istis papyris in ira
furoris mei, ut habeant, quas ita quaerunt, causas furendi et vociferandi. Nam
quod iam ita clamant, faciunt otio et inopia causarum’. Enders hat diese Stelle
mißverstanden, weil er ‘adversariorum’ als Gen. subiectivus nahm, während es
doch Gen. obiectivus ist und man übersetzen muß: “jene Thesen, die bestimmt
sind, die Gegner zu reizen.” Nur dieser Sinn paßt zu dem folgenden, besonders
zu: ‘ut habeant ... causas furendi et vociferandi ...’, d. h.: “damit sie Grund
zu wüten und zu zetern haben, denn wenn sie jetzt schon so schreien, so tun sie
es aus Langeweile und weil sie nichts Rechtes zu tun haben.” Auch das ‘ego
quoque rursus cornua sumam’3 paßt trefflich zu unsrer Auffassung, denn der
Plakatdruck, in dem unsre Thesen ausgingen, konnte als ein Gegenstück zu dem
Einblattdruck der 95 Thesen vom
Dann würde sich also folgendes ergeben:
Luther hoffter am 20. Juli, daß seine im Manuskript zum Druck nach Nürnberg
gesandten Thesen dort angelangt
[Seite 414]
seien. Sie sind in der Tat in diesen
Tagen dort gedruckt worden und trafen bereits am 22. Juli in Augsburg ein.
Wann hat nun Luther diese Thesen geschrieben?
Am 21, Juli1 antwortete er auf einen
Brief Melanchthons vom 14.2, in dem dieser gefragt hatte, ob man nicht von
gewissen Gesichspunkten aus und unter gewissen Bedingungen sich den traditiones
d. h. “den kirchlichen Satzungen für den äußeren Gottesdienst und das äußere
sittliche Leben, über Fasten u. dgl.”3 fügen könne. Höchst wahrscheinlich wurde
Luther durch diese Anfrage Melanchthons zu unsren Thesen in erster Linie veranlaßt.4
Daraus, daß Luther erst am 21. antwortete, könnte man schließen, daß er erst an
diesem Tage Melanchthons Brief erhalten hätte. Dann kämen wir mit den eben
gefundenen Daten in Konflikt. Nun ist es aber von vornherein nicht recht
wahrscheinlich, daß ein am 14. in Augsburg geschriebener Brief erst am 21. in
Koburg eintraf. Ein Bote von Augsburg nach Koburg brauchte damals gewöhnlich 3
–4 Tage.5 Nehmen wir an, Melanchthon habe den Brief am 14. früh geschrieben, so
konnte der Bote schon am 16.
[Seite 415]
zu setzen. Luther hatte durch
Niederschrift der an das ganze deutsche Volk gerichteten Thesen sich zunächst
von den auf ihn einstürmenden Gedanken1 befreit und verspürte erst nach einigen
Tagen Lust, das ihm so verdrießliche Thema wieder in Angriff zu nehmen und sich
in vielleicht vergebliche Einzelauseinandersetzungen mit dem ängstlichen und
bedenklichen Melanchthon einzulassen. Schließt er doch den Brief an diesen
folgendermaßen: ‘me fatigas ista sollicitudine tua frustranea, ut me paene
taedeat ad te scribere videntem, quod nihil efficiam meis verbis’. Man könnte
daraus sogar folgern, daß er über den Brief Melanchthons zunächst so ärgerlich
war, daß er ihn überhaupt nicht beantworten wollte.2 Schließlich dürfte auch
noch in Betracht zu ziehen sein, daß Luther damals oft durch heftige
Kopfschmerzen in seinen Arbeiten unterbrochen wurde.3
In der ursprünglichen lateinischen
Fassung sind unsre Thesen nur einmal, eben in jenem Nürnberger Plakatdruck,
ausgegangen. Er ist vielleicht nur in verhältnismäßig wenig Exemplaren
hergestellt worden, und diese waren rasch vergriffen. So war dieser Plakatdruck
sehr bald nicht mehr aufzutreiben. Ein Beweis dafür ist, daß eine Abschrift
sich in dem in Uns. Ausg. öfters benutzten4 liber Stifelii (= cod. Bos. q. 25a
der Jenaer Universitätsbibliothek) befindet.5 In welchem Falle Michael Stifel
Abschriften von Drucken seiner Handschriftensammlung einverleibte, das hat er
in einem Briefe an Spalatin vom
Es bleibt zum Schlusse nur noch die
Frage zu beantworten, von wem die deutsche Übersetzung der Thesen herrührt.
Kaum von Luther. Dazu sind die Abweichungen zu bedeutend. Zwar, daß z. B. XVI:
‘Is pastor seu praelatus nihil habet statuere (quia non est Ecclesia) nisi
consentiente sua Ecclesia’ in 17 unter Weglassung des letzten Passus einfach
durch: “Solcher pfarher oder Bisschoff hat nichts uberal macht zu setzen, denn
er ist nicht die Christliche kirch” wiedergegeben ist, kann auf bloßer
Nachlässigkeit beruhen, ebenso etwa die Weglassung des ‘ut
[Seite 416]
promissi non servans’ in XXI (= 21) und
der Zusatz: “wie hoch er auch damit suendigt” in 22 (= XXII). Auch daß die
Verteilung des Gedankenmaterials auf 40 Artikel in der lateinischen und
deutschen Fassung etwas verschieden ist, fällt nicht so sehr ins Gewicht.1 Aber
die folgende Abweichung zeigt doch wohl, daß der Übersetzer und der
Thesenverfasser zwei verschiedene Personen sind: [Propos. XI] Etiam sic, ut
sint de possibili & quod in eius [= Ecclesiae] manu est. /[Art. 14] Auch
das sie müglich seien zu halten und in unser gewalt steh dem leibe und gůt
on schaden.
Da nun die Originalausgabe der
deutschen Übersetzung der Thesen ein Nürnberger Plakatdruck und Wenzeslaus Link
in Nürnberg der erste ist, den Luther auf ‘propositiones illae irritatrices
adversariorum’ aufmerksam macht (s. o.), so dürfte dieser als Übersetzer
anzunehmen sein. Sonst hatte ja Luther zu dem Übersetzertalent des Justus Jonas
das größte Zutrauen.2
Einzige Ausgabe der lateinischen
Thesen:
Blatt 1a leer. Blatt 1b Zeile 1: “❧
SEQVENTES PROPO- || SITIONES SVSTINET, FAVENTE CHRISTO, D. MARTINVS LVTHER ||
Sanctæ Ecclesiæ Dei Vuittembergensis Doctor, aduersus totam synago- || gam
Sathanæ, & uniuersas portas inferorum. || ...” Darauf folgt der Text auf
Blatt 1b und 2a, Blatt 2b leer. Es handelt sich also um einen Einblattdruck in
Folio, dessen Vorderseite bedruckt und dessen Rückseite leer ist.
Wohl Nürnberger Druck.
Vorhanden: Mainz St.
Außerdem stehen die lateinischen Thesen
in folgenden Sammlungen:
1. “PROPO- || SITIONES A MARTINO ||
LVTHERO SVBINDE || DISPVTATAE. || ADDITAE SVNT QVAE- || DAM, QVAE IN PRI- ||
ORE EDITIONE || DESIDERAN- || TVR. || VITEBERGAE IN AEDIBVS || IOSEPHI CLVG. ||
ANNO M. D. XXXI. ||” Titelrückseite leer. 52 Blätter in Oktav, letzte Seite
leer. Ohne Jmpressum am Ende. — Erweiterte Ausgabe desselben Druckes vom
gleichen Jahre: 56 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Am Ende:
“IMPRESSVM VITEBERGAE || per Iosephum Clug. || M. D. XXXI. ||” (= Unsre Ausg.
Bd. 1, 222 Druck C). — Bl. E 1a –E 3a.
2. in der Ausgabe Wittenberg, Johannes
Lufft 1538 (= Unsre Ausgabe Bd. 1, 143 Druck A), sowie dem nur mit erweitertem
Titel versehenen Abdruck desselben Jahres (= Unsre Ausg. Bd. 1, 143 Druck B). —
Bl. G 6b –H 1a.
[Seite 417]
3. in der Ausgabe Basel, Thomas Platter
1538 (= Unsre Ausg. Bd. 1, 222 D). — S. 79 –83.
4. in der Ausgabe Wittenberg [Johannes
Lufft] 1558 (= Unsre Ausg. Bd. 1, 143 Druck C) und der nur eine erweiterte
(Titel-)Auflage bildenden Ausgabe Wittenberg [Johannes Lufft] 1561. — Bl. G 8b
—H 2b.
Die deutsche Übersetzung unserer Thesen
erschien in folgenden Ausgaben:
a Blatt 1a leer. Blatt 1b Zeile 1:
“Folgende stůck, wil D. Martinus || Luther der heiligē kirchen zu
Wittemberg prediger, mit Gottes gnadē, || erhalten, wider die gantze
Satans schůle vn̄ alle pforten der hellen. || ...” Darauf folgt der Text auf Blatt 1b und
2a, Blatt 2b leer. Es handelt sich also um einen Einblattdruck in Folio, dessen
Vorderseite bedruckt und dessen Rückseite leer ist.
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5771).
b1 “Ettlich Artickelstuck, so || Mart.
Luther erhalten || wil, wider die gantze || Satans schůle. || Anno 1530.
||” Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. — Blatt 4a
Zeile 11: “... groeßten vnd klug || sten heyligen sind.”
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Unbedeutende Änderungen während des
Druckes z. B. Blatt 2b Zeile 9 “x.” neben “x”.
Vorhanden: Arnstadt, Berlin (Luth.
5774), Hamburg, München H.; London. — Erl. Ausg. 31, 122 Nr. 3 (ungenau) und 2
(?).
b2 Titel wie der des vorstehenden
Druckes. Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer. —
Zwitterdruck zu dem vorstehenden Druck; der Satz im Schöndruck, also auf Blatt
1a 2b 3a ist gleich, im Widerdruck, also auf Blatt 2a 3b 4a verschieden.
Außer den Unterschieden in den
Zeilenschlüssen und Formen von r zeigt der Widerdruck von b folgende
Verschiedenheiten: [Tabelle: ] [Tabelle: ]
b2 ist offenbar jünger als b1, da es a
ferner steht.
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Gotha, Stuttgart L.
[Seite 418]
c “Ettlich Artickel, so Martinus ||
Luther erhalten wil, wider || dye gantzen Satans || schule. Anno. || M. D. xxx.
||” Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite leer.
Erfurter Druck.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5776),
Dresden, Wittenberg, Zwickau; London.
d “Etlich Artic || kelstück, so Mart.
Luther || erhalten wil, wyder die || ganntze Satans || schule. || Anno 1530.
||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 4 Blätter in Quart, letzte Seite
leer.
Druck von Joh. Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Arnstadt, München U.;
London. — Erl. Ausg. 31, 122 Nr. 1 (ungenau).
e “Artickel von der Crist- || lichen
kirchen gervalt || D. Martini Luther || Troestlich zu wissen || Jtem Artickel
desselbigen || Von kloster gelubden. ||” Titelrückseite bedruckt. 4 Blätter in
Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Wittemberg M. D. XXXi. ||”
Druck von Nickel Schirlentz in
Wittenberg.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5779),
Dresden, Hamburg, Heidelberg, Wernigerode, Wittenberg, Zwickau.
f “Artickel von der || Christlichen
kirchen || gewalt D. Martini || Luther, Troestlich zu wissen. || Jtem Artickel
desselbigē || von kloster gelübden. ||” Titelrückseite bedruckt. 4 Blätter
in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “M. D. XXXI.||”
Druck von Friedrich Peypus in Nürnberg.
Vorhanden: Knaakesche Sammlung; Berlin
(Luth. 5781), Dresden, Hamburg, München H., Wittenberg, Würzburg U.; London.
g “Ein brieff an den Cardinal Ertz ||
bischoff zů Mentz. Jtem viertzig stuck oder artickel, welche Doctor ||
Martinus Luther, mit Gottes gnaden || erhaltē will, wider die gantze ||
Satans schůl, vnd alle || porten der hel- || len. || Martinus Luther. ||”
Titelrückseite leer. 8 Blätter in Quart. — Die vierzig Artikel stehen auf Blatt
B 2b bis B 4b.
Straßburger Druck (oder von Schöffer in
Mainz?). — Vgl. Unsre Ausg. oben S. 394 Druck F.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5749), München
H.; Basel, London.
In den Gesamtausgaben stehen unsre
Thesen: Lateinisch: Wittenberg I (1545), 384b –385b; Jena I (1556), 536a –537a;
Op. var. arg. IV, 373 –377. Deutsch: Wittenberg 9 (1558), 398a –399b (die
Artikel von den Klostergelübden: 399b –400a); Jena 5 (1557), 14b –17a (Art. v.
d. Kl.: 17a –18a); Altenburg 5, 9 –10 (Art. v. d. Kl.: 10 –11); Leipzig 20, 233
–234 (Art. v. d. Kl.: 234 –235); Walch 19, 1190 –1194; Walch2 19, 958 –961;
Erlangen 31, 121 –125.
Der Urdruck der deutschen Übersetzung
ist wie verschiedene Urdrucke Lutherscher Schriften der Zeit bei Stüchs in
Nürnberg hergestellt, und zwar ist von den drei Stüchs'schen Drucken der
Plakatdruck a wegen des Formates und mehr mitteldeutscher Formen der älteste,
danach wenig verändert b1, dessen Widerdruck in b2 nen gesetzt ist und hier
etwas mehr Nürnberger Formen zeigt als in b1; nach b1 ist mit zahlreichen
Nürnberger Formen auch d gedruckt; c (aus Erfurt) stammt wahrscheinlich aus b,
e aus a, ebenso f und g. Wir stellen hier die sprachlichen Abweichungen
zusammen.
[Seite 419]
b, d (Nürnberg) verglichen mit a: b hat
nur wenige und nur ausnahmsweise verwendete Nürnberger Formen, d erweist schon
durch die ai und ů seine oberdeutsche Herkunft.
I. Vokale: 1) Umlaut: u > ü, ue
über, uebel, kluegst, sündigt d; en > au glaubig; 2) u > o moegen d; a
> o gethon (nur einmal) bd; ie > i Prister (einmal) b; 3) unbetontes e
fällt weg: kirch, boeßwicht, herrn b, in b2 auch die Christlich; ∞ straffet
b2, bestettiget, sündiget d; e umgestellt in verlewert (< -leuret) d; 4) mer
> mehr b1, yhe > ye b2.
II. Konsonanten: Bapst > Babst d;
Verdoppelung: wappen b2, bestettiget d ∞ oder bd, alein d; das > daß
b2. Jn d sind ferner viel mehr große Anfangsbuchstaben.
III. Wortformen: dann, nun d, nicht
> nit b2.
c (Erfurt) verglichen mit b.
I. Vokale: Umlaut beseitigt in grosser,
muglich, stuck, mussen, ∞ suendiget, gleubt; o > a nach (adhuc);
Dehnungs-h beseitigt in mer; unbetontes e eingefügt in suendiget, leute,
∞ am leib (Zeilenschluß); einen > ein (Zeilenschluß).
II. Konsonanten: Doppelkonsonant
vereinfacht in gueter, bestetigen, oder, halstarrig (< halsst-) ∞
wappen, woll.
III. verrether > vorrether, ebs.
vordienet.
IV. sind > seint.
e (Wittenberg) verglichen mit a.
I. Vokale: o > oe kloesterey,
oeberkeit; ue > u lugner; i > ie viel; unbetontes e angefügt in die
christliche, kirche; ye > yhe.
II. Doppelkonsonant in widder, odder,
bestettigt.
f (Nürnberg) verglichen mit a.
I. o > oe soelch, oeberkeit, ů
> ü sünd, eu > au glaubig; ů auch für ue; e weggefallen in verleurt,
boeßwicht, ∞ leute; II. t > tt eittel, ∞ mutermoerder; III.
verdamnen > verdammen.
g (Straßburg oder Mainz) zeigt eine
verhältnismäßig sehr große Zahl von abweichenden Formen; hier verglichen mit a.
I. Vokale: e > ae kaetzer, waer,
kaercker, verraeter; ue > u lugner, stuck, sunder, ∞ über; ů
regelmäßiger als in a; etwo > etwa, gethan > gethon; darauß > daruß; h
fehlt in eebrecher, ee, eelich, far, mer, jre; e fällt ab in schůl, weiß,
halt, stund, ettlich, Eselskoepff; ihren > jrn.
II. Konsonanten; d > t wirt, statt,
∞ er schild; b > p diep; Doppelkonsonant steht in gebott, bestettigt,
pfarrherr, vatter, vernem̃en; ∞ gestelt (< gestellet).
III. muegen > moegen.
IV. nicht > nitt, verdamnen >
verdammen.
[Seite 420]
Sequentes propositiones sustinet
favente Christo D. Martinus Luther, Sanctae Ecclesiae Wittembergensis Doctor,
adversus totam synagogam Sathanae & universas portas inferorum. 1530
[Seite 420]
I.
Ecclesia Dei non habet potestatem
condendi ullum articulum1 fidei, sicut
nec ullum unquam condidit nec condet in perpetuum.
II.
Ecclesia Dei non habet potestatem
statuendi ullum praeceptum bonorum
operum, sicut nec ullum unquam statuit nec statuet in perpetuum.
III.
Omnes articuli sufficienter sunt in
scripturis sanctis conditi2, ut non sit
opus ullum praeterea condi.
IIII.
Omnia praecepta bonorum operum sunt in
scripturis sanctis sufficienter statuta,
ut non sit opus ullum praeterea statui.
V.
Ecclesia Dei non habet potestatem approbandi
articulos aut praecepta seu scripturas
sanctas more Maioris vel autoritate iudiciali nec id unquam fecit aut faciet.
VI.
Ecclesia Dei potius contra per
scripturas sanctas seu articulos fidei
est approbata & confirmata tanquam a Maiore & authoritate
iudiciali.
VII.
Ecclesia Dei approbat articulos fidei
seu Scripturas more Minoris, id est:
agnoscit & confitetur, sicut servus sigillum domini sui.
VIII.
Stat sententia: Qui non habet
potestatem promittendi & dandi futuram
& praesentem vitam, is non potest condere articulos fidei.
[Seite 421]
IX.
Ecclesia dei habet potestatem ordinandi
cerimonias in feriis, cibis, ieiuniis,
precibus, vigiliis &c., non super alios, sed solum super seipsam, nec unquam aliter fecit aut faciet.
X.
Sic tamen, ut eae cerimoniae non
pugnent articulis fidei aut praeceptis
operum.
XI.
Etiam sic, ut sint de possibili &
quod in eius manu est.
XII.
Etiam sic, ut conscientiam neque ligent
neque turbent.
XIII.
Etiam sic, ut temporales, non perpetuae
habeantur, quolibet die & casu
mutabiles & omitti potentes.
XIIII.
Caelibatum aut vota non potest mandare,
nec sibiipsi quidem Ecclesia, multo
minus aliis, cum non sint in eius manu.
XV.
Ecclesia vero est numerus seu collectio
baptizatorum & credentium sub uno
pastore, sive sit unius civitatis sive totius provinciae sive totius orbis.
XVI.
Is pastor seu praelatus nihil habet
statuere (quia non est Ecclesia) nisi
consentiente sua Ecclesia.1
XVII.
Pastor hortari & persuadere potest
Ecclesiae, ut consentiat, certis
urgentibus caussis sibiipsi ieiunium, ferias, preces aut alias
cerimonias in tempus imponere &
rursum, ubi volet, mutare & omittere.2
XVIII.
Articuli fidei & praecepta operum
non possunt mutari, Cerimoniae vero
debent pro tempore mutari.
[Seite 422]
XIX.
Nulla fuit ruditas & asinitas maior
unquam quam Papistarum, qui Cerimonias
pro articulis fidei, deinde immutabiles & unum membrum Pontificem solum potestatem hanc habere derudunt.
XX.
Nulla fuit haeresis & malicia maior
quam Papistarum, qui omnia in omnia
miscentes & confundentes articulis pares cerimonias faciendo regnum liberrimum Christi plus quam servitute
Aegypti & Babylonis oppresserunt.
XXI.
Haereticus dici non potest, qui contra
Ecclesiae ordinationem cerimonias omittit, licet peccat, ut promissi non
servans.
XXII.
Haereticus dici non potest, qui
praecepta operum divina transgreditur.
XXIII.
Haereticus dici non potest, qui
articulum aliquem fidei ignorat.
XXIIII.
Haereticus dici debet, qui obstinate
errat in articulo fidei & idem
asserit.
XXV.
Sicut transgressor praecepti
magistratuum non est seditiosus, licet
peccet sitque puniendus,
XXVI.
Sed qui negat aut impugnat Magistratum,
is est seditiosus.
XXVII.
Cum Papistae nec furem nec latronem nec
adulterum, qui tamen in divina praecepta
peccant, non dicant haereticum, sicuti vere neque haeretici illi sunt,
XXVIII.
Merito asini asinorum dicendi sunt,
quod haereticos clamant eos, qui contra
cerimonias Ecclesiae peccant.
XXIX.
Siquidem asinis digna est sapientia
matricidam, patricidam, Sodomitam
haereticum non dici, at vescentem carnibus sexta feria haereticum iudicari.
[Seite 423]
XXX.
Etiam ipsa Papae Ecclesia, quamvis sit
malignantium ecclesia, tamen coniugium
sacerdotum sola officii suspensione damnat.1
XXXI.
Concedit igitur Christianum & non
haereticum dicendum esse, quisquis
sacerdotum duxerit uxorem.
XXXII.
Quare nec ad infernum damnat animam
eius, ut solent haeretici damnari.
XXXIII.
Concedit simul (necessario) nec morte
puniendum esse, sed adempto dumtaxat
officio vivere ut Christianum sinit et fatetur.
XXXIIII.
Quare certum est nec mortale peccatum
reputari in ipsa Papae Ecclesia, si
sacerdos duxerit uxorem.
XXXV.
Concedit insuper (necessario) nec
corpore puniendum nec incarcerandum
esse, sed adempto solum officio liberum ire & agere.
XXXVI.
Quare certum est nec crimen censeri in
Papae Ecclesia, si sacerdos duxerit
uxorem.
XXXVII.
Concedit ultra necessario nec rebus aut
propriis bonis esse spoliandum, sed
adempto solum officio suis rebus libere posse uti.
XXXVIII.
Quare nec scandalum aut turpitudinem
esse censet, si sacerdos duxerit uxorem.
XXXIX.
Qui igitur ultra suspensionem ab
officio addunt poenam haeresis, mortis
animae & corporis, dehinc spolium rerum & famae, hi sunt publici latrones, fures, homicidae, proditores,
falsarii, tyranni, etiam secundum iura
Papae & in sua Ecclesia.
[Seite 424]
XL.
Ex his potest intelligi, quid ex
ecclesia Papae tandem factum sit, in qua
tales viri habentur pro sanctissimis & sapientissimis.
[Bl. a 1 b]
Folgende stueck wil D. Martinus Luther,
der heiligen kirchen zu Wittemberg prediger, mit Gottes gnaden erhalten wider
die gantze Satans schůle und alle pforten der hellen. 1530
[Seite 424]
I.
Die Christliche kirch hat kein macht,
einigen artickel des glaubens zu setzen,
hats auch noch nie gethan, wirds auch nimmer mehr thun.
II.
Die Christliche kirch hat kein macht,
einiges gebot gůter werck zu stellen,
hats auch nie gethan, wirds auch nimmer mehr thun.
III.
Alle artickel des glaubens sind gnugsam
in der heyligen schrifft gesetzt, das
man keinen mehr darff setzen.
IIII.
Alle gebot gůten werck sind
gnugsam yn der heyligen schrifft gestellet,
das man keine mer darff stellen.
V.
Die Christlich kirch hat kein macht,
artickel des glaubens odder gebot
gůter werck odder die Euangelia und heilige schrifft zu bestettigen
als ein Richter odder oberherr, hats
auch noch nie gethan, wirds auch nimmer
mehr thun.
VI.
Die Christliche kirch wird aber wol
widerumb von dem Euangelio und von der
heiligen schrifft bestettigt als vom Richter und oberherrn.
VII.
Die Christliche kirch bestetigt das
Euangelion und heilige schrifft als ein
unterthan, zeugt und bekennet, gleich wie ein knecht seines herren farbe
und wapen.
VIII.
Denn das ist gewiß, Wer nicht macht
hat, das künfftig und zeytig leben zu
verheissen und zu geben, der hat kein macht, artickel des glaubens zu setzen.
[ 22 odder fehlt bcd 33 zeitlich d]
[Seite 425]
IX.
Die Christliche kirch hat macht, sitten
und weyse zu stellen, die man halte, in
fasten, feyren, essen, trincken, kleider, wachen und der gleichen.
X.
Doch nicht uber andere on yhren willen,
sonder allein uber sich selbs, hat auch
nie anders gethan, wird auch nicht anders thun.
XI.
Auch das solche sitten nicht wider die
artickel oder gůte werck streben,
das ist, dem glauben und der liebe on fahr und schaden seien.
XII.
Auch das sie die gewissen nicht
verwirren oder beschweren.
XIII.
Auch das sie nicht ewiglich bleyben,
sonder alle stunde auß ursachen muegen
nachbleiben und geendert werden.
XIIII.
Auch das sie müglich seien zu halten
und in unser gewalt stehe, dem leibe und
gůt on schaden.
XV.
Ehelos leben oder klosterey hat sie
kein macht, auch uber sich selbs nicht,
zu gebieten, vil weniger uber ander, weil der keins in ihrer gewalt
stehet.
XVI.
Christliche kirch aber heißt die zal
oder hauffen der getaufften und
gleubigen, so zu einem pfarher oder Bisschoff gehoeren, es sey in einer
stadt odder inn einem gantzen lande
odder in der gantzen welt.
XVII.
Solcher pfarher oder Bisschoff hat
nichts uberal macht zu setzen, denn er
ist nicht die Christliche kirche.
XVIII.
Solcher pfarher odder Bisschoff mag
seine kirche vermanen, das sie bewillige
ettliche fasten, beten, feyren &c.. umb anligender noth willen ein zeitlang halte und darnach frey wider fallen
lassen.
XIX.
[Bl. a 2 a] Kein groesser groeber Esel
sind yhe gewest denn die Papisten und
Sophisten, die alles in einander brewet, auß den sitten eitel artickel
des glaubens gemacht haben.
[ 3 kleyden f 14 nachblieben e 16
stehen e 33 yhe] hie c]
[Seite 426]
XX.
Kein groesser boßheyt ist gewest, denn
das die Sophisten, zu verstoeren das
reich Gottes, dem Endechrist als eintzeler person die macht gegeben haben, artickel des glaubens, gůte werck und
sitten zu setzen und zu endern.
XXI.
Der ist kein ketzer, der wider der
kirchen satz oder sitten thut, wie wol
er nicht recht thut.
XXII.
Der ist kein ketzer, der wider Gottes
gebot mit wercken thut, wie hoch er auch
damit suendigt.
XXIII.
Der ist kein ketzer, der etwo einen
artickel nicht gehoeret hat und also
nicht glaubt.
XXIIII.
Der ist ein ketzer, der halßstarrig in
einem artickel des glaubens yrret und
das bekennet.
XXV.
Wie ein ubertretter der fuersten odder
keisers gebot ist nicht auffruerisch, ob
er wol unrecht thut und zu straffen ist.
XXVI.
Sonder, wer die oberkeit leugnet oder
sich wider sie setzt, der ist ein
auffruerer.
XXVII.
Die Papisten sagen selbs, das ein dieb,
moerder, ehebrecher, sey nicht ein
ketzer, ob er wol wider Gottes wort sundigt und tod und helle verdienet.
XXVIII.
Darumb sinds yhe grobe Eselskoepffe,
das sie den einen ketzer schelten, der
wider der kirchen sitten thut.
XXIX.
Denn Esel muessens ya seyn, die einen můttermoerder,
vatermoerder und Sodomiten nicht
ketzerisch halten und schelten den ketzer, der am freitag fleisch isset.
XXX.
Des Bapsts kirch, obs wol ein tyrannen
kirch ist, noch strafft sie die priester
ehe nicht hoeher denn mit absetzen vom priester ampt.
XXXI.
Darauß volget, das sie bekennen,
priester ehe sey nicht ketzerisch, sonder
christlich.
[ 2/3 verstoeren das reich]
verstoerūg des reich c 15 haßstarrig A 34 tyranney c]
[Seite 427]
XXXII.
Derhalben sie auch nicht solche
eheliche priester zur hellen verdamnen,
wie man die ketzer verdampt.
XXXIII.
Bekennen auch damit, das solche
priester nicht zu toedten sind, sonder
allein des ampts beraubt sollen seyn und christlich leben muegen.
XXXIIII.
Damit bekennen sie, das kein todsund
noch wider gottes gebot sey, so ein
priester ehelich wird.
XXXV.
Bekennen auch damit, das ein ehe
priester auch am leibe nicht zu straffen
noch in kercker zu werffen sey, sonder, wenn er das ampt verleuret, ist
er gestrafft und ist frey.
XXXVI.
Damit bekennen sie, das ein priester
kein laster noch ubels thůt, so er
ehelich wird.
XXXVII.
Bekennen auch damit, das er nicht zu
straffen sey an gut oder ehre, sonder
ist gnug, das er des ampts entsetzt ist.
XXXVIII.
Damit bekennen sie, das er kein schande
noch ergerniß mit seiner ehe stifftet.
XXXIX.
Wer nu uber die entsetzung vom ampt
einen ehepriester strafft an leib unnd
seel, an gut und ehre, dazu einen ketzer schilt, der ist ein offentlicher moerder, rauber, verrether, luegner und boesewicht,
auch nach des Bapsts eygen recht und in
seiner kirchen.
XL.
Darauß man vernemen mag, was für ein
kirche des Bapsts kirchen worden ist,
darin solche feine leut die groeßten und kluegsten heiligen sind.
[ 24 uber] aber e 29 vernemen]
vermercken c was] das c]
[Seite 428]
[Einleitung]
[Seite 428]
Über die Entstehung dieser Schrift
unterrichten uns folgende Stellen aus Lutherbriefen: Am
Eine erste Bearbeitung des Themas ist
in Luthers Originalmanuskript in dem in diesem Bande schon öfters benutzten5
Cod. Solg. Mss. Qu. 8 der Nürnberger Stadtbibliothek erhalten.6 Die Abhandlung
hat hier keinen Titel, trägt aber an der Spitze einen Widmungsbrief an einen
gewissen N., aus dem sich folgendes ergibt: Ein Freund hatte sich an Luther mit
einer Frage gewendet, auf die dieser
[Seite 429]
ihm zu antworten versprochen hatte.
Luther hatte jedoch dann die Beantwortung der Anfrage hinausschieben müssen.
Jetzt endlich ist er dazu gekommen. Er bittet den Freund, wenn sein
“Gegenkämpfer” ein halsstarriger Kopf oder ein Schreier sei, sich nicht weiter
mit ihm abgeben zu wollen. Erweise er sich aber der Belehrung zugänglich, dann
solle der Freund ihm diese seine Schrift oder Meinung anzeigen. Auf diesen
“Gegenkämpfer” nimmt Luther noch dreimal im Anfang der Abhandlung (S. 435, 24.
31; 436, 8) Rücksicht. Dann verschwindet er ebenso wie der Freund N., an den
die Widmung gerichtet ist — ein Zeichen dafür, daß die in dem Briefe und dann
noch im Anfang der Abhandlung vorausgesetzte Situation Fiktion ist.1 Noch
während er die Abhandlung niederschrieb, ließ Luther jene Einkleidung fallen.
Schließlich hat er ein ganz anderes Publikum vor sich als den Freund N. und
dessen “Gegenkämpfer”. Das beweisen besonders die Schlußworte (S. 464, 19):
“Das sey fur vnser nach komen.” Damit tritt die Schrift ein in die Reihe der
für die Mit- und Nachwelt bestimmten Streitschriften, die der “Widerruf vom
Fegefeuer” eröffnete (vgl. oben S. 361).
Veit Dietrich, der ursprüngliche
Besitzer des Lutherschen Manuskripts, hat zu Anfang und Ende der Schrift einige
interessante Bemerkungen beigefügt. Er schrieb über die ersten Zeilen: ‘Hic
libellus non est editus. Sed denuo scriptus & fusius Coburgj’, und am
Schluß: ‘Hunc libellum donauit mihi Vito Theodoro Doctor Martinus XXV. Augusti
Anno 30 ea lege ne cui eum traderem. Sic enim aiebat, confusius esse omnia
tractata. Retractauit igitur eum & tandem edidit sicut vides.’ Wir erkennen
daraus, daß Luther diese erste Bearbeitung, weil sie ihm zu wirr erschien,
verwarf. Er hat sie der später im Druck erschienenen zweiten Bearbeitung
zugrunde gelegt, aber, sobald er diese fertig hatte, — wir sahen oben, daß er
am 24. August fast fertig war — am 25. August seinem getreuen Amanuensis
geschenkt. Vorher hatte er die Handschrift mit kräftigen Strichen ungültig
gemacht. Einzelne Stellen sind gitterförmig durchstrichen, also schon während
der Niederschrift der Durchsicht getilgt.
Die Handschrift ist 1975 von Adam
Wirsing herausgegeben unter dem Titel: D. Martinus Luther von den Schlüsseln.
Aus dem in der Nürnbergischen Stadtbibliothek befindlichen Original-Manuskript
von Luthers Autographis mit Anmerkungen von Adam Wirsing, Hochgraeflich
Puecklerischen Pfarrer zu Brunn vnd Hochholtz. Mit D. Luthers Bildniß.
Frankfurt und Leipzig 1795, bei Johann Gottlob Pech, Buchhaendler.
Trotz der Beihilfe des Lutherkenners
Strobel hat Wirsing an vielen Stellen falsch gelesen (oft ganz sinnlos), Worte
und Sätze übersprungen und vielfach die alte Screibung gedankenlos geändert.
Seine Ausgabe hat also keinen kritischen, kaum noch historischen Wert.
Neuerdings hat A. Freitag2 die erste
und zweite Bearbeitung unsrer Schrift einer sorgfältigen Vergleichung
unterzogen. Freilich ist der Wert seiner Arbeit
[Seite 430]
dadurch beeinträchtigt, daß er bei dem
wie gesagt sehr mangelhaften Wirsingschen Abdruck stehengeblieben und nicht auf
die Originalhandschrift zurückgegangen ist. Seine Ergebnisse sind: die erste
Bearbeitung hat Luther bei der Neubearbeitung des Themas als Unterlage gedient.
Dabei ist jene 1. in der Form übersichtlicher disponiert, 2. im Stoff um ein
eingeschobenes zusammenhängendes Stück (über den dritten und vierten Mißbrauch)
erweitert worden.
Wir geben zuerst die erste Bearbeitung
aus Luthers Originalmanuskript und dann die zweite Bearbeitung nach dem
Lufftschen Originaldruck wieder. Die Abweichungen der beiden Bearbeitungen von
einander sind zu bedeutend, als daß wir Paralleldruck anwenden könnten. Mit
Hilfe der am Rande in eckigen Klammern beigesetzten Zahlen lassen sich jedoch
die beiden Bearbeitungen leicht mit einander vergleichen.
Ausgaben.
A “Von den || Schlüsseln || Mart.
Luther. || Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
leer. 40 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg
|| durch Hans Lufft. || M D XXX. ||” — Blatt A2a Kustos “Der erst”, K4a Zeile 5
“lere”.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5811), Breslau
U., Danzig, Königsberg U., Nürnberg St., Zwickau; London — Erl. Ausg. 31, 126
Nr. 1.
B “Von den || Schlüsseln || Mart.
Luther. || Wittemberg. || M D XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
leer. 40 Blätter in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg
|| Durch Hans Lufft. || M D XXX. ||” — Blatt A2a Kustos “Der Erste”, K4a Zeile
5 “Lere”.
Satz von A gänzlich verschieden.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5812),
Hirschberg i. Schl. — Fehlt Erl. Ausg.
C “Von den Schlüsseln. || Mart. Luther.
|| Wittemberg. || M. D. XXX. ||” Titelrückseite leer. 30 Blätter in Quart,
letztes Blatt leer. Am Ende: “Getruckt im .1530. iar, am .20. tag Octob. ||”
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5815),
Nürnberg St., Wernigerode; London. — Erl. Ausg. 31, 126 Nr. 2.
D “VOn den Schlüsseln. || Martinus
Luther. || [Wappen] || Getruckt zů Basel, By Thoman Wolff. || Jn dem Jar.
M. CCCCC. XXXI. ||” Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, letztes Blatt
leer.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5820). — Fehlt
Erl. Ausg.
Jn den Gesamtausgaben ist unsre Schrift
abgedruckt: Wittenberg 7 (1554), 418b –436a; Jena 5 (1557), 217a –237b;
Altenburg 5, 350 –371; Leipzig 20, 266 –289; Walch 1 19, 1121 –1190; Walch2 19,
902 –957; Erlangen 31, 126 –184.
[Seite 431]
Die Überlieferung des Druckes ist
dürftig. In A scheint der Urdruck vorzuliegen, B ist eine zweite Auflage mit
Verbesserung zahlreicher Druckfehler und zweier Zitate, wie A von Hans Lufft
gedruckt; C ein Wittenberger Nachdruck nach A, D ein Basler, gleichfalls nach
A.
A und B stimmen in der sprachlichen
Form in allem Wesentlichen überein; nur daß B mehr große Anfangsbuchstaben und
mehr auslautende e hat. C zeigt eine Anzahl Abweichungen, zumal in der
Schreibung der s-Laute; ß fehlt in A, B vollständig; D hat alemannische Formen
durchgeführt, nur an einzelnen Stellen schlägt die Vorlage oder allgemein
mitteldeutscher Einfluß durch (fast kein ou für au). In der folgenden
Zusammenfassung sind die ständigen alemannischen Eigenheiten von D (z. B. i, u,
ü für ei, au, eu) nicht verzeichnet. Das Fehlen der unbetonten e in D ist nicht
weiter belegt, da e überhaupt hier nur zuweilen bei Adjektiven vor Femininen
(alle welt, sin liebe brut), vor Pluralen (syne wort, soliche Geberde), bei
Subtantiven zur Verhütung von Mißverständnissen erscheint.1
1) Der Umlaut von a: e > ä, ae in
äffen CD, ferner in D plaerren, laestermul, faest, waeren, in Pluralen Baepst,
Cardinael, Vaetter, schaetz, in Ableitungen auf lich: unzaelich, Baepstlich,
faelschlich u. aa., ferner waenen; der Umlaut fehlt in narren (Verb.) C,
abentheur C, in namlich, haller, zwyfaltig, schwachen, erkantniß, in den
starken Verbalformen er fart, halt D; e > oe geschoepfft CD, woelcher D; a
> e, verbrent (Partiz.), gewaelt (Plur.), taeschen, weschen D.
2) Der Umlaut von â fehlt beim st.
Verbum: er laßt (loß) D, e > ae Officiel (Plur.) B, Officiael (Plur.) C,
waeren, beschwaerung, bestaetigen, schlaefferig D.
3) Umlaut von o: oe > o oberkeit CD,
kompt BCD, der losest (Superl.) D, wollen B; o > oe in woellen (auch
bisweilen in A), gewoelt, moerden CD, gehoercht C, soellen D, doert, doerthin
(neb. dort) D, stoecknarren D, groessest CD, gehoeret CD, getroest D, o > ü
absünderung D.
4) Uml. von u (schwankt schon in A): u
> ue, ü kuendten (possent) BCD, Fuersten BCD, muegen B, wuerde BC, suende
BCD, suender B, schluessel BD, Jueden B, für C, fürchten C, luegen C, darümb C,
hinfürt D, fünfft D; vber in ABC ist als über zu fassen, da in darüber ü steht,
in D über; ue > u in sunde B, schlussel C (auch in A öfter), schuldig CD,
naturlich C, abtrunnig C, vnterdruckung CD, stucke C, zurnen C, dunkel (der) C,
iunger C, nutze C, kunfftig C, lugen D, wurde D, gulden D, Jud D; ue > i
abtrinnig D, > y tytel D.
5) Uml. von ů: u > ue fuelen
BCD, fueren BCD, stünde C, rueffen CD, kuee C, suechen C, ueben, uebung (A vb-)
D, verflücht D ist elsässisch; ue > u in buchlin, bruderlich C.
[Seite 432]
6) Uml. zu au: an > eu erleuben,
verkeufft (so auch an anderen Stellen meist in A) B, gleubig BD; eu > au
verlaugnen C, vor Labialen in haubt, erlauben, glauben, verkauffen, rauberey,
getrawmet CD, wanckelglauber C, versumen D, rumen D.
7) Die alten Diphthonge ie, uo, üe sind
in A von i, u, ue nicht unterschieden, ebenso in B, dagegen trennt C häufig u:
ů, i: ie, ü: ue, regelmäßig tut dies nur D.
8) ei: ai sind in BC wie in A
ungetrennt, in D natürlich i: ei, ebenso hier u: au, wofür nur selten ou,
letzteres einmal in roum. ei > ü in rümen D; ei > ae taeding D, > e
bede D.
9) ë > ae zaehen, zaehend,
schraecken, faeder, flaedermuß D, ferner haerschen, haerschafft D.
10) o > u, oe > ü frum B,
verkumen C, sunst, trutz, gewunnen, wuche D, kuendte B, kuenige C, fuert (<
fort) D, absünderung D, u, ue > o, oe koendte CD, jr koendt D, from, forcht,
foerchten, moegen, moeglich, thoeren, thoerst, doerffen, doerfft D.
11) a > o do CD, domit, worumb usw.
D, o weh D, unterlos C, mol, stohn, underthon, gemolt, wor, schoff, wone D; o
> a da B.
12) ue > i hilffe, abtrinnig D, i
> ü würt, würst CD, wüschen D.
13) Die Vokallänge wird in C seltener
bezeichnet, daher lere, faren, weren, keren, ruemen, ym, yr, verseret, i D ser,
ler, wan (= leer), waenen, zwen D, oefter findet sich ehe > ee: steen, geen,
meer C, Ee D.
14) Unbetontes e: es fällt im Auslaut
in C sehr oft, so in die tag, leut, Bischoff, hend, füß, schwentz; hett, hab,
sag, brauch (auch B), der dritt, dasselbig, kein, ein; ehr, Heid, Jued, kirch,
rew, nuetz; über D s. oben; e ist hinzugefügt of in B: rewe, -unge, thue,
moechte, solche, grobe, unsere, der erste; in C duerffte, habe, andere, der
Bisschove, das Reiche, gesetze, der brieve, geschwetze; es fällt im Jnlaut in C
heiligs, verpflicht (< tet), gebeicht (< tet), heidnisch, luegner,
bindschluessel, loeßschluessel, mißbrauchen, wird eingefügt in B Gottes,
solches, beraubet, treibet, verdreusset, lasset, gegleubet, straffet usw., in C
leuget, betreuget gehoeret, geprediget, regieret, ehere, fegefeur, thuen; e
vertauscht seine Stelle in geordnet CD, in zweiflen, enden, handlen D; e > i
guldin D, Gottis, heiligist C.
Von den Konsonanten sind folgende
Schwankungen zu verzeichnen:
15) b > p Pabst, Papst C, außgepreit
C, haupt, gehapt D; p > b gebot B, Bredig, Betri (!) C, brueffen D; pf >
p porten D; ff > pff scharpff D; pf > ff Schimff C.
16) t > d vberweldigen B,
überpoldert D, gedicht, dichten, doll, under, düstig (A thuerstig) D; d > t
deutsch (A deudsch) C, tütsch, kuntten, und oft im Auslaut gelt, wirt, jemant,
wert D, von t > th bemerke rathen, authoritas (im lateinischen Text),
umgekehrt Luterisch D; d > dt geredt B.
[Seite 433]
17) g > k in der Endsilbe -ickeit C,
-igklich, -iklich D, gefencknis CD, junckherrn CD, gauckel C (umgekehrt B); h
> ch gewicht (geweyhet A), hoechest, nechst, sichstu, sicht, befelch,
befelchen, geschmecht D; ck > ch in bachen D, drachen > dracken D; g >
ch schlefferich C; ch > g billigen C.
Doppelkonsonanten wechseln in A mit
einfachen regellos, häufiger ist tt in C eittel, damitt, deutten, seitten,
vatter, ähnlich in D witter, verbotten, betten, erraten, rotter, vaetter,
bemerckenswert ist wapen > wappen CD, ellend D, frume > frumme D, pfenig
> pfennig D; dagegen vereinfacht CD auch oft nach mhd. Weise: oder, weder,
muter, kome; D auch gsel, gefült, gefelt, verbant.
19) Während A kein ß kennt, ist ß in D
sehr ausgebreitet: gloße, loß, pryßte, bewißt usw.
20) Vorsilben: ver > zer in
zerstoeret D, > er ermanet D, ge > g in gwalt, gwiß, gsetz uff. D,
gfasset C ∞ geleich C, genade D, genug, gelauben; empfahen > entpfahen
D.
21) Nachsilben: nis > nus CD, >
nüß D, heit >eit kranckeit C, offenberliche > offenbarliche D, lin >
lein C.
22) Flexionsformen: des Bapsts > des
Bapst C, immer in D, des geystes > des geyst D, des schluessel >
schluessel C, schluesseln (Dat. Pl.) > schluessel D, die vnterthan >
vnterthonen, der Helle > Hellen C, den sünder (Dat. Pl.) > suendern C,
gewalten > gewaelt D, der Gemeinen > Gemeyn D, die Pfarher (Akk. Pl.) den
Pfarher (Akk. Sing.) > Pfarrhern; Official (Plur.) > Officiel B,
Officiael C; die halbe (Akk. fem.) > halben C; die vntersten > vnderste
(Akk. Fem.) D, darffstu > darffst du D, soltu > solt du D, jr seit >
sint D, er sey > sige (neben sy) D, er war > was D, gewest > gsin D, sie
weren > werent D, jhr mueget > moegen (und ähnlich öfter) D, er weis >
weißt D, wollen, wolte > woellen, gewoelt C D, sie sollen > soellen
(einmal) D, wir koennen > kuenden D, kuendte > koen(d)te CD, wuste,
gewust > wüst, gewüst CD, gewist D, stehen > staan, stahn > ston,
staat usw., einmal sie staehn D, haben > han D, gehen > gahn, gan, gaat
usw. D, über den Wechsel von oe und ue in thueren, muegen, duerfen, s. o.,
werde (Jmperat.) > wirt D, er helt, fert, leßt > halt, fart, laßt D; leuget
> lügt D, keme > koeme C, ge im Partiz. fällt in D weg bei bunden, geben,
than; verbrand > verbrent D, beruffen (Partiz.) > berůfft D.
23) Wortformen: Absolution >
Absolutio BC, gesetz > gesetze C, Jungher > Junckherr, bisschoff >
bisschoue (mehrmals) C, Fegfewer > Fegefewer C, ruge (Ruhe) > ruw CD,
trunkenbold > truncknerboltz D, die gewalt > der gewalt, das erkentnis
> die erkantnüß, der (das?) schos > die schoß, das finsternis > die
finsternüß, die tauffe > der tauff, der Drachen > Dracken, heyligthum
> heylthum, hülse > hülschen, Hiob > Job, sprichwort > sprüchwort,
eigendünckel > eigenduncken mond > mon, lewe > löw, leüw, schrifft
> gschrifft, kirche > kilche D, solch > solich CD, einerley >
eineley C, manhfeltig > manigfeltig C, ferlich > gferlich, eisern >
ysener D; gegenander > gegen einander CD,
[Seite 434]
um deinenwillen > um deinetw. C,
dienentw., üwertw. D, desgleich > desgleichen C, selber > selbs D, nichts
> nüt, nütz D; handeln, endern, ordent > handlen, endren, ordnet,
schnarcken > schnarcklen, foddern > fordern (auch C), feilen > faelen,
felen (so auch C), verdamnen >verdammen, ruffen > rueffen (schwach) D,
empfahen > entpfahen; schweige (geschweige denn) > schwygen; drein, draus
usw. > darein, daraus C, dadurch, dafur, davon > dardurch, darfur, darvon
CD, darinnen > darinne C, sondern > sonder CD, sintemal > seintemal C,
sytemol D, nicht > nit CD, nüt D, zu (beim Jnfin. und sonst) > ze C, jtzt
> netzt CD, jetz C, fur (mit Dativ) vor D sonst für, denn (in allen
Verwendg.) > dann, wenn > wann D, droben > doben D, etwa > etwan D,
weil > dwyl, die wil D, fort > fürt D, nimer > nyemer D, so > also
D, Awe > owe D, dennoch > dennocht, dannoch D, dismal > dißmols D.
24) Wortwahl: pfloeglin > zwecklin
D, butter > ancke D, beutel > seckel, marterwochen > karwuchen
,starblind > gar blind, dürr (mit d. Worten > klar, goecken >
schnocken, kriegen > überkomen D, betreffen > übertreffen (superare) D,
setzen (annehmen) > schetzen; bereit (jam) > vorhin, allzu(vil) >
nüme, welch ein > wye ein, wedder (nach Kompar.) > dann, seer > fast
D.
Bemerke ferner gegen mit Akkus. > gegen mit Dativ D.
[Seite 435]
[Erste Bearbeitung in Cod. Solg. Mss.
Qu. 8.]
1530
[Seite 435]
[Bl. 9a] Meinem gonstigen lieben herrn
vnd freunde D. Martinus LutheR
Gnad vnd fride ynn Christo vnserm
herren̄
Jch hab ein wenig verzogen euch auff
die frage zu antworten, wie yhr mich n̂hest gebeten, vnd ich
verheissen hatte. Es ist aber nicht mein
schuld, Sondern des viel schreibens, das
ich sonst habe, Vnd bitte euch vmb eines, das ich dazu mal vergessen habe, Wo ewr gegen kempfer ein
hallstarriger kopff odder ein schreier
ist, So kund yhr nicht bas thun, Denn lasst yhn faren, vnd seid mit yhm vnuerworren Denn mit solchen leuten von der
schrifft zu handeln, ist vmbsonst,
[Matth. 13, 4] Sie horen doch nicht Vnd sind alle gute rede da verloren
vnd der same an den [Spr. 4, 7] weg
gestrewet, So sagt auch der weise Salomo, Wo nicht zu horen ist, da schutte kein wort aus, Auch wil ich (ob Gott
wil) hinfurt yhn sonst zu schreien gnug
geben Jsts aber ein man der sich wil weisen lassen vnd begerd zu lernen mugt yhm diese meine schrifft odder
meinūg anzeigen, Gott geb vns allen
seine gnade, Amen
[Matth. 16, 19; 18, 18] Es ist der streit
odder frage von dem spruch Christi Matth. xvj. vnd xviij, Dir wil ich die schlüssel [Bl. 9b] zum
himelreich geben, Was du binden wirst
auff erden sol gebunden sein ym himel, Vnd was du losen wirst auff erden sol los sein ym himel. Welchs doch der
recht grundlicher, gewisser verstand sey
dieses sprüchs, weil der Bapst vnd die seinen, diesen spruch auffwerffen, vnd damit verteydingen wollen yhre gewallt,
gesetze zu stellen vber die Christlichen
kirchen, vnd mit menschen gebotten druber zu hersschen, Vnd ewr kempffer meinet, er hab damit den Luther gar
vmbgestossen, vnd man musse der kirchen
(das ist wie sie sagen) des Bapsts vnd der Bisschoue gebot hallten, bey verlust der seelen heil, Denn sie mugen
binden vnd den himel zu schliessen wie
Christus hie sagt.
Jch wil hie dismal nicht handeln, ob
der Bapst vnd die Bisschoue, auch die
vnd solche Person sind, zu welchen Christus hie redet, Daran doch die gantze macht ligt, Denn wo sie die person
nicht sind zu den Christus hie redet, so
mus ewr kempfer ia selbs bekennen, das vngereymbt ding ist, wo sie sich solcher wort annemen, vnd der gegebenen
schlussel rhǔmen gleich wie ein dieb
sich frembder guter gar vbel rhǔmen kan. Wo mit wollen sie aber beweisen, das sie solche personen sind? Sagen sie das
sie der Apostel stǔlerben sin̂d, Wo mit wollen
[Bl. 10a] sie das selbige auch beweisen? Wir lassens zu vnd
[ 11 Vnd 〈ist d〉 13/14 Auch —geben rh 17 xvj
vnd rh 19 erden 〈&c̄.〉 28 Jch wil rh 〈Erstlich Wil ich〉 hie 32/33 gleich —kan rh 32
rhumen 〈wie〉]
[Seite 436]
bekennens, das sie der Apostel Stǔel
besitzen, Aber ob sie mit recht drauff
sitzen, vnd der Apostel rechte erben seien, das wil wol vnbeweiset
bleiben, Denn sie treiben der Apostel
ampt nicht, vnd furen des Stǔels werck nicht, son̂dern das widerspiel, vnd missebrauchen
des Stǔels yhrem eigenthum, Vnd kan
wol ein schalck ein frembd gut besitzen Darumb sind sie freylich nicht die personen, zu denen hie Christus redet
[2 –4] Aber wie gesagt, solchs wollen
wir itzt sparen vnd von der sachen selbs
handeln, Weil denn ewr kempffer für gibt (wie sie alle sampt thun)
das, Binden, an diesem ort, solle
heissen so viel als gesetze odder gebot stellen, muste man sie ia fragen, jnn welcher schulen man
solche sprache leret, das, Binden,
heisse, gesetz stellen, fur eins, fur das an̂der, ob gleich yrgent eine
schule funden wurde, die also redet vnd
reden leret, sollen sie weiter auch beweissen, das, Bin̂den, hie an diesem ort, auch so viel
musse heissen als gesetze stellen, Vnd
dasselbige, mit klarer heller schrifft beybringen Denn weil dieser spruch, yhr grund vnd heubtstuck ist, mussen sie den
selbigen hell vnd gewaltig beweisen mit
klarer schrifft, Thun sie das nicht so sehet vnd greifft yhr hiemit, das sie ym [Bl. 10b] finstern vnd tünckel
gehen̂, Vnd
bawen auff den sand vnd vngewissen
grund, ja sie gehen mit lugen vmb, das sie den spruch zum gewissen grunde legen, und alle wellt damit trotzen
vnd vberpochen, so sie doch des gantz
vngewis sind, Vnd damit gar nicht zum grund legen noch haben konn̂en̂, Denn wer Vngewis fur Gewis leret vnd die
leute darauff furet, der leuget vnd
verfuret eben si wol damit, als, der eine eigen lugen ertichtet vnd die leute darauff furet,
Er mag vielleicht sagen, Der Bapst vnd
die seinen deǔten diesen spruch
also, vnd den mus man gleuben, als die macht haben die schrifft
auszulegen Antwort ich, Das las ich wol
geschehen, das sie die schrifft auslegen, wie sie wollen Aber wo haben sie die macht, das solch
yhr deuten recht musse sein, vnd das sie
mich mugen zwingen, solche auslegung zu gleuben vnd zu halten? Er wird hie vielleicht sagen, Sagt doch hie
Christus, Was yhr bindet, sol gebunden
sein, Antwort, Das ist werlich fein geredt, Du furest diesen spruch yhre gewalt zu beweisen, Vnd bist itzt ynn
dem handel den spruch selbs zü beweysen
vnd gewis zu machen, das solchs seine meinung sey, vnd du furest yhn nǔ als were er schon gewis vnd
beweiset Stehet deine beweisung darauff,
so stehet sie auff eym Peltz erhmel1 [Bl. 11a] Wenn dich yemand einen
dieb scholte, vnd du forderst, das ers
solt war machen, Vnd er fieng an, das selb
[ 3 nicht (1.) 〈So〉 5 Vnd —besitzen rh besitzen 〈gleich wie ein die [b]〉 Darumb 〈gehet〉 7 itzt o 13 so viel rh 14
beybringen rh 15 vnd (2.) 〈klerlich〉 gewaltig rh
20 sind rh 21 darauff c aus damit 25 vnd o 27/28 das —vnd (1.) rh 29 Er c aus
Ey hie (1.) steht über 〈er〉 31 Nach handel ursprünglich:
das du den selbigen spruch selbs solt beweisen 32 vnd (1.) —machen rh du 〈nimpst〉 33 nǔ 〈auff sich selbs〉 als 〈hettestu yhn〉 35 fieng an, 〈zu b〉 35/437, 1 das (2.) —machen rh
]
[Seite 437]
war zu machen auf die weise, vnd spreche
Soltestu nicht ein dieb sein Bistu doch
ia ein Dieb, Wie wurde dir solche beweisung gefallen? Also hie auch, do solt beweisen, das Binden heisst,
gesetz, vnd gebot stellen, so ferestu
daher, vnd sprichst, Solt Binden, nicht heyssen, gesetz stellen, Bindet
vnd gebeut doch der Bapst durch diesen
spruch? Jst das nicht ein fauler grund? Darinn
auch ein kind sehen mag, das sie diesen spruch Christi felschlich furen
vnd eine schedliche lesterliche lugen
draus machen zur tyrannen vber die liebe
Christenheit
Vnd zwar, Wo vns Christus nicht mehr hette
wollen geben mit den schlusseln, denn
gewalt, eusserlich gesetz vnd gebot zu stellen, hette er sie wol mugen behalten, Wir kundten yhr wol geraten,
Denn da ist Welltliche oberkeit, Vater,
Mutter, HERR, fraw, trewe freunde, Alte leute &c̄. die vns gnugsam vnd vberflussig mit eusserlich gesetzen vnd
geboten versorgen konn̂en, Vnd solten
auch billich nicht der kirchen schlussel, Sondern musten Pfaffen
Schlussel, Bisschoff schlussel odder
Bapsts schlussel heissen, Sintemal die kirche hat der meinūg nach nichts dauon, denn schaden
vnd verderben, als da durch sie mit
gesetzen vberweldigt vnd unterdruckt wird [Bl. 11b] Aber Bapst, vnd
Bisschoue, die haben dauon alle gewalt
vber ehre gut, leib vnd seele, der gantzen wellt Haben damit ein keiserthum gestifft,
mechtiger vnd schier auch grosser denn
das Romissche yhe gewest ist
Nu ist yhe das gewis das Christus die
schlussel nicht den Bisschouen allein
sondern viel mehr seiner lieben kirchen, Vnd nicht zum schaden sondern zum nutz gegeben hat, Auch nicht zum
eusserlichen nutz, leibs vnd guts, Sondern
zu der seelen geistlichem nǔtz, So ist ia das auch gewis, das
eusserliche [Ebr. 13, 9] gesetze der
seelen nichts helffen̂, wie Ebrȩos xiij stehet, das ein hertz musse fest
werden dürch gnade vnd nicht durch speise, welche keinen nütz geben
denen, so damit Gott dienen wollen, wie
auch darumb S. Paulus allenthalben [Luk.
17, 20] solche lere vnd gesetze verbeut vnd verdampt Vnd Christus spricht
selbs, Luce xvij, das Gottes reich kome
nicht mit eusserlichem geberde, wie solt er denn schlussel dazu geben, das man sein reich an eusserliche
gesetz vnd geberde sollt bin̂den? So heisst er
sie auch nicht schlussel des erdreichs, sondern schlussel des himel reichs, odder zum himel reich, das wir da
durch sollen zum himelreicht komen, Vnd
ist doch vm muglich dürch eüsserlich gesetz vnd gebot ia auch durch kein einich werck yns himelreich zu komen
[ 1 vnd spreche rh sein o 3 stellen steht über 〈machen〉 4 gebeut c aus gebeuts 5 durch
—spruch rh 7 lesterliche rh 9 geben 〈durch〉 10 eusserlich rh 14 solten steht über 〈hiessen〉 billich rh nicht 〈billich〉 15 Sintemal steht über 〈Denn〉 16 nach rh 18 alle o vber rh ehre 〈vnd〉 21/22 nicht —mehr rh 22 Vnd o
23 Auch steht über 〈Vnd〉 24 zu rh So
steht über 〈Nu〉 auch o
25/26 musse —werden rh 27 wie 〈sie〉 28 solche —gesetze rh 30 geben dazu um vnd geberde rh 31 heisst er sie c aus
heissens 34 einich rh]
[Seite 438]
Vnd hie guckt er fur der rechte
trachenkopff, der Vater aller lugen, der
sie hat geleret diesen theuren heilsamen spruch, so schendlich vnd
lester [Bl. 12a] lich zur lügen machen,
Denn dieser spruch ist ein grund des Christlichen glaubens, vnd foddert auch den glauben, Erhellt vnd
sterckt den glauben, hat aüch sonst mit
nichts zu thun, denn mit dem glauben wie wir her nach horen werden So furen sie vns Christen eben mit diesem
spruch, vom glauben auff werck, Dazü
nicht auff gute werck, sondern auff eusserlich geückel werck vnd
kinderwerck, die sie selbs ertichten vnd
Gott nicht geboten hat, Vnd machen beide
diesem spruch vnd aller welt solche nasen1 das Wer dem Bapst gehorsam
ist, der komt gen himel, denn er hat
durch die schlussel macht zu binden das
ist, zu gebieten, Wer das hellt, dem thut er den himel auff Also darff
man denn vnsers herrn̄ Christus odder glaubens gar
nichts zum himel reich, Sondern wir
haben nǔ eigen werck, dürch des Bapsts binden, vberkomen, die selbigen furen vns durch die schlussel gen himel,
Also sol man die wort Christi auslegen,
das wir dadurch lernen den glauben
verlieren, vnd vergessen Christum verleucken verlestern vnd verdamnen vnd an des stat, vns selbs, vnser eigen werck
vnd lere, rhumen vnd drauff bawen, Das
mugen ia trewe hirten vnd seelsorger heissen, Denn sie haben bey diesem
spruch, des lieben glaubens, nie kein
mal gedacht, Sondern den selbigen geschwigen, vnterdruckt, vnd allein die werck, durch Bebstliche [Bl.
12b] gesetze aüffgelegt dürch diesen
spruch getrieben vnd gesterckt zu solchen gesetzen vnd wercken hat er
mussen dienen vnd sonst nirgent zǔ,
aüff das sie herren vnd tyrannen wurden vber
die Christenheit, Vnd Christus mit seinem blut vnd leiden vntergienge,
Dis alles konnen sie nicht leucken, Es
ist am tage, das man mit diesem spruch
nicht hat Christus blut vnd leiden noch Gottes furcht odder gnaden
gepreiset, Sondern des Bapsts gewalt
damit auffgeblasen ynn seinen gesetzen nicht allein vber alle lebendige menschen auff erden
sondern auch vnter der erden yns fegfewr
vber die todten menschen vnd zuletzt ynn den himel vber die engel, auffs aller vnuerschamptest erhaben, Welcher
grewel nicht so sol vergessen werden,
wie sie itzt hoffen̂
[] Wo fur sol man nu diese leute doch
halten die vns die schrifft so von der
furcht vnd gnaden Gottes redet auff vnser werck deuten? Denn es
[ 2 vnd o 5 mit (1.) o 6 vns o eben o 7 Dazü steht über 〈vnd〉 eusserlich rh 8 hat o 9 solche steht
über 〈diese 〉 10 durch die schlussel rh das steht über 〈das〉 12 odder glaubens rh 14 himel,
〈da es zisschet〉2 15/16 den glauben steht über 〈Christum〉 16 vnd (1.) o Christum o verleucken 〈vnd〉 19 geschwigen hierzu auf dem
innern Rande quer geschrieben: Nunquam enim fidei hic meminerunt, sed tacuerunt
[Abbreviaturen aufgelöst] 21 vnd gesterckt rh gesetzen vnd rh 25 furcht odder o 26
gesetzen 〈vnd zu letzt〉 26/27 nicht —erden (2.) rh 28 zuletzt steht über 〈darnach〉 31 halten 〈welche vns〉 die vns steht über 〈So〉 so steht über 〈welche〉 32 furcht vnd o redet c aus reden deuten? 〈Sinte[mal]〉 es steht über 〈das〉]
[Seite 439]
mus auch die naturliche vernunfft bekennen, ob
sie gleich on glauben vnd Gotts wort
ist, Das gnade vnd Recht odder gnade vnd werck nicht ein̂erley sondern zweyerley vnd wie himel vnd erden,
geschieden sind, das ein spruch, so von
der gnaden redet, kan nicht zu gleich vom Recht, Werck, Verdienst reden noch verstanden werden Vnd wer so thurstig
ist das er solchs thut, der ist ein
falscher lugener, verkerer, verfurer vnd betrieger der leute, Nu thun ia solchs diese [Bl. 13a] lugener nicht ynn welltlichen
Rechten odder sachen, da es doch
vnleidlich were, sondern hie ynn Gottes wort vnd sachen, das ewige leben vnd sterben betreffend, Vnd mus dazu
artickel des glaubens heissen, das, wers
nicht anbetet, fur Gotts wort, an der seele verdampt vnd am leibe verbrand sein mus, wie ein ketzer, Wie
solten sie schreien vnd wueten, wo sie
vns also kundten eines solchen grewlichen yrthumbs vnd verfurung so vieler tausent vnd aber viel taüsent
seelen, vberzeugen, Noch mussen wir
ketzer, vnd sie früme Christen vnd trewe hirten sein
Darumb lasst vns das feste fassen,
auffs erst, das die wort an yhn selbs
solchen verstand nicht geben mugen, zum andern, das auch die meynūg Christi nicht leiden kan, Denn Christus selbs
nennet sie Schlussel des himelreichs und
nicht schlussel des erdreichs was aber nicht zum himelreich hilfft, das ist nicht vnd kan nicht sein ein
schlussel zum himelreich, wenns gleich ein
engel vom himel selbs saget, So hastu ia gehoret, das auch die werck
von Gott selbs geboten, nicht zum himel
helfen Sondern der glaube an Christum
vnd die blosse gnade Gottes thuts, viel weniger vermugen das die
eigen werck von menschen geboten vnd
ertichtet, Darumb sehen wir hie wie felschlich
der Bapst die schlussel ynn seinem wapen füret, Es sind auch nicht die
schlussel der kirchen züm himel, dauon
Christus redet, sondern̄ Es sind schlussel des
Bapsts zum abgrǔnd der hellen, den teuffel vnd seine Engel damit
los zu machen vnd ynn die Christenheit
zǔ brin [Bl. 13b] gen vnd die christen seelen [Offenb. 9, 1] damit zu binden vnd ynn die
helle zu furen gleich wie Apocalypsis viiij auch der bosen Engel einer, den schlussel zum
abgründ hat, Die Schlǔssel zum himelreich
solt die kirche furen, vnd an die kirchen solt man sie malen, vnd n̂icht dem Bapst ynn sein wapen setzen, Ein̂ teüffels kopff stunde besser
drinnen
[] Weiter zum dritten wollen wir yhr
narrwerck noch bas rüren, vnd yhren
hubschen verstan̂d anzeigen, Wenn binden sol so viel heissen als gesetz stellen, So mus widderumb, losen, so viel
heissen, als gesetz abthun odder auffheben,
[ 1 naturliche rh 3 zweyerley vnd
rh sind, 〈darumb〉 das steht über 〈wo〉 4 so o redet, 〈der〉 zu gleich rh 4/5 reden noch o 5 werden
rh wer 〈es fur nimpt〉 6 falscher rh ia o 7 lugener steht am Rande vor 〈leute〉 8 hie o vnd 〈den seelen〉 8/9 das —betreffend rh 10 vnd
rh 13 viel o 15 fassen, 〈das〉 15/17 auffs —Denn rh 18 vnd —erdreichs rh erdreichs 〈Vnd [steht über 〈Darumb〉]〉 aber o 19
sein 〈der〉 20 die 〈gebot vn〉 21/22 Sondern —thuts rh 22 eigen o 23 wir hie o 24
füret, 〈Er sollt〉 25 der kirchen rh 25/26 Es —Bapsts rh 26 vnd seine Engel
rh 27 die (1.) 〈wellt〉 zǔ o
32 zum dritten o]
[Seite 440]
Nu sage mir wer da wil Wenn hat der Bapst yhe
ein mal ein gesetze abgethan, da mit er
die Christenheit so iemerlich gebunden hat? Wenn ist dieser löse schlussel yhe mals ym brauch
odder werck gewest? Binden hat er wol
ymer getrieben, vnd der bindeschlussel ist ynn vbungen vnd brauch gangen, das er gleisset, Aber der loseschlussel ist
gantz mussig, gelegen, verrostet vnd verdorben,
Warumb furet denn der Bapst zween schlussel ynn seinem wapen, so er doch des einen nimer mehr braüchet, vnd
allein des bindeschlussels braucht? Es
solt ia einer so wol ym brauch gehen als der ander, denn Christus hat sie ia beide gegeben So weis man
ia wol, das der Bapst seiner gesetz
keines wil los odder abgethan haben, Sondern mehret sie teglich vnd hat auch noch nie keins auffgehaben
[Bl. 14a] Ja lieber, sollt er, Loesen,
vnd die gesetze eins teils auffheben,
das, mocht ein anfang vnd einriß1 werden, die andern gesetz allzumal
auffzuheben vnd seine tyranney zu
reformieren vnd ringern̄, Darumb ists besser,
das man ymer dar binde, vnd nymer mehr lose, vnd male doch zween schlussel, den leuten das maul zu schmieren2
halte aber allein vber dem einen
bindeschlüssel, der Loseschlussel würde zu gros vngluck an richten,
beide gewallt, ehre vnd gut eben mit
solchem hauffen wegnemen̂, mit welchem es der bindeschlussel zutregt, Das sehen wir auch itzt fur augen,
wie fest und hart sie halten, das sie
gar nichts losen odder nachlassen wollen, da sie doch wissen, das sie vnrecht gebǔnden haben, den
Loseschlussel konnen sie nicht finden,
Lieber (sagen sie,) Weichen vnd reumen wir ynn einem stück, so mussen
wir ynn mehr stucken weichen, das ist
vns nicht zu leiden, Ja freylich, Jhr habt
den schnuppen nicht3, lieben gesellen Aber wolt ÿhr den loseschlussel
nicht finden, So wollen wir yhn also
finden, das yhr beide bindeschlussel vnd
löseschlussel verlieren solt, denn ich hore sagen, Sie hengen an
einander an einer keten, kriegen wir
einen, so sol der ander auch mit, das yhr hinfurt nicht mehr binden sollt, kund yhr binden so
konnen wir losen
[Bl. 14b] Ja sagen sie, der Bapst
braucht des loseschlussels auch, wenn er
dispensirt, vnd seine band vnd gesetz vmb gellt nach lesst (ich hette
schier gesagt,) verkeufft Was sol man
sagen? Heist das losen, wenn man das
gesetze des bindeschlussels vmb gellt verkeufft? Warumb loset er nicht
auch vmb Gottes willen odder vmb der
seelen not willen? Jch meinet aber, der
Loseschlussel solt so gros sein vnd so weit vnd ferne losen, als der
bindeschlussel bindet. So hore ich
nǔ, das er dispensirt, das ist, Er lesst den Bindeschlussel vber den gantzen gemeinen hauffen bleiben vnd
ymer fort binden vnd
[ 1 ein rh 6 Bapst steht über 〈bose wicht〉 8/9 denn —gegeben rh 10 los 〈ha[ben]〉 13 vnd einriß rh 15 dar o mehr rh doch o 16 den —schmieren rh 18 eben o
20 losen odder o 21 gebǔnden rh 23 leiden, 〈darumb hat der loseschlussel〉 25 also rh 26 solt o 27 hinfurt 〈widder〉 32 verkeufft vmb geld um 33
willen? 〈Awe〉 34 ferne 〈binden〉]
[Seite 441]
die seelen gebunden halten, Aber einen odder
zween hilfft er aus solchem banden, doch
nicht aus krafft seines loseampts, Sondern aus vorbitt vnd mittel des grossen Gottes Mammon, on welchen
sein loseampt gar tod vnd abe were,
Warumb furet denn der Seelmorder, ynn seinem wapen zween schlussel gleich gros, so er sie doch nicht
gleich gros haben noch leiden wil? Er
sollt allein den bindeschlussel lassen das gantze feld fullen, vnd das arme lose schlusselin, kaǔm eins monkornlin
gros sein lassen, Ja, er solt Mammon an
stat des vnnutzen loseschlussels füren.
Also mus nǔ das arme
Loseschlusselin, nicht seines ampts brauchen,
sondern dem bin̂de[Bl. 15a] schlussel, helffen gelt vnd gewallt mehren,
obs der bindeschlussel fur sich allein
zu weng thet. Also mocht der loseschlussel auch
ein new ampt kriegen, das er die leǔte loset, nicht aus der hellen,
sondern aus der fahr yhr gellts vnd
guts, denn der frume trewe loseschlussel sorget, Sie mochten yhr gellt vnd gut verlieren,
odder mocht yhn gestolen werden, darumb
wil ers yns Bapsts beutel legen vnd verschliessen, Das euch buben Gott straffe allesampt, wie gehet yhr vmb mit
dem theuren wort Gottes vnd mit den
armen seelen ynn der lieben Christenheit, verkeufft yhn das hellische feur vmb yhr gellt vnd gut, ia vmb
yhr leib vnd seele
Aber hie, zum vierden, hore mir
allererst recht zǔ, was grosser kunst
aus dieser sprachen folget, wenn Binden, so viel heisst, als gesetz
stellen, Vnd Losen so viel als gesetze
auffheben, Welchs auffheben doch auch nu aber auff ein ander sprache, heisst, dispensiern, das
ist, vmb gellt verkeuffen, Denn sie
konnen alle sprachen anders machen, Vnd weil sie vol heiliges geists
sind, ists nicht wunder, das sie mit
newen zungen reden, Jch wolt aber, sie musten
auch mit feurigen zungen reden, wie es doch einmal geschehen wird. Wolan
das wir solch yhr Rotwelssch odder
küderwelssch wol lernen, So lasst vns merken, das, Bin̂den, [Bl. 15b] heisst Gesetz stellen,
So mǔs gewislich, Band, ein gesetz heissen, Gebunden, mǔs ein Christ heissen, der
mit solchem bande sich binden lesst
odder gebunden ist, das ist, der das gesetz des Bapsts hellt vnd
gehorsam ist, Das mercke wol (sag ich)
das ein gebundener heisst ein gehorsamer dem gesetz des Bapsts, der sein Band gern leidet vnd hellt. Vnd dar
umb auch, als eim gehorsamen kinde der
kirchen, das himelreich gebürt, wie yhm denn der Bapst verheisst vnd on zweiuel nicht leuget, Sollts gleich
ein geuckel himel sein.
Nu hallt die sprachen zu samen,
Christus heisst den, gebünden, der als
ein ungehorsamer, verbannet ist, vnd seine sunde nicht vergeben
sondern behallten sind, vnd das
himelreich yhm verschlossen wie er auch dem heisst [Matth. 22, 13] hen̂de vnd fusse binden ym
Euangelio Matthej 22 vnd yns finsternis werffen
Los aber, der von seinen sunden ledig vnd entbunden ist, dem der himel
[ 1 die seelen rh 7 lose steht über 〈binde〉 8 des 〈binde〉 vnnutzen rh 15 euch 〈verzweifelten〉 16 allesampt rh vmb rh 19 zum
vierden o 21 auffheben (2.) o 23 anders rh 24 aber o 28 mit rh 33 on zweiuel
rh geuckel 〈odder trawm〉 36 vnd —verschlossen am
rechten Rande 36/37 wie —werffen am linken Rande 38 ledig vnd rh]
[Seite 442]
auffgethan ist, Dagegen setzt der Bapst,
Gebunden heisst der ynn seinen banden
ist, gehorsam vnd sich gerne binden lesst, vnd solle selig sein, Wo
nǔ aus? Christus spricht, gebunden
sein, ist verdampt sein, Bapst spricht, Gebunden sein, ist selig sein, Vnd reden alle beide
von einerley spruch vnd wort ym
Euangelio? Wem wollen wir gleuben? Jch acht, wir gleuben dem Bapst, so sind wir gute Christen, Gleuben wir
Christo, so mussen wir ketzer sein̂, denn Christus
hat die schlussel von sich gegeben, Er kan vns dadurch nu nicht mehr helffen, der Bapst [Bl. 17a] mus hie
freundt der beste sein̂, sonst sind wir
verloren,
Aber es hat hie widderümb auch einen
mangel, Denn sie selbs vn̂ser lieben
papisten, die das, Bin̂den, heissen gesetz stellen, die leute zu leren zum himel, sagen auch widderǔmb, das es
heisse, sünde behalten odder straffen,
das also, das selbige wort 〈Binden〉 gleich eben an einem Ort, heisse zweierley, nemlich gesetz stellen vnd doch widderumb
auch nicht gesetze stellen, sondern die
sunde behalten vnd straffen, Widderumb heisst es auch, Sunde behalten vnd straffen, vnd doch abermal widderumb
nicht sunde behalten, odder strafen,
Sondern gesetze stellen, die leüte damit züm himel zu furen, Denn
gesetze stellen vnd sunde behalten kan
nicht einerley verstand sein, Reymen sich auch
nicht yn̂n einerley wort vnd rede Was wil hie nü werden? Christo thar ich nicht gleuben, ich werde sonst ein
ketzer, Dem Bapst kan ich nicht gleuben,
denn er heisst sich selbs ynn sein maul liegen, Vnd hewet sich ynn seine
eigen backen1 vnd ist Ja vnd Nein, ein
Ding bei yhm, Noch ists ein artickel des
glaübens, Vnd ist das Binden von gesetz stellen verstanden, so
getrieben, das fast der einige grund
ist, da das Babstum auf stehet. Vnd solt dieser
verstand fallen, Vnd wie Christus sagt von den sunden zu binden
verstanden werden so ligt gewislich
Bapst vnd teuffel auff einem hauffen ym
abgrund mit allen schanden, als die Lugen Veter vnd Lugen Meister vber
alle lugener.
[Bl. 16b]2 Das sie aber ym Binden
diesen verstand, die sunde behalten auch
brauchen, da bringt sie Das Loesen zu, das sie dennoch auch sunden losen vnd ledig lassen, Ja Sie losen weidlich
vnd allzu viel, bis sie ynn
[ 4 alle o 6 wir (1.) 〈selig〉 11 lieben 〈HERRN〉 gesetz 〈gebe〉 11/12 die (2.) —himel rh 12
behalten 〈odder verurteilen〉 odder
straffen rh 13/14 zweierley, nemlich steht über 〈beide〉 14 auch o 15 vnd straffen
rh Widderumb steht über 〈Vnd also〉 16 vnd straffen rh abermal o 17/19 Denn —rede rh 19
werden? 〈Der〉 20 sonst o 22 Nein 〈gleich viel〉 23 das o verstanden rh 25/26 Vnd —werden rh 27 schanden, 〈w〉 28 Nach lugener das auf Bl.
16b wiederholte Verweisungszeichen ÷÷÷ Bl. 16 enthält also ein Einschiebsel. 29
ym Binden o die steht über 〈Vom〉 sunde 〈zu o〉 31 viel, bis sie steht über 〈wie schendlich, das hie ym e sie es ha〉]
[Seite 443]
diesem andern verstande auch das spiel vmb
keren, Vnd gleich wie sie dort ym ersten
verstand, keinen loseschlussel haben noch brauchen, Sondern konnen nichts denn ymer binden, Also widderumb, ynn
diesem andern verstan̂d, haben sie keinen bindeschlussel,
konnen nichts denn eitel los geben, vnd frey ynn allen sunden vngestrafft leben lassen, wie ein
iglicher will, Darumb halt ich, wer yhn
helffen wolt, der mocht yhre beide verstand, noch wohl ynn diesen spruch Chri reymen vnd teilen, also, das Binden
heisse, nach dem ersten verstand,
gesetze stellen, Vnd losen heisse, nach dem andern verstand, sunde nach
lassen, Vnd also, Binden dort hin, vnd
Losen hie her gehe, Vnd sey summa die
meinūg, Christus hat dem Bapst vnd den̂ seinen hie macht geben, das
sie ander leute binden vnd alle wellt
mit gesetzen plagen sollen, Aber yhnen
selbs hat er macht gegeben, das sie los, frey vngestrafft vnd vnuerschampt auffs aller schendlichst leben mugen vnd allerley
sunde frey nachgelassen haben
[Bl. 16a] Diese meinūg were
kostlich vnd der Christlichen kirchen seer
nutzlich vnd trostlich, Denn nach dem ersten verstand, besserten sie die
kirchen mit hubschen leren̂, nach dem andern verstand,
besserten sie mit yhrem feinen guten
leben, Vnd hulffen also der kirchen, beide mit worten vnd mit wercken, beide mit lere vnd exempel, bis eitel Sodoma
draus wurde Schimpf vnd ernst, der
Teuffel hat solchs mit yhrem rechten verstand ym Binden warlich gemeinet vnd auch ausgericht.
[Fortsetzung Bl. 17a] Es heisst, Wer
von Gott wil vngeschendet sein, der
lasse yhm sein wort vngeschendet, Wil [Bl. 17b] ers nicht vngeschendet
lassen, so gewart er des, das itzt ynn
diesem spruch, den lugenern den Papisten
widder feret, Welche diesen spruch, auch geschendet haben, das Binden
solle gesetz stellen heissen, Vnd mussen
nǔ als die lugener mit allen schanden das anders lernen, vnd das gantze Bapstum so darauff
gestanden zu grund sehen fallen, Denn ob
sie gleich toll vnd toricht weren odder noch wurden, so thuren sie das nicht sagen, das Gesetz stellen, seÿ ein
Ding, mit, Sunde behalten, Sintemal
gesetz stellen, gehet vber die gantzen gemeine vnd leret, was man
hin furt thun vnd lassen solle, Vnd ist
nichts anders denn eine Lere, Aber Sunde
behalten, gehet vber eintzele person odder ettliche vnter der gemeine, vnd strafft die vergangen sunde widder die
gesetze so bereit gestellet sind, Vn̂d
ist nichts anders denn eine straffe der vbergangen lere odder gebot,
trifft auch nicht die gantze gemein̂e
[ 2 Sondern 〈bin[den]〉 4 frey 〈lassen〉 5 lassen rh 6 wolt steht über 〈kund〉 7 Chr̄ī rh vnd teilen o 11 sollen, 〈Vnd〉 12 selbs o 14 haben 〈Diese meinūg die〉 15 seer o 16 Denn 〈mit〉 17 mit (1.) 〈der〉 hubschen o leren̂ c aus lere 18 guten rh 19
exempel, 〈Vnd Schimpfflin〉 bis —wurde
rh 20 yhrem 〈Binden vnd gesetz〉 rechten rh
24 den Papisten rh 25 spruch, 〈auff yhn〉 26 als die lugener rh 26/27 das —lernen steht über 〈dauon lassen〉 27 Bapstum 〈druber〉 so —gestanden rh 33 widder —sind rh 34
gebot, 〈Vnd〉 35 auch o]
[Seite 444]
[8 u. 9] Aüs solchem lugen verstand,
haben sie darn̂ach n̂och
einen grewel gesponnen, vnd teilen die
schlussel machen ettliche Errantes, denn es mus
ymer eine luge die ander geberen, Der feyl schlussel sol heissen, wenn
er yrret, als wenn der Bapst yemand bindet,
der doch fur Gott nicht gebunden ist,
odder loset, der fur Gott nicht los ist, da yrret der schlussel vnd schaffet nichts, denn er feylet vnd trifft
nicht recht zǔ, Es thut mir doch
dieser lesterlicher grewel so mehe, das ich nicht weis [Bl. 18a] wie ich
mich doch an yhm rechen sol, Jch wolt
yhm gern vbel fluchen, so hab ich nicht
wort gnug dazǔ, Wolan ich neme den bosen deudschen fluch1, Gott
musse diese lugen vnd grewel schenden,
ehe meine augen zugehen Amen. Sprech
Amen, wer Amen sprechen kan, Es ist wol gebettet.
Erstlich sehen wir hie, das sie der
Schlussel krafft vnd macht grǔnden
aäff vns menschen vnd aǔff menschen werck vnd nicht auff Gott noch aüff Gottes wort, Vnd halten nicht, das die
Schlussel Gottes werck odder ordnūg
seÿ, sondern sehens fur ein menschliche gewalt an wie die Weltliche
oberkeit ist. Denn wo sie es fur Gottes
werck odder ordnūg hielten, So kundten sie keinen feylschlussel draus machen, Sintemal Gottes
werck vnd ordnung, sin̂d gewis, treffen
auch, vnd feylen noch yrren nicht, Denn Gott ist kein lugener noch vngewisser man, Sondern die marheit selbs,
gleichwie die tauff vnd sacrament sind
auch Gottes werck vnd ordnūg, gewis vnd feylen nicht, denn man mus nicht die tauffe zweierley machen, Es ist
kein feyle tauffe, Sondern allein ein
einige gewisse, trefftaǔffe, So wenig als nǔ zu leiden ist,
das man die tauffe ein̂e feyltauffe heisse, So wenig
ists auch zu leiden, das man die schlussel
feylschlussel heisse odder halte, Es sind eitel treffschlussel ynn
Christus kirche. [Bl. 18b] Jnn des
Bapsts kirche mugen sie wol sein, Denn da sind eitel lugen, lesterung feyl vnd yrthum ynne
Das ist nǔ die erste ehre, die sie
Gott thun mit dem feylschlussel, das er
mǔs yhr lugener sein, vnd seine ordnung, mus vngewis, yrren vnd
feylen kon̂n̂en, Die ander ehre, Das
Christus mit seinem blut nicht mehr erworben
hat, denn vngewisse schlussel, Die dritte, das er seine hertzliche
braut, die Christenheit
[ 2 machen —Errantes steht über 〈ynn claüem errantem et non
errantem〉, wozu noch das am Rande stehende, versehentlich nicht mit durchgestrichene
treffschlussel vnd feylschlussel gehört 3 ymer o feyl steht über 〈yrrend〉 4 yrret steht über 〈feylet〉 6 doch
o 7 lesterlicher u 13 vns o vnd
(1.) —werck rh 14 Vnd steht über 〈Denn sie〉 odder 〈befelh〉 ordnūg rh 16 ordnūg steht
über 〈befelh〉 17 vnd 〈befelh〉 18 auch o 18/19 noch —man rh 19 die (2.) steht über 〈seine〉 20 sind
〈gewis〉 21 die steht über zwo
zweierley rh machen, 〈Eine
feyl tauffe vnd treff tauffe〉 24 kirche Am Fuße dieser Seite in kleiner Schrift
[Abbreviaturen aufgelöst]: Iubent Deum spectare Docent { nostra opera/
contrit[ionem]/ personam } non suum verbum 28 vngewis, yrren steht über 〈yrrig
vn sein〉]
[Seite 445]
auff einen affenschwan̂tz furet1, gibt yhr vngewisse
schlussel, heisst sie binden vnd losen,
da sie doch zweiǔeln mus, obs gewis gebunden odder geloset sey Vnd mus also Christus auch ein lugener
vnd ein teusscher sein der armen elenden
seelen, Das sie aber Christum vnd Gott mit dem feylschlussel zu lugener machen, das mus man greiffen, Denn da stehen
die hellen, klare, durre wort Christi,
da er zu den Aposteln sagt Alles was yhr bindet vnd loset auf erden, sol gebunden vnd los sein ym Himel, Er
verheisst hie, Es sol gewis sein vnd
nicht feylen Was sie binden vnd losen solle gebunden vnd los sein, das sind seine wort, die leiden keinen
feylschlussel
Was sagt aber der Bapst hie zǔ? Er
spricht, Jch weis warlich nicht, Jch wil
dich wol bin̂den [Bl. 19a] vnd losen auf erden, Aber ob der schlussel treffe odder feyle, das du drumb seyest ym
himel gebunden odder los, da las ich
dich fur sorgen. Denn der schlussel kan yrren vnd feylen, Also sol man Christum yns maul schlahen, das yhm sehen vnd
horen vergehet vnd sagen, nicht du
warhafftiger almechtiger Gott, sonder̄n̄ du lugenhafftiger amechtiger Gotze, sprichst, Es solle alles gewis sein,
was wir binden vnd losen̄ Vnd sihest nicht,
das wir Clauem Errantem, den feyl schlussel auch noch haben vnd mag wol feylen, Denn weil wirs nicht
wissen, ia nicht gleuben konnen̄, das der
gewislich los ist, den wir losen, so soltu es auch nicht wissen, viel weniger, so frey vnd gewis zu sagen vnd die
leute damit so sicher vnd frolich
machen, Jst der gebundene odder gelosete fur Gott, frum vnd hats
verdienet, so losen wir yhn vnd so ist
er los, Jst er aber nicht frum, wenn wir schon
losen, so ist er doch nicht los, Weil wir aber nicht wissen ob er frum
odder bose ist, So ist auch schlussel
vnd losen vngewis, Denn es stehet der schlussel
vnd sein̄e krafft nicht auf deinem wort, sondern auff vnserm Wissen vnd des menschen frǔmkeit, Weil denn vnser
Wissen vnd seine frumkeit vns vngewis
ist, So mus ia der Schlussel feylen denn vnser feylen mus heissen, des Schlussels feylen.
[Bl. 19b] Gott grusse euch hie lieben herren,
Jch hette ettwas mit euch zu reden,
wenns euch nicht verdrosse. Lieber, sagt vns, was habt yhr vns bis her ynn deudschen landen, ia ynn aller
wellt verkaufft ynn dem Ablas? da fur
habt yhr ia vmmesslich gelt von vns genomen, Jsts auch gewis gewest? Jsts der feylschlussel odder treffschlussel
gewest? Du must mir hie nicht die
schultern zihen vnd das maul rumpfen vnd geg sagen2, Jch wills wissen.
[ 2 gewis 〈sey〉 4 seelen, 〈Es vergehen wir vber diesem grewel, schier alle meine
synne vnter〉 5 das 〈kan〉 6 zu 〈petr[o]〉 14 sagen, 〈Du〉 15 nicht —warhafftiger rh 16
alles rh 17 den feyl schlussel rh 20 damit rh 22 vnd —los rh 24 der steht über 〈dem〉 25 vnd —krafft rh auff 〈des〉 29 hie o 30 sagt vns rh 32 fur
o 33 feylschlussel 〈ge[west]〉 gewest? 〈Heresis Walh [densium?] r〉 [O. B.
liest: Horestu Walh] 34 wissen 〈du magst villeicht sagen〉]
[Seite 446]
Ey Hastǔ nicht gelesen ynn der bullen?
Wer seine sunde berewet vnd gebeicht
hat, der hat den Ablas gewis, Wir geben den Ablas, aber ob er dir
werde, da lassen wir dich fur sorgen,
Wir wissen nicht, ob du gerewet vnd gebeicht
habst, ob der schlussel troffen odder gefeylet hat, Er mag wol feylen vnd
yrren. Wie weis ich aber ob meine rew
recht sey Wie? das gellt aber das du daǔor
genomen, das hastu doch gewis vnd nicht dem feylschlussel, sondern dem
treffschlussel zu verwaren befolhen? Wie
anders, lieber freund? Danck habt, vnd
der liebe Gott musse euch lohnen. Also stehet nu der schlussel mit dem Ablas auff vnser rew vnd beicht nicht auff
Gottes wort. Weiter, wie werde ich
gewis, wenn vnser rew vnd beicht gnugsam, vnd dem schlussel gewissen grund legen, vnd einen
treffschlussel draus schmiden mochten? Da las
ich dich fur sorgen, das gellt hab ich nur gewis dauon, Du wirst deiner
rew vnd beicht wol nimmer mehr gewis.
[Bl. 21a] Weiter, was gebt yhr vns denn ynn
der Beicht ierlich, damit yhr alle wellt
geplagt, bezwüngen, erforsscht vnd gewaltiglich gefasset habt, vnd hat vns leib vnd seel, gut vnd ehre
gekostet on vnter las? Was sollten wir
geben? die Absolution. Jst sie denn auch gewis? Nein? Warumb nicht? Bistu berewet, vnd ists ym himel also,
wie wir absoluieren, so bistu
absolüiert, Wo nicht, so bistu nicht absolüiert, Denn der Schlussel mag
feylen, So hore ich aber mal, das der
Schlussel ruget auff meiner rew vnd wirdigkeit?
Wie anders? Vnd ich kan mit meiner rew ein solcher feiner
kleinschmid werden, das ich vnserm Herr
Gott aus seinem feylschlussel, einen treffschlussel schmiden kan, Denn Rewe ich, so trifft der
schlussel. Rew ich nicht, so feylet er,
das ist, Rew ich, so ist Gott warhafftig, Rew ich nicht, so leuget er. Es gehet noch alles fein daher, vnd spinnet sich
wol. So mus ich mit meiner Rew hinauff
gen himel gaffen, suchen vnd warten, bis ich erfare, ob sie fur Gott mich los mache, so loset mich denn hie
auff erden der schlussel auch vnd wird
ein treffschlussel. Das mustu warlich thun. Ja Wenn wil denn daraus ettwas werden, das ich erfare, ob meine Rewe
mich fur Gott los mache? da las ich dich
fur sorgen, Jst wol geredt, Vnser gellt, gut, leib vnd seel hastu aber gewis? Wie anders? Du must wol
[Bl. 20b] Weiter, Wenn Bapst, Bisschoff
official yemand ynn bann thun, on Gottes
wort vnd befelh, hellt auch solcher bann? Jsts sache, das Gott ym himel solchem bann bestetigt, So hellt er
fest, Wie weis ich aber das Gott solchen
bann bestetigt? da las ich dich fur sorgen Weiter, Wenn der Bapst konige fursten odder herrn verflucht,
bis ynns neunde gelied (wie [2. Mose 20,
5] man sagt) ob solcher Fluch aǔch gelte, weil doch Gott Exo xx. allein
yns vierde gelied drewet? Awe ia, Er
gillt, wo Gott ym himel, ia, dazu sagt.
[ 2 den (1.) steht über 〈das〉 3 du 〈ber〉 5 Wie (1.) —sey rh 8 schlussel
mit dem rh 9 nicht —wort rh 10 gewis, 〈das v[user]〉 15 bezwüngen c aus gezwüngen
30 Vnser steht über 〈Das〉 31 Nach wol das Bl. 20b wiederkehrende
Verweisungszeichen (Bl. 20a ist leer).
Der mit Weiter beginnende Abschnitt ist also Einschiebsel. 34 himel 〈den〉 36 konige 〈odder〉]
[Seite 447]
Wie weis ich aber, das Gott ia dazu sagt? da
las ich dich fur sorgen. Weiter, Wenn
der Bapst solche fursten widderumb segenet, treffen auch die schlussel gleich zu? Wo des segens die fursten
fur Gott werd sind, so treffen sie. Wie
weis ich aber obs die fursten werd sind? Da las ich sie fur sorgen Weiter, die Bulla cenȩ dominj, so man zu Rom am
grünen Dornstage ierlich ausrufft1,
trifft sie auch alles, was sie drewet? O die Bulla feylet nicht Gott mus wol alles halten, was sie
schafft, Wie weis ich, das Gott das thun
musse? Da las ich dich fur sorgen
[Bl. 21b] Weiter, was verkeufft yhr vns
ynn den butter brieǔen vnd ander
mehr freyheiten als das einer seine nachfreundin zur ehe nemen müge vnd dergleichen? feylet der Schlüssel nicht,
so hastu mit Gott vnd ehren was du
keuffest. Jsts aber fur Gott nicht gefellig, so yrret der Schlussel vnd hasts nicht mit Recht. Wie weis ich aber, das fur
Gott gefalle vnd meine vrsach fur yhm
gnüg sey? Da las ich dich fur sorgen. Wo sind aber die hingefaren, die auff solchen vngewissen kauff gebawet,
vnd also drauff gestorben sind? Da las
ich sie fur sorgen
[Bl. 22a] Lieber, hatts die
meinǖg, Warumb harret yhr denn nicht mit
ewrem schlussel so lange, bis yhr gewis werdet, das die Rew vmb die
sunde gnugsam sey für Gott, damit yhr
nicht so feylen odder vngewis sein mustet
mit dem Ablas vnd der Absolution? Man solt ia mit Gottes befelh
nicht so vergeblich vnd leichtfertig
handeln, Es ist grose sünde Desgleichen, Warumb
harret yhr nicht so lange mit der Dispensation, bis yhr gewis seid, das
die vrsachen fur Gott angenem sind vnd
gefallen? Ja lieber geselle, Sünde hin,
sunde her Solten wir so lange harren, So kriegten wir nimermehr
keinen heller, kein ehre noch gewalt,
vnd wurden die schlussel lengest verrostet sein, Denn Gott schweiget stille vnd saget vns
nichts dauon, ob die Rew odder vrsache
yhm gefalle odder nicht So konnen wirs auch nicht erraten vnd mussen also, vngewis bleiben, sollen die
schlussel nǔ nicht verrosten, mussen
wir also ym zweifel dahin̂ handeln, triffts so triffts, feylets so feylets wie man der blinden kue2 spielet.
Was sol ich sagen? Spielet yhr also mit vns
der blinden kue, vnd maǔset ym
finsternis, So merk ich wol, das yhr bruderlich mit vns teilet, Jhr behalt vnd braucht den treffschlussel zu
vnserm kasten vnd lasst vns den
feylschlussel zum himel. Da las ich dich fur sorgen.
[ 1 da steht über 〈Da〉 3 segens rh 4 ich (2.) 〈dich〉 sie rh 8 thun steht über 〈schaffen〉 9 butter 〈briefen〉 10 als o 11 vnd dergleichen rh
13/14 vnd —sey rh 14/16 Wo —sorgen rh 16 Nach sorgen Verweisungszeichen ☞ auf Bl. 22a. 18 vmb steht über 〈fur〉 20/21 Man —sünde rh 23/24
Sünde —her o 27 odder nicht rh 33 vnd braucht rh 34 himel 〈haben〉 dazu noch am Rande, aber
durchgestrichen: Jsts nicht so?
sorgen. 〈hic sequitur Kanstu sonst
nichts mehr signo ♯〉 Dieses Zeichen ist Bl. 21b wiederholt. Hier wollte
Luther also zunächst jetzt fortfahren. Er fügte aber dann erst noch das auf Bl.
22b Stehende ein.]
[Seite 448]
Weiter, [Bl. 22b] Was macht yhr denn ym
fegfeur, wenn yhr die seelen herauszihet
durchs Ablas? Jsts auch gewis? Wenn Gott ym himel solchs eraǔszihen fur recht helt, so ists
gewis, Wie weis ich aber das fur Gott recht
ist? Da las ich dich fur sorgen Weiter, wenn der Bapst den Engeln
gebeut, das sie der pilger seelen, so
auff der Romfart ym gulden iar sterben, gen
himel furen mussen1, Jsts auch gewis? Weil Christus die schluessel gibt
allein auff erden zu bin̂den, Vnd die Engel doch nicht
auff erden sind, Jsts sache, das Gott
die Engel heisst, was der Bapst gebeut, So ists gewis. Wie weis ich aber, das Gott die Engel solchs heisset?
Da las ich dich fur sorgen. Weiter, wenn
yhr Pfaffen weyhet, Bischoffe men̂telt2 vnd Bepste krönet, vnd keiser vnd konige salbet, Munche vnd Nonnen
einsegenet, Glocken vnd kirchen, saltz
vnd wasser weyhet, Jsts auch gewis? Wo Gott gefallen dran hat, So ists gewis. Wie weis ich aber, das Gott
gefallen dran hat? Da las ich dich fur
sorgen
[Fortsetzung Bl. 21b] Kanstu sonst
nichts mehr sagen zun sachen, denn da
las ich dich fur sorgen? Nein, Das gellt aber hastu gleichwol gewis
dahin vnd bist damit ein herr? freylich,
da las mich fur sorgen. Lieber, ist das
der verstand vnd brauch der Schlussel, Nu merck ich, warumb sie
sylbern sind vnd ynn roter seiden gefurt
werden, das Chr̄9̄ euch
damit zu Herrn3 Aber seiner kirchen kein
nutz sondern schaden damit gestift Meinet yhr denn ynn aller teuffel namen, yhr verzweiffelten
leüt verrether vnd Gotts lesterer, das
der Christen seelen, alte karten bletter sind, das yhr damit spielen mugt, wie es euch gelustet, die doch
Gottes son, so theǔr, durch sein
eigen blut erarn̂t hat? Was haltet yhr Gott anders, denn einen affen? Was haltet yhr die leute an̂ders denn gemalete gotzen? Aber
wer kan hie gnug zornen vnd fluchen?
Gottes zorn vnd fluchen mus dazu komen, Es ist
die Bosheit zu hoch vbermacht
Wenn ich odder vnser einer solchs hette gesagt
vnd geleret, das des Bapsts Schlussel
vngewis were vnd [Bl. 23a] kunde feylen, hilff Gott welch ein geschrey solt da worden sein, da hette himel
vnd erden einfallen wollen, das weren
die ergesten ketzer auff erden, die der kirchen gewalt wolten schwechen vnd zu nicht machen, da sollts geblitzt vnd
gedonnert haben, mit bannen vnd
verdamnen. Nǔ sagen sie es selbs, bekennen fein daher, Das die
Absolutio
[ 6 allein o 7 binden 〈vnd nicht ym〉 11/12 Munche —weyhet rh 14
sorgen 〈Wir sind gleich wol herrn damit vnd
kriegen das gellt vnd gut der wellt〉 ¶ Kanstu sonst nichts ad signū ♯, womit auf Bl. 21b verwiesen
wird. 17 vnd —herr o 19 ynn roter seiden c aus ym Roten felde 19/20 das
—gestift rh 21 leüt steht über 〈wellt〉 21/22 Gotts lesterer steht über 〈himel schender〉 24 blut 〈erworben〉 25 gemalete steht über 〈todte〉 28 solchs o 30 sein 〈als〉]
[Seite 449]
ynn der beicht mislich sey, Vnd wo die rew fur
Gott nicht gnugsam ist, da sey sie
nichts, Vnd konnen doch nimmer mehr anzeigen welche rew, vnd, wenn sie gnug sey, daraus denn folgen mus, das der
Bapst, so lange solche feylschlussel
gestanden, noch nie keinen menschen absoluieret habe, vnd kurtz
vmb, keinen schlüssel noch schlussels
brauch gehat. Sondern mit dem feylschlussel
vnd vngewisser absolution die helle gefullet so viel als an yhm ist.
Denn vngewisse absolution ist eben als
kein̂e
absolution. Das heisst die leute fein zu
Christo gefuret, Das heisst die Christliche kirche regieren, Das heisst,
den glauben vnd Gottes wort geleret, Vnd
dennoch dafur der wellt guter geraubt.
Also auch mit dem Ablas, weil es auff
der menschen rew vnd beicht stehet, So
hat der Bapst, so lange das Bapstum gestanden, nie keinen tag noch stunde ablas gegeben, vnd sind seine gulden
iar die aller grosseste reuberey vnd
buberey gewest. so auff erd komen ist Denn vngewisser ablas ist kein Ablas
[Bl. 23b] Vngewis mus er aber sein,
weil die rewe vngewis ist, darauff er
stehet, Denn wer wil sagen das er wisse, Sein̂e Rewe seÿ fur Gott gnug
sam? Ja welche Rewe kan fur Gott gnug
sein on des einigen mitlers vnd heilands
Jhesu Chr̄ī der allein fur vns alle gnug gerewet vnd gnug gethan hat? Da sihet man ia klerlich, das ym Bapstum
nichts anders denn vnßer vngewisse werck
geleret sind, vnd gar nichts der glaube vnd aller dinge nicht gewisses, So hefftig, das sie auch Gottes
wort, werck schlussel vnd alle derselbigen
kraff vnd nutz auff solche vngewisse menschen werck gebawet vnd gegrundet haben, Wie sollte da Christus reich
bleiben? Wie solte da Christus wort vnd
glaube nicht vntergehen? Wie solte da das liebe Euangelion nicht vnter die banck ia ynn abgrund verstossen
sein? Denn wer auff seine werck bawet,
der mus Christum verleǔgnen vnd dennoch seine werck vngewis vnd verloren haben. Vnd hie bawen sie nicht
allein auff menschen werck, sondern
setzen auch Gottes gewalt werck vnd ordnung sampt aller seiner krafft
vnd nutz, auff solche vngewisse werck.
[] Also auch mit der dispensation
butterbriefen vnd dergleichen Weil sie
sich grundet auff die vrsachen, ob die selbigen fur Gott gnugsam seien
odder nicht, Vnd kein mensch dasselbige
mag wissen, So hat der Bapst sein lebtag
noch nie keinen rechten butterbrieff noch einige gewisse dispensation
gegeben, Denn [Bl. 24a] vngewisse
dispensation ist keine dispensation, Gott ist gewis vnd warhafftig, vnd wil mit keiner vngewissen
sachen zu thun haben, Es mus [Jak. 1, 6
f.] alles gewis sein, was er thut vnd was fur yhm gelten Sol, wie Jacob. 1.
[ 1 beicht 〈nichts〉 wo 〈sye〉 ist steht über 〈sey〉 3 sey o 5/6 dem —vnd rh 6 so
—ist rh 9 vnd Gottes wort rh
dennoch rh 12/13 vnd —ist (1.) rh 18 gnug rh 20 vngewisse o 20/21 vnd
(2.) —gewisses rh 21/22 derselbigen rh 22 vngewisse o 24 vntergehen steht über 〈verdunckelt werden〉 25 banck 〈ge〉 26/27 vnd (1.) —haben rh 28 setzen o 29 vngewisse o 30
dispensation 〈vnd〉 vnd
dergleichen rh 31/32 odder nicht o 36 vnd 〈gethan haben wil〉]
[Seite 450]
sagt Man solle nicht wancken noch
zweiǔeln denn wer da wanckt vnd zweiuelt
der dencke nǔr nicht, das er ettwas von Gott empfahen werde. Was
leren aber diese feylschlussele anders,
denn wancken zweiǔeln vnd vngewis sein̂? Ja sie leren den vnglauben Christum verleugnen
verzweiueln vnd verdampt werden, Denn
wer nicht gleubet der ist verdampt, Vnd was nicht aus glauben geschicht, das ist sünde, Nu ver mugen sie ia
nicht gleuben, weil der schlussel mit
seiner krafft auff vnsern vngewissen wercken auff vnser vngewissen Rew, auff vnserm vngewissen thun vnd sachen
stehet, Denn wer kan gleuben auff sein
eigen werck Rew vnd sachen? Niemand denn wer do vngleubig ist vnd Christum verleugnet hat, Sintemal vnser
werck sind ia nicht Gottes wort [] noch
verheissunge, Nu Zeuch hin gen Rom, hole Ablas, gib gelt vnd las mit dir dispensiern, Nu werde pfaff, Nu las dich
weihen vnd werde Bischoff, so kompstu
recht an, Das du nicht weisst, Was du bist odder was du machst odder
hast.
Sihe, das leren sie von sich selbs
vnuerschampt, vnd mus alles artickel des
glaubens sein Wers nicht mit halten wil, der mus ketzer sein vnd brennen Widderumb, wo wirs sageten vnd
lereten, das yhr schlussel ein solcher
vngewisser feyl schlussel were, da musten wir noch erger ketzer sein. Was sol [Bl. 24b] man doch mit diesen
verdampten lugenern machen? Fur den
leuten, wollen sie es gegleubt haben, das eitel gewis ding vnd
treffschlussel sey, was sie binden vnd
losen Trotz der anders sage, Aber bey sich selbs, sagen sie, der Schlussel feyle, vnd sey kein gewisser
treffschlussel da, Warumb das? Darumb.
Wenn die leute gleuben, es sey eitel gewis ding so dienet es dazu, das wir gellt vnd den rechten treffschlussel
zu der gantzen wellt kasten kriegen,
Wenn wir aber bey uns selbs wissen, das vngewis vnd eitel feyl vnd
lugen ist, so dienet es dazu, das wir
dem teuffel mit der Christen seelen die helle
fullen vnd Christo sein Reich wuste machen, Denn warumb sollt er vns
sonst [] die schlussel gegeben vnd zu
solchen Herren gemacht haben? Jch mus hie das
exempel von dem itzigen Bepstlichen Legaten Cardinal Campegio
anschreiben, der lesst sich horen zu
Augsburg, der Bapst mochte vielleicht dispensieren odder erleuben, die beider gestallt des
Sacraments, vnd die pfaffen ehe, Aber
Munche vnd Nonnen freyen lassen, das konne er nicht thun, er thetts
denn mit dem feylschlussel1, Vnd ist
fein geredt, das der Schlussel mag feylen odder
[ 1 zweiǔeln 〈ob〉 3 wancken 〈vnd〉 4 den —verleugnen rh vnglauben 〈sundigen〉 6 ver o 7 mit seiner krafft rh
vngewissen (1.) o vngewissen (2.)
o 8 vngewissen o stehet c aus stehen 9 auff steht über 〈an〉 vnd o wer do steht über 〈der〉 11/13 Nu — hast rh 13 du (1.) 〈aus〉 15 mit halten rh 17 feyl
rh da steht unter 〈der〉 musten c aus muste wir u 19 gewis — vnd rh 20 sie 〈binden〉 Trotz — sage rh 21 feyle c aus muge
feylen 22 es sey steht über 〈das〉 so steht
über 〈sey, das〉 es (2.) o
23 das 〈wir den〉 zu 〈yhm〉 der —wellt
rh 24 bey — selbs rh 25 so steht über 〈das〉
es o 28 Bepstlichen rh Campegio 〈zu A[ugsburg]〉 32 odder 〈nicht〉]
[Seite 451]
yrren, Vnd nicht der Bapst, Sondern wenn sie
yrren, So mus der Schlussel geyrret
haben, vnd mus nicht der feyl Bapst, sondern der feylschlussel [Bl. 25a] heissen, weil der Bapst gar viel hoher vnd
heiliger ist, denn Gott selbs, mit
seinen schlusseln vnd wort, Jch acht aber, das die Walhen vns deüdschen
nicht fur narren halten, sondern schlecht
fur narren kappen, odder fur gemalete leute an
der wand, darumb sie auch so sicher faren, das sie dencken, Wenn einem
Cardinal ein bombart1 entfure, So were
den deudschen ein new artickel des glaubens geboren2
Denn siehe doch hie, Dieser Cardinal
gibt fur, Es sey ein yrthǔm des
feylschlussels, so der Bapst, den Munchen vnd Nonnen die ehe zuliesse,
Vnd der Bapst hatts doch offt gethan,
Vnd hat recht mussen heissen vnd kein yrthum
sein, wie man weis, Vnd wenn ich solchs einen yrthum spreche, So hette
ich dem Bapst seine gewalt gelestert,
Aber weil es ein Cardinal sagt, so ists
wol geredt, So gehet man mit vns vmb, Wenn sie wollen, so ists ein
feylschlussel, Wenn sie wollen so ists
ein treffschlussel, Gestern Ja, Heǔte Nein, Jst gleich viel, die deǔdschen mussens
doch wohl gleuben, Wo sind aber die
hingefaren, die der Bapst also aus den klostern ynn die ehe hat komen
lassen, weil sie gegleübt haben, Es sey
Recht gewesen vnd der Bapsts habs macht, So
nu sein Cardinal sagt, Es sey vnrecht? Was [Bl. 25b] fragt Bapst vnd
Cardinal darnach? Jst gnug, das die
leute gegleubt haben, Es sey dazu mal recht
gewesen, Aber itzt widderumb gleuben mussen, Es sey nicht recht
Wolan lasst die verheyten3 buben liegen
vnd triegen, Sie sind keiner andern
tugent werd, Wollen sie nicht dispensirn odder erleuben, das ist yhr vngewisse lugen verkeuffen das sie es lassen,
Der teuffel bitte sie drumb, an meiner
stat, Er thu ynn seine dispensation vnd henge sie an den hals4 Jch wills vngedispensirt vnd vnerleubt haben,
Sie sollens vns widdergeben mit
schanden, was sie vns so lesterlich geraubt haben, als die Gotts diebe vnd morder, vnd keinen danck haben, Kan der
Bapst vmb gellt die Munche frey lassen,
so kans das Euangelion vmb Gotts willen auch thun, denn ynn vnserm glauben ist das Euangelion viel
grosser als der bapst Ja lieber Legat
kom her mit deiner dispensation vnd vrlaub Was vns Gott gebeǔt vnd heisst, da wollen wir dich vmb fragen, ob du
es vns zu thun, erleuben wollest, vnd
deinen stuel vber Gottes stǔel setzen deinen vrlaub vber Gottes gebot heben Wir wollen dich beschmeissen vnd
an die sonne setzen5, odder
[ 2 mus o 3 vnd heiliger o 5 an 〈ad an〉 11 einen yrthum rh 15 Jst c
aus Jsts 19 dazu mal stand ursprünglich hinter leute 20 mussen o sey 〈nǔ〉 nicht 〈mehr〉 22/23 das —verkeuffen rh 22
yhr steht über 〈vns〉 24 Er —hals rh 26 als rh Gotts o 27/29 Kan —bapst rh 30 kom c
aus kompt deiner steht über 〈ewr〉 31 dich steht über 〈euch〉 du es steht über 〈yhrs〉 32 wollest c aus wollet deinen
(1.) steht über 〈ewrn〉 setzen
rh deinen (2.) steht über 〈ewren〉 33 dich steht über 〈euch〉]
[Seite 452]
eine krone auff deinen Roten hut hefften, von
sew violen, die sie vnter den
zeǔnen aufflesen.1 Solcher ehren bistu wol werd fur deine lesterliche
vnd verfluchie vngewisse dispensation
odder vrlaub, Der Endechristissche turck ist
noch ymer dahinden, vnd wil mit seinen vngewissen lugen vber Gott vnd sein wort herrschen, vnd allein Gott sein̂, Aber es ist aus, das man
speck auf kolen brett2, ob Gott wil.
[Bl. 26a] Da haben wir nǔ die
frucht, so da folget, nach yhrem eigen
bekendnis aus dem verfluchten lugen verstand, das, Binden, solle
heissen, Gesetz stellen, nemlich die frucht,
das alles ynn Bepstlichen regiment, durch vnd durch, vngewis ist, was er handelt, denn er weis
nicht, ob er recht bindet odder loset So
sind seine vnterthan vngewis ob sie recht gebunden odder los sind, recht [Matth. 15, 14] leben odder thǔn̂ Vnd furet also ein blinder den
andern, vnd fallen beide ynn die gruben,
Vnd ist auch nicht wunder, Denn wer eine lugen vnd vngewissen verstand zum gründe legt, was kan der anders
drauff bawen, denn lugen vnd eitel
vngewis ding? Also stehet yhr lere nicht anders Denn das man mus vngewis seyn, beide des bindens vnd
losens, das ist so viel gesagt, Niemand
sol gleuben sondern yderman sol vngewis sein, beide mit leben vnd thun, mit worten vnd wercken Was ist nǔ
seine kirche anders, denn eine zweifel
kirche? Denn er leret vnd heisst sie zweiǔeln vnd vngewis sein, Jsts ein zweiuels kirche, so ists nicht des
glaubens kirche, So ists auch nicht eine
Christliche kirche, So mus es eine vnchristliche, glaublose,
Endechristissche kirche sein, welche,
die rechte glaubige Christliche kirche verstoret, Vnd beweisen vnd zeugen hie mit yhrem eigen maǔl, das der
Bapst sey der rechte Endechrist. Denn es
mǔs ia der hohest grewel aller lesterung sein, Mit dem gewissen wort Gotts vngewis han̂deln vnd damit geückelwerck
treiben, vnd Gott fur einen lugener vnd
gaǔckler halten, wie sie thun Also solls gehen alle denen die Gottes wort, so vom glauben leret, furen
auff yhre gedicht, das sie vom felsen
fallen vnd auff den sand bawen, ein verloren gebew
[Bl. 26b] Darumb, weil die wort nicht
geben, das Binden solle heissen, gesetz
stellen, Vnd Christus meinūg nicht leidet, der sie nicht gesetzsschlussel,
[ 1 deinen steht über 〈ewrn〉 2 bistu steht über 〈seid yhr〉 Nach werd fuhr Luther ursprünglich
fort: mit ewre, korrigierte dann: vmb deiner lesterlichen vnd verfluchten
dispensation willen, endlich wie oben. 3 vngewisse o 4 mit —lugen rh 6 Nach wil
das Bl. 26a oben wiederkehrende Verweisungszeichen 7/8 nach —bekendnis rh 9 durch vnd durch
stand ursprünglich hinter handelt 10 recht rh loset dazu am Rande in kleiner Schrift:
Quia reuera vtraque clauis est incerta 11/12 recht —thǔn̂ rh 12 thǔ^ c aus? 13 auch
o 15 stehet steht über 〈ist〉 16 mus steht über 〈musse vnd solle〉 beide c aus beides 16/18 das —wercken
rh 24/26 Denn —thun rh 27 die steht über 〈so〉 28 fallen vnd rh 30/453, 1 der —nennet
rh 30 sie o]
[Seite 453]
sondern himelschlussel nennet dazu, das wesen
an yhm selbs da widder ist, als das
eitel vngewis vnd zweiuel draus folget, So sind wir gewis, das der Bapst diesen spruch felschlich hat auf seine
Gewallt gedeutet, das er gesetze stellen
muge, vnd ist ein rechter ertzboser verstand des teuffels, Des gleichen der ander verstand, das Binden vnd losen
heisse, sunde behalten vnd vergeben ist
wol recht, Aber noch haben sie yhn auch nicht lassen auff dem felsen bleiben, sondern auf den sand gesetzt. Denn
sie grunden solch binden vnd losen,
nicht auff Gottes wort, sondern auff vnser vngewisse rew vnd verdienst, Vnd gleich wie sie ihenen lugen verstand
ertichtet vnd auffgericht, Also haben
sie diesen rechten verstand verderbet vnd niddergeschlagen, auff das sie ia eine volkomene teuffelskirchen weren
vnd nichts vnuerderbt liessen, Sondern
die kirche voll grewel machten, dafur sie leib vnd gut aller wellt [] verschlingen vnd die helle mit seelen Er
fülleten [Bl. 27a] Aber, du lieber
Christ, solt auffs erst ia das fest halten, das Christus keinen
feylschlussel gegeben hat, Vnd das seine
schlussel nimer mehr yrren, Vnd hut dich fur yhren lugen, lestern vnd greweln, darauff yhr
Bepstlich pracht ist gebawet Denn sie
sind blind vnd tol, verstehen selbs nicht was sie sagen, viel weniger was die wort Chr̄ī wollen Denn weil das
gewis ist, das die Schlussel Gottes
befelh, ia Gottes wort selbs sind, So kann man on lesterunge nicht
sagen, das sie yrren, feylen odder
vngewis seien, Gleich wie das Euangelion ist auch Gottes wort, das predigampt ist Gottes befelh,
Wer nǔ sagt, das sein wort odder
Eüangelion feylen, yrren, vngewis sein mocht, der lestert ia Gott selbs, Also auch, Wer do sagt, das sein befelh odder
predigampt yrren, feylen, vngewis sein
muge, Der lestert Gott auch Darumb las das wort, Clauis Errans, feylschlussel, ein verflucht, verdampt wort
sein vom teuffel selbs erticht vnd ynn
die Christenheit geworffen, damit er den glauben an Christo verstoret, allen trost vnd rat vnsers gewissens weg
genomen hat, Denn vnser seel odder
gewissen mus warlich des gar trefflich gewis sein, darauff sie sich bawen, verlassen vnd trosten
sol widder die sund vnd ewigen tod. [Bl.
27b] Nu mus sie sich warlich auff die schlussel lassen, dadurch sie losgesprochen wird, vnd vergebung
der sunden kriegt, Sott aber das vngewis
sein vnd feylen, so must sie warlich ewiglich verzweifeln vnd verderben
Zum andern, halt das auch ia fest, das
du die schlussel odder absolution, [] ia
nicht bawest noch grundest auf deine Rew oder werck, wie ihene verkehrer thun Sondern widder synnisch1, soltu deine
rew odder werck, ia dein hertz vnd dich
selbs, mit allem erwegen2, auff die schlussel odder absolution bawen,
[ 8/9 verdienst 〈H〉 9 lugen rh, daneben noch
falschen, eins von beiden sollte wegfallen 12 kirche steht über 〈wellt〉 kirche 〈dafur〉 gut 〈ver〉 15 seine steht über 〈solche〉 22 mocht, 〈od[der]〉 25 erticht vnd rh 26/30 damit
—tod unterstrichen 30 die steht über 〈solche〉 lassen 〈darinn〉 35 thun dazu am Rande: Hoc est
anabaptisticum]
[Seite 454]
Vnd bey leibe vnd seelen verlust, ia nicht
zweiueln, Es sey gewis, was dir die
schlussel sagen vnd was die Absolütio gibt, nicht anders denn als rede es Gott selbs, wie ers denn gewislich selbs
redet, denn es ist sein wort vnd befelh,
vnd nicht eins menschen wort, noch befelh, Wo du aber zweiǔelst, so lugenstraffestu Gott, wie die papisten, vnd
verkerest auch Gottes ordnūg vnd
bawest seine schlussel auff deine rew odder auff deine werck, Rewen
soltǔ das ist war Aber nicht drauff
trawen noch bawen, Vnd las die lere auch verflucht, verdampt vnd vom teuffel selbs erdacht sein,
die vns leret auff vnser Rew trawen, vnd
die Schlussel odder absolution, durch vnser rewen, gewis [Bl. 28a] machen. Denn damit wird der glaube
auch verstoret, vnd Christus blut zu
nicht vnd alle vnser heil vnd trost, vngewis vnd zu wasser gemacht.
Lieber Gott, vnser gifftige natur, ist
von yhr selbs allzǔ seer geneigt,
auff yhr eigen werck zu trawen vnd sich yhres thuns zu trosten vnd
zu frewen, Widderumb aus der massen
schweer, ia, on gnade Gottes, vmmuglich
das sie sich on alles verdienst vnd werck, erheben vnd er schwingen
solle, blos vnd lauterlich an Gottes
wort vnd seine schlussel zu hengen, vnd derselbigen sich trosten, Was solls denn thun, wo man
solchs dazu noch leret vnd gebeut, dahin
sie geneigt ist, vnd dem wehret dem, dazu sie vngeneigt vnd vnuermugens ist, da sie Gott zü seiner schlussel werck
foddert, Es ist nicht zur grunden, was
schadens solche lesterliche lere von den schlusseln gethan habe. Es meinet vnd hoffet vnser herz ymerdar, wenn
es Rewe hat, so solle sich Gott damit
bezalen, und yhm gefallen lassen, vnd dadurch die sunde vergeben, das Rewen wolt es gern ein gros werck fur
Gott angesehen haben, Aber es ist
verloren, Rewen on schlussel ist verzweiǔeln du must hoher komen,
Denn yns rewen, nemlich, die schlussel
Gottes vnd absolution ergreiffen. Da ist
kein ander hulffe, rat noch trost
[] Darumb denck vnd lern diese wort an̂ders, [Bl. 28b] denn die
Papisten verstehen, da Christus spricht,
Was yhr bindet vnd loset auff erden, das sol
gebunden vnd los sein ym himel, Da horest du, das er gewis, gewis
zusagt, Es solle gebunden vnd los sein,
was wir auff erden binden vnd losen, Er
spricht nicht (wie die papisten sein wort verkeren) was ich ym himel
binde vnd lose, das solt yhr auff erden
binden vnd losen, Spricht auch nicht, Harret
so lange bis yhr erfaret, was ich ym himel binde odder lose, Spricht auch nicht, yhr sollet wissen, was ich ym himel
binde odder lose Sondern so spricht er,
Bindet vnd loset yhr auff erden, Thut der schlussel werck, so will ichs auch thun, Es sollen einerley schlussel
sein, mein vnd ewr, Einerley werck,
[ 1 nicht steht über 〈daran nicht〉 3 denn (1.) o 6/7 das ist war
rh 8 teuffel c aus teuffels auff o 9 vnser 〈trawen auff die〉 11 nicht 〈gemacht〉 12 allzǔ seer rh 13 zu (1.) o zu (2.) o 15 das —on
steht über 〈das sie sich solle blos on〉 er o 17 vnd
gebeut rh 18 dem (2.) o 18/19 sie (2.) —sie rh 19 zü steht über 〈durch〉 seiner c aus seine foddert c aus? 21
vnd hoffet rh 25 Gottes rh 35 Bindet 〈yhr〉 36 ichs c aus ich schlussel 〈vnd〉]
[Seite 455]
mein vnd ewrs, Wartet ewrs wercks, so
geschicht meins auch Er verpflicht vnd
verbindet sich an vnser werck, Ja er befilht vns sein werck, vnd wir solltens noch vngewis machen odder vmkeren
vnd furgeben, Er musse vorhin ym himel
binden vnd losen, gerade als were sein binden ym himel ein anders denn vnser binden auff erden, odder
als hette er ander schlussel droben,
denn diese auff erden, So er doch sagt, Es seyen schlussel des
himelreichs vnd kein andere, denn diese
hie auff erden, Er kan nicht vber des himelreichs schlussel, noch andere haben, die nicht ym
himel, sondern vber odder ausser dem
himel schliessen? Was sollen sie da machen?
[ [Bl. 29a] Solche gedancken komen
daher, das man Gotts wort nicht fur
Gottes wort hellt, sondern weil es durch Menschen gesprochen wird, so
sihet man es eben an als werens menschen
wort, Vnd gaffet denn hinauff gen himel
vnd tichtet noch andere mehr schlussel. Vnd Christüs spricht doch hie klerlich, Er wolle Petro die schlussel geben,
Sagt nicht, das er zweyerley schlüssel
hab, sondern die schlussel, so er hat, die gibt er Petro, als sollt er sagen. Was gaffestu gen Himel nach meinen
schlusseln? Horest du nicht, das ich sie
auf erden gelassen vnd Petro gegeben habe? Du solt sie nicht ym himel, sondern ynn Peters mūde finden.
Da habe ich sie hin gelegt. Peters mund
ist mein mund, sein ampt ist mein ampt, seine schlussel sind meine schlüssel Jch hab kein andere, weis auch von
keinen andern, Was die binden, das ist
gebvnden, was die losen, das ist los, sind ettwa ander schlussel ynn himel erden odder helle die gehen mich nichts
an frage auch nichts darnach, was sie
binden odder losen, drumb kere du dich auch nicht dran, vnd lasse sie dich nicht yrren, hallt dich an Petrus, das
ist, an meinen schlusseln, die binden
vnd losen ym himel, vnd sonst keine, Sihe, das ist recht von den schlusseln gedacht vnd geredt. Aber ihene
ander meinūg ist gewaltiglich eingerissen
[Bl. 29b] vnd hat diese meinūg gantz geschwecht vnd verdunckelt.
Nü wollen wir die wort fur vns nemen
von den Schlusseln Vnd erstlich was die
schlussel sin̂d wie wol viel daruber sich bemuhet, So ist doch hie leicht vnd einfeltig mit Christo beschlossen, das
Schlussel sey ein ampt odder macht,
[Matth. 9, 6] die sunde zu behalten vnd züüergeben, Denn also spricht
Chr9 Matth. .9. Auff das yhr wisset, das
des menschen son macht hab auff erden, die sunde [Matth. 9, 8] zu vergeben, sprach er zum
Kichbruchigen Steh auff &c., Vnd bald darnach Vnd das volck preysete Gott, der solche macht
den menschen gegeben hat, Vnd hie las
dich nicht yrren das phariseisch geschwetz, da mit ettliche sich fast bekummern, wie ein mensch muge, svnde
vergeben, so er doch die gnade nicht
geben kan noch den heiligen geist Bleib du bey den worten Chr̄ī vnd las solche gedancken faren,
Vnd sey gewis, das Gott kein an̂der weise hat noch
haben wil, die sunde zuuergeben, denn durch das mūdliche
[ 4 ym himel (1.) rh ym himel (2.) rh 7 hie o 13 mehr o 20
schlüssel rh 21/22 ynn —helle rh 27 hat o 29 wol 〈man〉 35 phariseisch rh steht unter 〈Judissche rh〉 mit o]
[Seite 456]
wort, so er vns menschen befolhen hat, Wenn du
die vergebung nicht ym wort suchst, da
sie Gott hingelegt hat, so wirstu vergebens gen himel nach der gnade odder (wie sie sagen) nach der
ynnerlichen vergebung, gaffen
Sprichstu aber, wie die Rottengeister
vnd papisten geifern, Ja horen doch viel
das wort vnd die schlussel vnd [Bl. 30a] haben doch keine vergebung, drumb mus ettwas anders da sein, denn das
wort vnd die schlussel der geist, geist,
geist mus thun Horestu wol, was ich dir sage. Wir reden itzt nicht, Wer die vergebung kriegt, odder wer
sie nicht kriegt, das ist alles ein
ander rede, Wir reden daǔon, Wo vnd wo durch man die Vergebung
kriege, Wir wissen fast wol, das nicht
alle die vergebung kriegen, so das wort
horen, Aber das wissen wir auch widderumb, das Wer sie kriegen sol,
der kan vnd mǔs sie nirgent anders,
denn durchs wort vnd mit dem wort
kriegen, Vnd mussen das wort nicht drumb verachten, noch vntuchtig
rechen, vmb boser leüte willen, die
solche vergebung ym wort nicht annemen, Es ist
nicht des worts schuld, sondern yhrs vnglaubens, Solt nǔ yhr
vnglaub [Röm. 1, 18] Gotts wort
auffheben odder vntuchtig machen, sagt Paulus Ro .1.? kriegen sie es nicht, fo kriegens andere, Denn es ist
beschlossen, das Gott wil die sunde
erlassen, gnade vnd geist geben, Durch sein eusserlich mundlich wort, das er vnd menschen befolhen hat, Vnd suche
nǔr niemand keinen andern weg, noch
weise, odder sey ewiglich verloren, Denn Christus wird vns nicht [Matth. 18, 18] liegen, da er sagt, Was die
Apostel binden vnd losen, solle gebunden vnd los sein, Die Apostel sind menschen vnd reden
mundlich, noch binden [Bl. 30b] vnd
losen sie mit solchen mündlichen reden, Vnd heisst gebunden vnd los sein
ym himel, Da bleib bey
So sind nu die Schlussel nichts anders,
denn ein Gottlicher befelh odder
Gottlich wort, darinn Christus befilhet odder macht gibt, seiner
kirchen, die sünden zu behalten vnd
zuuergeben, himel zu schliessen vnd auff schliessen, die sunder binden vnd losen, Denn er setzt
alle beide stuck, Binden vnd Losen, das
erst, Bin̂den,
odder sunde behalten, ist die macht odder ampt, den sunder zu straffen, drewen, vnd yhm verkundigen den
zorn vnd vngnade Gottes, das er ewiglich
verdampt vnd nimermehr nicht selig solle werden, Vnd auch ein solch vrteil vber yhn fellen vnd schliessen,
Welchs denn heisst ynn ban̂n thun̂ vnd dem teuffel
vbergeben, Vnd wenn das geschicht, so sol es eben so viel gelten, als hettes Gott selber gethan, Vnd
ist gewislich verdampt, Es dienet aber
solch binden dazu, das dem sunder seine sunde offenbart, er vermanet werde zur furcht Gottes, vnd erschreckt vnd
bewegt werde zur büsse vnd nicht zum
verderben. Vnd treibt also dieser schlussel vnd richtet aus das ampt des gesetzes, das auch die sunde zeigt vnd zur
furcht Gottes treibt, der ander schlussel
[ 1 vns rh 5 vnd —schlussel u 6 vnd
—schlussel rh 10 fast rh 12 kan vnd rh 14 wort 〈verachten〉 18 erlassen steht über 〈vergeben〉 sein rh 29 ist 〈nicht〉 30 verkundigen 〈die v[ngnade]〉 31 ewiglich o nimermehr o 36
erschreckt —werde rh 37 vnd —aus rh 38 der 〈an Der〉]
[Seite 457]
treibt vnd richtet aus des Euangelij ampt, lockt
zur gnade vnd barmhertzigkeit, trostet
vnd verheisst, leben vnd seligkeit, verkundigt vergebung der sunden, Vnd schleusst auch das urteil [Bl. 32a] vber den
sunder, das seine sunde los vnd weg
sind, der himel offen vnd die helle zu sey, vnd bringt yhn zu Gott [Bl.
31b] Vnd ist hie mit grossem vleis
drauff zu sehen, das man dem exempel vnd
wort Christi nach, ia nicht einen schlussel on den andern, Sondern alle
beide zusamen lere, vnd fasse, damit wir
nicht die seelen plagen, wie vnter dem
Bapstum geschehen, da der liebe Löseschlussel so verschwigen vnd seine
krafft so gar verborgen war, das yderman
den schlusseln must fein̂d werden, vmb der
grewlichen tyranney willen des Bindeschlussels, Denn yhr lere war die, das ein mensch solte seine sunde bedencken
vnd zusamen lesen, dadurch eine rewe zu
machen durch die furcht der hellen &c. vnd selbs gnade verdienen vor den schlusseln Vnd war doch vmmuglich
alle sunde zu bedencken Dazu so lereten
sie allein die gemeinen groben sunden bedencken, Der grossen starcken sunde als vnglaube, Gotts verachtung vnd
dergleichen ym hertzen, verstunden sie
keine Offt auch die stucke, so gar keine sunde waren wie droben gesagt Hie liessen sie es bleiben, gerade als were
solch furchten vnd schrecken gar gnug
zur busse, da ward nichts von Christo vnserm mittler, nichts vom trost der schlussel, nichts vom glauben, sondern
allein von der vntreglichen marter der
beicht, gnug thuūg vnd vnser werck gep̄digt, dazu aller heiligen
furbitt, aller pfaffen mess, aller munche
verdienst helfen musten, Vnd war doch ia
eine verfluchte schendliche busse, ia ein lauter verzweiueln [Bl. 31a]
vnd anfang der hellen, Welche busse, da
ich sie verdamnet, verdienet ich durch Bepstliche Bullen so viel, das ich ketzer heissen mus,
Aber man mus dem sundigen gewissen auch
den loseschlussel furhalten, auff das er
nicht allein furcht, (wie sie lereten) sondern auch trost empfahe. damit die busse aus lust vnd liebe mit willen
werde angefangen, Denn bussen on liebe
vnd lust zur gerechtigkeit, das ist, zur gnade ist, das ist Gott vnd allen seinen worten feind sein, lestern vnd
fluchen ym herzen, Vnd wer wollt gern
bussen, wo er nicht hoffnūg vnd gewissen trost fur sich hette der gnaden, vnd also durch die lust vnd liebe,
vom loseschlussel empfangen, das
schrecken durch den bindeschlussel eingetrieben, muge misschen, lindern
vnd ertragen, das ist denn eine
rechtschaffene busse, die Gott nicht flucht noch feind ist, sondern lobet vnd liebet mit furcht vnd
zittern, Die gefellet denn Gott wol, vnd
schafft rechtschaffen hass vnd feindschafft widder die svnde, da sonst
[ 4 Nach Gott das auf Bl. 31b
verweisende Zeichen ÷÷÷. Bl. 31 enthält also ein Einschiebsel. 5 drauff o 10
war 〈erstlich〉 11 lesen o 12/13 vnd —schlusseln rh 16 Offt c aus? wie —gesagt o 17 schrecken 〈zu weilen auch ertichtet〉 20 beicht 〈vnd〉 vnd —werck
o 22 Nach verzweiueln unten am Fuße der Seite: Vertatur retro, also Rückverweis
auf Bl. 31a 23 hellen 〈bey vnter yhn〉 busse o 25
loseschlussel 〈mit〉 27 angefangen 〈Denn wer〉 28 gnade 〈das〉 ist (2.) versehentlich nicht
mit durchgestrichen 29 vnd 〈verachten〉 30 hoffnūg vnd rh fur sich rh 32 misschen, 〈ver〉 33/34 nicht —sondern rh]
[Seite 458]
die furcht vnd das sunde bedencken, eitel hass
vnd feindschafft erregt widder Gotts
gebot, Dis (sage ich) mus man wol mercken, das die Schlussel ia aneinander bleiben, Viel sind, die es nicht wissen, So
achtens die papisten gar nicht, Auch ob
sie es horen, so konnen sie es nicht verstehen
[Fortsetzung Bl. 32a] Da sind nǔ
zwey Stück odder ampt, die alle beide vber
alle masse not sind, vnd dafur man Gott nimer mehr voldancken mag, denn
der Bindeschlussel, odder sunde
verdammen, obs wol dem fleisch schrecklich vnd den bosen leuten verdrieslich ist so ists yhn
doch uber die massen nutze vnd gut, das
sie nicht allzu frech vnd frey, ynn sunden verderben, sondern sich fur solcher ruten furchten, vnd zu letzt sich
bekeren mussen, Auch wo der binde
schlussel nicht were, so kundten die Christen fur sich selbs nicht
sicher sein, vnd muste beide
Loseschlussel, Euangelion, glaube vnd kirche zu grund gehen, Denn wo keine straffe noch furcht da were, so
wurden die rechten Christen fur den
falschen Christen keine ruge haben, vnd nirgent bleiben noch fort kon̂n̂en. Hatts doch also noch muhe, wie scharff vnd
gros solche straff vnd drewen ist.
Darumb ist dieser eisern vnd harter schlussel den frumen Christen ein
grosser trost, schutz, maur vnd burg,
widder die bosen, Vnd doch daneben den bosen
auch ein heilsame, ertzney, nutz vnd frumen, Derhalben wir billich alle
beide schlussel von grund vnsers hertzen
sollen lieb haben, kussen vnd hertzen, als
vnser zween vnaussprechliche schetze vnd vm messlicher reichtum der
seelen
[Bl. 32b] Aus diesem siehestu nǔ,
das die Schlussel ein ernst ding sind,
vnd nicht mit wercken vmbgehen, noch auff vnser werck sich grun̂den, auch nichts von wercken, der gnugthuung sagen, wie
die papisten yhr binden lugenhafftig
deuten Sondern sie foddern den glauben, Denn der Bindeschlussel
wil, das man seinem drewen, vnd vrteil
gleube, vnd dadurch Gott furchte, Vnd
wer yhm gleǔbt, der hat mit solchem glauben diesem Schlussel gnug
gethan, Vnd ist kein ander werck, das er
foddere, Darnach wird solcher glaube wol
werck thun Also der Loseschlussel wil, das man seinem trosten vnd
vrteil gleube, vnd da durch Gott
liebgewinne, ein frolich, sicher fridlich hertz vberkome, Vnd wer yhm gleubt, der hat mit solchem glauben,
diesem schlussel gnug gethan. Vnd ist
kein ander werck, das er fordere Darnach wird solcher glaube wohl gute werck thun, Sihe, solchs hat
man nicht gelernt, noch gewust ynn dem
Bapstum, Solchs glaubens vnd was er grosses schafft haben sie gar geschwiegen, vnd die schlussel die
Gotts wort vnd befelh sind auff menschen
werck gegrundet, So doch vnser glaube auff die schlussel solt on alle werck gebawet sein,
[ 6 der steht über 〈das Bindeam[pt]〉 7 den 〈sun[dern]〉 8 ist o 10 binde o 13 furcht 〈were〉 14 bleiben noch rh kon̂n̂en c aus komen 15 Hatts doch
steht über 〈Vnd hat〉 20 vnser rh
um messlicher u 22 vnser rh 22/24 auch —deuten rh 23 binden 〈schen〉 25 vnd vrteil rh 26 diesem
steht über 〈dem〉 33 Solchs steht über 〈des〉 vnd —schafft rh 34 gar o die (2.) —sind
rh 36 sein, 〈 So grunden sich die Schlussel
selbs auch auff Gottes wort, Weil sie der selbige heisst schliessen, so
schliessen sie [o] von yhrs 〈b〉 gewissen befehls vnd ampts wegen, vnd nicht von der men̂schen vngewissen rew odder
werck wegen Denn die schlussel heissen ia kein werck thun, sondern drewen vnd
verheissen durch yhr wort, Nu kan man ia dem drewen vnd verheissen mit keinem
werck erfullen [steht unter 〈gnugthun〉], Sondern mussen gegleubt sein, das kan man ia wol
greiffen 〉 Das Ganze mehrfach durchstrichen.]
[Seite 459]
[Bl. 33a] Denn es kan vnd müs ia ein
iglicher wol greiffen, das die Schlussel
nichts gebieten noch heissen, Sondern der eine drewet der ander
verheisset, Sagen alle beide, nicht was
wir thun vnd lassen sollen, Sondern was
Gott thun vnd lassen wolle, Gottes werck zeigen sie an, die wir empfahen sollen, nemlich zorn vnd gnade, nicht vnser
werck, die wir thun sollen odder lassen,
Vnd sind eigentlich der bindeschlussel eine gottliche drawe vnd der loseschlussel eine Gottliche verheissung,
Darumb mus ia ein vngereimbt ding sein,
das die papisten dürch die schlussel wollen, gesetz vnd lere stellen, was wir menschen thun vnd lassen sollen, Damit
sie Gottes drewen vnd verheissen
dempffen, vnd also den glauben verstoren, der dem drewen vnd
verheissen geburt, So grunden sich auch
die schlussel nicht auf vnser werck, sondern auch auff Gottes wort, Denn sie binden odder losen
nicht darumb, das du berewet bist odder
nicht, Sondern aus Gottes befelh der sie heisst binden vnd losen Solch befelh vnd ampt ist yhrs bindens
vnd losens grvnd vnd vrsach Gott gebe
deine Rew sey odder sey nicht, Rew mag feylen, glaube mag auch nicht da sein, aber das binden vnd losen ist
gleichwol recht vnd gewis Gleich wie das
Euāgelion tauffe vnd sacrament recht vnd ge [Bl. 33b] wis sind, thun was sie sollen Gott gebe, du gleubest odder
lassest es, feylet ettwas, so feylet
dein vnglaube
[] Ja sprichstu, der schleussel feylet
gleich wol so yemand seinem binden odder
losen nicht gleubt, denn da geschicht nicht, was er bindet odder loset vnd must gleichwol den feylschlussel lassen
bleiben, Antwort, Das heisst nicht
gefeylet, So yemand dem schlussel nicht gleubt, Sonst must man auch
sagen das Gott selbs feylet, wenn die
leute nicht gleuben noch halten was er redt
vnd gebeut, Sein wort ist gleich wol recht vnd gewis, man gleube
odder gleube nicht, Also auch seins
schlussels bin̂den ist gewis, vnd recht, Gott gebe,
man gleubs odder gleubs nicht Denn er weis, was er bindet vnd loset, Vnd kan gewislich sagen also Jch weis das
mein binden vnd losen gewis ist, denn
Gott hat michs geheissen vnd also befolhen Vnd der odder dieser mensch ist gewislich fur Gott im himel gebunden
odder los, Er gleubs odder gleubs nicht,
Er wirds zuletzt wol erfaren Aber des Bapsts feylschlussel kan nicht
[ 1 vnd müs o das 〈der bindeschlussel〉 6/7 Vnd —verheissung rh 6 gottliche o 8 stellen 〈von vns〉 9 menschen rh Gottes 〈werck〉 13 berewet c aus berewest 15
auch o 17 tauffe —sacrament u 20 Zu dem mit Ja beginnenden Abschnitt steht am
Rande in kleiner Schrift [Abbreviaturen aufgelöst]: Nec sic intelligunt Sed non
posse credi clauibus scilicet ipsas claues erroneas esse differunt clauem esse
erroneam et claui non credi hoc est labium [labrum?] confundere so 〈der gebvndene [steht unter 〈man〉] odde nicht gleubt〉 seinem steht über 〈dem〉 21 da steht über 〈es〉 29/31 Vnd —erfaren rh]
[Seite 460]
so sagen, Sondern spricht, Jch weis warlich
nicht, ob ich gewis gebunden odder
geloset habe. Denn ich acht nicht, das mich Gott geheissen hat zu binden, Sondern ich wages auff die Rew vnd
werck der menschen, Auch binde ich offt,
aus meinē gutduncken, vngeacht, obs mich Gott heisse odder befelhet Solchs mus denn wol vngewis ding vnd feylschlussel
sein, weil menschen werck [Bl. 34a] vnd
eigen dunckel, on Gottes befelh, schliessen heissen
[] Das merckt man auch dabey, Denn sie
straffen vnd verdamnen den zweiuel
nicht, ob yemant nicht gleubt, das er los ist, odder ob sie nicht gleuben, das sie gebunden vnd getroffen
haben, Gehen sicher dahin vnd dencken,
hab ich gefeylt so sey es gefeylet, vnd machen solchs vnglaubens, kein
gewissen noch furcht. So es doch eine
grewliche sunde des vnglaubens ist, auff beiden
teilen, beide des, der gebvnden odder geloset hat, vnd des, der gebvnden
odder geloset ist, Denn es ist Gotts
wort vnd befelh, das dieser spricht vnd ihener
horet, Sind beide schuldig, solchs so gewis zu gleuben, als all ander
artickel des glaubens, Darumb wer da
bindet adder loset, Vnd gleubt nicht sondern
zweiuelt, ob ers troffen, gebunden odder geloset hat, odder denckt so
leichtfertig dahin, oh triffts so
triffts, der lestert Gott, verleugnet Christum, tritt seine schlussel mit fussen vnd ist kurz umb ein
heide, denn es sind Gottes wort, die man
gleuben sol vnd mus, Wer nicht gleubet, der lasse die schlussel mit
friden, Er bindet sonst vnd loset sich
ynn abgrund der hellen hinein
Es ist nicht eins ydermans werck, die
schlussel brauchen, Wer sie braucht vnd
gleubt nicht, der mocht lieber mit Judas odder Herodes [Bl. 34b] ynn der hellen sein, denn Gott wil ungeschmeht sein
durch vnglauben an sein wort [Matth. 13,
58] Matth. 13. Wer aber gleubt, der thut Gott den hohesten dienst mit dem schlussel, darumb leren wir die vnsern also,
Wer durch den schlussel gebunden odder
geloset wird, der sol solchem binden vnd losen so gewis gleuben, das er lieber zehen mal sterben sollt, denn daran
zweiueln. Es ist Gotts wort vnd vrteil,
dem kein grosser vnehre geschehen kan, denn so man dies nicht gleubt welchs eben so viel gesagt ist, als sprechstu
Gott du leugest, Es ist nicht war was du
sagest Jch gleubs nicht, Eben so gewis sol vnd mus auch der sein, der solch vrteil spricht, bindet odder
loset, odder der teuffel wird sein abgot
werden. Nu sage mir, wo vnd wenn leret man also von den schlusseln ym Bapstum? Wie viel sind official vnd
Bisschoue, die den schlussel ym glauben
also brauchen? Warumb? Dar umb, sie gleuben nicht das Gottes wort sey, Sinds also gewonet, wie eins allten
welltlichen herkomens, Solten sie aber
dencken, das es Gottes vrteil were, dem sie gleuben musten, bey der seelen seligkeit, sie wurden nicht
leichtfertig, sondern mit zittern vnd angst
[ 2 mich c aus michs 3 Auch steht über 〈Vnd〉 4 ich steht über 〈auch〉 8 yemant rh das er steht über 〈der〉 11 des vnglaubens rh 18 die c
aus dem 21 Darumb sagen wir 〈Es〉 23/24 denn —Matth. 13 rh 29 sprechstu rh 30 was —sagest
o auch o 32 werden steht über 〈sein〉 33/34 ym glauben rh 35 welltlichen rh 36/37 dem
—seligkeit, o 37 leichtfertig, 〈vnd〉]
[Seite 461]
damit vmbgehen? Ja, wo wollt man official
kriegen? Wo wollten die Consistoria
bleiben? Es wurde eine wuste reformation sich heben, Vnd ist doch not vnd mus sein, Aber weil sie die helle vnd
Gottes zorn nicht furchten, noch die
schlussel fur Gottes wort halten, sind sie sicher Junghernn, So lange es weret
[] [Bl. 35a] Denn wie ehrlich vnd hoch
sie die schlussel halten, kanstu da bey
wol mercken auffs erst das sie derselbigen allein zum vngewissen
werck, doch aber zum gewissen gellt
brauchen, Vnd ist gewis, wo die schlussel nicht
gellt brechten, sie nemen lieber einen hultzen schlussel zǔm
heiligen stock1, denn die wellt vol
Gottsschlussel zum himel, zum andern aüch dabei, Sie haben fur war so grosse heiligkeit, das kein
gemeiner Christ thar einen geweyheten
kelch anruren, vnangesehen, das derselbige Christ gestaufft, vnd durch
Christus eigen blut erworben, geheiliget
vnd geweihet ist, der geweyhete kelch ist tausend mal heiliger, denn ein Christ, der mit
Christus blut geheiliget ist, Es ist
auch nichts mit Christus blut gegen einem geweiheten Corporal, welchs
auch kein heilige Nonne, (ob sie gleich
Christus sonderliche braut heisst) wasschen
thar, schweige denn das sie es besüddeln sollte.2 Aber die schlussel,
welche der edlesten, heiligsten kleinot
eins ist, Gotts, Christi vnd seiner kirchen,
vnd kurtz vmb lauter hoh hoh heiligthum, oh die selbigen mugen
nicht allein anruren, vnd wasschen,
sondern auch auffs allerschendlichst missbrauchen, die allerleichtfertigsten, losesten buben,
die sie haben konnen als Cortisanen, officiale,
Sodomiten, Puseronen3 vnd dergleichen, Vnd solchen befelhen sie auch die Schlussel, Gott vnd seinen
schlusseln zu sonderlichen grossen ehren,
damit man sehen musse, wie lieb vnd werd sie die Schlussel haben.
[Bl. 35b] Jch meine ia des Bapsts kirche
sey eine heilige kirche, vnd er billich
der allerheiligeste, So lange die schlussel gellt schlussel sind, vnd mit eitel vngewissem lesterlichem missebrauch den
himel zuschliessen, Solltens aber
widderumb himelschlussel werden, hilff Gott, welch eine scharffe
rechnung solt vber den Bapst gehen, Jch
mus bekennen, Sie haben die schlussel lieb
vnd ehren sie hoch, aber sihe du die weil auff deinen kasten vnd beutel,
Deiner seel haben sie lengst vergessen
[Bl. 36a] Es ist aber nicht wunder, das
sie so thun, yhr ab Gott leret sie also
vnd heisst sie zweiueln vnd nicht gleuben ym schlussel ampt, Ja er
[ 5 Nach weret das Bl. 35a oben sich
wiederholende Verweisungszeichen ÷÷ 6 kanstu 〈auffs erst o〉 7 auffs erst o allein o 8 gellt 〈allein〉 10 zum (2.) —dabei rh 11 kein 〈mensch〉 gemeiner rh geweyheten 〈kelch〉 12 kelch rh 15 auch (1.)
o geweiheten 〈kelch odder〉 welchs steht über 〈das〉 16 sonderliche rh 18 der
o kirchen, 〈oh die m[ugen]〉 20 vnd o 22 vnd dergleichen rh 23 Schlussel, 〈Wen̂n̂〉 25 〈Wenn〉 Jch 26 vnd 〈eitel〉 28 hilff Gott steht über 〈teuffel〉 eine 〈wuste [steht unter 〈starke〉] reformation〉 scharffe
rechnung rh]
[Seite 462]
thut noch wol mehr, Er darff sagen der leidige
grewel Sententiȩ nostrȩ etiam iniustȩ tamen sunt metuendȩ Hie ist keine hohe schule noch
doctor, der solchem schendlichen
lestermaul widderstunde, schweigen alle stille, willigen, vnd ehren solchen teuffel als den allerheiligsten Vater
ynn Gott, Lieber Gott, was sol man doch
sagen zu solchem teüffels ubermut? Er leret vngewis sein, vnd spricht doch Unser vrteil sol man furchten,
wenn sie gleich vnrecht sind, Wie dunckt
dich umb Jungher Bapst vnd die sein̂en? der schlussel vrteil sol
Gottes wort sein, odder sind nicht
Gottes schlussel, Denn sie sollen mit dem glauben angenomen werden, So sagt hie der Bapst, Man
musse auch sein̂ vnrecht vrteil furchten, Das ist
eben so viel gesagt, Gott, der durch die Schlussel redet, der kan vnrecht thun, Vnd die Christen sollen
solchs vnrecht gleuben, ehren vnd
furchten, vnd lugen fur artickel des glaubens halten, das Gott vnd vnrecht sey ein ding Jch meine, das heisse ia
frey einen offentlichen seind Gottes vnd
Endechrist sich selbs bekennen, dazu auch rhumen vnuerschempt, vnd doch ehre dauon wollen haben, Nu bete
Bapst an, wer Gotte nicht gleuben wil,
Es geschicht yhm doch ia recht,
[] [Bl. 36b] Sprichstu, Wie sol ich
denn wissen, wenn ich der schlussel
brauchen musse, damit ich gewis sey, das mein vrteil Gottes wort sey? [Matth. 18, 15 –17] Antwort, da hast du Matth
xviij einen gewissen Text, da Christus der schlussel ampt so gewis fasset, das du nicht feylen
kan̂st, so du dem folgest vnd spricht
Sundigt dein Brudder widder dich, So gehe hin vnd straffe yhn zwisschen
dir vnd yhm alleine, Gehorcht er dir, so
hastu deinen Bruder gewonnen̂. Hie ist
noch nicht not der schlussel zu brauchen, Weiter spricht er, Gehorcht er
dir nicht, so nim noch einen odder zween
zu dir, auff das alle sachen bestehen
ynn zweier odder dreyer zeugen mvnde, Hie ist auch noch nicht der
schlussel ampt, Es folget aber nu, da er
spricht, Gehorcht er denen nicht, So sage es
der gemeine, Hie gehen die schlussel recht an, wie folget, Gehorcht er
der Gemeine nicht, so halt yhn wie einen
heiden vnd zolner, Da hastu eine gewisse
form vnd weise, die ynn Gotts wort gefasset ist, das du nicht dich
furchten durffest, Vnd ausser dieser
form vnd weise sol man der schlussel nicht brauchen, Denn du wurdest vngewis, vnd kundtest nicht
sagen, Gotts wort heisst michs, Jch mus
thun vnd thu recht, Sondern dein gewissen wurde dich straffen, vnd sagen, du brauchest der schlussel nach deinem
mutwillen on Gotts wort, so sinds denn
auch nicht mehr Gottes schlussel, sondern deine trewme vnd vermessenheit ia dein lesterung vnd mis bietung1 des Gott
[Bl. 37a]lichen namens
[ 1 leidige grewel steht über 〈verflucht vnflat〉 2 metuende 〈Ja das hellische feǔr auff
deinen kopff, wenn du fort reden wilt〉2 3 schendlichen rh 5 ubermut steht über 〈wesen〉 Er 〈spricht〉 5/6 leret —doch rh 8 Gottes o
9 sein̂ o 11
Vnd 〈man〉 gleuben 〈l[ugen]〉 12/13 vnd (2.) —ding rh 14
selbs o 18 das 〈es〉 mein vrteil
rh 20 so (2.) —folgest rh 23 er (1.) 〈W〉 35 bietung steht über 〈brauch〉]
[Seite 463]
vnd worts, schweig, was der vnglaube noch dazu
ist, vnd vnrecht deinem nehesten widder
die liebe gethan
[] Es ist itzt nicht der brauch
(sprichstu) zu Bischoffs hofen also, Da
schlag gluck zu1, Ein Bisschoff ist auch nicht Gott, So ist sein hoff
nicht Gotts wort, konnen sie es aber
besser machen, denn es hie Gottes son
geordent hat, So las sie machen, Jsts aber misbrauch, so bringe
mans widder zum rechten brauch, Christus
wird sein wort vmb der Bisschoffs hofe
odder misbrauch willen, nicht endern, du horest hie, Es mussen gewisse
sün̂de sein, da mit die schlussel handeln sollen.
Vnd dazu solche sunde, die züüor
heimlich gestrafft vnd darnach offentlich vberzeugt sind fur der
Gemeine, Was aber sünde sind, leren dich
die zehen gebot vnd Euangelia, Wo nu yemand,
Es sey Bapst, Bischoff, official odder Probst, der Schlussel ander
weise braucht, denn sie Christus hie
gefasset hat, da sind es nicht Christus Schlussel, da sol man auch Gott zu ehren beide bann vnd
vrteil, als Gottslesterung, enhindern
furen auffs heimlich gemach vnd die nasen dran wisschen2, Denn on Gottes wort, sol man keinen menschen
vrteilen, Gott wills nicht haben Matth.
7. Vnd sol auch niemand solch vrteil leiden, willigen, noch an nemen, sonst wirstu dich solcher lesterung
teilhafftig machen Jst auch nicht Gotts vrteil, sondern ein lesterlicher mutwille
vnter Gottlichem namen geubt widder das
ander gebot, das kein mensch leiden noch willigen sol, Das sey dauon gnug
[] Das wir aüch zum ende komen, So
sehen wir hie, wie einen hertzlichen
trewen lieben Vater, vnd [Bl. 37b] bisschoff wir haben an vnserm Herrn
Jhesu Christo, das er vns solchen
trostlichen schatz gelassen vnd befolhen hat Denn er hat gesehen, das seine lieben Christen gebrechlich,
dazu vom teuffel, wellt, fleisch, manch
feltiglich angefochten, zuweilen fallen vnd sundigen wurden, da hat er gegen diese ertzney gesetzt, das einer
den andern straffen vnd trosten sol, vnd
vns alle zu seinen schlusseln hallten Er weis aüch wol das vns not ist, weil ein sundlich gewissen blode vnd
schwach ym glauben ist, vnd sich
schwerlich trosten lesst, Vnd sonderlich hat er solche Schlussel wider die ketzer Nouatianer3 gegeben, Welche da
lereten, das nach der tauffe keine todsunde
auff erden mochte vergeben werden, Aber Christus gibt ia seine
schlussel den getaufften, Welchs were
vergeblich, so die getaufften nicht sundigen
vnd nicht durch die schlussel los werden solten Er spricht auch von
den selbigen getaufften dazu, So dein
bruder sundigen wurde, Bruder ist ia
getaufft, noch sagt er, wo er sundigen wurde, Spricht auch nicht, So er
einmal sundigen wurde, Sondern schlecht,
So er sundigen wird, Auch setzt er
[ 3 itzt o 5 hie o 6 aber rh 7
Bisschoffs 〈hoffe〉 8 willen o
mussen steht über 〈sollen〉 9 dazu o 12 ander c aus anders weise rh 14 Gott —ehren rh 15 auffs
—gemach rh 17/18 Matth. 7. —machen rh 20 das (2.) —sol rh 27 alle o 28 vnd
—glauben rh 32 svndigen 〈vnd〉 33 auch 〈nicht〉 rh 33/34 von —getaufften rh 36 wird o]
[Seite 464]
nicht, das die schlussel gemessen sind auff
ein mal, sondern frey auff alle sunde,
allerley zeit vnd stunde, vnd spricht, Alles was yhr loset, Spricht
nicht, loset ettliche sunde, odder
einmal odder ettlich mal, Sondern schlecht alles was yhr loset &c̄. Davon gehoret weiter ynn den
predigen zu sagen
[] [Bl. 38a] Vnd das wort (Alles)
welches der Bapst hat gezogen auff seine
allmechtige gewallt, ynn himel vnd erden vnd vnter der erden, sol man
nicht weiter zihen, denn auff die sunde
die vergangen vnd offentlich vberzeuget
ist Denn man mus die wort Christi verstehen, ßm̄ materiā subiectam,
Das ist, man mus sehen, wo von Christus
an einem ort redet, Vnd also denn seine
wort, dem selbigen nach, nicht weiter deǔten, denn derselbige ort leidet
odder gibt, Vnd nicht damit an ander
orter lauffen, vnd alle Ding an allen orten
leren, wie die Rottengeister auch thun, die viel spruche furen zum
sacrament, welche doch nichts, vom sacrament
reden, Weil wir aber hie sehen, das Christus
von der bruder odder seiner Christen sunden redet, wie die sollen
gebunden vnd geloset werden, mus das
wort (Alles was du bindest vnd losest) allein
von solchen sunden verstanden werden, Vnd nicht von gesetz stellen uber
alles, das ynn himel vnd erden ist, wie
die schendlichen lugener furgeben, vnd
wollen auch die Engel ym himel binden vnd Gott selbs mit yhren geboten
Das sey fur vnser nach komen, das ander
stucke, darin sie sehen, was ym Bapstum
geleret ist, vnd waruber wir gefochten vnd ketzer gescholten sind, Vnd haben (hoff ich) hie mit die schreier
[Bl. 38b] abermal ein supplin, daruber
sie mordio vnd zeter schreien konnen, So Gott wil, sol mehr hernach
komen, damit sie doch wissen, war umb sie
schreien, Christus aber vnser lieber
herr vnd heiland, der angefangen hat seine Engel zu senden, vnd alle
ergernis [Matth 13, 41] aus seinem Reich
zu samlen, vnd den Endechrist mit dem geist seines mundes zu todten, der wolte vollend nachdrucken vnd
herein brechen, mit seiner herrlichen
Zukunft vnd des teuffels reich ein Ende machen, vnd vns von allem
ubel erlosen, Dem sey lob vnd danck lieb
vnd ehre sampt dem Vater vnd heiligen
geist vnserm trewen gnedigen Gott vnd herrn, ynn ewigkeit Amen
[ 1 alle 〈zeit vnd st[unde ]〉 3 einmal odder rh 4 sagen, 〈Der selbige vnser lieber herr,
helffe vnd rat vns aus allem yrthum vnd vbel zu lob seinem namen gebenedeiet
ynn Ewigkeit Amen〉 7 sunde 〈so〉 7/8 die (2.) —ist rh 7 vnd 〈vbe〉 14 seiner rh 16 werden o von
(2.) 〈allem〉 gesetz —alles rh 17 vnd (2.) o 20 sind o 22 So —komen rh
27 ein —machen steht über 〈zerstoren〉]
[Seite 465]
1530
[Seite 465]
[Bl. A ij]
[Einleitung]
Das ist freilich der grossesten plagen
eine, so durch Gottes zorn uber die
undanckbare welt ist gangen, das der lieben Schluessel grewlicher misbrauch und misverstand In der
Christenheit so gewaltiglich hat
uberhand genomen, das fast an keinem ort
der welt der rechte brauch und verstand blieben ist, Und sind doch so grob und greifliche misbreuche, das
sie schier mercken solt ein kind, so
reden und zelen gelernt hette. So tieff haben alle geistlichen und
gelereten geschlaffen und geschnarckt,
ja stock star blind1 sind sie gewest. Darumb wil ich hie mit Gottes huelffe und gnaden der
selbigen misbreuche etliche anzeigen,
[Matth. 13, 41] und, wie Christus sagt, solche ergernisse aus seinem
reiche samlen helffen, damit unser
nachkomen sehen2, wie es jnn der Christenheit gestanden sey, vnd hinfurt sich fur solchem jamer wissen zu hueten vnd
die Schluessel recht erkennen vnd wol
brauchen lernen, Denn es ist an diesem erkentnis gros gelegen, unzeliche grewel zu verkomen vnd zu vermeiden.
Der Erst Misbrauch.
[] DA haben sie den edlen lieben spruch
Christi gefueret, da er zu Petro spricht
[Matth. 16, 19, Matth. 18, 18] Matthej am xvj. vnd xviij. ‘Was du binden
wirst auff erden, sol gebunden sein jm
himel &c.’ Aus diesem spruch haben sie das wort Binden genomen und dahin gedeutet und gezogen, das
es sol heissen so viel als gebieten und
verbieten odder gesetz und gebot stellen uber die Christenheit, Und daher
geben sie dem Bapst die gewalt und
rhuemen, das er macht habe, der Christen seele
und gewissen mit gesetzen zu binden, das man jhm muesse gehorsam
darinnen sein bey verlust der seligkeit
und bey ewiger verdamnis. Widderumb, wer
jhm darinn gehorsam ist, der werde selig. Haben alle sprueche der
schrifft vom gehorsam und ungehorsam
hieher gezogen, Und ist alle welt mit solchem frechem deuten des worts Christi erschreckt und
uberpoltert, bis sie endlich jnn ein
bockshorn ist geiagt3 und eitel menschen lere hat leiden muessen. Wolan,
solch deuten wollen wir sehen und fur
den richtstuel Christi, das ist fur sein eigen
wort, stellen vnd sie gegen ander halten.
[Seite 466]
[] Erstlich: Lieber, sage mir, ists
auch wol und recht gethan, wenn man also
ein wœrtlin aus einem spruch Christi reisst und gibt jhm aus eigenem
mutwillen eine glose und verstand, der uns
gefellet, unangese [Bl. A iij] hen, ob sichs mit dem Text und spruch reime odder nicht? Solt
man nicht Christo und seinem wort so
viel ehre thun, das man mit aller trew und vleis den gantzen spruch von wort zu wort fur sich neme und gegen
ander hielte, damit man sehe, obs auch
der spruch leiden wolt, das ich ein woertlin so und so zu verstehen gedecht? Denn hetten sie mit schlummenden1
und halbwachenden augen den Text muegen
ansehen, So hette sie das helle klare liecht so gestossen, das sie die augen hetten muessen auffthun und wacker2
werden und also sehen, das Binden hie
nicht mœchte solche glose leiden, das es solle gesetz stellen heissen. Nu sie aber das nicht gethan, sondern allein
das wort Binden gleich als jm traum
gehoeret, reden sie auch davon wie ein schlefferiger trunckenbold, wenn man fragt, ob er heim gehen woelle, Und er
antwortet “Mir zu”, meinet, man bringe
jhm eins.
Denn las doch hoeren: Jnn welcher
schulen lernt man solch latin odder
deudsch, das Binden solle gebieten odder gesetz stellen heissen? Welche
mutter leret jhr kind also reden? Wo her
kompt denn unsern schluessel deutern diese
glose, das Binden heisse gebieten? Wie kan man hie anders zu sagen,
denn das es kome aus eigenem mutwilligem
getichte odder aus einem truncken traum?
das ist so viel gesagt, das sie Gottes wort und warheit mit jhren luegen felschen und die Christen damit
verfueren und dem Teuffel dienen. Aber
ich setze: Es sey etwa eine schule, da man lerne, das Binden heisse
gebieten, Und sey etwa ein newe
rotwelsche sprache, die also rede, Wie werden wir aber gewis, das darumb hie jm spruch Christi
auch so geredt werde, das Binden heisse
gebieten, und sey Christus meinung gewis? Man mus es ja mit heller schrifft beweisen, das gewis also
sey zuverstehen, Denn weil dieser spruch
jhr einiger grund und heubtstein ist, darauff das gantz Bapstum stehet, So mus es gar gewis beweiset sein, das Binden
nichts anders heissen koenne, denn
gesetz stellen.
Machet man das nicht gewis, so mus
jederman wol greiffen, warauff das
Bapstum stehet, sampt seiner allmechtigen gewalt, nemlich auff einem ungewissen grunde; Stehet und gehet jm
finstern und nicht jm liecht, kan auch
selbs nicht wissen, wo es stehet odder gehet. Ja es stehet auff eitel
luegen, das ist gewis, Denn wer ungewis
ding fur gewis leret und die leute drauff fueret, der leuget und verfueret eben so wol damit,
als der eine offenberliche luegen redet,
Und ist dazu ungewis leren wol erger und ferlicher gelogen denn offenberlich liegen, Sonderlich jnn solchen
grossen sachen, die das ewige leben
[ 4 rüme D 18 lernt C 21 also vil D 22
damit] also D 23 setze] schetze D 37 gferlicher D]
[Seite 467]
und sterben betreffen. Wo mit und wenn woellen
sie aber jhr glose gewis machen? Wenn
der Teuffel gen himel feret.1 Jnn des stehet das Bapstum aueff eitel luegen mit seinen
bindeschluesseln (ich solt sagen blindeschluesseln).
[] Zum andern: Jst ja das gewis, das
Christus jm obgenanten spruch redet von
dem Binden, da die suende gebunden odder behalten wird, gleich wie er auch redet von dem Loesen, da die suende
geloeset odder vergeben wird. Das Binden
hie muß heissen Suende binden, und Loesen mus heissen Suende loesen, [Matth. 18, 15 ff.] Denn er leret ja daselbs,
wie man unsern bruder, [Bl. A 4] so er suendigt, solle vermanen, straffen, verklagen, Und wo er
nicht hoeren wil, als einen Heiden
halten &c., wie wir hernach weiter hoeren werden. Nu ist das auch
gewis, das suende binden nicht so viel
sein kan als Gebieten odder gesetz stellen, wie die Papisten deuten, Denn Gebieten und gesetz
sind ja nicht die suende selbs, Sondern
die suende ist etwas widder das gesetz und gebot gethan, Das hat ja keinen zweivel, und mus jederman bekennen.
Darumb wird sichs nicht leiden, das
einerley wort, als da Binden, solt heissen zu gleich Gebieten und suende behalten. Eins mus falsch und unrecht
sein, Gesetz bindet keine suende,
Sondern Es gebeut zukuenfftige suende zu meiden und guts zu thun und
ist natuerlicher weise vor den suenden,
die noch nicht sind, Aber der Schluessel
bindet vergangne sünde, widder das gesetz gethan, und ist von not wegen
beide nach dem gesetze und nach der
sunden, Das also des Bapsts Binden und Christus
Binden gleich stracks widdernander sind, und keins mit dem andern sich
jnn dem spruch vertragen kan: Einer mus
falsch sein und liegen, das feilet nicht.
Zum dritten: so ist Christus Binden
dahin gericht, das es den suender wil
von den suenden erloesen, und sucht mit seinem binden nicht anders, denn das des suenders gewissen frey und ledig
werde von suenden, denn darumb strafft
und bindet er den suender, das er solle die suende lassen, buessen und meiden, Und mag solch Binden wol heissen Ein
errettung des gewissens und huelffe von
suenden, Aber des Bapsts Binden ist dahin gericht, das es die unschueldigen gewissen fahen und nicht frey,
sondern gebunden haben wil, Und sucht
nicht anders, denn wie die gewissen bestrickt und jhrer freiheit beraubt werden, das solch binden wol mag heissen Ein
gefengnis und ursach zu den [Röm. 7, 8]
suenden, wie Sanct Paulus sagt zun Roemern am vij., das alle gesetze
ursachen geben zu suendigen. Also ist
ja, meine ich, hie ein starcke, grosse, mechtige unterscheid gnug zwisschen Christus und des Bapsts
Binden, das sie ja nicht muegen einerley
sein, noch jnn einerley spruch zu gleich verstanden werden, Christus
Binden gehet mit eitel suenden und
suendern umb und gibt ursache damit, das sie frum und on suende seien, Des Bapsts Binden gehet
mit eitel heiligen und gerechten umb,
gibt ursache damit, das sie zu suenden komen und suender werden, denn seine gesetze gehen uber alle frumen
unschueldige Christen. Aber Christus
[ 3 sagen) ABCD [so auch unten] 11 so
viel] zů uil D 39 unschuldigen D]
[Seite 468]
schluessel gehen allein uber die suender unter
den Christen, So gar fein reimet sich
des Bapsts schluessel mit Christus schluessel.
[] Zum vierden: So dienen und helffen
Christus schluessel zum himel und zum
ewigen leben, Denn er nennet sie ja selbs schluessel des himelreichs, nemlich, das sie dem verstockten suender den
himel zuschliessen, Aber dem buessenden
suender den himel auff thun. Darumb mus jnn den schluesseln Christi verborgen ligen sein blut, tod und
aufferstehen, damit er uns den himel
eroeffenet hat, und teilet also durch die schluessel den armen suendern mit, was er durch sein blut erworben hat, Und ist
der schluessel ampt ein hohes Goettlichs
ampt, das den seelen von suenden und tod zur gnaden und leben hilfft, und gibt jhn die gerechtigkeit on
allen verdienst der werck, allein durch
verge [Bl. B 1] bung der sünden. Was thut da gegen des Bapsts
schluessel? Sie gebieten und stellen
eusserliche gesetze, Lieber, was helffen die selbigen widder die suende, tod und helle? Wie bringen sie eine
seele zur gnade und leben? Wie thun sie
den armen suendern den himel auff? Ja hinder sich!1 Wir wissen nu fast wol, das auch die werck der Zehen
gebot Gottes nicht selig noch frum
machen, Sondern allein die gnade Christi durch vergebung der suenden macht frum und selig, wie soltens denn thun
die eusserlichen gesetze und Bepstliche
werck von menschen ertichtet, die ein lauter unflat sind gegen die werck der Zehen gebot?
Zum funfften: So foddern die Schluessel
Christi kein werck, sondern eitel
glauben, Denn der Bindeschluessel ist ja nichts anders und kan nichts anders sein wedder2 ein Goettlich drewen,
damit er dem verstockten suender die
helle drewet. Und der Loeseschluessel ist nichts anders, kan auch nichts
anders sein, denn ein Goettlich
verheissen, damit er dem demuetigen suender das himelreich verheisst. Nu weis das ja jederman wol, das
man Goettlich drewen und verheissen mit
keinen wercken kan erfuellen, Sondern mus allein mit dem glauben fassen on alle werck, Denn drewen und
verheissen sind nicht gebot, Sagen auch
nicht, was wir Gotte thun sollen, sondern zeigen uns an, was Gott uns thun wil, leren uns also Gottes
werck und nicht unser werck. Dagegen
leren uns des Bapsts schluessel unser eigen werck, was wir thun sollen, Denn sein binden gibt uns gesetze,
darnach wir thun sollen, wie wir
gehoeret haben. Treffen sie nu nicht fein uber eins, Christus Schluessel
und des Bapsts schluessel? Jhenen leren
Gottes werck und kein menschen werck,
Diese leren menschen werck und kein Gottes werck. Warumb heisst denn
der Bapst seine schluessel des himels
schluessel? So sie doch wedder zum himel
noch zum glauben odder zur Christenheit helffen, sondern allein
eusserliche
[ 7 vfferstehung D 19/20 der werck D 23
wedder] dann ein D 35 Goettes [wohl Druckfehler] A]
[Seite 469]
jrdissche geberden stellen, Sie solten
jrdissche schluessel heissen, Ja, wenn sie
noch so gut weren.
[[5b]] [Hebr. 13, 9] Zum sechsten: So
spricht Ebre. xij., das die eusserlichen jrdisschen gesetze und geberden nichts nuetze sind. Ein hertz
(sagt er) mus durch gnade feste werden
und nich0t durch speise, welche keinen nutz geben denen, so damit Gott dienen wollen, wie auch Sanct Paulus solche
lere und gesetze allenthalben [Luk. 17,
20 f.] verbeut und verdampt, Und Christus spricht selbs Luc. xvij: ‘Das
reich Gottes kompt nicht mit
eusserlichem geberde, Sondern ist jnnwendig jnn euch.’ Wie solt er denn so toll sein, das er schluessel
dazu gebe, auff das man sein reich mit
eusserlichen geberden solt binden? Solt zu gleich verdamnen aus seinem reich alle eusserliche geberde und
solt doch schluessel dazu geben und
befelhen mit eusserlichen geberden drinnen zu herschen, Denn er nennet
sie ja himels schluessel, die zum reich
Gottes dienen, dazu kein eusserlich werck
odder gesetze hilfft, wie Christus sagt. Widderumb, so kan des Bapsts
schluessel ja nichts anders thun denn
Binden, das ist, wie sie sagen, eusserliche menschliche werck gebieten. Was ist nu das anders gesagt
Denn: des Bapsts schluessel sind wol
himels schluessel, aber sie thun und koennen nichts anders thun, wedder1 allein das, so gantz und gar kein
nutz [Bl. Bij] zum himel ist, auch zum
Christenthum nicht hilfft, Sondern viel mehr von Christo selbst und seinen Aposteln verdampt, verboten und aus
seinem reich verbannet ist. Das muegen
mir seltzame himels schluessel sein.
Aber solcher unrat fleusst aller daher,
das man Christum verleugnet hat, und wil
durch eigen werck selig werden, auff das Christus ja vergeblich [Gal. 2, 21] gestorben sey (wie Paulus sagt)
und wir jnn unser eigen gerechtigkeit uber
und ausser der gnaden heilig seien. Darumb mus uns der Bapst gesetze
auff binden, welche so wir halten und gehorsam
sind, so komen wir jnn den himel, Wo
nicht, so faren wir jnn die helle. Also bezeugen sie hie mit jhrem eigen maul, das sie abtruennige
Christen sind und Christum sampt seinem
Tod verleugnen, dazu sich uber Christum selbs erheben, Denn weil jhr schluessel nichts kan denn binden, das
ist gesetz stellen, und sol doch ein
himel schluessel sein, gibts sichs selber, das sie zum himel wollen
durch gesetz und werck als durch jhres
schluessels ampt, das heisst ja der rechte Widder Christ, der unser seligkeit auff unser werck
bawet durch seine schluessel und nicht
auff Gottes gnaden, Und das ist die liebe frucht dieser hohen kunst, das Binden heisse gesetz geben, nemlich, das
Christus damit verleugnet und der
ertzgrewel unser eigen gerechtigkeit damit auffgericht und erhalten ist.
Doch wir wollen hie der sachen raten
und den Papisten auch mit einer glosen
dienen, Das sol die sein: Gleich wie Christus und der Bapst zweierley schluessel haben, also sind auch zweierley
himelreich, da solche zweierley schluessel
[ 15 nicht C]
[Seite 470]
zu gehoeren. Das eine himelreich ist das ewige
leben, dazu uns armen suender die
schluessel Christi helffen durch vergebung der suenden, so uns Christus durch seinen tod und nicht durch unser werck
erworben hat, Dis ist Gottes himelreich.
Das ander himelreich ist droben jnn den luefften, da die Teuffel
regieren, [Eph. 2, 2] wie S. Paulus
sagt, da zu helffen die schluessel des Bapsts allen seinen heiligen, die seine bande und gesetze halten. Denn
solchen heiligen gehoeret solcher himel,
und solchen himel verdienet man mit menschen gesetzen und wercken, Also sind denn auff beidem teil eitel
himelschluessel, doch mit grossem unterscheid,
wie gesagt ist. Daher auch der Bapst jnn allen bullen wie ein lewe bruellet, das man sich nicht solle jnn
ferligkeit der seelen seligkeit mit ungehorsam
gegen seine schluessel begeben, Und ist die helle hie seer heis,
Wer aber seinen schluesseln gehorsam
ist, der ist jm schos der heiligen kirchen und
selig, darff wedder Christus noch seiner schluessel da zu.
[[5a]] Zum siebenden: Und zwar, Wo uns
Christus nicht mehr hette wollen geben
mit den schluesseln denn gewalt, eusserliche gesetze und gebot zu stellen, hette er sie wol muegen behalten, die
Christenheit kuendte jhr wol geraten.
Denn da sind weltliche oeberkeit, Vater, Mutter, Herr, Fraw, freunde,
alte leute &c.., die uns eusserlich
mit gesetzen, zucht, sitten und geberden reichlich gnug koennen versorgen, und on not ist, das
Christus schluessel hiezu gebe. Denn was
kan des Bapsts schluessel mit seinem binden odder gesetz stellen, schaffen, das nicht die vernunfft erdencken,
fassen und auch schaffen kan, so wol als
seine schluessel? Solt [Bl. Biij] nu Christus mit seinen schluesseln der
kirchen nichts hoehers noch bessers
geben, denn er zuvorhin aller welt durch die vernunfft gegeben hat, So stuende unser glaube und die
kirche selbs dazu nicht auff dem fels
Goettlichs worts, sondern auff menschen vernunfft. Ah do stuende sie wol, Und gewislich stehet des Bapsts
kirche also, Denn gleich wie seine
schluessel ein ertichte menschen glose ist, so ist auch die kirche, die
er damit bindet, Gleich und gleich
gesellet sich gern.11
Zum achten: Hat die Christenheit auch
schaden von solchen Bapsts schluesseln,
nicht allein den grossen heubtschaden und verderben, das Christus gnade da durch verleugnet und verlestert und
eitel eigen gerechtigkeit damit
auffgericht wird, sondern auch, das sie uberschuettet und uberweldigt
wird mit teglichen, newen, unzelichen
und untreglichen gesetzen, und die gewissen auffs aller hoehest damit betruebt und verwirret
werden, das unter der sonnen kein
elender volck auch dieses stuecks halben gewest ist noch werden kan. Nu
weis man wol, das Christus seine
schluessel nicht zum schaden noch verderben, Auch nicht zu beschwerung noch unterdrueckung
seiner kirchen gegeben hat, Sondern das
sie sollen jr nuetzlich und heilsam sein. Es solten auch nicht der kirchen noch des himels schluessel heissen, Sondern
des Bapsts schluessel, Denn der
[ 1 sündern C 10 gferligkeit D 11 synen
schlüsseln D seer] fast D 12 in der schoß D]
[Seite 471]
Bapst und die seinen haben damit alle gewalt
uber leib und seele, uber gut und ehre
uberkomen, Die kirche hat nichts denn beide leiblich und geistlich schaden davon und ist drueber unter solche
wuetige Tyrannen der seelen komen.
Das alles koennen sie nicht leugnen, Es
ist am tage durch jhre bullen, buecher,
schrifft und werck offenbar, das sie bey den schluesseln den lieben
glauben nie geleret, sondern geschwigen
und mit diesem spruch Christus blut und Gottes
gnaden nicht gepreiset noch geleret, sondern allein des Bapsts gewalt
damit auffgeblasen haben, wie er binden
koenne, und man jhm muesse gehorsam sein
jnn seinen gesetzen. Das haben sie geblewet, gebrewen und getrieben1
on unterlas, bis das sie seine gewalt
nicht allein uber alle Christen, sondern auch
uber alle weltliche Keiser, Koenige und Fursten jnn aller welt haben
erhebt, darnach auch unter der erden
uber die todten jm Fegfeur, zuletzt auch jnn
den himel uber die Engel auffs aller unverschamptest, Und da sie nicht
weiter kundten, machten sie aus dem
Bapst einen Got auff erden, der ein gemengeter
Got und mensch were und nicht ein lauter mensch, davon wir ein ander
mal weiter sagen wollen2, und den
Schreiern zuschreien geben.3 Denn es sollen
(ob Gott wil) solche hellissche und teuffelissche grewel nicht so
zugedeckt4 werden, wie sie jtzt hoffen
und meinen.
[] Also haben wir, wie trewlich die
frume leute mit der Christenheit sind
umbgangen, das sie aus dem schluessel ampt ein gesetz stellen gemacht
haben, deuten die wort, so von Gottes
werck und gnaden reden, auff unser eigen werck
und verdienst, Mus doch die natuerliche vernunfft, wie blind und on
glauben sie ist, bekennen, das Gnade und
Recht nicht einerley ist und einerley spruch
zu gleich nicht mag von Gnaden und Recht reden noch verstanden
werden. Wers aber thet, den hielte auch
die welt fur einen boeswicht odder unsinnigen,
Nu thun solchs ja hierin diese leu[Bl. B 4]te, dazu nicht jnn weltlichen
sachen, da es doch unleidlich ist,
sondern hie jnn Gottes wort und Christus sachen, Und thuns also, das es muessen artickel des
glaubens sein. Wers nicht gleubt, der
mus ein ketzer sein, an der seelen ewiglich verdampt und am leibe
zeitlich verbrand, Wie solten die
Schreier toben und plerren, wenn sie uns etwa jnn
[ 1 gewaelt D [Plur.?] 9 gebrewen fehlt
D 12/13 in dem D]
[Seite 472]
einer solchen verfluchten, hellisschen,
lesterlichen luegen ergreiffen kundten, wie
wir sie jtzt hie ergriffen haben.
Zum neunden: Lasst uns aber gleich
setzen, das Binden moecht so viel
heissen als gesetz stellen, So mus Loesen widderumb so viel heissen als
gesetz auff heben und abthun, denn es
sind zwo gleiche gewalt gegen ander, alle beide
von Christo gegeben jnn dem selbigen spruch, und sind beide schluessel
gleich gros. Hat nu der Bapst odder
seine kirche gewalt zu binden, das ist gesetze zustellen, So mus er auch gewalt haben, gesetze
auffzuheben, Denn sol man das binden
auff das gesetz deuten, So mus man das loesen auch drauff deuten.
Wolan, so mag der Bapst die Zehen gebot
Gottes, die Euangelia und die gantze schrifft
auffheben und alle welt davon entbinden und loesen. Kan er das nicht
thun, so kan er auch nicht binden oder
gesetz geben, Denn er mus eins so wol thun
koennen als das ander, Kan er keinen buchstaben der heiligen schrifft
loesen und auff heben, so kan er auch
keinen buchstaben gesetz stellen.
Und warlich, Er hats auch gethan, Mit
der that hat er Christum (wie droben
gesagt) ausgerott und verleugnet, dafur seine gesetz und werck gestifftet, So sind auch viel, die da leren, das er uber
die heilige schrifft sey, mag sie deuten
und endern wie er wil, als er denn auch gethan hat, Und rhuemet sein heiliges geistlichs recht, das die heilige
schrifft habe das von jhm, das sie heilige
schrifft heisse und bey den Christen gelte. Denn wo er sie nicht
bestettigt hette, so wuerde sie nichts
gelten, noch die heilige schrifft sein muegen, Aber das sol jhm der Teufel gesegenen, Und hoffe,
solch lestermaul sey nu ein wenig
gestopfft, wie wol noch etliche mucken und goecken.1 Denn Es heisset:
‘Verbum [Matth. 5, 18] Domini manet jnn
eternum’, Und Christus Matth. vij.: ‘Es sol nicht ein jota noch tuettel von dem gesetze vergehen, Es mus
alles geschehen’, Und aber mal [Joh. 10,
35 Luk. 21, 33] Johan. viij: ‘Die schrifft kan nicht zebrochen werden’, Und
Luce xxj: ‘Himel und erden vergehen,
Aber meine wort vergehen nicht’. Das ist der man, der dem Bapst ein pfloeglin dafur gesteckt hat2,
das er nicht sol koennen auffheben noch
loesen einigen buchstaben noch tuetel jnn der schrifft, Darumb sol er auch nicht einigen buchstaben binden odder
gebieten uber die Christen.
Ja, moechtestu sagen, Er mag loesen
seine eigen gesetz, Das ist war, Aber es
ist nicht gnug, Denn der Loese schluessel were damit nicht gleich dem Bindeschluessel, Sondern gleich wie er
Bindern kan, da Gott noch niemand nicht
gebunden hat, und alles frey ungebunden ist, So mus er auch Loesen
koennen, da Gott noch niemand nicht
geloeset hat, und alles gebunden ist, Sonst weren die zwo gewalt nicht gleich gros. Das were
mir ein schlecht loesen, wo ich
[ 4 gesetze (2.) C 23 goecken]
schnockē D 24 in B vij] v B 26 viij] x B 28 pfloecklin B] zwecklin D 33
Bindschluessel D 36 zwen gwaelt D]
[Seite 473]
alleine das loesen kuendte, was ich gebunden
hette, was aber ein ander gebunden
hette, das kuendte ich nicht loesen. [Bl. C1] Was solt mir denn der
Loese schluessel? So were loesen nichts
anders, denn das ich abliesse und auff hoeret mit meinem binden, So kuendte ich auch keine seele
loesen, die der Teuffel gebunden hette,
das were doch ein nichtiger Loeseschluessel. Aber Christus spricht hie,
das es sol jm himel los sein, was der
Loeseschluessel auff erden loeset, da gibt er ja die gewalt, zu loesen auch das ein ander
gebunden hat, nemlich auch Gott selbs jm
himel, Und so thun auch Christus schluessel, denn sie loesen auff erden, was fur Gott jm himel gebunden ist, wie die
wort da duerre stehen und zeugen: ‘Was
du loesest auff erden, sol los sein jm himel’, Es mus beide binden und loesen eitel Gottes wort sein, wie wir hoeren
werden.
Und kurtz umb, der Bapst mus Gottes
gebot und wort koennen loesen, die kein
mensch als ein mensch gebunden hat, odder mus auch nicht binden koennen, da Gott nicht gebunden hat, odder
wird gewislich die rechte schluessel
nicht haben. Da mus einer darnidder ligen, Entweder Gott odder der
Bapst, nemlich, das der Bapst Gottes
wort auffhebe und loese, odder Gott wehret
jhm, das er auch nicht binden kan, Sondern alle seine gesetze muessen
fallen. Denn die zwo gewalt sind gleich
und mit einander gegeben, Wer eine nicht
hat, der hat keine, Wo bleibt nu hie das Bindrecht odder
Bindeschluessel? Zu wasser ists worden,
und man mus greiffen, das es verfelscher der schrifft sind alle, die da sagen, das Binden heisse
gesetz stellen, und das Christus habe
hie mit dem Bapst und Bisschoven gewalt gegeben, gesetze zu stellen.
Denn er kan keinen buchstaben vom gesetz
loesen (wie droben beweiset ist), Drumb
kan er auch keines binden.
Zum zehenden: Hie las uns aller erst
die rechte kunst hoeren, so aus diesem
Binden folget. Weil nu Binden heisst gesetz stellen, So mus gewislich Band ein gesetz heissen, Gebunden mus einen
frumen Christen heissen, der sich mit
solchem bande lesst binden, das ist, der des Bapsts band und gesetze hellt und gehorsam ist. Nu halt die sprachen
gegenander: Christus heisst den
gebunden, der als ein ungehorsamer verbannet ist, und seine suende
behalten [Matth. 22, 13] und nicht
vergeben sind, wie er Matth. xxij. einem heisst hende und fuesse binden und jns finsternis hinaus werffen, Los
aber heisst er den, so von seinen
fuenden ledig und frey ist, und sie ihm vergeben sind. Dagegen sagt der Bapst also: Gebunden ist, der meinem
binden gehorsam ist und sol selig sein,
Los ist, der von allen Gottes geboten ledig und frey ist, und mus doch ungehorsam und verdampt sein. Wo nu aus?
Christus spricht: Gebunden sein ist
verdampt sein, Bapst spricht: Gebunden sein ist selig sein, Und reden alle beide von einerley spruch und wort jm
Euangelio, Jsts nicht ein zart,
holdselig ding, wenn man die schrifft so fein weis zu deuten, das sie
stracks Nein mus sagen, da sie Ja saget,
und schlecht widder sich reden und streben?
[ 7 den gwalt D 9 duerre st.] klar stan
D 32 die finsternüß D 33 ist fehlt D]
[Seite 474]
Danck muessen haben unser lieben Jungherrn,
die uns das Binden so meisterlich
gedeutet haben.
[] Und weil wir so eben drauff komen
sind, das der Bapst muege sein eigen
gesetz auffheben, mus ich fragen: Lieber, Wenn hat der Bapst jemals sein eigen gesetze auffgehaben, da mit er die
Christenheit so je[Bl. C ij] merlich hat
geplagt? Wenn ist der Loese schluessel jhemals jm brauch und werck
gewest? Binden hat er wol jmer
getrieben, Und der Binde schluessel ist jm brauch und ubung gangen, das er gleisset, Aber der Loese
schluessel ist gantz muessig gelegen,
verrostet und verdorben. Warumb fueret denn der Bapst zween schluessel jnn seinem wapen, so er doch des einen nimer
braucht? Es solt ja einer so wol jm
brauch gehen als der ander, Denn Christus hat sie beide gegeben, das sie beide sollen jm brauch gehen und
seinen Christen helffen, So weis man ja
wol, das der Bapst und die seinen woellen kurtz kein jhr gesetz noch gewonheit abgethan odder geloeset haben,
Sondern dringen jmer fort mit dem Binden
und mehren teglich jhr gesetze. Warumb das?
Ey lieber, so der Loese schluessel solt
jnn brauch komen und die bande odder
gesetze eins teils auff heben, das moecht ein anfang und boeser einriss1 werden, die andern gesetz alle auffzuheben.
Da wuerde eine starcke reformatio uber
die geistlichen Tyrannen gehen, Darumb ists besser, das man jmer binde und nimer loese, Und male doch zween
schluessel, den leuten das maul
zuschmieren2, halte aber allein uber dem Bindeschluessel. Der Loese
schluessel wuerde zu gros unglueck
anrichten, beide gewalt, ehre und gut eben mit so grossen hauffen weg nemen, mit welchen es der
Binde schluessel zu tregt, Das sehen wir
auch jtzt fur augen, wie fest und hart sie halten, das sie gar nichts loesen odder nach lassen woellen, da sie doch
wissen, das sie mit unrecht und widder
Gott gebunden haben. Den Loeseschluessel koennen sie nicht finden, Lieber (sagen sie), Weichen und reumen wir
jnn einem stueck, so muessen wir jnn
mehr stuecken weichen, das ist uns nicht zu thun. Teuffel, das ist ein kluger rat und weiser anschlag solcher
grossen herrn und hochgelerten, der jhn
(als wol zuvermuten) trefflich helffen wird, Sie haben warlich den
schnuppen nicht.3 Was wird aber Christus
dazu sagen, das jhr des Loese schluessels seine
Christen ewiglich beraubt habt? Ach, Was Christus? Christus? Das sind Lutherische bossen. Wolan, werdet jhr den
Loeseschluessel nicht finden, So wil ich
jhn mit diesem buechlin suchen, und also finden, das jhr wedder Binde schluessel noch Loese schluessel behalten
solt, Was gillts? Denn ich hoere sagen,
sie sind beide aneinander gebunden, Kriegen wir einen, so haben wir
sie beide, Künd jhr binden, so koennen
wir loesen.
Ja sagen sie, der Bapst braucht des
Loeseschluessels auch, wenn er dispensirt
odder erleubet und seine band und gesetze nach lesst (ich hette schier
gesagt)
[ 1 liebe C 12 sollen] solten D 18
andere D 22 wirt D 36 kriegen] überkomen D 39 gesagt) ABC]
[Seite 475]
umb geld verkeufft, Was sol man sagen? Heisst
das Loesen, wenn man die band des Binde
schluessels umb geld verkeufft? Warumb loeset er nicht auch umb Gottes willen odder umb der seelen
not willen? Ah, das sind eitel Lutherissche
teydinge, Nihil ad propositum, Dienet hieher nicht. Weiter: Warumb ist denn der Loese schluessel nicht so
gros als der Binde schluessel und loeset
nicht so fern, weit und breit, als der Binde schluessel bindet? Denn der Binde schluessel gehet uber die gantze
Christenheit, lesst nimer nichts loesen
durch den gantzen hauffen, bindet jmer fort und hellt fest gebunden,
Aber der Loeseschluessel hilfft einem
odder zweien aus solchen banden, doch auch nicht aus [Bl. C iij] freier macht seines Loesen ampts,
Sondern aus furbit, mittel und krafft
des grossen Gottes Mammon, on welchen sein Loesen ampt gar tod und
nichts were. Warumb fueret denn der
Bapst jnn seinem wapen zween schluessel gleich
gros, So er sie doch nicht gleich gros haben noch leiden wil? Er solt
allein den Binde shcluessel das feld
lassen fuellen und das Loeseschluesselin kaum eins monkoernlin lassen sein, Ja er solt Mammon an
desselbigen stat fueren und einen
teuffels kopff dabey. Also mus das arme Loeseschluesselin seines ampts nicht brauchen, sondern dem Binde schluessel
helffen, geld und gewalt mehren, obs der
Binde schluessel fur sich allein zu wenig thet.
[[8 u. 9]] Der ander Misbrauch.
Da nemen sie nu die lieben schluessel
fur sich, Und haben sie den Text odder
die wort jm spruch Christi wol gemartert mit jhrem deuten, so martern sie nu die schluessel selbs noch
erger, die durch die wort uns gegeben
sind, Heben an und machens mit den schluesseln also, das einer heisse zu
weilen Clavis Errans, das ist ein Feil
schluessel odder jrrend schluessel, Als wenn der Bapst jemand bindet odder bannet, der doch
fur Gott nicht gebunden ist, odder
loeset, der fur Gott nicht los ist, da jrret der schluessel und schaffet nichts, Denn er feilet und trifft nicht recht
zu. Und sonderlich mus der Loese
schluessel die fahr haben, das er feile, Denn der Binde schluessel,
sonderlich der die gesetze stellet,
jrret nimer mehr, kan auch nicht jrren, denn der heilige geist regirt den Bapst jnn dem Binde
schluessel so starck, das er nicht jrren
kan, Aber den Loese schluessel kennet er nicht, da lesst er den Bapst allein mit bezemen1, Villeicht darumb, das
Christus den Loese schluessel on wissen
und willen des heiligen geists uns gegeben hat, das verdreusst den heiligen geist und wil jhn nicht so gewis
fueren als den Binde schluessel, Das
gleube odder du bist ein ketzer.
Denn dis alles ist so gewis, das auch
der Binde schluessel, wenn er nicht
gesetze stellet (wie droben gesagt), sondern, wenn er bannet, dennoch
nicht jrren
[ 1 sol] solt C 7 gantzen D 18 thet]
were C 33/34 geists —heiligen fehlt D]
[Seite 476]
kan, Denn da haben sie einen spruch (acht ich)
aus S. Gregorio: ‘Sententie nostre,
etiam iniuste metuende sund’1, das ist ‘Wenn wir schon jemand mit unrecht jnn den bann thun, so sol man doch
solchen unsern bann furchten’. Kanstu
wol rechen, wenn man den unrechten und den Feil bann furchten mus, so hat er nicht gefeilet, Warumb solt man
sich sonst fur unrechtem bann furchten,
wo er nicht treffe, sondern gefeilet hette? Denn du must dencken, das der Bapst so gros ist jm himel, das sich
Gott selbs fur jhm furchten mus, Und
wenn der Bapst jemand unrecht jnn bann thut, so erzittert Gott mit allem himelischen heer fur solchem
Bepstlichem blitzen und donnern auff erden
und mus den verbanneten verdammen und den unrechten bann bestetigen
und volfueren und also seine Goetliche
warheit faren lassen und ein bube werden
umb des Bapsts willen, das der Binde schluessel ja nicht [Bl. C4] feile,
Jch wolt aber jtzt lieber fluchen denn
schreiben uber diesem grewel, wenn ichs
thuerst thun, Aber hernach wollen wir den spruch Gregorij ansehen.
[] Wolan, Gott gruesse euch hie lieben
Herrn, Jch hette etwas mit euch zu
reden, wenns euch verdruesse, Jhr sprecht, das jhr einen Feil
schluessel habt, Lieber, sagt uns doch:
Was habt jhr uns bis her jnn Deudschen landen,
ja jnn aller wellt verkaufft jnn dem Ablas? dafur habt jhr ja
unermeslich geld von uns genomen, Jsts
der Feilschluessel oder Treffschluessel gewest? Jch wollts gern wissen. Ey hastu nicht gelesen
jnn der bullen: Wer seine suende berewet
und gebeicht hat, der hat den Ablas gewis? Wir geben Ablas, ob er dir aber werde, da lassen wir dich fur
sorgen, Denn wir koennen nicht wissen,
ob du recht gerewet und gebeicht hast, Darumb sind wir auch nicht gewis, ob der schluessel troffen odder
gefeilet hat, Er kan wol feilen und jrren.
Wie? das geld aber, das du dafur genomen hast, das hastu doch gewis und nicht dem Feilschluessel zu bewaren befolhen?
Wie anders? Du narr, Wer wolt dem Feil
schluessel geld befelhen? Were es nicht besser, die seelen, die ewig leben und nicht widder komen koennen,
dem Treffschluessel und das geld, das
man alle stunde widder kriegen kan, dem Feilschluessel befelhen? Lieber, das ist Lutherisch geredt, Wir handeln jtzt
Bepstisch.
Danck habt, und der liebe Gott muesse
euch lohnen fur die gute troestliche
unterricht, Denn nu mercke ich wol, das der Schlussel mit dem Ablas
stehet nicht auff Gottes wort, sondern
auff meiner rew und beicht, Denn rewe und
beicht ich recht, so hilfft mir der schluessel zum Ablas, Wo nicht, so
ists alles verloren, beide Ablas und
geld, das ich dafur gegeben habe. Lieber, wie werde ich aber gewis, das ich recht gerewet und
gebeicht habe, damit der Feil schluessel
ein Treffschluessel werde und Gott gnug an mir habe? Lieber, Da las
ich dich fur sorgen, Das kan ich nicht
wissen. Jsts denn auch recht, und heissts
[ 5 vor dem unrechten D 13 diesem] dise
D 28 koennen] koenten D 29 kriegen] überkomen D]
[Seite 477]
nicht gestolen das geld, so du von mir nimpfst
fur solch ungewisse wahr? Denn du hast
nu mein geld, gibst mir Ablas dafur Und sagest doch, Es sey nicht gewis, ob jchs habe, Und ist mir eben
nach dem kauff wie vor dem kauff, denn
ich habe jtzt eben so viel als vorhin, nemlich ungewissen Ablas, das ist keinen Ablas. Wie? solts gestolen sein? Hastu
mirs doch willig gegeben, und ist nu dem
Treffschluessel befolhen, der kan nicht jrren. Dem recht.
[] Weiter: Was gebt jhr uns denn jnn
der Beicht jerlich, damit jhr die welt
bezwungen und erforsschet habt, das uns leib und seel, gut und ehre gekostet hat on unterlas? Was solten wir
geben? Die Absolution. Jst sie denn auch
gewis? Bistu berewet, und ists jm himel also, wie wir absolvirn, so bistu gewis absolvirt, Wo nicht, so bistu
nicht absolvirt, denn der Schluessel kan
feilen. So hoere ich aber mal, das der Schluessel stehet auff meiner rew und wirdigkeit fur Gott, Und ich kan mit
meiner rew ein solcher feiner kleinschmid1
werden, das ich unserm Herrn Gott kan aus seinen schluesseln machen beide Feilschluessel und Treffschluessel,
Denn rewe ich, so mache ich seinen schluessel
zum Treffschluessel, Rewe ich nicht, so [Bl. D1] mache ich jhn zum Feil
schluessel, Das ist: Rew ich, so ist
Gott warhafftig, Rewe ich nicht, so leuget Gott, Es gehet noch alles fein daher. Wie weis ich
aber, das meine rew und wirdigkeit fur
Gott gnug sey? Sol ich hinauff gen himel gaffen und warten so lange, bis ich erfare und gewis werde, das meine rew
gnugsam sey? Wenn wil daraus etwas
werden? Da las ich dich fur sorgen. Wol geredt, Den beicht pfennig, der wol der welt gut werd ist, hastu
gleich wol dahin, und mir eine sorge und
zweivel dafur geben? Da las mich fur sorgen.
Weiter: Was verkeufft jhr uns jnn den
butter briefen und andern mehr
freyheiten, als das einer seine nahe freundin zur ehe nemen muege und
der gleichen? Feilet der Schluessel
nicht, so hastu mit Gott und ehren, was du
keuffest, Jsts aber fur Gott nicht gefellig noch ursachen gnugsam, So
jrret der Schluessel und hasts nicht mit
recht. Wie weis ich aber, das fur Gott
gefalle, und meine ursache jhm gnugsam sey? Da las ich dich fur
sorgen. Wo sind aber die hin gefaren, so
auff solchen ungewissen kauff gebawet und
also drauff gestorben sind? Da las ich sie fur sorgen.
[] Weiter: Wenn Bapst, Bisschove,
Proebste, Official jemand jnn bann thun,
auch on Gottes wort und befelh: Hellt auch solcher bann? O das ist kein zweivel, Denn hie gehet der Bindeschluessel,
der kan nicht feilen noch jrren, wie du
gehoeret hast. Wie kanstu aber wissen, das er hie nicht feile? Da las mich fur sorgen. So hoere ich wol,
wenn es ewer gewalt, gut und ehre
antrifft, so sind eitel Treffschluessel da, und kan keiner jrren noch
feilen, Aber wenn jhr unser seelen
helffen und raten sollet, so habt jhr nichts denn eitel Feilschluessel? Rat bas, das hastu
troffen.
[ 24 butter] ancken D 26 hast C 28 das]
das es D]
[Seite 478]
Weiter: Wenn der Bapst Koenige und
Fursten verflucht bis jns neunde gelied
(wie man sagt), gillt und hellt auch solcher fluch gewis? So doch Gott [2. Mose 20, 5] Exodi am xx. allein jns
vierde gelied drewet zu straffen und doch niemand verflucht? Awe ja, Er gillt gewislich, Denn
das thut der Binde schluessel, der nicht
feilen kan. Wie weistu, das Gott solchen fluch bestettiget? Da las mich fur sorgen.
Weiter: Wenn der Bapst solche Fursten
und Koenige widderumb segenet, treffen
auch die schluessel gleich zu? Wo die Fursten fur Gott des segens werd sind, so treffen sie gewis, Wo aber nicht, so
feilen sie. Denn hie handelt der
Loeseschluessel, der wol feilen kan. Wie weis ich aber, ob die Fursten des segens fur Gott werd sind? Da las ich sie fur
sorgen.
[] Weiter: Die Fluch bulla, so man
jerlich zu Rom am gruenen Dornstag
ausrufft1, trifft sie auch alles, was sie verflucht? Solt die bulla
nicht treffen, welche des Binde
schluessels furnemest werck ist? So hoerestu ja, das der Bindeschluessel nicht feilen kan, der
heilige geist fueret jhn, Wie werde ich
gewis, das der heilige geist jhn so fuere? Da las mich fur sorgen.
Weiter: Was macht jhr jm Fegefeur, wenn
jhr die seelen durchs Ablas heraus
zihet? Jsts auch gewis? Wenn Gott jm himel solch eraus zihen fur recht [Bl. Dij] hellt, so ists gewis, Wie
weis ich aber, das Gott fur recht hellt?
Da las ich dich fur sorgen. Wo bleibt denn das grosse geld, das jhr
mit dem Fegfeur durch solchen Feil
schluessel gestolen und geraubt (ich wolt sagen) gewonnen habt? Da las mich fur sorgen, Der
Treffschluessel wirds wol bewaren.
Recht.
Weiter: Wenn der Bapst den Engeln
gebeut, das sie der Pilger seelen (so
auff der Romfart sterben jm guelden jar) gen himel fueren muessen2, Jsts auch gewis? Weil Christus die Schluessel
allein auff erden gibt, Und die Engel
auff erden nicht sind, Jsts sachen, das Gott die Engel heisst, was der Bapst gebeut, So ists gewis. Wie weis ich
aber, das Gott die Engel solchs heisst?
Da las ich dich fur sorgen.
Weiter: Wenn jhr Pfaffen weyhet,
Bisschove mentelt3, Bepste kroenet,
Keiser und Koenige salbet, Muenche und Nonnen einsegenet, Glocken
und kirchen, Saltz und wasser weyhet und
der gleichen, Jsts auch gewis? Was
darffestu so viel fragens? Hoerestu nicht? Alles, was der Binde
schluessel schaffet, das ist gewis, Was
aber der Loese schluessel schaffet, das ist ungewis. Darumb, was des Binde schluessels jnn
genanten stuecken ist, das hellt und ist
gewis, Was aber des Loese schluessels ist, das mag feilen und ist
ungewis. Wie weis ich aber, das dem
allen so sey? Trawen, Was des Binde schluessels
[ 4 Awe] O we D gillt] hilfft C 11 sin
[Konj.?] D 16 ich] ichs D 28 ich] ichs C 33 darffst du D 37 allem C]
[Seite 479]
ist, da las mich fur sorgen, Was des Loese
schluessels ist, da las ich dich fur
sorgen.
Lieber, hatts die meinung, Warumb
harret jhr denn nicht mit ewrem
Feilschluessel so lange bis jhr gewis werdet, das die rew fur die suende
gnugsam sey fur Gott, damit jhr nicht so
feilen und ungewis handeln muestet mit
dem Ablas und Absolution? Des gleichen: Warum harret jhr nicht so
lange mit den butter brieven und allen
andern stuecken, bis jhr aller sachen gewis
werdet? Man solt mit Gottes befelh nicht so vergeblich jnn den wind handeln und so leichtfertig damit umbgehen,
Es ist grosse suende. Ja lieber geselle,
Solten wir so lange harren, so kriegeten wir nimer mehr keinen heller, kein ehre noch gewalt, und wurden die
schluessel lengest verrostet, und wir
ermer und elender sein, denn die Aposteln, Propheten und Christus selber gewest sind, So handeln wir auch nicht
vergeblich noch leichtfertig mit den
schluesseln, denn sie bringen uns volle, wichtige, schwere beutel und
kasten gnug, Die Apostel sind
leichtfertig damit umbgangen, haben nichts damit koennen erheben.
Noch eins: umb Gotts willen, Sagt mir
doch, Wo her habt jhr den Feilschluessel
uberkomen? So doch die gantze schrifft gar nichts davon weis, Sondern hat eitel gewisse Treffschluessel? Ey
daher haben wir jhn: Gott schweigt
stille und sagt uns nichts, ob deine rewe recht odder die ursachen zu loesen und dispensiern gnugsam seien, So
koennen wirs auch nicht erraten. Sollen
nu die schluessel nicht verrosten, muessen wir also jm zweivel dahin handeln, triffts, so triffts, feilts, so
feilts, wie man der blinden kue spielet.1
Was sol ich sagen? Spielet jhr also der blinden kue mit unsern seelen,
leib und gut, und mauset jm finsternis?
Das habe ich vorhin nicht gewust, Nu
wercke ich, das jhr bruederlich mit uns teilet, Jhr behallt den [Bl. D
iij] Treffschluessel zu unserm kasten,
geld und gut, und lasst uns den Feilschluessel zum himel, Was euch angehet, da habt jhr den
Treffschluessel, Was uns angehet, da habt
jhr den Feilschluessel. Da las ich dich fur forgen. Kanstu sonst nichts
mehr sagen zun sachen, Denn “Da las ich
dich fur sorgen”? Solt ich nicht mehr
sagen koennen? Jch sage dazu auch: Was den Bindeschluessel und
Treffschluessel angehet, da soltu mich
lassen fur sorgen, Jsts nicht gnug? O mehr
denn gnug und allzu viel, leider, Jhr seid hochgelerte Doctores und
erfaren leute, das mus ich zeugen, fur
war, Nu merck ich, warumb die schluessel
silbern sind und jnn roter seiden gefueret werden, Und das Christus euch
mit den schluesseln zu herrn auff erden
und euch die Christenheit zur gefangen
elenden magd hat woellen machen und gar nicht umb der Christenheit,
sondern
[ 5 by Gott D 7 butter] ancken D 10
kriegeten] überkemen [so gewöhnlich] D 14 beutel] seckel D 33 allzu viel] nüme
zůuil D hochgelerte] gelerte
D]
[Seite 480]
allein umb ewer willen die schluessel gegeben
hat. Freilich, Wie kans anders sein?
Wie gefallen dir die leute, Mein lieber
bruder? Jch meine ja, das heisst mit
Gottes wort gewuerffelt, wie die spitz buben thun, Und mit der lieben Christenheit und den armen seelen
gespielet, als werens allte karten
bletter1, die doch Gott selbs so theur durch seines lieben Sons blut und
tod erarnt hat, Wolan, Es ubertrifft die
bosheit alles klagen, fluchen und
zuernen. Wenn ich odder unser einer hette solchs gesagt und geleret, das
des Bapsts schluessel ungewis were und
feilen moecht, Hilff Gott, welch ein geschrey
solt da worden sein, Da hette himel und erden woellen einfallen, da
solt man uns aller erst geketzert haben,
da solts geblitzt und gedonnert haben mit
bannen, fluchen und verdamnen, als die wir der kirchen gewalt schwechen
wolten, Denn sie habens nie leiden
koennen, das man sagt: Der Bapst kan jrren und
feilen jnn glaubens sachen. Dis aber sind alles glaubens sachen, Nu
sagen sie es selbs, leren und bekennen
frey daher, das die Absolutio jnn der beicht
mislich sey, und wo die rew fur Gott nicht gnugsam ist, da sey sie
nichts, Koennen doch nimer mehr
anzeigen, welche rew und wenn sie gnugsam sey,
und setzen damit die armen, elenden gewissen auff einen zweivel, das sie
nicht wissen muegen, wie sie dran sind,
was sie haben odder nicht haben, Nemen
gleichwol alle jhr geld und gut fur solche ungewisse wort und wercke.
Daraus folget, das der Bapst, so lange
er den Feil schluessel gehabt, noch nie
keinen menschen jnn seinem gantzen Baptsum absolvirt und wedder schluessel noch schluessel brauch gehabt hat, Sondern,
so viel an jhm gewest mit dem Feil
schluessel und ungewisser Absolution die Helle gefuellet, Denn ungewisse Absolution ist eben so viel als keine
Absolution, Ja es ist eben so viel als
luegen und betrug, Das heisst die kirche Christi regieret und die schaff
Christi geweidet. Also auch mit dem
Ablas: weil es ungewis und auff der menschen
rew stehet, So hat der Bapst, so lange das Ablas gestanden, nie keinen
tag noch stunde Ablas gegeben, Und
muessen seine bullen und guelden jare die groessest reuberey und bueberey gewest sein, so auff
erden komen ist, Denn ungewisser Ablas
ist kein Ablas, ja es ist triegerey und bueberey, Ungewis mus er aber sein, weil die rewe ungewis ist, darauff er
stehet, Denn wer wil sagen, das seine
rew [Bl. D 4] fur Gott gnugsam sey? Ja welche rewe kan fur Gott gnugsam sein? Sintemal nicht unser rewe,
Sondern Christus selbs mus fur Got unser
rew und gnugthun sein mit seinem leiden.
Also auch mit der dispensation, butter brieven
und der gleichen, Weil sie sich gruenden
auff die ursachen, ob die selbigen fur Gott gnugsam sind
[ 1 üwert D 7 ubertrifft] betrifft D 9
welch ein] wye ein D 12 die wir] die so wir D 13 sagte B 14 sachen — sachen
fehlt C 36 butter] ancken [so immer] D 37 sich fehlt D]
[Seite 481]
odder nicht, Und doch kein mensch dasselbige
wissen mag, So hat der Bapst sein
lebtage noch nie keinen rechten butter brieff, noch einige gewisse
dispensation gegeben, Denn ungewisse
dispensation ist keine dispensation, Ja es ist eitel liegen und triegen, Gott ist gewis und
warhafftig, wil mit keiner ungewissen
sachen zu thun haben, Es mus alles gewis sein, was er thut, und was
fur [Jak. 1, 6 f.] jhm gelten sol, wie
Jacob am j. spricht: ‘Man solle nicht wancken noch zweiveln, Wer aber wanckt odder zweivelt, der dencke
nicht, das er etwas von Gott empfahen
werde.’ Was leren aber diese Feilschluessel anders, denn wancken, zweiveln und ungewis sein? Das ist, Sie leren
verzweiveln, Christum verleugnen [
Nu zeuch hin gen Rom, hole Ablas und butter
brieve, gib geld und las mit dir
dispensirn, Las dich weyhen odder werde Bisschoff, Lauff der Walfart nach, Ruffe heiligen an, Loese das Fegfeur,
Beichte solchen pfaffen &c., So kompstu
recht an, das du nicht weissest, was du thust, hast odder bist fur Gott.
Ja du bist betrogen und belogen, Und
geschicht beiden teilen recht, Warumb verachten
wir Gotts wort und sind so undanckbar unserm HERRN Christo. Zwar fur den leuten wollen sie es warlich
gegleubt haben, das gewis ding und eitel
Treffschluessel sey, was sie loesen und dispensirn, Trotz der anders sage, Aber bey sich selbs sagen sie, Der
Schluessel koenne feilen, Das thun sie
darumb: Wenn die leute gleuben, das gewis sey, so kriegen sie damit den rechten Treffschluessel zu der gantzen welt
kasten, Wenn sie aber wissen, das
ungewis feil und luegen sind, so dienet es dazu, das sie dem Teuffel mit
der Christen seelen die Helle fuellen
und Christo sein reich wueste machen, Denn
wo zu solt er sonst jhn die schluessel gegeben haben?
Nu sihe, was die lere vom Feil
schluessel fur frucht geschafft hat, Erstlich
mus Gott jhr luegener sein, Denn Gott hat fest und gewis zugesagt
durch Christum: ‘Was jhr bindet auff
erden, sol gebunden sein jm himel, Und was
jhr loeset auff erden, sol los sein jm himel’. Das sind klar, helle,
duerre wort, die leiden keinen Clavem
errantem, Feil schluessel. Er spricht, Er solle
gewis sein und nicht feilen, Was sie binden und loesen, sol gebunden
und los sein, Was sagt aber Meister
Bapst hie zu? Jch weis warlich nicht
(spricht er), Jch wil wol auff erden loesen, obs aber drumb auch jm himel
los sein wird, da las ich dich fur
sorgen, Stracks strafft er Gott jns maul. Gott
spricht: [Bl. E 1] Es mus los sein jm himel, ists auff erden los, Der
Bapst
[ 2 sin lebtag D 17 werde] wirt D]
[Seite 482]
spricht: Es mus nicht los sein jm himel, obs
auff erden los ist, Der Schluessel mag
wol feilen.
Was ist das anders gesagt, denn als
spreche er zu Gott: Gott, du luegener,
spricht, Es solle gewis los sein, was wir loesen, Und sihest nicht, das wir Clavem Errantem, den Feilschluessel, auch
noch haben, Denn weil wirs nicht wissen
noch gleuben, das der gewislich los sey, den wir loesen, So soltu es auch nicht wissen, viel weniger so frey
und gewis zu sagen, und damit die leute
so sicher und froelich machen, Denn was woltestu wissen, das wir nicht wissen solten? Was darffestu den leuten
verheissen, das wir nicht verheissen?
Jst der geloesete frum und wirdig, so wird er durch unser loesen los,
Jst er nicht frum, wenn wir schon
loesen, so ist er doch nicht los, Weil wir aber
nicht wissen, ob er frum sey, So ist auch beide schluessel und loesen
ungewis, Denn es stehet der Schluessel
sampt seiner krafft nicht auff deinem wort, sondern auff unserm wissen, ob der mensch frum sey
odder nicht, Nu aber solchs wissen
ewiglich ungewis ist, so mus auch unser loesen ewiglich ungewis bleiben, Und du must liegen, der so thuerstig daher
sagt, Es solle gewis los sein, was wir
loesen.
Eben solche ehre thun sie mit dem
selbigen auch unserm Herrn Christo, als
der mit seinem blut nicht mehr erworben hat denn. Feil schluessel und ungewis loesen, Und habe seine liebe braut,
die Christenheit, auff einen affen
schwantz gefueret1 als ein teusscher odder blas tuecker2, Gibt jr ungewisse
schluessel, Heisst sie binden und
loesen, da sie doch mus ungewis sein, obs gebunden odder geloeset sey, weil sie der menschen hertzen
nicht sehen noch wissen kan, wie der
Bapst sagt, Aber das der Binde schluessel gewis sey, damit sie die
Christenheit fahen durch jhre luegen und
grewel, da mus Gott warhafftig sein und solche
Tyranney und bueberey durch seinen namen und wort stercken lassen, Und
mus hoeren, das Gott solchs thu. Also
mus er zu beiden seiten durch beide schluessel
auffs aller grewlichst geschendet und gelestert werden, Dort mus er ein
luegener sein jm Loese schluessel, Hie
mus er ein bube sein jm Binde schluessel, So sol man Gott reden leren.
Hieraus ist leicht zu mercken, das
diese leute die Schluessel nicht halten
fur ein Goettlich stifft werck, ordnung odder ampt, Sondern wie die
Tuercken und Heiden sehen sie es an fur
eine menschliche ordnung odder ampt, als das
jnn jhrer macht stehe wie eine weltliche gewalt, Denn sie gruendens
nicht auff Gottes wort, Sondern auff
menschen thun und sache, Sind die menschen
frum, so loeset der schluessel, Sind sie nicht frum, so loeset er nicht,
Darnach die menschen sind, darnach ist,
gilt und schafft der Schluessel auch und sonst nicht. Des gleichen auch der Binde schluessel stehet
nicht auff Gottes wort, Sondern
[ 3 denn als] dañ das er D 11 wir (1.)]
wir jn D 16 dürstig D 38 Desgleichen BC]
[Seite 483]
auffs Bapsts wolgefallen, Wenn sie bereit
werden, so mus er gesetz stellen, dazu
auch binden, Gott gebe, Es sey widder Gottes wort odder nicht und mus auch gebunden heissen, Denn da stehets: ‘Sic
volo, sic iubeo, sit pro ratione
voluntas’1, Gott mus wol billichen, Wo wil er hin, der arme man?
[Bl. E ij] Auch wo sie es fur Gottes
ordnung odder ampt hielten, were es
unmueglich, das sie solten einen Feil schluessel draus machen, Denn Gottes ordnung sind gewis und koennen nicht feilen,
So wenig als sein wort liegen und
triegen kan, Gleich wie die Tauffe und Sacrament und Predig ampt, sind auch Gottes ordnung, jrren und feilen nicht,
Und ist nicht zu leiden, das man wolte
zweierley Tauffe machen, eine Treff tauffe und Feil tauffe, odder zweierley Euangelia, Ein Treff Euangelion und
Feil Euangelion, odder zwey Sacrament,
Ein Feil sacrament und Treff sacrament. Denn es ist alles eitel warheit, was Gott redet und thut, Sonst
mueste man auch sagen, das Gott ein
zwifeltiger Gott were, Ein Treff Gott und ein Feil Gott, und alle seine Creatur muesten der weise nach
zweierley werden. Also auch, wo sie den
Binde schluessel fur Gottes ordnung hielten, wuerden sie nimer mehr
sagen odder leren koennen, das es recht
odder zu halten were, wenn sie damit gesetz
stellen odder unrecht bannen, Denn solchs alles thut der schluessel
nicht, sondern sie selbs unter dem
schein des schluessels und unter dem namen Gottes, damit sie jhre Tyranney und bueberey decken mit lesterlichem
misbrauch.
Zum andern, Jst solcher lere frucht
auch, das sie die Christenheit und den
glauben verstoeret, Denn wo ein Christen hoeret und des beredt wird, das die schluessel jrren und feilen muegen, So
ists nicht mueglich, das er gewis drauff fussen und gleuben muege, was jhm der
Schluessel zu sagt, Denn was man sol
gleuben, da mus man gewis sein odder jhe gewis dafur halten, das es Gottes wort und die warheit sey on allen
zweivel, Sonst bleibt da nichts denn ein
ungewisser wahn und wanckel glaube, ja ein rechter unglaube, das kan nicht feilen. Weil denn der Bapst und die
seinen hiemit frey bekennen und rhuemen,
das jhre schluessel jrren und feilen muegen, So mus alles und alles jm Bapstum durch und durch ungewis
sein, was sie handeln, Denn er weis
nicht, ob er recht bindet odder loeset, So muessen seine unterthane auch ungewis sein, ob sie los odder gebunden sind,
ob sie recht odder unrecht leben odder
thun, das ist, sie muessen wanckel gleuber, ja eitel unglaubige,
unchristen, Tuercken und Heiden sein,
Also fueret ein blinder den andern, und fallen beide jnn die gruben.
Was ist nu des Bapsts kirche fur eine
kirche? Eine ungewisse wanckel kirche
odder schlutter kirche2, ja eine falsche luegen kirche, die jm zweivel und
[ 10 einer D 15 Creaturn C 24
fůsse D]
[Seite 484]
unglauben schwebt on Gottes wort, Denn er
leret sie zweiveln und ungewis sein mit
seinen Feilschluesseln, Jsts eine wanckel kirche, So ists nicht des glaubens kirche, Denn die selbige stehet auff
einem gewissen fels, auch widder [Matth.
16, 18] die hellisschen pforten Matth. xvj. Jst sie nicht des glaubens kirche,
so ist sie auch nicht die Christliche
kirche, sondern mus eine unchristliche, Endechristissche, glaublose kirche sein, welche verstoeret und
verderbt die rechte heilige Christliche
kirche, Also bezeugen sie hie mit jhrem eigen maul, das der Bapst muesse
der rechte Endechrist sein, der jm
tempel Gottes sitzt und ein verderber und suenden [2. Thess. 2, 4] meister ist, wie S. Paulus
sagt ij. Thess. ij. Lieber Gott, man duerfft die schluessel nicht ungewis und wanckel machen, Man predige
auffs aller hefftigest, das sie gewis,
[Bl. E iij] gewis Gottes wort sagen, dem on allen zweivel zu gleuben sey. Es hat dennoch muehe gnug, das ein elen
gewissen gleuben koenne, Was solts denn
thun, wo man aller erst das auch ungewis macht, daran es gleuben sol und seinen zweivel und verzagen damit sterckt
und bestettigt?
Die dritte frucht: das sie menschen
werck und eigen gerechtigkeit auff richt
widder die gerechtigkeit Christi, uns durch gnaden jm glauben
geschenckt, Des grewels kan man sie hie
mit gewaltiglich uberzeugen, Denn sie machen mit jhren ungewissen Feil schluesseln nicht
allein Gottes wort zu nichte, Sondern
weisen auch die leute von solchem wort Gottes auff jhr eigen werck und
verdienst und sprechen: Bistu berewet
und frum und hast rechte sachen, so helffen
dir die schluessel und sonst nicht. Was ist das anders gesagt Denn so
viel: Du must die gnade verdienen und
der selbigen wirdig werden durch deine eigen werck fur Gott, darnach helffen dir auch die
schluessel? Sage mir: Wie koendte man
einen Christen tieffer jnn seine werck stecken und hefftiger auff sein
verdienst reitzen und weiter von Gottes
gnaden und Christus blut treiben, denn mit
solcher lere? Leren dazu hie mit, aus Gott einen falschen Richter
machen, der die personen und unser werck
solle und muesse ansehen und seine gnade verkeuffen und nicht aus barmhertzigkeit geben. Sol ich
zuvor die gnade fur Gott mit meinem thun
verdienen, Was den teuffel sollen mir denn die schluessel, so sie mir nicht die gnade geben koennen,
sondern ich mus zuvor die gnade
verdienet haben fur Gott? Hab ich die gnade zuvor, So sehe ich wedder [Röm. 8, 31.] schluessel noch Bapst an, Denn,
‘so Gott fur uns ist, wer wil widder uns sein?’
Hieraus mustu greiffen, das des Bapsts
schluessel, nicht schluessel, sondern die
huelsen odder die schalen von den schluesseln sind, odder, wie er mit
der that zeigt, und fueret sie jm wapen,
sind es warlich gemalete, ledige schluessel, die wol die augen fuellen, aber der seelen nichts geben,
Denn du hoerest hie, das sie selbs
bekennen, Die schluessel geben nicht gnade, ist auch keine gnade Gottes
drinnen, Sondern der mensch muesse zuvor
on die schluessel gnade erwerben, durch sich
selbs, Sind es nu so ledige, lehre schluessel, das sie die gnade nicht
bringen,
[ 11 gewis] fehlt einmal D 32 fur uns]
mit uns D 34 die (1.) fehlt D 38 muesse] můß D]
[Seite 485]
sondern foddern, so muessens nicht rechte
schluessel sein, Denn die rechten schluessel
sind voller gnaden, bringen und geben gnade (wie wir hoeren werden) auch den unwirdigen und unverdieneten, Ja allein
den unwirdigen und unverdieneten. Weil
denn nu jhre schluessel so wahn1 und lehr sind, so sihestu ja wol, wie rein und fein sie den HERREN
Christum damit ausgerottet, verleugnet
und verdampt haben, Und geben die schluessel bey jhn nichts mehr
denn die gnade des Bapsts, odder wie sie
reden, die gnade der kirchen, das der
sunder mit dem Bapst odder der kirchen versuenet wird. Aber Gottes
gnaden mus er selbs, on die schluessel
verdienen, Das ist fein umbgekeret, das Christus seine schlussel sol gegeben haben dazu, das
man menschen gnade damit kriege, Aber
Gottes gnade musse man durch uns selbs, on schlussel und on Christo erwerben, Das mugen ja grewliche grewel sein,
So doch gewislich Christus die schlussel
gegeben hat, das man allein [Bl. E 4] Gottes gnade dadurch kriege, Menschen und kirchen gnade zu kriegen, hat er
ander wege und weise gestellet.
Uber dis alles, haben sie noch eine hoehere
gewalt, Das sie der schlussel so gar
mechtig sind, wenn sie wollen, so mus er ein Feil schlussel sein,
Widderumb, wenn sie wollen, so mus er
ein Treff schlussel sein, Des wil ich dir
ein fein Exempel erzelen. Jtzt auff dem Reichstage hat sich des Bapsts
Legat, Cardinal Campegius lassen hoeren,
Der Bapst moechte villeicht dispensirn odder
erleuben beider gestalt des Sacraments und die Pfaffen ehe, Aber das er
solt Munche und Nonnen die ehe erleuben,
kan er nicht thun, es muste der schlussel
feilen und jrren2, Nu hats der Bapst offt gethan, und hat mussen kein
Feil schlussel noch jrthum heissen, wie
man weis, Und wer es hette jrthum
geheissen, der were jnn die untersten helle verdampt worden. Aber weil
ein Cardinal, sein Legat, solchs ein
jrthum heisst, So ists ein artikel des glaubens. Also gehet man mit uns armen Christen umb,
Heute Ja, Morgen Nein, heute Feil
schlussel, morgen Treffschlussel, und doch alles beides eitel artickel des glaubens, Jst gleich viel, die Deudschen
mussens wol gleuben. Wo sind aber die
hin gefaren, die der Bapst aus den Kloestern zur ehe hat komen lassen, weil sie gegleubt haben, Es sey recht gewest,
Und der Cardinal sagt jtzt, Es sey
unrecht? Was fraget Bapst und Cardinal darnach? Jst gnug, das die leute gleuben, Es sey recht, wenn sie wollen,
Und widderumb auch gleuben mussen, Es
sey unrecht, wenn sie woellen.
Wolan, wir wissens fast wol, das die
Walen uns Deudschen nicht fur menschen,
sondern fur eitel huelsen odder schemen halten, so gar stoltz und sicher, das sie meinen, wenn einem Cardinal ein
fauler bombart3 entfure, so were den
Deudschen ein newer artickel des glaubens geboren4, Das machen wir selbs
[ 10 musse] můß D 19 Capegius D 22
hat es B 23 were [!] C 35 hülschen D]
[Seite 486]
und ist unser schuld, das wir solche
Maulaffen1 sind, und lassen uns so effen
und nerren. Doch hoffe ich, Sie sollen uns maulaffen jtzt schier ein
wenig [4. Mose 22, 28] gefulet haben,
und der unsinnige Balaam musse auch ein mal seine eselin hoeren. Wollen sie nicht dispensirn und
erleuben, das sie es lassen, der leidige
teufel bitte sie drumb an meiner stat, Er thu jnn seine dispensation
und henge sie an den hals2, Jch wil thun
und lassen, was ich weis, das Gottes
wort ist, und nicht aller erst seine feinde und lesterer, die maul esel3
zu Rom drumb fragen, ob sie es erleuben
wollen, Sondern dem sprich wort nach faren
und sagen: Urlaub kome hernach.4 Denn sie sollen mir jhren stuel nicht
setzen uber Gottes wort und jhn leren,
was er uns heissen solle, das wil ich jhn
fur meine person wol wehren, ob Got wil.
Und summa, wir wollen das wort Feil
schlussel nicht leiden jnn der
Christenheit, Der leidige Teuffel hats aus der hellen erauffbracht,
damit den glauben, Euangelion und Gottes
reich zuverstoeren. Es kans auch kein frum
Christlich hertz nicht leiden, Es sollen eitel gewisse Treffschlussel
jnn der Christlichen kirchen sein, Und
sol niemand disputirn odder fragen, ob der schlussel jrren odder feilen muge, denn das ist gleich so
viel gefragt, ob Gottes wort liegen oder
feilen muge, Sondern darnach sol man vleissig fragen und [Bl. F1] wol drauff mercken, obs der schluessel sey odder
nicht. Jsts der schluessel, so sey
gewis, das da kein feilen noch jrren ist, Sondern eitel treffen und
sicher gewis Gottes geschefft, Gleich
wie ich nicht fragen sol, ob das Euangelion recht odder unrecht sey, Denn das Euangelion ist recht
und kan nicht unrecht sein. Aber da ist
not fragens und zusehens, obs das Euangelion sey odder nicht, Jsts das Euangelion, So gilts nicht mehr fragens,
obs recht sey, Sondern gilt schlecht
fest gleubens und darnach zu leben.
Jch hoeret ein mal von einem weisen
man, der sprach: Clavis non errat, Sed
Papa errat, Der schluessel feilet nicht (sprach er), Aber der Bapst feilet wol, Und das ist auch recht geredt, Gleich
wie ich sagen mag: Das Euangelion jrret
nicht, Aber der Prediger odder Pfarher jrret wol, wenn er unter dem schein des Euangelij seine trewme leret, Also
jrret der schluessel auch nicht, Aber
der Bapst jrret, wenn er unter dem namen und schein der schluessel seinen mutwillen und eigen dueckel treibt.
Solchs keren sie umb und sprechen:
Clavis errat, Papa non errat, Der schluessel feilet, der Bapst feilet
nicht, Und ehe sie wollen einen menschen
feilen lassen, wollen sie lieber sagen, das Gott feile jnn seinem wort und werck. Darauff
haben die Bapsts maul esel, seine
[ 4 und erleuben] odder erleuben BCD 6
an hals D 32 duenckel] duncken D]
[Seite 487]
Curtisanen einen heubt spruch ‘Non est
presumendum, quod tante celsitudinis
Apex erret.’ Es ist nicht zuvermuten, das solch hohe maiestet jrre. Das
ist ein rechter Tuerckisscher spruch,
die sagen von jhrem Keiserthum auch also: Ey
es ist nicht zuvermuten, das Gott so ein gros volck jrren und verdampt
werden lasse. Ja verlasse dich drauff
und backe nicht.1 Man mueste auch das bedencken, das solche hohe maiesteten dennoch nicht Gott,
sondern menschen sind, Ein mensch aber
sundiget, feilet, leuget und treugt, wie die schrifft saget.
Sagt mir aber, lieben Maul esel: So es
nicht zuvermuten ist, das solche hohe
maiestet jrre, Warumb ists denn zuvermuten, das die schluessel und die Goettliche Maiestet jrre? odder ist
der schluessel und Gott nicht so hoch
als der Bapst? Die schluessel sind ja nicht menschen, sondern Gottes
wort und werck uber alle menschen,
Darumb auch Gott seine Christliche kirchen
keinem menschen hat woellen befelhen zu regieren, Sondern hatts fur und
bey sich selbs behalten und geboten, das
man nichts denn sein wort leren solle.
Denn er weis, wenn wir on sein wort leren aus uns selber, das es eitel
feil, jrthum, luegen und sunde ist, auff
das wir allein sein werkzeug sein und jhm
unser zungen dazu geben sollen, das er selbs und alleine durch uns rede
und regiere, So heissts. Dagegen leren diese
maul Esel, das der Bapst regieren solle
und nicht Gott, Und das man dem Bapst gleuben solle und nicht den schluesseln, Denn weil der Bapst nicht jrren
kan, so gleubt man jhm billich, weil
aber die schluessel Gottes jrren, so kan man jhm nicht gleuben. So sol man die Christliche Kirche leren und
regieren, das ein teuffels reich draus
[2. Thess. 2, 3] werde voller luegen, unglaubens und aller grewel, das
gehoeret zu ‘hominibus peccati et filijs
perditionis’, die mit sunden die gantze welt verderben.
[Bl. F ij] Der dritte Misbrauch.
Bisher haben wir gehoret, wie sie die
schluessel haben zweierley weise
geteilet, Ein mal Bindeschluessel und Loese schluessel draus gemacht,
damit gesetze zu stellen und gesetze
auff zu heben odder zu erleuben, Zum andern mal
Feil schluessel und Treffschluessel draus gemacht, Daran ists nicht genug.
Haben sie zum dritten mal geteilet in
Clavem Potestatis et Scientie, Das ist: Ein
schluessel heisst Schluessel der gewalt, Und der ander heisst Schluessel
des erkentnis, Und das sind die rechten
zween schluessel, die der Bapst fueret, Die er auch mit ernst meinet. Also gehets, wo man ein mal aus
der bahn koempt, da ist des
[ 15 nach eitel Komma AB 27 Binde- | A]
[Seite 488]
jrre gehens kein ende noch auffhoeren und mus
jmer eine luegen sieben ander haben zum
deckel und hilfft doch nicht.
Der gewalt Schluessel heisst, das der
Bapst macht hat jnn himel und erden, zu
gebieten und zuverbieten, wie und was er wil. Er kan Keiser, Koenige, Fursten Ein und absetzen, Er kan
alle oeberkeit meistern und regieren, Er
kan den Engeln jm himel gebieten1, Er kan das Fegfeur ledig machen, Und was sol man viel sagen? Sie handeln
drueber und haben sich lange drumb
gezanckt, ob der Bapst ein mensch odder Gott sey, Haben aber endlich beschlossen, Er sey Gottes stathalter auff
erden und ein jrdisscher Gott, eine
person aus Gott und mensch zu samen geschmoltzen, mixtus deus et
homo2, Das thut der Gewalt schluessel.
Daher bruellen und donnern die
schrecklichen Decret jm geistlichen recht,
Das Gott, habe Sanct Peter gegeben ‘Jura simul celestis et terreni
imperij’, wie Nicolaus iij schreiet3,
Das ist: Der Bapst ist Keiser jnn himel und auff erden, das hat Christus Sanct Peter gegeben,
Und aber mal C. Pastoralis4 rhuemet der
Bapst, das gar kein zweivel sey, wenn das Reich Keiserlos ist, So sey er der rechte Keiser, Und jnn C. Solite5
spricht er, das der Bapst sey uber den
Keiser so weit als die sonne uber den monden, Und der gresslichen,
grewlichen donner spruechen sind viel mehr
jm geistlichen recht, Das wol jnn
[Offenb. 10, 1 –3] Apocalypsi cap. x. Johannes schreibet, das der
wolcken Engel bruellet wie ein lewe, und
sieben donner antworten jhm. Dem nach haben sie auch gethan bis auff den heutigen tag, viel Keiser und
Koenige abgesetzt und eingesetzt,
Fursten verflucht und vertrieben und sich zu Herrn uber alle Herrn, zu
Koenige uber alle Koenige gemacht aus
krafft dieses schluessels der gewalt.
Der schluessel des erkentnis ist, Das
der Bapst gewalt hat uber alle Rechte,
beide geistlich und weltlich, uber alle lere, beide Gottes und der
menschen, uber alle hendel und sachen,
uber alle fragen und jrrungen, Und Summa:
Er ist richter uber alles, was man reden und dencken kan jnn himel und
erden, durch diesen schluessel, Gleich
wie er ein Herr ist uber alles, das man thun kan jnn himel und erden durch [Bl. F iij] den
schluessel der gewalt, Und das ist und
heisst recht6 der Bapst mit seiner dreyfeltigen kronen: Ein Keiser jm
himel, Ein Keiser auff erden, Ein Keiser
unter der erden. Hette Got etwas mehr,
so were er auch ein Keiser drueber und mueste vier kronen tragen. Was er
nu thun und leben heisst durch den
schluessel der gewalt, das ist gethan und
gelebt jnn allen Koenigreichen auff erden, Was er aber nicht gethan noch
gelebt wil haben, das ist nichts gethan
noch gelebt, Also auch, was er wil geleret,
[ 4 nach erden Komma A 14 schreiet]
schribt D]
[Seite 489]
gepredigt, gerichtet, gehandelt haben, das mus
geleret, gepredigt, gerichtet, gehandelt
heissen. Was er nicht wil geleret, gepredigt, gerichtet, gehandelt haben, das ist nicht geleret, gepredigt,
gerichtet, gehandelt, Gott gebe, es sey
Gottes wort odder weltlich recht, so mus es ketzerey sein, Denn er ist
Herr uber alle gewalt und lere, uber
alle reich und recht jnn himel und auff erden.
Lieber, Wer moechte solchs Keiserthumbs nicht, wenns jhm kuend werden?
Daher bruellet er aber mal jnn seinem
geistlichen Recht, das ‘Judicantium
throni &c.’: Aller Keiser und Koenige stuele, so da richten, muessen
das recht von jhm lernen und zu lehen
empfahen.1 Und Cuncta2, Die gantze Christenheit
durch die gantze welt weis, das man den Bapst nicht leren noch richten
kan, Sondern allzu mal muessen sie von
jhm sich richten lassen. Jtem, das auch
die heilige schrifft und Gottes wort muesse von jhm lehen empfahen, das
ist ‘robur et autoritatem accipere’, wie
seine wort lauten3, Und ist die summa
davon: Es darff wedder Gott noch mensch sagen zum Bapst: ‘Was
machstu?’ odder ‘warumb thustu das?’
Sondern er mag thun und leren, was er wil,
ungestrafft, ungehindert und ungemeistert. Solchs grewlichs bruellens
ist viel jnn seinen geistlichen rechten
und bullen, Und dis sind alles die hoehesten
artickel des Christlichen glaubens, das du lieber moechtest Gott selbs
verleugnen denn dieser einen, Und sind
viel frumer leute drueber verbrand und erwuerget.
Wolan, Da hastu ein mal gruendlich, was
Christus gemeinet hat mit dem spruch zu
Petro ‘Was du binden wirst auff erden, sol gebunden sein jm himel, und was du loesen wirst auff erden,
sol los sein jm himel’, Nemlich: Peter,
Wenn du Keiser und Koenige mit fuessen trittest, so sols recht sein, Wenn du mein wort auffloesest,
sos sols auff geloeset sein, Du solt
Gott sein, Jch wil nimer Gott sein. Jsts nicht sein gedeutet? Es ist aber nicht not, hie widder viel zu
fechten, Es wuerde allzu gros buch
machen, Sintemal solche deutunge dieses spruchs fast jederman, auch
den jhenigen, so am Bapst hangen, bekand
ist, das es falsch und erlogen sey, Denn
Christus hat Sanct Peter keine gewalt gegeben, wedder jnn himel noch auff erden zu herrschen, sondern scheidet
sein reich von dem weltlichen reich
[Joh. 18, 36] und bekennet fur Pilato, das sein reich sey nicht von
dieser welt, Es sey [
[ 2 heissen] haben D 5 allen gewalt D 8
stuele] stůl D 10 weis] wiß D 16 grülich D 19 verbrand] verband D]
[Seite 490]
[Bl. F 4] Wie wol aber dieser
schendlicher misbrauch und misverstand nicht
so grewlich ist als die vorigen zween, haben auch der seelen nicht so
moerdlichen schaden gethan. Denn wo
sonst Gottes wort bleibt, mag ein Christen dennoch wol bleiben und selig werden, sein Bisschoff
odder Pfarher werde ein weltlicher Herr
odder nicht, Sintemal weltliche herrschafft seinem glauben nichts schadet, Kuend auch noch wol leiden, das
Bapst und Bisschove weltliche Herrn
weren und blieben, weil sie doch der Bisschofflichen ampt sich eussern und schewen, wenn sie allein das geistlich
ampt huelffen durch andere treiben und fordern.
Doch hat solcher misverstand grossen leiblichen schaden gethan, Denn der Bapst und die seinen da durch viel
krieg, blut, mord und jamer unter
Keisern, Koenigen, Fursten, landen und leuten gestifft haben, wie es denn sein mus. Wer ein luegener ist, mus auch
ein moerder werden, wie der [Joh. 8, 44]
Teuffel sein Vater auch ist, Das freilich durch diese deutung der Bapst lengest ist vom erbthum Sanct Peters gefallen
und nicht mehr hat muegen Sanct Peters
nach komen sein, Sondern des Keisers odder viel mehr des Teufels.
Christus hat seine schluessel der
Kirchen gegeben zum himelreich und nicht
zum erdreich, wie er spricht: Es sol jm himel los sein. Was hilfft aber einen Christen das weltlich reich zum
himel? Ja, wenns zum himel helffen
kuendte, So hette Christus nicht duerffen von himel komen, Es sind wol so feine Koenigreiche zuvor und hernach
gewest, beide mit gewalt geruestet und
mit rechten gefasset, Auch so hette er selbs wol muegen weltlicher Koenig werden, wenns nuetze odder not zum himel
were. Nu er aber das nicht gethan, ists
gut zu rechen, das er seine schluessel nicht zur weltlichen gewalt gegeben hat, und der Bapst sampt den seinen
felschlich und boeslich den feinen
spruch Christi auff weltliche gewalt deutet, Und rewen odder buessens
doch noch nicht, gehen verstockt
hindurch, bis sie zu scheitern gehen.
Aber das mus ich unangezeigt nicht
lassen, das sie Clavem scientie, Den
schluessel des erkentnis, hieher zihen zu den schluesseln, Sanct Petro
und den [Matth. 16, 19; 18, 18] Aposteln
gegeben Matth. xvj. und xviij. Und wie wol etliche lerer solchs auch thun, so ists doch nicht recht, und man
solt der lerer wort nicht so unbedacht
auffraffen und sich drauff gruenden on gewisse zeugnis der schrifft. Denn aus diesem misverstand ist fast komen
der leidige grewel des Feil schluessels,
das sie gemeinet haben, der schluessel muege nicht binden noch loesen, man wisse denn eigentlich, wie die sachen fur
Gott stehen, welchs doch unmueglich ist,
gerade als hette Christus geboten mit dem schluessel des erkentnis, das sie nichts binden noch loesen solten, sie
wuesten denn vorhin, wie es umb den
menschen fur Gott gethan were. Haben doch solch erticht gepot selbs nicht gehalten, sondern einhin1 gebunden und
geloeset wie die blinden, haben sich
darnach mit dem Feil schluessel ausgeredt, als sey es jhr schuld nicht, das
[ 31 gschrifft D]
[Seite 491]
sie jrren und feilen. Nu reimet sichs ja nicht
fein, das sie gleuben, Man muesse es
wissen und muege doch on wissen binden auff ungewis ebentheur1, Also mus jmer dar eine luegen die andern
geberen und sich selbs unternander
verrhaten.
[Bl. G 1] Wir aber sagen also, das der
schluessel des erkentnis gar nichts
[Matth. 16, 19; 18, 18.] gehoeret zu den schluesseln, davon wir jtzt
handeln aus Matth. xvj und xviij und ist
gantz und gar ein ander schluessel. Die zween schluessel heissen wir
Bindeschluessel und Loeseschluessel nach
den worten Christi ‘Was jhr bindet, was jhr
[Luk. 11, 52] loeset &c..’ Aber vom schluessel des ekentnis redet er
Luce am xj zu den Phariseern also: ‘Wehe
euch schrifft gelerten, Jhr habt den schluessel des erkentnis, Jhr kompt nicht hinein und weret denen, die
hinein woellen.’ Hie gibt Christus nicht
schluessel, Sondern spricht, sie haben jhnen und muessen allte schluessel sein, ehe denn Christus den himel auffgethan
hat, Drumb nennet er jhn auch schluessel
des erkentnis odder zum erkentnis, das er dienen solle zum erkentnis, Und spricht dazu, das sie selbs
nicht hinein komen. Wo hinein? zum
erkentnis, da sie den schluessel zu haben, Und weren denen, die gern hinein zum erkentnis wolten.
Daraus acht ich ja, Es sey klar gnug,
das Christus hie rede wedder von binden
noch von loesen, sondern von predigen und leren, und dieser schluessel sey nichts anders, denn der Lere schluessel,
das ist Lere ampt, Predig ampt, Pfarr
ampt, dadurch man die leute zum erkentnis fueren sol, das sie lernen
und wissen, wie sie Gott dienen und
selig werden sollen, das ist dis erkentnis, so
er hie nennet, Welchs auch manch frum hertz gern wueste und gern
hinein und dazu keme, so wirds
verhindert und verfueret eben durch die, von denen es lernen und hinzu komen solte, als die den
schluessel und das ampt dazu haben. Also
thetten die Phariseer, solten die leute zum erkentnis Christi und der warheit bringen, So furen sie zu,
verbotens, wehreten und lereten da
widder und muste ketzerey sein, damit sie viel verhinderten, die wol
gern die warheit gewust hetten, wiees
allwege und bisher gangen ist, das die fruemesten, so gern die warheit wuesten, am aller meisten
verfueret werden, Denn welche die
warheit verachten und ruchlosen, kan der Teuffel nicht verfueren, Sie sind bereit sein.
[Matth. 23, 13] Darumb nennet Matt.
xxiij solch jhr hindern und wehren auch einen
schluessel, das sie misbrauchen, den himel zu verschliessen, und
spricht: ‘Weh euch schrifftgelerten und
Phariseer, Jhr heuchler, die jhr das himelreich zu schliesset fur den menschen, Jhr komet nicht
hinein, Und die hinein wollen, lasst jhr
nicht hinein gehen.’ Nu hatten die Phariseer ja nicht Sanct Peters schluessel, das ist gewis, So redet auch
Christus hie nichts von binden und
loesen, Sondern er redet von frumen leuten, die gern gen himel wolten,
und
[
[Seite 492]
wird jhn mit gewalt, unrecht, liegen und
triegen gewehret. Darumb ists vom
gemeinen Predigamt gesagt, welchs dem gantzen volck sol den himel auff thun und verkuendigen. Aber die schluessel
Sanct Petri gehen allein uber etliche,
nemlich uber die sunder, Darumb sollen wir nicht die schluessel so jnn einander mengen, wie die unvleissigen
schlefferigen Theologen thun, Sondern
wol und fein unterscheiden, so koennen wir bey der reinen und gewissen warheit bleiben und allen
misverstand meiden.
Wol ists war, das man wissen mus und
gewis sein sol, Wer und was man binden
und loesen sol [Bl. G ij], Denn Gottes ordnung sol nicht der blinden kue spielen1, wie wir hernach hoeren werden.
Aber das wissen, davon sie den
schluessel nennen, nemlich, das man wissen sol, wie der mensch fur Gott
stehe, das ist nichts und machet den
schluessel zum Feil schluessel, Darumb wollen
wir solchen Wisseschluessel nicht haben noch leiden, so wenig als den
Feil schluessel, Und sollen alle beide
jnn der Christenheit nicht sein. Also auch den
Gewalt schluessel, odder den Herr schluessel wollen und sollen wir auch
nicht leiden, Und sol auch jnn der
Christenheit nicht sein, So wenig als wir auch
leiden wollen den Binde schluessel, der da gesetz stellet, und den Loese
schluessel, der da dispensiert und umb
geld urlaub verkeufft, Wir wollen den gemeine
Lere schluessel und darnach fur die, so da sundigen, den rechten
Bindeschluessel und Loeseschluessel
haben und behalten.
Der vierde Misbrauch.
Da mus nu her hallten der allte rechte
verstand dieses spruchs, so von der
Apostel zeit her komen und gar kaum blieben ist, auff das sie ja nichts ungemartert und ungeplagt lassen jnn
diesem spruch. Sechserley schluessel
haben sie gemacht und die wort zu deutet, wie sie gewolt haben, Nu
nemen sie die rechten schluessel und den
rechten verstand auch fur sich und faren
damit, wie wir sehen werden. Der rechte verstand aber und die
rechten schluessel sind nicht gesetze
stellen odder urlaub verkeuffen, auch nicht Feil binden odder Feil loesen, auch nicht gewalt
suchen odder heimlich ding wissen,
Sondern allein Suende binden und suende loesen, das ist Bannen und
absolvieren odder jnn den bann und aus
dem bann thun, Denn davon redet Christus
und daselbst zu gibt er die schluessel. Wir sehen aber auch Bannens und absolvierens gnug bey diesen leuten, Aber
wie gehen sie damit umb?
Erstlich: Die rechten suende, die man
mit dem bann straffen sol, dazu auch die
schluessel gegeben sind, das man sie binden und loesen solle, achten sie nichts, nemen sich der selbigen gar wenig an
und lassen die schluessel hie gar
[ 9 kuee C 11 nennen] nemen D 16 Und —
sein fehlt C 17 gesetze B da
gesetz] das gesetz D 18 gemeine A]
[Seite 493]
verligen und verrosten, Denn wo sie der
schluessel wolten brauchen, Lieber, wie
viel Bepste, Cardinel, Bischove, Pfaffen, Muenche, Fursten, Herrn, Adel, Buerger und Baur wuerden frey sein fur dem
bann und Binderschluessel? Jst doch
allenthalben so ein frey, frech, ungestrafft leben, sonderlich bey den
geistlichen, da allerley schendliche
laster wie eine sindflut regiert mit geitz, raub, stelen, pracht, unzucht &c., das auch
Gott und die welt nicht lenger tragen
koennen. Jch wil noch schweigen der grewlichen suende, das sie alle den
namen Christi fueren und verachten doch
seine wort so hoch, das die geistlichen nicht
muegen dieselbigen lesen noch leren und die andern nicht hoeren noch
lernen, Welchs alles die rechten heubtsuende
sind, die man mit dem schluessel binden,
straffen und bannen solt, Und hette der selbige schluessel jtzt wol uber
die masse viel zu thun, Aber wie [Bl. G
iij] koennen sie binden, weil sie erger und mehr schlueldig sind denn alle andere?
Darumb stehet jhr regiment also, das
sie den Binde schluessel getrost uben
mit gesetze stellen und den Loese schluessel mit nach lassen der sunden,
leider allzu seer, als solten sie mit der
that sagen: Christus hat uns durch die schluessel macht gegeben, das wir andere leute jnn aller
welt binden und mit gesetzen plagen
sollen, Aber uns hat er macht gegeben, das wir los, frey, ungestrafft und unverschampt auffs aller schendlichst
leben muegen und allerley sunde frey [2.
Petri 2, 14] nachgelassen haben, wie denn Sanct Peter ij. Pet. ij von jhnen
sagt: ‘Jncessabiles delicto’, ‘jhrer
sunden ist kein wehren’. Also moecht sich denn binden und loesen fein mit einander reymen, und jhr newer
verstand mit dem alten stand uber ein
komen, Das binden dorthin gehoere, andere leute mit gesetzen zu
bestricken, Loesen aber hie her auff
sie, das sie ungebunden frey leben muegen, Das moecht denn ein mal den spruch Christi recht
getroffen heissen ‘Was jhr bindet sol
gebunden sein’, nemlich alle welt, Und ‘was jhr loeset, sol los sein’,
nemlich wir geistlichen. Dieser verstand
were koestlich und der Christlichen Kirchen seer nuetzlich und troestlich, Denn nach dem
ersten verstand besserten sie die Kirche
durch jhr heilige gesetze, Nach dem andern verstand besserten sie sie mit
jhrem schoenen leben, Das hiesse denn
der Kirchen beide mit worten und wercken,
beide mit lere und exempel geholffen. Schimpff und ernst, Es gehet
gleich wol also zu, Der Teuffel hat
solchs mit jhrem binden gemeinet und auch
ausgericht.
Zum andern: An stat der rechten sunde
uben sie die schluessel an eitel
ertichten falschen sunden und gaugkgeln also mit dem befelh und wort
Gottes wie die stock narren odder
lotterbuben. Denn jhr binden und loesen gehet
allein uber die sunde, so widder jhr gesetze geschehen, und das es den
lieben pfennig und die platten betrifft,
Das muessen die heubt sunde heissen, Mord,
ehebruch, Gottes lesterung und die gantze Sodoma ist nichts, Aber der
Kirchen
[ 15/16 allzu seer] zůfast D 22
rümen D 29 sie sie] sie sich C 34 ueben D sie] sich D 35 gaugk geln A]
[Seite 494]
geitz und pracht rueren, hindern odder
verseumen, da blitzt und donnert der
Binde schluessel, Widderumb, Wer jhn den geitz und pracht lesst, da
lachet und scheinet der Loeseschluessel.
Nu haben wir droben gehoeret, das sie keine
macht haben, gesetze zu stellen uber die Christenheit, darumb kan auch
da keine rechte sunde sein, wo man sie
nicht hellt, Denn es sol niemand bewilligen
mit der that jnn die gesetze der geistlichen, als weren sie billich und
zu halten, auff das man sich jhres
frevels und unrechter gewalt nicht teilhafftig mache.
Sind nu keine sunde hie, So mus beide
binden und loesen ein lauter gauckel
werck und affenspiel sein, damit die schluessel Gottes geschendet und die Christen betruebt on alle ursach, ja auch
betrogen werden, das sie muessen sich
[Ps. 53, 6] furchten, da keine furcht ist, wie der xiiij. Psalm sagt,
und Gott vergeblich [Matth. 15, 9]
dienen, wie Christus Matth. xv sagt, Ja zum falschen und schedlichem
Gottes dienst gezwungen werden, vom
glauben und Gottes gebot auff jhre ertichte
falsche gesetze und werck, Denn dieser bann odder binden sterckt und
erhellt jhenes binden, da sie gesetz mit
stellen. Aber ein Christ weis und sol auch wissen, das beide [Bl. G 4] solch binden und loesen
ein spinweb ist, Und sols meiden und
verachten, ja verdamnen als eine Gottes lesterung und sagen aus Psal.
cix [Ps. 109, 28] ‘Fluchen sie, so
segenestu, Bannen sie, so loesestu, Zuernen sie, so lachestu.’ Denn gleich wie jhr gesetze sind, so ist auch
jhr bann, Wie gesetz und bann, so ist
auch jhre kirche, Wie die kirche, so ist auch jhr Gott, alles und alles eitel gaugel werck, doch unter dem namen der
heiligen Gottes schluessel, Der name
Gottes mus jhr gauckel sack1 sein, die liebe Christenheit zu verfueren, beide Sacrament und glauben zu verderben und
Christum zu verleugnen und Gott zu
vergessen, O des leidigen grewels.
Zum dritten, Machen sie es noch erger,
Binden und bannen, auch verfolgen,
morden und brennen dazu die heiligen menschen Christi, da sie
wissen, das keine sunde, sondern eitel
recht und warheit da ist, nemlich das Euangelion verbannen sie wissentlich, Denn sie bekennen,
das beider gestalt des Sacraments recht,
die ehe und speise frey und die lere des Euangelij die warheit sey, noch weil sie selbs nicht solchs geleret haben,
mus es ketzerey sein, Da gehet der
Bindeschluessel recht beide uber leib und seele. Widderumb: Wer mit
jhn pfeifft und heulet, hilfft solch
lesterung, bannen, binden und morden handhaben,
der wird nicht allein los und frey von allen sunden und ketzerey, Sondern ist das liebe kind und der groessest
heilige, mus Bisschoff und Cardinal,
Thumherr und Prelat werden, Das heisst der schluessel recht gebraucht
und die rechten sunde binden und die
rechten buesser loesen, nemlich Barrabam loesen
und Gottes son Creutzigen, Denn die Juden wusten auch wol, das
Barrabas ein offentlicher moerder und
Christus ein heiliger man war. Noch must
Barrabas als ein heiliger man los werden und Christus als ein
moerder sterben, Also sol man sunde
suchen, finden und machen, auff das der Bindeschluessel
[Seite 495]
zu thun habe und nicht verroste, sondern
straffe und verdamne die frumen Christen
hie und dort. Und also sol man tugent und gute werck finden, da mit der Loese schluessel auch
zuthun habe, belohne und kroene die
moerder, verfuerer, lesterer und ketzer beide und dort, Das ist ein
loeblicher brauch der schluessel. Aus
dem allen sihestu, das der Bapst jnn diesen stuecken nie keinen menschen wedder gebunden noch
geloeset, jnn bann noch aus dem bann
gethan hat, Sondern ist alles eitel spiegel fechten und blinde
schirmschlege1 gewest, Und findet sich,
das niemand so wenig von den schluesseln hat
als der sich am meisten der schluessel rhuemet, allenthalben jm wapen
fueret und an die wende malet, Und wie
kan er auch die schluessel haben, so er Gottes
wort nicht hat noch leiden kan? Warlich, wo Gottes wort nicht ist,
da bleiben die schluessel nicht. Sie
wollen bey Gottes wort jnn der Kirchen
sein odder wollen nicht schluessel sein, Darumb hat sich Christus mit
dem Bapst warlich fein geteilet jnn die
schluessel, Er behellt die rechten schluessel
und lesst dem Bapst die gemaleten schluessel, die mag er setzen jnn sein
wapen odder an die wand, Jnn der Kirchen
Christi haben sie wedder feld noch raum.
Was sagestu aber zu dem spruch
Gregorij, droben2 angezeigt: ‘Unser bann
ist zu furchten, wenn er gleich unrecht were?’ Das sage ich dazu: Der
spruch [Bl. H 1] sey Gregorij odder
seiner mutter, so hat jhn der Teufel gesprochen, Den Doctor thuerst ich noch wol froelich
ansehen, der so leren wolt, das ich mich
fur dem unrecht und lugen solt furchten, wenns gleich ein Engel vom himel were, und thuerst seinen schrecklichen
bann heissen nemen und enhindern fueren
und die nasen dran wischen, da Adamskinder auff sitzen3, Was sol denn auch solch schendliche lesterung, die
uns Christen thar unverschampt gebieten,
offentlich unrecht und bekandte luegen furchten und fur einen Gott anbeten? Wo S. Gregorius solchs gesagt,
gemeinet und nicht gebuesst hette, so
muest er jm abgrund der Hellen sein, das darff keines fragens, Doch ich wil Gregorium nicht verdammen, Aber das ist
jhe eine grosse plage, damit uns die
Roemischen Maul esel und die Sophisten jnn hohen schulen und kloestern geplagt haben, das sie der lieben Veter
sprueche allzu mal zu artickel des [1.
Thess. 5, 21] glaubens gemacht haben, Und hoeren S. Paulum nicht, das man alles
zuvor solle pruefen, Dencken auch nicht,
das die lieben Veter, jhe heiliger sie gewest,
jhe mehr anfechtung boeser gedancken und heimlicher tuecke sie vom
Teufel haben, on unterlas leiden und
gewarten muessen, welcher denn etliche ja haben
zu weilen muessen eraus faren durch die zunge und fedder, wie wir
sehen, das der liebe Hiob ungeschwungen4
ding widder Gott redet jnn seiner anfechtung.
Sie sind menschen gewesen so wol als wir, haben auch muessen beten
[ 15 setzten B 22 enhindern] an hindern
D 27 in abgrund D 34 welcher] woelche D]
[Seite 496]
‘Vergib uns unser schuld, Und fuere uns nicht
jnn anfechtung &c..’ Was nu unrats
aus diesem spruch komen ist, das gebe ich nicht so fast Gregorio schuld als den Mauleseln und Sophisten, die gleich
wie die sew alles on unterscheid
fressen, was sie jnn den lieben Vetern finden, und fressen wol den
unflat und das boese lieber, denn das
gute odder wo etwas rein und heilig drinnen
ist, allein das sie den bauch wol weiden muegen.
Das sey von der schluessel misbreuche
jtzt auffs aller schlechtest angezeigt.
Sonst, wo ich hette wollen zuernen und mich rechen, solt es anders
geklungen haben. Wer nu ein Christ sein
wil, der dencke, das er von allen schluesseln
des Bapsts nichts halte, Und bleibe bey diesen zween rechten schluesseln
Christi und seiner Kirchen, Welche nicht
gesetze stellen und widder umb geld verkeuffen,
wie die ersten zween schluessel des Bapsts thun, Auch nicht ungewis
sind, wenn sie feilen odder treffen mit
jhrem binden und loesen, wie die andern
zween, der Feilschluessel und Treffschluessel thun, Auch nicht mit
weltlicher herrschafft noch heimlicher
sachen wissen zu thun haben, wie die dritten zween schluessel thun, Auch nicht mit ertichten
sunden und tugenden umb gehen, wie die
letzten zween thun. Diese schluessel alle achte, sechse, viere, zween, oder
wie viel sie draus machen wollen, las
jmer hin faren und den Bapst jnn seinem
wapen fueren, Denn sie verstoeren den glauben an Christum, nemen weg
allen trost und rat unsers gewissens und
richten auff eigen gerechtigkeit der werck
widder Gott und leren Christum vergessen und verleugnen, wie wir
gehoeret haben, Denn unser seele mus
warlich des gar trefflich gewis sein, darauff
sie sich verlassen und troesten sol widder die sunde und ewigen tod,
Darumb muessen der schluessel urteil
eitel gewisse Gottes wort sein, odder sind nicht die rechte schluessel.
[Bl. Hij] Darnach dencke, das die schluessel
odder vergebung der sunden nicht stehet
auff unser rew odder wirdigkeit, wie sie leren und verkeren, Denn das ist gantz Pelagianisch, Tuerckisch, Heidenisch,
Juedisch, Widderteuffisch, Schwermerisch
und Endechristisch, Sondern widderumb, das unser rew, werck, hertz
und was wir sind, sollen sich auff die
schluessel bawen und mit gantzem erwegen1
getrost drauff verlassen, als auff Gottes wort, Und bey leibs und seelen
verlust ja nicht zweiveln, Was dir die
schluessel sagen und geben, Es sey so
gewis, als rede es Gott selber, wie ers denn gewislich selbs redet, Denn
es ist sein befelh und wort und nicht
eins menschen wort odder befelh. Zweivelstu
aber, so luegen straffestu Gott, verkerest seine ordnung und bawest
seine schluessel auff deine rew und
wirdigkeit. Rewen soltu (das ist war), Aber
das darumb die vergebunge der sunden solt gewis werden und des
schluessels werck bestettigen, das
heisst den glauben verlassen und Christum verleugnet, Er wil dir die sunde nicht umb deinen willen,
sondern umb seins selbs willen aus
lauter gnaden durch den schluessel vergeben und schencken.
[ 7 mißbreuch C 10 zweien C 25 rechten
B 39 deinet C dinent D sein
C]
[Seite 497]
So wollen wir nu ein wenig von den Schluesseln
reden aus [Matth. 18, 18] rechtem grunde
und nach der warheit. Christus spricht: ‘Was jhr bindet auff erden, sol gebunden sein jm
himel, Und was jhr loeset auff erden, sol
los sein jm himel.’ Merck hie, das er gewis, gewis zusagt, Es solle
gebunden und los sein, was wir auff
erden binden und loesen, Hie ist kein Feil schluessel. Er spricht nicht: ‘Was ich jm himel binde und
loese, das solt jhr auff erden auch
binden und loesen,’ wie die lerer des Feilschluessels narren, Wenn
wolten wir erfaren, was Gott jm himel
buende odder loesete? Nimer mehr, Und weren
die schluessel vergebens und kein nuetze. Spricht auch nicht: ‘Jhr solt
wissen, was ich jm himel binde und
loese.’ Wer wollts odder kuendts wissen? Sondern so spricht er: ‘Bindet jhr und loeset auff
erden, So wil ich mit binden und loesen
jm himel, Thut jhr der schluessel werck, So wil jchs auch thun. Ja, wenn jhrs thut, so solls gethan sein, und ist
nicht not, das jchs euch nach thue, Was
jhr bindet und loeset (spreche ich), das wil ich wedder binden noch loesen, Sondern es sol gebunden und los sein
on mein binden und loesen, Es sol
einerley werck sein, mein und ewers, nicht zweierley, Einerley schluessel, meine und ewre, nicht zweierley, Thut ewer
werck, so ist meins schon geschehen,
Bindet und loeset jhr, so hab ich schon gebunden und geloeset.’
Er verpflichtet und verbindet sich an
unser werck, Ja er befilhet uns sein
selbs eigen werck. Warumb solten wirs denn ungewis machen odder
umbkehren [Bl. H iij] und furgeben, Er
muesse vorhin binden und loesen jm himel? Gerade, als were sein binden und loesen jm himel ein
anders denn unser binden und loesen auff
erden, odder als hette er andere schluessel droben jm himel denn diese auff erden, So er doch deutlich und klerlich
sagt, Es seien des himels schluessel und
nicht der erden schluessel. Meine schluessel (spricht er) solt jhr haben
und keine andere, und solt sie hie auff
erden haben. Er kan ja nicht uber und
ausser diesen schluesseln des himels noch andere schluessel haben, die
nicht jm himel, sondern uber odder ausser
dem himel schliessen solten, Was wolten sie
daselbst schliessen? Sinds nu des himels schluessel, so sinds nicht
zweierley, sondern einerley schluessel,
die hie auff erden und droben jm himel schliessen, Einerley binden und loesen, hie auff erden
und droben jm himel.
Es komen aber solche gedancken von zweierley
schluesseln daher, das man Gottes wort
nicht fur Gottes wort hellt, Sondern weil es durch menschen gesprochen wird, so sihet man es eben an, als
werens menschen wort, und denckt, Gott
sey hoch droben und weit, weit, weit von solchem wort, das auff erden ist, Gaffet darnach gen himel hinauff
und tichtet noch andere schluessel, Und
Christus spricht doch ja hie klerlich, Er wolle die schluessel Petro
geben, Saget nicht, das er zweierley
schluessel habe, Sondern die selbigen schluessel, die er selbs hat und kein andere hat, die gibt er
Petro, Als solt er sagen: Was
[ 4 solle] sol CD]
[Seite 498]
gaffestu gen himel nach meinen schluesseln?
Hoerestu nicht, das ich sie Petro
gegeben habe? Es sind wol himels schluessel (das ist war), Aber sie sind
nicht jm himel, Jch hab sie herunter
auff erden gelassen, Du solt sie nicht jm
himel noch jrgent anders wo suchen, Sondern jnn Peters munde finden,
Da hab ich sie hin gelegt. Peters mund
ist mein mund, und seine zunge ist
meiner schluessel beutel, Sein ampt ist mein ampt, Sein binden ist
mein binden, Sein loesen ist mein
loesen, Seine schluessel sind meine schluessel, Jch hab kein andere, weis auch von keinen andern,
Was die binden, das ist gebunden, Was
die loesen, das ist los, nicht anders, denn als were sonst kein binder odder loeser jm himel noch auff erden.
Sind etwa mehr odder ander schluessel,
es sey jm himel, auff erden odder jnn der helle, die gehen mich nichts an, Jch weis nichts drumb. Was sie auch
binden odder loesen, da frage ich nicht
nach, Drumb kere du dich auch nicht dran und las sie dich nicht jrren, Jch sehe allein darauff, was mein Petrus
bindet und loeset, Des halte ich mich,
Des halte du dich auch, so bistu mir schon gebunden und los. Denn Petrus bindet und loeset jm himel und sonst
neimand. Sihe, das ist recht von den
schluesseln gedacht und geredt.
Da haben wir nu, was die schluessel sind,
Nemlich ein Ampt, macht odder befelh von
Gott der Christenheit gegeben durch Christum, den menschen die sunden zu behalten und zu vergeben, Denn
also spricht Christus Matth. 9 [Matth.
9, 6] ‘Auff das jhr wisset, das des menschen son macht hab auff erden, die
sunde zu vergeben’, sprach er zu dem
gichtbruechigen: ‘Stehe auff &c..’ Und bald darnach: [Matth. 9, 8] ‘Das volck preisete Gott, der
solche macht den menschen gegeben hat. Las
dich hie nicht jrren das Phariseisch geschwetz, damit [Bl. H 4] sich
etliche selbst nerren, wie ein mensch
muege sunde vergeben, so er doch die gnade nicht geben kan noch den heiligen geist, Bleibe du bey
den worten Christi, Und sey du gewis,
das Gott keine andere weise hat, die sunden zu vergeben denn durch das muendliche wort, so er uns menschen
befolhen hat, Wo du nicht die vergebung
jm wort suchest, wirstu umb sonst gen himel gaffen nach der gnade odder (wie sie sagen) nach der jnnerlichen
vergebunge.
Sprichstu aber, wie die rotten geister
und Sophisten auch thun: Hoeren doch
viel der schluessel binden und loesen, keren sich dennoch nicht dran und bleiben ungebunden und ungeloeset, Drumb mus
etwas anders da sein denn das wort und
die schluessel, Der geist, geist, geist mus thun. Meinstu aber, das der nicht gebunden sey, der dem Binde
schluessel nicht gleubet? Er sols wol
erfaren zu seiner zeit, das umb seines unglaubens willen das binden nicht vergeblich gewest ist, noch gefeilet
hat. Also auch, Wer nicht gleubet, das
er los sey und seine sund vergeben, der sols mit der zeit auch wol
erfaren, wie gar gewis jhm seine sunde
jtzt vergeben sind gewest, und ers nicht hat
[Röm. 3, 3] woellen gleuben. S. Paulus spricht Ro. 3: ‘Umb unsers
unglaubens willen wird
[ 6 beutel] seckel D 20 Matthej .9. B]
[Seite 499]
Gott nicht feilen’, So reden wir auch jtzt
nicht, wer den schluesseln gleubt odder
nicht, Wissen fast wol, das wenig gleuben, Sondern wir reden davon, was die schluessel thun und geben. Wers nicht
an nimpt, der hat freilich nichts, der
schluessel feilet drumb nicht, Viel gleuben dem Euangelio nicht, Aber das Euangelion feilet und leuget darumb
nicht, Ein Koenig gibt dir ein Schlos,
Nimpstu es nicht an, So hat der Koenig darumb nicht gelogen noch gefeilet, Sondern du hast dich betrogen,
und ist deine schuld, Der Koenig hats
gewis gegeben.
Ja sprichstu: Hie lerestu selbs den Feil
schluessel, Denn es geschicht nicht
alles, was die schluessel schaffen, weil es etliche nicht gleuben noch
annemen. Ey lieber, wenn das gefeilet
sol heissen, So feilet Gott mit allen seinen
worten und wercken, Denn wenig gleubens odder nemens an, was er
doch gegen alle on unterlas redt und
thut, Das heisst gar die zungen verkehret
und aus der sprachen gegangen1, Denn solchs heisst nicht gefeilet odder
geirret, wenn ich etwas thu odder rede,
und ein ander verachts odder lessts anstehen.
Aber des Bapsts Feil schluessel ist also geleret, verstanden und
gehalten, das er selb der schluessel an
jhm selbs jrren mag, obs gleich ein mensch gern gleuben und annemen wolt, Denn es ist ein
‘Conditionalis Clavis’, Ein wanckel
schluessel, der uns nicht auff Gottes wort, fondern auff unser rew
weiset, Spricht nicht frey: Jch loese
dich gewislich, das soltu gleuben, Sondern so
spricht er: Bistu berewet und frum, so loese ich dich, Wo nicht, so
feile ich. Das heisst Clavis errans, Und
kan selbs nicht drauff fussen noch sagen: Jch
weis gewis, das ich dich fur Gott geloeset habe, du gleubest odder
gleubest nicht, wie Petersschluessel
sagen kan, Sondern mus also sagen: Jch loese dich auff erden, weis aber warlich nicht, ob du
fur Got drumb los seiest, Denn sie haben
den glauben nicht geleret bey den schluesseln, wie man sihet jnn allen Ablas bullen, da rew und beicht und pfennige
gefoddert werden und gar nichts vom
glauben gemeldet wird.
[Bl. I 1] Auch kan mans da bey wol mercken,
denn sie berewen und straffen solchen
ungewissen wahn weder an jhn selbs noch an andern, Gehen fein sicher dahin, als were solcher zweivel gar
keine sunde, und dencken: hab ich
getroffen, so hab ich getroffen, hab ich gefeilet, so hab ich gefeilet,
Jst gleich viel. Haben also solchs
unglaubens weder gewissen noch sorge, So es doch eine grewliche sunde ist des unglaubens auff
beiden teilen, beide des, der da bindet
oder loeset, und des, der gebunden odder geloeset wird, Denn es ist Gottes befelh und wort, das jhener spricht
und dieser hoeret, Sind beide schueldig
bey jhr seelen seligkeit, solchs so gewis und fest zu gleuben als alle ander artikel des glaubens. Denn wer da
bindet und loeset, gleubt aber nicht,
sondern zweivelt, ob ers troffen, gebunden odder geloeset habe, odder
denckt so
[ 8 hats] hat dirs D]
[Seite 500]
leichtfertig dahin: Oh, triffts, so
triffts, der lestert Gott, verleugnet Christum,
tritt die schluessel mit fuessen, Und ist erger denn ein Heide, Tuerck
oder Juede, Des gleichen thut der auch,
so gebunden odder geloeset wird, wo er nicht gleubet, zweivelt odder geringe achtet, Denn man sol
und mus Gottes worten gleuben mit
gantzem ernst und mit aller zuversicht. Wer nicht gleubet, der lasse die schluessel mit frieden, Er moecht sonst lieber
mit Judas und Herodes jnn der Helle
sein, Denn Gott wil ungeschmeht sein durch unsern unglauben. Es ist warlich nicht eins jedermans ding, der
schluessel wol brauchen.
Widderumb, wer da gleubt odder jhe gern
gleuben wil, das die schluessel gewis
sind, der sey froelich und brauch jhr getrost, Du kanst Gott jnn seinen schluesseln nicht groesser ehre thun, denn so
du jhnen gleubest, Darumb leren wir die
unsern also: Wer durch den schluessel gebunden odder geloeset wird, der
sol solchem binden und loesen so gewis
gleuben, das er lieber zehen mal sterben
solt denn daran zweiveln. Es ist Gotts wort und urteil, dem kein
groesser unehre geschehen kan, denn so
man des nicht gleubt, welchs eben so viel gesagt ist als: Got du leugest, Es ist nicht war,
was du sagest, Jch gleubs nicht, Und mus
also Gott sein luegener sein. Eben so gewis sol der auch sein, so da bindet odder loeset, odder ist gleicher
grewel schueldig. Wo hat man aber solchs
jhemals jm Bapstum geleret odder gehoeret? Ja, wo mans hette geleret, die Feil schluessel und seine gesellen weren
nimer mehr auff komen, weren wol diese
zween schluessel allein und fein rein blieben. Wie viel sind wol Bisschove und Official, die der schluessel also
brauchen? Sie gleuben nicht, das Gottes
wort sey, was die schluessel urteilen, Sinds also gewonet wie eines
allten weltlichen herkomens, Solten sie
aber dencken, das es Gottes urteil were, dem sie selbs zuvor gleuben muesten bey der seelen
seligkeit, sie wuerden nicht so leichtfertig,
sondern mit zittern und furcht damit umb gehen, Aber wo wolt man Official nemen? Wo wolten die Consistoria
bleiben? Eine wueste reformation wuerde
sich hie heben, Und mus und sol doch sein.
Aber sie haben dagegen ein vorteil1, das sie
verstockt und verblendet nicht sehen,
was die schluessel sind, Achten jhr auch nicht hoeher, denn so fern sie geld zutragen, Sonst nemen sie wol lieber
einen nagel etwa zur tasschen2 denn die
welt vol Gottes schluessel [Bl. J ij] zum himel, Das freilich die
schluessel nirgend jnn groessern unehren
sind denn bey denen, die sie haben odder sich
rhuemen zu haben, Das mercke an diesem beyspiel: Einen geweyheten kelch
thar kein Christ anrueren, unangesehen,
das er getaufft und durch Christus blut
erworben, geweyhet und geheiliget ist, Nein, Christus blut ist nichts
gegen einem geweiheten kelch, Ein
Corporal thar kein Christen weib, Ja keine
[Seite 501]
Nonne, die doch Christus sonderliche braut
sein sol, wasschen, unangesehen, das es
sonst wol die fliegen, so doch ungeweyhet sind, beschmeissen thueren1, So grosse heiligkeit ist hie furhanden. Aber die
schluessel, das rechte heiligthum,
welche der edlesten, heiligsten kleinot eins sind, Gottes, Christi und
der Kirchen mit Christus blut
geheiliget, und die noch teglich Christus blut austeilen, Oh, die selbigen muegen nicht allein anrueren,
Sondern auch auffs aller schendlichst
missebrauchen die aller leichtfertigsten, boesesten buben, die man
finden solt, Und solchen befelhen sie
auch die schluessel zum zeichen, wie werd und heilig sie die schluessel haben, damit sie doch
Herren auff erden sein wollen.
Wie
sol man denn thun, so man der schluessel wil recht brauchen, das [Matth. 18, 15 –17] es gewis sey fur Gott? Da
hastu Matthej am xviij. einen gewissen Text, da
Christus selbs der schluessel ampt also fasset, das du nicht feilen
kanst, wo du dem folgest, Wo du aber
nicht folgest, sondern ein newe eigene weise fur nimpst, So wisse auch dagegen, das du feilest und die
rechten schluessel nicht hast. So laut
aber der Text: ‘Suendigt dein bruder wider dich, So gehe hin und straffe jhn zwisschen dir und jhm alleine,
Gehorcht er dir, so hastu deinen bruder
gewonnen, Gehorcht er dir nicht, so nim noch einen oder zween zu dir, auff das alle sachen bestehen jnn zwey
oder dreier zeugen munde2, Gehorcht er
denen nicht, so sage es der Gemeinen, Gehorcht er der Gemeinen nicht, so halt jhn fur einen heiden und zoelner. Da
hastu eine gewisse masse und weise jnn
Gottes wort gefasset, die dich nicht lesst feilen und kanst der schluessel on furcht und sorge Goettlich und wol brauchen,
Denn darauff folget der Text von
Schluesseln ‘Was jhr bindet auff erden &c..’
Wo du aber diese masse und weise nicht
heltest, So wirstu ungewis, und dein
hertz kan nicht sagen: Jch weis, das ich nicht feile, Sondern es wird dich beissen und also sagen: Du hast on
Gottes wort gebunden und geloeset, Gott
hat dichs so nicht geheissen, Sondern ist dein eigener mutwille, Drumb hastu da keine schluessel gehabt, sondern es
hat dir von schluesseln getrewmet.
Daraus wird denn weiter dein gewissen dich urteilen und sagen: Du
hast Gottes namen gelestert, die
schluessel geschendet und dazu deinem nehesten gewalt und unrecht gethan, sein gewissen mit luegen
erschreckt, auff jrthum und falschen
verstand der schluessel gefueret und geistlich getoedtet. Wo wiltu denn
bleiben? Ja, Es ist itzt nicht der
brauch (sprichstu) zu Bisschoffs und Bapsts hoefen. So hoere ich wol, Es ist aber der brauch zu
Christus hofe, Und sol zu Bisschoffs
hoefen auch sein, odder sollen nicht Christen Bisschove sein, Ein
Bisschoff ist nicht Gott, So ist sein
hoff nicht Gottes wort, Koennen sie es besser machen, denn es hie Gottes son geordent hat, so las
sie her machen, So wollen
[ 3 heiligthum] heylthum D 7 loesesten
A 19 Gemeyn D 27 so] also D 36 Koennen] Koenten D]
[Seite 502]
wir [Bl. J iij] Gottes son heissen, die
pfeiffen ein zihen1 und schweigen, Koennen
sie es aber nicht besser machen, So thu man den misbrauch abe und
brings widder zum rechten brauch,
Christus wird sein wort umb der Bisschoffs
hoefe und misbreuche willen nicht endern.
Du hoerest hie, das es muessen gewisse
offentliche sunde sein gewisser
bekandter personen, da ein bruder den andern sundigen sihet, Dazu
solche sunde, die zuvor bruederlich
gestrafft und zu letzt offentlich fur der Gemeine uberzeugt sind, Darumb die bullen und bann
brieve, darinnen also stehet:
‘Excommunicamus ipso facto lata sententia, trina tamen monitione
premissa’, Jtem ‘de plenitudine
potestatis’, Das heisst man auff Deudsch Ein Scheisbann, Jch heisse es des Teuffels bann und nicht
Gottes bann, da man die leute bannet mit
freveler that, ehe sie offentlich uberzeugt sind fur der Gemeine widder Christus ordnung. Des gleichen sind
alle die Bann, damit die Officiel und
geistliche richtheuser gaugkeln, da man uber x. xx. xxx meile wegs die leute mit einer zedel fur einer Gemeine jnn
bann thut, So sie doch jnn der selbigen
Gemeine und fur dem Pfarher nie gestrafft, verklagt noch uberzeuget sind, Sondern kompt daher eine fleddermaus
aus eines Officials winckel, on zeugen
und on Gottes befelh. Fur solchen Scheisbannen darffestu dich nicht furchten, Wil ein Bisschoff odder Official
jemand jnn bann thun, so gehe odder
schicke er hin jnn die Gemeine und fur den Pfarher, da der selbige sol jnn bann gethan werden, und thu jhm, wie
recht ist, nach diesen worten Christi.
Und das alles sage ich darumb, Denn die
Gemeine, so solchen sol bennisch halten,
sol wissen und gewis sein, wie der den bann verdienet und drein komen ist, wie hie der Text Christi gibt,
Sonst moecht sie betrogen werden und
einen luegen bann an nemen und dem nehesten damit unrecht thun, Das were denn die schluessel gelestert und Gott
geschendet und die liebe gegen dem
nehesten verseeret, welchs einer Christlichen Gemeine nicht zu leiden
ist, Denn sie gehoeret auch dazu, wenn
jemand bey jhr sol verbannet werden, spricht hie Christus, Und ist nicht schueldig des
Officials zedel noch des Bisschoves brieve
zu gleuben, Ja sie ist schueldig, hie nicht zu gleuben, Denn menschen
sol man nicht gleuben jnn Gottes sachen.
So ist eine Christliche Gemeine nicht des
Officials dienstmagd noch des Bisschoves stockmeister, das er muege zu
jhr sagen: Da Greta, Da Hans, hallt mir
den odder den jm bann, Awe ja, Seid uns
wilkomen, lieber Official. Jnn weltlicher oeberkeit hette solchs wol
eine meinung, Aber hie, da es die seelen
betrifft, Sol die Gemeine auch mit richter und
fraw sein. Sanct Paulus war ein Apostel, Noch wolt er den nicht jnn
bann thun, der seine stieff mutter genomen
hatte, Er wolte die Gemeine auch [1.
Kor. 5, 4 (2. Kor. 2, 10)] dabey haben 1. Corinth. 5. Und da die Gemeine nicht
dazu thet, lies er den
[ 33 Sind D]
[Seite 503]
bann auch faren und war zufrieden, das jhener
sonst gestrafft war fur der Gemeine.
Wie? Wenn einer selbs seine sunde
bekennet, es were offentlich odder heimlich,
der ist ja nicht uberzeuget und kuendte doch wol felschlich bekennen, da muesten ja die schluessel feilen. Antwort:
Christus spri[Bl. J 4] cht Matthej am xij:
[Matth. 12, 37] ‘Aus deinem munde wirstu gerechtfertiget, Aus deinem
munde wirstu verdampt’, Darumb Wer selbs
bekennet und thuts aus demut, dem sol man gleuben und vergeben, Thut ers aus trotz mit luegen,
so sol man jhm aber mal gleuben und
sprechen: Dir geschehe, wie du sagest, Denn ob er gleich eine falsche sunde bekennet, So ist doch das eine
zwifeltige sunde, das er leuget und
triegen wil, Darumb geschicht jhm recht, und der schluessel feilet nicht, Gleich wie Davids schwert feilete nicht, da
er den juengling lies toedten, der sich
fur jhm rhuemet, Er hette Saul erstochen, und war doch erlogen, 2. Regum
1. [2. Sam. 1, 16] Denn David sprach:
‘Dein blut sey auff deinem kopffe, Dein mund hat widder dich selbs gered, das du sprichst, du habest
den Koenig erstochen’ &c.. Und alle
recht zeugen, Eigen bekentnis widder sich selbs ist die beste
uberweisunge.
Und das wir auch zum ende komen, So haben wir
nu aus Christus befelh diese zween
schluessel: Der Binde schluessel ist die macht odder ampt, den sunder (so nicht buessen wil) zu straffen mit
einem offentlichen urteil zum ewigen tod
durch absonderung von der Christenheit. Und wenn solch urteil gehet, so ists eben so viel, als urteilete
Christus selbs, Und wo er so bleibet,
ist er gewis ewiglich verdampt. Der Loese schluessel ist die macht oder
ampt, den sunder, so da bekennet und sich
bekeret, los zu sprechen von sunden und
ewiges leben widder zu verheissen, Und ist auch so viel, als urteilete
Christus selbs, Und wo er das gleubet
und so bleibt, ist er gewis ewiglich selig, Denn der Binde schluessel treibt das werck des
gesetzes und ist dem sunder nuetz und
gut, damit das er jhm dienet, offenbart jhm seine sunde, vermanet jhn
zur furcht Gottes, erschreckt und bewegt
jhn zur busse und nicht zum verderben,
Der Loeseschluessel treibt das werck des Euangelij, locket zur gnade und
barmhertzigkeit, troestet und verheisst
leben und seligkeit durch vergebung der sunde,
Und summa: sie sind Executores, ausrichter und treiber des Euangelij,
welches schlecht dahin predigt diese
zwey stuecke, Busse und vergebung der sunde,
[Luk. 24, 47] Luce ult.
Und sind alle beide schluessel aus der
massen noetige stueck jnn der Christenheit,
dafur man Gott nimer mehr vol dancken kan, Denn ein recht
erschrocken sundiges gewissen kan kein
mensch troesten jnn seinen sunden, Es hat noch
muehe, das der Loeseschluessel solchs ausrichte, So ein grosse
kranckheit ists umb ein bloede schwach
gewissen, das hie der glaube auff des schluessels urteil gar gewaltiglich mus getrieben werden durch
Prediger, Pfarher und andere Christen,
[ 12 jünglin A 16 Recht B 21 Vnn A 27
ermant D 35 vol fehlt D 37 ist C]
[Seite 504]
Von welchem glauben jm Bapstum nie kein wort
jemals gehoeret ist. Widderumb sind
unter den Christen etliche rohe, freche hertzen und wilde leute, das die frumen fur solchen falschen Christen kein
ruge noch friede haben kundten, wo der
Bindeschluessel mit seiner ruten nicht da were, und eitel gnade und sicherheit gespueret wuerde, Hatts doch also
noch muehe, wie scharff und gros solche
straffe und urteil ist. Also ist der eisern und harter Bindeschluessel den frumen Christen ein grosser trost, schutz,
maur und burg widder die boesen, Und
doch daneben auch den boesen selbs eine heilsame ertzney, nutz und fromen, obs [Bl. K 1] gleich dem fleisch schrecklich
und verdrieslich ist, Der halben wir die
lieben schluessel alle beide theur und werd sollen haben von grund
unsers hertzen als unser zween
unaussprechliche schetze und kleinot fur unser seelen.
Denn der liebe man, der trewer
hertzlicher Bisschoff unser seelen Jhesus
Christus, hat wol gesehen, das seine lieben Christen gebrechlich, dazu
vom Teuffel, fleisch, wellt
manchfeltiglich und on auffhoeren angefochten, zu weilen fallen und sundigen wuerden. Dagegen hat er
diese ertzney gesetzt: Den Bindeschluessel,
das wir nicht zu sicher jnn der sunden vermessen, rohe und verrucht blieben, Den Loeseschluessel, das wir auch
nicht jnn sunden verzweiveln muesten und
uns also damit auff der mittel strasse zwisschen vermessenheit und
verzagen jnn rechter demut und
zuversicht erhalten, Auff das wir ja auff allen seiten reichlich versorget weren, Denn Wer nicht
sundigt (wer sundigt aber nicht?), odder
worin er nicht sundigt, der hat das gemeine Euangelion, Wer aber etwa sundigt, der hat uber das Euangelion
auch die schluessel.
Auch hat er mit den schluesseln
gewaltiglich wehren wollen den kuenfftigen
Novatianer1, welche lereten, das nach der Tauffe keine tod sunde moechte
auff erden vergeben werden, Aber hie
sehen wir ja, das Christus nicht den Heiden
noch ungetaufften, sondern seinen juengern und getaufften die schluessel
gibt, Welchs were gantz vergeblich, so
der getaufften sunde nicht solten dadurch vergeben werden, Spricht auch von den selbigen: ‘So
dein bruder sundiget.’ Bruder aber ist
ja ein getauffter Christ, noch spricht er: So er sundiget, Spricht auch nicht: So er ein mal sundiget,
Sondern schlecht: ‘So er sundiget’,
setzt dem schluessel wedder mas, zal noch zeit, Ja er deutet sie selbs
on alle mas, zal und zeit, Und spricht:
‘Alles, was jhr bindet und loeset’, Spricht
nicht: Etlichs, Sondern: Alles. Da ist des schluessel ampt aus gebreit
uber alle menge, groesse, lenge und
gestalt der sunden, wie sie auch muegen einen
namen haben, Denn wer ‘Alles’ sagt, der nimpt nichts aus.
Doch sol man das selbige wort ‘Alles’ nicht so
deuten wie der Bapst, das die schluessel
solten alles binden und loesen, was jm himel und auff erden ist, und damit eine allmechtige gewalt uns zu
eigenen, Sondern allein auff die sunde
sol mans zihen und nicht weiter, wie jtzt gesagt ist, Denn wir muessen die wort Christi verstehen ‘secundum materiam
subiectam’, Das ist, wir
[ 5 doch also] noch also D 8
heilsamẽ C]
[Seite 505]
muessen sehen, wo von Christus an dem
odder dem ort handelt, und dem nach die
wort auch behalten und nicht weiter auff ander sachen da mit lauffen, da Christus nichts von redet, gerade als wolt
einer alle ding an einem ort leren odder
ein wort auff allerley sachen reimen, wie die rotten geister thun, Die fueren schier alle sprueche der schrifft
auffs Sacrament, welche doch nichts vom
Sacrament reden. Weil wir denn sehen klerlich, das Christus hie nicht
redet von der gewalt jm himel odder auff
erden, Sondern von den sunden unser
brueder, wie die zu bessern sollen sein, kan man seine wort nicht weiter
zihen noch deuten denn auff solche
sunde, Und muessen das wort ‘Alles’ so wol als
die Wort ‘Binden und Loesen’ schlecht bey und auff den selbigen sunden
behalten.
[Bl. K ij] Denn Christus wil damit
hertzlich und gewaltig uns armen sunder
getroestet und nicht dem Bapst gewalt uber die Engel jm himel noch uber
die Keiser auff erden gegeben haben. Und
ist das der trost, Das Alle, Ja Alle
sunde (keine ausgenomen) sollen Petro odder dem schluessel unterworffen
sein, das sie sollen gebunden und los
sein, wenn er sie bindet und loeset, wenn
gleich da widder sich streubten alle Teuffel, alle wellt, alle Engel,
alle gedanken und verzagen unsers
hertzen, alle anblick des todes und alle boese zeichen, Das ein bloedes hertz sich darauff kecklich verlassen
und widder sein eigen boeses gewissen
zur zeit der not also sagen koenne: Wolan, meine sunde, wie viel und
gros sie sind, sind sie mir doch alle
los gesprochen durch den schluessel, da verlas
ich mich auff und wil von keiner sunde mehr wissen, Alle abe, alle
vergeben, alle vergessen, Der mir
zusagt: Alles, was du loesest, sol los sein, der leuget mir nicht, das weis ich, Jst mein rewe nicht
gnugsam, so ist sein wort gnugsam, Bin
ich nicht wirdig gnug, so sind seine schluessel wirdig gnug, Er ist trew und warhafftig, Meine sunde sollen
mir jhn nicht zum luegener machen.
Sihe, solchen glauben solt man neben
den schluesseln getrieben und geleret
haben, Denn die schluessel foddern den glauben jnn unserm hertzen, Und
on glauben kanstu jhr nicht nuetzlich
brauchen. Gleubstu aber an jhr urteil, so
bringen sie dich widder jnn die unschuld deiner tauffe, wirst von newen
widder geborn und ein rechter newer
heilige, Denn Gottes wort ist heilig, die schluessel sind heilig, sie muessen auch heiligen alles,
was dran gleubet, Und ist gar ein
ungereimbt lesterlich ding, das man bey den schluesseln so hefftig hat
allein auff rew und werck getrieben, So
man doch Schluessel und unser werck solte
scheiden, so weit als himel und erden von ein ander, Denn es mus auch
die vernunfft, so sie den Text ansihet,
bekennen, das die schluessel mit keinem werck
umb gehen, heissen und gebieten nichts, Sondern drewen und verheissen,
Nu ist drewen und verheissen ja nicht
gebieten. Der Bindeschluessel wil, das man
seinem drewen gleube und dadurch Gott furchte, Wer jhm gleubt, der
hat mit solchem glauben vor und on alle
werck dem schluessel gnug gethan, Er
foddert auch kein ander werck, Darnach wird solcher glaube wol werck
thun. Also der Loese schluessel wil, das
man seinem trost und verheissen gleube und
[Seite 506]
dadurch Gott lieb gewinne und ein froelich,
sicher, fridlich hertz uberkome, Wer jhm
gleubt, der hat mit solchem glauben vor und on alle werck diesem schluessel gnug gethan, Er foddert auch kein
ander werck, Darnach wird solcher glaube
wol werck thun.
Und mit sonderm vleis solt man zu
sehen, das man dem exempel und wort
Christi nach ja nicht einen schluessel on den andern lerete und triebe, Sondern alle beide zu samen fassete, wie sie
Christus hie zusamen fasset. Unter dem
Bapstum ist der Bindeschluessel so grewlich und Tyrannisch getrieben und der Loeseschluessel mit seiner krafft so
gar verschwigen, das jederman hat den
schluesseln feind muessen sein und zu keiner rechtschaffen rew noch busse komen muegen, Denn jhr lere war diese, das
ein mensch solt seine sunde bedencken
und zusamen lesen, damit eine rewe zu [Bl. K iij] machen durch die furcht der hellen und also die gnade mit wercken
verdienen vor den schluesseln, Und war
doch unmueglich, alle sunde zu bedencken, Dazu lereten sie allein die
schupen1, die gemeinen groben sunde
bedencken, Aber die starcken rechten grewel und
Teuffels koepffe und gifftigen geistlichen Drachen schwentze, nemlich
Unglauben, murren widder Gott, Gottes
hass, zweiveln, lestern, Gotts verachtung und der gleichen, kenneten sie nicht, schweige, das
sie rew darueber solten leren, Darumb
auch jhr busse ein lauter schein war und weret kaum die halbe
marter wochen, Denn es war kein
gruendliche busse noch verstand da, Aber an
solcher grewel stat lereten sie die gauckel sunde, so widder jhr luegen
gesetz geschehen waren, was solt da guts
an solcher busse sein?
Und gleich, wie nichts gruendlichs von
sunden geleret ward, So ward auch nichts
von Christo unserm mitler, nichts vom trost der schluessel, nichts vom glauben geleret, Sondern allein von der
untreglichen, doch vergeblichen marter
der rew, beicht, gnugthun und unser werck, Und muste Christus ein grausamer richter heissen, welchen wir neben
unser rew, beicht und gnugthun mit
furbitt seiner Mutter und aller heiligen, mit aller Pfaffen mess, mit
aller Muenche und Nonnen verdienst
versuenen musten, und halff doch nicht, Bleib
gleich wol ein unsicher gewissen, ein bloedes hertz, ein lauter
verzweiveln und anfang der Hellen. Jsts
nicht also? Wer kan das leugnen? Sind nicht die
bullen und buecher furhanden? Noch do ich solche weise zu buessen
straffet, verdienet ich so viel, das
mich der Bapst Leo durch seine Maul Esel verdammet als einen Ketzer, Denn solch jhr schedliche,
lesterliche grewel musten eitel artickel
des glaubens heissen.
Aber Christus leret hie, das man einem
sundigen gewissen auch den trost des
andern schluessels solle furhalten und nicht allein die furcht des einen
[ 12 furcht B] frucht ACD, in D
handschriftlich in furcht korrigiert 13 was D 14 unmueglich] moeglich [un-
handschriftlich] D 18 schwygen D 19/20 marterwochen] karwuchen D]
[Seite 507]
schluessels, damit die busse auch aus
lust liebe werde angefangen, Denn on
lust und liebe zur gerechtigkeit, allein aus furcht der pein buessen, wie
sie lereten, das ist Gott heimlich feind
werden, lestern, sunde groessern und nichts
denn Judas busse, Wer kan aber mit lust und liebe buessen, wo er
nicht gewissen trost und verheissung fur
sich hat der gnaden, nicht aus eigen gedancken
geschepfft (denn das hellt nicht und gillt nicht), Sondern durch ein
gewis wort Gottes dar geboten und
furgestellet? Der selbige trost misschet und lindert denn das schrecken des Bindeschluessels, also
das unser hertz ertragen und bleiben
kan, Das ist denn eine rechtschaffen busse, die Gott nicht flucht noch
heimlich feind ist, Sondern liebet und
lobet und fleusst daher aus einer luestigen furcht [Ps. 2, 11] und froelichem zittern, Psalm 2.
Die gefellet denn Gott, und ist auch bestendig,
macht einen andern, newen menschen und gibt rechten hass widder die
sunde, Welchs nimer mehr thut das sunde
bedencken und Helle furcht und die Bepstliche
busse. Dis stuecke (sage ich) von beiden schluesseln zu leren, solt man
wol treiben und widder auffrichten, Viel
wehnen, sie koennens allzu wol und verstehens
doch nicht, So achtens die Papisten nicht, Und ob sie es gleich hoeren
odder lesen, muegen sie es doch nicht
verstehen, [Bl. K 4] Denn jhr hertz ist auff ander [2. Mose 34, 33] gedancken gericht, und haben
Moses decke fur den augen.
Das sey dis mal gnug von den Schluesseln,
ob Gott wolt etwa gnade verleihen, das
der Bann moecht widder zu recht komen, und die lere von der Busse und Schluesseln widderumb bekand
werden. Des helffe uns der Vater aller
weisheit und trosts durch seinen heiligen geist jnn Christo Jhesu unserm HERRN, dem sey lob und danck jnn ewigkeit,
AMEN.
[Seite 508]
[Einleitung]
[Seite 508]
Schon in seiner an den Wittenberger
Amtmann Hans Metsch1 gerichteten Vorrede2 zu dem um Mitte April 1529
erschienenen3 Büchlein des Justus Menius: “Oeconomia Christiana d. i. von
christlicher Haushaltung” suchte Luther es den Eltern zu Gemüte zu führen, daß
sie verpflichtet seien, ihre Kinder etwas Rechtes lernen zu lassen. Eltern, die
nur auf den künftigen Erwerb ihrer Kinder bedacht seien, sollte die Obrigkeit,
wenn sie sich nicht bessern wollten, an Leib und Gut strafen oder zur Welt
ausjagen. Denn solche Leute seien die allergiftigsten und schädlichsten
Menschen auf Erden, schädlicher als Türken und Tartaren. So viel an ihnen ist,
täten sie nichts anders, “denn daß beide, geistlich und weltlich Stand
untergehe und beide, Haushalten und Kinderzucht verderbe, und bleiben eitel
wilde Tiere und Säue in der Welt, die zu nichts nütze sind denn zu Fressen und
Saufen”. Wenn man Kinder zu eitel Säuferkeln mache, die allein nach dem Futter
trachten, wo wolle man einst Pfarrer und Prediger hernehmen? “Wo wollen Könige,
Fürsten und Herrn, Städte und Länder nehmen Kanzler, Räte, Schreiber,
Amtleute?” Luther redet dann noch jedem einzelnen ins Gewissen: “Mein lieber
Geselle, hast du ein Kind, das zur Lehre geschickt ist, so bist du nicht frei,
dasselbe aufzuziehen, wie dich's gelüstet, stehet auch nicht in deiner Willkür,
damit zu fahren, wie du willt, sondern du mußt darauf sehen, daß du Gott
schuldig bist, seine beiden Regiment zu fördern und ihm darin zu dienen. Ziehst
du dein Kind zu einem Seelsorger, so schenkst du der Welt einen Heiland und
Gottesdiener, der viel tausend Seelen zum Himmel helfen kann.” “Also auch im
weltlichen Regiment kannst du deinem Herrn oder Stadt mit der Kinderzucht mehr
dienen denn daß du ihm Schlösser und Städte bautest und aller Welt Schätze
sammeltest.” Luther weist
[Seite 509]
endlich auf den reichen zeitlichen
Nutzen und ewigen Lohn hin, der bei rechter Kinderzucht für Eltern und Kinder
zu erwarten stehe, und schließt: “Davon ich ein andermal weiter und mit einem
sonderlichen Büchlein vermahnen will, so Gott gibt, wider solche schändliche,
schädliche, verdammte Eltern, welche nicht Eltern, sondern schädliche Säue und
giftige Tiere sind, die ihre eigenen Jungen selbst fressen.”
Also schon damals, im April 1529,
plante Luther einen Schrift über das Thema, “daß man Kinder zur Schulen halten
solle”, und das Büchlein, das er damals ankündigte, ist eben unsre “Predigt”.
Wir werden sehen, daß eine ganze Anzahl Gedanken, die bereits in jener Vorrede
zum Ausdruck gebracht sind, in unsrer Predigt, zum Teil wörtlich, wiederkehren.
Übrigens handelt es sich nicht um eine Predigt im eigentlichen Sinne, sondern,
wie Luther selbst andeutet1, um eine Verarbeitung von Gedanken, die er “mehr
denn einmal” in Wittenberger Predigten vorgebracht hat.
Erst während seiner unfreiwilligen
Mußezeit auf der Veste Koburg kam Luther zur Ausführung des Planes. Am
[fol. 216b] Exhortandi ciues pro
liberis ad scholam tradendis & prouidendis.
Primum obijciatur eis prȩceptum
Dej & Conscienciȩ necessitas, Quia Deus exigit personas idoneas ad
regnum spirituale & temporale. Nec sunt liberi hac in parte in arbitrio
ipsorum, Sed coguntur eos educare. Quos ipsi impediunt & maximo damno
diabolum iuuant in hac parte Contra Ecclesiam & Politiam.
Secundo expendant, quantum fructus vna
persona educata prȩstet mundo toti & quantum noceat Contrarium,
scilicet multȩ personȩ impeditȩ.
Tercio quod plus honoris & opum
acquirent filij ex Schola benedicente Deo, quam omnes eorum operȩ &
artes aut artificia.
[fol. 217a] Quarto proponantur per
ordinem, quot sint genera & species personarum tam Ecclesiasticarum quam
Politicarum, Similiter & officia talium, Quȩ omnia intra decennium
necessario vacabunt, nisi personȩ educatȩ succedant, in quibus
officijs multas opes, honores & glorias Deus posuit, vt sic non solum
spirituales fructus, sed eciam temporalia commoda opulentissima videant
proposita Doctis et eruditis filijs suis. Hȩc confirmentur Exemplis als
der Cantzler, Jonas,
[Seite 510]
Lutherus, Philippus & multi alij.
Quia mundus non potest carere personis eiusmodi. Ideo non deerit eis substancia
& prȩmia, sed personȩ pocius deerunt. Hȩc fortiter
inculcanda prȩceptis, promissionibus, beneficijs, minis, peccatis,
consciencia, Damnis, malis ob oculos propositis, vt supra recitaui.
[fol. 217b] Horrendum, si non
contribuant ciues.
Primum, quod ipsi nihil expendunt in
toto numero censuum, Sed Papa per eorum prȩdecessores & maiores ista
dedit, quȩ sunt in cista communi, ./· opes sub papatu partȩ.
Secundum Quod Papa alit eorum
ministros, Scholas vtrasque & pauperes omniaque officia Ecclesiȩ, Cum
tamen ipsi tenerentur eosdem alere secundum Paulum, Christum & totam
scripturam.
Tercium hactenus oneribus
intollerabilibus sunt liberati, quibus aluerunt {Monachos/Tyrannos
episcopos/Mendicos vagos}Et tot tribuerunt ad {Aedificia/clinodia &
infinita alia./vigilias}
Horrendum igitur esset [fol. 218a]
talem ac tantam ciuitatem prorsus recipere omnia ab Euangelio, quȩ ipsi
tenentur dare, Et tamen nihil velle contribuere. Hoc esset Deum prouocare
horribili ingratitudine, vt Sodomȩ [!] peior esset & plane fidem
abnegaret, Quasi Eungelion doceret aliena gracia & eleemosina frui ac non
pocius propria.
Um Mitte Juli war Luther mit der
Ausarbeitung fertig und schickte das Manuskript nach Wittenberg in die Presse
des Nickel Schirlentz. Zu Luthers Verdruß verzog die Drucklegung. Schon schrieb
er am 15. August unmutig an seine Käte, daß sie “den Sermon (wo er nicht angefangen)
von Schirlenz nehmen und Georgen Rau geben solle”.1 Wenige Tage darauf aber
wurde seine Ungeduld befriedigt, er erhielt einige Exemplare der Predigt aus
Wittenberg zugeschickt. Eines derselben schickte er alsbald am 24. August an
Melanchthon nach Augsburg, wobei er wieder in seiner liebenswürdig-ehrlichen
Selbstironie den Sermon charakterisierte als ‘plane Lutheranum et Lutheri
verbositate nihil autorem suum negans, sed planissime referens’.2 Ein anderes
aber sandte er an demselben Tage an Lazarus Spengler nach Nürnberg, dem er die
Predigt zugeeignet hatte.3 Diese Zueignung hatte Veit Dietrich, Luthers
Vertrauter auf der Veste Koburg, veranlaßt. Dietrich hatte auch schon vorher
dem Stadtschreiber seiner Vaterstadt unter dem Siegel der Verschwiegenheit
mitgeteilt, welche Ehre ihm zugedacht sei. Spenglers Antwortschreiben vom 24.
Juli ist “ein schönes Zeugnis seiner Demut und Einfalt”: “Es ist mir von euch
ain brieflein zukommen, darinn ir mir anzaigt, was ir bey Doctor Martino deß
puchleins halben, so er neulicher tag gefertigt vnd darinn zur lerrnung der
iugendt ermant hat, habt gehanndelt, Nemlich mir dasselb zu dedicirn, wie dann
beschehen sey. Disen euern genaigten willen, vnd das ich bei dem frommen
Christenlichen mann, dem Doctor, dermassen soll geacht werden, mir seine werck
zuzuschreiben, Nym ich ganntz danckbarlich vnd doch solcher gestallt an, das
ich mir derhalben kainen rum zuschreiben soll, Alls ob ich so groß, verstenndig
[Seite 511]
und ansehlich were, mir dises oder
anndere dergleichen werck zu dediciren, Sonnder in solchem gedenck ich allain
dem allen rum vnd lob haimzustellen, dem auch billich alle eere schuldigklich
gepurt, vnd mit dem frommen David zuschreien: Non nobis, Domine! non nobis, sed
nomini tuo da gloriam.”1
Luthers Originalmanuskript (ohne die
Vorrede an Spengler) ist in Cod. Pal. Germ. 40 der Heidelberger
Universitätsbibliothek2 erhalten. Welche Schicksale die in schwarzes Leder mit
Goldpressung gebundene Handschrift gehabt hat, ersieht man aus dem vorn auf dem
Schmutzpapier aufgeklebten Kupferstich, der das bayerische Wappen und darüber
und darunter die Jnschrift zeigt:
Sum de Bibliotheca, quam Heidelberga
capta Spolium fecit, & P. M. GREGORIO XV. trophaeum misit. Maximilianus
Vtriusqz Bauariae Dux &c. S. R. I. Archidapifer et Princeps Elector Anno
Christi MDCXXIII
Wir stellen unsrer Gewohnheit gemäß das
Originalmanuskript und den Schirlentzschen Originaldruck einander gegenüber.
Erwähnt sei noch, daß Johann Jakob
Rambach3, damals Professor primarius der Theologie und erster Superintendent in
Gießen, unsre Lutherschrift “zur Erweckung eines neuen Ernstes im Schulgehen”
mit einer doppelten Anrede an die Eltern und Kinder neu herausgab, s. a. u.
‘Spätere Ausgaben’.
Ausgaben:
A “Eine Pre- || digt, Mart. Lu- || ther,
das man kin- || der zur Schu- || len halten || solle. || Wittemberg. || M D
XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 34 Blätter in Quart, die
drei letzten Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || duch Nickel
Schir- || lentz. ||”
Während des Druckes wurde der Satz in
Bogen A und D gelegentlich gebessert, vgl. z. B. Blatt A 2a Zeile 7 “vnserm
liebern Herrn” neben “vnserm lieben Herrn”, Blatt D 1a Zeile 1 v. u. “zuechtig”
neben “tuechtig”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Arnstadt,
Berlin (Luth. 5831), Danzig, Eisleben A., Erfurt Martinsstift, Hamburg,
Heidelberg, Nürnberg St., Stuttgart, Wittenberg, Wolfenbüttel, Zwickau. — Erl.
Ausg.2 17, 378 Nr. 1 (sehr ungenau).
In dem Neudruck v. Jsrael (s. S. 512)
erscheint (wohl durch Versehen) die Titelrückseite bedruckt und alle
Bezifferungen um eine Seite verschoben.
B “Eine Predigt, || Marti. Luther, ||
das man Kin- || der zur Schu- || len halten || solle. || Wittemberg. || M D
XXX. ||” Mit Titeleinfassung,
[Seite 512]
Titelrückseite leer. 32 Blätter in
Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Nickel
Schir- || lentz. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5832), Breslau U., Dresden, Heidelberg, Stuttgart.
C “Ein predig Mart. Lu- || thers, das
man kinder || zur Schůlen hal- || ten solle. || M· D· XXX· ||”
Titelrückseite bedruckt. 24 Blätter in Quart, die drei letzten Seiten leer.
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Während des Druckes wurde der Satz
gelegentlich gebessert, vgl. z. B. Blatt b 3a Zeile 1 “berst” neben “besserst”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5835), Dresden, Heidelberg, Stuttgart, Wernigerode, Wittenberg, Würzburg
U.; London. — Erl. Ausg.2 17, 378 Nr. 2.
D “Eine Bre- || dig Mar. Luther, || Das
man die Kinder || zůr Schůlen hal- || ten solle. || ❧ || M. D. XXX. || ❧ ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 26 Blätter
in Quart, letzte Seite leer. Am Ende: Ҧ Getruckt nach Christi geburt, || als
man zalt. 1531. ||”, darunter eine Leiste.
Druck von Johann Knoblauch oder Joh.
Preuß in Straßburg.
Vorhanden: Knaakesche Slg.
Ausgabe mit neuer Vorrede vom Jahre
1541:
E “Eine Predigt, || D. Marti. Luther,
|| Das man Kinder || zur Schulen || halten solle. || Wittemberg || M D XLI. ||”
Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, Blatt A 4 und
letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Wittemberg || durch Nickel Schir- ||
letz. ||”
Der letzte Bogen (H) ist während des
Druckes neu gesetzt, so daß er in zwei Varianten vorhanden ist, von denen die
eine vielfach Druckfehler zeigt. Vgl. z. B. Blatt H 1b Zeile 1 “schuelbig”
neben “schuldig”, Blatt H 2b Zeile 2 “schweer” neben “schwere”, Blatt H 3b
Zeile 2 “Zwingen” neben “zwingen”. Exemplare mit dem fehlerhaften Satz
(Beispiel: Berlin Luth. 5839a) sind häufiger als diejenigen mit dem besseren
Satz (Beispiel: Berlin Luth. 5839).
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5839 u. 5839a), Breslau U., Dresden, Heidelberg, Stuttgart,
Wittbrietzen, Zwickau; London. — Erl. Ausg.2 17, 378 Nr. 3 (ungenau).
F “Ein Predig, || D. Marti. Luther, ||
Das man Kinder zur || Schůlen hal- || ten solle. || Wittemberg || M. D.
XLI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 28 Blätter in Quart,
letztes Blatt leer. Am Ende: “Getruckt zů Straßburg bey || Hans Preüssen.
||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5841), Wittenberg. — Erl. Ausg. 217, 378 Nr. 4 (ungenau).
Spätere Ausgaben: Dörpt in Liefflandt,
J. Becker 1633 (hrsg. von J. Weideling); Gießen, E. H. Lammers 1733, und Jena,
J. F. Ritter 1742 (hrsg. von J. J. Rambach); Zschopau, F. A. Raschke 1880 (=
Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften des 16. und 17.
Jahrhunderts, hrsg. von A. Jsrael, Nr. 5; mit Anmerkungen von G. Kießling). —
Abdruck der Vorrede bei Joh. Fr. Coelestinus “Von den Schulen” Straßburg 1568.
[Seite 513]
In den Gesamtausgaben steht unsre
“Predigt”: Wittenberg 6 (1553), 344b –358b; Jena 5 (1557), 168a –184a;
Altenburg 5, 302 –318; Leipzig 22, 208 –225; Walch1 10, 478 –533; Walch2 10,
416 –459; Erlangen1 20, 1 –45; Erlangen2 17, 377 –422. Die Widmung an Spengler
findet man auch Erlangen 54, 183; de Wette 4, 116 –120; s. a. Enders,
Briefwechsel 8, 158.
Der Urdruck A lief in mehr oder weniger
korrigierten Exemplaren um (s. ob. S. 511), das läßt sich auch aus den
Nachdrucken ersehen, die bald Lesarten von AI (unkorrigierte Bogen), bald von
AII (korrigierte Bogen) darbieten. B ist ein verbesserter Neudruck; C wie D
stammen unmittelbar aus A, ersteres ziemlich getreu, letzteres nicht nur reich
an Versehen sondern auch an willkürlichen Änderungen an der Sprachform, wie am
Text. Die neue Ausgabe von 1541 (E) hat B als Vorlage, daran außer der Vorrede
fast nichts geändert, auch die Zeilenteilung völlig beibehalten; F ist getreu
nach E gedruckt.
B (Wittenberg) zeigt fast nur genauere Wiedergabe des
Umlautes.
[i] I. Vokale: 1) o > oe boete,
froelich, verstoeren, verstoerung, Moencherey, koest (Dat. Akk. mehrmals),
toelpel, troester, troesten, hoeher, hoehest, gehoeret, Goettlich, koempt,
koennen, ploetzlich. — u > ue luestig, tuegen, Kuesterei, stueck, unterdruecken,
drueckt, kuendten, bruenne (= Brunnen), Muenche, duerffen, erwuergten,
Fuerstlich, Tuerck, Kuerisser, huelffe (Konj.), schueldig, unnuetz, buecher,
muesse, mueste, gueter, verfuerer, natuerlich, rhuemen; ∞ des nutzes.
2) unbetontes e ist sehr selten
ergänzt: jhre (suos), die rechtschaffene; enhlich > ehnlich.
[ii] II. Konsonanten: reihen >
reigen; Doppelkonsonant vereinfacht in du wilt, weltlich, helm, Scharhansen
(nicht immer), ∞ Capplan.
[iii] III. Verbum: Umlaut in koempt,
huelffe, kuendten, duerffen, tuegen, koennen.
[iv] IV. latin > latein.
C (Nürnberg).
[i] I. Vorkale: 1) Umlaut e > ae
kaeme, aempter, vaeter, aecker; e > a arbeit, arbeiten; — o > oe
loeblich, soelch, moerden, woellen, froelich (auch ∞), goennen,
schloesser, oeberkeit, voegel, stoesse (Verb.) usw. wie B (außer Moncherei,
kost, plotzlich); ∞ oe > o frolich, kloster, gehoret; — u > ue, ü
wie B (außer schuldig, Kusterei, brunne, seltener unnutz), dazu für,
fürsichtig, würde, fürst, verbürge, gebürt (natu), Nürmberg, muegen, guelden,
huelffe (Subst.) geruestet, zukuenfftig, duencken, juengst, suenden,
ausgehuengert, glueck, der ruecken, kuechen, schuetz (und schůtz), Jueden;
beruembt, fueren, Küster, suecht (ue = ů?), versuecht, auffruerisch,
betrübt; ∞ tugent, wunderlich, schůler; — eu > au glauben (nicht
immer).
2) o > u kuerre, suenst, sun,
guennen; u > o forcht, foerchten, ich dorffe, koendte, toechte, frommer; a
> o do; i und ie meist geschieden, aber gemieden, gechlieffen, zihen,
regiren, ligen (mentiri), ei und ai, ů und u
[Seite 514]
oft unterschieden, ue und ü fast ohne
Unterschied gebraucht, auch ue und ů scheinen verwechselt, so ist wohl
saür nur Versehen.
3) h fehlt in ym, yn, yr, yren.
4) unbetontes e fehlt oft: boß, lang,
stend, unfried, leut, am tag, gut Christen, ehr, ein (una), ich bit; die Engel,
groesser (Plur.) Blůthundt (Plur.), im Jnnern: luegner, fuellstein,
mißbrauche, boeßwicht, diente; ∞ die rechte, das lande; theüer, ewer,
sauer, geboren, grewelen.
[ii] II. Konsonanten: d > t, dt
deutsch, teutsch, schentlich, sint, miltiglich, redent, schendtlich,
Blůthundt, heilandt usw. nach n, wirdt, leidt, t > th, dt rath,
ebentheurlich, schadten (umbra), th > t Luterisch, keten; dt > t kuente,
steten; g > k vergencklich, kegen, gnůck, gauckeln; k > g auffwegte;
g > ch schuldich; reihen > reyen.
Doppelkonsonant vereinfacht in wider,
weder, oder, nider, hader, erhelt, Edelman, gemieden, gewalt, alzu, goetlich,
etlich, Got, ich bit, herschafft, Pfarher (< herr), wens, den (nam),
vergiesen; ∞ ymmer (nicht durchaus), zeitten, hierinn.
Zu erwähnen ist, daß in C öfter kleine
Anfangsbuchstaben stehen als in A, merkwürdigerweise oft got, aber Teuffel.
[iii] III. Vor- und Nachsilben:
zurhalten > zu erhalten, ge > g gwislich, ver > vor vorsencken,
vorderben, -lin hie und da > -lein.
[iv] IV. Deklination: seinem
geistlichem > s. geistlichen, Umlaut in den Pluralen vorbuerge, voegel.
Konjugation: Umlaut in er stoesse; in
duerffen, woellen, muegen, kuendte, gekuent, soellen, soelle, kuende >
koendte, goennen > guennen, gewust > gewist, doerffe > dorffe.
[v] V. Wortformen: nun, yetzt, sonder,
nit, druber > darueber, fur > vor (auch mit Akkus.), wen > wan
(einmal); das > des (einmal), yglich > ieglich, yderman > yederman
(nicht immer), wz, dz; latin > latein, zwentzig > zweintzig; lare >
lere, Johannes > Joannes, George > Goerg, Erfford > Erdford, Jeremias
> Hieremias, Frantzosen > Frantzhosen, Gotten > Goeten, Egypten >
Egipten, die lust > der lust, nachbar > nachtbar, pfreunde > pfrunde,
pfruende, harnsch > harnisch; verdamnen > verdammen; gegen den > gegen
dem.
D (Straßburg) ist auch in der Sprachform stark geändert.
[i] I. Vokale: 1) Umlaut e > ae
aempter, vaetter, taeglich, gegaecke, kraeen; a > ae gelaerte, laere,
Maegdstand, Geitzwaenste; e > a arbeit, hanget; e > oe außerwoelt; o >
oe koennen, ploetzlich, doerffer, Schloesser, hoehest; ∞ loblich, kost,
komet; — u > ü, ue thuerste, Fürsten, für (auch = vor), gürten, Türcke,
huelffe, sünden, jüngst, Münch, glük, tügen, unnütz, züchtigen, gerüstet, über,
fueren, muessen, betruebt, uebet, verhueten (< ue), suesse, fuelen, stueln
(< ue), rhuemen usw.; ∞ durffe, stuck, kundte, tugent, schuldig,
Kuster, duncken, wunderlich; eu > au haubtman, einraumen, versaumen.
[Seite 515]
2) i > e fettich; her = haer; o >
u kumme, kumpt, nachkummen, sunst, sun, sůn, künige (doch auch son,
koenig); ∞ forcht; a > o vnderloß, allzumol, do; ∞ wassen neben
woffen; i > ü speuen, würstu; ie ist öfter von i unterschieden fride, gelid:
ziehen, aber auch hirinn, regirt usw.; u und ů unterschieden, auch
zůr, zům; ü und ue meist unterschieden, doch auch ue an unrechter
Stelle.
3) h fehlt in jre, ir, jn, lon, lonen,
mer, ere, geerth, verraten, verreter, versteen, ye, enhlich > ehnlich.
4) unbetontes e fällt weg in end,
pferd, hund, stueck, sünd, koepff, wer, gering; herrn, darffst, versorgt,
hoechst; ehlose, füllstein, boeßwicht; ∞ gantze (Plur.), unsere kinder,
die rechtschaffene, das zehende, oberste, das Künigreiche, ich kunthe
(Zeilenschluß), moechte, solte; heisset, suchet, wesschet, gelernet, du
weissest, bleibest, ich wehere; die Stellung des e ist vertauscht in gerechnet,
handlen.
[ii] II. Konsonanten: d > t, dt
Stette, deutsch, teutsch, gelt, wirt, hantwerck, gelitten, gemitten; werdt,
erdtreich; dt > th kunthe; t > d under, > dt nodt; t > th betthe,
∞ Luterisch; b > p huepsch; g > k vergengklich, vergencklich,
gaucklen; h > ch hoechst, sichst.
Doppelkonsonant vereinfacht in oder,
weder, wider (nicht immer), feder (aber hadder bleibt), helm, solte, weltlich,
herlich, Pfarhe, hern, es geret, hate (Zeilenschluß), treten, seiten, eitel,
thetts, es geret, hate, reisig, vernunst (< ff); ∞ frumme, fromme,
kumme, komme, hymmel, botten, ochssen (auch ochßen).
[iii] III. Vorsilben: ingesetzt, ent
> en enzeuchst, emperen > enperen.
[iv] IV. Deklination: Umlaut fehlt in
kost (Dat. Akk.), tugent (Plur.), -s fehlt in des leidens uns blůtt, der
(quorum) > deren.
Konjugation: meinstu > meinst du,
yhr sehet > sehent (vereinzelt), ebenso sie thun > thůnd; hulffe
> huelffe, koemet > komet; sind > seind, Umlaut in duerffet (seltener
∞), tuegen, muegen > moegen, gehen > gon (einmal).
[v] V. Wortformen: yetzt (dafür auch
yetzundt), nit, dennocht sonder, uff das, hieruff, sonder, sittemal, pfu >
pfue, dazu > darzů, dann (selten), allbereit > allgereit; sollichs
(Zeilenschluß), unternander > undereinander; yetzig; Jhesu > Jesu,
nachbaur, pfrunde (< eu), schwefel > schwebel; feilen > felen, rechen
> rechnen (entsprechend gerechnet), begegen > begegnen, foddern >
fordern (poscere), hengen > hangen.
[vi] VI. Wortwahl: lippen >
lefftzen, kriegen > ueberkummen; Rabe > kraeen, welch ein > was fuer
ein, solch ein > so ein, tuechtig > tueglich (einmal), zu boden stossen
> um̄stossen.
E (Wittenberg 1541). Diese spätere Auflage bleibt B sehr
nahe, sie ist hier mit B verglichen.
[i] I. Vokale: 1) Umlaut: o > oe
goenner, oeberst, Schloesser, loeblich, hoehest, vom toede (Druckf.?),
groessest; ∞ frolich (nicht immer), kompt (ebenso), kost (neben koest); u
> ue fuer, Fuerst (nicht immer), buerger, Buergermeister, Tuercken, guerten,
wuerde, Thuer, Ruecken, zurueck, glueck, duenckel, juengst, suender, suendlich,
kuenfftig, schueldig, huelffe, guelden (Subst.), geruestet,
[Seite 516]
Cuester, darueber, hierueber, Jueden,
rhuemen, fuelen, fueren, gueter, schueler, stuende, stuele (< ue); ∞
rustet, wuster (Adj.), musten, gewust, sturtzen, kurtzweile, stuck, kundte,
unzuchtig, unnutze, lugner; o > u fruemlin, kuendte; ∞ from,
Vermoegen, vermoegen, Moenche; ie > i schir, briffe, Thire, ∞ frieden;
freunde > frunde (einmal); behueten > behueeten (einmal).
2) h fällt weg: jre, jn.
3) unbetontes e ist weggefallen: ich
duerff, gieng er, schweer (< schwere), das gering; Canzler (< Cantzeler);
∞ nuetze (Adj.), kuende, bleibet; harnsch > Harnisch, ebenso
geharnischt.
[ii] II. Konsonanten: d > t, dt
Schwert, Stadt; Vorstedte > Vorstete; b > p Heuptman; K > C Cuester; g
> ch unzeliche. Doppelkonsonant ist vereinfacht in etliche, thetest (oft),
thets, nenet, erhelt (oft), behelt, welt, gewalt, wils, Reisige, bisweilen in oder;
∞ ratten, guetter, mitt, Schweffel. Viele große Anfangsbuchstaben, auch
bei Verben.
[iii] III. Konjugation: koeme >
keme; Umlaut in kuendten, woelten, goennen, ∞ gewuest > gewust,
vermuegen > vermoegen.
[iv] IV. Wortformen: willen > wille,
weltlich > wetlich (kaum Druckfehler, da wetlich auch anderwärts vorkommt,
vgl. z. B. Bd. 302, 115, 17), verdammen, beschedigen > bescheidigen; in
Deudschen landen > in Deutschenlanden.
F (Straßburg) verglichen mit E.
[i] I. Vokale: 1) Umlaut e > ae wie
in D (außer gegecke), dazu Maerterer, daechte, klärlich; e > a arbeit,
Maiestat; a > e, ae Geitzwaenste, lere, weschen; — o > oe bischoeffe,
groesser, trooesten, ∞ kost, vom tode, kloster, gehort; u > ü, ue für,
fürhanden, Türcken, stürtzen, Nürmberg, dürstig, sünden, jüngst, luegner, rüsten,
fueren, betruebt; ∞ duncken (oft), der dunckel, dem brunne, stuck (aber
zůrück bleibt), wuster (Adj., so auch E an anderer Stelle), Kuster,
Kusterey, kurtzlich (öfter), in kurtz, burger, wurde, schuldig, drucken, Juden,
tugent (Pl.), wůlen, schůler; eu > au glaubt, Hauptman, gehaufft;
beumlin > bäumlin.
2) o > sůn, umbsunst, genummen,
frumme, kummen, ∞ forcht; ü > i auffririsch; frunde > freunde; ie
und i, ů und u sind ziemlich genau geschieden, weniger ue und ü.
3) h ist weggelassen in jre, jm, jnen,
weret, vorrede, oren, verreter, mer, Pfarren, Ere, ee, ye, gee; ∞ gehn (=
gegen).
4) unbetontes e ist selten
weggeblieben: thier, ein (una), Georg; geht, steht, verkerte, luegner, ordnung,
jeglichs, mißbrauchen; ∞ opfferen, schreien, Ewre, Herren.
[ii] II. Konsonanten: d > t, dt
wirt, teutsch, stat, schentlich, gekunt, verblente (Partiz.), gelte,
undertrucken, Stetten, gelidten, litten, niemandt, gesandt usw.; t > d
under; t > th reichthumb, theyl, Rath; g > k junckfraw, gauckeln; C >
K Kuster; g > ch er schlecht.
Doppelkonsonant ist vereinfacht in
oder, weder, wider, hader (nicht immer), Edelman, erhelt, Betler, Pfarher (<
Pfarr-), goetlich, seiten,
[Seite 517]
herlich, vileicht, es gereet, ∞
kommen, nachkommen, kummen, fromme, frumme, himmel, genommen, nimmer, nemmen,
vatter, anbetten, mann (vir), zu hoffe.
F zeigt viel weniger große Anfangsbuchstaben als E.
[iii] III. Nachsilben: -lickeit >
-lichkeit.
[iv] IV. Deklination: Umlaut im Plur.
geitzwaenst, ∞ tugent.
Konjugation: Umlaut fehlt: der laßt,
lasset, du lassest; er kom̄et, wurde, gehort; schlegt > schlecht; Umlaut in
woellen, woelle, kuente, muegen > moegen.
[v] V. Wortformen: yetzt, nun, dann,
sonder; Jhesus > Jesus, nachbaur, lare > lere, Pfarrhen > Pfarren;
jeglich, undereinander; zuletzt > zuletst, jtzig > jetzig, plaetzlich,
lateinisch öfter als in B; foddern > fordern (poscere), verdammen.
[vi] VI. jm vergenglichem >
vergenglichen.
[Bl. A ij]
[Seite 517] [Vorbemerkungen]
Gnad und fride inn Christo unserm
lieben Herrn und trewen Heilande, Amen.
Erbar, fursichtiger lieber herr und
freund, Jch hab einen sermon gefasset an
die Prediger, so hin und widder sind, das
sie die leute vermanen, jhre kinder zur schulen zu halten, Und ist mir unter henden gewachsen und schier ein
buch worden, wie wol ich mit gewallt hab
mussen mich auffhalten, das nicht allzu gros wurde, so reich und vol ist solch Thema, Und wolt ja gern, das er
viel nutz schaffet. Hab den selbigen
auch unter ewrem namen lassen aus gehen, keiner ander meinung, denn das er moecht damit deste mehr ansehens
haben, und wo ers werd, auch bey euch
unter ewern burgern gelesen wuerde, Denn ob ich wol achten kan, das ewre Prediger hierin vleissig gnug sein
werden und die sachen (als von Gott
hochbegnadete leute) so kennen und fordern, das sie weder meins vermanens noch berichts (Gott lob) duerffen, So
schadets doch nicht, das viel mit
einander stimmen und dem teuffel deste stercker begegen.
[ 517, 1 –520, 18 fehlt EF, dafür die
unten S. 520, 19 –521, 40 abgedruckte neue Vorrede 4 Gnad —Christo gesperrt
A Christo Jesu D lieben AII] liebern AI 10 allzu]
zů D würde C ]
[Seite 518]
Denn es kan freilich nicht wol feilen,
das jnn einer solchen grossen Stad,
unter solchem grossem hauffen burger, der teuffel auch seine kunst nicht solt versuchen und ettliche anfechten, das
sie das wort Gottes und die schulen
verachten, Und sonderlich, weil da ursachen viel sind (nemlich der
kauffhandel), die kinder von der schulen
zum dienst des Mammon zu keren, Und on
zweivel seine gedancken da hin richtet: Wenn er zu Nurmberg das wort und die Schule veracht hette gemacht, so were jhm
seines anschlags nicht ein geringes
stueck gelungen, Weil er damit ein exempel hette gestifft, das jnn gantzem Deudschen lande ein gewaltig ansehen und fur
war allen schulen jnn andern stedten
einen harten stos thun wuerde. Denn Nurmberg leucht warlich jnn gantz Deudsches land wie eine sonne unter mon
und sternen, und gar krefftiglich andere
Stedte bewegt, was da selbst jm schwang gehet.
Aber Gott sey gelobt und gedanckt, der
des teuffels gedancken lange verkomen
hat Und einem Erbarn fursichtigen Rat eingegeben, eine solche
feine, herrliche Schule zu stifften und
anzurichten, mit grosser kost und darlegung1,
die aller feinesten leute dazu erwelet und verordent2, das freilich (Jch
wil nicht zu hoch rhumen) vorhin keine
hohe schule, wens gleich Paris were, so
wol mit legenten versorget gewesen ist, wie mir das zeugen mussen, so
mit mir auffgezogen sind jnn hohen
schulen. Denn ich weis und hab jhre kunst
auch gelernt und kan sie auch noch leider allzu wol, Das mag doch ja
ein herrlich fein Catorthoma3 sein und eine tugent solcher berumbten Stad
und weit beruffen weisen Rat [Bl. A iij]
enhlich und ehrlich, dar jnn sie ja Christlich
und reichlich jhr unterthan bedacht und mit allen trewen zu jhrem heil
ewiglich und auch zu nutz und ehren
zeitlich gefordert haben, Welch werck Gott auch
gewislich mit reichem segen und gnaden stercken wird, jhe lenger jhe
mehr, ob sich gleich der teuffel eine
zeitlang da widder sperren mus, denn er kan ja
nicht lustig dazu sein, das unserm Herrn ein solch fein tabernakel
gebawet ist [Mark. 9, 5] jnn dieser
sonnen. Er mus wolcken, nebel und staub zu samen treiben und allenthalben weren, das solcher glantz ja
nicht weit leuchte odder doch ja tunckel
werde, Wie solt er anders thun?
Dem nach hoffe ich auch, das die
burgerschafft werden solcher jhrer herrn
trew und liebe erkennen und mit anhalten jhrer kinder zur schulen solch
werck helffen redlich stercken, Weil sie
sehen, das on jhr kost fur jhr kinder so reichlich und vleissig gesorgt und alles bestellet ist,
Sonderlich so es die prediger weidlich
[ 21 und (2.)] vn̄ einē C 22
im Kustos ehnlich A]
[Seite 519]
treiben. Denn wo es die selben nicht
treiben, da wird der gemeine man mit
gedancken vom Satan angefochten und uberteubet, das er leichtlich da von fellet und fur andern geschefften ja nicht so
kan der sachen nach dencken, was dran
lige, wie gros nutz odder schaden hie sey, als ein prediger thun kan, darumb mus man auch gedult mit jhnen haben,
wo sie nicht verstockt, boese sind. Denn
ich kenne Nurmberg so fern wol, das Gott lob viel feiner, Christlicher burger hat, die von hertzen gern thun, was
sie thun sollen, wo sie es allein wissen
odder jhn gesagt wird, Welchen rhum sie nicht allein bey mir, sondern auch allenthalben haben.
Jst nichts mangels hie zu fuerchten,
Denn das etwa ein Goetzer1 odder goetzen
knecht (Jch meine den Mammon), der seinen son von der schul zeucht und furgibt: “Wenn mein son rechen und lesen
kan, so kan er gnug, Man hat nu deutsche
bucher &c..”, da mit ein bose exempel gebe den andern frumen burgern, dem sie denn unversehens jhres
schadens folgen, guter meinung, als sey
es gar wol gethan und muesse also sein, Welchem mangel die prediger wol raten koennen. Denn es mus eine gemeine und
sonderlich eine solche stad mehr
menschen denn kauffleute haben, Auch andere leute, die mehr koennen denn rechen und deudsche bucher lesen,
Deudsche bucher sind furnemlich dem
gemeinen man gemacht, jm hause zu lesen. Aber zu predigen, regiern und richten, beide jm geistlichem und weltlichem
stande, sind wol alle kuenst2 und sprachen
jnn der welt zu wenig, schweige denn die deudsche allein, sonderlich jtzt zu unser zeit, da man mit mehr und
andern leuten zu reden hat denn mit
nachbar Hans. Aber solche Goetzer dencken an das regiern nicht, Mercken auch nicht, das, wo predigen und regiern
nicht were, das sie jhrem Gotzen auch
nicht eine stunde dienen moechten.
Wol wil ich gleuben, das unter so
vielen leuten ein Goetzer odder etliche
seien, die nichts darnach fragten, ob die lobliche stad Nurmberg ehre
odder schande uberkeme, wenn sie allein
jhren pfennig hetten, Aber da muest man
widderumb nach solch- [Bl. A 4]em schedlichen Goetzer auch nicht fragen
und jhn faren lassen mit seinem boesen
exempel Und da gegen dencken: So hoher rhum
es ist solcher stad, das ein Erbar Rat so trewlich und redlich thut mit
der schulen, so grosse schande were es
widderumb, das die Burger solten solche
trew und wolthat jhrer herrn verachten Und sich da mit teilhafftig
machen des boesen exempels und ergernis,
so allen andern Stedten da mit gegeben were,
die darnach sagen thursten: “Ja, so thut man zu Nurmberg, da auch leute
sind, Warumb solten wirs denn besser
machen?”
Wiltu, Goetzer, nicht bedencken, was
Goettlich und ehrlich ist, und allein
auff deinen Goetzen trachten, So wird Gott dennoch leute finden, die
es bedencken, Denn ich hab, Gott lob,
etliche viel stedte erfaren, da der Rat
[Seite 520]
nicht wol am wort und schulen gewest, Aber so
viel frumer burger funden sind, die mit
teglichem anhalten dennoch den Rat ubermoecht haben, Schulen und pfarhen anzurichten. So wird, ob Gott
wil, zu Nurmberg umb deinen willen die
schande auch nicht aus gehen, das die burger solten deinem exempel nach die schulen verachten, welche mit
solcher grosser trew und kost ein Erbar
Rat stifft und hellt, So es jnn viel geringern stedten die burger gleich
mit verachtung des Rats dennoch zu wegen
bringen.
Aber wo kome ich hin mit meinem
geschwetz, lieber herr und freund? Jch
meine, es sey die art dieser sachen, das man viel da von wasschen musse, Aber ich wil hie mit unter ewrem namen mit
allen ewr Stad burgern also geschwetzt
haben, bitte freundlich, mir das zu gut halten Und, wie jhr on das bis her und noch gethan, solche sache helffen
heben und treiben, Denn ich meine es ja
gut, das weis Gott. Christus unser HERR stercke und halt euch bis auff jhenen tag, da wir uns, ob Gott wil,
frolichen sehen werden jnn einer andern
gestalt, Denn der euch so viel gegeben hat, an seinem werck und wort zu thun, wie bis her geschehen, der wird auch
fort faren und das alles vollenden, Dem
sey lob und danck jnn ewigkeit. AMEN.
Ewr williger Marti. Luther.
[Bl. A ij] [Matth. 19, 14] Unser lieber
Herre Jhesus spricht Matth. 18: ‘Lasst die Kindlin zu mir komen und wehret In nicht, Denn solcher
ist das Himelreich etc.’
Das were wol gnug gepredigt zur
vorrhede auff ein Buechlin von der
Schule, wenn augen oder ohren da weren, die sehen und hoeren kuenden
oder wolten. Denn hie hoeren wir ja deudlich,
das die Kinder, so man zu Christo bringt
oder komen lesst, seien Kinder und Erben im Himelreich, das ist Richter und Herren uber die welt und jren Gott, den
Teuffel und alle jre macht. Wie selig
solt sich nu ein armer mensch duencken lassen, wenn er wirdig fur Gott moechte erfunden werden, das er einem
Kinde moechte forderlich sein und
helffen zu Christo zu komen, Da mueste er ja wissen, wie ein trefflich,
koestlich, Christlich gut werck er daran
thete.
Nu ists ja gewis: wo man Kinder zur
schulen hilfft, zeucht, hellt, auch dazu
gelt und rat gibt, auff das solchs geschehe, Das heisst ja gewislich die kinder zu Christo gebracht und gefordert. Jch
rede ja itzt nicht von Bubenschulen noch
von unzuuechtigen heusern, Sondern von den schulen, da man kinder auffzeucht in kuensten, zuechten und rechten
Gottes dienst, da sie lernen Gott und
sein wort erkennen und hernach Leute werden, tuechtig zu regiern Kirchen, Land und Leute, Heuser, Kind und Gesinde.
Denn man ja kinder nicht in die Schule
thut, das sie sollen unzuechtig, leichtfertig, lose, unnuetze ding lernen, Sondern Erbarliche, Ernste, Nuetzliche,
Zuechtige, Christliche ubung anfahen,
[ 9 wasschen] reden D 520, 19 –521, 40 nur in EF]
[Seite 521]
welchs man neben andern auch daran mercken
moecht (wenn man nicht wueste, das an jm
selbs so sey), das der Teuffel und die Welt solch werck so hoch veracht, anficht, sich sperret und hindert,
wo er kan, das man greiffen mus, Es sey
ein Goettlich werck, dem der Teuffel und Welt so hefftig feind und wider ist, dazu die Jugent noch im fleisch
verteufft, selbs gar ungeneigt ist zu
studirn und leichtlich davon sich reitzen lesst. Es geschicht auch, das
etliche ubel geraten und hernach schaden
thun. Aber das sol darumb niemand von den
Schulen abschrecken: Gottes Creatur allesampt sind dem Misbrauch
unterworfen, [Röm. 8, 20] wie S. Paulus
sagt Rom. 8. Umb des Misbrauchs willen mus man Gottes gu[Bl. A iij]te Creatur nicht verachten.
Sonst mueste man alle Engel verachten,
darumb das aus Engeln die Teuffel komen sind, Auch mueste man alle
Koenige, Fuersten, Herrn und Oberkeit
verachten, Darumb das Tyrannen, Moerder,
Mordbrenner und die ergesten schelck draus komen sind, Und kein
Apostel muste ehren werd sein, weil
Judas der Verrehter aus jnen komen ist, kein
Jungfraw noch frome Fraw mueste in ehren sein, weil alle Huren aus
Jungfrawen herkomen und alle Buben aus
fromen Leuten. Es bleibt doch zu letzt
und behelt den platz Gottes gute Creatur, und mus der Misbrauch zuschanden werden und untergehen.
Es ist bis daher von Schulen und Kinder
zucht viel geschrieben, das es auch
schier zu viel ist, Aber des thuns ist wenig erfolget und bey wenigen zu hertzen genomen. Die aber sichs angenomen und
dazu gethan haben oder noch thun werden,
Denen wirds Gott reichlich gnug vergelten. Den andern wird jr lohn auch komen sampt den Papisten, die
sich lassen duencken, sie thun Gott
einen dienst dran, das sie Kirchen und Schulen verwuesten, beide Jung
und Alt lassen verterben on Gottes Wort,
Zucht und Huelffe. In des wollen sie den
Tuercken fressen und die Ketzer tilgen, so sie selbs vom Teuffel lengst gefressen und vertilget sind, On das sie
damit dem Tuercken und den Ketzern gnad
und huelffe, raum und stercke verdienen fur Gott, das Gott mus den Tuercken from, die Ketzer heilig und den
Teuffel recht achten gegen sie, und were
nicht wunder, das uns umb solcher verzweivelt boeser Leute willen viel erger gienge weder uns Tuercken und Teuffel
thun kuendten.
Aber uns Christen lasst dencken und
thun, als weren wir Lot in Sodoma und
Daniel zu Babylon, das wir doch helffen, wo wir jmer koennen, die wir wissen, das wir nicht umbsonst erbeiten,
Sondern einem trewen, reichen, lieben
HERRN und Gott dienen, es sey mit thun oder leiden, Der unser nicht
vergessen wil, Sondern an uns grossen
gefallen hat, auch zur rechten zeit unsers
hertzen lust und freude an dem Teuffel und seinem hauffen wird sehen
lassen, wenn er komen wird (das Gott
wolt bald) zu richten die Lebendigen und
Todten.
Dem sey lob und ehre in ewigkeit. AMEN.
[ 10 Cretur E (im Kustoden richtig)]
[Seite 522a]
Hs] [Bl. 1a]
[Seite 522a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 522b
[Bl. 2a] Allen mein̂en lieben
herrn̂ vnd freun̂den,
Pfarherrû vn̂d predigern, die Christum mit
trewen meinen
Martin̂us LutheR
Gnad vnd friede ynn Christo Jhesu
vnserm̄ herrn̄ Mein aller liebsten
herrn vnd freunde, yhr sehet fur augen, wie der leidig Satan itzt vns zu allen seitten, beide mit gewallt vnd
list, manichfeltiglich angreifft vnd
alle Plage an legt, auff das er das heilige Euangelion vnd reich Gottes verstöre, odder, wo ers nicht
verstoren kan, doch ynn alle wege
hindere, vnd wehre, das ia nicht fort gehe, odder vber hand kriege,
Vnter welchen seinen tucken dis fast der
grossesten (ists nicht gar das grossest) einer
ist, da er den gemeinen man also beteubet vnd betreuget, das sie yhre
kinder nicht zur schulen hallten noch
zur lere zihen wollen, gibt yhn diese schedliche gedancken ein, weil nicht hoffnūg da
ist, der Moncherey, Nonnerey, Pfafferey,
[ 1 Komma nach Luther ro 2 unter dem
ersten Buchstaben von Schulen roter Strich 3 freun̂den 〈ynn Christo〉 10 Gottes reich um doch steht über 〈dennoch〉 11 ia o 12 einer c aus eines
13 da c aus das 14 zur (2) 〈le〉 wollen, 〈gib〉]
[Seite 523a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 523b
wie bisher gewesen, so durffe man [Bl. 2b]
keiner gelerten, noch viel studiern̂s
mehr, Sondern musse trachten, wie man narung vnd reichtumb vberkome.
Das mag mir doch ia ein recht meister
stuck sein der teufflisschen kunst,,
weil er sihet, das ers bey vnsern zeiten nicht machen noch schaffen kan,
wie er gern wollte, So denckt er dennoch
bey vnsern nachkomen sein̂en willen zuhaben, als die er itzt also fur|[Bl. Bb]vnsern augen
zü rustet, das sie nichts lernen noch
wissen sollen, vnd also wenn wir n̂u tod sind, ein n̂acket, blos, wehrlos volck für sich habe, mit den ers machen müge,
wie er will Denn wo die schrifft vnd
künst vntergehet, Was wil da bleiben ynn deudschen landen, denn ein wuster wilder hauffen Tattern odder
Turcken ia villeicht ein sewstall vnd
eine rotte von eitel wilden thieren? Solchs lesst er sie aber itzt nicht
sehen vnd blendet sie meisterlich, auff
das, wenn es dahin keme vnd sie durch
erfarung solchs sehen musten, er denn aller klage vnd heulen mochte ynn
die faust lachen als die nu nicht mehr
kundten [Bl. 3a] ob sie gern̂ wolten̂ der sachen̂ raten̂ noch helffen̂,
vnd sagen̂ musten̂, Es ist zu lan̂ge geharret vnd denn gern wolten hundert gulden geben für
einen halben gelerten, da sie itzt nicht
zehen gegeben hetten fur zween gantz gelerten
[ 1 wie —gewesen u 6 zü steht über 〈so zu〉 7 wehrlos 〈k〉 11 Solchs c aus V itzt trug Luther erst am Ende der Zeile
am rechten Rande nach, strich es, setzte es dann aber wieder am linken Rande
vor die nächste Zeile 13 Nach musten schrieb Luther zuerst: denn zu lange geharret
were, vnd aller klage er moc, korrigierte dann als wenn̂s für denn, strich
aber schließlich dies alles. 15 noch steht über 〈vnd〉 16 wolten 〈zehe〉]
[Seite 524a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 524b
¶ Vnd geschehe yhn auch kaum recht Weil
sie itzt nicht wollen neeren noch halten
frume ehrliche zuchtige, schulmeister vnd lerer von Gott dar geboten die yhre kinder, zu Gotts furcht zucht
kunst lere vnd ehre zihen, mit
grosser erbeit, vleis vnd mühe, dazu mit geringer kost vnd gelt, So
sollen sie dafur kriegen Locaten vnd
Bachanten grobe esel vnd tolpel, wie sie vorhin̂ gehabt haben, die yhre kinder mit grosser
kost, vnd gellt den noch nichts anders
leren, denn eitel esel sein, Vnd dafur yhre weiber, tochter, megde zu
schanden machen, vnd dazu herrn vber yhr
haus vnd gueter seien, wie bis her geschehen
ist, Solchs sol der lohn sein, yhrer grossen schendlichen
vndanckbarkeit, darein sie der teuffel
so listiglich furet
Weil wir nu sollen widder solche vnd
andere bose tücke als die seel sorger
wachen aus pflicht vnsers ampts, mussen wir warlich hie [Bl. 3b] nicht schlaffen, an welchem so grosse macht ligt,
Sondern anregen, vermanen, reitzen̂, hetzen, mit
aller macht, vleis vn̂d sorge, das sich der gemeine man nicht so
iemerlich lasse betriegen vnd verfuren vom teuffel, Darumb sehe, ein
iglicher
[ 1 wollen 〈leiden〉 neeren rh 2 halten steht über 〈zihen〉 ehrliche rh 2/3 von —geboten rh 3 kunst
rh Da das vor kunst am Rande
wiederholte Fehlzeichen im Text sowohl hinter furcht als auch hinter zucht
steht, ist nicht ganz klar, wo Luther kunst eingefügt haben wollte. 6 anders o
7 eitel o yhre weiber c aus bey
yhren weibern 11 tücke 〈al〉 12 mussen steht unter 〈Sollen〉 hie 〈rinn auch〉 13 an steht über 〈ynn〉 so 〈so〉 15 verfuren 〈vom〉]
[Seite 525a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 525b
auff sich vnd neme sein̂s ampts war, das
er hie nicht schlaffe vnd den teufel
lasse Gott vnd herrn sein Denn wo wir hie schweigen vnd schlaffen, das
die iugent so verseümet vnd vnser nachkomen
Tattern odder wilde thier werden, So
wird es vnsers schweigens vnd schnarckens schuld sein, vnd werden mussen schwere rechenschafft dafur geben
Wie wol ich aber weis, das ewr viel, on
mein vermanen, vnd auch sonst besser
solchs treiben, denn ichs geben kan̂, Dazu ich auch zuuor an die
Ratherrn ynn Stedten ein sonderlich
buchlin dauon hab auslassen gehen, Doch ob
irgent ettliche solchs vergessen, odder meinem exempel nach, vleissiger
wolten anhalten, hab ich diese meine
predigt, die ich mehr denn ein mal bey den
vnsern gethan, euch zu komen lassen, damit yhr spuret, das ich [Bl. 4a]
ia auch trewlich mit euch hierinn
erbeite, Vnd wir also allenthalben das vnser
thun vnd fur gott vnsers ampts halben entschuldigt seien. Es ligt
warlich itzt an vns, weil wir sehen, das
aüch | [Bl. Bija] die, so man die geistlichen heisst, sich also zür sachen stellen, als wolten sie
alle schulen, zucht vnd lere lassen zu
grunde gehen odder auch selbs helffen nidderstürtzen, weil sie yhren
mutwillen
[ 2 Gott vnd herrn sein steht über 〈meister sein〉 3 Nach nachkomen fuhr Luther
erst fort: verderbt werden, so vnwissend vnd, korrigierte dann: wilde thier
odder, strich aber schließlich dies alles. 9 ettliche 〈meins d .. vleisses〉 odder 〈nicht〉 13 seien 〈denn was des Bapsts〉 15 zür sachen rh]
[Seite 526a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 526b
nicht sollen frey, wie bisher erhallten,
welchs auch der teuffel durch sie treibt
Gott helff vn̂s, Amen
Ein Sermon odder p̄digt
das man solle kinder zur schulen
hallten
Lieben freünde, Weil ich sehe, das sich
der gemein man, frembd stellet gegen die
schulen zu erhalten, vnd yhre kin̂der, gantz vnd gar, von der lere zihen, vnd allein auff die narunge vnd bauchs
sorge sich geben, Vnd daneben nicht
wollen odder mugen bedencken welch ein grewlich vnchristlich din̂g
sie damit für nemen̂, vnd wie grossen mordlichen
schaden, dem teuffel zu dienst, sie ynn
aller wellt thün, hab ich mir furgenomen [Bl. 4b] diese vermanung an euch zu thun, ob villeicht noch ettliche
leute weren, die noch ein wenig
gleubten, das ein Gott ym himel vnd eine helle fur die vngleubigen
bereit sey (Denn es stellet sich schier
alle wellt, als were widder Gott ym himel
noch teuffel ynn der helle.) vnd sich an diese vermanūg kereten,
Vnd wil also erzelen was nutzes vnd
schadens ynn diesem stuck sey
Erstlich wollen wir den geistlichen
odder ewigen nütz vnd schaden für vns
nemen, darnach den zeitlichen odder welltlichen Jch hoffe ia das die
[ 3 p̄digt 〈Odd〉 5 der c aus ... 7 sich 〈richten〉 10 diese c aus dieser 12 himel
〈sey〉 13 ym himel rh 14 Luther schrieb erst: ynn der helle,
korrigierte dann: zur hellen verdampt und stellte schließlich den alten Text
wieder her. 16 odder ewigen rh]
[Seite 527a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 527b
gleubigen vnd was Christen heissen wil, fast
wol wissen, das der geistliche
stan̂d sey von Gott eingesetzt vnd gestifftet nicht mit gold noch
silber, sondern mit dem theüren blüte
vnd bittern tode seines ein̂igen sons vnsers herrn̄ Jhesu Christi Denn aus | [Bl. B iija] seinen
wunden fliessen, warlich (wie man vor
zeiten auch auff die briefe malete.) die Sacrament vnd hatts warlich theur erarn̂t das man ynn der gantzen wellt
solch ampt hat, zu predigen teüffen
lösen bin̂den, sacrament reichen, trosten warnen vermanen, mit Gottes wort vnd was mehr zum ampt der seelsorgen gehoret
Denn auch solch ampt, nicht allein hie
das zeitlich leben vnd alle welltliche stende foddert vnd halten hilfft, Son [Bl. 5a] dern das ewige leben
gibt vnd vom tode vnd sunden erloset,
welchs denn sein eigentlich furnemlich werck ist, Vnd zwar die wellt allzumal stehet vnd bleibt, allein vmb dieses
standes willen, sonst were sie lange zu
boden gangen
[ 5 Sacrament 〈der〉 vnd 〈ist〉 6 gantzen rh 9 vnd —stende rh]
[Seite 528a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 528b
Jch meine aber nicht den itzigen
geistlichen stand ynn klostern vnd
stifften mit seinem ehelosen wesen, Denn der selbige ist lengest von
seiner ersten loblichen stifftung
gefallen vnd nu nicht mehr denn ein stand zum geld vnd zinsen gestifftet, durch menschliche
weisheit, hat auch nichts geistlichs an
sich, on das sie nicht ehlich sind, des sie auch nicht bedurffen haben
wol ein anders dafur Sonst ists alles
eitel eusserlich, zeitlich, vergenglich geprenge Denn sie achten des worts vnd predigampt
nichts, wo aber das wort nicht gehet. da
mus schlechte geistlichkeit sein̂ Sondern den stand meine ich der das predig ampt vnd dienst des worts vnd der
sacrament hat, welchs gibt den geist,
vnd alle seligkeit, die man mit keinem gesenge noch geprenge erlangen kan, als da ist, das pfarr ampt, Lerer
prediger leser priester (die man Capplan
n̂en̂n̂et) küster, Schülmeister, Vnd was zü solchen
emptern̂ vnd
personen mehr gehoret Welchen stand, die
schrifft warlich hoch rhumet vnd lobet (S. Paulus nennet sie Gottes haus halter vnd knechte
Bisschoue doctores propheten dazu auch
Gottes boten zu versün̂en die wellt mit Gott 2. Cor. 6. Joel nennet sie, die Heilande, Da [Bl. 5b] uid nennet sie
konige vnd fürsten p̄s 67. Haggeus nennet sie Engele Vnd
Malachias 2 spricht, Die lippen des priesters behalten
[ 1 itzigen o stand 〈der〉 2 ist 〈mit〉 2/3 lengest —zum rh 5 sind 〈Diesen〉 6 Sonst ists c aus Das ander
ist 7/8 Denn —sein̂ rh 8 stand o 9 worts 〈fur〉 vnd der
sacrament rh 11 Lerer rh leser rh
14 sie o knechte 〈S. Petrus dazü aüch〉 14/15 Bisschoue —auch rh 15 boten 〈zur versünung [?]〉 17/529,1 Vnd —Zebaoth rh]
[Seite 529a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 529b
Dar ümb haben die allten solchen stan̂d seer gemidden vnd
gescheucht anzünemen vmb seiner grossen
wirde vn̂d hoehe willen, das mā sie hat dazu müssen zwingen vnd treiben, wiewol hernach
vnd bis her viel gewesen sind, die
solchen stand haben gepreiset vmb des messhaltens willen mehr denn vmbs predigens willen welcher preis vnd rhum bis
an̂her
gewachsen ist, so hoch, das sie das
priesterlich ampt vnd stand (messe zu opfern) vber Maria vnd Engel gesetzt haben, weil die Engel vnd Maria nicht
sollen mess halten konnen, das doch ein
priester kon̂n̂e, Vnd ist ein herrlich din̂g gewest vmb einen
newen priester vnd erste messe, Vnd
selig war die frawe die einen priester getragen
hatte, So doch das wort vnd predig ampt das aller hohest vnd furnemest
ist,, das man nicht so hoch geacht hat
Vnd | [Bl. B 4] ynn Summa, Ein priester hat
geheissen, der messe halten kon̂n̂e, ob er gleich nicht ein
wort hat wissen zu predigen vnd ein
vngelerter esel gewest ist, Das ist fast der itzige geistliche stand noch heutigs tages
[ 6 hernach —her rh viel 〈auch〉 8 willen 〈haben solch r bis do〉 so 〈gr〉 9 (messe zu opfern) rh 10 vnd
Maria rh nicht 〈ko〉 12 war o 17 noch heutigs tages
r ]
das gesetz, Denn er ist ein engel des
HERRN Zebaoth wie sie Christus selbs
nennet nicht allein Matth xi, da er den teuffer Johannem ein̂en en̂gel nennet, Sondern auch dürchs gantze buch der
offenbarung Johannis
[Seite 530a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 530b
[Bl. 6a] Jst nü das gewis vnd war, das
Gott den geistlichen stand selbst hat
ein̂gesetzt
vnd gestifft mit sein̂em eigen blut vnd todte, Jst gut zu rechen,
das er den selbigen wil hoch geehret haben, vnd nicht leiden, das er
solle vntergehen odder auffhoren,
Sondern erhalten haben bis an̂ iungsten tag. Denn es müs ia das Euangelion vnd die
Christenheit bleiben bis an iüngsten
tag, wie Christus spricht Matth vlt. Sihe, ich bin bey euch bis an der
wellt ende Durch wen, sol er aber erhalten werden?
ochsen vnd pferde, hunde vnd sew werdens
nicht thun, Holtz vnd steine auch nicht? Es werden wir menschen thun mussen, Denn es ist ia solch
ampt nicht ochsen noch pferden befolhen,
Sondern vns menschen, Wo sol man aber menschen dazu nemen, on bey denen die kinder haben? Wenn du nicht
wilt dein kind dazu zihen, ihener auch
nicht, vnd so fort an, kein̂ Vater noch mütter, sein kind vnserm Gott hiezu geben, Wo wil denn das geistlich
ampt vnd stund bleiben? Die alten so
itzt drinnen sind, werden nicht ewig leben, sondern sterben teglich dahin̂, Vnd sin̂d kein ander da an
yhre stad, Was wird Gott zu letzt dazu
sagen? Meinstu, er werde des ein gefallen [Bl. 6b] haben, das wir
sein gottlich gestifft ampt zu seinem
lobe vnd ehren, Vnd zu vnserm heil, so theur
erworben, so schendlich verachten, vnd mit solchem vndanck lassen fallen
vnd vntergehen?
[ 3 wil 〈erhalten vnd rh〉 4 Sondern —haben rh 7 werden? 〈küe〉
ochsen r 12 kind 〈hie h〉 13 vnd stand rh 14 drińnen rh nicht 〈l〉 15 sin̂d steht über 〈ist〉 an 〈sei〉]
[Seite 531a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 531b
| [Bl. Ca] Er hat die kinder geben, vnd
narüng dazu, nicht darumb, das dü allein
deine lust an yhnen sollt haben odder zur wellt pracht zihen, Es ist dir ernstlich gepotten, das dü sie solt zihen zü
Gottes dienst, odder solt mit kind vnd
allem rein ausgewortzelt werden, das alles verdampt sey, was du an sie
legest, wie das erste gebot sagt. Jch
suche heim der Veter missethat an den kindern̂, bis yn̂s dritte vnd vierde gelied denen,
die mich hassen̂, Wo wiltu sie aber
zu Gottes dienst zihen, wenn das predigampt vnd geistlicher stand ligt
vnd gefallen ist? Vnd deińe schüld
ist, der du wol hettest jonnen dazu thun vnd
helffen erhalten wo du dein kin̂d hettest lassen lernen, Denn wo du es
thun kanst, vnd dein kind dazu tuchtig
ist odder lust hat, Vnd du thust es nicht sondern hinderst es, horestu es wol? So bistu
schuldig an dem schaden, das der geistliche
stand fellet, vnd wedder Gott noch Gottes wort ynn der wellt
bleibt, Denn so viel an dir ist lessestu
yhn fallen, vnd weil du ein kind nicht [Bl. 7a]
wilt dazugeben, so thettestu eben auch mit allen, wenn du die wellt vol
kinder hettest, das deinet halben Gottes
dienst schlecht zü gründe gehet
Vnd hilfft dicht n̂icht, das du
sagen woltest, mein nachbar hellt sein̂en
son zur schule, ich darffs nicht &c̄. Denn dein nachbar kan
aüch so sagen, Vnd
[ 1 die steht über 〈d..〉 allein rh 8 ist? 〈D〉 11 der 〈gantze〉 12 vnd c aus Vnd 14 mit allen
o du die steht über 〈alle〉]
[Seite 532a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 532b
so fort an alle nachbarn Wo krieget Gott die
weil leüte zu seinem geistlichem ampt?
Du hast die person vnd kanst sie geben, Aber du willts nicht thun, Dein nachbar auch nicht, Also gehets denn zu
boden̂, So
viel an euch ist, Weil du denn lessest
dei | [Bl. Cb]nem Gott sein stifft vnd eingesetzt ampt, so hoch vnd theur erarnt, verwüsten, vnd mit solcher
grewlicher vn̂danckbarkeit vntergehen, so soltu
auch widderumb verflucht sein, vnd beide an deinen kindern vnd an dir selbs, eitel schande vnd iamer erleben,
odder doch sonst also geplagt werden,
das du nicht alleine hie auff erden, Sondern aüch dort ewiglich ynn der
helle, sampt yhn verdampt werdest, Das
sol dir auch n̂icht feylen, auff das du lernest,
die kinder seień nicht so gantz vnd gar dein, das du Gott n̂ichts müssest dauon thun Er wil auch recht dran̂ haben, Vnd sie sind auch
mehr sein denn dein̂
[Bl. 7b] Vnd das du nicht
den̂ckest, Jch spreche dir hiemit zu hart zu, So wil ich dir beide nutz vnd schaden zum
teil fur legen (denn wer kan sie alle
erzelen.) die du thust, das du selbst sagen müssest, du seiest mit allem recht des teufels eigen, vnd billich zur
hellen ewiglich verdampt, wo dü dich
hierinn strefflich findest vnd n̂icht besserst, Widderumb auch dich
von hertzen frewen vnd frolich sein mugest
wo dü dich hierin̂n̂
findest, das dü von Gott
[ 1 leüte zu seinem rh geistlichem c aus geistliche 5
grewlicher rh vntergehen rh 7
erleben steht über 〈ersehen〉 8 du 〈entwe〉 13 Jch 〈sage〉 14 beide rh
nutz c aus nutze 15 sagen 〈solle〉 17 von hertzen rh 18 mugest 〈ynn Gott〉]
[Seite 533a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 533b
dazu er welet bist, mit deinem gut vnd erbeit
einen son zü erzihen, der ein fromer
christlicher pfarher, prediger odder Schule meister wird, Vnd damit Gott selbs erzogen hast ein̂en̂ sonderlichen diener, ia, wie
droben gesagt ist, ein̂en Engel
Gottes, einen rechten Bisschoff fur Gott, einen heiland vieler leute, einen konig vnd fursten ynn Christüs reich
vnd ynn Gottes volck einen lerer, ein
liecht der wellt, Vnd wer wil odder kan alle ehre vnd tugent erzelen eines rechten trewen pfarhers, so er fur Gott hat?
Es ist ia kein theurer schatz, noch
edler ding aüff erden vnd ynn diesem leben, denn ein rechter, trewer pfarher odder prediger
Denn rechen du selbs, was nutzes das
liebe predig ampt vnd die seel sorge
schaffet Die selbigen [Bl. 8a] schaffet gewislich auch dein son, der solch ampt trewlich furet, Als, das so viel seelen
teglich durch yhn geleret, bekeret,
getaufft vnd zu Christo bracht vnd selig gemacht werden, vn̂d von
sunden tod, helle vnd teuffel erloset,
zur ewigen gerechtikeit, zum ewigen leben vnd himel durch yhn komen, das wol Daniel xij sagt, Das
die so andere leren, sollen leuchten wie
der himel vnd die so viele zur gerechtigkeit weisen, sollen sein wie die sternen ynn ewigkeit Denn weil Gotts
wort vnd ampt, wo es recht gehet mus on
vnterlas, grosse din̂g thun, vnd eitel wunder werck treiben, So
[ 1 bist, 〈e〉 2 odder o 5 Christüs 〈ko〉 6 wil 〈alles g〉 10 die u 11 schaffet (1.)
stand ursprünglich hinter 10 nutzes 12 teglich rh 14 erloset, 〈vnd〉 ewigen (beidemal) rh 15 leren, 〈wer〉 16 weisen, 〈wer〉 17 ampt, 〈on〉]
[Seite 534a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 534b
mus dein son auch on vn̂terlas grosse vnd
eitel wunder thun fur Gott, Als todten
auff wecken, teuffel aus treiben blinden sehend, tauben horend aussetzigen rein, stümmen redend, lamen gehen machen, obs
nicht leiblich geschicht, so geschichts
doch geistlich ynn der seelen, da es viel grosser ist, Wie Christus spricht Joh 14 Wer an mich gleubt, der wird
die werck thun, die ich thu vnd noch
grossere werck thun Kan solchs ein gleübiger thun gegen einzele personen Wie viel mehr wird solchs thun ein
offentlicher prediger, gegen vnd ynn einem
gan̂tzen
haüffen?, Nicht das ers thue, als ein mensch, son̂dern sein̂ ampt, von Gott dazu geordent, das thuts, vnd das wort
Gottes, das er leret Denn er ist ia das
wergzeug da selbest zu
[Bl. 8b] Thut er nu solche grosse werck
vnd wünder geistlich So folget daraus,
das er sie auch leiblich thut odder yhe ein anfenger vnd vrsach dazu ist Denn wo her kompts, das die Christen am
iungsten tage von den todten
aufferstehen werden, das alle tauben, blinden, lamen, vnd was fur
plagen am leibe gewest sind, müssen ab
lassen, vnd yhre leichnam, nicht allein, fein,
hubsch, gesund, sondern auch so helle vnd schon leuchten werden, als die
sonnen, wie Christus spricht? kompts
nicht da her, das sie durchs wort Gottes, hie
aüff erden, sind bekeret, gleubig, getaufft vnd Christo eingeleibt? wie
Paulus sagt Ro. 8. das Gott, wird vnsere
sterbliche leichnam aufferwecken vmb seines
[ 1 fur Gott rh 2 teuffel aus treiben
rh 3 stümmen redend rh gehen, 〈Vnd〉 machen o 5 Joh 14 rh [14 a d ?] 6 Kan a
d c aus kan gegen einzele personen rh 7 〈gemein〉 offentlicher rh prediger, 〈d〉 9 leret 〈Vnd〉 10 selbest u 11 grosse o 12/13
odder —ist rh 18 eingeleibt? 〈sind,〉]
[Seite 535a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 535b
geists willen, der ynn vns wonet, Wer hilfft
nu den menschen, zu solchem glauben vnd
anfang der leiblichen aüfferstehüng, on das predig ampt vnd wort Gottes, das dein son furet? Jst nu das nicht
ein vm messlich, grosser herrlicher
werck vnd wünder denn so er leiblich odder zeitlich todten auffweckte, widder zu diesem leben, odder blinden,
tauben, stummen, aussetzigen hulffe ynn
der wellt vnd ym vergenglichem wesen? wie
Wenn du gewis werest, das dein son
dieser werck eines, an einem einigen
menschen solte thün, nemlich, das er nur einen blinden [Bl. 9a] solt
sehend machen, einen todten aufferwecken
eine seele dem teuffel nemen, einen menschen
aus der hellen erretten, odder welchs der ein̂s were, soltestu
nicht billich mit allen freuden, dein
gut dran wogen, das er zu solchem ampt vnd werck mocht erzogen werden̂? vnd fur | [Bl. Ciija]
grossen freuden springen, das du mit deinem
gelt, fur Gott, so ein̂ gros ding hettest gestifft? Denn was sind
alle stifft vnd kloster, wie sie itzt
sin̂d vnd ym brauch gehe, mit yhren eigen wercken, gegen einen solchen pfarher, prediger, odder
Schulmeister? Wie wol sie vorzeiten vnd
anfenglich von frumen konigen vnd herrn, all zu mal, zu diesem theuren werck gestifft sin̂d, das man solche
prediger vnd pfar herr drinnen erziehen
sollte, nu aber leider durch den teuffel ynn den iamer geraten, das es
mordgruben
[ 1 vns 〈ist〉 3 ein rh grosser c aus grosses 4 herrlicher c
aus herrliches 6 ym o 8 menschen 〈&c.〉 nur u 9
einen menschen c aus eine seele 12 erzogen 〈vnd gefoddert da hin〉 16 vnd anfenglich rh 18 durch den teuffel rh es 〈schandheuser raübschlosser diesbslocher〉]
[Seite 536a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 536b
vnd eitel vorburge der hellen worden sind zum
verderben vnd schaden der
Christen̂heit
Nu sihe, dein̂ son thut solcher
werck nicht eins allein, Sondern viel, ia
alle sampt, dazu teglich, Vnd das das aller beste ist, fur Gott thut er
sie, der selbige sihet sie dafur an, vnd
hellt sie so theur vnd hoch, wie gesagt ist,
obs gleich die menschen nicht erken̂n̂en noch achten Ja wenn
yhn die wellt gleich einen ketzer,
verfurer [Bl. 9b] lugener, auffrurer, schilt, das ist, so viel deste besser, vnd ein gut zeichen, das er ein
rechtschaffener man̂ ist. vnd seinem
herren Christo enhlich Muste doch Christus selbs auch ein
auffrürisscher, morder, verfurer sein,
vnd also mit den mordern gerichtet vnd gecreutzigt werden Was lege mir daran wenn ich ein prediger were das
mich die wellt einen teuffel hiesse,
wenn ich weis, das mich Gott sein̂en Engel heist? Die wellt heisse mich einen verfürer wie lange sie wil Jnn des
heisst mich Gott sein̂en trewen diener vnd hausknecht, die
Engel heissen mich yhren gesellen, die heiligen heissen mich yhren bruder, die gleubigen, heissen
mich yhren | [Bl. Ciijb] Vater, Die elenden
seelen, heissen mich yhren heiland, die vnwissenden heissen mich yhr
liecht, Vnd Gott spricht, Ja dazü Es sey
also, die Engel auch sampt allen Creaturn, Ey
wie hubsch hatt mich denn die wellt sampt dem teuffel geteusscht mit
yhrem
[ 4 das (1.) 〈noch〉 6 wenn 〈sie〉 die wellt u 8 gut rh 8/9 vnd (2.)
—enhlich rh 9 selbs o 11 wenn —were rh 12 heist? 〈Vnd das〉 Die c aus die 13 verfürer 〈Danck habe sie,〉 wie — wil rh 17 dazü o 18
sampt dem c aus vnd der]
[Seite 537a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 537b
lestern vnd schmehen? Ey wie gros hat sie an
mir gewonnen? Wie grossen schaden hat
sie mir gethan? die liebe trawte
Das ist nu gesagt von den wercken vnd
wündern, die dein̂ son thut gegen die seelen von
sunden, tod vnd teuffel zu helffen Vber das thut er auch gegen der wellt eitel grosse mechtige werck,
nemlich, das er alle stende berichtet
vnd vnter weiset, wie sie eusserlich ynn [Bl. 10a] yhren amptern vnd
stenden sich halten sollen, damit sie
fur Gott recht thun, kan die betrubten trosten,
rat geben, bose sachen schlichten, yrrige gewissen entrichten, friede
helffen halten, Sunen, vertragen vnd der
werck on zal viel vnd teglich, Denn ein prediger bestettigt sterckt vnd hilfft erhallten alle
oberkeit, allen zeitlichen friede steüret
den auffrurischen,, leret gehorsam, sitten, zucht vnd ehre, Vnterricht
Vater ampt, mutter ampt, kinder ampt,
knecht ampt vnd summa, alle welltliche
empter vnd stende, Das sind wol die gerin̂gsten guten werck eines
pfarhers, noch sind sie so hoch vnd
eddel, das sie noch nie kein̂e Weisen vnter allen heiden erkant noch verstanden, viel weniger
zuthun vermocht haben, auch noch nicht,
kein Jurist, kein hohe schule, stifft noch kloster solche werck weis, vnd weder ym geistlichen noch welltlichen recht,
gelert werden, Denn da ist niemand,
[ 2 trawte 〈n̂errin〉 4 seelen 〈ge〉 von — helffen rh auch o 7 die betrubten rh 10 bestettigt
〈vnd〉 allen —
friede rh 11 sitten o vnd o 13 Das c aus das guten rh 14 Weisen c aus weisen 15
weniger 〈thun〉 16 solche werck o]
[Seite 538a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 538b
der solche welltliche ampt, Gottes grosse
gaben odder gn̂edige ordnūg heissen,
Sondern das wort Gotts vnd predig ampt allein̂e preiset vnd ehret sie so hoch
¶ Darumb, so man die warheit sagen wil,
Der zeitlich friede der das grosseste
gut auff erden ist, darinn auch alle andere zeitliche guter begriffen sind, ist eigentlich eine frücht des rechten
predig ampts Denn wo dasselbige gehet,
bleibt der krieg [Bl. 10b] hadder vnd blutvergiessen wol nach, Wo es aber nicht recht gehet da ists auch nicht
wunder, das da krieg sey odder yhe
stettige vnruge vnd lust vnd willen zu kriegen vnd blut zu vergiessen
wie wir itzt sehen das die Sophisten
nichts anders, denn blut schreien vnd feur speyen końńen, Vergiessen der vnschuldigen
Pfaffen blut vmb der ehe willen, So doch
der Bapst vnd yhr eigen geistlich recht selbst wenn sie solche ehe hoch
straffen so setzen sie die Pfaffen vom
Priester ampt, lassen sie aber bey leib vnd gut
vnd bey Christlichen ehren bleiben viel weniger verdamnen sie
dieselbigen zur hellen, halten sie auch
fur keine ketzer, wie das mussen alle Juristen vnd alle
[ 1 der 〈ve〉 grosse rh gn̂edige rh heissen 〈mag〉 2 das 〈eddele r〉 6 des 〈Wo fur〉 7 krieg 〈vnd〉 vnd blutvergiessen o 9 vnd (1.) c aus?
10 Sophisten steht über 〈Papisten〉 11 Vergiessen c aus? 12 yhr eigen o selbst o solche ehe rh 13 die Pfaffen steht über
〈sie〉 14 sie dieselbigen steht über 〈yhr s〉]
[Seite 539a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 539b
wellt zeugen vnd auff dem Reichstage zu
Nurmberg auch gesetzt ist Aber die
blinden bluthunde haben sich vom predig ampt ynn die lugen ergeben, dar umb konnen sie auch das morden nicht lassen
wie der teuffel yhr Gott auch thut .Joh.
8. der von anfang ein lugener vnd morder ist gewest, vnd bleibt
Das heisst nu menschen an leib vnd seel
an gut vnd ehre gedien̂et von einem
rechten pfarher, Vber das, Sihe nu, wie er Gott dienet, vnd was fur herrliche opffer vnd Gotts dienst er vbet.
Denn durch sein ampt vnd wort wird
erhalten, das reich Gottes, ynn der welt, die ehre, der name, vnd rhum Gottes, die recht erkentnis Gottes, der recht
glaube vnd verstand Christi, die frucht
des leidens vnd [Bl. 11a] bluts vnd sterbens Christi, die gaben werck, vnd krafft des heiligen geists, der recht
selige brauch der tauffe vnd sacrament,
die rechtschaffen reine | [Bl. C 4b] lere des Euangelii, die rechte
weise den leib zu zuchtigen vnd
creutzigen Vnd der gleichen viel Vnd wer kundte dieser itzt gesagten stucke eines ymer mehr gnugsam preisen? Vnd
was ist dauon noch zu sagen? wie viel er
damit thut, das er widder den teuffel, wellt weisheit und fleischlichen dunckel, so viel streit erhellt, so viel sieg
dauon bringet so viel yrthum
[ 1 vnd —ist rh 2 blinden rh vom predig ampt rh 3 yhr Gott rh 7 vnd
(2.) wort rh 8 der name o 9 glaube vnd rh 10 werck o 13 Vnd (1.) — viel rh 14
mehr 〈erzelen schweige denn rh〉 ist —
sagen? steht über 〈solt man dazu noch finden〉]
[Seite 540a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 540b
nidderschlegt, so viel ketzereyen weret, Denn
er mus widder der hellen pforten
streiten vnd kempffen, vnd dem teuffel abgewinnen, Vnd thuts auch, nicht
er, sondern sein ampt und wort, Das sind
alles vnzelige vnd vnaussprechliche
werck vnd wunder des predig ampts. Sum̄a, wenn man Gott selbs
ausloben wird, so wird man sein wort vnd
p̄digampt auch ausloben Denn es ist
Gottes ampt vnd wort,
Wenn du nu gleich ein konig werest, so
soltestu doch dich nicht werd lassen
duncken Das du deinen son mit allem deinem gut dran gewagt zu solchem ampt vnd werck, geben vnd ziehen
mochtest Jst nicht hie dein pfennig
odder erbeit so du an solchen son wendest, alzu hoch, geehret allzu
herrlich gesegenet, allzu kostlich
angelegt vnd besser denn kein konigreich noch keiserthum ist fur Gottes augen gerechen̂t?, Auff
den knien sollt ein̂er [Bl. 11b] solchen
pfennig an der wellt ende tragen, wenn er wuste, das er sollte daselbs,
so herrlich vnd theur angelegt werden.
Vnd sihe, du hassts ynn deinem hause vnd
ynn deinem schos, daran du es so herrlich kanst anlegen, pfu vnd aber
[ 4/6 Sum̄a, — wort, nachgetragen
6 wort, 〈das〉 8 gewagt steht über 〈gewogen〉 9 〈soltest〉 mochtest rh 11 konigreich noch
rh 12 ein̂er 〈hadder wol nach Wo es nicht recht [o] gehet, da ist auch
nicht wunder [rh] das krieg da sey odder yhe stetige vnruge vnd willen zu
kriegen wie wir itzt sehen die papisten das sie [das sie rh] nichts anders,
denn blut schreien [rh] vnd feur speyen〉 — Luther fuhr, nachdem er Bl. 10a vollgeschrieben hatte, versehentlich,
unter Überschlagung der zwei nächsten Seiten, auf Bl. 11b fort, strich das
Geschriebene, nachdem er seinen Jrrtum bemerkt hatte, und fing auf Bl. 10b noch
einmal von frischem an. 14 werden 〈kündte o〉 15 pfu c aus pfur]
[Seite 541a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 541b
pfu vnd widder pfur vnser blinden vnd
schendlichen vndanckbarkeit, das wir
nicht sehen | wie trefflich schonen Gottes dienst thun, ia welche grosse
herrn wir sein kundten, fur Gott mit
geringem thun dazu mit vnserm eigen gelt
vnd gut
Die Sophisten schelten vns, das wir
Lutherisschen nicht gute werck leren, Ja
es sind feine gesellen, Sie verstehen sich nicht vbel aüff gute werck,
Sind diese obgen̂an̂te stücke nicht güte werck? Was
sind aller stifft vn̂d kloster
werck gegen diese herrliche wunder? Es ist ein dolen vnd raben
gegecke. Vnd noch nicht so gut als das
gecken der dolen, Den̂n̂ die selben gecken doch mit liebe vnd lust, Sie aber heulen yhr
gegeck mit vnlust, wie Vhü vnd nacht
eulen Hat man nu vorhin gros, von den ersten messen vnd newen
priestern, gehalten, Vnd ist Vater vnd
mutter sampt allen freunden frolich gewesen,
das sie einen son zum [Bl. 12a] mussigen, faulen, vnnützem messpfaffen,
odder fresspfaffen haben erzogen, der
Gott mit seinem lesterlichen messopffern vnd verlorn̂em gebet. geschendet. Vnd die
wellt mit vnzuchtigem leben geergert vnd
geschunden hat wie viel hoher soltestu dich hie frewen, wenn du
ein̂en̂
[ 2 wie — ia rh 3 geringem thun c aus
geringen sachen eigen c aus
eigenthum 5 Die Sophisten schelten steht über 〈Man schilt〉 wir steht über 〈die〉 7 werck? 〈on was noch hienach folgen wird〉 8 vnd raben rh 10 yhr gegeck rh 11 man rh 13 sie u faulen o 16 vnd geschunden hat rh]
[Seite 542a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 542b
son zu dieser ampt einem erzogen hettest? Da
du gewis bist, das er Gott so herrlich
dienet, den menschen so reichlich hilfft vnd den teuffel so ritterlich schlegt? Da hastu ia dein kind, Gotte recht
vnd fein geopffert, das dich die engel
selbs fur ein schoenes wunder ansehen müssen.
Widderumb auch solltu wissen, was du
fur schaden thust, wo du hierinn das
widder spiel thust, Denn so dir Gott ein kind gegeben hat, tüchtig vnd | [Bl. Db] geschickt zu solchem ampt vnd
dǔ zeuchsts nicht dazu, Sihest, allein̂ auff den bauch vnd zeitliche narung, So nim fur
dich, das register droben gestellet, vnd
durchlauff dasselbige ynn seinen angezeigten guten wercken vnd wundern, so wirstu sehen vnd finden, welch ein
froemlin vnd kreütlin du bist Denn so
viel an dir ist, so entzeuchstu Gott ein̂en Engel, einen diener, einen
konig vnd fursten ynn seinem reich Einen
heiland vnd troster der menschen an leib
vnd seel an gut vnd ehre, Einen heubtman̂ [Bl. 12b] vnd ritter widder
den teuffel, damit du einreumest dem
teuffel vnd forderst yhm sein reich, also,
das er die seelen ynn sunden, tod, hellen, behellt, vnd viel mehr hin
ein teglich bringt. vnd allenthalben
obligt, die wellt ynn ketzerey yrthum, vnfriede, krieg vnd hadder bleibt vnd teglich erger
wird Dazu Gottes reich, Christlicher
[ 1 dieser c aus diesem 4 selbs rh 5
hierinn 〈blind odder t〉 9 dasselbige c aus dasselbigen 14 yhm o 15 ein c aus
nein 16 ketzerey rh 17 teglich c aus tegliche]
[Seite 543a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 543b
glaube, die frucht des leidens vnd bluts
Christi, das werck des heiligen geists,
das Euangelion vnd aller Gottes dienst vntergehet, vnd alle teuffels dienst vnd misglauben vberhand nimpt welchs
alles hette mugen nach bleiben vnd
verhindert dazu auch gebessert werden, wo dein kind dazu gezogen vnd komen were
Wie willtu bestehen? wenn dich Gott am
tod bette, odder iungsten gericht hie
mit wird ansprechen vnd sagen, Jch bin hungerig, dürstig, gast, nacket, kranck, gefangen gewest, vnd du hast
mir nicht gedienet, Denn was du den
leuten auff erden vnd meinem reich odder Euangelio nicht gethan hast, Sonderst hast es helffen vnter drucken
die seelen lassen verderben, das hastu
mir selbs gethan, Denn du hettest wol helffen konnen, Jch hatte dir auch kind vnd güt dazu gegeben, Aber du hast
mutwilliglich mich vnd mein reich vnd
alle seelen lassen not leiden vnd verschmachten, da mit dem teuffel vnd seinem reich, mir vnd meinem reich zu
widder gedienet, der sey auch nu dein
lohn, far mit yhm hin ynn der hellen abgrund, Mein himelreich [Bl. 13a] vnd erdreich hastu nicht helffen bawen vnd
bessern, sondern zerstoren vnd
schwechen, Dem teuffel aber hastu seine helle helffen bawen vnd mehren.
So wone auch nu ynn dem hause, das du
dir gebawest hast &c..
[ 1 des — bluts rh 2 geists, 〈da.〉 2/3 vnd (2.) — nimpt rh 3
welchs 〈will〉 4 verhindert 〈werden〉 4/5 dazu — were nachgetragen
6/7 odder — gericht rh 7 gast rh 12 mutwilliglich rh 14 gedienet rh 15 Mein
steht unter 〈das〉 16 vnd bessern o
zerstoren 〈die helle〉 16/17 vnd schwechen rh 18 nu 〈drinnen, das du d〉]
[Seite 544a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 544b
¶ Wie meinstu? ob dich hie nicht
vberfallen werden plotzlich nicht allein
tropffen, sondern eitel wolckbrueche mit sunden, der du itzt nichts
achtest vnd sicher dahin gehest, als
thettestu gar wol, das du dein kind nicht zur lere zeuchst Aber als denn wirstu mussen sagen,
das du billich ynn abgrund der hellen
verdampt seiest als der ergesten, schedlichsten, menschen einer, so auff erden gelebt haben, Vnd zwar, wenn du es auch
itzt ym leben woltest bedencken,
mustestu warlich für dir selbs erschrecken, Denn es vermag kein gewissen ertragen, wo es an der obgenanten
stucken einem sich schuldig findet, Wie
viel weniger kans ertragen, so solche stucke alle sampt plotzlich, daher fallen, die nicht zu zelen sind das dein
hertz denn schreien mus deiner sunde
seien mehr denn laub vnd gras Dazu grosser denn himel vnd erden,
vnd wirst mit Manasse dem konige Juda
sagen Meiner sunde ist mehr denn des | sands | [Bl. D ijb] am meer, vnd meine
missethat ist gros &c̄. Denn das sagt auch das naturlich recht Wer schaden verhueten kan
vnd thuts nicht, Der ist auch
selbschuldig an solchem schaden, als der gewislich lust vnd willen dazu
hat, vnd thetts selber, wo er vrsachen
odder gelegenheit dazu hette [Bl. 13b] Darumb
sind solche leute gewislich eben so gut als der teüfel selbs weil sie
beide Gott
[ 1 dich rh nicht (1.) 〈d〉 plotzlich o allein o 4 zeuchst 〈Denn aber〉 8 es steht über 〈sichs〉 der 〈st〉 10/12 deiner —wirst rh 11 denn
(2.) 〈Berg vnd mehr〉 12 mit steht über 〈wie〉 14/15 selbschuldig 〈am〉]
[Seite 545a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 545b
vnd der wellt so feind sin̂d, das sie
beyde das himelreich vnd erdreich helffen
verderben vnd dem teuffel so trewlich dienen. Vnd summa. Wenn man
den teuffel gnug schelten kan, So kan
man solche leute auch gnug schelten die
solche werck vnd ampt Gottes hindern. Denn sie sind des teuffels diener.
Hie mit wil ich nicht darauff gedrungen
haben das ein iglicher sein kind musse
zu solchem ampt ziehen, Denn es mussen nicht alle knaben, pfar her prediger schulmeister &c. werden
[Lücke] sonderlich der armen leute kinder Denn
dazu sind aller stifft vnd kloster, pfreunden vnd zinsen verordent Wie
wol daneben dennoch auch die andern
knaben, ob sie nicht so wol geschickt weren,
auch sollten lernen, zum wenigsten latin verstehen schreiben vnd lesen,
Denn man darff nicht allein hochgelarte
doctores vnd magister ynn der schrifft,
[ 1 das (2.) steht über 〈sein〉 2 vnd 〈yhr le〉 2/4 Vnd —diener nachgetragen 6
mussen 〈viel mehr leute〉 6/7 pfar her o 7 Nach werden fuhr Luther zuerst fort:
Sondern, das man sehe, welcher knabe da zu geschickt vnd tuchtig ist, das man
denselbigen aus sondere vnd dazu halte, Welchs auch wol sollte die oberkeit
thun, fügte dann nach halte am linken Rande ein: vnd ia nicht hindere odder
dauon halte, strich dann dies alles und schrieb dafür auf den rechten Rand: Man
mus auch mehr leute auff erden haben vnd ist gut zu wissen das grosser herrn
kinder vnd erben hie zu nicht zu brauchen sind, Sondern, strich dann auch dies
und verwies durch ÷÷÷ auf einen Zettel, der verloren gegangen ist. sonderlich 〈mit〉 10 lesen, 〈auff d〉]
[Seite 546a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 546b
man mus auch gemeine pfarhern haben, die das
Euangelion vnd Catechismus treiben, ym
iun̂gen vnd groben volck, teuffen vnd sacrament reichen &c. ob
sie nicht zum streit widder die ketzer
tugen, da ligt nicht macht an, Man mus
zum guten gebew nicht allein werckstuck, sondern auch fulle stein haben
So mus man auch kuster vnd ander
p̱son haben, die da dienen vnd helffen zum
predig ampt vnd wort Gottes
[Bl. 14a] Vnd wenn schon ein solcher
knabe, so latin gelernt hat, darnach ein
handwerg lernt vnd burger wird, hat man denselbigen ym vorrat, ob man sein ettwa zum pfarher odder sonst zum
wort brauchen muste, Schadet yhm auch
solche lere nichts zur narung, kan sein haus deste bas regiern vnd ist vber das zugericht vnd
bereit, zum predig ampt odder pfarr
ampt, wo man sein bedarff Vnd sonderlich zu unsern zeiten. ists ia
leicht solche personen zu erzihen, die
das Euangelion vnd den Catechismus lernen
mugen, weil itzt nicht allein die heilige schrifft, sondern auch
allerley künst reichlich am tage ist,
mit so viel buchern lesen predigen (.Gott lob.) das man ynn dreyen iaren, mehr kan lernen, denn vor
hin ynn zwentzigen das auch
[ 1 haben o 2 ym —&c. rh 5 da 〈helffen〉 dienen vnd helffen u 7 hat, 〈ein burger〉 9 zum wort rh 10 auch o 12 wo
— bedarff rh 13 solche rh 14 allein 〈allerley k〉 15 buchern 〈vnd guten meistern r〉]
[Seite 547a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 547b
weiber vnd kinder aus den deudschen buchern
vnd predigen itzt mehr | [Bl. D iijb]
konnen (ich sage die warheit) von Gott vnd Christo, denn vorhin, alle
hoheschulen, stifft, kloster, das gantz
Bapstum vnd alle wellt gekund habeń, [Bl. 14b] Aber Latin̂sch mussen die gemein̂en pfarher vnd prediger
kon̂n̂en vnd mugen des nicht
emperen So wenig als die gelerten des Griechisschen vnd Ebreischen emperen sollen, wie S. Aügüstin̂us spricht, vnd das geistlich
recht selbs setzt
Ja sprichstu, Wie wen̂n̂ es
vbel gerett, das mein son ein ketzer, odder
sońst ein bube wird Denn die gelerten heisst man̂ die verkereten &c̄., Wolan, das muste wogen Dein̂ vleis vnd erbeit ist darumb
nicht verloren, Gott wird dennoch
ansehen deinen trewen dienst, vnd dafur rechen, als were es gleich wol angelegt. Müstu doch wogen, wie er
gerate ynn allen andern sachen, wo zu du
yhn ziehen wilt Wie giengs dem lieben Abraham dem sein son Ismael auch nicht geriet, Isaac,
sein son Esau auch nicht, Adam sein son
Cain auch nicht? Solte Abraham dar umb haben abgelassen, seinen son Isaac, vnd Isaac seinen son Jacob, Vnd
Adam seinen son Habel, zu Gottes dienst
zu zihen? Wie viel sind boser konige vnd leute gewest ynn
[ 1 itzt rh 3 habeń, 〈Aber Latinsch mus man haben vnd kan̂s nicht emperen, vmb vieler
vrsachen willen, Ja des Griechisschen vnd Ebreischen auch nicht an den — dazu
am Rande: an den pfarherrn vnd lerern〉 8 wird steht über 〈wurde〉 Denn c aus
denn 9 vleis vnd rh 11 angelegt 〈Du solts auch nicht besser
haben〉 11/12 Müstu —wilt rh 13 nicht (2.), 〈Jacob,〉 13/14 Adam —nicht? rh 15 vnd 〈Jaco〉]
[Seite 548a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 548b
dem heiligen ausserweleten volck Jsrael, die
mit ketzereien vnd abgottereyen all
vngluck anrichten vnd alle propheten erwurgten, Solten drumb die Priester Leüi das gantze volck haben lassen faren vnd
niemand mehr zum Gottes dienst zihen?
Wie viel waren boser priester vnd Leuiten vnter dem stam Leui, den Gott selbs zum priester ampt erwelet hatte?
Wie viel hatt Gott leute auff erden, die
aller seiner guete vnd Crea[Bl. 15a]tur missebraüchen? Solt er darümb seine guete lassen, vnd kein̂em men̂schen leben lassen odder
auffhoren wolzüthun?
Aüch das dü n̂icht zu seer sorgest, wo dein
son erneeret werde, wen̂n̂ er sich auff die
lere gibt vnd zu solchem Gottlichen ampt vnd dien̂st, So hat dich Gott auch nicht hierinn gelassen noch
vergessen auff das du ia nicht sorgen
noch klagen sollest, Er hat verheissen durch .S. Paulus .1. Cor 9 Wer dem Euangelio dienet, sol vom Euangelio
erneeret werden Vnd Christus selbs Matt.
X. Ein erbeiter ist seins lohns werd, Esset vnd trinckt, was sie haben Jm alten testamen̂t, auff das sein predig
ampt nicht vntergienge erwelet er vnd
nam das gantze geschlecht Leui nemlich das zwelfft teil des gantzen volcks Jsrael, vnd gab yhn den zehenden vom gantzen
volck, daruber die ersten fruchte,
allerley opffer, eigen stedte, vorstedte, ecker, wisen, vieh vnd was dazu
[ 2 Solten c aus Solte drumb 〈Gott〉 2/3 die Priester Leüi rh 4/5
Wie —hatte rh 10 Gottlichen rh 11 noch vergessen rh 14 haben steht über 〈euch geben〉 15 /16 erwelet er vnd rh 16
nam 〈dazu rh〉 gantze c
aus gantz nemlich o volcks 〈dazu〉 18 eigen 〈heu[ser]〉]
[Seite 549a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 549b
gehoret, Jm newen testament sihe zu, wie reichlich
vorzeiten keiser, konige, fursten, vnd
herrn gegeben haben zu solchem ampt, das itzt die stifft vnd kloester ynne haben vnd damit konige vnd
fursten vbertreffen, Er wird vnd kan
nicht lassen, die yhm trewlich dienen Er hat sich zu hoch versprochen vnd gesagt, Ebre. 13. Jch wil dich nicht
lassen noch verseumen
[Bl. 15b] Auch so rechen du selbs, wie
viel pfarhen vnd predig stuele, Schulen,
kustereien furhanden sind die noch itzt das mehrer teil gnugsam versorget sind, vnd teglich ledig werden. Was sind das
anders denn kuchen vnd keller von Gott
bestellet deinem son, das er seine narung schon hat zubereit ehe er sie brauchet vnd dazu nicht erwerben
darff? Da ich ein Junger student war,
horet ich sagen das ym furstenthum zusachen (ist mir recht) bey achtzehen hundert pfarhen weren̂, Wo das war ist,
vnd auff ein igliche pfarhe gehoren züm
wenigsten zwo person nemlich Ein pfarher vnd kuster, ausgenomen was ynn Stedten prediger Caplan helffer
Schulmeister vnd Collaboranten sind das
allein ynn solch furstenthum bey den vier tausent gelerter
[ 2 Nach die fuhr Luther erst fort:
bisschoue, dann: pfaffen vnd munche, strich schließlich aber beides 2/3 stifft
vnd kloester rh 3 damit o 4 hoch 〈verheissen〉 7 furhanden sind rh 10 brauchet c aus brauchen 〈k[an]〉 12 hundert rh 13 nemlich o
13/14 ausgenomen 〈Stedte die〉 14 prediger —helffer rh 15 solch c aus solchen]
[Seite 550a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 550b
person gehoren der teglich ynn zehen iaren wol
das dritte teil absterben Nu wolt ich
wetten, ob ynn halben deudschem lande, itzt vier tausent schuler weren, Nu ich setze, das kaum acht hundert
pfarhen ynn dem furstenthum sind wie
viel wil der wol ym gantzen deudschen lan̂de sein? Jch wil gern sehen, wo man vber drey iar wolle pfarher,
Schulmeister, kuster nemen? Werden wir
hie nicht zu thun vnd sonderlich die fursten dran sein, das beide knaben Schulen vnd hohen schulen recht
angericht werden̂, So wird ein solcher
mangel an person̂en werden, das man wird drey [Bl. 16a] odder vier
stedte einem pfarher, vnd zehen dorffer
einem Capplan befelhen mussen kan man
sie dennoch auch noch haben
Da ligen die hohen Schulen Erfford,
leiptzig | [Bl. Ea] vnd ander mehr wust
so wol als die knaben schulen hin vnd wider, das iamer zu sehen ist
Vnd fast allein das gerin̂ge
Wittemberg mus itzt das beste thun, Vnd solchen
mangel werden ia die stifft vnd kloster auch (acht ich) fulen, solten
sie ein gut iar haben, Sie werdens ia
nicht so hoch hinaus singen wie sie es
angefangen haben weren sie noch so kraus, odder sollen die personen
mussen
[ 1 gehoren rh 6 das 〈die〉 6/7 beide knaben rh 9 mussen
rh 11 wust rh 14 die 〈gotzen〉 15 werdens ia steht über 〈sollens〉]
[Seite 551a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 551b
leiden vnd anbeten ynn yhren Capiteln von
denen sie sich vorhin nicht gern hetten
lassen ansehen, Darumb las nur getrost lernen dein kind, Es wird an leuten ehe mangeln denn an gutern Villeicht,
wo die wellt lenger stehet vnd Gott
gnade gibt, das die fursten vnd Stedte dazu thun mügen der stifft vnd kloster guter, auch widder zu solchem
brauch komen, dazu sie gestifft sind Vnd
was darffs viel sorgens fur den bauch? da stehet Christus vnd spricht Matthei. 5. Sorget nicht, was yhr essen vnd
trincken werden, Ewr himlisscher Vater
weis wol. das yhr solchs bedurffet Sucht zum ersten das reich Gottes vnd seine gerechtigkeit, so sol euch das
alles, zu komen, Wer dem nicht gleubt,
der sorge ymer hin vnd sterbe hungers [Bl. 16b] dazu
Wie wol es war ist, das ettliche iar
her, viel pfarher grossen hünger
gelidden vnd noch leiden Das mus man schuld geben, dem paroxysmo
ynn der welt, das die leute so bose,
vndanckbar vnd geitzig sind, Vnd dazu das
Euangelion verfolgen, damit vns Gott versucht ob wir recht schaffen
sind, Vnd nicht anders zu rechen ist,
Denn als sey es vmb die zeit der merterer,
da die frumen lerer auch grosse | [Bl. Eb] not vnd armut liden wie
Paulus selbs
[ 1 anbeten 〈D〉 ynn —Capiteln rh vorhin 〈h〉 gern o 2 wird 〈an〉 an steht über 〈vor〉 4 vnd Stedte rh 5 auch 〈ettliche〉 sind 〈¶〉 11 her, 〈die〉 15 vmb rh 16 da 〈must〉]
[Seite 552a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 552b
rhumet vnd Christus auch verkundigt Matt. 9.
Wenn der breutgam von yhn genomen wird,
denn werden sie fasten Das ist die recht Euangelissche fasten Es ist aüch selten Gotts wort
auffgangen Es ist ein theüre zeit mit
komen, als zu Abraham, Isaac, Jacob, Josseph, Elias, Eliseus zeiten waren graüsame theurung neben so grossem
liecht der warheit, Vnd ym anfang des
Euangelij war eine grosse theurung durch die gantze wellt Act. XI. Das mus denn des lieben Euangelii vnd Gottes
wort schuld sein vnd nicht der wellt
vorigen missethat vnd gegen wertiger verstockter vndanckbarkeit, Also gaben die Juden alle yhren iamer schuld der lere
Jeremie Jere. 44. Vnd die Romer, da sie
von den Gotten wurden verstoret, wustens auch niemand schuld zu geben denn das sie Christen worden
weren, Da widder S. Aug, ein gros buch
geschrieben hat, De ciuitate Dej
[Bl. 17a] Aber las wasschen wer do
wesscht Die welt ist wellt, Wie ihene zu
lugenern worden vnd vntergangen sind, So sollen diese auch zu lugenern werden vnd vergehen, das dennoch
Christus vnd sein wort bleibe, Er sitzt
wol so fest vnd hoch, wie geschrieben stehet, Der HERR sprach zu meinem herrn Setze dich zu meiner rechten, Da
sitzt er, Wer lust dazu hat
[ 3 aüch o 6 war o grosse o 7 vnd Gottes wort rh 9 gaben
steht über 〈legten〉 10 wurden o 14 lugenern 〈s〉]
[Seite 553a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 553b
vnd bose ist, der reiss yhr herunter, So lange
aber er da sitzen bleibt, wollen wir
auch bleiben, Was gillts? Vnd ynn summa, Es mag leicht dein kind, so viel narung vom predig ampt haben, als von
einem hand werck Es were denn sache, das
du nach grossem gut trachtest, aus deinem son einen grossen herr̄n̄ zu machen fur der wellt,
wie die Bisschoue vnd thumherrn sind, Bistu
des gesin̂n̂et, so gehet dich diese rede nicht an, Jch rede
itzt mit den gleubigen, die das predig
ampt ehren vnd hoch achten vber allen reichtum als nehest Gott selber, den hohesten schatz den menschen
gegeben, das sie wissen, wie grossen
dienst sie Gott daran thun konnen vnd sollen, Vnd als, die da lieber wollen dieses wercks teilhafftig sein auch
mit gerin̂gem gut. Denn der wellt
guter haben vnd dieses emperen, Die selbigen werden wol erkennen, das
die seele mehr ist denn der bauch Vnd
der bauch leicht mag gnug haben vnd doch
das vbrige hinder sich lassen musse, Aber [Bl. 17b] die reichtüm süchen,
die werden alle yhr gut mit sich n̂emen̂, vnd n̂ichts hindersich lassen, Wie
kans yhn feylen? Das sey zu einem teil
dieses Sermons eilend vnd kurtzlich
angezeigt vom geistlichen nutz vnd schaden, so man hat aus der
Schülen erhaltung vnd verachtung
[ 3 narung rh 6 Jch 〈s〉 7 vber —reichtum rh 8 hohesten
c aus hohest 9 die da steht über 〈das sie〉 11 vnd 〈sein〉 dieses rh
13 das 〈ande〉 15/16 eilend —angezeigt rh]
[Seite 554a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 554b
¶ Das an̂der teil sol sein̂ vom zeitlichen odder
welltlichen nütz vnd schaden̂, Vnd zum ersten ists wol war,
das die welltliche oberkeit odder ampt,
gar ynn kein̂em weg, zuuergleichen ist dem geistlichen predigampt,
wie es S. Paulus nennet, Denn es ist nicht
so theür vnd hoch erarn̂t, durch das blut
vnd sterben des sons Gottes, wie das predig ampt, So kans auch nicht solche grosse wunder vnd werck thun, wie das
predig ampt Denn alle werck dieses
standes gehen vnd gehoren allein̂ ynn dis zeitlich vergen̂glich
leben, zu erhalten, leib, weib, kind,
haus gut vnd ehre vn̂d was zu dieses lebens not durfft gehoret, So viel nu das ewige leben
vbertrifft das zeitliche leben, so weit
vnd hoch gehet auch das predig ampt vber welltliche ampt das ist, gleich, wie ein schatten̂ gegen̂ dem corper
selbs, Denn welltliche herrschafft ist ein
bilde, schatten vnd figur der herrschafft Christi, Denn das p̄dig
ampt, (wo es ist, wie es Gott geordent
hat.) bringt vnd gibt ewige gerechtigkeit [Bl. 18a] ewigen fride vnd ewiges leben wie S Paulus
solchs hoch preiset .2. Cor 4. Aber das
welltlich regiment erhellt zeitlichen vnd vergenglichen friede recht vnd leben̂
Aber dennoch ists eine herrlich
Gottliche ordnüng vnd eine treffliche
gabe Gottes, der es auch gestifft und eingesetzt hat, vnd auch wil
erhalten haben, als des man aller ding nicht
emperen kan̂, Vnd wo es nicht were
[ 1 Das Absatzzeichen mit roter Tinte
geschrieben und Das —zeitlichen rot unterstrichen 5 Gottes, 〈sondern schlecht〉 8 haus 〈ehre〉 11 welltliche c aus welltlicher 13 hat 〈gibt〉 14 ewigen fride rh]
[Seite 555a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 555b
kundte kein mensch fur dem an | [Bl. Eiija]
dern bleiben Es muste einer den andern
fressen, wie die vnuernunfftigen thier vnternander thun, Darumb, gleich
wie des predigampts werck vnd ehre ist
das es aus sundern eitel heiligen, aus todten
lebendige, aus verdampten seligen, aus teuffels diener, Gottes kinder
macht. Also ist des welltlichen
regiments werck vnd ehre, das es aus wilden thieren, menschen macht vnd men̂schen erhellt,
das sie nicht wilde thiere werden Es
erhellt einem iglichen seinen leib, das den nicht iederman erwurgen
musse, Es erhellt iglichem sein weib,
das nicht yderman das selbige nemen vnd schenden musse, Es erhellt iglichem sein kind tochter
vnd son, das yhm dasselbig nicht yeder
[Bl. 18b] man entfuren, noch entwenden musse, Es erhellt iglichem, sein haus vnd hoff, Das nicht ein yederman hinein
brechen, noch drin̂ńen freueln
musse, Es erhellt iglichem sein acker, vihe vnd allerley guter, das
dieselbigen, nicht ein yderman
angreiffen, stelen, rauben, beschedigen musse, Welchs alles vnter den thieren nicht ist Vnd wurde auch
vnter den menschen nicht sein, wo
welltlich regiment nicht were, Sondern wurden gewislich aus menschen eitel thiere werden Mein̂stu
n̂icht, wenn die vogel vnd thiere reden kondten, vnd das welltliche regiment vn̂ter den
menschen sehen solten, Sie wurden sagen,
O yhr lieben menschen, yhr seid nicht men̂schen son̂dern eitel Gotter
[ 2 wie (2.) 〈..〉 6 vnd 〈erhe〉 wilde rh Es 〈ehe〉 7 einem steht über 〈einigem〉 iglichen 〈zu erst〉 r 8 selbige c aus selbigen 14
den (1.) 〈wilden〉 15/16 Sondern —werden rh 18 lieben rh]
[Seite 556a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 556b
gegen vns, wie gar sicher sitzt, lebt vnd habt
yhr alle ding, Wir aber so gar keins fur
dem andern eine stunde sicher ist, weder lebens, haüses noch narung, Wehe ewr vndanckbarkeit, das yhr
nicht se | [Bl. Eiijb] het, wie | ein
herrlich leben eüch vnser aller Gott fur vn̂s thieren gegeben hat.
Weil denn nu das gewis ist, das es ein
Gottliche Creatur vnd ordnūg, dazu
vns menschen ynn diesem leben, ein notiges ampt vnd stand ist, des wir eben so wenig emperen̂ konnen als des lebens selber,
Sintemal, on dasselbige ampt das leben
nicht bleiben kan, So ists leicht zu [Bl. 19a] rechen, das Gott nicht darumb befolhen vnd gestifft
hat, das es solle vntergehen, Sondern
wils erhalten haben wie Paulus Ro. 13. vnd 1 Pe. 3. klerlich stehet, das sie sollen die frumen schutzen
vnd die bosen straffen̂ Wer wills nu
erhalten, on wir menschen den es Gott befolhen hat vnd die sein auch
selbs warlich durffen? Die wilden thier
werdens nicht thun, Holtz, vnd steine
auch nicht, Welche menschen aber konnens erhalten̂? fur war nicht
allein̂ die mit der faust herrschen
wollen, wie itzt viel sich lassen duncken, Denn wo die faust allein sol regieren, So wird gewislich
zu letzt, ein thier wesen draus, das wer
den andern vbermag, stosse yhn ynn den sack, wie wir fur augen wol exempel gnüg sehen, was faust on weisheit
odder vernunfft gutts schafft
[ 1 wie 〈s〉 Wir aber steht über 〈Und wie〉 2 noch 〈esse〉 10 haben 〈Wer wie〉 12 selbs o 18 on —vernunfft
steht über 〈on recht〉]
[Seite 557a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 557b
Darumb sagt auch Salomon p̱uerb 8.
das Weisheit musse regieren vnd nicht
die gewalt, vnd spricht von derselbigen also Mein ist beide rat vnd hulffe, Mein ist beid verstand vnd vermugen,
Durch mich mussen konige konige sein,
vnd Rethe recht setzen Vnd Eccs ix Weisheit ist besser denn harnsch odder woffen Vnd aber mal, Weisheit ist
besser denn krafft [Bl. 19b] Dis alles
beweiset alle erfarung ynn allen historien das nie kein mal, gewallt on
vernunfft odder weisheit hette ettwas
ausgericht Also gar, das auch die morder
vnd tyrannen wo sie nicht kluglich faren vnd ettliche recht rat vnd
gesetze vnter sich vnd fur sich nemen,
obs sie gleich bose sind, dar n̂ach sie die faust vnd yhr gewallt richten vnd brauchen, so
konnen sie nicht bleiben sondern werden
vnterander vnein̂s vnd vergehen von sich selbs. Das kurtz vmb nicht faustrecht, sondern kopffrecht, nicht gewalt,
sondern Weisheit odder vernunfft mus
regieren vnter den bosen so wol als vnter den guten
Dem n̂ach, weil vnser regiment ynn
deudschen lan̂den̂, nach dem Romischen keiserlichen recht sich richten mus vnd sol,
Welchs auch vnsers regiments Weisheit
vnd vernunfft ist, von Gott gegeben, So folget, das solch regiment nicht kan erhalten werden, sondern, müs zü
grun̂d gehen
wo man solche recht
[ 1 Weisheit 〈nicht〉 2 beide o 3 beid rh 5 krafft
steht unter 〈gewallt〉 6 beweiset c aus weiset 7 odder weisheit rh 8 rat o gesetze 〈wie bose sie sind o〉 9 obs —sind rh 11 nicht rh 16 von —gegeben rh]
[Seite 558a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 558b
n̂icht erhellt Nu wer wills erhalten?
faüst vnd harn̂sch thuns nicht, Es müssen die
koepffe vnd bücher thun Es mus gelernt vnd gewust sein, was vnsers welltlichen reichs Recht vnd Weisheit
ist Wie wol es fein ist, wo ein keiser,
furst herr selbst von natur so weise vnd klug ist, das er das recht auswendig treffen kan wis [Bl. 20a] hertzog
Fridrich zu Sachsen, Vnd Er Fabian von
Feylitz (die ich erfaren habe) kundten, (die lebendigen wil ich nicht nennen) Aber weil solche | vogel | [Bl.
E 4b] seltzam | sind, Vnd dazu das
exempel ferlich, auch vmb der andern willen, die solchs von natur nicht
vermugen, ists besser, ynn stettigem
regiern das gemein buchrecht halten, so hats
deste mehr ansehen vnd glimpff vnd darff keines wunders noch sonders,
So sind nu die Jüristen vnd gelerten
ynn diesem welltlichen reich die Personen,
so solch recht vn̂d da durch das welltlich reich erhalten, Vn̂d
gleich wie ein frumer Theologus vnd
rechtschaffen̂er prediger ynn Chr9 reich Gottes En̂gel ein heiland prophet priester
hausknecht vnd lerer heisst (wie droben
gesagt) Also mocht man einen frummen Juristen vnd einen trewen
gelerten ym welltlichen reich, wol des
keisers prophet, priester, Engel vnd heiland
[ 1 erhalten? 〈die〉 7 nach seltzam roter Trennungsstrich 9
stettigem 〈h〉 13 prediger 〈fur Gott〉 14 ein heiland prophet rh priester steht über 〈diener〉 vnd o lerer 〈ist o〉 heisst rh furnemlicher r 15 mocht man einen steht
über 〈ist ein〉 frummen Juristen c aus frummer Jurist vnd steht über 〈Vnd〉 einen trewen gelerten c aus ein trewer
gelerter gelerten 〈ein〉 16 wol rh über keisers steht nochmals wohl
keisers, 〈Engel, hausknecht, priester, prophet,
lerer dazu ein fürer vnd herr〉 prophet 〈Rat〉]
[Seite 559a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 559b
heissen Widderumb Wie ein ketzer odder
falscher prediger, ym reich Christi ein
teuffel, dieb, morder, lesterer ist, Also ist ein̂ falscher
vntrewer Jurist yns keisers hause odder
reich ein dieb vnd schalck ein verrether, bosewicht vnd des gantzen reichs teuffel, Wenn ich aber von den
Juristen sage, meine ich nicht allein
die [Bl. 20b] Doctores, sondern das gantze handwerck, als Cantzler, schreiber, Richter, fursprechen, Notarius vnd
was zum rechte des regiments gehoret
Auch die grossen Hansen, so man, die Rethe zu hofe nennet, Denn sie vben auch das werck der rechten odder
ampt der Juristen, Vnd wie das wort
Rethe, nicht weit vom wort Verether ist, So ist dersselbigen auch viel nicht weit von der that, Raten zu weilen
yhren herr̄n̄ mit solchen trewen,
das sie kein verrheter so wol Verrhaten kün̂dte
| [Bl. Fa] Nu sihestu, was nutz ein
frumer rechtskundiger odder Jurist thün
kan, Ja, wer wills odder kans alles erzelen? Denn was Gottes werck
vnd ordnung ist, das schafft ymer dar,
so viel vnd grosser frucht, das sie nicht
zur zelen noch zu begreiffen sind, Erstlich Erhellt er vnd hilfft
foddern mit seinem buch (durch Gottlich ordnūg.)
das gantz welltlich regiment (keiser,
[ 1 Widderumb 〈ein〉 3 ein —schalck rh 6 rechte des
rh regiments c aus regiment 7
nennet c aur nennen 11 kün̂dte c aus kün̂dten 13 alles rh 15 Erstlich 〈schützt sein ampt odder das recht deinen leib fur allen
bosen leuten, feinden, es seien nachbar, gesinde odder feinde, Wer wolt allein
das einige werck gnug preisen, De〉 15/16 mit —ordnūg) rh 16
regiment 〈wie v〉]
[Seite 560a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 560b
fursten, herrn, Stedt, land vnd leute (Wie droben
gesagt) Denn solche alle mussen durch
weisheit vnd recht erhalten werden, Wer wil aber dis werck allein gnug preisen? Daraus hastu denn,
Schutz vnd schirm deines leibes vnd
lebens, widder nachbar [Bl. 21a] fein̂de, morder, Dar nach schutz vnd friede deines weibs, tochter, sons, haüs, hof,
gesind gelt, gut, acker, vnd was du
hast, Denn das ist alles ym recht verfasset, bemauret vnd wol gehegt,
Wie gros das alles sey, kund man mit
kein̂en buchern nimer mehr aus schreiben
Denn wer wil aus sprechen, Was der Liebe fride für ein vnaussprechlich
gut ist? Wie viel er ein iar allein,
beide gibt vnd ersparet?
Solche grosse werck kan nu dein̂
son alle thun vnd solch ein nützliche
person̂ werden, wo du yhn dazu heltest, vnd lernen lesst, Vnd du desselbigen alles teilhafftig kan̂st werden, Vnd dein gellt also
kostlich anlegen, Solt dirs nicht sanfft
thun vnd ein̂ grosse ehre sein? wenn du sehest, deinen son, ein̂en en̂gel ym reich vnd einen Apostel des
keisers dazü einen eckstein vnd grundfest,
des zeitlichen frides aüff erden? Vnd solch alles gewis, das es Gott
selbs da | [Bl. Fb] fur helt vnd ynn der
warheit also ist? Denn wie wol | man durch
solche werck fur Gott nicht frum noch selig wird, So ist doch das ein
frolicher
[ 4 friede steht über 〈schirm〉 5 tochter 〈vnd kind〉 sons steht über 〈sone〉 9 ersparet? 〈da ein〉 12 anlegen, 〈Dü gibst warlich deinem herrn, schos vnd zin̂se〉 13 du 〈we〉 14 einen (1.) c aus ein einen (2.) 〈ruckha〉 16 helt c aus hielte ist steht über 〈were〉]
[Seite 561a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 561b
trost, das Gotte solche werck so wol
gefallen,, Vnd noch mehr gefallen, wo
ein solcher man dazu auch ein [Bl. 21b] gleubiger vnd ynn Christus reich ist, Denn damit danckt man yhm fur seine
wolthat vnd opffert, das schonest
danckopffer, den hohesten Gotts dienst.
Du mustest ia ein grober vndanckbarer
klotz vnd billich von den menschen vnter
die thiere zu iagen sein, wenn du sehest, das dein son kundte ein man werden, der dem keiser sein reich schwert vnd
kroneń erhalten hulffe, dem fursten
sein land regieren, Stedten vnd landen raten vnd helffen, So manchem man seinen leib, sein weib, kin̂d, gut
vnd ehre helffen schutzen, vnd n̂icht woltest, so viel dran wogen, das er lernen vnd
hie zu komen mocht. Sage mir, was thun
alle stifft vnd kloster der gleichen? Jch wolt eines trewen frumen Juristen vnd schreibers werck nemen
fur aller pfaffen munch vnd nonnen
heiligkeit, wo sie am besten sind, Vnd wenn dich solche grosse gute werck nicht bewegen, solt dich doch wol
allein Gottes ehre vnd wolgefallen
bewegen, da du weisst, das du Gott damit so herrlich danckest vnd
einen solchen grossen dienst thust, wie
gesagt ist Es ist ye eine schendliche verachtung Gottes, das man solche herrliche Gottliche
werck vnsern kindern nicht gonnen vnd
stecken sie allein ynn des Bauchs vnd geitzs dienst, lassen sie nichts
[ 5 klotz 〈sein〉 7 schwert rh 9 man 〈sein w〉 13 heiligkeit 〈nemen dich 〈nichts〉 13/14 solche —nicht rh 14 wol allein o 15 damit —vnd rh
17 herrliche Gottliche rh ]
[Seite 562a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 562b
lern̂en̂, denn narung suchen gleich
wie eine sew mit der nasen ymer ym kot
wulen, vnd nicht zihen zü solchem wirdigen [Bl. 22a] stand vnd wesen.
Wir werden gewislich vnsinnig sein
mussen odder haben vnser kinder nicht recht lieb
Hore aber weiter zu, Wie? Wenns Gott
von dir haben wil vnd foddert dein kind
zu solchem ampt?, Denn du bist ia schuldig dein̂em Gott solchen stand helffen zurhalten, wo du kanst Nu kan
er nicht erhalten werden, wo man knaben
nicht zur lere vnd zün schulen hellt, das hat ia keinen zweiuel Vnd darff wol ynn diesem stande geschickter
leute, denn ym predigampt, das hie not
sein wil, die besten knaben her zu halten, Denn ym predig ampt, thuts Christus fast gar, durch seinen geist,
Aber ynn weltlichem reich, müs man aus
der vernūfft (daher die rechte auch komen sind) handeln Denn Gott hat der vernunfft vnterworffen solch zeitlich
regiment vnd leiblich wesen̂ Gen̄ 2
Vnd nicht den heiligen geist vom himel dazu gesand, dar umb ists auch schwerer, weil es die gewissen nicht regieren
kan, vnd mus, so zu rechen, ym finstern handeln,
Hastu nu ein kind das zur lere tüchtig,
vnd kanst yhn dazu halten, Thusts aber
nicht, Gehest hin vnd fragest nicht dar nach, wo welltlich reich
[ 1/2 gleich wie —wulen u mit der nasen stand ursprünglich hinter
wulen 2 zü steht über 〈so〉 12 leiblich rh
wesen 〈vber he〉 Gen̄ 2 rh 16 ein o 17 Gehest —vnd
rh]
[Seite 563a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 563b
bleibe beide mit recht vnd friede, &c.. So
thustu so viel [Bl. 22b] an dir ist,
widder welltliche oberkeit, wie der Turcke ia wie der teuffel selbs,
Denn du entzeuchst dem reich,
fürstenthüm, land, Stad, einen heiland trost, eckstein,, helffer vnd retter, Vnd deinethalben
verleuret | der keiser, beide schwert vnd
kronen̄ das land ver | leuret, schutz vnd friden, Vnd du bist der man, durch des schuld (so viel an dir ist,) kein man
sein, leib, weib, kind, haus, hoff guter
sicher haben muege, Sondern du opfferst sie alle frey dahin auff die fleisch banck, Vnd gibst vrsach, das aus
allen menschen eitel thier werden, vnd
fresse zu letzt eins das ander, Solchs alles thustu gewislich, sonderlich, wo du wissentlich dein kind von solchem
heilsamen stand vmb des bauchs willen
zeuchst Bistu nü nicht ein feiner nutzer man ynn der wellt, der du brauchest teglich, des reichs vnd seines
frieden, vnd du widderumb zu danck,
raubest dem selben deinen son vnd steckest yhn ynn den geitz vnd strebst
damit darnach mit allem vleis, das
niemand sey der das reich recht und friede helffe erhalten, Sondern alles zu boden gehe, So du
doch selbs, dein leib vnd leben, gut vnd
ehre durch solch regiment hast vnd beheltest
Was meinestu, das du hie mit
verdienest? Bistu auch werd, das du bey
menschen wonen [Bl. 23a] sollest? Was wird Gott aber dazu sagen, der
[ 1 thustu 〈eben〉 10 wissentlich 〈wol solchs thust, sol〉 11 nü o 13 dem selben rh 14 reich 〈vnd den f〉 15 zu 〈tage〉 So steht über 〈dauon〉 16 ehre 〈hast von solche〉]
[Seite 564a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 564b
dir kind vnd gut dazu geben hat, das du solt
yhm da mit dienen vnd dein kind zu Gotts
dienst halten? Jsts aber nicht Gott gedienet, So man seine ordnūg vnd welltlich regiment hilfft
erhalten? Nu lesst du solchen dienst,
als gienge er dich nicht an, odder als werestu fur allen menschen frey
vnd nicht schuldig Gott zu dienen,
Sondern mit deinem kind vnd gut zu machen
was dir gefellet, Es falle Gott beyde mit welltlichem vnd geistlichem
reich ynn abgrund, | [Bl. F iija] wilt
gleichwol teglich des reichs, schutz, friede, vnd rechts brauchen, vnd das Predig ampt vnd Gottes
wort, dir bereit haben vnd dienen
lassen, das also Gott dein diener musse sein gar vmb sonst, beide mit
Predig ampt vnd welltlichem stande, auff
das du on sorge mogest dein kind die weil
von yhm wenden vnd allein dem Mammon dienen leren, meinstu nicht,
Got werde deinem geitz vnd bauch sorge
ein benedicite sprechen ein mal, das du
beide mit kind vnd mit allem hie vnd dort verderbest Lieber, erschrickt
dein hertz nicht fur solchen grewlichen
grewel, deiner abgotterey, gotts verachtung,
vndanckbarkeit, verstorunge, aller beider Gottes stifft vnd ordnūg,
ia aller menschen schaden vnd
verderbung? Wolan, ich wil dirs gesagt, vnd dich
[ 1 dienen 〈?〉 2 halten? 〈Du〉 4 fur allen menschen rh 6 vnd
geistlichem rh 7 vnd o 8 haben steht über 〈sei〉 10 stande o die weil rh 11 allein rh dienen 〈lassen〉 11/13 meinstu —verderbest rh
13 dort 〈vnte〉]
[Seite 565a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 565b
gewarnet haben, Sich du zǔ du horest,
beide nutz vnd schaden, den du thun
kanst, Thu welchs du willt, So wird dirs Gott wol vergelten
[Bl. 23b] Jch wil hie schweigen, wie
eine feine lust es ist, das ein man
gelert ist, ob er gleich kein ampt nimer mehr hette, das er daheimen bey
sich selbs allerley lesen, mit gelerten
leuten reden vnd vmbgehen, ynn frembden
landen reisen vnd handeln kan, Denn was solcher lüst ist, bewegt
villeicht wenig leute, Aber weil du denn
ia den mam̄on vnd
narung so fast süchest. So sihe, doch
hie, wie viel vnd grosse güter Gott auff die schulen vnd gelerten gestifft hat, das du die lare vnd kün̂st, nicht von des armuts wegen
darffst verachten, Da sihe, keiser und
konige mussen Cantzeler, vnd schreiber, Rethe
Juristen vnd ge | [Bl. Fiijb] lerten haben, Kein furst ist er mus
Cantzeler, Juristen, Rethe gelerte vnd
schreiber haben, Also auch alle grauen, herr̄n̄, Stedte,
schlosser mussen Sindicos stat schreiber
vnd sonst gelerte haben Jst doch kein eddel
man, er mus einen schreiber haben, Vnd das ich von gemeinen gelerten
auch sage, Wo sind noch die bergwerck,
kauffleute, hantierer, zele doch, wie viele
sind, konige, fursten grauen herrn Stedte, vnd flecken &c̄. Wo
wil man vber drey iar doch gelerte,
leute nemen so alle bereit, hin vnd widder der mangel an fehet? Jch halt warlich, konige mussen
Juristen, fursten mussen Cantzler graüen
vnd herrn mussen schreiber, Burgermeister mussen kuster werden
[ 5 allerley c aus alles vmbgehen c aus vmgehen ynn steht über 〈mit〉 7 du rh 8 Gott rh 9 du 〈darumb〉 von des steht über 〈vmb des〉 10 verachten, 〈Vnd〉 11 Juristen rh mus 〈Juristen〉 13 mussen —haben rh 14/15 Vnd
—sage rh]
[Seite 566a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 566b
[Bl. 24a] Thut man hie zu nicht anders
bey zeit, So mussen wir Tattern vnd
Turcken werden, odder wird widderumb ein vngelerter Locat odder Baccchan̂t ein Doctor vnd Rat zu
hofe werden Darumb halt ich das nie kein
besser zeit gewesen sey zu studiern denn itzt, nicht allein des halben, das die kunst itzt so reichlich vnd wol feil
fur handen ist. Sondern auch, das gros
gut vnd ehre folgen mus, Vnd die so zu dieser zeit studiern, werden theure leute sein, da sich noch vmb einen
gelerten zween fursten vnd drey stedt
reissen werden, Denn du sihest ia vber dich odder vmb dich, so findestu, das vnzelige empter auff die gelerten warten
ehe noch zehen iar verlauffen, vnd doch
wenig sind, die darzu gezogen werden, Vnd ist nicht allein solch gros gut auff solche schulen vnd schuler von
Gott bestellet, Jst dazu auch ein
ehrlich Gottlich gut, Denn es wird verdienet, durch gottlichen ehrlichen stand, mit vielen herrlichen guten nutzlichen
wercken, die Gott gefallen vnd sein
dienst heissen Dagegen der geitz wanst sein gut mit verachten (sinds nicht auch Gottlose vnd sundliche werck) vnd mit
feindseligen wercken erwirbt, darinn er
kein frolich gewissen haben auch nicht sagen kan, das es Gotte gedienet
heisse Nu wolt ich ia lieber zehen
gulden ver dienen mit eym werck, das Gotts
[ 1 zu o 2 vngelerter rh 4 sey 〈zun〉 7 noch rh 8 du sihest ia steh
über 〈sihe doch〉 odder steht
über 〈vnd〉 8/9 so findestu, das vnzelige steht über 〈wie viel stuel vnd〉 9 ehe —verlauffen rh 10 doch o
die 〈daz〉 werden̂, 〈das macht der〉 solch rh 12 ein 〈erh〉 13/14 die —heissen rh]
[Seite 567a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 567b
dienst hiesse, denn [Bl. 24b] tausent gulden
mit eym werck, das nicht Gottes dienst
hiesse, sondern allein mein eigen nutz vnd Mammon were
Vber solchs ehrlich güt haben sie auch
ehre Denn Cantzeler Stadschreiber,
Juristen vnd das volck ynn seinen ampten, mus mit oben an sitzen, helffen raten vnd regieren, wie droben gsagt ist, vnd
sie sind mit der that die herrn auff
erden, obs sie es wol der Person, geburt vnd stands halben nicht sind, Den̂n̂ Daniel spricht Er habe des
konigs werck mussen thun Vnd ist auch
war, Ein Cantzler mus keiserlich, konigliche, furstliche werck odder
geschefft ausrichten Ein Stadschreiber mus
des Rats vnd der Stad werck thun, Vnd
das alles mit Gott vnd mit ehren, da zu Gott segen, gluck vnd heil
gibt Vnd was ist ein keiser, konig,
furst, selbs, wenn sie nicht kriegen sondern mit dem recht regiern Denn eitel schreiber odder
Juristen̂, so man nach dem werck
dauon redet?, Denn sie gehen ia mit dem recht vmb welchs ist ein
Jurisstisch vnd schreiberisch werck Vnd
wer regirt lan̂d vnd leute, wenn friede vnd nicht krieg ist? Thuns die reissigen odder
feld heubtleute? | Jch meine ia es thu
die schreibfedder, Was macht nu ynndes, der geitz wanst, mit seinem māmon? der zu solchen ehren nicht komet
[Bl. 25a] vnd beschmutzt sich die weil,
mit seinem rostfressigem gelde?
[ 1 denn 〈hun〉 2 allein rh 3 Stadschreiber, 〈vnd〉 11/12 sondern —regiern rh 12
so 〈du〉 man 〈das we〉 14 werck 〈Was macht die〉 15 feld rh]
[Seite 568a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 568b
Also rhumet der keiser Justinianüs
selbs oportet maiestatem imp̱atoriam, non solum
armis decoratam, sed et legibus armatā esse, Keyserliche maiestet (spricht er,) mues nicht allein mit harnsch
odder woffen gezieret sondern auch mit
rechten geharnscht odder gerustet sein, Da sihe, wie ebenteurlich verkeret dieser keiser seine wort, das er die rechte
nennet, seinen harnsch vnd woffen,, vnd
die woffen, nennet er seinen schmuck vnd zierde, wil seine schreiber auch zu kurisscher vnd krieger machen, Vnd ist
warlich fein geredt, Denn die recht sind
auch warlich der rechte harnsch vnd woffen, die land vnd leute, ia das reich vnd welltlich regiment erhalten, vnd
schirmen, wie droben gnugsam erzelet
ist, das weisheit besser sey denn macht, Vnd sind auch die frumen Juristen die rechten1 [.....] keiser vnd
fursten bew [.....] auch aus den poeten
vn [.....] aber es wird zü la [.....]
das ein armer m [.....] ne weisheit err [.....]
Nicht das [.....] [Bl. 25b] reissigen,,
vnd was zum streit gehoret, wolle
abgebrochen veracht odder verworffen haben, Sie helffen auch (wo | [Bl. Ga] sie gehorsam sind.) friede vnd alles
schutzen mit der faust Ein iglichs
[ 2 esse, r 3 mit 〈w〉 7 kurisscher c aus kurisschen
10 ist o die 〈Jur〉 11 die o 15 abgebrochen o 16
faust 〈ver〉]
[Seite 569a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 569b
hat seine ehre von Gott so wol, als seine
ordenūg vnd werck. Jch mus aber
mein handwerg auch ein mal preisen, weil mir die nachbarn, so vbel
geraten sind, vnd so veracht wil werden
gleich wie auch. S. Paulus sein ampt ymer
dar preiset, das ettliche meinen er thu zu viel, vnd sey hoffertig, Wer
die faust vnd kriegs leut loben vnd
ehren wil, der findet gnug, damit sie zu loben
sind, So hab ichs auch ynn andern buchlin (hoff ich) redlich vnd
weydlich gethan Denn es gefallen mir die
Juristen vnd schreiberlin̂ge auch nichts,
die sich also loben, das sie andere stende verachten odder spotten, als
weren sie es alleine, vnd tüchte sonst
nieman̂d ynn der wellt denn sie, wie die
schurlin̂ge bis her auch gethan sampt dem gātzen bapstum Man
sol alle stende vnd werck Gotts auffs
hohest loben, als man ymer kan, vnd keins vmb
der andern willen verachten, Denn es stehet geschrieben Confessio &
magnificentia opus ei9, Was Gott macht
das ist hubsch vnd fein vnd aber mal. ps
ciiij, Gott gefallen seine werck wol Vnd sonderlich [.....] leuten, vnd Schul [.....] Elter den kindern, solche
[.....] einbilden, das sie wol [.....]
empter Gottes heissen [.....] d,
[ 1 Gott 〈vnd seine we〉 aber steht über 〈itzt〉 2 Unter mal steht 〈wenig〉 3 vnd —werden rh ampt 〈offt〉 5 vnd ehren o 7 Juristen vnd o
8 das —spotten rh 9 vnd steht über 〈als〉 9/10 wie —bapstum rh 15 vnd 〈kna〉 16 heissen steht über 〈sind〉]
[Seite 570a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 570b
Wenn sie es denn [.....] chten, spotten noch
[.....] sampt ehren [.....] gefellt Gott
wol [Bl. 26a] vnd dienet zu fride vnd
einigkeit, Denn Gott ist ein grosser herr, hat mancherley hausgesinde
Widderumb findet man auch ettliche
Scharrhansen, die sich lassen duncken,
der name Schreiber sey kaum werd, das sie yhn nennen odder horen
sollen, Wolan, da kere dich nicht an,
dencke also, die guten gesellen mussen auch
ettwa eine kurtzweile vnd lust haben. So lass doch diese lust sein, Du
bleibst dennoch wol ein schreiber fur
Gott vnd der wellt, wenn sie lange scharren,
so sihestu dennoch das sie die fedder auffs aller hohest dagegen ehren,
setzen sie oben aüff hut vnd hellm, als
solten sie mit der that bekennen, das die
fedder sey das oberst ynn der wellt, on welche, sie auch nicht gerust
zum streit noch ym friden daher gehen
kün̂dten,
viel weniger so sicher scharren, Denn
sie mussen auch, des frides brauchen, den des keisers prediger vnd lerer
die Juristen leren vnd erhalten, Darumb
so sihestu, das sie vnsers handwergs
zeug die lieben fedder zu oberst setzen, (vnd billich) da sie yhrs hand
wergks zeug, das schwert vmb die lenden
gurten da hen̂gets auch fein vnd wol zu
[ 3 hausgesinde, 〈vnd keines nicht vnehrlich von yhm〉 7 doch o
lust o 9 dagegen c aus dagen 10 oben rh die 〈st〉 11 gerust steht über 〈gepu〉 12 noch ym steht über 〈da mit〉 daher o 13 prediger steht über 〈Apostel〉 vnd lerer steht über 〈vnd Engel〉 13/14 die Juristen stand
ursprünglich hinter den lerer 〈prediger vnd〉 15 (vnd billich) rh 16 vmb
steht über 〈auff〉]
[Seite 571a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 571b
yhrem werck Auff den kopff stund es nicht wol,
da mus die fedder schweben haben sie
gesundigt an dir, wolan so bussen sie hie mit vnd sollts yhn vergeben
Doch weil ich so eben drauff kome (das
die schreiberey so feindselig ist bey
vielen, Hansen, [Bl. 26b] Denn sie wissen, odder achtens nicht, das ein Gottlich ampt vnd werck ist, Sehen auch
nicht, wie nott vnd nutz es der wellt
sey, Vnd wenn sie es (. da Gott für sey .) sehen wurden, so were es mit
allen sachen zu lange geharret, So soltu
also thun, Las sie faren, vnd sihe dich
umb n̂ach feinen frumen eddel leuten, als graue Gorge von Werdheim
seliger Herr Hans von schwartzenberg
Herr George von fronsberg vnd der gleichen
seligen. Jch wil der lebendigen schweigen An den selbigen labe vnd
troste dich, vnd dencke, Gott ehret vmb,
eines mannes Lot willen die gantze stad
zoar vnd vmb eines Naaman willen das gantz land Syria vnd vmb eines Jossephs willen das gantz konigreich Egypten,
Warumb woltestu nicht auch den gantzen
adel ehren vmb vieler redlicher eddel leute willen, der du on zweiuel viel fur dir hast, vnd wenn du dieselbigen
ansihest, mustu dencken, Es sey
[ 2/3 haben —vergeben rh 4 Doch steht
über 〈Vnd〉 das steht
über 〈denn〉 5 Hansen, 〈weil〉 6 ist o 9/11 als —schweigen rh 12 Lot rh die steht über 〈ein̂e〉 13 zoar o eines (1.) rh das steht über 〈ein〉 Syria o eines (2.) rh 16 du 〈sie〉 dencken, 〈Sie sind Es〉]
[Seite 572a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 572b
kein boser mehr da, Wie keme der schone baum
der liebe Adel dazu, das nicht auch
vnzeitige fruchte dauon fallen, vnd ettliche nicht auch wormstichig odder wartzicht sein solten, Der baum ist drumb
nicht verdampt noch bose,
Also thun die [Bl. 27a] kinder Gottes,
Denn Gott selbs verschonet dem gantzen
menschlichem geschlecht vmb eines menschen willen, der Jhesus Christus heisst Solt er die menschen ansehen allein so
were eitel zorn da Doch sol predigampt
vnd wellt lich oberkeit solchs nicht thun das sie kein boses wolten achten noch ansehen Denn die sollen die bosen
straffen ihen̂es mit dem wort, dis
mit dem schwert, Jch rede itzt mit ein̂tzelen personen, als mit
Christen̄, das sie lernen sollen
vnterscheiden, was Gottes werck sey, vnd was menschen bosheit sey, Es sind ynn allen Gottlichen
ampten vnd stenden viel boser menschen
Aber der stand ist vnd bleibt dennoch gut, wie hoch auch die menschen des missbrauchen, Man̂ findet
viel boser weiber, viel falscher knecht,
viel vntrewer meg | [Bl. Gijb] de, viel schedlicher amptleute vnd Rethe,
Aber nichts deste weniger, ist frawen
stand, kn̂echt vnd magd stand vnd alle ampt gleichwol, Gottes stifft, werck vnd ordnūg, die
sonne bleibt gut, ob wol die gantze wellt
[ 1 boser 〈vn〉 2 fruchte 〈herab〉 dauon 〈vielen〉 fallen rh 3 sein steht über 〈vor〉 solten 〈sein〉 bose, 〈So thet ihene frume fraw, die einen bruder ym kloster
hatte vnd sprach vmb des munchs willen bin ich allen munchen gonstig, Man sol
vmb eines frumen weibs willen alle weiber ehren, vmb einer iungfrawen willen
allen Jungfrawen schonen, Das sind〉 6 Solt rh er c aus Wer allein o zorn 〈da doch sol predigampt〉 da o 7/8
das —ansehen rh 8 straffen die bosen um 9 itzt 〈von〉 mit (2.) o 11 Gottlichen —vnd rh 12
hoch steht über 〈fast〉 13 missbrauchen, 〈Viel boser〉 16 ordnūg 〈vnd ein r〉]
[Seite 573a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 573b
derselbigen missebraucht, einer zu rauben,
einer zu morden einer dis, der ander das
vbel aus zurichten, Vnd wer kundte ettwas vbels thun?, wo yhm die sonne nicht dazu leuchtet, die erde truge vnd
erneerete, die lufft erhielte Vnd Gott
selbs yhn so behuetet? Es heisst vnd bleibt Omīs Creatura [Bl. 27b] subiecta est vanitati, Sed non volens Ro. 8.
Es meinen wol ettliche, das
Schreiberampt sey ein leicht geringe ampt,
Aber ym harnissch reiten hitz frost, staub, dürst vnd ander vngemach
leiden, das sey eine erbeit,, Ja das ist
das allte gemein teglich liedlin̂, das keiner sihet, wo den andern der schüch druckt,
Jderman fulet allein sein vngemach, vnd
gaffet auff des andern gut gemach., War ists, Mir were es schweer ym harnissch zu reiten, Aber Jch wolt auch gern
widder umb den reuter sehen, der mir
kundte einen gantzen tag still sitzen vnd ynn ein buch sehen, wenn er schon nichts sorgen, tichten, dencken, noch
lesen solt, frage einen Cantzel schreiber,
prediger vnd Redener, was schreiben vnd reden fur erbeit sey, frage
einen Schulmeister, was leren vnd knaben
zihen fur erbeit sey, Leicht ist die schreibfedder, das ist war, ist auch kein han̂dzeug
vnter allen hand wercken bas zu erzeugen
denn der schreiberey, denn sie bedarff allein der gen̂se fittich, der
man vmbsonst allenthalben gnug findet
Aber es mus gleich wol das beste stucke
[ 1 einer zu (2.) o 3 erde 〈ernee〉 4 behuetet c aus behueten 7
reiten 〈vnd〉 hitz 〈vnd〉 8 ist 〈aller〉 gemein
teglich rh 10 andern 〈gemach〉 Mir 〈ists en〉 11 Aber 〈so〉 12 gantzen rh still sitzen vnd rh 13 schon 〈solt〉 14 prediger rh 17 gen̂se 〈fe〉 der (2.) c aus die 18 wol o stucke 〈am menschen〉]
[Seite 574a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 574b
(als der kopff.) vnd das edleste gelied (als
die zunge) vnd das hohest werck (als die
rede) so am menschlichem leibe sind, hie her halten vnd am meisten erbeiten, da sonst bey andern entweder, die
fausst, fuß, rucken odder der gleichen
glied allein erbeiten vnd konnen da [Bl. 28a] neben frolich singen vnd
frey schertzen, das ein schreiber wol
lassen mus, Drey finger thuns (sagt man von
schreibern) Aber gantz leib vnd seel erbeiten dran
Jch hab von dem loblichen theuren
keiser Maximilian horen sagen,, wenn die
grossen Hansen drumb murreten, das er der schreiber so viel brauchte zu Bottschafften vnd sonst, das er sol gesagt
haben Wie sol ich thun? Sie wollen sich
nicht brauchen lassen, so müs ich schreiber dazu nemen? Vnd weiter, Ritter kan ich machen, Aber doctor
kan ich nicht machen, So hab ich auch
von einem feinen Eddel man gehoret das er sagt, Jch wil meinen son lassen studiern Es ist nicht grosse kunst,
zwey beyn vber ein ros hen̂gen vnd
reüter werden das hat er mir bald gelernt, vnd ist fein vnd wol geredt Das wil ich aber mal nicht zu verachtung des
reissigen standes noch einiges
[ 2 her halten vnd rh 3 bey andern
r fausst steht über 〈fausst〉 odder steht über 〈vnd〉 4 glied o frey o 5/6 Drey —dran rh Schon Bl. 27b
unten steht, aber wieder durchgestrichen: Drey finger thuns (spricht man von
schreibern) Aber leib vnd seel erbeiten 7 dem —theuren rh 9 Wie 〈w〉 10 nemen? 〈W〉 11 weiter, 〈Jch wil bald〉 kan ich (1.) steht über 〈gnug〉 doctor 〈vnd ge r 〉 12 gehoret 〈d〉 13 Es —kunst steht über
<Darnach 〈wil〉 sol er mir bald gnug lernen> 14 vnd (2.) steht neben 〈Das〉, 〈Das〉 über 〈Vnd〉 15 aber 〈z〉 standes 〈die nichts denn yhr〉 einiges c aus einigen]
[Seite 575a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 575b
andern sondern wider die losen scharrhansen
gesagt haben, die alle lere vnd kunst
verachten vnd nichts rhumen konnen, denn das sie harnissch füren vnd zwey bein vber ein roß hengen wie wol sie
solchs selten thun müssen, vnd dafur,
das gantze iar, gemach, lüsst, freude, ehre vnd guts gnüg haben (Es ist wol war, kunst ist leicht zu tragen (sagt
man) vnd harnisch schwerer | zu tragen,
Aber widderumb ist harnisch bald gelernt, Aber [Bl. 28b] kunst ist nicht bald gelernt, vnd nicht leicht zu vben
vnd zü brauchen̂
Vnd das ich dieses gewesschs ein mal
ein ende mache, So sollen wir Wissen,
das Gott ein wünderlicher herr ist, Sein handwerck ist, aus bettler HERRN machen gleich wie er aus nichte alle
ding macht Solch handwerck wird yhm
niemand legen noch hindern, Er lessts gar herrlich ynn aller wellt von sich singen p̄s̄. 112. Wer ist
wie der HERR, der so hoch sitzt vnd so
tieff hernidder sihet? Der den gerin̂gen auffricht aus dem staube,
vnd erhohet den armen aus dem kot das er
yhn sitzen lasse vnter den fursten, ia vnter
den fursten seines volcks, Sihe dich vmb, ynn aller konige vnd fursten
hofe vnd ynn Stedten vnd pfarhen was
gillts, ob nicht dieser psalm mit vielen
starcken exempeln drinnen regieret?, da wirstu finden, Juristen,
doctores,
[ 1 gesagt haben stand ursprünglich
hinter 574, 15 standes 2 nichts 〈zu〉 rhumen 〈konnen〉 2/3 vnd (2.) —hengen rh 7 zü o
10 gleich —Solch rh 〈das〉 hand werck 16 vnd (1.)
—pfarhen rh 16/17 mit —exempeln rh 17 wirstu 〈gemeiniglich〉]
[Seite 576a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 576b
Rethe, Schreiber prediger die gemeiniglich arm
gewest, vnd ia gwislich allzumal schüler
gewest sind, vnd durch die fedder so empor geschwungen vnd aüff geflogen, das sie herrn sin̂d, wie dieser Psalm sagt, vnd,
wie die fursten, land vnd leute regiern
helffen Gott wills nicht haben, das geborne konige, fursten, herrn vnd Adel, sollen allein regiern vnd
herrn sein, wil auch seine Bettler da
bey haben, Sie dechten sonst, die eddel geburt macht alleine herrn vnd regenten, vnd nicht Gott alleine.
[Bl. 29a] Man spricht vnd ist die
warheit, der Bapst ist auch ein schuler
gewest. Darumb verachte mir nicht die gesellen, die fur der thür panem
propter Deum sagen vnd den brot reigen
sin̂gen Du
horest (wie dieser psalm sagt,) grosse
fursten vnd herrn sin̂gen Jch bin auch ein solcher parteken
hen̂gst gewest vnd hab das brot fur
den heusern genomen sonderlich zu Eisenach ynn
meiner lieben stad, wie wol mich hernach mein lieber Vater mit aller
lieb vnd trew, ynn der hohen schulen zu
Erffort hielt, vnd durch seinen sauren
schweis vnd erbeit, dahin geholffen hat, da ich hin komen bin, Aber
dennoch bin ich ein parteckenhengst
gewest Und nach diesem psalm, durch die schreib
fedder so fern komen̂, das ich itzt nicht wolt mit dem Turckisschen
keiser beüten, das ich sein gut solt
haben vnd mein̂er kunst emperen, Ja ich wolt der wellt
[ 1 prediger rh gemeiniglich 〈sind sehr〉 2 schüler 〈vnd schreiber〉 3 die o 5 sein 〈..〉 auch 〈Bett〉 12 hab o
genomen rh 13 wol 〈wol〉 lieber rh
14 hielt c aus erhielt 15 da steht über 〈das〉 16 ich 〈auch〉 schreib rh]
[Seite 577a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 577b
gut, viel mal geheufft, nicht dafur nemen, Vnd
were doch on zweiuel nicht dahin komen,
wo ich nicht ynn die schule vnd ynns schreiber handwerck were geraten
Darumb las deinen son getrost studirn,
vnd solt er auch die weil nach brot
gehen, So gibstu vnserm herr Gott, ein feines holtzlin, da er dir einen herrn aus schnitzen kan, Es wird doch da bey
bleiben, das dein vnd mein son, das ist
[Bl. 29b] gemeiner leute kinder, werden die wellt mussen regiern beide ynn geistlichem vnd welltlichem stande, wie
dieser psalm zeüget, Denn die reichen
geitz wanste konnens vnd wollens nicht thun, Sie sind des Mammon Cartheuser vnd munche, des mussen sie tag vnd
nacht warten So vermugens die gebornen
fursten vnd herrn alleine nicht, Vnd sonderlich vermugen sie | das geistlich ampt gar nichts bestehen, Also mus
wol beide regiment auff erden bleiben
bey den armen mittel messigen vnd gemeinen leuten vnd bey yhren kindern
Vnd kere dich n̂ichts dran, das
itzt der gemeine geitz wanst, die kunst so
hoch veracht, vnd sprechen Ha, wenn mein son deudsch schreiben, lesen
vnd rechen kan, so kan̂ er gnug,
Jch wil yhn zum kauffman thun, Sie sollen
[ 1 dafur r 2 ynn —vnd rh ynns steht über 〈ynns〉 2/3 were 〈komen〉 geraten rh 5 feines rh dir o 9 reichen 〈gitz〉 Sie steht über 〈Es〉 10 Cartheuser vnd rh munche, 〈dem dien〉 12 gar rh bestehen steht über 〈versorgen〉 beide steht über 〈das〉 13 mittel messigen rh 15 das 〈ist〉 wanst, 〈seine〉 16 son 〈sch〉]
[Seite 578a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 578b
ynn kurtz, so koerre werden, das sie einen
gelerten, gern̂ aus der erden zehen
ellen tieff mit den fingern gruben, Denn der kauff man sol mir nicht
lange kauff man sein, wo die predigt vnd
Recht fallen, das weis ich fur war, Wir
Theologen vnd Juristen, mussen bleiben, odder sollen allesampt mit vns
vntergehen, das wird mir nicht feylen,
Wo die Theologen wenden, da wendet Gottes
wort, vnd bleiben eitel heiden, ia eitel teuffel, Wo die Juristen
wenden, da wendet das Recht sampt dem
friede vnd bleibt eitel raub, mord, freuel
vnd gewallt ia eitel wilde thiere, [Bl. 30a] Was aber der kauffman
werben vnd gewinnen wird, wo der friede
wendet, das wil ich yhm als denn sein
register sagen lassen̂ Vnd wie nutze yhm als denn alle sein gut
sein wird, wo die predigt fellet, des
sol yhm sein gewissen wol zeigen̂
Vnd ist ynn sonderheit verdrieslich,
das solche vngeschliffen vnchristliche wort
die reden, so gantz Euangelisch sein wollen, wissen yderman zu mei |
[Bl. H 1a] stern vnd zu vberschreien mit
der schrifft, Vnd gon̂n̂en die weil weder Gott selbs noch yhren eigen kindern, so viel ehre odder
guts, das sie die selbigen zur schulen
zogen, damit sie zu solchen herrlichen Gottlichen stenden, Gott vnd der
[ 5 nicht steht über 〈auch〉 6 ia —teuffel rh 7 sampt
—friede rh 8 gewallt 〈vn〉 8/9 werben vnd o 12 ynn sonderheit c aus sonderlich vngeschliffen vnchristliche rh 14 weil 〈widder〉 selbs o 15 kindern 〈selbs〉 16 Gottlichen rh]
[Seite 579a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 579b
wellt zu dienen, komen mochten, die sie doch
gewis fur augen sehen, gestifft, bereit
vnd wol versorget mit gut vnd ehren Sondern wenden sie dauon vnd stossen sie ynn des Mammon dienst, da sie
doch nicht gewisses fur augen haben dazu
voller fahr, beide, leibs, guts vnd der seelen sein mussen vnd vber das da nicht ein Gottes dienst ist noch sein kan,
Hie sollt ich auch erzelen, wie viel
gelerten man haben mus, ynn der ertzney
vnd andern freyen kün̂sten Von welchen beiden stucken wol ein gros buch zu schreiben vnd ein halb [Bl. 30b] iar
dauon zu predigen were. Wo wolten
prediger vnd Juristen vnd Ertzte her komen, wo nicht die grammatica vnd ander rede kunste fur handen weren?, Aus
diesem brunn, mussen sie alle her
fliessen, Aber es wil mir itzt zu lang vnd zu viel werden, Das sage ich kurtzlich Einen vleissigen frumen
schulmeister, odder magister, odder wer es
ist der knaben trewlich zeucht vnd leret, dem kan man nimer mehr
gnug lohnen, vnd mit keinem gelde
bezalen, wie auch der heide Aristoteles sagt.
Noch ists bey vns so schendlich veracht, als sey es gar nichts Vnd
wollen dennoch Christen sein Vnd ich,
wenn ich vom predig ampt vnd andern sachen
ablassen kundte . odder muste. So wolt ich kein ampt lieber haben, denn
[ 1 mochten, 〈Vnd stoss〉 2 mit —ehren rh 3 haben, 〈vnd〉 4 dazu 〈d .. o〉 beide c aus beides sein mussen steht über 〈ist〉 5 da o kan, 〈sondern〉 8 schreiben steht unter 〈machen were〉 12 odder (1.) 〈artiū〉 12/13 odder (2.) —ist rh 13
trewlich rh 15 vns 〈Christen〉 gar o 15/16
Vnd —sein rh]
[Seite 580a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 580b
Schulmeister odder knaben lerer sein. Denn ich
weis, das dis werck, nehest dem predig
ampt das aller nutzlichst, grossest vnd beste ist, Vnd weis dazu noch nicht, welchs vnter beiden das beste
ist, denn es ist schweer alte hunde
bendig vnd allte schelcke frum zu machen, daran doch das predig ampt
erbeit, vnd viel vmbsonst erbeiten mus,
Aber die iungen bewmlin kan man besser
biegen vnd ziehen, ob gleich auch ettliche druber zu brechen Lieber lass
es der hochsten tugent eine sein auff
erden frembden leuten yhre kinder trewlich
zihen, welchs gar wenig vnd schier niemand thut an seinen eigenen
Das aber die ertzte herrn sind, das
sihet man fur augen wol, Vnd das man yhr
auch nicht emperen kan̂, leret die erfarung wol, Das [Bl. 31a] es
aber der wellt ein nutzlicher
trostlicher, heilsamer stand, dazu ein angenemer Gottes dienst sey, von Gott geschaffen vnd gestifft,
gibt nicht allein das werck an yhm
selber, Sondern zeugt auch die schrifft Eccci 38. da schier ein gantz Capitel von den̂ ertzten daher rhumet. Vnd
spricht Du solt den artzt ehren, denn
man kan sein nicht geraten, Vnd Got hat yhn gestifft, Denn alle ertzney
ist von Gott, die kunst des artztes
bringt yhn zu ehren, vnd er wird fur den
grossen herrn werd gehalten, Gott hat die ertzney aus der erden
geschaffen, vnd kein vernunfftiger mensch
ist, der sie veracht, Denn gleich wie zur zeit
[ 3 Nach denn fuhr Luther ursprünglich
fort: aus den alten schelcken, dann: allte schelcke sind bose 10 es steht über 〈sie〉 11 der c aus des stand steht über 〈sein〉 15 geraten, 〈So hat〉 Vnd Gott rh hat o 16 zu 〈grossen̂〉 er o]
[Seite 581a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 581b
Mose, das bitter wasser vom holtz susse ward
Also hat er wollen auch hierin den
menschen kund thun, was ertzney vermag, Vnd hat solche kunst darumb auch den menschen gegeben, das man seine
wunder preisen solle, Denn hiemit kan
der artzt, allerley schmertzen lindern, vnd viel susser guter confect
machen, vnd salben zurichten, dauon die
krancken gesund werden, vnd solcher seiner werck ist kein zal &c̄.. Wolan es ist
mir itzt zu viel, die prediger konnen alle
diese stuck wol reichlicher ausstreichen vnd den leüten einbilden was
schadens vnd nutzs sie hie schaffen
konnen der gantzen wellt vnd vnsern nachkomen
besser denn ichs schreiben̂ kan̂
[Bl. 31b] Jch wills hie lassen bleiben,
Vnd einen iglichen, der hie zu helffen
kan, trewlich vermanet vnd gebeten haben, Denn gedenck doch selbs, wie viel guter dein Gott dir vmbsonst gegeben
vnd noch teglich gibt, nemlich leib vnd
seel, haus, hoff, weib vnd kind, dazu welltlichen friede, dienst vnd brauch aller seiner Creatur ym himel vnd
erden, Vber das alles, auch das
Euangelion vnd predig ampt, tauffe, sacrament vnd den gantzen schatz
seines sons vnd seines geists, nicht
allein on dein verdienst Sondern auch on deine kost vnd muhe Denn du darffest itzt weder schulen
noch pfarhen erneeren, wie du doch nach
dem Euangelio wol schuldig werest Vnd du soltest noch ein solcher verfluchter vndanckbar schelm
sein̂, das du nicht woltest ein kind daher
[ 1 das 〈holtz〉 4 Nach allerley schrieb Luther
erst: schmertzen, dann: kranckeit, endlich wieder: schmertzen 6 ist (2.) o 7/8
was —nachkomen rh 11 gedenck doch steht über 〈rechen du〉 12 vmbsonst 〈teglich〉 13 dienst rh]
[Seite 582a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 582b
geben, das zu solchen gaben Gottes zu erhalten
erzogen wurde, Alles vnd alles vmbsonst
haben, vnd nicht ein tropfflin danck erzeigen, sondern Gottes reich vnd der seelen heil lassen vntergehen
vnd helffen zu boden stossen,
Sollt Gott hieruber nicht zornig
werden? Sollt nicht theurzeit komen?
Solt nicht Pestilentz vnd Schweis, frantzosen vnd ander plagen vns finden? Solten nicht verblendte, leute, wilde
wuste tyrannen regiern?, Sollt nicht
krieg [Bl. 32a] vnd hadder entstehen? Solt nicht bose regiment ynn deudschen landen werden? Solt nicht Turck vnd
Tattern vns plundern? Ja es were nicht
wünder, das Gott beide thur vnd fenster ynn der hellen auff thet, vnd liesse vnter vns eitel teuffel
schneyen vnd schlacken, , odder liesse vom
himel regen schwefel vnd hellisch feur vnd versenckt vns alle sampt ynn
ab grund der hellen,, wie Sodoma vnd
Gomorra, Denn hette Sodoma vnd Gomorra,
so viel gehabt, so viel gehoret odder gesehen, Sie stunden freylich noch
heutigs tags Denn sie sind das zehend
teil nicht so bose gewest, als itzt deudsch
land ist, Denn sie haben Gottes wort vnd predig ampt nicht gehabt,
So haben wirs vmbsonst vnd stellen vns,
als die da wolten das beide Gott, sein
[ 1 solchen 〈dinge〉 2/3 Gottes —heil rh 3 stossen,
〈Solt Go〉 7 nicht (1.) 〈Turck〉
Am Fuß von Bl. 31b steht noch 〈Solt nicht〉 10 liesse (1.) 〈ve〉 11 ab o 13/14 heutigs tags rh
15 ist, 〈das〉 16 vmbsonst rh]
[Seite 583a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 583b
wort, alle zucht vnd ehre vntergieng, Vnd zwar
fahen die rotten geister mit Gotts wort
vnter zu drucken redlich an, So greiffts der adel vnd die reichen auch weidlich an zucht vnd ehre zu stortzen
auff das wir leute werden wie wir
verdienet haben
Denn das wir das Eüangelion vnd p̄digampt, haben, was ists
anders, denn blut schweis vnsers herr̄n̄? Er hatts ia durch seinen
engstlichen blutigen schweis, erworben,
durch sein blut vnd Creutz verdienet vnd vns geschenckt, ha |[Bl. J 1a] bens gar vmbsonst vnd nichts
drumb gethan noch gegeben [Bl. 32b] Ach
herr Gott, wie hertzlich bitter vnd saur ists yhm worden? Wie freundlich vnd gern hat ers dennoch gethan? Wie viel
haben die lieben Apostel vnd alle
heiligen druber gelitten, auff das es bis auff vns komen mochte? Wie viel sind zu vnser zeit druber getodtet? Vnd
das ich mich auch rhume, wie manch mal
hab ich den tod druber mussen leiden, vnd ist mir auch, so hertzlich saur worden vnd noch wird, auff das ich
meinen deudschen hierinn dienet, Aber
alles nichts gegen dem, das Christus Gottes son vnser liebes hertz dran gelegt hat Vnd sol nü nicht anders damit
verdienet haben bey vns den̂n̂ das etliche solch
sein theur erworben ampt verfolgen, verdamnen lestern vnter
[ 2 So greiffts steht über 〈Vnd〉 3 auch weidlich an stand
ursprünglich hinter stortzen 6 denn 〈d〉 8 gar u 15 liebes rh hertz 〈vnd heil〉 〈leben〉 16 nü o 17 sein theur erworben
rh]
[Seite 584a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 584b
alle teufel hinuntern Die andern aber, die
hand abzihen, weder Pfarher noch
p̄diger neeren noch ettwas dazu geben, das doch er halten würde, Vber das, die kinder auch daǔon wenden, auff
das solch ampt ia bald zü boden gehe,
vnd Christus blut vnd marter vmbsonst sey, Vnd dennoch sicher dahin gehen, kein gewissen kein rew noch leid fur
solche hellische vnd mehr denn hellische
vndanckbarkeit vnd viel vnaussprechliche sunde vnd laster, haben, kein furcht noch schew fur Gottes zorn, kein lust
noch liebe zu dem lieben Heilande, fur
sein saur schwere marter, erzeigen Sondern wollen mit solchen
schrecklichen greweln dazu noch gut
Euangelisch vnd Christen sein
[Bl. 33a] Wenns so sol ynn deudschen
landen gehen, | [Bl. J 1b] So ist mirs
leid, das ich ein deudscher geborn bin odder yhe deudsch geredt odder
geschrieben habe Vnd wo ichs fur meinem
gewissen thun kundt, wolt ich widder dazu
helffen vnd raten das der Bapst mit allen seinen greweln widder vmb
vber vns komen muste, vnd erger drucken,
schenden vnd verderben, denn zuuor ye
geschehen ist. Vorhin da man̂ dem teufel dienete vnd Christus blut
schendete da stunden alle beutel offen
vnd war des gebens zu kirchen, schulen vnd allen greweln kein̂ masse, da kundte man
kinder ynn kloster stifft, kirchen, schulen,
[ 1 hand 〈ha〉 2 doch o 3 auff das steht über
〈das sie nicht〉 4 sey, 〈wollen〉 5 gewissen kein rh 8/9 wollen —greweln rh 12 fur steht
über 〈mit fur〉 15 vnd —schendete rh 16 vnd (1.) 〈was〉]
[Seite 585a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 585b
treiben, stossen vnd zwingen mit vnsaglicher
kost, das alles verloren war, Nu man
aber rechte schulen vnd rechte kirchen sol stifften, ia nicht stifften, sondern allein erhalten ym gebew, Denn Gott hatts
gestifftet vnd gnug dazu geben, auch zu
erhalten vnd wir wissens, das Gotts wort, ist vnd das es die rechte kirche gebawet heist, Christus blut vnd
marter geehret, da sind alle beutel mit
eisern kethen zu geschlossen, da kan niemand zu geben Vnd vber das, auch die kinder dauon reissen vnd yhn nicht
gonnen, das sie doch von der kirchen (da
wir nichts zu geben.) erneeret wurden vnd zu solchen heilsamen emptern, darinn sie doch auch zeitlich, on yhr zuthun,
versorgt sin̂d, komen mochten Gott
zu dienen, Christus blut vnd marter zu ehren vnd zu erhalten, Sondern stossen sie lieber dem Mammon ynn den rachen,
vnd tretten Christus blut [Bl. 33b] die
weil mit füssen, vnd sind dennoch gute Christen
Jch bitte Gott, vmb ein gnedigs
stündlin, das er mich von hińǹen
neme, vnd nicht sehen lasse den iamer,, so vber deudsch land gehen
mus, Denn ich hallt, wenn zehen Mose
stunden vnd fur vns betten, so würden sie
nichts ausrichten, So fule ichs auch, wenn ich fur mein liebes deudsch
land beten wil, das mir das gebet zu
ruck prallet vnd wil nicht hinauff dringen,
[ 1 war steht über 〈ist〉 2/4 ia —erhalten rh 4 wir
o das es o 5 Christus —geehret rh
6 eisern rh 7 reissen 〈ob sie gern〉 gonnen yhn
nicht um 8 wir steht über 〈sie〉 heilsamen
rh 9 mochten steht über 〈vnd〉 10 zu (1.) o
zu (2.) o 11 sie 〈de〉 den 〈hal[s] 〉]
[Seite 586a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 586b
wie es sonst thut, wenn ich fur ander sachen
bitte, denn Es wil werden, Das Gott wird
Lot, erlosen vnd Sodoma versencken, Gott gebe, das ich liegen musse vnd In disem stucke ein falscher
prophet sey, Welchs geschehen wurde, so
wir vns besserten vn̂d vnsers herrn Wort vnd sein theures blut vnd
sterben anders ehreten,, denn bis her
geschehen, vnd dem iungen volck zu den Gottlichen ampten (wie gesagt ist.) hulffen vnd erzogen
Jch halt aber, das auch die oberkeit
hie schuldig sey die vnterthanen zü
zwingen, yhre kinder zur schulen zu halten̂ sonderlich die, dauon droben
gesagt ist. Denn sie ist werlich
schuldig, die obgesagten empter vnd stende zu erhalten, das prediger, Juristen, Pfarher, Schreiber,
Ertzte, Schulmeister vnd der gleichen
bleiben Denn man kan der nicht emperen kan sie die vnterthan zwingen,
so da tuchtig dazu [Bl. 34a] sind das
sie mussen spies vnd buchsen tragen, auff
die mauren lauffen vnd anders thún wenn man kriegen sol. Wie viel
mehr kan vnd sol sie hie die vnterthan
zwingen, das sie yhre kinder zu schulen halten,
weil hie wol ein erger krieg fur han | [Bl. J ijb] den ist mit dem
leidigen teuffel, der damit vmb gehet,
das er Stedte vnd fursten | thum wil so heimlich aussaugen vnd von tuchtigen personen leer machen, bis
er den kern gar aus geboret, eine ledige
hulsen da lasse stehen von eitel vnnutzen leuten da er mit
[ 3 Jn disem stucke a sch 4 vns 〈hierin vnd son〉 5 dem stet über 〈das〉 6 ist.) 〈zogen〉 7 auch o 11 bleiben o 12 tragen 〈zur zeit des〉 12/13 auff — thun rh 15 mit
steht über 〈mit〉 18 von —leuten rh]
[Seite 587a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 587b
spielen vnd gaugeln konne, wie er wil, Das
heisst freylich eine Stad odder land,
ausgehungert, vnd on streit, ynn sich selbs verderbt, ehe man sich vmbsihet. Thut doch der Turck wol ein anders, vnd nimpt
das dritte kind ynn seinē gantzen
reich, vnd zeuchts wo zu er wil. Wie viel mehr solten vnser herrn
Das kind nicht genomen, sondern zu
yhrem besten, vnd zu gemeinem nutz erzogen wurde, zu dem ampt, da
yhm gnug geben wird
Darumb wache hie, wer wachen kan Die oberkeit
wo sie einen tuchtigen knaben sihet das
sie den zur schulen halten lasse Jst der Vater arm, so helffe man mit kirchen gutern dazu Hie sollten die
reichen yhre testament zu geben wie denn
die gethan haben, die ettliche stipendia gestifft haben, das hiesse recht zur kirchen dein̂ gellt bescheiden, Hie
losestu nicht der verstorbenen seelen aus
dem fegfeur, Sondern hilffest, durch erhaltung der Gottlichen empter,
beide den lebendigen vnd den
zukunfftigen die noch nicht geborn sind, das sie nicht hinein yns fegfeur komen, ia das sie aus der
hellen [Bl. 34b] erloset werden vnd gen
himel faren vnd den lebendigen, das sie friede vnd gemach haben, Das moecht ein loblich Christlich testament
sein. da hette Gott lust zu vnd gefallen
dran Vnd wurde dich widderumb segen vnd ehren, das du auch lust
[ 3/7 Thut —geben wird steht auf dem
untern Rande von Bl. 33b und 34a nachgetragen 4 wil. 〈Aber〉 4/5 vnser herrn steht über 〈?〉 5 Nach herrn eine Zeile vom
Buchbinder weggeschnitten 6 wurde, 〈ynn〉 12 der verstorbenen rh 13 der steht
über 〈des〉 beide rh 15
sie o 16 vnd (1.) 〈ynn〉 17 moecht steht am Rande rechts neben 〈mag〉]
[Seite 588a]
[[Eine Predigt Mar Luther, Pfarherrn
und predigern, die Christum mit trewen meinen Martinus Luther]] 588b
vnd freude an yhm haben wurdest, Wolan yhr
lieben, deudschen, Jch habs euch gnug
gesagt yhr habt ewrn Propheten gehort, Gott gebe vns. das wir seinem Wort folgen zu lob vnd danck vnserm
lieben herrn, fur sein theurs blut fur
vns so mildiglich dargestreckt, Vnd behuete vns fur dem grewlichen laster, der vndanckbarkeit vnd vergessung
seiner wolthat Amen
[ 3 seinem Wort rh folgen 〈zu seinem lob vnd ehre ynn ewigkeit Amen〉 4 so mildiglich rh]
[Seite 522b]
[Seite 522b] [Eine Predigt Mar Luther,
das man kinder zur Schulen halten solle] 522a
Dr] [Bl. B 1] Allen meinen lieben herrn
und freunden,
Pfarherrn̂ und Predigern, die
Christum mit trewen meinen,
Martinus Luther.
Gnad und friede inn Christo Jhesu
unserm Herrn.
Mein aller liebsten herrn und freunde,
jhr sehet fur augen, wie der leidige
Satan jtzt uns zu allen seitten beide mit gewalt und list manichfeltiglich angreifft und alle plage an
legt, auff das er das heilige Euangelion
und Gottes reich verstoere odder, wo ers nicht verstoren kan, doch jnn alle wege hindere und wehre, das ja nicht
fort gehe odder uberhand kriege. Unter
welchen seinen tuecken dis fast der groessesten (ists nicht gar das
groessest) einer ist, da er den gemeinen
man also beteubet und betreuget, das sie jhre
kinder nicht zur schulen halten noch zur lere zihen wollen, gibt jhn
diese schedliche gedancken ein: weil
nicht hoffnung da ist der Moncherey, Nonnerey,
Pfafferey, wie bis her gewesen, so durffe man keiner gelerten noch viel
[ 22 plage] plagen D]
[Seite 523b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 523a
studierns mehr, Sondern musse trachten, wie
man narung und reichtumb uberkome.
Das mag mir doch ja ein recht meister
stuck sein der teufflisschen kunst: weil
er sihet, das ers bey unsern zeiten nicht machen noch schaffen kan, wie er gern wolte, So denckt er dennoch bey
unsern nachkomen seinen willen zu haben,
als die er jtzt also fur unsern augen zu ruestet, das sie nichts lernen noch wissen sollen und also, wenn wir nu tod
sind, ein nacket, blos, wehrlos volck
fur sich habe, mit den ers machen muege, wie er will. Denn wo die schrifft und kunst untergehet, was will da
bleiben jnn deudschen landen denn ein
wuester, wilder hauffen Tattern odder Turcken, ja villeicht ein sew stall und eine rotte von eitel wilden thieren?
Solchs lesset er sie aber jtzt nicht
sehen und blendet sie meisterlich, auff das, wenn es dahin keme und sie
durch erfarung solchs sehen musten, er
denn aller klage und heulen moechte jnn die
faust lachen, als die nu nicht mehr kundten, ob sie gern wolten, der
sachen raten noch helffen und sagen
muesten: Es ist zu lange geharret, und denn gern wolten hundert gulden geben fur einen halben
gelerten, da sie jtzt nicht zehen
gegeben hetten fur zween gantz gelerten.1
[ 4 gantzen EF]
[Seite 524b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 524a
Und geschehe jhn auch kaum1 recht, Weil
sie jtzt nicht wollen neeren noch halten
frume, ehrliche, zuechtige schulmeister und lerer, von Gott dar geboten, die jhre kinder zu Gottesfurcht,
zucht, kunst, lere und ehre zihen, mit
grosser erbeit, vleis und mühe, dazu mit geringer kost und gelt, So
sollen sie da fur kriegen Locaten,
Bachanten2, grobe esel und tolpel, wie sie vorhin gehabt haben, die jhre kinder mit grosser
kost und gellt dennoch nichts anders
leren denn eitel esel sein, Und da fur jhre weiber, toechter, megde zu
schanden machen und da zu herrn uber jhr
haus und guter seien, wie bis her geschehen
ist. Solchs sol der lohn sein jhrer gro-[Bl. B ij]ssen schendlichen
undanckbarkeit, dar ein sie der teuffel
so listiglich furet.
Weil wir nu sollen widder solche und
andere boese tuecke als die seel sorger
wachen aus pflicht unsers ampts, mussen wir warlich hie nicht schlaffen,
an welchem so grosse macht ligt, Sondern
anregen, vermanen, reitzen, hetzen mit
aller macht, vleis und sorge, das sich der gemeine man nicht so
jemerlich lasse betriegen und verfuren
vom teuffel. Darumb sehe ein jglicher auff sich und
[ 28 hetzen] hertzen EF]
[Seite 525b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 525a
neme seins ampts war, das er hie nicht
schlaffe und den Teuffel lasse Gott und
herre sein, Denn wo wir hie schweigen und schlaffen, das die iugent so verseumet und unser nachkomen Tattern odder
wilde thier werden, so wird es unsers
schweigens und schnarckens schuld sein und werden mussen schweere rechenschafft da fur geben.
Wie wol ich aber weis, das ewr viel on
mein vermanen und auch sonst besser
solchs treiben, denn ichs geben kan, dazu ich auch zuvor an die Rat herrn jnn Stedten ein sonderlich buechlin da von
habe aus lassen gehen1, Doch ob irgent
ettliche solchs vergessen odder meinem exempel nach vleissiger wolten anhalten, hab ich diese meine predigt, die
ich mehr denn ein mal bey den unsern
gethan, euch zu komen lassen, da mit jhr spueret, das ich ja auch trewlich mit euch hierin erbeite, und wir also
allenthalben das unser thun und fur Gott
unsers ampts halben entschuldigt seien. Es ligt warlich jtzt an uns, weil wir sehen, das auch die, so man die
geistlichen heisset, sich also zur
sachen stellen, als wollten sie alle Schulen, zucht und lere lassen zu
grunde gehen odder auch selbs helffen nidder
stuertzen, weil sie jhren mutwillen nicht
[Seite 526b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 526a
sollen frey wie bis her erhalten,
welches auch der teuffel durch sie treibt.
Gott helff uns. AMEN.
[Bl. B iij]
Lieben freunde, weil ich sehe, das sich
der gemeine man frembd stellet gegen die
Schulen zu erhalten und jhre kinder gantz und gar von der lare zihen und allein auff die narunge und
bauchs sorge sich geben, Und daneben
nicht wollen odder muegen bedencken, welch ein grewlich unchristlich ding sie damit fur nemen, und wie grossen
moerdlichen schaden, dem teuffel zu
dienst, sie jnn aller wellt thun, Hab ich mir furgenomen diese vermanung
an euch zu thun, ob villeicht noch
ettliche leute weren, die noch ein wenig gleubten, das ein Gott jm himel und eine helle fur die
ungleubigen bereit sey (Denn es stellet
sich schier alle welt, als were wedder Gott jm himel noch teuffel jnn der helle) und sich an diese vermanung
kereten, Und will also erzelen, was
nuetzes und schadens jnn diesem stueck sey.
Erstlich wollen wir den geistlichen
odder ewigen nutz und schaden fur uns
nemen, dar nach den zeitlichen odder weltlichen. Jch hoffe ja, das die
[Seite 527b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 527a
gleubigen vnd was Christen heissen wil,
fast wol wissen, das der geistliche [1.
Petri 1, 18 f.] stand sey von Gott ein gesetzt und gestifftet nicht mit gold
noch silber, sondern mit dem theuren
blut und bittern tode seines einigen sons unsers Herrn Jhesu Christi. Denn aus seinen wunden fliessen
warlich (wie man vorzeiten auff die
brieffe malete1, die Sacrament, und hatts warlich theur erarnt, das man jnn der gantzen welt solch ampt hat,
zu predigen, teuffen, loesen, binden,
Sacrament reichen, trosten, warnen, vermanen, mit Gottes wort, und was mehr zum ampt der seel sorgen gehoret.
Denn auch solch ampt nicht allein hie
das zeitlich leben und alle weltliche stende fordert und halten hilfft, sondern das ewige leben gibt und vom tode und
sunden erloeset, welchs denn sein
eigentlich furnemlich werck ist, Und zwar die welt allzumal stehet und bleibt allein umb dieses standes willen,
sonst were sie lange zu boden gangen.
[Seite 528b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 528a
Jch meine aber nicht den jtzigen
geistlichen stand jnn Kloestern und
stifften mit seinem ehelosen wesen, Denn der selbige ist lengest von
seiner ersten loeblichen stifftung gefallen
und nu nicht mehr denn ein stand zum geld und
zinsen gestifftet durch menschliche weisheit, hat auch nichts geistlichs
an sich, on das sie nicht ehlich sind,
des sie auch nicht bedurffen, haben wol ein anders da fur, Sonst ists alles eitel eusserlich,
zeitlich, vergenglich geprenge. Denn sie
achten des worts und predigampt nichts, wo aber das wort nicht gehet,
da mus schlechte geistlikeit sein,
Sondern den stand meine ich, der das predigt
ampt und dienst des worts und der Sacrament hat, welchs gibt den geist
und alle seligkeit, die man mit keinem
gesenge noch geprenge erlangen kan, als da
ist das Pfarr ampt, Lerer, Prediger, Leser, Priester (die man
Capplan nen-[Bl. B4] net), Kuester,
Schulmeister und was zu solchen emptern und personen mehr gehoeret, Welchen stand die schrifft
warlich hoch rhumet und lobet. Sanct
Paulus nennet sie Gottes haus halter und knechte, Bisschoffe, Doctores, Propheten, da zu auch Gottes boten, zu
versuenen die welt mit Gott, [2. Kor. 5,
20, Joel 2, 23, Ps. 68, 13, Hag. 1, 13, Mal. 2, 7] 2. Corinthi. 6, Joel nennet
sie die Heilande, David nennet sie Koenige und
Fursten, Psalm 67, Haggeus nennet sie Engele, und Malachias 2 spricht:
‘Die
[ 24 predig amts B 25 das] des C]
[Seite 529b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 529a
lippen des Priesters behalten das gesetz, denn
er ist ein Engel des HERRN [Matth. 11,
10] Zebaoth’, wie sie Christus selbs nennet, nicht allein Matth. 11, da er
den Teuffer Johannen einen Engel nennet,
Sondern auch durchs gantze buch der
Offenbarung Johannis.
Darumb haben die Alten solchen stand
seer gemidden und gescheucht anzunemen
umb seiner grossen wirde und hoehe willen, das man sie hat da zu mussen zwingen und treiben1, wie wol
hernach und bis her viel gewesen sind,
die solchen stand haben gepreiset umb des Messhaltens willen, mehr denn umbs predigens willen, welcher preis und rhum
bis anher gewachsen ist so hoch, das sie
das priesterlich ampt und stand (Messe zu opffern) uber Maria und Engel gesetzt haben, weil die Engel und
Maria nicht sollen mess halten koennen,
das doch ein priester koenne, Und ist ein herrlich ding gewest umb [Luk. 11, 27] einen newen Priester und erste
Messe, Und selig war die frawe, die einen
priester getragen hatte, so doch das wort und predigampt das aller
hohest und furnemest ist, des man nicht
so hoch geachtet hat, jnn Summa: Ein
Priester hat geheissen, der messe halten koenne, ob er gleich nicht ein
wort hat wissen zu predigen und ein
ungelerter esel gewest ist, Das ist fast der jtzige geistliche stand noch heutigs tages.2
[ 32 jnn] Kustode auf Bl. B 4a: vnd jnn
A]
[Seite 530b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 530a
Jst nu das gewis und war, das Gott den
geistlichen stand selbst hat eingesetzt
und gestifft mit seinem eigen blut und tode, Jst gut zurechen, das
er den selbigen wil hoch geehret haben
und nicht leiden, das er solle untergehen
odder auff hoeren, sondern erhalten haben bis an Jungsten tag. Denn es
mus ia das Euangelion und die
Christenheit bleiben bis an Jungsten tag, wie
[Matth. 28, 20] Christus spricht Matthei ulti.: ‘Sihe, ich bin bey euch
bis an der welt ende.’ Durch wen sol er
aber erhalten werden? Ochsen und pferde, hunde und sew werdens nicht thun, holtz und steine auch
nicht. Es werden wir menschen thun
mussen, Denn es ist ja solch ampt nicht ochsen noch pferden befolhen, sondern uns menschen, Wo sol man aber
menschen dazu nemen, on bey denen, die
kinder haben? Wenn du nicht wilt dein kind da zu zihen, jhener auch nicht, und so fortan kein vater noch mutter
sein kind unserm Gott hie zu geben, Wo
wil denn das geistlich ampt und stand bleiben? Die alten, so jtzt drinnen sind, werden nicht ewig leben,
sondern sterben teglich da hin, und sind
kein ander da an jhre stad, Was wird Gott zu letzt da zu sagen? Meinstu, er werde des ein gefallen haben, das
wir sein Gottlich gestifft ampt, zu
seinem lobe und ehren und zu unserm heil so theur erworben, so schendlich verachten und mit solchem undanck lassen
fallen und untergehen?
[Seite 531b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 531a
[Bl. C 1] Er hat die kinder geben und
narung da zu, nicht darumb, das du
allein deine lust an jhnen solt haben odder zur welt pracht zihen. Es ist dir ernstlich gepotten, das du sie solt zihen
zu Gottes dienst, odder solt mit kind
und allem rein aus gewortzelt werden, das alles verdampt sey, was du [2. Mose 20, 5] an sie legest, wie das erste
gebot sagt: ‘Jch suche heim der veter missethat an den kindern bis jns dritte und vierde gelied
denen, die mich hassen.’ Wo wiltu sie
aber zu Gottes dienst zihen, wenn das predig ampt und geistlicher stand ligt und gefallen ist? Und deine schuld ist,
der du wol hettest konnen dazu thun und
helffen erhalten, wo du dein kind hettest lassen lernen. Denn wo du es thun kanst, und dein kind da zu
tuechtig ist odder lust hat, Und du thust
es nicht, sondern hinderst es, — hoerestu es wol? — So bistu schuldig
an dem schaden, das der geistliche stand
fellet, und wedder Gott noch Gottes wort
jnn der welt bleibt, Denn so viel an dir ist, lessestu jhn fallen, und
weil du ein kind nicht wilt da zu geben,
so thettestu eben auch mit allen, wenn du
die welt vol kinder hettest, das deinet halben Gottes dienst schlecht
zu grunde gehet.
Und hilfft dich nicht, das du sagen
woltest: mein nachbar hellt seinen son
zur schule, jch darffs nicht &c.. Denn dein nachbar kan auch so sagen, Und so fort an alle nachbarn, Wo kriegt Gott
die weil leute zu seinem
[ 36 kriegt] überkumpt D]
[Seite 532b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder
zur Schulen halten solle] 532a
geistlichem ampt? Du hast die person und kanst
sie geben, aber du willts nicht thun,
dein nachbar auch nicht, Also gehets denn zu boden, so viel an euch ist. Weil du denn lessest deinem Gott
sein stifft und eingesetzt ampt, so hoch
und theur erarnt1, verwuesten und mit solcher greulicher undanckbarkeit untergehen, so soltu auch widderumb verflucht
sein, und beide an deinen kindern und an
dir selbs eitel schande und jamer erleben odder doch sonst also geplagt werden, das du nicht alleine hie
auff erden, sondern auch dort ewiglich
jnn der helle sampt jhn verdampt werdest, Das soll dir auch nicht feilen, auff das du lernest, die kinder seien
nicht so gantz und gar dein, das du Gott
nichts muessest da von thun, Er wil auch recht dran haben, Und sie sind auch mehr sein denn dein.
Und das du nicht denckest, Jch spreche
dir hie mit zu hart zu, So wil ich dir
beide nutz und schaden zum teil fur legen (denn wer kan sie alle erzelen?), die du thust, das du selbst sagen
muessest, du seiest mit allem recht des
teuffels eigen und billich zur hellen ewiglich verdampt, wo du dich
hierinn strefflich findet und nicht
besserst, Widderumb auch dich von hertzen frewen und frolich sein muegest, wo du dich hierinn
findest, das du von Gott da zu
[ 27 gantz und fehlt C]
[Seite 533b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 533a
erwelet bist, mit deinem gut und erbeit
einen son zu erzihen, der ein fromer
Christlicher Pfarher, Prediger odder Schulmeister wird, Und da mit Gott
selbs erzogen hast einen sonderlichen
diener, ja, wie droben gesagt ist, einen Engel
Gottes, einen rechten Bisschoff fur Gott, einen heiland vieler leute,
einen Koenig und Fursten jnn Christus
reich und jnn Gottes volck, einen lerer, ein
liecht der welt. Und wer wil odder kan alle ehre und tuegent erzelen
eines rechten trewen Pfarhers, so er fur
Gott hat? Es ist [Bl. C ij] ja kein theurer
schatz noch edler ding auff erden und jnn diesem leben denn ein rechter
trewer Pfarherr odder Prediger.
Denn rechen du selbs: was nutzes das
liebe predig ampt und die seel sorge
schaffet, die selbigen schaffet gewislich auch dein son, der solch ampt trewlich furet, Als das so viel seelen
teglich durch jhn geleret, bekeret,
getaufft und zu Christo bracht und selig gemacht werden und von
sunden, tod, helle und teuffel erloeset
zur ewigen gerechtikeit, zum ewigen leben und
[Dan. 12, 3] himel durch jhn komen, das wol Daniel 12 sagt, Das die, so
andere leren, sollen leuchten wie der
himel, und die, so viele zur gerechtigkeit weisen, sollen sein wie die sternen jnn ewigkeit, Denn weil
Gottes wort und ampt, wo es recht gehet,
mus on unterlas grosse ding thun und eitel wunder werck treiben, So mus dein son auch on unterlas grosse und
eitel wunder thun fur Gott,
[Seite 534b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 534a
Als todten auff wecken, teuffel aus
treiben, blinden sehend, tauben hoerend,
aussetzigen rein, stummen redend, lamen gehen machen, Obs nicht leiblich geschicht, so geschichts doch geistlich jnn
der seelen, da es viel groesser ist, Wie
[Joh. 14, 12] Christus spricht Joh. 14: ‘Wer an mich gleubt, der wird
die werck thun, die ich thu, und noch
grossere werck thun.’ Kan solchs ein gleubiger thun gegen einzele personen, Wie viel mehr wird solchs
thun ein offentlicher prediger gegen und
jnn einem gantzen hauffen? Nicht das ers thue als ein mensch, sondern sein ampt, von Gott da zu geordent,
das thuts, und das wort Gottes, das er
leret, Denn er ist ja das werckzeug da selbest zu.
Thut er nu solche grosse werck und
wunder geistlich, so folget daraus, das
er sie auch leiblich thut odder jhe ein anfenger und ursach da zu ist,
Denn wo her kompts, das die Christen am
Jungsten tage von den todten aufferstehen
werden, das alle tauben, blinden, lamen, und was fur plagen am leibe
gewest sind, mussen ablassen und jhre
leichnam nicht allein fein, huebsch, gesund,
[Matth. 13, 43] sondern auch so helle und schoen leuchten werden als die
sonnen, wie Christus spricht? Kompts
nicht da her, das sie durchs wort Gottes hie auff erden sind [Röm. 8, 11] bekeret, gleubig, getaufft und
Christo eingeleibt? wie Paulus sagt Roma. 8,
[Seite 535b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 535a
das Gott wird unsere sterbliche
leichnam aufferwecken umb seines geists willen,
der jnn uns wonet. Wer hilfft nu den menschen zu solchem glauben
und anfang der leiblichen aufferstehung
on das predig ampt und wort Gottes, das
dein son furet? Jst nu das nicht ein unmesslich groesser, herrlicher
werck und wunder, denn so er leiblich
odder zeitlich todten auffweckte widder zu
diesem leben odder blinden, tauben, stummen, aussetzigen hulffe jnn der
wellt und jm vergenglichem wesen?
Wenn du gewis werest, das dein son
dieser werck eines an einem einigen
menschen solte thun, Nemlich, das er nur einen blinden solt sehend
machen, einen todten aufferwecken, eine
seele dem teuffel nemen, einen menschen aus
der hellen erretten, odder welchs der eines were, soltestu nicht billich
mit allen freuden dein gut dran wogen,
das er zu solchem ampt und werck moecht erzogen
werden und fur [Bl. C iij] grossen freuden springen, das du mit deinem
gelt fur Gott so ein gros ding hettest
gestifft? Denn was sind alle stifft und
kloester, wie sie jtzt sind und jm brauch gehen, mit jhren eigen wercken
gegen einen solchen Pfarher, Prediger
odder Schulmeister? Wie wol sie vorzeiten
und anfenglich von frumen koenigen und herrn allzu mal zu diesem
theuren werck gestifft sind, das man
solche prediger und pfarherr drinnen erzihen
sollte, nu aber leider durch den teuffel jnn den jamer geraten, das es
mord
[Seite 536b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 536a
gruben und eitel vorburge der hellen
worden sind, zum verderben und schaden
der Christenheit.
Nu sihe, Dein son thut solcher werck
nicht eins allein, sondern viel, ja alle
sampt, da zu teglich, Und das das aller beste ist, fur Gott thut er sie, der selbige sihet sie da fur an und hellt sie
so theur und hoch, wie gesagt ist, obs
gleich die menschen nicht erkennen noch achten, ja wenn jhn die wellt gleich einen ketzer, verfurer, luegener,
auffrurer schilt, das ist so viel deste besser
und ein gut zeichen, das er ein rechtschaffener man ist und seinem
Herrn Christo enhlich, Muste doch
Christus selbs auch ein auffrurisscher, moerder, verfurer sein und also mit den moerdern
gerichtet und gecreutzigt werden. Was
lege mir daran, wenn ich ein prediger were, das mich die wellt einen teuffel hiesse, wenn ich weis, das mich Gott
seinen Engel heisst? Die wellt heisse
mich einen verfuerer, wie lange sie wil, Jnn des heisst mich Gott seinen trewen diener und haus knecht, die Engel
heissen mich jhren gesellen, die heiligen
heissen mich jhren bruder, die gleubigen heissen mich jhren vater, die
elenden seelen heissen mich jhren
heiland, die unwissenden heissen mich jhr liecht, Und Gott spricht ja da zu, Es sey also, die Engel
auch sampt allen Creaturn. Ey wie
huebsch hat mich denn die welt sampt dem teuffel geteusscht mit jhrem
[Seite 537b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 537a
lestern und schmehen? Ey wie gros hat
sie an mir gewunnen? Wie grossen schaden
hat sie mir gethan? die liebe trawte.
Das ist nu gesagt von den wercken und
wundern, die dein son thut gegen die
seelen, von sunden, tod und teuffel zu helffen. Uber das thut er auch gegen der wellt eitel grosse, mechtige
werck, Nemlich, das er alle stende
berichtet und unterweiset, wie sie eusserlich jnn jhren ampten und
stenden sich halten sollen, da mit sie
fur Gott recht thun, kan die betrubten trosten,
rat geben, boese sachen schlichten, jrrige gewissen entrichten1, fride
helffen halten, suenen, vertragen und
der werck on zal viel und teglich, Denn ein
prediger bestettigt, sterckt und hilfft erhalten alle Oberkeit, allen
zeitlichen friede, steuret den
auffrurischen, leret gehorsam, sitten, zucht und ehre, Unterricht Vater ampt, mutter ampt, kinder ampt, knecht
ampt, und summa alle weltliche empter
und stende. Dis sind wol die geringsten guten werck eines Pfarhers, noch sind sie so hoch und eddel,
das sie noch nie keine Weisen unter
allen Heiden erkant noch verstanden, viel weniger zuthun vermocht haben, auch noch nicht kein Jurist, kein hohe
schule, stifft noch kloster solche werck
weis, und weder jm geistlichen noch weltlichen recht geleret werden, Denn da ist niemand, der solche weltliche
ampt Gottes grosse gaben odder
[Seite 538b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 538a
gnedige ordnung heisse, sondern das wort
Gottes und predig ampt alleine preiset
und ehret sie so hoch.
[Bl. C 4] Darumb, so man die warheit
sagen wil: Der zeitlich fried, der das
groesseste gut auff erden ist, darinn auch alle andere zeitliche gueter begriffen sind, ist eigentlich eine frucht
des rechten predig ampts, denn wo
dasselbige gehet, bleibt der krieg, hadder und blut vergiessen wol nach,
Wo es aber nicht recht gehet, da ists
auch nicht wunder, das da krieg sey odder
jhe stettige unruge, lust und willen zu kriegen und blut zu vergiessen,
Wie wir jtzt sehen, das die Sophisten
nichts anders den blut schreien und feuer
speien konnen1, Vergiessen der unschuldigen pfaffen blut umb der ehe
willen2, so doch der Bapst und jhr eigen
geistlich recht selbst, wenn sie solche ehe hoch straffen, so setzen sie die pfaffen vom
priester ampt, lassen sie aber bey leib
und gut und bey Christlichen ehren bleiben, viel weniger verdamnen sie
die selbigen zur hellen, halten sie auch
fur keine ketzer, wie das mussen alle
Juristen und alle welt zeugen, und auff dem Reichstage zu Nurmberg auch
[ 19 groesseste] zeitlich D]
[Seite 539b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 539a
gesetzt ist,1 Aber die blinden blut hunde
haben sich vom predig ampt In die luegen
ergeben, darumb koennen sie auch das morden nicht lassen, wie der [Joh. 8, 44] teuffel jhr Got auch thut, Jo.
8, der von anfang ein lugener und morder
gewest ist und bleibt.
Das heisst nu menschen an leib und
seel, an gut und ehre gedienet von einem
rechten pfarher, Uber das Sihe nu, wie er Got dienet und was fur herrliche opffer und Gots dienst er ubet,
denn durch sein ampt und wort wird
erhalten das reich Gottes jnn der welt, Die ehre, der name und rhum
Gotts, die recht erkentnis Gottes, der
recht glaube und verstand Christi, die frucht
des leidens und bluts und sterbens Christi, die gaben, werck und krafft
des heiligen geists, der recht selige
brauch der tauffe und sacrament, die rechtschaffen reine lere des Euangelij, die rechte weis den
leib zu zuchtigen und creutzigen und der
gleichen viel, Und wer kundte dieser jtzt gesagten stucke eines jmer mehr gnugsam preisen? Und was ist da von
noch zu sagen? wie viel er da mit thut,
das er widder den teuffel, wellt weisheit und fleischlichen dunckel so viel streit erhellt, so viel sieg
da von bringet, so viel jrthum nidderschlegt,
[ 22/23 was fur herrliche] was
herlicher D 27 selige fehlt BDEF 29/30 Vnd bis vor Vnd fehlt D]
[Seite 540b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 540a
so viel ketzereien weret? Denn er mus widder
die Hellen pforten streiten und kempffen
und dem teuffel abgewinnen und thuts auch, nicht er, sondern sein ampt und wort, Das sind alles
unzelige und unaussprechliche werck und
wunder des predig ampts. Summa: wenn man Gott selbs aus loben1 wird, so wird man sein wort und
predigt auch aus loben, Denn es ist
Gottes ampt und wort.
Wenn du nu gleich ein koenig werest, so
soltestu doch dich nicht werd lassen
duencken, das du deinen son mit allem deinem gut dran gewagt, zu solchem ampt und werck geben und ziehen
moechtest. Jst nicht hie dein pfennig
odder erbeit, so du an solchen son wendest, allzu hoch geehret, allzu
herrlich gesegenet, alzu koestlich
angelegt und besser denn kein koenigreich noch keiserthum ist fur Gottes augen gerechent? Auff den
knien solt einer solchen pfennig an der
welt ende tragen2, wenn er wueste, das er solte da selbs so herrlich und theur angeleget wèrden, Und sihe, du
hassts jnn deinem hause und jnn deinem
schos, dar an du es so herrlich kanst anlegen, Pfu und aber pfu
[ 17 streiten und fehlt D 20 ausloben]
auch loben F]
[Seite 541b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 541a
und
widder pfu unser blinden und schendlichen undanckbarkeit, das wir nicht se-[Bl. D1] hen, wie trefflich schoenen
Gottes dienst thun, ja welche grosse herrn
wir sein kundten fur Gott mit geringem thun, da zu mit unserm eigen
gelt und gut.
Die Sophisten schelten uns, das wir
Lutherischen nicht gute werck leren, Ja
es sind feine gesellen, sie verstehen sich nicht ubel auff gute werck,
Sind diese obgenante stuecke nicht gute werck?
Was sind aller stifft und kloester werck
gegen diese herrliche wunder? Es ist ein dolen und raben gegecke, und noch nicht so gut als das gecken der dolen1,
Denn die selben gecken doch mit liebe
und lust, Sie aber heulen jhr gegeck mit unlust, wie die Uhu und nacht eulen. Hat man nu vorhin gros von den ersten
messen und newen priestern gehalten, Und
ist vater und mutter sampt allen freunden frolich gewesen, das sie einen son zum mussigen, faulen, unnuetzem
messpfaffen odder fresspfaffen haben
erzogen, der Gott mit seinem lesterlichen messopffern und verlornem gebet geschendet und die wellt mit
unzuchtigem leben geergert und geschunden
hat, Wie viel hoher soltestu dich hie frewen, wenn du einen son zu
dieser
[ 24 raben] kraeen D]
[Seite 542b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 542a
ampt
einem erzogen hettest? da du gewis bist, das er Gott so herrlich dienet, den menschen so reichlich hilfft und den
teuffel so ritterlich schlegt? Da hastu
ja dein kind Gotte recht und fein geopffert, das dich die Engel selbs
fur ein schoenes wunder ansehen mussen.
Widderumb auch solltu wissen, was du
fur schaden thust, wo du hierinn das
widder spiel thust, Denn so dir Gott ein kind gegeben hat, tuechtig und geschickt zu solchem ampt, und du zeuchsts
nicht da zu, sihest allein auff den
bauch und zeitliche narung, So nim fur dich das register droben
gestellet1 und durch lauff das selbige
jnn seinen angezeigten guten wercken und wundern, so wirstu sehen und finden, welch ein
froemlin2 und kreutlein3 du bist, Denn
so viel an dir ist, so entzeuchstu Gott einen Engel, | einen diener,
einen koenig und fursten jnn seinem
reich, Einen heiland und troster der menschen an leib und seel, an gut und ehre, Einen
Heubtman und Ritter widder den teuffel,
damit du einreumest dem teuffel und forderst jhm sein reich, also, das er die seelen jnn sunden, tod, hellen
behellt und viel mehr hinein teglich
bringt und allenthalben obligt, Die wellt jnn ketzerey, jrthum,
unfriede, krieg und hadder bleibt und
teglich erger wird, Dazu Gottes reich, Christlicher
[ 23 tuechtig AII] zuechtig AI D 24
siehe stallein A 27 welch ein] was du für ein D froemlin und fehlt C]
[Seite 543b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 543a
glaube, die frucht des leidens und bluts
Christi, das werck des heiligen geists,
das Euangelion und aller Gottes dienst untergehet und alle teuffels
dienst und misglauben uberhand nimpt,
Welchs alles hette mugen nach bleiben und
verhindert, da zu auch gebessert werden, wo dein kind da zu gezogen
und komen were.
Wie wiltu bestehen? wenn dich Gott am
todbette odder iungsten gericht [Matth.
25, 42 ff.] hie mit wird ansprechen, und sagen: “Jch bin hungerig, durstig,
gast, nacket, kranck, gefangen gewest
und du hast mir nicht gedienet, Denn was du den
leuten auff erden und meinem reich odder Euangelio nicht gethan hast,
sondern hast es helffen unterdrucken,
die seelen [Bl. Dij] lassen verderben, das hastu mir selbs gethan, denn du hettest wol helffen
konnen, Jch hatte dir auch kind und gut
dazu gegeben, Aber du hast mutwilliglich mich und mein reich und alle seelen lassen not leiden und verschmachten,
da mit dem teuffel und seinem reich, mir
und meinem reich zu widder gedienet, der sey auch nu dein lohn, far mit jhm hin jnn der hellen abgrund. Mein himel
reich und erdreich hastu nicht helffen
bawen und bessern, sondern zerstoren und schwechen, Dem teuffel aber hastu seine helle helffen bawen und mehren,
so wone auch nu jnn dem hause, das du
dir gebawet hast &c..”
[ 32 mir] mit A]
[Seite 544b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 544a
Wie meinstu? Ob dich hie nicht
uberfallen werden plotzlich nicht allein
tropffen, sondern eitel wolckbrueche mit sunden, der du jtzt nichts
achtest und sicher dahin gehest, als
thettestu gar wol, das du dein kind nicht zur lere zeuchst? Aber als denn wirstu mussen sagen,
das du billich jnn abgrund der hellen
verdampt seiest als der ergesten, schedlichsten menschen einer, so auff erden gelebt haben, Und zwar, wenn du es auch
jtzt jm leben woltest bedencken,
muestestu warlich fur dir selbs erschrecken, denn es vermag kein
gewissen ertragen, wo es an der
obgenanten stuecken einem sich schuldig findet, Wie viel weniger kans ertragen, so solche stuecke alle sampt
ploetzlich da her fallen, die nicht zu
zelen sind? das dein hertz denn schreien mus, deiner sunde seien mehr
denn [Gebet Manasses v. 9] laub und
gras, dazu groesser denn himel und erden, und wirst mit Manasse, dem koenige Juda, sagen: ‘Meiner sunde ist
mehr denn des sands am meer, und meine
missethat ist gros’ &c.. Denn das sagt auch das naturlich recht: Wer schaden verhueten kan und thuts nicht,
der ist auch selbschuldig an solchem
schaden, als der gewislich lust und willen da zu hat und thetts selber,
wo er ursachen odder gelegenheit da zu
hette, Darumb sind solche leute gewislich eben
so gut als der teuffel selbs, weil sie beide Gott und der welt so feind
sind,
[ 33 gelehenheit A]
[Seite 545b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 545a
das sie beide das himelreich und erdreich
helffen verderben und dem teuffel so
trewlich dienen. Und Summa: Wenn man den teuffel gnug schelten kan,
so kan man solche leute auch gnug
schelten, die solch werck und ampt Gottes
hindern, Denn sie sind des teuffels diener.
Hie mit wil ich nicht dar auff
gedrungen haben, das ein jglicher sein
kind musse zu solchem ampt zihen, denn es mussen nicht alle knaben
Pfarher, Prediger, Schulmeister werden,
Und ist gut zu wissen, das herrn und grosser
leute kinder hie zu nicht zu brauchen sein werden, denn die welt mus
auch erben und leute haben, man zurisse
sonst die Weltliche oberkeit. Jch rede von
den gemeinen leuten, die doch sonst vorhin hetten jhre kinder umb der
pfreunde und lehen willen lassen lernen
Und nu allein umb der narung willen da von
halten, ob sie gleich keiner erben durffen, und dennoch von der schule
halten, unangesehen, das die kinder
geschickt und tuechtig zu diesen ampten weren, und sie wol damit kundten on alle not und
hindernis Gott dienen. Solche tuechtige
knaben solt man zur lere halten, sonderlich der armen leute kinder, denn
da zu [Bl. D iij] sind aller stifft und
kloester pfreunden und zinse verordent, Wie wol
daneben dennoch auch die andern knaben, ob sie nicht so wol geschickt
weren, auch sollten lernen, zum
wenigsten latein verstehen, schreiben und lesen, denn man darff nicht allein hochgelarte Doctores
und Magister jnn der schrifft,
[ 22 lehen] leben EF 25 tuechtige]
tuegliche D]
[Seite 546b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 546a
man mus auch gemeine Pfarherr haben, die das
Euangelion und Catechismus treiben jm
jungen und groben volck, teuffen und sacrament reichen &c.. Ob sie nicht zum streit widder die Ketzer tugen, da
ligt nicht macht an, Man mus zum guten
gebew nicht allein werckstuck, sondern auch fuelle stein1 haben, so mus man auch Kuster und ander person haben, die
da dienen und helffen zum predig ampt
und wort Gottes.
Und wenn schon ein solcher knabe, so
latin gelernt hat, darnach ein handwerck
lernt und burger wird, hat man den selbigen jm vorrat, ob man sein etwa zum Pfarher odder sonst zum wort
brauchen muste, schadet jhm auch solche
lere nichts zur narung, kan sein haus deste bas regieren und ist uber das zugericht und bereit zum predig ampt
odder pfarr ampt, wo man sein bedarff,
Und sonderlich zu unsern zeiten ists ja leicht solche personen zu erzihen, die das Euangelion und den
Catechismus lernen muegen, weil jtzt
nicht allein die heilige schrifft, sondern auch allerley kunst reichlich
am tage ist mit so viel buechern, lesen,
predigen (Gott lob), das man jnn dreien jaren
mehr kan lernen denn vorhin jnn zwentzigen, das auch weiber und kinder
[ 31 mit] nicht D]
[Seite 547b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder
zur Schulen halten solle] 547a
aus den deudschen buchern und predigen
jtzt mehr koennen (ich sage die warheit)
von Gott und Christo, denn vorhin alle hohe schulen, stifft, kloester,
das gantze Bapstum und alle welt gekund
haben.1 Aber latinisch mussen die gemeinen
Pfarrher und Prediger koennen und muegen des nicht emperen, so wenig als
die gelerten des Griechisschen und
Ebreischen emperen sollen, wie S. Augustinus
spricht, und das geistliche recht selbs setzt.
Ja, sprichstu, Wie? wenn es ubel gerett,
das mein son ein ketzer odder sonst ein
bube wird? Denn die gelerten heisst man die verkereten &c..2 Wolan, das mustu wogen, dein vleis und erbeit ist
darumb nicht verloren, Gott wird dennoch
ansehen deinen trewen dienst und da fur rechen, als were es gleich wol angelegt, Mustu doch wogen, wie er
gerate jnn allen andern sachen, wo zu du
jhn ziehen wilt, Wie giengs dem lieben Abraham, dem sein son Ismael auch nicht geriet, Isaac sein son
Esau auch nicht, Adam sein son Cain auch
nicht? Solte Abraham darumb haben abgelassen seinen son Isaac, und Isaac seinen son Jacob und Adam seinen
son Habel zu Gottes dienst zu zihen? Wie
viel sind boeser koenige und leute gewest jnn dem heiligen ausserweleten
[Seite 548b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man kinder
zur Schulen halten solle] 548a
volck Jsrael, die mit ketzereien und
abgoettereien all unglueck anrichten und
alle Propheten erwurgten, Solten drumb die priester Levi das gantze volck haben lassen faren und niemand mehr zum
Gottes dienst zihen? Wie viel waren
boeser priester und Leviten unter dem stam Levi, den Gott selbs [Bl. D4] zum priester ampt erwelet
hatte? Wie viel hat Gott leute auff
erden, die aller seiner guete und Creatur missebrauchen? Solt er darumb
seine guete lassen und keinen menschen
leben lassen odder auff hoeren wol zuthun?
Auch das du nicht zu seer sorgest, wo
dein son erneeret werde, wenn er sich
auff die lare gibt und zu solchem Goettlichen ampt und dienst, So hat dich Gott auch nicht hierinn gelassen noch
vergessen, auff das du ja nicht [1. Kor.
9, 14] sorgen noch klagen sollest, Er hat verheissen durch Sanct Paulus 1.
Corinthi. 9: ‘Wer dem Euangelio dienet,
sol vom Euangelio erneeret werden.’ Und Christus [Matth. 10, 10] selbs Matthei 10: ‘Ein
erbeiter ist seins lohns werd.’ Esset und trinckt, was sie haben. Jm Alten testament, auff das sein
predig ampt nicht untergienge, erwelet
er und nam das gantze geschlecht Levi, Nemlich das zwelfft teil des gantzen volcks Jsrael, und gab jhn den
zehenden vom gantzen volck, daruber die
ersten fruechte, allerley opffer, eigen stedte, vorstedte1, ecker, wisen, vieh
und
[Seite 549b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 549a
was da zu gehoeret. Jm Newen Testament
sihe zu, wie reichlich vorzeiten Keiser,
Koenige, Fursten und herrn gegeben haben zu solchem ampt, das jtzt die
stifft und kloester jnne haben und da
mit Koenige und Fursten ubertreffen, Er wird
und kan nicht lassen, die jhm trewlich dienen, Er hat sich zu hoch
versprochen [Hebr. 13, 5] und gesagt
Ebre. am dreitzehenden Capitel: ‘Jch will dich nicht lassen noch verseumen.’
Auch so rechen du selbs, wie viel
pfarrhen und Predigstuele, Schulen,
Kustereien fur handen sind, die noch jtzt das mehrer teil gnugsam
versorget sind und teglich ledig werden.
Was sind das anders denn kuchen und keller
von Gott bestellet deinem son, das er seine narung schon hat zubereit,
ehe er sie brauchet und da zu nicht
erwerben darff? Da ich ein junger student war,
hoeret ich sagen, das jm Furstenthum zu Sachssen (ist mir recht1) bey
achtzehen hundert pfarrhen weren2, Wo
das war ist, und auff ein jgliche pfarrhe
gehoeren zum wenigsten zwo person, nemlich ein Pfarher und Kuster, aus genomen, was jnn stedten Prediger, Caplan,
Helffer, Schulmeister und Collaboranten
sind, das allein jnn solch Furstenthum bey den viertausent gelerter personen gehoren, der teglich jnn
zehen jaren wol das dritte teil
absterben. Nu wolt ich wetten, ob jnn halben deudschem lande jtzt vier
[Seite 550b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 550a
tausent schueler weren, Nu ich setze,
das kaum acht hundert pfarrhen jnn dem
Furstenthum sind, wie viel wil der wol jm gantzen deudschen lande
sein? Jch wil gern sehen, wo man uber
drey jar wolle Pfarher, Schulmeister,
Kuester nemen. Werden wir hie nicht zu thun, und sonderlich die
Fursten dran sein, das beide knaben
Schulen und hohen schulen recht angericht werden, so wird ein solcher mangel an personen
werden, das man wird drey odder vier
stedte einem Pfarher und zehen dorffer einem Capplan befelhen mussen, kan man sie dennoch1 auch noch haben.
Da ligen die hohen Schulen Erfford,
Leiptzig [Bl. E 1] und ander mehr wuest
so wol als die knaben schulen hin und wider, das jamer zu sehen ist, Und fast allein das geringe Wittemberg mus
jtzt das beste thun2, Und solchen mangel
werden ja die stifft und kloester auch (acht ich) fulen, solten sie ein gut jar haben3, Sie werdens ja nicht so hoch
hinaus singen4, wie sie es angefangen
haben, weren sie noch so kraus5, odder sollen die personen mussen6
[Seite 551b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 551a
leiden und anbeten jnn jhren Capiteln, von
denen sie sich vorhin nicht gern hetten
lassen ansehen. Darumb las nur getrost lernen dein kind, Es wird an leuten ehe mangeln denn an gutern,
Villeicht, wo die welt lenger stehet,
und Gott gnade gibt, das die Fursten und Stedte da zu thun, muegen der stifft und kloester guter auch widder zu
solchem brauch komen, da zu gestifft sind,
Und was darffs vil sorgens fur den bauch? Da stehet Christus und [Matth. 6, 31 –33] spricht Matth. 6: ‘Sorget
nicht, was jhr essen und trincken werdet, Ewr himlisscher Vater weis wol, das jhr solchs bedurffet,
Sucht zum ersten das reich Gottes und
seine gerechtigkeit, so sol euch das alles zu komen.’ Wer dem nicht gleubt, der sorge jmer hin und sterbe
hungers da zu!
Wie wol es war ist, das ettliche jar
her viel Pfarher grossen hunger gelidden
und noch leiden, Das mus man schuld geben dem paroxysmo1 jnn der welt, das die leute so boese, undanckbar
und geitzig sind Und da zu das
Euangelion verfolgen, da mit uns Gott versucht, ob wir rechtschaffen
sind, Und nicht anders zu rechen ist,
denn als sey es umb die zeit der Merterer,
[2. Kor. 11, 27] da die frumen lerer auch grosse not und armut lidden,
wie Paulus selbs
[ 21 da zu] dazu sie BCEF 31 sey] sie
D]
[Seite 552b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 552a
[Matth. 9, 15] rhumet, und Christus auch
verkuendigt Matthei. 9: ‘Wenn der breutgam von jhn genomen wird, denn werden sie fasten.’ Das
ist die recht Euangelische fasten. [1.
Mose 12, 10; 26, 1; 41, 56 f.; 1. Kön. 18, 2; 2. Kön. 4, 38] Es ist auch selten
Gottes wort auff gangen, es ist eine theure zeit mit komen1, als zu Abraham, Isaac, Jacob, Joseph, Elias,
Elisens zeiten waren grausame theurung
neben so grossem liecht der warheit, Und jm anfang des Euangelij [Apg. 11, 28] war eine grosse theurung durch
die gantze welt Act. 11. Das mus denn des
lieben Euangelij und Gottes wort schuld sein und nicht der wellt vorigen
missethat und gegenwertiger verstockter
undanckbarkeit. Also gaben die Juden alle
[Jer. 44, 16 ff.] jhren jamer schuld der lere Jeremie Jere. 44, Und die
Roemer, da sie von den Gotten wurden
zerstoeret, wustens auch niemand schuld zu geben, denn das sie Christen worden weren, Da widder Sanct
Augustinus ein gros buch geschrieben
hat, De Civitate Dei.
Aber las wasschen, wer da wesscht, die
wellt ist welt, Wie jhene zu luegenern
worden und untergangen sind, so sollen diese auch zu luegenern werden und vergehen, das dennoch Christus und
sein wort bleibe, Er sitzt [Ps. 110, 1]
wol so fest und hoch, wie geschrieben stehet: ‘Der HERR sprach zu meinem HErrn: setze dich zu meiner rechten.’ Da sitzt
er, Wer lust da zu hat und
[ 31 luegener (1.) E (F) 32 vergehen]
under gehen D]
[Seite 553b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 553a
boese ist, der reiss jhn herunter, so
lange aber er da sitzen bleibt, wollen wir
auch bleiben.1 Was gilts? Und jnn Summa: Es mag leicht dein kind so viel narung vom predig [Bl. Eij] ampt haben
als von einem hand werck, Es were denn
sache, das du nach grossem gut trachtest, aus deinem son einen grossen herrn zu machen fur der welt, wie die
Bischoffe und Thum herrn sind. Bistu des
gesinnet, so gehet dich diese rede nicht an, Jch rede jtzt mit den gleubigen, die das predig ampt ehren und
hoch achten uber allen reichtum als
nehest Gott selber den hoehesten schatz, den menschen gegeben, Das sie
wissen, wie grossen dienst sie Gott
daran thun koennen und sollen, als die da lieber wollen dieses wercks teilhafftig sein auch
mit geringem gut, denn der wellt gueter
haben und dieses emperen, die selbigen werden wol erkennen, das die seele mehr ist denn der bauch, und der bauch
leicht mag gnug haben und doch das
ubrige hinder sich lassen muesse. Aber die reichtum suchen, die werden alle jhr gut mit sich nemen und nichts
hindersich lassen, Wie kans jhn feilen?
Das sey zu einem teil dieses Sermons eilend und kuertzlich angezeigt vom geistlichen nutz und schaden, so man hat
aus der Schulen erhaltung und
verachtung.
[Seite 554b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 554a
Das Ander teil sol sein vom zeitlichen
odder welltlichen nutz und schaden. Und
zum ersten jsts wol war, das die weltliche oberkeit odder ampt gar jnn keinen weg zuvergleichen
ist dem geistlichen predig ampt, wie
[Kol 1, 25] es S. Paulus nennet, Denn es ist nicht so theur und hoch
erarnt durch das blut und sterben des
sons Gottes wie das predig ampt, So kans auch nicht solche grosse wunder und werck thun, wie das
predig ampt, Denn alle werck dieses
standes gehen und gehoeren allein jnn dis zeitlich, vergenglich leben, zu erhalten leib, weib, kind, haus, gut und
ehre, und was zu dieses lebens not
durfft gehoeret. So viel nu das ewigeleben ubertrifft dis zeitliche
leben, so weit und hoch gehet auch das
predig ampt uber welltliche ampt, das ist: gleich wie ein schatten gegen dem coerper selbs,
Denn welltliche herrschafft ist ein
bilde, schatten und figur der herrschafft Christi, Denn das predig ampt
(wo es ist, wie es Gott geordent hat)
bringt und gibt ewige gerechtigkeit, ewigen
[2. Kor. 4, 1 ff.] fride und ewiges leben, wie S. Paulus solchs hoch
preiset 2. Corint. 4. Aber das welltlich
regiment erhelt zeitlichen und vergenglichen frieden, recht und leben.
Aber dennoch ists eine herrliche
Goettliche ordnung und eine treffliche
gabe Gottes, der es auch gestifft und eingesetzt hat und auch wil
erhalten haben, als des man aller ding
nicht emperen kan, Und wo es nicht were, kundte
[Seite 555b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 555a
kein mensch fur dem an- [Bl. Eiij] dern
bleiben, Es muste einer den andern
fressen, wie die unvernunfftigen thier unternander thun, Darumb gleich
wie des predig ampts werck und ehre ist,
das es aus sundern eitel heiligen, aus
todten lebendige, aus verdampten seligen, aus teuffels dienern Gottes
kinder macht, Also ist des welltlichen
regiments werck und ehre, das es aus wilden
thieren menschen macht und menschen erhellt, das sie nicht wilde thiere
werden. Es erhellt einem jglichen seinen
leib, das den nicht jederman erwurgen musse,
Es erhellt jglichem sein weip, das nicht jederman das selbige nemen
und schenden muesse, Es erhellt jglichem
sein kind, tochter und son, das jhm das
selbige nicht jederman entfuren noch entwenden muesse, Es erhellt
jglichem sein haus und hoff, das nicht
ein jderman hinein brechen noch drinnen freveln
muesse, Es erhellt jglichem sein acker, vihe und allerley gueter, das
die selbigen nicht ein jderman
angreiffen, stelen, rauben, beschedigen muesse, Welchs alles unter den thieren nicht ist, Und wurde auch
unter den menschen nicht sein, wo
weltlich regiment nicht were, sondern wurden gewislich aus menschen eitel thiere werden. Meinstu nicht, wenn die vogel
und thiere reden koendten und das
weltliche regiment unter den menschen sehen solten, sie wurden sagen: “O jhr lieben menschen, jhr seid nicht
menschen, sondern eitel Gotter gegen
[Seite 556b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 556a
uns, wie gar sicher sitzt, lebt und habt jhr
alle ding, Wir aber so gar keins fur dem
andern eine stunde sicher sind, weder lebens, hauses noch narung, Wehe ewr undanckbarkeit, das jhr nicht sehet,
wie ein herrlich leben euch unser aller
Gott fur uns thieren gegeben hat!”
Weil denn nu das gewis ist, das es ein
Goettliche creatur und ordnung, da zu
uns menschen jnn diesem leben ein noetiges ampt und stand ist, des wir eben so wenig emperen koennen als des
lebens selber, Sintemal on das selbige
ampt dis leben nicht bleiben kan, So ists leicht zu rechen, das Gott nicht darumb befolhen und gestifft hat, das
es solle untergehen, sondern wils [Röm.
13, 4 1. Petri 2, 13 f.] erhalten haben, wie Paulus Rom. 13 und 1. Petri 3
klerlich stehet, das sie sollen die
frumen schuetzen und die boesen straffen. Wer wils nu erhalten on wir menschen, den es Gott befolhen hat und die
sein auch selbs warlich durffen? Die
wilden thier werdens nicht thun, holtz und steine auch nicht. Welche menschen aber koennens erhalten? Fur
war nicht allein die mit der faust
herrschen wollen, wie jtzt viel sich lassen duncken, denn wo die faust allein sol regieren, so wird gewislich zu
letzt ein thier wesen draus, das, wer
den andern ubermag, stosse jhn jnn den sack, wie wir fur augen wol
exempel gnug sehen, was faust on
weisheit odder vernunfft guts schafft.
[ 20 dem] den D]
[Seite 557b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 557a
[Spr. 8, 14 f.] Darumb sagt auch
Salomon Proverb. 8, das Weisheit musse regieren
und nicht die gewalt, und spricht von der selbigen also: ‘Mein ist beide
rat und hulffe, Mein ist beide verstand
und vermuegen, Durch mich mussen [Pred.
9, 18] Koenige koenige sein, und Rethe recht sitzen.’ Und Ecclesiastis 10:
‘Weisheit ist [Pred. 9, 16] [Bl. E4]
besser denn harnsch odder woffen’, Und aber mal: ‘Weisheit ist besser denn krafft.’ Das alles beweiset alle
erfarung jnn allen Historien, das nie
kein mal gewalt on vernunfft odder weisheit hette etwas ausgericht.
Also gar, das auch die moerder und
tyrannen, wo sie nicht klueglich faren und
ettliche recht, rat und gesetze unter sich und fur sich nemen (ob sie
gleich boese sind), darnach sie die
faust und jhre gewalt richten und brauchen, so konnen sie nicht bleiben, sondern werden unter
einander uneins und vergehen von sich
selbs. Das kurtz umb nicht faust recht, sondern kopffrecht, nicht
gewalt, sondern Weisheit odder vernunfft
mus regieren unter den boesen so wol als
unter den guten.
Dem nach, weil unser regiment jnn
deudschen landen nach dem Roemischen
Keiserlichen recht sich richten mus und sol, Welchs auch unsers
regiments Weisheit und vernunfft ist,
von Gott gegeben, So folget, das solch regiment
nicht kan erhalten werden, sondern mus zu grund gehen, wo man solche
recht nicht erhellt, Nu wer wills erhalten?
Faust und harnsch thuns nicht, es
[ 23 alle] die EF nie] noch nie D 25 klueglich] weißlich
D 36 thuns nicht] werdens fürwar nit thůn D]
[Seite 558b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 558a
mussen die koepffe und bucher thun, Es
mus gelernt und gewuest sein, was unsers
welltlichen reichs Recht und Weisheit ist, Wie wol es fein ist, wo ein Keiser, Furst, Herr selbst von natur so weise
und klug ist, das er das recht auswendig
treffen kan, wie Hertzog Fridrich zu Sachsen, Und Er Fabian von Feylitz1 (die ich erfaren habe) kundten (Die
lebendigen wil ich nicht nennen). Aber
weil solche vogel seltzam sind und da zu das exempel ferlich, Auch umb der andern willen, die solchs von natur nicht
vermuegen, ists besser jnn stettigem
regiern das gemein buchrecht halten, so hats deste mehr ansehen und glimpff2 und darff keines wunders noch
sonders.
So sind nu die Juristen und gelerten
jnn diesem welltlichen reich die
personen, so solch recht und da durch das welltlich reich erhalten, Und
gleich wie ein frumer Theologus und
rechtschaffener prediger jnn Christus reich
Gottes Engel, ein Heiland, Prophet, Priester, Haus knecht und lerer
heisst (wie droben3 gesagt), Also moecht
man einen frumen Juristen und einen trewen
gelerten jm welltlichen reich des Keisers wol Prophet, priester, Engel
und
[Seite 559b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 559a
heiland heissen. Widderumb, wie ein ketzer
odder falscher prediger jm reich Christi
ein Teuffel, dieb, morder, lesterer ist, Also ist ein falscher, untrewer Jurist jns keisers hause odder reich ein dieb
und schalck, ein verrether, boesewicht
und des gantzen reichs teuffel. Wenn ich aber von den Juristen
sage, meine ich nicht allein die
Doctores, sondern das gantze handwerck als Cantzler, schreiber, Richter, Fursprechen1, Notarius
und was zum rechte des regiments
gehoeret, Auch die grossen Hansen2, so man die Rethe zu hofe nennet,
Denn sie uben auch das werck der rechten
odder ampt der Juristen, Und wie das wort
Rethe nicht weit vom wort Verrether ist, So ist der selbigen auch viel
nicht weit von der that, Raten zu weilen
jhren herrn mit solchen trewen, das sie
kein Verrheter so wol verrhaten kuendte.
[Bl. F 1] Nu sihestu, was nutz ein
frumer rechts kuendiger odder Jurist
thun kan, Ja, wer wills odder kans alles erzelen? Denn was Gottes
werck und ordnung ist, das schaffet jmer
dar so viel und grosse fruecht, das sie nicht
zur zelen noch zu begreiffen sind, Erstlich: Erhellt er und hilfft
fordern mit seinem buch (durch Goettlich
ordnung) das gantz welltlich regiment, Keiser,
[ 31 zu zelen C]
[Seite 560b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 560a
Fursten, Herrn, Stedt, Land und leute (Wie
droben gesagt), Denn solche alle muessen
durch weisheit und recht erhalten werden, Wer wil aber dis werck allein gnug preisen? Dar aus hastu denn
schutz und schirm deines leibes und
lebens widder nachbar, feinde, moerder, Darnach schutz und friede deines weibs, tochter, sons, haus, hoff,
gesind, gelt, gut, acker und was du
hast, Denn das ist alles jm Recht verfasset, bemauret1 und wol
gehegt, Wie gros das alles sey, kund man
mit keinen buchern nimer mehr aus
schreiben, denn wer wil aus spreche, was der liebe fride fur ein
unaussprechlich gut ist? Wie viel er ein
jar allein beide gibt und ersparet?
Solche grosse werck kan nu dein son
alle thun und solch ein nuetzliche
person werden, wo du jhn da zu heltest und lernen lesst, Und du
desselbigen alles teilhafftig kanst
werden und dein gellt also koestlich an legen, Solt dirs nicht sanfft thun und ein grosse ehre sein,
wenn du sehest deinen son einen Engel jm
Reich und einen Apostel des Keisers, da zu einen eckstein und grundfest des zeitlichen frides auff erden? Und solch
alles gewis, das es Gott selbs da
furhelt und jnn der warheit also ist? Denn wie wol man durch solche werck fur Gott nicht frum noch selig wird, So
ist doch das ein froelicher
[ 22 acker] aecker C 26 ersparet]
sparet EF 27 solch] so D]
[Seite 561b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 561a
trost, das Gotte solche werck so wol
gefallen Und noch mehr gefallen, wo ein
solcher man da zu auch ein gleubiger und jnn Christus reich ist, Denn
da mit danckt man jhm fur seine wolthat
und opffert das schoenest danckopffer,
den hoehesten Gottes dienst.
Du muestest ja ein grober, undanckbarer
klotz und billich von den menschen unter
die thiere zu jagen sein, wenn du sehest, das dein son kundte ein man werden, der dem Keiser sein Reich,
schwert und kronen erhalten hulffe, dem
Fursten sein land regieren, Stedten und landen raten und helffen, So manchem man seinen leib, sein weib, kind,
gut und ehre helffen schuetzen, und
nicht woltest so viel dran wogen, das er lernen und hie zu komen moecht. Sage mir, was thun alle Stifft und kloester der
gleichen? Jch wolt eines trewen, frumen
Juristen und schreibers werck nemen fur aller Pfaffen, Munch und Nonnen heiligkeit, wo sie am besten sind,
Und wenn dich solche grosse, gute werck
nicht bewegen, solt dich doch wol allein Gottes ehre und wolgefallen bewegen, da du weisst, das du Gott da mit so
herrlich danckest und einen solchen
grossen dienst thust, wie gesagt ist. Es ist jhe eine schendliche verachtung Gottes, das wir solche herrliche
Goettliche werck unsern kindern nicht
goennen und stecken sie allein jnn des bauchs und geitzs dienst, lassen sie
[Seite 562b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 562a
nichts lernen denn narung suchen, gleich wie
eine saw mit [Bl. Fij] der nasen jmer jm
kot wuelen, und nicht zihen zu solchem wirdigen stand und wesen. Wir werden gewislich unsinnig sein muessen
odder haben unser kinder nicht recht
lieb.
Hoere aber weiter zu. Wie? wens Gott
von dir haben wil und foddert dein kind
zu solchem ampt? Denn du bist ja schuldig deinem Gott solchen stand helffen zurhalten, wo du kanst, Nu kan
er nicht erhalten werden, wo man knaben
nicht zur lere und zun schulen hellt, das hat ja keinen zweivel, Und darff wol jnn diesem stande geschickter
leute denn jm predig ampt, das hie not
sein wil, die besten knaben her zu halten, Denn jm predig ampt thuts Christus fast gar durch seinen geist,
Aber jnn welltlichem reich mus man aus
der vernunfft (da her die Rechte auch komen sind) handeln, denn Gott hat der vernunfft unterworffen solch zeitlich
regiment und leiblich wesen, [1. Mose 2,
19] Gene. 2, und nicht den heiligen geist vom himel da zu gesand, darumb
ists auch schwerer, weil es die gewissen
nicht regieren kan, und mus, so zu rechen1,
jm finstern handeln.
Hastu nu ein kind, das zur lare
tuechtig, und kanst jhn da zu halten,
Thusts aber nicht, gehest hin und fragest nicht dar nach, wo welltlich
Reich
[ 34 nu fehlt D]
[Seite 563b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 563a
bleibe, beide mit recht und friede
&c.., So thustu, so viel an dir ist, widder
welltliche oberkeit, wie der Turcke, ja wie der teuffel selbs, Denn du
entzeuchst dem Reich, Furstenthum, Land,
Stad einen heiland, trost, eckstein,
helffer und Retter, Und deinet halben verleuret der Keiser beide schwerd
und kronen, Das land verleuret schutz
und friden, Und du bist der man, durch
des schuld (so viel an dir ist) kein man sein leib, weib, kind, haus,
hoff, guter sicher haben muege, Sondern
du opfferst sie alle frey da hin, auff die
fleissch banck1, Und gibst ursach, das aus allen menschen eitel thier
werden, und fresse zu letzt eins das
ander, Solchs alles thustu gewislich, sonderlich, wo du wissentlich dein kind von solchem
heilsamen stand umb des bauchs willen
zeuchst. Bistu nu nicht ein feiner nuetzer man jnn der wellt? der du brauchest teglich des Reichs und seines
frieden, und du widderumb zu danck
raubest dem selben deinen son und steckest jhn jnn den geitz und strebst
da mit darnach mit allem vleis, das
niemand sey, der das Reich, recht und
friede helffe erhalten, sondern alles zu boden gehe, so du doch selbs,
dein leib und leben, gut und ehre durch
solch regiment hast und beheltest.
Was meinestu, das du hie mit
verdienest? Bistu auch werd, das du bey
menschen wonen sollest? Was wird Gott aber da zu sagen, der dir kind
[Seite 564b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 564a
und gut da zu geben hat, das du solt
jhm da mit dienen und dein kind zu
Gottes dienst halten? Jsts aber nicht Gott gedienet, so man seine
ordnung und welltlich regiment hilfft
erhalten? Nu lesst du solchen dienst, als gienge er dich nicht an, odder als werestu fur allen
menschen frey und nicht schueldig Gott
zu dienen, Sondern mit deinem kind und gut zu machen, was dir gefellet, es falle Gott beide mit welltlichem und
geistlichem reich jnn abgrund, [Bl. Fiij]
Wilt gleichwol teglich des Reichs schutz, fride und rechts brauchen und
das predig ampt und Gottes wort dir
bereit haben und dienen lassen, das also
Gott dein diener muesse sein gar umb sonst, beide mit predig ampt und
welltlichem stande, auff das du one
sorge muegest dein kind die weil von jhm
wenden und allein dem Mammon dienen leren. Meinstu nicht, Gott
werde deinem geitz und bauch sorge ein
Benedicite sprechen1 ein mal, das du beide
mit kind und mit allem hie und dort verderbest? Lieber, erschrickt dein
hertz nicht fur solchen grewlichen
grewel deiner Abgoetterey, Gottes verachtung,
undanckbarkeit, verstorunge aller beider Gottes stifft und ordnung, ja
aller menschen schaden und verderbung?
Wolan, ich wil dirs gesagt und dich
[Seite 565b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 565a
gewarnet haben, Sihe du zu, du hoerest
beide nutz und schaden, den du thun
kanst, Thu, welchs du willt, so wird dirs Gott wol vergelten.
Jch wil hie schweigen, wie eine feine
lust es ist, das ein man gelert ist, ob
er gleich kein ampt nimer mehr hette, das er daheimen bey sich selbs allerley lesen, mit gelerten leuten reden und
umbgehen, jnn frembden landen reisen und
handeln kan, Denn was solcher lust ist, bewegt villeicht wenig leute, Aber weil du denn ja den Mammon und
narung so fast suchest, so sihe doch
hie, wie viel und grosse gueter Gott auff die schulen und gelerten gestifft hat, das du die lare und kunst nicht
von des armuts wegen darffst verachten.
Da sihe: Keiser und Koenige muessen Cantzler und schreiber, Rethe, Juristen und gelerten haben, Kein Furst ist,
er mus Cantzeler, Juristen, Rethe,
gelerte und Schreiber haben, Also auch alle Graven, Herrn, Stedte,
Schlosser muessen Sindicos, Stad
schreiber und sonst gelerte haben, Jst doch kein Eddel man, er mus einen schreiber haben, Und das
ich von gemeinen gelerten auch sage, wo
sind noch die Berckwerck, Kauff leute, Hantierer? Zele doch: wie viel sind Koenige, Fursten, Graven, Herrn,
Stedte und Flecken &c..? Wo wil man
uber drey jar doch gelerte leute nemen, so all bereit hin und widder der mangel anhebet? Jch halt warlich: Koenige
muessen Juristen, Fursten muessen Cantzler, Graven und Herrn muessen schreiber,
Burgermeister muessen Kuester werden.
[Seite 566b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 566a
Thut man hie zu nicht anders bey zeit,
so muessen wir Tattern und Turcken
werden, odder wird widderumb ein ungelerter Locat oder baccchant1 ein Doctor und Rat zu hofe werden. Darumb
halt ich, das nie kein besser zeit
gewesen sey zu studiern denn jtzt, nicht allein des halben, das die kunst jtzt so reichlich und wolfeil fur handen ist,
Sondern auch, das gros gut und ehre
folgen mus, und die, so zu dieser zeit studiern, werden theure leute sein, da sich noch umb einen gelerten zween Fursten
und drey Stedte reissen werden, Denn du
sihest ja uber dich odder umb dich, so findestu, das unzelige empter auff die gelerten warten, ehe noch zehen jar
verlauffen, und doch wenig sind, die da
zu gezogen werden, Und ist nicht allein solch gros gut auff solche schulen und schuler von Gott bestellet, Jst
da zu auch ein ehrlich [Bl. F4] Goettlich
gut, Denn es wird verdienet durch Goettlichen ehrlichen stand mit vielen herrlichen, guten, nuetzlichen
wercken, die Gott gefallen und sein dienst
heissen, Da gegen der geitz wanst sein gut mit verachten (sinds nicht
auch Gottlose und sundliche werck) und
mit feindseligen wercken erwirbt, dar jnn
er kein frolich gewissen haben, auch nicht sagen kan, das es Gotte
gedienet
[Seite 567b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 567a
heisse, Nu wolt ich ja lieber zehen gulden
verdienen mit eim werck, das Gottes
dienst hiesse, denn tausent gulden mit einem werck, das nicht Gottes
dienst hiesse, sondern allein mein eigen
nutz und Mammon were.
Uber solchs ehrlich gut haben sie auch
ehre, Denn Cantzler, Stadschreiber,
Juristen und das volck jnn seinen ampten mus mit oben an sitzen, helffen raten und regieren, wie droben gesagt
ist, und sie sind mit der that die herrn
auff erden, obs sie es wol der person, geburt und stands halben [Dan. 6, 27] nicht sind, Denn Daniel spricht,
Er habe des Koenigs werck muessen thun,
Und ist auch war: Ein Cantzler mus Keiserliche, Koenigliche, Furstliche
werck odder geschefft aus richten, Ein
Stadschreiber mus des Rats und der stad
werck thun, Und das alles mit Gott und mit ehren, dazu Gott segen,
gluck und heil gibt, Und was ist ein
Keiser, Koenig, Furst selbs, wenn sie nicht
kriegen, sondern mit dem recht regiern, denn eitel Schreiber odder
Juristen, so man nach dem werck da von
redet? Denn sie gehen ja mit dem recht
umb, welchs ist ein Juristisch und Schreiberisch werck, Und wer regirt
land und leute, wenn friede und nicht
krieg ist? Thuns die reissigen odder feld
heubt [Bl. F 4b] leute? Jch meine ja, es thu die schreibfedder, Was
macht nu jnn des der geitz wanst mit
seinem Mammon, der zu solchen ehren nicht koemet und beschmutzt sich die weil mit seinem rost
fressigem gelde?
[ 35 leute? Jch] leute? fehlt im Text,
steht nur im Kustoden A]
[Seite 568b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 568a
Also rhumet der Keiser Justinianus
selbs: Oportet maiestatem imperatoriam
non solum armis decoratam, sed etiam legibus armatam esse &c.., Keiserliche maiestet (spricht er) mus nicht
allein mit harnsch odder woffen
gezieret, sondern auch mit Rechten geharnscht oder gerustet sein. Da
sihe, wie ebenteurlich verkeret dieser
Keiser seine wort, das er die Rechte nennet
seinen harnsch und woffen, und die woffen nennet er seinen schmuck und
zierde, wil seine Schreiber auch zu
Kurisser1 und krieger machen, und ist warlich
fein geredt, Denn die Rechte sind auch warlich der rechte harnsch und
woffen, die land und leute, ja das Reich
und welltlich regiment erhalten und schirmen,
wie droben1 gnugsam erzelet ist, das weisheit besser sey denn macht, Und
sind auch die frumen Juristen die
rechten Kuerisser, die den Keiser und Fursten
bewaren, Welcher sprueche viel auch aus den Poeten und Historien zu
furen [Pred. 9, 15] weren, aber es wird zu
lang. Salomon rhumet selbs Ecclesiastis 9, das ein armer man habe eine stad durch seine weisheit
errettet widder einen mechtigen Koenig.
Nicht das ich hie mit den kriegern,
reissigen, und was zum streit gehoeret,
wolle abgebrochen, veracht odder verworffen haben, Sie helffen auch
(wo [Bl. G 1] sie gehorsam sind) friede
und alles schuetzen mit der faust, Ein iglichs
[Seite 569b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 569a
hat seine ehre von Gott so wol als
seine ordenung und werck. Jch mus aber
mein handwerck auch ein mal preisen, weil mir die nachbarn so ubel
geraten sind, und veracht wil werden,
gleich wie auch Sanct Paulus sein ampt jmer
dar preiset, das etliche meinen, er thu zu viel und sey hoffertig, Wer
die faust und kriegs leut loben und
ehren wil, der findet gnug, da mit sie zu
loben sind, So habe ichs auch jnn andern buechlin (hoff ich) redlich
und weidlich gethan.1 Denn es gefallen
mir die Juristen und Schreiberlinge auch
nichts, die sich also loben, das sie andere stende verachten odder
spotten, als weren sie es alleine und tuechte
sonst niemand jnn der welt denn sie, wie die
Schuerlinge2 bis her auch gethan sampt dem gantzen Bapsttum, Man
sol alle stende und werck Gottes auffs
hohest loben als man jmer kan, und keins
[Ps. 111, 3] umb des andern willen verachten, denn es stehet
geschrieben: ‘Confessio et magnificentia
opus eius’, ‘Was Gott macht, das ist huebsch und fein’, Und [Ps. 104, 31] aber mal Psalm 104: ‘Gott
gefallen seine werck wol.’ Und sonderlich sollen prediger den leuten und Schulmeister den
knaben und Elter den kindern solche
gedancken von jugent auff ein bilden, das sie wol lernen, welche stende
und empter Gottes heissen odder von Gott
geordent sind, Wenn sie es denn
[Seite 570b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 570a
[ 17 nu] so EF 23 nicht] glat nicht D
24 lust (2.)] kurtzweile und lust D 25 Wenn sie] Und wenn sie schon so D 26
dennoch das] dennocht anders nichts, den̄ das D]
nu wissen, das sie ja keinen verachten,
spotten, noch ubel da von reden, sondern
alle sampt ehren und herrlich da von halten, das gefellt Gott wol
und dienet zu fride und einigkeit, Denn
Gott ist ein grosser Herr, hat mancherley
haus gesinde.
Widderumb findet man auch ettliche
Scharrhansen1, die sich lassen duencken,
der name Schreiber sey kaum werd, das sie jhn nennen oder hoeren sollen, Wolan, da kere dich nicht an, denke
also, die guten gesellen muessen auch
ettwa eine kuertzweile und lust haben. So las doch diese lust sein, Du bleibst dennoch wol ein Schreiber fur Gott
und der wellt, Wenn sie lange scharren,
so sihestu dennoch, das sie die fedder auffs aller hohest da gegen ehren, setzen sie oben auff hut und hellm,
als solten sie mit der that bekennen,
das die fedder sey das oberst jnn der wellt, on welche sie auch nicht
gerust zum streit noch jm friden da her
gehen kuendten, viel weniger so sicher scharren, Denn sie muessen auch des friedes brauchen,
den des Keisers prediger und lerer (die
Juristen) leren und erhalten, Darumb so sihestu, das sie unsers handwercks zeug, die liebe fedder, zu oberst setzen (und
billich), da sie jhrs hand wercks zeug,
das schwert, umb die lenden gurten, da hengets auch fein und
[Seite 571b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 571a
wol zu jhrem werck, Auff dem kopff
stuend es nicht wol, da mus die fedder
schweben, Haben sie gesundigt an dir, wolan, so buessen sie hie mit,
und sollts jhn vergeben.
Doch weil ich so eben drauff kome, das
die Schreiberey so feindselig ist bey
vielen Hansen, — denn sie wissen odder achtens nicht, das ein Goettlich ampt und werck ist, sehen auch nicht, wie not
und nuetz es der wellt sey, Und wenn sie
es (da Gott fur sey) sehen wuerden, so were es mit allen sachen zu lange geharret — So soltu also thun: Las
sie faren und sihe dich umb nach feinen
frumen Eddel leu-[Bl. Gij]ten als Grave George von Werdheim seliger1, Herr Hans von Schwarzenberg2 Herr
George von Fronsberg3 und der gleichen
seligen (Jch wil der lebendigen schweigen), An den selbigen labe [1. Mose 19, 21] und troeste dich und dencke:
Gott ehret umb eines mannes Lot willen die
[2. Kön. 5, 1] gantze stad Zoar und umb eines Naaman willen das gantz
land Syria und [1. Mose 41, 47] umb
eines Josephs willen das gantze Koenigreich Egypten, Warumb woltestu nicht auch den gantzen Adel ehren umb vieler
redlicher eddel leute willen, der du on
zweivel viel fur dir hast? Und wenn du die selbigen ansihest, mustu
[Seite 572b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 572a
dencken, Es sey kein boeser mehr da, Wie koeme
der schoene baum, der liebe Adel, dazu,
das nicht auch unzeitige fruechte da von fallen und ettliche nicht auch wormstichig odder wartzicht sein solten?
Der baum ist darumb nicht verdampt noch
boese. Also thun die kinder Gottes, Denn Gott selbs verschonet dem gantzen menschlichem geschlecht umb eines
menschen willen, der Jhesus Christus
heist, Solt er die menschen ansehen allein, so were eitel zorn da, Doch sol predig ampt und weltlich oberkeit
solchs nicht thun, das sie kein boeses
wolten achten noch ansehen, Denn die sollen die boesen straffen, jhenes mit dem wort, dis mit dem schwert, Jch rede
jtzt mit eintzelen personen als mit
Christen, das sie lernen sollen unterscheiden, was Gotts werck sey und was menschen bosheit sey, Es sind In allen
Goettlichen ampten und stenden viel
boeser menschen. Aber der stand ist und bleibt dennoch gut, wie hoch auch die menschen des misbrauchen, Man findet
viel boeser weiber, viel falscher
knecht, viel untrewer megde, viel schedlicher Amptleute und Rethe, Aber
nichts deste weniger ist Frawen stand,
Knecht und Magd stand und alle ampt gleich
wol Gottes stifft, werck und ordnung, Die sonne bleibt gut, ob wol die
[ 31alle ampt] alle sampt C]
[Seite 573b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 573a
gantze wellt der selbigen missebraucht,
einer zu rauben, einer zu morden, einer
dis, der ander das ubel aus zurichten, Und wer kundte etwas ubels
thun, wo jhm die sonne nicht da zu
leuchtet, die erde truege und ernerete, die lufft erhielte, Und Gott selbs jhn so behuetet? Es
heisst und bleibt: ‘Omnis creatura [Röm.
8, 20] subiecta est vanitati, sed non volens’, Roma. 8.
Es meinen wol ettliche, das Schreiber
ampt sey ein leicht geringe ampt, Aber
jm harnissch reiten, hitz, frost, staub, durst und ander ungemach leiden, das sey eine erbeit, Ja, das ist das allte
gemein teglich liedlin, das keiner
sihet, wo den andern der schuch druckt1, Jderman fulet allein sein
ungemach und gaffet auff des andern gut
gemach.2 War ists, Mir were es schweer jm
harnissch zu reiten, Aber ich wolt auch gern widderumb den reuter
sehen, der mir kundte einen gantzen tag
still sitzen und jnn ein buch sehen, wenn er
schon nichts sorgen, tichten, dencken noch lesen solt, Frage einen
Cantzel schreiber, Prediger und Redener,
was schreiben und reden fur erbeit sey, frage
einen Schulmeister, was leren und knaben zihen fur erbeit sey. Leicht
ist die schreibfedder, das ist war, ist
auch kein handzeug unter allen handwercken bas
zu erzeugen denn der schreiberey, denn sie bedarff allein der gense
fittich, der man umb sonst allent halben
gnug findet, Aber [Bl. G iij] es mus gleich
[Seite 574b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 574a
wol das beste stuecke (als der kopff) und das
edleste gelied (als die zunge) und das
hohest werck (als die rede), so am menschem leibe sind, hie her halten und am meisten erbeiten, da sonst bey andern
entweder die faust, fuss, rucken odder
der gleichen glied allein erbeiten, und koennen da neben froelich singen und frey schertzen, das ein schreiber wol
lassen mus, Drey finger thuns (sagt man
von Schreibern), Aber gantz leib und seel erbeiten dran.
Jch hab von dem loeblichen theuren
Keiser Maximilian hoeren sagen, Wenn die
grossen Hansen drumb murreten, das er der Schreiber so viel brauchte zu Bottschafften und sonst, das er sol gesagt
haben: Wie sol ich thun? sie wollen sich
nicht brauchen lassen, so mus ich Schreiber da zu nemen. Und weiter: Ritter kan ich machen, Aber Doctor
kan ich nicht machen1, So hab ich auch
von einem feinen Eddel man gehoeret, das er sagt: Jch wil meinen son lassen studieren, Es ist nicht
grosse kunst, zwey bein uber ein ross
hengen und reuter werden, das hat er mir bald gelernt, und ist fein und wol geredt2, Das wil ich aber mal nicht
zu verachtung des reissigen standes noch
einiges andern standes, sondern widder die losen Scharr hansen
[ 17 menschen] menschem A 29 hat er mir
BCEF] her mir A hend wir D]
[Seite 575b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 575a
gesagt haben, die alle lere und kunst verachten
und nichts rhumen koennen, denn das sie
harnissch furen und zwey bein uber ein ross hengen, wiel wol sie solchs selten thun muessen und da fur das
gantze jar gemach, lusst, freude, ehre
und guts gnug haben, Es ist wol war, kunst ist leicht zu tragen (sagt man) und harnissch schweer zu tragen, Aber
widderumb ist harnissch furen bald
gelernt. Aber kunst ist nicht bald gelernt, und nicht leicht zu uben und zu brauchen.
Und das ich dieses gewesschs ein mal
ein ende mache, So sollen wir wissen, das
Gott ein wuenderlicher Herr ist, Sein handwerck ist, aus bettler Herrn machen, gleich wie er aus nichte alle
ding macht, Solch handwerck wird jhm
niemand legen noch hindern, Er lessts gar herrlich jnn aller wellt [Ps. 113, 5 –8] von sich singen Psalm 112:
‘Wer ist wie der HERR, der so hoch sitzt und
so tieff hernidder sihet? Der den geringen auffricht aus dem staube
und erhoehet den armen aus dem kot, Das
er jhn sitzen lasse unter den Fursten,
ja unter den Fursten seines volcks?’ Sihe dich umb jnn aller Koenige
und Fursten hoefe und jnn Stedten und
Pfarhen, was gillts, ob nicht dieser Psalm
mit vielen starcken exempeln drinnen regieret? da wirstu finden
Juristen, Doctores, Rethe, Schreiber,
Prediger, die gemeiniglich arm gewest und ja
[ 23 gelernt —gelernt fehlt D nicht (2.)] nilht A]
[Seite 576b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 576a
gewislich allzumal Schueler gewest sind
und durch die fedder so empor
geschwungen und auff geflogen, das sie herrn sind, wie dieser Psalm sagt
und wie die Fursten land und leute
regiern helffen. Gott wills nicht haben,
das geborne Koenige, Fursten, Herrn und Adel sollen allein regieren und
herrn sein, Er wil auch seine Betler da
bey haben, Sie dechten sonst, die Eddel
geburt macht alleine Herrn und regenten und nicht Gott alleine.
Man spricht, und ist die warheit: Der
Bapst ist [Bl. G4] auch ein schueler
gewest. Darumb verachte mir nicht die gesellen, die fur der thur
Panem propter Deum sagen und den brot
reihen singen1, du hoerest (wie dieser
Psalm sagt) grosse Fursten und Herrn singen. Jch bin auch ein
solcher parteken hengst2 gewest und hab
das brot fur den heusern genomen, sonderlich
zu Eisenach jnn meiner lieben stad, wie wol mich hernach mein lieber
Vater mit aller lieb und trew jnn der
hohen schulen zu Erffort hielt und durch
seinen sauren schweis und erbeit da hin geholffen hat, da ich hin komen
bin3, Aber dennoch bin ich ein partecken
hengst gewest, Und nach diesem Psalm durch
die schreibfedder so fern komen, das ich jtzt nicht wolt mit dem
Tuerckisschen Keiser beuten4, das ich
sein gut solt haben und meiner kunst emperen, Ja,
[Seite 577b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 577a
ich wolt der wellt gut, viel mal geheufft,
nicht da fur nemen, Und were doch on
zweivel nicht da hin komen, wo ich nicht jnn die schule und jns Schreiber handwerck were geraten.
Darumb las deinen son getrost studirn,
und solt er auch die weil nach brot
gehen, so gibstu unserm Herr Gott ein feines hoeltzlin, da er dir einen Herrn aus schnitzen kan.1 Es wird doch da bey
bleiben, das dein und mein son, das ist:
gemeiner leute kinder werden die welt muessen regiern, beide jnn geistlichem und weltlichem stande, wie dieser
Psalm zeuget, Denn die reichen geitz
wanste koennens und wollens nicht thun, Sie sind des Mammon Cartheuser und Munche, des muessen sie tag und nacht
warten, So vermuegens dir gebornen
Fursten und Herrn alleine nicht, Und sonderlich vermuegen sie das geistlich ampt gar nichts verstehen, Also
mus wol beide regiment auff erden
bleiben bey den armen mittelmessigen und gemeinen leuten und bey jhren kindern.
Und kere dich nichts dran, das jtzt der
gemeine geitz wanst die kunst so hoch
veracht und sprechen: “Ha, wenn mein son deudsch schreiben, lesen und rechen kan, so kan er gnug, Jch wil jhn zum
Kauffman thun.” Sie sollen
[ 24 werden] werd D]
[Seite 578b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 578a
jnn kuertz so koerre1 werden, das sie einen
gelerten gern aus der erden zehen ellen
tieff mit den fingern grueben2, Denn der kauffman sol wir nicht lange kauffman sein, wo die predigt und Recht
fallen, das weis ich fur war, Wir
Theologen und Juristen muessen bleiben odder sollen allesampt mit uns
untergehen, das wird mir nicht feilen,
Wo die Theologen wenden3, da wendet
Gottes wort und bleiben eitel Heiden, ja eitel teuffel, Wo die Juristen wenden, da wendet das Recht sampt dem friede,
und bleibt eitel raub, mord, frevel und
gewallt, ja eitel wilde thiere. Was aber der kauffman werben4 und gewinnen wird, wo fride wendet, das wil
ich jhm als denn sein register5 sagen
lassen, Und wie nuetze jhm als denn alle sein gut sein wird, wo die predigt fellet, das sol jhm sein gewissen wol
zeigen.
Und ist jnn sonderheit verdrieslich,
das solche ungeschliffen, unchristliche
wort die reden, so gantz Euangelisch sein wollen, wissen jderman zu
mei-[Bl. H 1] stern und zu uberschreien
mit der schrifft Und gonnen die weil weder Gott
selbs noch jhren eigen kindern so viel ehre odder guts, das sie die
selbigen zur schulen zoegen, da mit sie
zu solchen herrlichen Goettlichen stenden, Gott und
[Seite 579b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 579a
der wellt zu dienen, komen moechten, die sie
doch gewis fur augen sehen, gestifft,
bereit und wol versorget mit gut und ehren, Sondern wenden sie da von
und stossen sie jnn der Mammon dienst,
da sie doch nicht gewisses fur augen haben,
da zu voller fahr, beide leibs, guts und der seelen sein muessen, und
uber das, da nicht ein Gottes dienst ist
noch sein kan.
Hie sollt ich auch erzelen, wie viel
gelerten man haben mus jnn der ertzney
und andern freyen kuensten, Von welchen beiden stuecken wol ein gros buch zu schreiben und ein halb jar da von zu
predigen were. Wo wolten Prediger und
Juristen und Ertzte her komen, wo nicht die Grammatica und ander rede kuenste fur handen weren? Aus
diesem brunne muessen sie alle her
fliessen. Aber es wil mir jtzt zu lang und zu viel werden. Das sage
ich kuertzlich: Einen vleissigen frumen
Schulmeister odder Magister odder wer es
ist, der knaben trewlich zeucht und leret, dem kan man nimer mehr gnug lohnen und mit keinem gelde bezalen, wie auch
der Heide Aristoteles sagt.1 Noch ists
bey uns so schendlich veracht, als sey es gar nichts, und wollen dennoch Christen sein, Und ich, wenn ich vom
predig ampt und andern sachen ablassen
kundte odder mueste, So wolt ich kein ampt lieber haben denn Schulmeister
[ 27 bruenne BE]
[Seite 580b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 580a
odder knaben lerer sein. Denn ich weis,
das dis werck nehest dem Predig ampt das
aller nuetzlichst, groessest und beste ist, Und weis da zu noch nicht, welchs unter beiden das beste ist,
denn es ist schweer, alte hunde bendig
und alte schelcke frum zu machen1, dar an doch das predig ampt erbeit,
und viel umbsonst erbeiten mus, Aber die
iungen bewmlin kan man besser biegen und
ziehen, ob gleich auch ettliche druber zu brechen.2 Lieber, lass es der hoechsten tuegent eine sein auff erden,
frembden leuten jhre kinder trewlich zihen,
welchs gar wenig und schier niemand thut an seinen eigenen.
Das aber die Ertzte herrn sind, das
sihet man fur augen wol, Und das man jhr
auch nicht emperen kan, leret die erfarung wol, Das es aber der wellt ein nuetzlicher, troestlicher,
heilsamer stand, da zu ein angenemer Gottes
dienst sey, von Gott geschaffen und gestifft, gibt nicht allein das
werck an [Sir. 38, 1 –8] jhm selber,
Sondern zeugt auch die schrifft Ecclesi. 38, da schier ein gantz Capitel von den Ertzten da her rhumet und
spricht: “Du solt den Artzt ehren, denn
man kan sein nicht geraten, und Gott hat jhn gestifft, Denn alle ertzney ist von Gott, Die kunst des Artztes
bringt jhn zu ehren, und er wird fur den
grossen herrn werd gehalten, Gott hat die ertzney aus der erden geschaffen, und kein vernuenfftiger mensch
ist, der sie veracht, Denn gleich wie
[Seite 581b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 581a
zur zeit Mose das bitter wasser vom
holtz susse ward, Also hat er wollen auch
hierin den menschen kund thun, was ertzney vermag, Und hat solche
kunst darumb [Bl. H ij] auch den
menschen gegeben, das man seine wunder preisen solle, Denn hie mit kan der Artzt allerley
schmertzen lindern und viel susser guter
confect machen und salben zu richten, da von die krancken gesund werden,
und solcher seiner werck ist kein zal &c..”
Wolan, es ist mir jtzt zu viel, die
Prediger koennen alle diese stuecke wol reichlicher aus streichen und
den leuten ein bilden, was schadens und
nutzs sie hie schaffen koennen der gantzen wellt und unsern nach komen, besser denn ichs schreiben
kan.
Jch wills hie lassen bleiben, Und einen
jglichen, der hie zu helffen kan, trewlich vermanet und gebeten haben, Denn
gedenck doch selbs, wie viel gueter dein
Gott dir umb sonst gegeben und noch teglich gibt, Nemlich leib und seel, haus, hoff, weib und kind, da zu weltlichen
fride, dienst und brauch aller seiner
Creatur jnn himel und erden, Uber das alles auch das Euangelion und predig ampt, tauffe, Sacrament und den
gantzen schatz seines sons und seines
geists, nicht allein on dein verdienst, sondern auch on deine koest und
muehe, Denn du darffest jtzt weder
Schulen noch Pfarhen erneeren, wie du doch nach
dem Euangelio wol schuldig werest. Und du soltest noch ein solcher
verfluchter,
[Seite 582b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 582a
vndanckbar schelm sein, das du nicht woltest
ein kind da her geben, das zu solchen
gaben Gottes zu erhalten erzogen wurde, Alles und alles umb sonst haben und nicht ein troepfflin danck
erzeigen, sondern Gottes reich und der
seelen heil lassen untergehen und helffen zu boden stossen?
Solt Gott hieruber nicht zornig werden?
Solt nicht theurzeit komen? Solt nicht
Pestilentz, Schweis1, Frantzosen und ander plagen uns finden? Solten nicht verblendte leute, wilde, wueste
Tyrannen regieren? Solt nicht krieg und
hadder entstehen? Solt nicht boese regiment jnn deudschen landen werden? Solt nicht Turck und Tattern uns
plundern? Ja es were nicht wunder, das
Gott beide thur und fenster jnn der hellen auff thet und liesse unter uns eitel Teuffel schneien und
schlacken2 odder liesse vom himel regen
schwefel und hellisch feur und versenckt uns alle sampt jnn abgrund der
hellen wie Sodoma und Gomorra, Denn
hette Sodoma und Gomorra so viel gehabt,
so viel gehoeret odder gesehen, sie stunden freilich noch heutigs tags,
Denn sie sind das zehend teil nicht so
boese gewest als jtzt deudsch land ist, Denn sie haben Gottes wort und predig ampt nicht
gehabt, So haben wirs umb sonst und
stellen uns, als die da wolten, das beide Gott, sein wort, alle zucht und
[ 20 zu boden stossen] v̄m stossen
D]
[Seite 583b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 583a
ehre untergieng. Und zwar fahen die Rotten
geister mit Gottes wort unter zu drucken
redlich an, So greiffts der Adel und die reichen auch weidlich an, zucht und ehre zu stoertzen, auff das wir
leute werden, wie wir verdienet haben.
Denn das wir das Euangelion und predig
ampt haben, was ists anders denn blut
und schweis unsers Herrn? Er hats ja durch seinen engstlichen blutigen schweis erworben, durch sein blut
und Creutz verdienet und uns geschenckt,
ha-[Bl. J 1] bens gar umb sonst und nichts drumb gethan noch gegeben. Ach Herr Gott, wie hertzlich bitter und saur
ists jhm worden! Wie freundlich und gern
hat ers dennoch gethan! Wie viel haben die lieben Apostel und alle heiligen druber gelitten, auff das es
bis auff uns komen moechte! Wie viel
sind zu unser zeit druber getoedtet! Und das ich mich auch rhume, wie manch mal hab ich den tod1 druber muessen
leiden, und ist mir auch so hertzlich
saur worden und noch wird, auff das ich meinen deudschen hierinn
dienet! Aber alles nichts gegen dem, das
Christus, Gottes son, unser liebes hertz, dran
gelegt hat, Und sol nu nicht anders da mit verdienet haben bey uns,
denn das ettliche solch sein theur
erworben ampt verfolgen, verdamnen, lestern, unter
[ 24 verdineet A]
[Seite 584b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 584a
alle Teuffel hinuntern, Die andern aber die
hand abzihen, weder Pfarher noch
Prediger neeren, noch etwas da zu geben, das doch erhalten wurde, Uber
das die kinder auch da von wenden, auff
das solch ampt ja bald zu boden gehe und
Christus blut und marter umb sonst sey, Und dennoch sicher da hin gehen, kein gewissen, kein rew noch leid fur solche
hellische und mehr denn hellische undanckbarkeit und viel unausprechliche sunde
und laster haben, Kein furcht noch schew
fur Gottes zorn, kein lust noch liebe zu dem lieben heilande, fur sein saur schwere marter erzeigen, sondern
wollen mit solchen schrecklichen greweln
da zu noch Euangelisch und Christen sein.
Wenns so sol jnn deudschen landen
gehen, So ist mirs leid, das ich ein
deudscher geborn bin odder jhe deudsch geredt odder geschrieben habe,
Und wo ichs fur meinem gewissen thun
kundt, wolt ich widder da zu helffen und raten, das der Bapst mit allen seinen greweln
widderumb uber uns komen muste und erger
druecken, schenden und verderben, denn zuvor jhe geschehen ist. Vor hin, da man dem Teuffel dienete und Christus
blut schendete, da stunden alle beutel
offen und war des gebens zu kirchen, schulen und allen greweln kein masse, da kundte man kinder jnn kloester,
stifft, kirchen, schulen treiben, stossen
[ 30 widderumb] widder BEF 32 dienete]
hat gedienet D]
[Seite 585b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 585a
und zwingen mit unsaglicher kost, das alles
verloren war, Nu man aber rechte schulen
und rechte kirchen sol stifften, ja nicht stifften, sondern allein erhalten jm gebew, Denn Gott hatts gestifftet
und gnug da zu geben, auch zu erhalten,
und wir wissens, das Gottes wort ist, und das es die rechte kirche gebawet heisst, Christus blut und marter
geehret, Da sind alle beutel mit eisern
kethen zu geschlossen, da kan niemand zu geben, Und uber das auch die kinder da von reissen und jhn nicht
goennen, das sie doch von der kirchen
(da wir nichts zu geben) erneeret wuerden und zu solchen heilsamen
emptern, dar jnn sie doch auch zeitlich
on jhr zuthun versorget sind, komen moechten
Gott zu dienen, Christus blut und marter zu ehren und zu erhalten,
Sondern stossen sie lieber dem Mammon
jnn den rachen und tretten Christus blut die
weil mit fuessen und sind dennoch gute Christen.
[Bl. Jij] Jch bitte Gott umb ein
gnedigs stuendlin, das er mich von
hinnen neme und nicht sehen lasse den jamer, so uber deudsch land gehen
mus, [2. Mose 17, 11] Denn ich hallt:
wenn zehen Mose stunden und fur uns betten, so wuerden sie nichts aus richten, So fule ichs auch, wenn ich
fur mein liebes deudsch land beten wil,
das mir das gebet zu ruck prallet und wil nicht hinauff dringen,
[ 23 Eisernketten EF]
[Seite 586b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 586a
wie es sonst thut, wenn ich fur ander
sachen bitte, Denn es wil werden, das
Gott wird Lot erloesen und Sodoman versencken. Gott gebe, das ich liegen muesse und jnn diesem stuecke ein
falscher Prophet sey, Welchs geschehen
wurde, so wir uns besserten und unsers Herrn wort und sein theures
blut und sterben anders ehreten, denn
bis her geschehen, Und dem iungen volck zu
den Goettlichen ampten (wie gesagt ist) huelffen und erzoegen.
Jch halt aber, das auch die oberkeit
hie schuldig sey die unterthanen zu
zwingen, jhre kinder zur schulen zu halten, sonderlich die, da von
droben gesagt ist. Denn sie ist warlich
schuldig, die obgesagten empter und stende
zu erhalten, das Prediger, Juristen, Pfarher, Schreiber, Ertzte,
Schulmeister und der gleichen bleiben,
denn man kan der nicht emperen, Kan sie die
unterthanen zwingen, so da tuechtig da zu sind, das sie muessen spies
und buechsen tragen, auff die mauren
lauffen und anders thun, wenn man kriegen
sol, Wie viel mehr kan und sol sie hie die unterthan zwingen, das sie
jhre kinder zu Schulen halten, weil hie
wol ein erger krieg fur handen ist mit
dem leidigen teuffel, der da mit umb gehet, das er Stedte und
Furstenthum wil so heimlich aussaugen
und von tuechtigen personen leer machen, bis er den kern gar aus geboret, eine ledige huelsen da
lasse stehen von eitel unnutzen leuten,
da er mit spielen und gaugeln koenne, wie er wil, Das heisset freilich
eine
[Seite 587b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 587a
stad odder land aus gehungert und on
streit jnn sich selbs verderbt, ehe man
sich umbsihet. Thut doch der Turck wol ein anders und nimpt das
dritte kind jnn seinem gantzen reich und
zeuchts, wo zu er wil. Wie viel mehr solten
unser herrn doch ettliche knaben nemen zur Schulen, so doch da mit den Eltern das kind nicht genomen, sondern zu
jhrem besten und zu gemeinem nutz erzogen
wurde zu dem ampt, da jhm gnug geben wird.
Darumb wache hie, wer wachen kan! Die
oberkeit, wo sie einen tuechtigen knaben
sihet, das sie den zur schulen halten lasse, Jst der vater arm, so helffe man mit kirchen guetern da zu. Hie
solten die reichen jhre testament zu
geben, wie denn die gethan haben, die ettliche stipendia gestifft haben, das hiesse recht zur kirchen dein gellt
bescheiden. Hie loesestu nicht der verstorbenen
seelen aus dem fegfeur, sondern hilffest durch erhaltung der Gottlichen empter beide den lebendigen und den
zukunfftigen, die noch nicht geboren
sind, das sie nicht hinein jns Fegfeur komen, ja das sie aus der hellen
erloeset werden und gen himel faren, und
die lebendigen, das sie friede und gemach
haben, Das moecht ein loblich Christlich testament sein, da het-[Bl. J3]
te Gott lust zu und gefallen dran und
wurde dich widderumb segen und ehren,
das du auch lust und freude an jhm haben wurdest. Wolan, jhr lieben
[Seite 588b]
[Eine Predigt Mar Luther, das man
kinder zur Schulen halten solle] 588a
deudschen, Jch habs euch gnug gesagt,
jhr habt ewrn Propheten1 gehoert. Gott
gebe uns, das wir seinem wort folgen, zu lob und danck unserm lieben
Herrn fur sein theurs blut fur uns so
mildiglich dar gestreckt, Und behuete uns fur
dem grewlichen laster der undanckbarkeit und vergessung seiner
wolthat! AMEN.
[Seite 589]
[Einleitung]
[Seite 589]
In einem Briefe, den Luther am
[Seite 590]
Während wir somit über die Zeit der
Drucklegung unsrer Schrift recht gut unterrichtet sind, können wir die Zeit, in
der Luther sie während seines Aufenthalts auf der Veste Koburg verfaßt hat,
nicht genauer bestimmen — auch nicht mit Hilfe des oben zitierten Briefes an
Amsdorf vom 31. Oktober, in dem Luther die “Vermahnung” und die Erklärung des
111. Psalms libellos iamdudum scriptos nennt.1
Ausgaben.
A “❧ Verma- || nung zum Sacra || ment des leibs vnd || bluts
vnsers || HERRN. || Mart. Luther. || rVittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 32 Blätter in Quart, die drei letzten
Seiten leer. Am Ende: “Gedruckt zu rvittemberg || durch Joseph klug. || M. D.
XXX. ||”
Kleine Druckänderungen z. B. Bl. B 2 a
Kustos “eige” neben “eigen”, Bl. F 2 a Kustos “solche” neben “solcher”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5871), Breslau U. (nur Bogen A –E), Dresden, Heidelberg, München U.,
Nürnberg St., Wittenberg, Wolfenbüttel; London. — Erl. Ausg. 23, 162 Nr. 1.
B “Verman- || ung zum Sa- || crament
des leybs vnd || blůts vnsers HER- || REN. || Mart. Luther. || Wittemberg.
|| M. D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in
Quart, letzte Seite leer. Am Ende: “¶ Gedruckt zů Nüremberg || durch
Künigund || Hergotin. ||
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5875), Dresden, Greifswald, Heidelberg, Königsberg U., München U.,
Nürnberg St., Wernigerode, Wittenberg; London. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 2
(ungenau).
C “❧ Verma- || nung zum Sacra || ment des leibs vnd || bluts
vnsers || HERRN. || Mart. Luther. || rVittemberg. || M. D. XXX. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite leer. 24 Blätter in Quart, letzte Seite leer.
Am Ende: “Gedruckt zu rvittemberg || durch Joseph klug. || M. D. XXXJ. ||”
Kleine Druckänderungen z. B. Bl. C4 a
Kustos “wie” neben “wi”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5872), Jena, Zwickau. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 3 (ungenau).
D “Vermanūg zum || Sacrament des
|| leibs vnd bluts || vnsers HERRN. || Mart. Luther. || Wittemberg. || M. D.
XXXI. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 20 Blätter in Quart,
letzte Seite leer. Am Ende: “Gedruckt zu Nüremberg || durch Künigund ||
Hergotin. ||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Heidelberg,
München U., Wernigerode, Wittenberg, Zwickau; London. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr.
4 (ungenau).
[Seite 591]
E “Verma-||nung zum Sacra-||ment des
leibs || vnd bluts vnsers || HERRN. || Mart. Luther. || Auffs new vberse-||hen.
|| rVittemberg. || M. D. XXXVij. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite leer.
36 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu rVittenberg ||
durch Joseph klug. || M. D. XXX. Vij ||”
Einige Exemplare haben im Titel Z. 1
“Verma || nung”, auch in der Druckangabe den Fehler “Gedurckt”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5879a und 5879), Dresden, Heidelberg, Zwickau. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr.
5.
F “Verm̃a- || nung zum Sa ||
crament des Lei- || bes vnd Bluts || vnsers HER || REN. || * || Mart. Luther.
|| Gedruckt zu Leipzig || durch Nicolaum || Wolrab. || 1540. ||” Mit
Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt (Bild, das Abendmahl vorstellend, mit
Überschrift und Unterschrift aus 1. Cor. 11.). 55 Blätter in Oktav, Vlatt G 2 b
und die letzte Seite leer. Blatt G 3 a Zeile 1 ff.: “Die Fünff Fra || gen vom
Sacra- || ment des Al- || tars. || Vorrede Johan Po- || mers. || ...”
Vorhanden: Berlin (Luth. 5880, aus der
Knaakeschen Slg.), München U. — Erl. Ausg. 23, 163 Nr. 6 (ungenau).
G “Vermanung || zum Sacrament || des
Leibes vnnd || Blůts vnsers || HERREN. || Mart. Luther. || Wittemberg. ||
1 5 41. ||” Mit Titeleinfassung, auf der Titelrückseite Bild, das Abendmahl
darstellend. 56 Blätter in Oktav, Blatt G 2 b und die drei letzten Seiten leer.
Blatt G 3 a Zeile 1 ff.: “Die Fünff Fra || gen ...”
Oberdeutscher Druck.
Vorhanden: London. — Geisenhof,
Bibliotheca Bugenhagiana Nr. 245 (ungenau).
H “Verm̃a- || nung zum Sacra- ||
ment des Leibes || vnd Bluts vn || sers HER- || REN. || * || Mart. Luther. ||
1542. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt mit Bild und Text wie in
F. 64 Blätter in Oktav, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedruckt zu Leipzig, ||
durch Nicolaum || Wolrab. || 1542. ||” Blatt H 3 b Zeile 1 ff.: “Die fünff Fra
|| gen ...”
Vorhanden: Berlin (Luth. 5882; aus der
Knaakeschen Slg.).
Niederdeutsch:
“❧ Vorm̃aninge || thom
Sacramente des || lyues vnde blodes || vnses HEREN. || Martinus Luther. || M.
D. XXXI. || [Bild: Abendmahlsszene] ||” Titelrückseite leer. 31 Blätter in
Oktav. Am Ende: “Gedrücket ynn || der Keyserliken fryen || Stadt Magdeborg, ||
by Hans Walther. ||”
Vorhanden: Kopenhagen.
[Seite 592]
Spätere Einzelausgaben von Johann Jacob
Rambach1 (auf Grund des Abdruckes im 5. Bande der Jenaer Ausgabe): Halle und
Leipzig, Johann Christian Hendel (1731 ff.: Jena, Joh. Friedrich Ritter) 1723,
1726, 1731, 1736, 1742.
In den Gesamtausgaben: Wittenberg 4
(1551), 394a –408a; Jena 5 (1557), 184a –200a; Altenburg 5, 318 –334; Leipzig
20, 248 –265; Walch1 10, 2664 –2717; Walch2 10, 2170 –2209; Erlangen 23, 162
–207.
Nach dem Urdruck A ist in der gleichen
Druckerei C und hiernach sieben Jahre später E gedruckt; C hält sich sehr enge
an A, E dagegen (von Luther selbst durchgesehen) weicht von seiner Vorlage in
der Umlautsbezeichnung und in den unbetonten e erheblich ab. Nach A ist auch B
(Nürnberg), nach B D gedruckt. Letzteres greift, obwohl im Text ganz von B
abhängig, in den Formen vielfach auf A zurück. Aus A stammt ferner der
Oktavdruck F (Leipzig), der in H fast buchstäblich wiederholt ist. Auch G hält
sich in Ausstattung und Text, soweit sich aus der Beschreibung (s. oben S. 591)
und einer Anzahl Stichproben2 schließen läßt, sehr enge an F. Eine vollständige
Vergleichung dieses bedeutungslosen Druckes verbot sich, da das einzige
ermittelte Exemplar in London liegt, aus bekannten Gründen.
B, D (Nürnberg) verglichen mit A. D bringt die Nürnberger
Formen häufiger als B.
I.Vokale. 1) Umlaut: e > ae
taeglich, vaeter, vaeterlich, schaecher, laer, jaerlich; e > a arbeit und im
st. Berb. empfahet, lassest; o > oe in allen gewöhnlichen Fällen wie moecht,
goetlich, hoeren, boeß, groesser, schoen, toedten, erloesung, kloester,
roerlin, aber auch in zweifelhaften: woel, froelich, soelch B, soellest,
spoetter, gespoett, verroeret; u > ue Tuercken, Tuerckisch, duerffen, fuer,
fuerst, wuerd, stuermen, fuerchten, hinfuert, duerstig, thuer, wuerff, gebuert,
nottuerfftig, spueren, stuendlin, suende (D nicht immer). Muenche, gegruendet,
kluenge, abtruennig, muendtlich, gewuenscht, stueck, schmuecken (nicht immer),
nuetz, huelse, hueltzen, erfuellet, guelden, drueber, muegen, luegen, mueglich,
geruest (Verb.), uberdruessig, huette, tuechtig; fruechte D; mhue, muesse,
unruegig; eu > au glauben, glaubig, kauffen, gaugler, tauffen, Widertauffer;
2) i > e herschet; o > u kumen,
genummen, kuennen, sunst, kuenig, sun, sunst; ∞ forcht, moegen (nicht
immer); u und ů, ei und ai in B seltener, in D öfter geschieden, i und ie
bisweilen geschieden: dise, glider, ziehen aber auch spissen; ou > au in
taub.
3) unechtes h fiel in mer, jr, meren,
oren, laer, steen, geen, ye, wee, wan, rum, wal, muhe > mhue B, dagegen
schewen > scheuhen.
[Seite 593]
4) unbetontes e kann an allen Stellen
fallen: hauff, tauff, suend, Tuerck, gnad, boeß, sonn, maß, tropff (nur B),
dest, schoen, gering, leut, tag, Got (Dat.), sein (suam), ich werd, moecht,
besorg, bleyb, sol (< solle); im Jnlaut vermant, verdienten, gehoert,
nechst, erlangt, seins, glaubstu, hoechst, luegner, genent, ordnung,
verdunckeln, D auch vergißt, stelt, gezeugt (Zeilenschluß); e wird an- oder
eingefügt: huette dich, du lassest, scheuhet, treffelich1 in D auch bleybe,
boese, steine (= A), glaubest, gestifftet (Zeilenschluß). Die Zahl der
auslautenden e in B und D verhält sich zu denen von A etwa wie 20 : 42.
II. Konsonanten: d > t, dt wirt,
niemant, yemant, unentlich, thon (B), erlitten, deutopffer, mundtlich,
vertunckeln, in D verplendt, yemandt; dt > t verblent B, kuente; b > p
(in D häufiger als in B) gepeut, gepot (aber verbeut bleibt), gepeten,
geprauchen, in D auch ploß, verplendt; puessen; h > ch hoechst, nechst; g
> k: kranckeit, c > k in kreutz B (D wieder creutz).
Doppelkonsonant vereinfacht: oder,
wider, weder, nider, fodern, etlich, goetlich, der drit, Got, genent, woel (D
woell), D auch stelt, vileicht; ∞Bischoffe, geratten, genummen, kummen,
ymmer, zollner, D auch frumme, gebetten, hette, satt.
III. Vor- und Nachsilben: vor >
fuer, fuersehen, ∞vorlesen; ge > g gwalt, glider (D ∞), nis >
nus, ickeit > igkeit.
IV. Deklination: einen > ein (in B
Zeilenschluß).
Konjugation: komen, kompt >
kum(m)en, kumpt; Umlaut fehlt in starken Verbis: lassest B, empfahet; ∞
wuerd, kluenge, wuerff, huelff; Umlaut in woellen, woel(le), duerffen, muegen
(neben moegen), kuente, soellest, soelle (D sol); konnen > kuennen; begonst
> begund.
V. Wortformen: jtzt > yetz (häufiger
in D), yetzt; dann, wann (in D seltener), dester, nit B, vor B, nun, sonder,
erfur > herfuer, hinubern > hinueber, genung > gnůg; yeglich,
soelch (seltener in D); kunfftig > zůkuenfftig; predigt > predig
(besonders B), threnen > trehern D, fordern, foddern (= befoerdern) >
fuerdern, verdamnen > verdamen B.
C und E (Wittenberg) verglichen mit A. C bleibt A fast
ganz gleich.
I. Vokale: 1) Umlaut: o > oe in E im
gleichen Umfang wie BD nur bleiben wollen, sollest; u > ue ebenso, dazu
schueldig, entschueldigt, luestig, Muecken, Jueden, schuechtern, kluegeln,
dagegen bleibt sunde, hinfurt, falsche ue sind in CE korrigiert (gezwuengen u.
a.); heupt > haubt CE;
[Seite 594]
2) u > o Moench, from, zoernt,
moegest, ruffen > roffen C (einmal), o > a nach (etiam) E (einmal); i
> ie lieber, verdienst E, ∞ hinein E, brive C, dinst C; toub > taub
E.
3) h fällt aus jm, jr, jrer, jn,
∞ scheuhet, fehrlich; h vertauscht in orhen, erhen C.
4) unbetontes e fällt in E öfter weg:
seel, Engel (Plur.), boes, opffermeß, -ung; im Jnlaut Hern C, gefelt, gleubstu,
ordnung, luegner (Zeilenschluß), groeste, mechtigsten, kriegs, heutigs,
Stillmesse, oft wird e anoder eingefuegt: hertze, huelffe, balde, eine (una),
muentze; geraubet, trincket, zeuchet, kluglen > kluegeln E.
II. Konsonanten: dt > t konte CE,
munter E, t > d notdurfft E; b > p gepot, ∞ Babst ( < Pabst); h
> ch rauche CE, ∞ zeuhet E.
Doppelkonsonant vereinfacht: E nider,
weder, wider, oder, betweise, huet dich, gefelt, ∞ gebetten E, nott,
vorrig C.
III. Vorsilben: ge > g glieder E, empfehet
> emptfehet C, entfehet E.
IV. Deklination: jhn > jhnen E, s
fällt ab des verdienst, Bapst C.
Konjugation: Umlaut in den
Konjunktiven: wuerde, huelffe, wuerffe usw., unterdruckt > untergedruckt;
mugen > moegen, moegest, Umlaut in kuende, wuestest.
V. Wortformen: noch > nocht C
(einmal); denselbigen, dasselbige > denselben, dasselbe E; iarmarck >
iarmarckt (auch in A) E, foddern > fordern, fordern > foerdern, verdamnen
> verdam(m)en E.
VI. gegen den > gegen dem E.
VII. Wortwahl: werser > weher E.
F. H (Leipzig), G (Oberdeutschland)
verglichen mit A. Obwohl F im Text ganz unabhängig von E ist, stimmt es in den
Formen mit diesem zeitlich näher stehenden Druck auffällig überein; H ist fast
ganz gleich mit F, von G konnten Abweichungen nur in ganz geringer Zahl
festgestellt werden.
I. Vokale: 1) Umlaut: e > ae
Baepstlich H; o > oe wie E, dazu woellen, koempt, Spoetter, gloeslin,
koestlich, schoen; in H auch soelch, moechte, ebenso u > ue, nur bleiben
schuldig, entschuldigt, mucken, bisweilen schmucken; dazu unmuendig, suende,
suender, duerffen, stuendlin, daruemb, druemb, wuenderlich, zwuenge, in H auch
schueldig, fuer (= vor), thuerst.
2) o > u guelten, H auch fuerdern (
= E); ou > au in taub H (= E); i > e herschet.
3) h fehlt in jm, jn, jrer; befelh >
befehl H.
4) kluglen > kluegeln; unbetontes e
fehlt in wuerd, erschreck, ∞ ordenung, gesaget.
II. Konsonanten vereinfacht in: weder
(auch ∞), wider, etlich (H auch etwas), goetlich, weltlich, gilt, H auch
oder, vernunft; d > t drunter, deutopffer, begert, H auch gruntloser; h >
ch siche (Jmperat.), h > g schlage, h fehlt in Kirchove.
[Seite 595]
III. Nachsilben: lin > lein
gloeslein (seltener), ickeit > igkeit.
IV. Deklination: jhn > jnen (immer),
eim > einem.
Konjugation: mugen > moegen, wustest > wuestest, wollen
> woellen.
V. Wortformen: nicht > nit, hinvbern
> hinueber, selbs > selb (Zeilenschluß); verdamnen > verdammen H,
fordern > fuerdern H.
Jn G u und ů geschieden, beruffen > berueffen,
blut > bluet.
[Bl. A ij]
[Seite 595]
[Erster Abschnitt]
DAs man durch die gantzen Christenheit
jnn aller welt die unmundigen kinder
teuffet und nicht harret, bis sie gros werden
odder zur vernunfft komen, dunckt mich aus sonderlichem rat und vorsehen Gottes geschehen und auffkomen
sein. Und wo man jtzt solt die grossen
und alten teuffen, hallt ich warlich,
das sich das zehende teil nicht liesse teuffen, Ja wir weren gewislich
(so viel an uns lege) lengest, lengest,
eitel, eitel Turcken worden, Denn welche nicht
getaufft weren, die wurden zu der Christen predigt nicht gehen und alle
jhr lere und wesen, weil es eitel heilige
frume leute machen wil, verachten, wie
sie doch jtzt thun, ob sie gleich getaufft sind und Christen sein
wollen. Wenn nu solcher ungetauffter
hauffe uberhand neme, was solt anders bald draus werden, denn ein lauter Turckenthum odder
heidenschafft? Und ob gleich ettliche
wenig drunder weren, die zu der Christen predigt giengen, die wurden doch die tauffe auffschieben bis auff das
letzte stundlin, wie man jtzt thut mit
der busse und besserung des lebens.
Und ich thurst wol theur und hoch drumb
wetten, ob nicht der teuffel durch die
Rotten geister und Widder teuffer solchs alles im sinn habe, damit das er die Kinder tauffe auffhebt, und wil
eitel alte grossen teuffen, Denn seine
gedancken stehen gewislich also: Wenn ich die kinder tauffe weg hette, So wolt ich mit den alten denn wol handeln,
das sie die Tauffe wurden verzihen und
auffschieben, bis sie ausgebubet hetten, odder bis auffs letzte
[ 23 denn fehlt E]
[Seite 596]
stundlin. Neben solchem auffschub wolt ich sie
sein von der predigt halten, das sie mir
nichts wedder von Christo noch der tauffe lernten noch hielten, so hette ich zuvor den grossen hauffen jnn
der welt mit gewaltigen exempeln als
Turcken, Persen, Tattern, Jueden und heiden, das sie zu letzt wurden
verruchen1 und sagen: Was tauffe? Was
Christen? wo der hauffe bleibt, da
bleibe ich auch, Meinstu, das Gott umb dreij odder vier Christen willen
alle welt verdamnen werde? Was sollt ich
bey den verachten, wenigen, bettlern und
elenden leuten leben?
S. Augustinus2 schreibt von sich selbs,
das seine mutter und andere guten
freunde mit seiner tauffe verzogen haben und wolten ihn nicht lassen teuffen jnn der iugent, auff das er nicht
hernach drauff jnn sunden fiele, Sondern
wolten harren, bis er uber die jugent hin were und die tauffe deste fester halten mochte. Diese gute
meinung geriet dahin, [Bl. A iij] das S.
Augustinus jhe lenger jhe weiter beide von tauffe und Euangelio kam, bis er jnn der Manicheer Ketzerey fiel und beide
aus Christo und seiner tauffe das gespotte
hielt bis inn sein dreissigst iar und aus der massen schwerlich widder zu Christo aus der Ketzerey kam, das
seine mutter manche heisse threnen
druber vergos und also buessen muste jhr gute meinung und andacht, das sie jhres sons tauffe hatte helffen
verzihen.
Denn der teufel sihet wol, wie on das
die leute so roh und Gottlos sind, das
das zehende teil nichts dar nach fragt, was die tauffe sey, und auch schier nimer dran gedenckt noch Gotte danckt,
das es getaufft sei, viel weniger, das
sie der tauffe sich solten annemen und mit wirdigem wandel der selbigen gleich leben, Was solt denn werden, wenn sie
gar nicht getaufft und die predigt nicht
horeten? So es jtzt muehe hat, Christen zu sein und bleiben, wenn man gleich teglich leret, bittet und die
tauffe ubet, und ist dennoch solche tauffe
und lere ein gros vorteil und starcke vermanung, die zu letzt ettliche
mus bewegen, das sie weiter dencken denn
ein ungetauffter Heide.
Das alles kan jederman wol mercken und
greiffen an diesem stucke, das jtzt die
leute so geringe achten das heilige Sacrament des leibs und bluts unsers HERREN und stellen sich dagegen, als
sey nichts auff erden, des sie weniger
durffen, denn eben dieses Sacraments, und wollen dennoch Christen heissen, Lassen sich duncken, weil sie nu vom
Bepstlichen zwange frey sind worden, Sie
seien gar nicht mehr schuldig dis Sacraments zu brauchen, Sondern mugen sein wol emperen und frey on
alle sunde verachten, Und wenn solch
Sacrament nirgent gebraucht wurde odder gar untergienge, das were jhn gleich viel. Damit zeigen sie an und
bekennen mit der that, wie gar mit
grosser andacht und liebe sie vorhin zu diesem Sacrament gangen
[ 23 sie] es C 26 bettet F betet H 33
Bep-[Bl. A iijb] chlichen A (im Kustos richtig).]
[Seite 597]
sind, da sie vom Bapst dazu gezwungen worden,
Und wie feine Christen sie gewest sind,
Auch lernt man daraus, wie gar fein man die leute mit zwang Christen und frum machen kan, wie der Bapst mit seinen
gesetzen sich unterstanden hat, nemlich,
das eitel falsche heuchler, unwillige und gezwungene Christen draus worden sind. Ein gezwuengen Christen
aber ist ein seer frolicher angenemer
gast im himelreich, da Gott sonderliche lust zu hat, und wird ihn freilich unter die Engel oben an setzen, da
die Helle am tieffesten ist.
Jch besorge aber und halts dafur, das
solchs alles sey ein gros teil auch
unser schuld, die wir prediger, Pfarherr, Bisschove und seelsorger sind, als die wir die leute so lassen hin gehen inn
ihrem eigen sode1, vermanen nicht, treiben
nicht, halten nicht an, wie doch unser ampt foddert, Sondern schnarcken und schlaffen ia so sicher, als
sie thun, dencken nicht weiter denn: wer
da kompt, der kompt, Wer nicht kompt, der bleibe aussen, Und faren so zu beiden teilen, das wol besser tuechte.
Denn die weil wir wissen, das der
hellissche Satan und furst dieser welt nicht feiret, sondern mit seinen
engeln tag und nacht umb her gehet und
beide uns selbs und [Bl. A4] die leute an
ficht, auffhelt, hindert, faul und lessig macht zu allem Gottes dienst,
damit er beide tauffe, Sacrament,
Euangelion und alle Gottes ordnung zum wenigsten schweche, wo er sie nicht mag gar dempffen,
So solten wir ia widderumb dagegen
dencken, das wir unsers HERRN Christi Engel und wechter weren, die widder solche teuffels engel teglich
solten uber das volck wachen und wacker
sein mit unablessigem treiben, leren, vermanen, reitzen und locken,
wie [1. Tim. 4, 13] S. Paulus seinem
lieben Timotheo befilhet, damit der Teuffel doch nicht so gar sicher und on widderstand unter den
Christen seinen mutwillen uben mueste.
Derhalben wil jch hie mit beide mich
selbs und alle Pfarher und Prediger mit
vleis und gantzem ernst gar bruderlich gebeten haben, sie wolten hierinn sampt mir ein vleissig auffsehen auff
das volck haben, welchs Gott, als sein
eigenthum durch seines sons blut erworben und zur tauffe und seinem reich beruffen und bracht, uns befolhen hat
und gar strenge rechnung dafur foddern
wird, wie wir das alles wol wissen, Denn wo wir, so das ampt und befelh haben, hierin lessig und faul
sind, So mussen wir lange harren, ehe
das volck von jhm selber sich vermanet und er zu komet, So es doch noch schwerlich kompt, wenn wir gleich auffs
hertest anhalten, Denn, wie gesagt, Der
teufel ist da mit seinen Engeln und wehret, Auch so mussen die leute auff uns sehen und unser wort horen, und
nicht widderumb wir auff sie und ihr
thun sehen. Und was solt das predig ampt und Pfarr ampt, wo sich das volck selbs leren und vermanen kuendte?
Christus hette es wol mugen behalten und
nicht so theur durffen erarnten2, Und was sitzen wir denn auch jnn
[ 24 muesten C 32 komen C kome E]
[Seite 598]
solchem ampt, so wir nicht das leren und
vermanen treiben wollen? Mit der weise
wurden wir gar nichts besser odder villeicht erger sein, denn bis her gewesen sind Bepste, Bisschove, Pfarher und
Munche, die auch des volcks lauter
nichts sich haben angenomen, weder mit leren noch vermanen.
Wie wol jch weis, das ettliche leute so
gar verrucht und verstockt sind, das sie
sich gar an kein lere noch vermanen keren, Wie sollen wir dem thun?1 Wir werdens nicht besser haben denn Christus
und seine Apostel sampt allen [Matth.
11, 17] Propheten selbs gehabt haben, Christus spricht Matthei 11, Das seine
Juden weder tantzen noch trauren wollen,
man pfeiffe odder heuele, Und S. Paulus
[2. Tim. 4, 3] 2. Timo. 4 Spricht: ‘es wird die zeit komen, das man der
heilsamen lere nicht leiden wird’, Noch
gebeut er, das man darumb nicht solle ablassen,
sondern getrost anhalten, mit fug und unfug.2 Denn wir wissen
widderuemb, [Jes. 55, 11] das Leren und
Vermanen Gottes wort, ampt und befelh ist, und, wie Jsa. 55 sagt, on frucht nicht abgehen kan, und sollts
auch nur einen Zacheum odder einen
Zolner odder einen schecher am Creutze gewinnen, Es werden ia noch etliche vorhanden sein, wenn sie horen die
vermanung, das sie an ihre tauffe
gedencken werden und nicht gern wolten als die unchristen ihr Sacrament verachten, welchs jhn Christus so reichlich
geschenckt und so [Bl. B1] theur
erworben hat, An welcher exempel sich zu letzt die rauhen, rohen, losen
Christen auch stossen wurden und
villeicht anders werden, wie ein messer das ander wetzet.3
Nicht, das ich hiemit wil geraten
haben, die leute mit gesetzen auff
bestimpte zeit und tage zum Sacrament zu treiben, wie es der Bapst
gefasset hat, Denn damit hat der Bapst
ihm selbs und den pfarherrn faule, sicher
tage geschafft, das sie nicht haben durffen erbeiten mit leren und
treiben zum Sacrament, Sondern hat die
gewissen gefangen und gezwungen, das sie on
lust und willen, on nutz und heil, hin zu gelauffen sind und nicht
ein Sacrament des glaubens, sondern ein
werck des verdiensts draus gemacht, Und
hette freilich der teuffel kein neher noch mechtiger griffe erdencken
konnen, das Sacrament gar zu
vernichtigen, denn mit solchen gesetzen, Da ist der schein und die hulsen blieben, Aber der kern und
krafft weg genomen, das niemand gemerckt
hat. Mus gleichwol heissen ein Sacrament Christi, so doch nichts denn opffer und werck der menchen draus
gemacht war, Und das predig ampt hat
doch Gott nicht dazu gestifft, das es jhm solle sichere, faule prediger und unwillige, gezwungene Christen machen,
Und wer nicht willig und gern ein Christ
ist odder zum Sacrament gehet, der bleibe nur weit davon und fare, wo hin er feret, Gott mag keinen
gezwungen dienst haben, wie Paulus
[ 3 Bischouee A 16 die vermanung hoeren
E 28 verdiensts] diensts B]
[Seite 599]
[2. Kor. 9, 7] sagt 2. Cor. 9: ‘Einen
frolichen geber hat Gott lieb’, Sondern dazu ists gestifft, das es die leute sol er zu bringen,
locken und zihen, das sie williglich und
gerne komen, ja das sie darnach mit gewalt lauffen, ringen und dringen, [Matth. 11, 12] wie Christus spricht, Matt.
11: ‘Das Reich Gottes leidet gewalt, und die
gewalt uben, reissen es zu sich.’ Er wil nicht haben die uber
drussigen, ekeln, satsamen seelen,
sondern die hungerigen und durstigen, die sich drumb [Matth. 5, 6] dringen und reissen, wie er
sagt, Matt. 5: ‘Selig sind die hungerigen und
durstigen nach der gerechigkeit, Denn sie sollen satt werden.’
Darumb wil ich hie mit den Pfarhern und
Predigern ursachen geben, jhr volck zu
vermanen und zum Sacrament zu locken, und ettlich sachen anzeigen, damit man sie bewegen sol, das sie
williglich und on menschen zwang zum
Sacrament gehen und mit lust dasselbige empfahen, wie ich solchs auch zuvor jm Catechismo1 gethan habe, Welche
prediger nu solchs besser konnen machen,
die durffen dieses sermons nicht, ist gnug, das sie dazu vermanet sind, Die andern aber, so es nicht besser
konnen, mochten wol hieraus ettliche
stuck auff zeichen odder von wort zu wort dem volck fur lesen, wo es jhn gefellet, Da mit doch nicht dis Sacrament
so gar darnidder lige und veracht werde.
Und wil die ursachen jnn zwey teil stellen. Die erste betrifft Christum selbs, Die ander uns, die wir
Christen sein wollen.
[Bl. Bij]
Von der Ersten.
Es solt ia billich einem Christen wol
bewust sein, das solch Sacrament nicht
von menschen ertichtet noch erfunden ist, Sondern von Christo selbs aus Gottes seines Vaters willen und befelh
gestifft und auffgericht ist. Auch nicht
fur die hunde, sew, holtz odder steine, sondern fur uns menschen, und sonderlich fur uns Christen aus grosser,
hertzlicher, grundloser liebe geordent
und eingesetzt ist, zu gebrauchen, Wo aber ein Christlich hertz solchs
bedenckt, wie ists muglich, das nicht
solt mit andacht bewegt werden, dasselbige williglich, mit lust und liebe, zusuchen und zu begeren,
on allen zwang und gesetze? Wirds aber
davon nicht bewegt, So ist kein funcke noch tropffen Christlicher gedancken jnn dem selbigen hertzen, und ist
on zweivel ein unchristlichs, Turckisch,
Heidenisch hertz, das da gewislich nicht gleubt, das dis Sacrament
Christus eingesetzt und befolen habe, zu
gebrauchen, Viel weniger gleubt es, das
Christus uns solchs aus grundloser hertzlicher liebe geordent habe, Denn
wo der eines warhafftig gegleubt wird,
da kan ein hertz sich nicht so lass, faul
und verechtlich dazu stellen.
Darumb sehe ein iglicher auff sich und
prufe sein eigen hertz, Erstlich: ob er
auch gleube, das Christus Gottes son solch Sacrament uns menschen gestifft und gelassen habe, Zum andern: ob er
auch gleube, das ers so hertzlich
[ 7/8 hungerigen vnd durstigen] hungert
vnd duerstet E 24 steyn B 37 auch fehlt E]
[Seite 600]
und treulich, aus grundloser liebe mit uns
gemeinet habe, Gleubestu des nicht, So
wisse, das du kein Christen, sondern ein abtrunniger, verdampter heide und Turcke bist. Denn du heltest gar
nichts, weder von Christo, noch von
seinem befelh, weder von seiner liebe noch trew gegen dir, Sondern du stellest dich, als sey es alles erlogen und
eitel narrn werck, Gleubestu es aber, so
wird der selbige glaube dir jnn deinem hertzen eine solche predigt thun und sagen: “Du wilt ein Christ sein und
weissest, das Christus befelh und
ordenung ist, dis Sacrament zu brauchen, Aber du lesst es anstehen ein halb iar, gantz iar, drei jar und wol
lenger.” Hoerestu es, lieber Juncker?
Wie reimet sich das mit einem Christen? Was gillts, du wirst uber
solcher predigt dich fur dir selbs
schemen und furchten? Geschicht solche predigt nicht ynn deinem hertzen, so ist der glaube nicht
da, das dis Sacrament Christus stifft
sey, und dein maul leuget, wenn es sagt, das du solchs wol gleubest. Und bist ein zweifeltiger heide und erger
denn kein Turcke, Denn du gleubest nicht
(das ist eins) und leugest noch dazu, das du spricht, du gleubest es.
Also sihestu und must bekennen, das
alle lugen, falschs leben, verachtung
Gottlicher ordnung, tragheit, faulheit und laffheit zum Sacrament, da
zu undanckbarkeit und vergessung solcher
unaussprechlicher liebe Christi zu uns
fleusst und kompt alles und alles aus dem unglauben, das ein hertz
nicht gleubt, [Bl. B iij] dis Sacrament
sey Christus liebe und hertzliche ordnung,
Denn was ein hertz nicht gleubt, das kans auch nicht achten, ehren,
lieben noch loben, Und was man veracht,
lesst odder vergisset, da ist ein gewis
zeichen, das man nichts davon helt, gleubt auch nicht davon, nimpt sichs
auch nichts an. Widderumb, was man
gleubt und fur gewis helt, das kan man
nicht verachten, es sey gut odder bose, Jsts gut, so liebet und begerd
es das hertz, jsts boese, so furcht und
schewt es das hertz, wie wir erfaren, das solchs auch jm falschen glauben und jrrigen wahn
geschicht, da sich einer furcht, da kein
furcht ist, und frewet, da keine freude ist, So gar ein unrugig und schefftig ding ists umb einen glauben.
Darumb sollen die prediger dem volck
diese erste ursache wol fur bilden, das
sie zu sehen und ia gleuben, das dis Sacrament Gottes gnedige und veterlich ordnung ist, fur uns menschen
gestifft, Niemand zwingen wir hie mit
zum glauben, Aber wir zeigen an, was zum glauben gehoret, und wer ein Christ sein wil, das er wisse, was und
wie er gleuben solle, Damit er sich
selbs nicht unter dem Christlichen namen und schein betriege und halte sich fur Christen, so er doch ein unchrist
und Heide, ia wol erger denn ein Heide
und unchrist ist. Wil jemand daruber Christum verleugnen, ein unchrist sein und ungleubig bleiben, den lassen wir
faren ungezwungen, und fragen [
[ 14 kein] der CE 36 ein Christen E]
[Seite 601]
Er wird seinen richter und zwinger wol
finden, Wir sind entschuldigt und haben
das unser gethan. Denn es ist Gott kein schertz noch vergeblicher anschlag gewest, das er uns menschen dis
Sacrament gestifft und eingesetzt hat,
Darumb wil ers auch nicht veracht, mussig noch ungebraucht haben, viel weniger, das mans fur ein unnotig und
geringe ding halte, Sondern wil, das
mans brauchen und wol uben sol.
Und wenn es gleich ein solch schlecht
Sacrament were, das uns weder nutz noch
not, als das uns weder gnad noch hulff gebe, Sondern allein ein blos ledig gebot und gesetz Gottes were, der
es von uns foddert, zu gebrauchen, aus
seiner Gottlichen macht, der wir unterthan und gehorsam schuldig sind, so solt es doch, desselbigen gebots halben
allein, uns gnugsam treiben und reitzen,
das wirs nicht verachten noch unnotig odder geringe hielten, Sondern mit allem ernst und trewem gehorsam vleissig
ubeten und hoch ehreten, Sintemal nichts
grossers und herrlicher sein kan, denn was Gott gebeut und durch sein wort befilhet. Nu aber ists nicht ein
solch schlecht Sacrament, das ein ledig,
blos gebot sey, das wir on nutz und not uben musten, wie die Juden jhr opffer und eusserliche geberde on nutz
und not, allein zur last und pflicht
halten musten, damit sie gezwungen und gefangen waren, wie die leibeigen oder fronleute sind ym welltlichen regiment,
Sondern es ist ein gnaden reich
Sacrament, voller nutz und heils, dazu unzelicher und unaussprechlicher
guter, Darumb es nicht allein unveracht
und unvergessen, sondern auffs hohest
geehret und vleissigst sol gebraucht werden.
[Bl. B 4] Und das wir das zum teil
anzeigen, So sihe zum ersten das an, Das
er dis Sacrament hat eingesetzt zu seinem gedechtnis, wie er spricht: ‘Solchs thut zu meinem gedechtnis’, Dis wort
‘Gedechtnis’ mercke und bedencke wol, Es
wird dir viel anzeigen und dich fast seer reitzen. Jch rede aber itzt noch nicht von unserm nutz und not, so wir jm
Sacrament suchen mugen, Sondern vom
nutz, der Christo und Gott selber draus komet, und wie not es ist zu seiner Gottlichen ehre und dienst, das
mans vleissig brauche und ehre, Denn du
horest hie, das er seine Gottliche ehre und Gottes dienst jnn dis Sacrament stellet, das man sein hierin
gedencken sol, Was ist aber sein
gedencken anders, denn seine gnade und barmhertzigkeit preisen, zuhoeren, predigen, loben, dancken und ehren, die er
uns jnn Christo erzeigt hat? Auff
welchen Christum er alle seine ehre und Gotts dienst gewisen und gezogen
hat, das er ausser dem Christo kein ehre
noch Gottes dienst wissen wil, ia auch
nicht erkennet, noch jemandes Gott sein wil und daruber auch seinen
eigen alten Gotts dienst, jm gesetz Mosi
gegeben, verdampt und auffgehaben hat,
sampt allen Gottesdiensten jnn der gantzen welt, sie seien wie gros,
schon, alt oder herrlich sie jmer sein
mugen.
Weil nu ein iglicher geneigt und
andechtig sein wil, Christus leiden zu
ehren und Gott einen dienst zu thun, und einer dis, der ander das fur
nimpt: Einer leufft gen Rom, der ander
wird ein Munch, Der dritte fastet. Und
[Seite 602]
wer kan alle die Gottes dienst erzelen, die
wir das aus teufels eingeben und eigener
andacht bis her gestifftet und gehalten haben, damit wir diesen hohen, schonen Gottes dienst, nemlich sein
gedechtnis und die ehre des leidens
Christi, verfinstert und vergessen haben, welchen Gott selbs gestifft
und bezeugt hat, das er jhm hertzlich
wol gefalle? Und hat jhn also gestifft, das er nimer mehr kan ausgedienet noch gnug gehalten
werden, Denn wer kan Gottes gnugsam
gedencken? Wer kan jhn zu viel loben? Wer kan jhm zu seer dancken? Wer kan Christus leiden zu viel
ehren? Warumb haben denn wir tollen
heiligen so schendlich dahin geschwermet, als hetten wir jnn diesem Sacrament keinen Gotts dienst odder hetten
den selbigen lengest ausgericht und gar
ab gedienet? Haben daneben und daruber so viel schendlicher, grewlicher, stinckender Gottes dienst eigener andacht und
selb erweleten werck angericht und die
welt damit erfullet, dazu diesen rechten Gottes dienst verleugnet, geschendet und gelestert, Wiltu nu Gott einen
herrlichen grossen Gotts dienst thun und
Christus leiden recht ehren, so dencke und gehe zum Sacrament, darinn (wie du horest) sein gedechtnis ist,
das ist: sein lob und ehre, Und ube
damit odder hilff das selbige gedechtnis mit vleis uben, so wirstu der selb erweleten Gotts dienste wol vergessen,
Denn (wie gesagt) du kanst Gott nicht zu
offt odder zu viel loben und dancken fur seine gnade jnn Christo erzeigt.
Es scheinet wol ein geringer Gotts
dienst sein, solch gedechtnis, weil es
nicht viel eusserlichs prangens treibt mit kleidern, geberden, gebewen
und der [Bl. C 1] gleichen, damit die
augen und ohren gefullet werden, Sondern allein
mit dem mundlichen wort wird aus gericht, welchs fur den augen auff
erden ein geringes ansehen hat. Aber wie
hoch und herrlich es sey fur Gott und
[1. Kor. 2, 9] seinen Engeln, kan kein auge sehen noch ohre horen noch
hertz begreiffen, Gottes wort und werck
sind allzu mal am ersten geringes ansehens, darumb wollen sie mit vleis und ernst bedacht sein, Wer das
thut, der findet sie, wie gros [Ps. 50,
23] sie sind. Er spricht selber Psalm 50: ‘Danckopffer preiset mich’, Was
ist das anders gesagt denn so viel?:
Danckopffer gibt mir meine Gottliche ehre,
Es macht mich zum Gott und behelt mich zum Gott, Gleich wie widderumb die Werckopffer nemen jhm seine Gotliche ehre
und machen ihn zum Goetzen und lassen
jhn nicht Gott bleiben, Denn wer nicht danckt, sondern verdienen wil, der hat keinen Gott und macht jnnwendig
jnn seinem hertzen und auswendig jnn
seinen wercken einen andern Gott aus dem rechten Gott, das ist: unter dem namen des rechten Gottes, wie er
offt jnn Jesaia und andern Propheten
klagt und jm ersten gebot gar hart verbeut, das man keine Gotter machen, auch jhn selbs nicht anders machen
sol.
Wiltu nu ein Gott macher werden, so kom
her, hore zu, Er wil dich die kunst
leren, das du nicht feilest und einen Gotzen, sondern den rechten
[ 1 das aus] aus des E 39 nu fehlt CE]
[Seite 603]
Gott zum rechten Gott machest, Nicht das du
sein Gottliche natur machen sollest,
denn dieselbige ist und bleibt ungemacht ewiglich, Sondern, das du jhn kanst dir zum Gott machen, das er dir, dir,
dir, auch ein rechter Gott werde, wie er
fur sich selber ein rechter Gott ist, Das ist aber die kunst, kurtz und gewis dargegeben: Das thut zu meinem
gedechtnis1, Lerne sein gedencken, das
ist (wie gesagt): Predigen, preisen, loben, zuhoren und dancken fur die
gnade jnn Christo erzeigt. Thustu das,
sihe, so bekennestu mit hertzen und munde,
mit ohren und augen, mit leib und seele, das du Gott nichts gegeben
habest, noch mugest, Sondern alles und
alles von jhm habest und nemest, sonderlich
das ewige leben und unendliche gerechtigkeit jnn Christo, Wo aber das
geschicht, So hastu jhn dir zum rechten
Gott gemacht und mit solchem bekentnis seine
Gottliche ehre erhalten. Denn das heisst ein rechter Gott, der da gibt
und nicht nimpt, der da hilfft und nicht
jhm helffen lesst, der da leret und regirt
und sich nicht leren noch regieren lesst, Summa, der alles thut und
gibt, und er2 niemands darff, und thut
solchs alles umbsonst, aus lauter gnaden on
verdienst, den unwirdigen und unverdieneten, ia den verdampten und
verlornen, Solch gedechtnis, bekentnis und
ehre wil er haben.
Sihe, dieser Gotts dienst gehet daher
wol on alle pracht und fullet die augen
nicht nach dem fleisch, Er fullet aber das hertz, welchs doch sonst weder himel und erden fullen mag, Wenn aber das
hertz vol ist, mus auch als denn beide,
augen und ohren, mund und nasen, leib und seele und alle gelieder vol sein, Denn wie sich das hertz hellt,
darnach halten und stellen sich alle
gelieder, und ist alles und alles eitel zungen, vol lobens und danckens
gegen Gott. Das ist denn wol [Bl. Cij]
ein ander schmuck und zierde wedder3 die
gulden Kaseln4, Ja, Keiser, Konige, Bapst kronen, aller kirchen und
aller welt schmuck und prangen ist ein
unflat gegen diese herrliche Gedechtnis Christi, Und eine gedancken5 von diesem Gotts dienst
klinget heller, lautet besser, schallet
weiter, denn alle drummeln, posaunen, orgeln, glocken und was auff
erden lauten mag, wenn sie auch alle
auff einem hauffen weren und alle zu gleich
mit aller macht klungen. Sihe, das ist wol ein ander klang und gesang wedder aller gesang und klang auff erden, und
lautet doch gering von aussen zun ohren
hienein, aber von jnnen aus dem hertzen heraus lautet er also starck, das dich alle Creatur duncken
dasselbige klingen und aller menschen
gesang eitel stummen6 und toub sein.
Das aber Gott loben und dancken sey
eben so viel als Gotte schmucken [2.
Mose 15, 2] und zieren, stehet klerlich jm liede Mosi Exo. 15: ‘Das ist mein
Gott, den
[ 9 noch mugest] noch geben moegest
E und alles fehlt CE 27 ein
gedancken E3 33/34 das — sein] das dich alle Creatur vnd aller menschen gesang,
eitel stummen vnd taub sein duencken, gegen dis klingen E]
[Seite 604]
wil ich zieren, meins Vaters Gott, denn ich
wil hoch loben.’ Sihe, da horestu, wie
du kanst deinen Gott schoene machen, schmucken, zieren und auffs aller feinest malen, krantz und kronen auff
setzen, mit spangen und keten behengen,
und darffest kein gelt noch ertz dazu, Sondern mit hertzen gleuben und mit dem munde loben, mit den oren sein
lob und gnade horen, und wie mehr droben
gesagt ist, Wer solch zieren und schmucken seinem Gott nicht geben wil, Was solt dem anders widderfaren,
Denn das er jns teufels namen verblendt
und tol werde, Fare die weil zu und schmucke dafur hultzen und steinen bilde, male tafeln und wende, ziere
altar und kirchen, kleide mit gold und
seiden die Opfferpfaffen, Und wende alle sein gut und macht an stifft, kloster, walfarten und ander mehr falsche,
verdampte eigen Gotts dienste? Nicht,
das ich eusserlichen schmuck gantz verwerffe, Sondern das er nicht sol ein Gotts dienst heissen, viel weniger diesen
einigen rechten Gottes dienst hindern
odder verdunckelen, Sondern, wil er nutze sein, das er diesen Gottes dienst des danckes fordere und dazu helffe,
odder sey verdampt, sampt allen andern
wercken und verdienst, damit man Gotts gnaden gewinnen odder keuffen wil.
Wenn du nu kein ander ursach noch nutz
hettest jnn diesem Sacrament denn allein
solch gedechtnis, soltestu nicht an dem selbigen treibens und reitzens gnug finden? Solt nicht dein hertz also zu
dir sagen?: Wolan, wenn ich sonst gleich
keinen nutz davon hette, So wil ich doch meinem Gott zu lob und ehren hingehen, wil jhm helffen seine
Gottliche ehre erhalten und auch mit
daran sein, das er ein rechter Gott gemacht werde, Kan oder mus ich nicht predigen, So wil ich doch zu horen,
Denn wer zu horet, der hilfft auch
dancken und Gott ehren, Sintemal, wo kein zuhorer were, da kund kein prediger sein, Kan jch nicht zu horen, So wil ich dennoch unter den zu horern sein, und wil zum wenigsten mit der
that, mit dem leibe und meinen geliedern
da sein, da man Gott lobet und ehret. Und wenn ich gleich nicht mehr thun kundte, so wil ich doch das
Sacrament eben darumb empfahen, das jch
mit solchem empfahem bekennen und zeugen mag, das ich auch der einer sey, der Gott loben und dancken wolle,
und wil also meinem Gott zu ehren das
Sacrament empfahen, [Bl. Ciij] und solch empfahen sol mein gedechtnis sein, da mit ich an seine gnade dencke und
dafur dancke, jnn Christo mir erzeigt.
Denn es ist nicht ein geringes thun,
das jemand gern unter dem hauffen ist,
da man Gott lobet und danckt, welchs die alten Veter mit tieffem seufftzen [Ps. 42, 5] gewundscht haben, wie der 42.
Psalm sagt: ‘Jch wolt gern hinuber faren mit
dem hauffen und mit jhnen zum hause Gottes gehen, jm dohn des rhumes
und [Ps. 118, 15] dancks unter dem
hauffen, die da feiren’, Und jm Schonen Confitemini1: ‘Es ist eine stim der freuden und des heils jnn
den hutten der gerechten’, und der
[ 4 mit hertzen] mit dem hertzen E]
[Seite 605]
gleichen viel mehr, Denn wer unter dem hauffen
ist, (So er nicht falsch ist) der ist
teilhafftig aller ehren und dancks, so Gott daselbs geschicht. Darumb mustu ia ein verzweivelter schelm sein, weil
du Gotte solchen dienst und solche
grosse ehre thun kanst, und dich weder kost noch muhe gestehet1, Sondern
mit willigem zuhoren oder mit leiblichem
empfahen und mit danckbarm hertzen alles
kanst ausrichten, und wilt doch deinem Gott dasselbige nicht erzeigen, So du doch soltest billich gern an der welt
ende lauffen, wo du wustest, einen
solchen hauffen zu finden, da man Gott lobet und ehret, und also der
heiligen geselschafft dich teilhafftig
machen, Wie hastu vorhin gelauffen zu der heiligen greber, kleider, gebeine? Wie ist man gen
Rom, gen Jerusalem, zu S. Jacob
gewallet, allein das man stein, bein, holtz und erden sehen mocht, und
nichts von Christo gedacht ward? Und hie
ist jnn deiner stad odder dorff, fur deiner
thur, Christus selbs gegenwertig mit leib und blut, mit seinem
gedechtnis, lob und ehren lebendig, und
du magst nicht hinzu gehen und auch helffen dancken und loben? Du bist gewis nicht ein Christ,
auch nicht ein mensch, sondern ein
teuffel odder teuffels gesinde.
Es were unrecht, das solchen verechtern
und verleugten Christen anders gienge,
denn das sie zur straffe jhrer schendlichen undanckbarckeit durch den teuffel besessen, betrogen und verfuret
wurden, damit sie nimer mehr nichts vom
Sacrament horeten noch lernten, Sondern sollen Papisten odder Schwermer zu lerer haben, das die Schwermer eitel brot
und wein draus machen, den kern aus
schelen und jhn die hulsen geben, Die Papisten aber ein opffer und kauffs handel draus machen, die sunden zu
vergeben und aus aller not zu helffen,
darnach jnn die monstrantz und Ciboria2 setzen, Procession machen und spiel tragen3 und eitel gauckel werck damit
treiben, bis sie auch nur eine gestalt
davon behalten, und dennoch on frucht, mit eitel schaden. Dafur sollen
sie geben gelt und gut, bis das sie Keiser,
Konige und Fursten machen aus solchen
jhren lerern, Recht, allerding recht, Mit den verkereten verkerestu dich, [Ps. 18, 27] spricht Psalm 18. Warumb haben
sie diesen Gottes dienst sampt Christus
gedechtnis veracht, der so herrlich, schon und gros ist, und den on kost
und muhe haben mochten? Wolan, so las
man sie die hulsen davon haben, mit
allem schaden an leib und seele, gut und ehre, Wie sie wollen, so
geschicht jhn!
Wer aber obangezeigter meinung Christus
gedechtnis hellt und sein leiden ehret,
der ist sicher und frey [Bl. C4] fur allen jrthum und fur aller teufel betrug, darff auch kein kost noch muehe dran
wagen und schafft unzelichen nutz dazu,
Denn er thut Gott zween grosse Gottes dienst, zwo grosse ehre, Die erste, das er sein stifft und ordnung nicht
veracht, sondern untertheniglich und
gern braucht, Welche ehre on zweivel Gott wol gefellet, als der solch
Sacrament
[ 10 gepeins B 11 nichts] da nichts E
19 wurden] werden B 27 Ronige A 28 Recht] Recht, recht E 29 spricht] spricht
David FH 31 moechten E 37 ordunng A ]
[Seite 606]
nicht vergeblich, sondern zu gebrauchen hat
eingesetzt und kein gefallen dran haben
kan, wo mans so ledig stehen lesst und nicht gebraucht, Denn damit stellet man sich fast, als hielte man Gott
fur einen narren, der unnotige stiffte
uns ordenet und nicht wuste, was er uns stifften solle, odder als were er ein knapsack1, der faule, untuchtige wahr
umbher truge und uns anboete, Und wer
kan es aus rechen, was unehre Gott und unserm Herrn Christo allein mit dem selbigen stuck geschicht, das
man sein Sacrament so veracht, ungeuebet
und ungebraucht lesst, und wollen dennoch nicht Papistissch, sondern Euangelisch sein? Welche unehre auffhebt und
hilfft abthun, wer sich zu dem lieben
Sacrament helt und solch Gottes stifft ehret und braucht, Dafur wird [1. Sam. 2, 30] jhn Gott widderumb ehren, wie
geschrieben stehet 1. Reg. 2: ‘Wer mich ehret,
den wil ich widder ehren, Wer mich aber veracht, sol widder veracht
werden.’
Die ander ehre ist, Das er Christus
Gedechtnis hellt und hilfft erhalten,
Das ist das predigen, loben und dancken fur die gnade Christi, uns
armen sundern durch sein leiden erzeigt,
Umb welchs gedechtnis willen furnemlich
Gott dis Sacrament gestifft hat, und auch solche ehre drinnen sucht und foddert, auff das er jnn Christo unser Gott
erkennet und gehalten werde, Wie ein
grosse ehre und herrlicher Gottes dienst das sey, ist droben gesagt, das damit Gottliche ehre erhalten und Gott
zum rechten Gott gemacht wird. Da fur
wird er on zweivel widderumb denselbigen zur Gottlichen ehre bringen und auch einen Gott und Gottes kind draus
machen, Und wer kan auch hie ausrechen,
was guts solche ehre und Gottes dienst schaffen? Denn damit danckt und lobet er nicht allein Gott jnn
Christo, welchs dieses Gottlichen
stiffts eigentlich thun ist, Sondern bekennet auch damit offentlich fur
der welt seinen HERRN Christum, und das
er ein Christ sey und sein wil, Und richtet
also zu gleich auff ein mal aus eins rechten Priesters beiderley hochste
ampt: Mit dem dancken, loben und ehren
gegen Gott thut er das schonest opffer,
den hohesten Gottes dienst und herrlichst werck, nemlich ein
Danckopffer, Mit dem bekentnis gegen die
menschen thut er so viel, als predigt er und lerete die leute an Christum gleuben, Damit hilfft
er die Christenheit mehren und erhalten,
hilfft stercken das Euangelion und Sacrament, hilfft die sunder bekeren und dem teufel sein reich sturmen,
Und jnn summa: Was die lere des worts
thut jnn der welt, da hilfft er mit und ist desselbigen wercks
teilhafftig, Wer kan aber erzelen, wie
grosser nutz hie geschehe?
Dagegen widderumb zu bedencken ist, was
die fur unselige leute sind, die das
Sacrament verachten und so faul und lass sind zugebrauchen, Denn die selbigen mugen aus dem widderspiel dieses
registers jhre untugent zelen und
rechen. Erstlich, das sie Gott [Bl. D 1] selbs unehren jnn seinem stifft und achten jhn fur einen narren, das er solch
unnotig Gottes dienst ordent,
[ 5 untuchtige] vnnoetige E uns
anboete] ausboete E 33 dasselbigen AC 34 hie] daran E]
[Seite 607]
Ja weil sie nicht gleuben, das ein Gottes
dienst seine gottliche ordnung und
gnadenreich gestifft ist, so schenden sie jhn mit solchem unglauben als
einen lugener und nichtigen man. Denn
Unglaube ist nichts anders denn Gotts
lesterung, da mit er fur ein lugener gehalten wird. Darnach verachten
sie auch das gedechtnis Christi, so inn
solchem Sacrament Gott gestifft hat und
gehalten wird, und thun dem leiden Christi keine ehre, Dancken jhm
nichts dafur, Sondern begehen das aller
grewlichst laster der undanckbarkeit, Dazu,
das noch erger ist, stellen sie sich, als die ungern vom danck und ehre
des leidens Christi horeten odder nicht
gern da bey sein mugen, da mans ehret
und danckt, Damit sie Gott seine Gottliche ehre nemen, hindern und
wehren, das er nicht kan ihr Gott sein
noch inn Christo fur einen Gott erkennet
werden, wie droben gesagt, Und so viel an ihn ligt, wolten sie, das
beide, Christus leiden und alle
Gottliche ehre, inn aller welt gar nichts golten und rein auff gehaben weren und eitel teuffel
unser Gotter wurden. Denn sie fragen
nichts darnach, wie Christus leiden geehret, sein gedechtnis gehalten, sein wort gepredigt odder Gott erkennet
werden mocht, Das ist vielmal erger,
denn so jemand Gottes bilde mit kot wurffe odder Chistum selbs unehrete.
Uber das geben sie den andern damit ein
bose ergerlich exempel und sind schuldig
an allen denen, die ihrem exempel nach dis Sacrament auch lassen und verachten, Damit, so viel an jhnen
ist, Christus gedechtnis vergessen wird,
Sein leiden gar umb sonst und unnutz, und endlich der Christlich glaube gar unter gehen, On was des guten noch
ist, das sie lassen und hindern, das sie
Gott kein danckopffer thun, ihren Herrn Christum nicht bekennen, jhren nehesten mit der that und
exempel nicht leren, reitzen und
bessern, Sondern Gott das danckopffer enzihen, Christum verleugnen
und jhren nehesten abfuren. Lieber, was
were es wunder, das Gott eitel teufel
uber uns liesse wueten mit teglicher pestilentz, krieg, theurung, mord
und iamer? Es ist hie Turcke, Tattern
und alle teuffel zu wenig, solche bosheit
zu plagen, da nicht allein solche grosse, grewliche uneher und
verachtung Gottes, sondern auch so
schendliche und verfluchte undanckbarkeit gegen Christo uber die masse jm Christlichen volck ist.
Die Juden musten jhren auszug und
erlosunge aus Egypten land und durchs
rote meer jerlich gar herrlich preisen, loben und dancken, Und konnen die lieben Propheten das selbige wunder werck
Gottes nirgent gnugsam erheben und
schmucken, Und wir Heiden, die sonst des teufels eigen sind gewest, und uns nichts von Christo zu wissen noch zu
haben geburt hat, sind zu solcher gnaden
und ehren komen, das wir der erlosung Christi sind teilhaftig worden, welcher uns nicht aus Egypten und roten meer,
sonder von der sunden, tod, hellen, teuffeln,
Gotts zorn und allem iamer erloset hat, auch nicht jnn das leibliche land Canaan, sondern jnn eine ewige
gerechtigkeit, leben, himel, gnade,
[ 12 gesagt] gesagt ist E 36 uns] aus
E]
[Seite 608]
und zu Gott selbs bracht hat, Und das alles nicht
[Bl. D ij] durch Mosen, noch durch
Engele, Sondern durch sich selbs, hatts jhm so hertzlich saur lassen
werden, blut druber geschwitzt, sein
hertz wie ein wachs zurschmeltzen lassen, am Creutz sich todten lassen, fur uns geweinet und
geseufftzet, auffs aller schendlichst sich
lestern lassen, Und ach, welche zunge, welch hertz ist hie gnug zu,
solche liebe, gnade und barmhertzigkeit
zu bedencken odder zu reden?
Und fur das alles sol er von denen (fur
die er solchs gethan) nicht mehr
verdienet haben, denn solchen danck und ehre, das man sein nicht gedencken mag, noch davon etwas horen, odder
unter denen sein, die sein gedechtnis
halten und dancken, und mugen sein Sacrament zu seinen ehren nicht brauchen, Sondern jhn da lassen mit
seinem Sacrament vergeblich sitzen, und
umbsonst uns dazu foddern, die weil hin gehen, fressen und sauffen odder wol ergers thun. Es ist wunder, das die sonne
lengst nicht kolschwartz worden ist, Es
solte kein laub noch gras wachsen, kein tropfe wassers noch lufft jnn der welt bleiben fur solcher unmenschlicher
undanckbarkeit, Die Juden sind boese
gewest, die jhn gecreutzigt haben, Aber wir heiden sind viel erger, die wir so schendlich sein leiden verachten und so
undanckbar dafur sind, die wir nicht so
viel jhm zu liebe und ehren thun, das wir solchs Sacraments gebrauchten und hulffen solch sein gedechtnis halten. O
Bapst, O Bisschove, O Sophisten, O
Munche, O Pfaffen, was habt jhr gethan, das jhr solchs alles schuld und ursachen seid, die jhr dis Sacrament zu opfer
Messen und werck gemacht, damit den
leuten diesen rechten brauch, ehre und danck vertunckelt und geraubt habt? Denn sie haben nichts anders drinnen
gesucht on jhr eigen werck, gehorsam und
verdienst. das habt jhr sie geleret und mit gebot zu solchem werck gezwungen, Und dennoch die eine gestalt
genomen.
[Matth. 23, 24] Jhr mucken seiger und
kamel schlinger, habt fur gegeben grosse ehre des Sacraments, das mans jnn gulden kostliche
monstrantz setzen, mit gulden kelchen
und Patenen handeln solle, und den Priestern die finger dazu sonderlich geschmirt mit salben, kostliche Corporal1,
messgewand und altar tucher, Tafel,
Kertzen und fanen und mancherley procession und gesang dazu gebraucht,
gerade als lege viel daran. Und das man
ia den grossen trefflichen ernst spuren
musse, habt jhr bedacht, das man mit rorlin aus dem kelche trincken
solle, damit das blut Christi nicht
verroret2 werde, Und fur war den glauben scharff angesehen, und geboten, das man ia unter
iglicher gestalt den gantzen Christum
[ 1 und fehlt E 18 gebrauchten]
gebrauchen BCE 33 verroret (verroeret BD) EFH]
[Seite 609]
gleuben solle, Aber da gegen hat das liebe
Sacrament mussen ein opffer und werck
sein, damit jhr aller welt gut und ehre zu euch gekaufft. Wo ist hie blieben die lere vom Gedechtnis Christi? Wenn
habt ihr das volck unterricht, das sie
solchs Sacrament solten aus liebe brauchen, als ein Gottes stifft ehren und Christum hierinn preisen, loben und
dancken, zu ehren seines leidens dasselbe
empfahen und seine gnade erkennen, on unser werck und verdienst uns
geschenckt? Ja ihr habt sie zu widder
solchem gedechtnis leren eigen werck und den freien willen und aus dem Sacrament selbs auch [Bl.
Diij] ein werck gemacht und alles
verkeret, Und wollet solchs nicht bussen, Sondern verteidingts auch noch
dazu, O spotter, O Geugler, O Heuchler,
O Lesterer, Ach mein Herr Christe, kom doch
bald mit feur und schwefel vom himel und machs mit solchem spotten und
lestern ein ende, wie uber machen1 sie
es doch so gantz unleidlich und untreglich!
Das ich aber ein mal von diesem stuck
kome, So hastu hie eine mechtige und
treffliche ursache, die dich reitze zum Sacrament zu gehen, das dein hertz dich mag ermanen auff die weise: Wolan, ich
wil zum Sacrament gehen, Nicht, das ich
damit ein gut werck odder verdienst wolle thun, auch nicht umb gehorsam odder gebot willen des Bapsts
odder der kirchen, Sondern zu lobe und
ehren meinem Gott, der mir solchs zu empfahen gestifft hat, und zu liebe und danck meinem HERRN und Heiland, der
mir solchs zu ehren seines leidens
eingesetzt hat, zu gebrauchen und zu dancken, Damit ich der einer sey, der jhm seines leidens dancke, Und nicht
erfunden werde unter den verechtern und
undanckbarn, auch nicht den andern ein bose exempel zum ergernis gebe und also mich teilhafftig mache jhres
verachten und undanckbarkeit, Sondern
viel mehr ein gut exempel gebe und andere herzu locke, das sie es auch
ehren und loben, Und also das gedechtnis
des leidens Christi helffe halten und
stercken, Und zu gleich als ein Christ meinen Herrn bekenne fur der
welt. Solch danckopffer wil ich jhm
thun, wenn ich gleich kein andern nutz davon
solt haben, Denn es sol mein danck sein dem HERRN fur sein bitter
leiden, das er umb meinet willen
erlidden hat.
Jch hoffe aber, Es sey nicht not, hie
lange zu leren, Was da heisse Christus
gedechtnis, davon wir anders wo offt und viel geleret haben: Nemlich, das es nicht sey das betrachten des
leidens, damit etliche als mit einem
gutem werck wollen Gott gedienet und gnade erlanget haben, gehen umb mit trauren fur das bitter leiden Christi
&c.. Sondern das ist Christus
gedechtnis, so man die krafft und frucht seines leidens leret und gleubt,
Also, das unser werck und verdienst
nichts sind, der frey wille tod und verloren
sey, Sondern allein durch Christus leiden und tod von sunden los und
frum werden, Das es sey ein leren odder
gedechtnis von der gnaden Gottes jnn
Christo, und nicht ein werck von uns gegen Gotte gethan. Widder solche
lere
[ 15 die] diese E 30 da] das F]
[Seite 610]
und glauben strebt das gantz Pabstum
mit seinen stifften, klostern und eigen
wercken, und haben dazu aus dem Sacrament auch das gemeineste
grosseste werck gemacht, da man doch am
aller wenigsten solt von unsern wercken,
sondern alles von eitel blosser gnade handeln, Haben also Christus
gedechtnis aller dinge unterdruckt und
dis gnadenreiche gestifft Gottes jnn solchen engstlichen grewel verkeret. Da huet dich fur und lerne
hie nichts mehr thun, denn deinem HERRN
Christo dancken fur sein leiden, Und Gott fur seine gnade und barmhertzigkeit, Zum zeichen und
bekentnis solchs dancks und lobes nim
und empfahe das Sacrament mit freuden.
Ob hie die Papisten wurden kluglen
wollen [Bl. D 4] aus meiner rede (wie
sie pflegen) und wider mich rhumen, das ich hie selbst jm Sacrament ein opffer mache, so ich doch bis her fast
gestritten1 habe, die Messe sey kein
opffer, Dar auff soltu also sagen: Jch mache wedder messe noch
Sacrament zum opffer, Sondern das
gedechtnis Christi, das ist die lere und glauben von der gnaden widder unser verdienst und werck,
das ist ein opffer, Und ist ein
Danckopffer, Denn mit dem selbigen gedechtnis bekennen und dancken wir Gott, das wir aus lauter gnaden durch
Christus leiden erloset, frum und selig
werden. Aber die Papisten haben solch gedechtnis verworffen, verdampt und gelestert, Verdamnen es auch noch
heutiges tages, denn sie wollen jhr werck
und verdienst verteidingen, Kloster und opffer Messen behalten, welchs
strebt widder solch gedechtnis Christi,
wie wir denn wissen, das sie die selbigen jhre
werck und messen verkeuffen und mitteilen jhren stifftern und brudern,
das jhr werck, als der sie fur sich
selbs zu viel und ubrig haben, auch andern
leuten helffen sollen zur gnade. Und thun also damit, das doch Christus
allein durch sein leiden thut, Setzen
sich jnn Christus ampt und werck Und sagen:
[Matth. 24, 5] Jch bin Christus, Mathei 24. Das ist eins, da widder ich
gestritten habe.
Zum andern haben sie nicht allein solch
danckopffer odder gedechtnis
unterdruckt, Sondern an des selbigen stat ertichtet ein ander opffer,
nemlich, das sie das Sacrament, das sie
empfahen und von Gott nemen solten, nemlich
den leib und das blut Christi, zum opffer gemacht und den selbigen
Gotte geopffert, Und wo sie das opffer
nicht hetten ertichtet, sie solten mir solche
Herrn nicht worden sein. Dazu halten sie Christus leib und blut nicht
fur ein danckopffer, sondern als ein
werckopffer, damit sie nicht Gott dancken fur
seine gnade, Sondern jhn selbs und andern damit verdienen und gnad
aller erst erwerben, das also nicht
Christus uns gnade hab erworben, Sondern wir
wollen die gnade selbs erwerben, durch unser werck, da mit wir Gott
seins sons leib und blut opffern, Das
ist der rechte heubtgrewel und grund aller
lesterung jm Bapstum. Widder solch lesterlich opffer hab ich gefochten
und fechte noch, das wir das Sacrament
nicht wollen weder opffer sein lassen noch
opffer heissen, Sondern ein Sacrament odder gestifft Gottes, uns
gegeben.
[Seite 611]
Mit solchem fechten haben wir so viel
ausgericht, das sie selbs nu fulen, wie
sie unrecht haben und die messe kein opffer sein muge, wollen aber solch unrecht nicht widderuffen noch bussen, heben
an am schlegel zu flicken1, wolten sich
gern schmucken mit dem gloslin, das die Messe odder Sacrament sol Ein misteriale odder memoriale
sacrificium, das ist Ein deud opffer und
werck opffer2 sein, Als damit man deutet und dencket an das opffer
Christi, so er am Creutz gethan hat, Ja
wer siegel und brieve hette, das solch glose
Gotte wolgefalle, Wer wil uns des versichern? Auch wird dis gloslin
eine unverschampte, greiffliche lugen,
wenn man die siegel und brieve jnn stifften
und klostern erfur zeucht, darinn sie den stifftern die Messen und
vigilien beide fur lebendigen und todten
verkeuffen, als ein [Bl. E 1] werck opffer oder
werbopffer, des gleichen zeugen auch jhr bucher und schrifft, so noch
fur handen sind. Und ist gut zu rechen,
Das sie mit solchen lugen gloslin
gedencken die selbigen alte grewel zu bestetigen, weil sie die selbigen
nicht widderruffen noch bussen, sondern
verteidingen, wie denn auch S. Gregorius
schreibt, Das er dreissig tage habe lassen die Messe opffern fur einen
todten3, Was hilffts aber, also mit
offenberlichen luegen die alten grewel stercken widder die helle warheit? On das eins das ander
deste mehr zu schanden macht.
Es hilfft auch solch gloslin nichts zur
sachen, Denn weil sie das Sacrament
damit wollen ein deutopffer odder denckopffer nennen, so machen sie gleichwol ein werck draus, das wir gegen
Gott thun umb verdienst, Und wird also
gleich wol da mit unser werck gegen Gott, und nicht Gottes gnade gegen uns, gepreiset. Gleich wie bis her ettliche
haben die Passion lassen malen und jnn
buechlin gelesen, Und solchem werck grosse ehre gegeben, wie der spruch Alberti hat geleret, das ein mal
das leiden Christi schlecht oben hin
betrachten sey besser, denn ob einer ein gantz iar fastet, alle tage einen Psalter betet und sich selbs bis auffs blut
steupet.4 Ein solch werck wurde aus dem Sacrament auch, wenn es solt heissen
ein deut opffer odder denck opffer,
damit man allein die historia und geschicht des leidens Christi bedecht, Solch werck kan ein Gottloser und der teufel
auch wol thun, Darumb hat Christus das
Sacrament nicht dazu eingesetzt, sondern zu seinem gedechtnis,
[ 6 werck opffer] denckopffer E
Merckopffer FH 27 wurde] wuerbe E]
[Seite 612]
Das man von seiner gnade recht leren,
gleuben, lieben und loben solle, welchs
werck vermag kein Gottloser nicht. Darumb meinen es die Papisten nicht
gut mit solchem gloslin, Sondern wollen
jhr opffer messe dadurch mit listen und
blinden griffen1 erhalten, suchen und meinen gar nicht das Sacrament,
sondern jhren Bauch und Mammon.
Das mercke da bey: Sie wollen, als die
Priester, ein sonderlichs, hohers und
bessers an dem Sacrament haben, fur allen andern Christen, Denn ob gleich die gantze Christenheit das Sacrament
gebraucht, empfehet, gleubet und danckt,
So mus es doch da selbs kein opffer heissen, Und kan hie keiner das Sacrament brauchen odder handeln fur einen
andern, sondern ein iglicher fur sich
selbs allein. Aber wenn es die Pfaffen handeln, so ists ein opffer, das sie nicht allein fur sich selbs, auch nicht
fur dancksagunge, Sondern fur alle ander
Christen thun, damit jhnen gnade und hulff zurlangen, Sihestu und greiffestu hie nicht, das die wort Christi
nicht ein opffer aus dem Sacrament
machen, Und an jhm selbs auch kein opffer ist? Aber wenn die kasel2
und platte dazu kompt, so wirds ein
opffer, Denn ob schon die gantze heilige
Christenheit das Sacrament handelt, mit henden und munde, jnn kelchen
und tuechern, mit glauben und liebe, mit
lob und danck, ia alle Engele jm himel
da zu, dennoch ists kein opffer, Aber wenn die platten uber dem alltar
damit umbgehet, da ists ein opffer. So
ein mechtig ding ists umb die weihe, beide
der person und des alltars, Und, lieber, frage mir sie doch, Warumb das Sacrament nicht auch ein opffer ist, [Bl.
Eij] wenn es die leien empfahen und
brauchen, odder ob sie ander Sacrament haben weder3 die leien.
So haben nu die kirchen jm Bapstum
zweierley Sacrament des altars: Der
gemein Christen man hat kein opffer Sacrament, sondern das schlecht Sacrament (wie wol dennoch die helfft
allein), Die priester haben ein opffer
Sacrament, und dasselbe gantz, Es gehet bruderlich zu, und haben sich
fein geteilet. Nu hat doch ia Christus
allen seinen Christen zu gleich einerley tauffe, Sacrament, Euangelion gegeben und gelassen,
und kein unterscheid der personen wollen
haben, Wo kompt denn solcher unterscheid her, das unser lieber trostlicher schatz jnn des priesters hand und maul ein
opffer wird, und jnn unsern henden und
munde nicht kan ein opffer sein, Sondern ein schlecht Sacrament sein mus, und ist doch beides einerley und
gleich Sacrament? Es kompt freilich
daher: Sic volo, sic iubeo4, aus der vollen gewalt des Bapsts, durch welche er auch aus dem Euangelio kan machen,
das es mus heissen Ketzerey odder
warheit, Als: da der Luther das Euangelion leret, Munche und Nunnen mugen ehlich werden, da ists ketzerey, Wenn
aber der Bapst solchs Munchen und Nonnen
erleubt, da ists das recht Euangelion, Und wenn jemand der kirchen guter misbraucht odder hindert, da
heisst es dem erbgut Christi zu
[Seite 613]
nahe gegriffen, Aber, wenn sie es den armen
entwenden, mit hurerey und krieg
umbbringen, da heisst es das erbgut Christi geheiliget. Es ist ein gewaltiger Schepffer und Gott.
Aber, das sie nicht meinen, Jch wolle
umb wort zancken (Denn wo die sachen
sonst recht stehen, sol an den worten nicht so viel liggen, wie wol doch jnn der schrifft solchs ferlich ist)1, Wolan,
so wollen wir das ein reumen und nicht
das Sacrament selbs, sondern empfahen odder brauch des Sacraments ein opffer nennen lassen, Mit solchem unterscheid
und verstand, Erstlich: das es nicht ein
deut opffer odder werck opffer, sondern ein danck opffer heisse, also, das
wer das Sacrament empfehet, sol das, zum
zeichen seiner dancksagung gethan haben,
damit er anzeigt, das er Christo fur sein leiden und gnade jnn seinem
hertzen danckbar sey, fur sich selbs.
Zum andern: das die priester auch kein ander
opffer draus machen uber dem altar, Sondern auch sie das selbige nicht
anders noch anderer meinung empfahen,
denn zum zeichen, damit sie anzeigen, das sie
Christo jm hertzen dancken fur sich selbs, gleich wie die andern
Christen, welchen sie es reichen vom
altar, Auff das es einerley und ein gleich Sacrament sey, beide der priester und der leien, und
die priester nicht bessers noch anders,
noch mehr am Sacrament haben denn die leien, gleich wie sie nicht besser
tauffe noch Euangelion haben, denn so
man von jhnen empfehet. Zum dritten: das
sie hin furt niemand das Sacrament odder messe als ein werck opffer verkeuffen noch fur andere opffern, umb gnade
zurlangen, weder den todten noch den
lebendigen, Sondern schlecht ein iglicher Priester, fur sich selbs allein (wie ein ander Christ) damit Gott danck
erzeige. Zum vierden (O thar ich das
auch ruren?): Wenn der Messe odder Sacraments brauch nu also [Bl. E iij]
ein danck opffer ist worden, das sie
wolten bussen und widder geben alle guter,
siegel und brieve, dazu aller kloster und stifft renten, die sie durch
die Messe, als mit eim werckopffer,
uberkomen haben und besitzen, weil doch solche guter mit liegen und triegen, ia mit Gottes
lesterung und Christus verretherey
erworben sind, Denn hettens konige und fursten gewust, das ein Priester
mit dem Sacrament nichts mehr thet auff
dem altar denn der leie, der es
empfehet, nemlich, das er Gott fur sich selbs allein danckt, meinstu,
das sie so tol gewest weren, und solche
guter dem gegeben, der nicht fur sie opffert
noch Gott versunet, sondern fur sich selbst allein dancket? Usch, Usch,
Usch, wie kribbelt mir das jnn den
zeenen2, Dis stuck traw ich nicht bey jhn zu
erheben3, das weis ich wol.
Weiter wil ich auch das ein reumen, das
sie solch danckopffer mugen fur andere
auch thun, gleich wie ich auch ausser der messe mag Gott dancken,
[ 9 werckopffer] Merckopffer FH
Merckopffer odder Denckopffer E]
[Seite 614]
fur Christo und alle seine heiligen, ia fur
alle Creaturn, das also der priester
muge jnn seinem hertzen dencken: Sihe, lieber Gott, dis Sacrament brauch und neme ich dir zu lob, danck, das du
Christum und alle deine heiligen so
herrlich gemacht hast, Denn wer weis das nicht, das wir on das
schuldig sind, Gott zu dancken, fur uns
selbs, fur alle menschen, fur alle Creaturn,
[1. Tim. 4, 4] wie S. Paulus leret? Darumb kan ichs wol leiden, das die
Priester jnn der Messe Gott dancken fur
uns alle, Allein, das sie dasselbige nicht als
ettwas sonderlichs und anders achten uber der leien Sacrament, Als
kundte und solt der leie nicht auch eben
mit solchem danck das Sacrament nemen
odder brauchen. Den Sonderling1 wil ich nicht leiden jm gleichen und
aller gemeinem Sacrament, Viel weniger
wil ich leiden, das sie fur die andern
(das ist, an stat der andern) dancken sollen, als solts gleich viel
sein, wenn der Priester danckt, als
danckt ich, und ich jhm gelt gebe, das er fur mich und an meiner stat dancke, Nein, den
jarmarckt wil ich nicht haben, noch
solchen wechsel2 und gedinge3 leiden.
Wollen sie diese stucke nicht an nemen,
So wollen wir auch jhr listiges,
falsches gloslin vom Deutopffer odder denck opffer nicht leiden noch das
Sacrament also nenne lassen, Es ist
abusus et Katachresis, der misverstand zu grob
und ferlich. Denn Christus scheidet hie die zwey stuck weit von
einander, Sacrament und Gedechtnis, da
er spricht: ‘Solchs thut zu meinem gedechtnis.’
Ein ander ding ist das Sacrament, und ein ander ding ist das
Gedechtnis, Das Sacrament sollen wir
uben und thun (spricht er) und daneben sein
gedencken, das ist: leren, gleuben und dancken, Das gedechtnis sol wol
ein danckopffer sein, aber das Sacrament
selbs sol nicht eine opffer, sondern ein
gabe Gottes sein, uns geschenckt, welchs wir zu danck an nemen und
mit danck empfahen sollen. Und ich halt,
das daher die alten solch ampt haben
Eucharistia odder Sacramentum Eucharistie, das ist dancksagung,
genennet, das man nach dem befelh
Christi bey diesem Sacrament Gott dancken und
dasselb mit danck brauchen und empfahen sol, Welchs wort darnach
durch misverstand auch hat mussen allein
das Sacra-[Bl. E 4]ment heissen, Und were
noch nicht ubel geredt, Wo man itzt sagte, wenn man zur Messe odder
predigt gienge: Jch wil zur Eucharistia
gehen, das ist: Jch wil zur dancksagung
gehen, nemlich zu dem ampt, da man Gott danckt und lobt jnn seinem Sacrament, wie es scheinet, das die alten
gemeinet haben.
Und daher acht ich, das viel gesang jnn
der Messe, so sein und herrlich vom
dancken und loben gemacht und bis her blieben ist, als das Gloria in excelsis Et in terra, Das Alleluia, Das
Patrem, Die Prefation, Das Sanctus,
[ 1 nach priester] wenn er das
Sacrament jnn der gemeine reicht vnd nimpt E 24 eine fehlt B ein B]
[Seite 615]
Das Benedictus, das Agnus Dei, In
welchen stuecken findestu nichts vom opffer,
Sondern eitel lob und danck, Darumb wir sie auch jnn unser Messen
behalten, Und sonderlich dienet das
Agnus uber allen gesengen aus der massen wol
zum Sacrament, Denn es klerlich daher singet und lobet Christum, das
er unser sunde getragen habe, und mit
schonen kurtzen worten das Gedechtnis
Christi gewaltiglich und lieblich treibt. Und summa, was bose jnn der
Messe ist vom opffer und werck, das hat
Gott wunderlich geschickt, das fast1 alles
der priester heimlich lieset, und heisset die stillmesse, Was aber
offentlich durch den Kor und unter dem
hauffen gesungen wird, fast eitel gut ding und lobesang ist, als solt Gott mit der that sagen, Er
wolle seiner Christen mit der stille
Messen schonen, das jhr oren solch grewel nicht musten horen, und also die geistlichen mit jhrem eigen grewel sich
plagen lassen.
Das sey von dem ersten stucke odder
ursachen gesagt, die uns sol reitzen und
bewegen, mit lust und liebe zum Sacrament zu gehen, nemlich, das wir Gott zu lob und danck, Christo zu liebe und
bekentnis, unserm nehesten zum guten
exempel und besserung, und endlich zu erhaltung des Sacraments, lerens, glaubens und gantzer Christenheit
solchs thun, ungeacht, ob wir gleich
dadurch nichts verdienen solten noch kundten, Sintemal wir on das
solchs alles schuldig sind zu thun, denn
es ia ein gemein Gottes gebot ist, das wir
jhn sollen loben und dancken, Christus leiden lieben und ehren, den
nehesten bessern und die lere, glauben
und Christenheit erhalten helffen. Wie vielmehr
sollen wirs hie thun, da er ein sonderlich gestifft dazu ein gesetzt
hat, und uns auch dazu rufft und locket?
Und ob wirs nicht wolten odder kundten
empfahen, doch gern da bey sein, und sehen dasselbe empfahen, und
horen Gott loben und Christo dancken,
Denn solchs gehet nicht aus eigener andacht
odder menschen wahl, sondern stehet hie gegrundet jm wort Christi:
‘Solchs thut zu meinem gedechtnis.’
[Bl. F 1]
Bis daher haben wir nichts gesagt von
unserm nutz, so wir jm Sacrament suchen
und holen konnen, Sondern allein vom nutz, den du Gott selbs, Christo, dem nehesten, dem Euangelio und
Sacrament, dazu der gantzen Christenheit
thun kanst, Wie wol, wer kans begreiffen, was das alles fur grosser nutz ist, wenn du Gott lobest,
Christo danckest, sein leiden ehrest, deinen
nehesten besserst, das Sacrament und Euangelion sampt der Christenheit
hilffest fordern und erhalten, Dazu dem
widderspiel aller dieser fruchte hilffest steuren und weren? Dennoch, das wir ia sehen, welch
ein vol, vol, gnadenreich gestifft
Gottes es sey, damit wirs ia hertzlich lieb gewinnen und gern brauchen,
[Seite 616]
wollen wir nu sehen, was fur nutz auch
sonderlich uns selbs darinn angeboten
und gegeben wird, Und wie Christus unser nicht vergessen hat jnn
diesem Sacrament, Wie wol ich aber
solchs zuvor jm kleinen Catechismo1 fast alles
gerurt habe, das ein Pfarher, so vleissig sein wil odder des bedarff,
sich wol damit behelffen kan, Doch wil
ichs widderumb hie auch handeln.
Auffs erst, wie ich droben2 vermanet
habe, das du sollest das wort ‘zu Meinem
Gedechtnis’ wol mercken, als damit dich Christus reitzet und locket, das du jhm zu lieb und danck und seinem
leiden zu lob und ehren sollest gern zum
Sacrament gehen odder doch jhe gern dabey sein, Also ist hie auch mit vleis zu mercken das wort ‘Fur Euch’, Da
er spricht: ‘Das fur euch gegeben, das
fur euch vergossen wird.’ Denn die zwey wort ‘MEIN’ und ‘EUCH’ sind ia gewaltige wort, die dich
billich treiben solten, das du gern uber
hundert und tausent meilen zu diesem Sacrament lauffen mustest, Denn
wo du bedenckest, wer der sey, der da
spricht ‘MEIN’, da er sagt: ‘das thut zu
meinem gedechtnis’, So wirstu ia finden, das es dein lieber Herr
Christus Jhesus, Gottes son, sey, der
fur dich sein blut vergossen und gestorben ist,
und begert mit diesem wort ‘MEIN’ nicht mehr, denn das du doch
solchs erkennen woltest und gleuben,
liessest es doch dir gefallen und jhm dafur
danckest, das jhm so hertzlich saur ist worden, Und nicht so schendlich
verachtest und sein Sacrament so geringe
hieltest und nach liesest, so dichs doch
gar nichts kostet noch gestehet.3
Also wenn du bedenckest, wer die sind,
davon er sagt ‘Fur Euch’, So wirstu ia
finden, das es sey du und ich, sampt allen menschen, fur die er gestorben ist, Sind wir aber die, fur welche
er gestorben ist, So mus das folgen, das
wir jnn sunden, tod, helle und unter dem teufel gewest sind, wie auch die wort [Bl. F ij] klerlich mit bringen
‘Fur euch vergossen zur vergebunge der
sunden’. Sind sunde da, so ist gewislich der tod auch da, Jst der tod da, so ist gewislich auch die helle und der
teufel da, So hilfft solch bedencken,
das du must deste vleissiger jhm dancken und deste lieber zu seines leidens ehren zum Sacrament gehen, Denn welch
hertz kan jmer mehr gnugsam begreiffen,
welch eine wolthat und gnade das ist, das er vom tode und teuffel, von sunden und allem ubel
erloset, gerecht, lebendig und selig
wird, on sein verdienst und zuthun, allein durch das blut und sterben
des Sons Gottes? Welcher begerd doch
nichts dafur, denn lob und danck, das
mans erkenne und gleube und nicht so schendlich verachte odder anstehen
lasse.
So ist nu das der erste nutz und
frucht, so dir kompt aus dem brauch des
Sacraments, das du solcher wolthat und gnade damit erinnert wirst, und dein glaube und liebe gereitzt, ernewert und
gesterckt wird, auff das du nicht komest
jnn ein vergessen odder verachtung deines lieben heilands und seines
[ 34 begerd —dafur] doch nichts dafur
begerd E]
[Seite 617]
bittern leidens und deiner grossen,
manchfeltigen, ewigen not und tod, daraus
er dir geholffen hat. Lieber, las solchen nutz nicht geringe sein, Ja
wenn sonst kein nutz jm brauch des
Sacraments were denn diese erinnerung solcher
wolthat Christi und deiner not, da mit du zum glauben und liebe gegen
deinen lieben Heiland gereitzt wirst, So
were es dennoch uber aus gnug nutz und
frucht, Sintemal solcher glaube uns hoch von noten ist, das wir bey
Christo bleiben muegen, Bey welchen kein
bleiben ist on solchen glauben. Und dagegen
der unglaube ein ferlicher, teglicher, unableslicher teuffel ist, der
uns von unserm lieben heilande und
seinem leiden, beide mit gewalt und list, reissen wil, Es ist muhe und erbeit, wo man teglich
solchen glauben treibt, reitzt und ubet,
das wir Christus leiden und wolthat nicht vergessen, Was sollts denn werden, wenn man sich davon zeucht,
selten treibt, und sein gedechtnis und
Sacrament verachtet odder nach lesset?
Der ander nutz ist: Wo solcher glaube
jmer also erfrisschet und ernewert wird,
da wird auch mit zu das hertz jmer von newem erfrisschet zur liebe des nehesten und zu allen guten
wercken starck und gerust, der sunden
und aller anfechtung des teuffels widder zu stehen, Sintemal der glaub nicht kan mussig sein, Er mus frucht
der liebe uben mit gut thun und boeses
meiden. Der heilige geist ist da bey, der uns nicht feiren lesst, sondern willig und geneigt macht zu allem
guten, und ernst und vleissig widder
alles boeses, Das also ein Christ durch solchen rechten brauch des Sacraments jmer dar, jhe mehr und mehr, von
tage zu tage, sich vernewert [Eph. 4,
23] und zu nimpt jnn Christo, wie uns Paulus auch leret, das wir sollen
jmerdar uns vernewen und zu nemen.
Widderumb: Wo man sich enthelt vom Sacrament
und braucht sein nicht, da mus der schade folgen und kan nicht
feilen, das sein glaube teglich jhe mehr
und [Bl. F iij] mehr schwach und kalt wird,
daraus denn weiter mus folgen, das er faul und kalt wird jnn der
liebe gegen den nehesten, lass und
unlustig zu guten wercken, ungeschickt und
unwillig dem boesen widder zustehen, und gewinnet also jhe lenger jhe
weniger lust zum Sacrament, bis das er
gantz uberdrussig wird, an seinen lieben
heiland zu dencken, und verachtet und verdirbt also jnn selbs von
tage zu tage, und wird geneigt und
lustig zu allem ubel. Denn der teuffel ist
da, der feiret auch nicht, bis das er In fellet jnn sunde und schande.
Jch wil zum exempel allen, die sich
wollen warnen lassen, mein selbs eigen
erfarung hie anzeigen, da mit man lerne, welch ein listiger schalck der teuffel sey. Es ist mir etliche mal
widderfaren, das ich mir fur gesetzt hab,
auff den odder den tag zum Sacrament zu gehen, Wenn der selbige tag
komen ist, so ist solch andacht weg
gewest, odder sonst ettwas hindernis komen, odder hab mich ungeschickt gedaucht, das ich
sprach: “Wolan, Uber acht tage wil ichs
thun.” Der achte tag fand mich aber mal eben so ungeschickt und
[ 7 welchem EFH 18 Es] Er CE 29
gewinnet] gewinnen CE 39/618, 1 Wolan — jhener fehlt E]
[Seite 618]
gehindert als jhener: “Wolan, abermal uber
acht tage wil ichs thun,” Solcher acht
tage wurden mir so viel, das ich wol were gar davon komen und nimer nicht zum Sacrament gangen. Als mir
aber Gott die gnad gab, das ich merckt
des teuffels buberei, Sprach ich: “Wollen wir des, Satan?1 So habe dir ein gut iar2 mit deiner und
meiner geschicklickeit!” Und reiss3
hindurch und gieng hinzu, auch etlich mal wol ungebeicht (welchs ich
doch sonst nicht thu) zu trotz dem
teuffel, sonderlich weil ich mir keiner groben
sunden bewust war.
Und hab also bey mir selbs erfunden:
Wenn einer schon keine lust noch andacht
zum Sacrament hat, Und doch mit ernst sich erwegt dahin zu gehen, So machen jhm solch gedancken und das werck
an jhm selbs auch andacht und lust gnug,
vertreiben auch fein solche faule, unlustige gedancken, die einen hindern und ungeschickt machen, Denn es ist
ein gnadenreich, krefftig Sacrament:
Wenn man nur ein wenig dran mit ernst gedenckt und sich hinzu schickt, so zundet es an, reitzt und zeucht
weiter ein hertz zu sich. Versuchs nur,
und wo du es nicht so findest, so straff mich der lugen, Was gilts, du wirst auch finden, wie dich der teuffel so
meisterlich generret und so listig vom
Sacrament gehalten hat, damit er dich mit der zeit gar vom glauben und jns vergessen deines lieben Heilandes und
aller deiner not bringen moecht.
Und wenn du sonst keine ursach noch not
hettest zum Sacrament zu gehen, Lieber,
were das nicht boese und not gnug, das du dich kalt und unluestig findest zum Sacrament? Was ist das
anders, denn das du dich kalt und
unlustig findest, zu gleuben, zu dancken und zu dencken an deinen lieben Heiland und an alle wolthat, die er
durch sein bitter leiden dir [Bl. F 4]
erzeigt hat, auff das er dich von sunden, tod und teuffel erloesete und gerecht, lebendig und selig machte? Wo mit
wiltu dich aber widder solchen frost und
unlust erwermen? Wo mit wiltu deinen glauben erwecken? Wo mit wiltu dich reitzen zum danck sagen? Wiltu
harren, bis es dich selber an kome,
odder der teuffel dir raum dazu gebe, odder seine mutter4 dich dahin halte? Da wird nimer mehr nichts aus, Hie an
das Sacrament mustu dich reiben und
hinzu halten, da ist ein feur, das die hertzen kan anzuenden, Da mustu deine not und durfft bedencken und
dir wolthat deines Heilandes hoeren und
gleuben. So wird dir dein hertz anders werden und ander gedancken fassen.
Darumb hat Gott recht und wol daran
gethan, das er uns hat lassen bleiben
jnn solchem stande, da wir muessen mit der sunden, tod, teuffel, welt, fleisch und allerley anfechtung kempffen und
ringen, auff das wir genoetigt
[ 8 suend FH 14 dran mit ernst E]
[Seite 619]
und gezwungen werden, seine gnade, huelff,
wort und Sacrament zu suchen und zu
begeren, Sonst, wo das nicht were, wurde kein mensch ein har breit, weder nach seinem wort noch seinem Sacrament
fragen, wedder gnade noch [Ps. 22, 17.
21] huelffe suchen. Nu aber solche iag hunde, ia teuffel hinter uns sind und
uns auff steubern, so muessen wir wol
mundter werden, Und wie ein geiagter hirs
[Ps. 42, 2] zum frischen wasser, also auch Wir nach Gott schreien, wie
der 42. Psalm sagt, Damit unser glaube
wol geuebt, erfaren und starck werde und wir also jnn Christo bleiben und feste werden.
Sprichstu aber, du fulest keine sunde,
tod, welt, teuffel &c.. und hast
keinen kampff noch streit mit jhnen, drumb zwinge dich auch der not
keine zum Sacrament, Antwort: Jch hoffs
nicht, das solchs dein ernst sey, das du
allein unter allen heiligen und menschen auff erden on solch fulen sein soltest. Und wo ich wuste, das dein ernst
were, so wolt ichs warlich bestellen,
das man auff allen gassen, wo du giengest, alle glocken leuten muste und
fur dir her ausruffen: Hie gehet daher
ein newer heilige uber alle heiligen, der
keine sunde fulet noch hat. Aber ich wil dir ungeschertzt sagen: Fulestu
kein sunde nicht, so bistu gewislich jnn
sunden gar tod, tod, und die sunde hirschet
mit gewalt uber dich, Und das ich der groben eusserlichen sunde
schweige, als lust zu unzucht, ehbruch,
zorn, hass, neid, rache, hoffart, geitz, wollust &c.., So ist das schon allzu viel und grosse sunde,
das du keine not noch lust hast zum
Sacrament, denn daran mercket man, das du auch keinen glauben hast,
das wort Gottes nicht achtest, Christus
leiden vergessen hast, und vol undanckbarkeit
steckest und aller geistlichen grewel.
Darumb ist mein rat: Wenn du ia so gar
unempfindlich dich findest, das du nicht
sunde, tod &c.. [Bl. G 1] fulest, so greiff an dein maul, nasen, ohren, hende, und fule, obs fleisch odder
stein sey, Jsts fleisch, wolan, so
gleube doch der schrifft, kanstu deinem fulen nicht gleuben, Die
schrifft sagt [Gal. 5, 17, Röm. 7, 18]
aber: ‘das fleisch streitet widder den geist’, jtem Ro. 7: ‘Jm fleisch ist
nichts gutes’, und der gleichen. Den
selbigen spruchen nach sprich also: “Warlich,
ich fule, das ich fleich habe an meinem leibe, So wird gewislich nichts guts drinnen sein, Darumb, so lange ich fleisch
habe, ist mir freilich not zum Sacrament
zu gehen, meinen glauben und geist zu stercken, widder das fleisch, welchs meinem geist widder ist.” Die schrifft
leuget dir nicht, aber dein fulen und
nicht fulen treuget dich, Denn ob wol die sunde durch Christum vergeben und also uberwunden ist, das sie uns nicht
verdamnen noch das gewissen beschuldigen
kan, So ist doch so fern noch da blieben, das sie uns an fechten und also unsern glauben uben
kan.
[ 1 huelff] huelff im E 3 seinem (2.)
fehlt E 6 wie der am Seitenwechsel zweimal A 15 her fehlt E 16 dir fehlt E 28
Ko A Rom. E Ro BC usw. 34 treuget] betreuget E 37 also fehlt E]
[Seite 620]
Also auch, fulestu die welt nicht, so
sihe dich umb, wo du bist, ob du nicht
untern leuten wonest, da du sihest, horest und erferest mord, ehebruch, raub, jrthum, ketzerey, verfolgen, und
allerley untugent, Wenn du das sihest,
[1. Kor. 10, 12] so gleube der schrifft, die da sagt: ‘Wer stehet, der
sehe zu, das er nicht falle.’ Denn jnn
solche stucke kanstu auch alle stunde fallen, nicht allein mit dem hertzen, sondern auch mit der that, denn du
kanst wol deinen feind hassen und
schaden thun, odder hindern am guten &c.. Dem nach mustu sagen:
“Warlich, Jch sehe, das ich jnn der welt
bin, mitten unter allerley sunden und laster,
darein ich wol fallen kan, Darumb, so lange ich jnn der welt bin, darff
ichs wol, das ich zum Sacrament gehe,
auff das ich mich an meinen heiland halte
und meinen glauben stercke, damit ich solcher boesen welt widder
stehen und fur sunden und laster behutet
werden muge, Denn ob uns Christus wol
hat die welt uberwunden, das sie uns nicht kan zur sunden zwingen, So ist sie doch so fern da blieben, das sie uns
anfechten, plagen und verfolgen und
damit unsern glauben uben kan.”
Des gleichen, fulestu den tod nicht, So
gehe zum bein hause und zun [Hebr. 9,
27] grebern auff dem kirch hofe, odder gleube der schrifft, die sagt: ‘Allen
menschen ist gesetzt, ein mal zu
sterben’, So wirstu finden, das du noch nicht jm himel bist leibhafftig, sondern hast den tod auch
noch fur dir, und dein grab wartet dein
auch unter den andern, und bist des kein augenblick sicher. Wenn du das sihest, So gedencke: “Warlich, ich bin
noch nicht hin ubern, ich mus mit dem
tod auch noch kempfen, So lange ich nu noch lebe, ist mir not zum Sacrament zu gehen, auff das ich meinen
glauben stercke, damit der tod mich (so
er mich ubereilet) nicht erschrecke und verzagt mache, Denn es ist ein grausamer feind, den ungleubigen untreglich,
ia auch den schwachgleubigen
erschrecklich, Und ob jhn Christus wol uberwunden hat, das er uns
nicht fressen noch behalten kan, So ist
er doch so fern da blieben, das er uns
erschrecken und mit verzagen anfechten und also unsern glauben uben
kan.”
Also, fulestu den teufel nicht, wie er
zum [Bl. G ij] misglauben, verzweiveln,
Gott lestern und hassen treiben kan, So gleube der schrifft, die
uns [Hiob 2, 7; 1. Chron. 22, 1; 2. Kor.
12, 7] zeigt, wie er mit solchen stucken Hiob, David und S. Paul und ander
mehr zu plagt hat, und dich auch noch so
plagen kan, Dem nach sprich: “Warlich
der teufel ist noch ein furst jnn der welt, und ich bin jhm noch nicht
entrunnen, So lange ich aber jnn seinem
furstenthum bin, bin ich sein nicht
sicher, darumb mus ich zum Sacrament gehen und mich zu meinem
lieben helffer und heilande halten,
damit mein hertz und glauben teglich gesterckt
[2. Kor. 12, 7] werde, auff das mich der teufel mit seinem pfal nicht
auch speisse, odder mit [Eph. 6, 16]
seinen feurigen verlipten1 pfeilen erwurge. Denn ob wol Christus uns den
[ 9 ichs] ich B]
[Seite 621]
teufel uberwunden hat, So ist er dennoch so
fern noch ein herr der welt blieben, das
er uns mit den hohen geistlichen anfechtungen bestreiten und also unsern glauben uben kan.”
Solchs hab ich so grob und alber1 daher
mussen sagen umb der groben, faulen
Christen willen, die nicht weit den sachen nach zu dencken wissen und also unversehens lass und sicher werden, als
durfften sie weder Gottes noch seines wortes,
gehen dahin, als hette es weder fahr noch not mit jhn, daruber verlieren sie denn den glauben und werden
untuchtig zu guten wercken. Aber Gott
hat uns solche feinde uber bleiben lassen, das wir zu kempffen hetten [Richt. 1, 21 ff.] und nicht faul und sicher
wurden, Gleich wie geschrieben stehet Judic. 1, Das er seinem volck Jsrael auch ettliche Koenige
und fursten umbher lies bleiben, auff
das sie kriegen lernten und jnn krieges gewonheit bleiben. Denn Gottes wort ist allmechtig, so ist der glaube und
geist schefftig und unrugig, mus jmer zu
thun haben und zu felde ligen, So mus das wort Gottes nicht geringe, sondern die aller mechtigesten
feinde haben, an welchen es kan ehre ein
legen, nach seiner grossen gewalt, als denn diese vier gesellen sind:
Fleisch, Welt, Tod, Teufel, daher
Christus heisst der HERR Zebaoth, das ist ein
Gott der heerfart odder heerscharen, der jmer krieget und jnn uns zu felde ligt.
Der halben durfften wir uber die massen
wol, das wir einen gnedigen Gott haben,
der uns halffen kan, Und nicht alleine das, Sondern mussen auch gewis und sicher sein, das er uns on
zweivel gnedig sein und helffen wolle,
Wie konnen wir aber des gewis und sicher sein, wo er uns nicht ein gewis ungezweivelt zeichen gebe seiner gnade
und liebe gegen uns? Wer kondte es sonst
erraten, was er gegen uns gedecht? Das hat er nu hie mit dem Sacrament gethan und uns ein gewis zeichen
seiner liebe und gnade gestellet, Denn
das Sacrament ist ia kein zeichen seines zornes, und er wurd es uns nimer mehr geben, wo er mit uns zurnet,
Sondern es ist ein zeichen seiner
hohesten liebe und grundlosen barmhertzigkeit. Und wie kan er hoher
liebe und tieffer barmhertzigkeit erzeigen,
denn das er uns warhafftig da gibt sein
eigen leib und blut zur speise? Das nicht allein ein gnediges zeichen,
Sondern auch eine speise sein sol, als
damit wir uns laben und stercken sollen, alle
die jnn seinem heer mit jhm zu felde ligen, Und ist eigentlich der
sold [Bl. G iij] und provant, damit er
sein heer und kriegs volck besoldet und speiset, bis sie endlich obligen und das feld behalten
mit jhm. O es ist gute muntz, kostlich
rot gold und rein weis silber, niedlich, schon brod und guter susser wein, Und des alles die fulle und reichlich
vol auff, das gar lieblich ist jnn
dieser heerfart zu sein.
[ 11 Roenige A 15 welchen CEFH] welcher
AB 34 proueant A]
[Seite 622]
Sprichstu aber: “Ja, S. Paulus machts
zumal schrecklich 1. Cor. 11, [1. Kor.
11, 27. 29] Da er spricht: ‘Wer unwirdig von diesem brod jsset und von diesem
kelch trinckt, der isset und trinckt ein
gericht und ist schuldig am leibe und blut des
HERRN’, Damit macht er uns blode und schuchtern zum Sacrament, Denn wer ist, der sich wirdig achten konne?”
Antwort: Ey lieber, Sihestu auch, widder
welche S. Paulus redet? Nemlich widder die, so als die sew herein fielen und aus dem Sacrament ein leiblich
gefresse macheten und nicht anders
handelten, denn als sonst ein teglich brod und wein, dazu unternander
verachten und ein iglicher ein eigens
mal hielt, Wir aber reden von denen, die
es gleuben, des nicht ein sew mal sey, sondern der warhafftige leib und
blut Christi, Und die da wissen, das
Christus ein gesetzt hat zu seinem gedechtnis
und unserm trost, Und gerne wolten auch Christen sein, jhren, Herrn
loben, dancken und ehren, dazu auch
gerne wolten seine gnade und liebe haben, Und
furchten sich jhrer person und unwirdigkeit halben, und bleiben also
davon, durch solche falsche furcht
gehindert und abgeschreckt.
Lieber, du must nicht auff dich sehen,
wie wirdig odder unwirdig du seiest,
Sondern auff deine notturfft, wie du der gnaden Christi wol bedarffest, Wenn du die notturfft sihest und fulest, So
bistu wirdig und geschickt gnug, Denn er
hats uns nicht zur gifft odder ungnaden, sondern zu trost und heil eingesetzt. Fur allen dingen aber mustu
ansehen, das gleichwol dein Herr
Christus, wie unwirdig du bist, allzu wirdig ist, den du loben, ehren
und dancken solt und seine ordnung und
stifft (wie droben gesagt) helffen handhaben,
wie du jhm schuldig bist und jnn der tauffe gelobt hast, Das dein hertz sol also dencken: “Wolan, bin ich
unwirdig, das Sacrament zu empfahen, So
ist mein Herr Christus deste wirdiger, das ich jhm damit dancke und lobe und sein stifft ehre, wie ich schuldig bin und
gelobt habe jnn meiner tauffe”, Und aber
mal: :“Bin ich unwirdig, so bin ichs aber notturfftig, Wer betteln wil, der mus sich nicht schemen, Scham ist
ein unnutz hausgesind jnn eins armen
betlers hause1, So lobet Christus auch selbs einen unverschampten geiler, [Luk. 11, 8] Luce 11.”
Sihe, also hastu denn zwo weise und
ursachen das Sacrament zu empfahen, Die
erste: das du Christo damit danckest und lobest, Die ander: das du fur dich auch trost und gnade holest,
Diese zwo weise konnen nicht boese, noch
misbrauch sein, sondern mussen recht sein und Gott wolgefallen. Denn gegen Gott konnen wir nicht mehr handeln
denn auff zwo weise, nemlich, mit
dancken und bitten, Mit dem danck, eh-[Bl G4]ren wir jhn umb die guter und gnaden, die wir schon bereit empfangen
haben, Mit dem beten ehren wir jhn umb
die guter und gnaden, die wir hinfurt gerne hetten, Denn wer solcher meinung zum Sacrament gehet, was thut
der anders, denn als spreche
[ 33 diese AE] die C]
[Seite 623]
er mit der that?: “Herr, ich dancke dir fur
alle deine gnade mir gegeben, Und bitte
weiter, wollest meiner notturfft noch mehr helffen”, Das ist sacrificium laudis et sacrificium orationis.
Mehr kanstu Gott nicht thun, noch hoher
ehren.
So sihe doch, welch ein fein Sacrament
das ist, da du gleich fur die vorigen
gnade danckest und umb die kunfftigen gnaden bittest. Wer kan aber jmer mehr gnung dancken und bitten? Darumb
ist ia hie kein ursache, lass und faul
zu werden, sondern eitel brunstige hefftige reitzung, das man das Sacrament ia gerna mit lust und freuden
empfahen sol. O hetten die lieben
Propheten und alte Veter solch Sacrament allein sollen sehen und horen,
wie solten sie so frolich und begirig
dazu gewesen sein, wie solten sie sich unser
verwundert haben, das wir solche selige leute gegen sie weren. Aber wie
wehe solts jhn auch widderumb gethan
haben, wenn sie solten gesehen haben, Das
wirs so schendlich verachten, Aber noch viel werser1 solts jhn gethan
haben, wenn sie gesehen hetten den
verfluchten grewlichen iarmarckt, den die Papisten und Sophisten draus gemacht haben, mit
winckelmessen und der gleichen.
Darumb sihe ia zu, das du dis Sacrament
nicht anders denn dieser zwo weise
brauchest, Nemlich auff danckweise und bett weise, Opinione laudis et precis. Und hutt dich fur der Papisten
grewel, die machen ein opffer draus, da
mit sie nicht dancken fur die vorigen gnade, Sondern als mit einem werck die kunfftigen gnade erwerben und verdienen
wollen, dazu nicht fur sich selbs,
sondern auch fur andere, welchen sie solch opffermesse verkeuffen, wie
wir droben gehoret haben. Aber du solt
jm Sacrament Gott dancken und helffen
loben fur die vorigen gnade, sonderlich die dir jnn Christo erzeigt ist,
und begeren und bitten umb kunfftige
gnade fur deine notturfft, So wirstu keinen
iarmarck noch verdienst draus machen konnen, den du andern mitteilen
odder verkeuffen mugest, Ein iglicher
mus hie fur sich Gott dancken und beten, mit
allen andern.
So viel wil ich dis mal den Predigern,
so es nicht besser wissen, angezeigt und
daneben gebeten haben, das sie solchs wolten helffen wol jnn das volck treiben und ausstreichen, Denn ob wol
ettliche verstockte, unbusfertige, rohe
leute solchs nicht achten werden, So wirds doch bey vielen frucht
schaffen. Wie man spricht: Ein gut wort
findet eine gute stet2, Und Gott selbs spricht
[Jes. 55, 11] Jsa. 55: ‘Wein wort sol nicht lehr widder komen, Sondern
ausrichten, dazu ichs sende.’ Wo aber
derselbigen verechter ettliche funden werden, die sich an solche vermanung nicht keren, daruber das
Sacrament bey gesundem und lebendigem
leibe nicht [Bl. H 1] brauchen, Da sol man auch an jhrem tode und letzten ende sie lassen ligen und das
Sacrament nicht geben, Haben sie gelebd
wie die hunde und sewe, so las man sie auch sterben wie hunde und sewe3,
[ 6 zůkuenfftigen B 14 werser]
weher E 31 ettliche] ettlche A]
[Seite 624]
Es sey denn, das sie gar starcke zeichen eines
rewigen glewbigen hertzens beweisen,
Denn wir sollen das heiligthum nicht den hunden geben, noch die [Matth. 7, 6] perlen fur die sew werffen,
Spricht Christus. Und Gott wird auch selbs mit
zu schmeissen unter solche verechter, das sie des
Es ist auch ein solcher man gewest, des
namen ich nicht nennen wil, der jnn
sechs oder sieben iaren nicht zum Sacrament gangen ist, unter dem schandeckel der Christlichen freiheit, und
solchs auffgeschoben und gespart bis jnn
seine krangheit, Und jnn der selbigen dazu auch noch verzogen, bis das stundlin daher kam. Als er nu seines lebens
ein ende zu fulen begonst, foddert er
den Caplan und bat umb das Sacrament, Da der Caplan das bringt und jhm itzt jnn den mund reicht,
feret die seel aus und lesst das
Sacrament auff der zungen jnn offenem maul, das es der Caplan must
widder zu sich nemen, Als aber ekel war,
das ers nemen solt, und mich fragt, wo
ers hin thun solt, hies ichs jhn mit feur verbrennen. Lieber, las dir
das ein exempel und zeichen sein, das du
nicht so rohe dahin lebest, ob du wol
itzt zum Sacrament nicht gezwungen bist. Kanstu Gott verachten jnn
seinem Sacrament, Er kan dich widder
verachten, jnn deinen noeten, wie er spricht
[Spr. 1, 25 ff.] Proverb. j.: ‘Jhr habt alle meinen guten rat veracht,
so wil ich ewr widder spotten ynn ewrm
verderben etc.’ Und ist auch recht, Das der, so ein Christ sein wil, und solchen namen mit schanden
fueret, das er das Sacrament nicht wil
brauchen, wenn er wol kan, sol ers auch nicht brauchen, wenn ers gern haben wolt.
Nicht, das ich darumb wolle jemand zum
Sacrament noetigen odder zwingen, noch
gebot odder zeit setzen, wie der Bapst gethan hat, denn Gott mag keinen gezwungen diener haben, Viel
weniger wil er jemand on seinen danck2
etwas geben, Sondern ich wolt gern damit vermanen, das sich ein iglicher selbs zwunge und aus eigener andacht
sich selbs noetiget, solchen lieben,
edlen schatz der seelen zu holen, Und daneben anzeigen, wie billich Gott
des ein gros misfallen habe, das man
seine an geboten gnade und guete so schendlich
verachtet, Obs helffen wolt, das die leute on zwang und gesetze lerneten Gottes gnade zu suchen und zu empfahen. Denn
solch grosse verachtung und
undanckbarkeit wol grossere straffe verdienet, denn die ist, das einer
des Sacraments endlich3 emperen mus, als
denn gewislich auch viel grossere folgen wird.
[ 1 gar fehlt E 4 abendmal CE 9 iaren]
iare E 16 ein ekel D 30 zwunge —selbs fehlt E [Abirrung vom ersten aufs zweite
selbs]]
[Seite 625]
Denn dencke du selbs, wie ein
ungeschickt verzweivelte verachtung und
undanckbarkeit das ist: Vorhin unter dem Bapstum, da wir zum
Sacrament [Bl. H 2] gezwungen und
gedrungen wurden, lieffen wir mit hauffen hin zu, Musten dazu gelt gnug drumb geben und alles
theur keuffen, Und man doch uns nicht
mehr denn das halbe Sacrament einerley gestalt gab, Und, das noch erger war: Wir mustens nicht holen zu unserm
nutz noch zu Gottes ehre, sondern
schlecht, das man dem Bapst gehorsam were, als mit einem fron dienst. Denn er fragt nicht viel darnach, was
wir nutzes, odder was Gott fur ehre
davon hetten, Die seinen predigten und lereten es auch nicht, Sondern das sucht er allein, wie grossen gehorsam er
bey uns haben mochte, Ja mit unserm
schaden musten wirs holen, beide an leib und seele, Denn da ward nichts vom glauben geleret, Sondern es mueste
ein werck sein, damit man gegen Gott
wolthet, darunter der rechte brauch, nutz und frucht des Sacraments verborgen und uns geraubt ward.
Jtzt aber, so mans nicht allein
umbsonst hat, sondern auch den rechten
brauch leret, und summa, zu unserm nutz und Gottes ehren brauchen
kan, Stellen wir uns so ekel und schendlich
dazu, als weren wir nicht menschen (ich
wil schweigen von Christen), sondern als weren wir stoeck und stein, die es nichts beduerffen und uns gar nicht
angienge, Was solts denn wunder sein,
das uns Gott auch widderumb plagte und straffte, Ja weil wie Christen heissen woellen und uns so verechtlich und
lesterlich gegen unsern Heiland zieren1,
So were es kein wunder, das uns Gott on auffhoren plagete mit theur zeit, pestilentz, krieg und allem
ungluck. Denn was sol es doch sein, das
wir aus so grewlichem gefengnis der seelen und aus des Bapsts stricken so gnediglich erloset sind, un da zu uns
solche reiche gnaden angebotten wird,
Aber wir nicht allein fur solche erlosunge nicht dancken, Sondern auch
der angebotten gnade gleich spotten, als
eines unnotigen unnutzen dinges?
Darumb spreche ich von Gottes wegen
billich: Wiltu nicht essen und trincken
von meinem abendmal, das ich dir so hertzlich wol zugericht, so wil ich dir widderumb auch theur zeit zu
schicken, das du weder abendmal noch
morgen mal finden solt, Bistu so satt, das du meiner speise nicht
magest, So wil ich dich hungerig gnug
machen, Das du auch deine speise nicht haben
solt. Wiltu nicht haben das brod des lebens, das ich dir so reichlich
dar biete, so hab dir Pestilentz, fiber
und allerley kranckheit und stirb jmer zum
teufel hin, Wiltu nicht das Sacrament der liebe, der gnade und des
frieden, die ich dir drinnen schencke,
so hab dir krieg, zwitracht, unfride und alle
[ 2 Sacramen- | A 12 mueste auch CE
muste FH 21 Hinter gegen schließt Bl. H 2a mitten in der Zeile, obwohl 2½
Zeilen Platz übrig; am Ende steht noch der Kustos vnsern auf der gleichen Zeile
wie gegen. Es scheint also ein Stück des Satzes herausgenommen zu sein.]
[Seite 626]
unruge, Denn was sol doch Gott uns anders
thun? Wie kan ers leiden, das seine gnade
jmer fur und fur, jhe lenger jhe mehr veracht, und die undanckbarkeit jmer grosser wird? und hatts
doch so theur erworben und seinen eigen
son drumb lassen creutzigen. Er mus drein schlahen und alle plage lassen uber uns gehen, wie es denn
schon anfehet und daher gehet1, Wir
zwingen und [Bl. H3] dringen jhn zu zorn, das er mus seine gnade auff heben und ungnade lassen walten, Er kan fur
unser unablesslichem verachten und
undanckbarkeit nicht anders thun.
Wolan, ich wil das meine gethan und die
prediger trewlich gebeten haben, das sie
mir hierinn vleissig helffen anhalten, damit wir doch nicht so gar uberaus den zorn Gottes reitzen, On
zweivel, es werden etliche frume hertzen
solchs annemen und sich bessern, Der andern halben wil ich entschuldigt sein, jhr blut sey auff jhrem kopff, Es ist
jhn gnugsam gesagt. Der selbige Gott
aller gnaden und barmhertzigkeit verleihe uns seinen heiligen geist, der uns erwecke und vermane, mit ernst zu
suchen seine ehre und mit aller andacht
des hertzen zu dancken fur alle seine unzelige unaussprechliche guter und gaben, durch Jhesum Christum, unsern
Herrn und heiland, dem sey lob und
danck, ehre und preis jnn ewickeit, Amen, Amen.
[ 7 unserm unableslichen FH]
[Seite 627]
[Einleitung]
[Seite 627]
Am
Der Sendbrief gibt sich als Antwort auf
eine an Luther von befreundeter Seite ergangene doppelte Anfrage: über seine
von den Papisten angegriffene Verdeutschung von Röm. 3, 28 und über die
Fürbitte der Heiligen. Man wird fragen dürfen, ob das nicht etwa nur
schriftstellerische Einkleidung ist. Denn “de justificationis loco” besonders
zu schreiben hatte er bereits am 24. August vor4, ohne Zweifel veranlaßt durch
den Bericht Melanchthons über seine Augsburger Verhandlungen mit Eck über die
sola fides.5 Und auch die Fürbitte der Heiligen mußte ihn gerade eben im
Zusammenhang mit den Beratungen über die Conf. Aug. beschäftigen.6 Doch
beschränkt er sich bei dem zweiten Punkt — der ja auch im Titel der Schrift
unberücksichtigt bleibt — auf den kurzen Hinweis, daß die Anrufung der Heiligen
in der Bibel nicht geboten und also trotz der seitherigen Praxis nicht rätlich
sei, zumal der Heiligendienst die Gläubigen von Gott und Christus abziehe, und
verweist für das Weitere auf den geplanten “Sermon von den lieben Engeln”. Als
diesen sieht man die am 29. September auf der Koburg gehaltene, 1531 in
Wittenberg erschienene Predigt von den Engeln an, die freilich auf die
Heiligenverehrung nicht mehr eingeht.7
[Seite 628]
Den Hauptteil seiner Schrift widmet
Luther der Verteidigung seiner Übersetzung von Röm. 3, 28 und entwickelt dabei
seine Ansichten und Grundsätze über das Dolmetschen überhaupt, wie er es
ähnlich schon 1523 in der Vorrede zu den fünf Büchern Mosis1 gelegentlich getan
hatte und im Jahre 1533 in den “Summarien über die Psalmen und Ursachen des
Dolmetschens”2 noch einmal ausführlicher tat. Was er schreibt, will er nicht
für die Gegner, die er als kompetente Richter nicht anerkennen kann und die
ihm, wie Emser, seine Sprache stehlen, sondern nur für die Seinen geschrieben
haben. Jhnen legt er dar, daß seine Verdeutschung von Röm. 3, 28 bzw. der
angefochtene Zusatz “allein” sprachlich und sachlich gerechtfertigt ist. Zum
Beweis für die aus der Art der deutschen Sprache folgende Notwendigkeit
freierer sinngemäßer Übersetzung weist er dabei auch auf die Stellen Matth. 12,
34 (Luk. 6, 45); 26, 8 (Mark. 14, 4); Luk. 1, 26 (mit Rücksicht auf den Angriff
Emsers3) und Dan. 9, 23; 10, 11. 19 hin. Die sachliche Richtigkeit seiner
Übertragung ergibt sich aus der auch anderwärts zu belegenden Anschauung Pauli
über die Rechtfertigung, und etwaiges Mißverständnis des gewählten Ausdrucks
entbindet nicht von der Pflicht, die paulinische Ansicht “voll und rund” herauszusagen.
Der Sendbrief vom Dolmetschen ist das
charakteristischste authentische Zeugnis Luthers für seine Auffassung von der
Aufgabe des Übersetzers und damit eine wichtige Quelle für die Geschichte der
lutherischen Bibelübersetzung.4
Ausgaben:
A1 “Ein sendbrieff D. || M. Lutthers.
|| Von Dolmetzscheñ || vnd Fürbit der || heiligenn. || M. D. XXX. ||”
Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in Quart, letzte Seite leer.
Druck von Johann Stüchs in Nürnberg.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5857), Nürnberg St., Wittenberg. - Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 2.
A2 Der gleiche Druck mit der Besserung
Titelblatt Z. 2 “Luthers”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5857a), Heidelberg, München U., Nürnberg St., Wernigerode; London. —
Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 1.
B1 “Ein Send- || brieff, von Dolmet- ||
schen, vnd Fürbit- || te der Hei- || ligen. || D. Mart. Luther. ||” Mit
Titeleinfassung, worin unten: “Wittemberg. || M. D. XXX. ||”, Titelrückseite
leer. 16 Blätter in Quart, letztes Blatt leer. Am Ende: “Gedrůckt zu Wit
|| temberg durch || Georgen || Rhaw. ||” — Blatt D 3b Z. 1: “Errata . || ...”.
A 3a Z. 7 “empfangē”, B 1a Z. 1 “aus lassen”, C 1a Z. 2 “Denn”. Die Errata
auf Bogen A sind: Bl. A 3a Z. 24 “versichern” statt “versehen”, A 4b Z. 22: “schadet
mir nichts” statt “schadet mir sonderlich nichts”. — Verschiedenheiten
[Seite 629]
in einzelnen Exemplaren sind: Bl. B 2b
Z. 8 “War ists. Diese” statt “War ists, Diese”, Bl. C 2a Z. 8 “spach- || en”
statt “sprach- || en”, C 3b Z. 17 “keinerley” statt “Einerley” u. a.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5851); London. — Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 3.
B2 Beschreibung wie B1. — Die Errata
auf Bl. D 3b von B1 sind im Text verbessert. B1 und B2 haben auf Bl. C 1b, 2a,
3b, 4a und auf Bogen D, abgesehen von den “Errata ...” gleichen, auf Bogen A B
und Bl. C 1a, 2b, 3a, 4b verschiedenen Satz. Sie gehören also in die Klasse der
Zwitterdrucke, d. h. die Auflage wurde vergrößert, als Bogen A B und die eine
Hälfte von Bogen C bereits ausgedruckt und abgelegt waren, die nunmehr für die
vergrößerte Auflage neu gesetzt werden mußten. Vgl. Bl. A 3a Z. 1 “Ebarn”, Z. 7
“empfangen”, B 1a Z. 1 “auslassen”, B 2b Z. 8: “War ists, diese”, C 1a Z. 2
“Den̄”. Dazu
sind die beiden Errata verbessert: Bl. A 3a Z. 24 “versehen”, A 4b Z. 22
“schadet mir sonderlich nichts”. — Unterschiede der verschiedenen Exemplare Bl.
C 2a Z. 8 und C 3b Z. 17 wie in B1.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5852), Königsberg U., Stuttgart, Würzburg U. — Erl. Ausg. 65, 102 Nr. 4.
B3 Beschreibung wie B2, aber Bogen B
wie in B1. Dieser Bogen muß also wohl zufällig in größerer Auflage als Bogen A
und die erste Hälfte von Bogen C in der Fassung von B1 gedruckt worden sein und
ist dann in dieser Gestalt noch für eine Anzahl Exemplare der vergrößerten
Auflage verwendet. Vgl. B 1a Z. 1 “aus lassen”.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5852a); London.
C1 “Ein Sendtbrieff || D. M. Luthers.
|| Von Dolmetz- || schen vnd Für- || bit der heili- || gen. || M. D. XXX. ||”
Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 12 Blätter in Quart, letzte Seite
leer. — Blatt A 1b Z. 1 “Wenczeslaus”, A 2a Z. 1 “vnd”.
Druck von Hans Weiß in Wittenberg.
Vorhanden: Berlin (Luth. 5853).
C2 Beschreibung wie C1. — Bogen A ist
neu gesetzt, vgl. A 1b Z. 1 “Wenczesslaus”, A 2a Z. 1 “vnnd”.
Vorhanden: Zwickau.
D “Ein Send- || brieff, von Dolmet- ||
schen, vnd Fürbitte || der Heiligen. || D. Mart. Luther. || Wittemberg. || M.
D. XXX. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in Quart,
letzte Seite leer.
Druck von Hans Barth in Magdeburg.
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 5854).
In den Gesamtausgaben findet sich die
Schrift: Wittenberg 4 (1551), 474a –479a; Jena 5 (1557), 161a –167b; Altenburg
5, 268 –275; Leipzig 12, 90 –96 (erster Teil) und 20, 235 –237 (zweiter Teil);
Walch1 21, 309 –327 (erster Teil) und 19, 1201 –1206 (zweiter Teil); Walch2 19,
968 –985 (beide Teile); Erlangen 65, 102 –123. — Lateinisch bei Coelestin,
Historia comitiorum III (1577), 69b –74b. — Vgl. de Wette 4, 161; Enders,
Briefwechsel 8, 257.
[Seite 630]
Der Nürnberger Druck A ist der Urdruck;
ihm entstammen B und C (beide Wittenberg), beide aber vielleicht nicht
unmittelbar. A hält sich nämlich vielfach an Luthers Sprachformen, wenn auch
Nürnberger Druckweise nicht zu verkennen ist. Nun zeigen B und C einzelne
oberdeutsche Formen, die in A fehlen. Es ist nicht denkbar, daß man in
Wittenberg eine Nürnberger Vorlage oberdeutscher nachdruckte als sie war.
Dagegen ist wahrscheinlich, daß ein neuer Druck (Ax) nach A in Nürnberg manche
mitteldeutsche Besonderheiten und Lesefehler entfernte, die in A
stehengeblieben waren, und daß die mitteldeutschen Nachdrucke die meisten der
oberdeutschen Eigenheiten von Ax wieder beseitigten, einige aber (und zwar B
andere als C) stehen ließen. — D ist aus B gedruckt. Die sprachlichen
Besonderheiten von BCD werden hier zusammengefaßt.
B (Wittenberg), D (Magdeburg) (wo nicht
anders bemerkt, gelten die Lesarten für beide Drucke)..
I. Vokale: 1) Umlaut: e > a
arbeiten; ae > e veter; o > oe koempt, oeffenlich, loeblich, voellig,
woelt, stoesst, gehoeffelt; D auch soelch, oerten (öfter); u > ue druemb,
widderuemb, kuendig, suenden, iuenger, huebsch, verschuett, huelffen, zuernen,
fuer, duerr, stueck, geluestet, schueler, gruessen, pfluegen, D auch erfuer,
suesse; ∞Luther, gesucht, anruffen, entschuldigt; au > eu gleubig,
verkeufft.
2) e > i sticken, widder, D auch
wider; u > o vermoegen, koennen, from; ∞duerffen, D auch kuempt,
vuellig; o > a wal; i > ue huelff, ∞ verwirfft; ů beseitigt,
ebenso die Scheidung von i und ie.
3) unechtes h eingefügt jhn, ∞
oren, vorrede.
4) unbetontes e fällt in nutz, unnuetz,
lang, D auch fried, Sudler, verderbt, Gabriels (< -lis); neu in ich bitte,
halte, wanne, stuecke, newe (unflektiert), der liebe, -unge, Bawer, ewer,
begegenet, e > i falschir D.
II. Konsonanten: t > d, dt
verdeudscht, bekand, deudlich, schneidt, kundte; D auch beredt; d > t freunt
D, teudsch D; Luther > Luter D.
Doppelkonsonant vereinfacht in
guetlich, etwas, Vater, benomen, heiloser, in D auch oder, wider, Sudeler,
schuetet.
III. Vor- und Nachsilben: entpfangen
> empfangen, vorstehen > verstehen, gmein > gemein; D auch ver >
vor vorneinen; igkeit > ickeit D.
IV. Deklination: der gemeine >
gemeinen, ∞ die andern frag > ander (Akk.), des hertzes > hertzen,
des Text > Texts, yn teglichen (Dat.) > teglichem; D: den orten >
oerten.
Konjugation: kompt > koempt (D auch
kuempt), ich sihe > sehe, er stosst > stoesst, getroffen > troffen;
gewist, gewuest, > gewust, wolt > woelt, dorffen > duerffen, vermuegen
> vermoegen, kunnen > koennen, ich gan > guenne; ich habe muessen >
ich habe muest.
V. Wortformen: dann > denn, vor (mit
Dat.) > fur, dawider, daneben > darwidder, darneben, wann! > wenn,
yetzt > jtzt, sonder > sondern, dester > deste; D was fur > vor,
eraus > heraus; sollich >
[Seite 631]
solch (soelch D), gegeneinander >
gegenander; bewuest > bewust, zwentzig > zweintzig, krigisch, Grekisch
> griechisch, Hebreisch > Ebreisch; entsatzung > entsetzunge,
questionen > Questen, mad > magd, St Paul > Paulus, Nürmberg >
Nürnberg, muellner > mueller, Muenich > Muench, Philosopi (Druckfehler?)
> Philosophi, Kecharitomeni > Kecharitomene; Magdalene > Madalene D;
gefeilet > gefelhet, innhalten > jnne halten (= retinere). Bei Zitaten z.
B. Gala .1. > zun Galatern am 1.
VI. Wortwahl: biten > beten; D
schmuecken > schmutzen (putzen und schm.); sam (= wie) > als.
C (Wittenberg) obwohl im Text von A
(oder Ax) abhängig, berührt sich in den Formen sehr oft mit BD.
I. Vokale: 1) Umlaut: e > a arbeit;
o > oe loeblich, oeffentlich, voellig; soenderlich, doerffen, soendern
(sed), den oerten, ∞ gefoddert, gehoffelt; u > ue fuer, erfuer,
duerfft, duerr, duerch, geduelt, entschueldigen, suende, juenger, druemb,
huebsch, suesse, versuecht, pfluegen, nuer (> nur) ∞ Luther, gunstig,
jungist, ruffen.
2) o > u vul, Kuenig, ∞ from̄e, moegt; die richtige
Scheidung von i und ie ist verwischt;
3) unechtes h fehlt in steet, oren, ym,
weren (sogar auch seen), ∞ jhn, nhamen (Subst.), ahn (ad);
4) unbetontes e ist hinzugefügt: der
liebe, das hebreische, eingefügt in jungest, dolmetschet, ausgeworfen in
Sudler, urteilten, Gabriels (< Gabrielis).
II. Konsonanten: d > t, dt teutsch,
niemandt, iemant; t > th geluesthet, geantworthet, orth; t > dt Godtlos,
dt > th kuenthe; g > gh ghebraucht; ch, h > g hoegst, geschegen,
kriegisch; h fällt in geseen; ch > h unzelihe; flugs > fluchs.
Doppelkonsonant vereinfacht: guetlich,
hern, heilose, wider, den (nam), ∞ ich bitte, kommen, widder, foddern.
III. Vor- und Nachsilben: ver > vor:
vermeiden, zuvorsicht; empfangen > entfangen.
IV. Deklination: den orten > oerten,
des Muellners > Muellner, einen ieden > iedern.
Konjugation: sind > seind (!), gewist, gewuest >
gewust, muegt > moegt, sollen > soellen.
V. Wortformen: wanne (= ei!) >
wenne, was fur > was vor, eraus > heraus, sondern > soendern, yetzt
> ytzt, solch > suelch, soellich; fleischlich > fleschlich, mad >
magd, scrupel > schrupel, Hjeronymo > Jeronimo; leren > lernen,
verdamnen > verdammen; uberhaben > vorhaben (Lesefehler?).
[Seite 632]
[Bl. a 1b]
Wenczeslaus Linck allen Christglaubigenn 1530
[Seite 632]
Gottes gnad und barmhertzigkeit. Der
weise Salomon spricht [Spr. 11, 26]
Prov. 11: ‘Wer korn inhelt1, dem fluchen die leute. Aber segen kompt uber den, so es verkaufft.’
Welcher spruch eigentlich zu vorstehen
ist von allem das zu gemeinem nutze odder
troeste der Christenheit dienen kan. Darumb schilt auch der Herr jm Euangelio den untrewen knecht einen
faulen schalck, das er sein gelt in die
erden vergraben und verborgen hatte. Solchen fluch des herren und der gantzen gemein zu vermeiden, hab jch
diesen sendtbrieff, der mir durch einen
guten freundt zu handen kommen, nit wissen zu verhalten, sonder offentlich in druck geben, Dann die weil der
verdolmetzschunge halben, altes und
newes testaments, vil rede sich zutragen, Nemlich die feinde der warheit
furgeben, sam were der text an vilen
orten geendert, odder auch verfelschet, da
durch viel einfeltige Christen, auch untern gelerten, ßo der Hebreischen
unnd Grekischen sprache nit kundig,
entsatzunge odder schew gewinnen, Jst guettlich
zu verhoffen, das auffs minste zum teil hie mit den gottlosen jhr
lestern vorhindert, und den frommen jhr
scrupel benommen sollen werden, Villeicht auch
verursachet, das ettwas mehrers auff solche frag stuck odder materi
geschriben werde, Bitt der halben einen
ieden liebhaber der warheit, woelle jhm sollich
werck jm besten lassen entpfolhen sein, und Gott treulich bitten umb
rechten vorstandt der Goettlichen
schrifft zu besserung unnd meherung gmeiner
Christenheit. Amen. Zu Nuermberg am 15. Septembris. Anno 1530.
[Bl. a ij] Dem Erbarn und fursichtigen
N.
meinem guenstigen Herrn und freunde.
Gnad und fride in Christo, Erber
fursichtiger lieber Herr und freund, ich
hab ewer schrifft entpfangen mit den zwo questionen odder fragen, [Röm. 3, 28] darin yhr meines berichts begert.
Erstlich warumb ich zun Roemern am
dritten capitel, die wort S. Pauli ‘Arbitramur hominem iustificari ex fide absque operibus’, also verdeutsch habe:
‘Wir halten, das der mensch gerecht
werde on des gesetzs werck, allein durch den glauben’, Und zeigt
[ 6 troste BCD 11 dolmetzschunge C 13
sam] als BD 14 einfeltiger BD 17 genomen B 19 ein jeder (Komma nach halben) B
20 entpfolhen] befohlen BD 22 Zu fehlt B 26 Questen B 29 nach operibus] legis
BD]
[Seite 633]
daneben an, wie die Papisten sich uber die
massen vnnuetze machen, weil ym text
Pauli nicht stehet das wort ‘Sola’ (Allein) und sey solcher zusatz von mir nicht zu leiden ynn Gottes wortten
&c.. Zum andern, ob auch die verstorben
Heiligen fur uns bitten, weil wir lesen, das ja die Engel fur uns bitten &c.. Auff die ersten frage (wo es
euch gelustet) muegt yr ewern Papisten
von meinet wegen antworten also:
Zum ersten, Wenn ich D. Luther mich
hette muegen des versehen, das die
Papisten alle auff einen hauffen so geschickt weren, das sie ein Capitel yn der schrifft kuendten recht und wol
verteutschen, So wolt ich furwar mich
der demut haben finden lassen, und sie umb hilff und beystand gebeten,
das Newe Testament zuverteutschen. Aber
die weil ich gewuest, und noch vor augen
sihe, das yhr keiner recht weiß, wie man dolmetschen, odder teutsch
reden sol, hab ich sie und mich solcher
muehe uberhaben, Das merckt man aber wol, das
sie aus meinem dolmetschen und teutsch, lernen teutsch reden und
schreiben, und stelen mir also meine
sprache, davon sie zuvor wenig gewist, dancken mir aber nicht dafur, sondern brauchen sie viel
lieber wider mich. Aber ich gan es In
wol, den es thut mir doch sanfft, das ich auch meine undanckbare juenger, dazu meine feinde reden gelert habe.
Zum andern muegt yhr sagen, das ich das
Newe Testament verdeutscht habe, auff
mein bestes vermuegen und auff mein gewissen, habe damit niemand gezwungen, das ers lese, sondern frey
gelasen, und allein zu dienst gethan
denen, die es nicht besser machen koennen, Jst niemandt verboten ein
bessers zu machen. Wers nicht lesen wil,
der las es ligen, ich bite und feyre1 niemandt
drumb. Es ist mein testament und mein dolmetschung, und sol mein
bleiben unnd sein. Hab ich drinnen etwa
gefeilet (das mir doch nicht bewuest, und
freilich ungern einen bůchstaben mütwilliglich wolt unrecht
verdolmetschen) darueber wil ich die
Papisten nicht zu richter leiden, denn sie haben noch zur zeit zu lange ohren dazu, und yhr ycka ycka2
ist zu schwach, mein verdolmetschen zu
urteilen, Jch weiß wol, und sie wissens weniger, denn des Mülners thier, was fur kunst, fleiß, vernunfft, verstandt
zum gutten dolmetscher gehoeret, denn
sie habens nicht versuecht.
Es heist: Wer am wege bawet, der hat
viel meister.3 Also gehet mirs auch. Die
jhenigen die noch nye haben recht reden können, schweige denn dolmetschen, die sind allzumal meine meister, und ich mus
yhr aller junger sein. [Matth. 1, 1] Und
wenn ich sie hette sollen fragen, wie man die ersten zwey wort Matthei 1. ‘Liber Generationis’ solte verdeutschen, so
hette yhr keiner gewist gack dazu zu
[ 13 verhaben C 16 guenne BD 22 nicht
fehlt D 34 aller fehlt C]
[Seite 634]
sagen1, Und urteilen mir nu das gantze werck,
die feinen gesellen. Also gieng es S.
Hieronymo auch, da er die Biblia dolmetscht, da war alle welt sein meister, Er allein war es, der nichts kunte,
Und urteileten dem guten man sein werck,
die jhenigen, so ym nicht gnug gewest weren, das sie ym die schuch hetten sollen wischen2, Darumb gehoeret
grosse gedult dazu, so yemand etwas
offentlich guts thun will, denn die wellt wil meister klueglin bleiben3,
und mus ymer das Ros unter dem schwantz
zeumen4, alles meistern, unnd selbs nichts
koennen, das ist yhr art, davon sie nicht lassen kan.
Jch wolt noch gern den Papisten
ansehen, der sich erfur thet, und etwa
eine epistel S. Pauli oder einen Propheten verdeutsch [Bl. aiij] et, So
fern, das er des Luethers teutsch und
dolmetzschen nicht dazu gebraucht, da solt man
sehen ein fein, schoen, loblich deutsch odder dolmetzschen, Denn wir
haben ja gesehen den Sudler zu Dresen,
der mein New Testament gemeistert hat (ich
wil seinen namen yn meinen buechern nicht mehr nennen, So hat er auch
nun seinen richter, und ist sonst wol
bekandt), der bekennet, das mein deutsch susse
und gut sey, und sahe wol, das ers nicht besser machen kundt, und wolt
es doch zu schanden machen, fur zu, und
nam fur sich mein New Testament, fast von
wort zu wort, wie ichs gemacht hab, und thet meine vorrhede, gloß und namen davon, schreib seinen namen,
vorrhede und gloß dazu, verkaufft also
mein New Testament unter seinem namen, Wann5, lieben kinder, wie geschach mir da so wehe, da sein landsfurst
mit einer grewlichen vorrhede verdampt
und verbot des Luthers New Testament zu lesen, Doch daneben gebot des Sudelers New Testament zu lesen, welchs
doch eben dasselbig ist, das der Luther
gemacht hat.6
Und das nicht yemand hie dencke, ich
liege, So nym beide Testament fur dich,
des Luthers und des Sudelers, halt sie gegen ein ander, so wirstu sehen, wer yn allen beiden der dolmetzscher
sey, Denn was er yn wenig orten geflickt
und geendert hat (wie wol mirs nicht alles gefellet) So kan ichs doch wol leiden, unnd schadet mir sonderlich
nichts, so viel es den text betrifft,
darumb ich auch nie da wider hab woellen schreiben, sondern hab der
grossen weißheit muessen lachen, das man
mein New Testament so grewlich gelestert,
verdampt, verboten hat, weil es unter meinem namen ist außgangen,
Aber doch muessen lesen, weil es unter
eines andern namen ist außgangen. Wie
[ 23 eben fehlt C 25 hie fehlt C 29
sonderlich fehlt B1]
[Seite 635]
wol, was das fur ein tugent sey, einem andern
sein bůch lestern und schenden,
darnach das selbige stelen, und unter eigenem namen dennoch auß lassen
gehen, und also durch frembde
verlesterte erbeyt eygen lob und namen suechen, das las ich seinen richter finden. Mir ist ynn
des gnug, und bin fro, das meine [Phil.
3. 18] erbeit (wie S. Paulus auch rhuemet) muß auch durch meine feinde
gefoeddert, und des Luthers bůch on
Luthers namen, unter seiner feinde namen gelesen werden, Wie kuend ich mich bas rechen?
Und das ich wider zur sachen kome, Wann
ewr Papist sich vil unnuetze machen wil
mit dem wort ‘Sola Allein’ so sagt jm flugs also: Doctor Martinus Luther wils also haben, unnd
spricht, Papist und Esel sey ein ding.
Sic volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas.1 Denn wir woellen nicht
der Papisten schuler noch juenger,
sondern yhre meister und richter sein, Woellen
[2. Kor. 11, 22 f.] auch ein mal stoltziern und pochen2 mit den Esels
koepffen, und wie Paulus wider seine
tollen Heiligen sich rhuemet, so wil ich mich auch widder diese meine Esel rhuemen. Sie sind doctores? Jch
auch. Sie sind gelert? Jch auch. Sie
sind Prediger? Jch auch. Sie sind Theologi? Jch auch. Sie sind Disputatores? Jch auch. Sie sind
Philosophi? Jch auch. Sie sind
Dialectici? Jch auch. Sie sind Legenten? Jch auch. Sie schreiben buecher? Jch auch.
Und wil weiter rhuemen: Jch kan Psalmen
und Propheten außlegen, Das kuennen sie
nicht. Jch kan dolmetzschen, Das koennen sie nicht. Jch kan die heiligen schrifft lesen, Das koennen sie
nicht. Jch kan biten, Das koennen sie
nicht. Und das ich herunter kome, Jch kan yhr eygen Dialectica und Philosophia bas, denn sie selbs allesampt.
Und weiß dazu fur war, das yhr keiner
yhren Aristotelem verstehet. Unnd ist einer unter yn allen, der ein proemium odder Capittel ym Aristotele recht
verstehet, so wil ich mich lassen
prellen.3 Jch rede ytzt nicht zuvil, denn ich bin durch yhre kunst alle
erzogen und erfaren von jugent auff,
weiß fast wol wie tieff und weit sie ist. So
wissen sie auch wol, das ichs alles weiß und kan, was sie koennen, Noch handeln die heillosen leute gegen mir, als were ich
ein gast jnn yhrer kunst, der aller erst
heut morgen komen were, und noch nie weder gesehen noch gehoert hette, was sie leren odder koennen. So gar herrlich
prangen sie herein mit yhrer kunst, und
leren mich, was ich vor zwentzig jaren an den schuhen zu rissen habe4, das ich auch mit jhener metzen auff
all yhr plerren und schreien singen mus,
Jch habs fur siben jaren gewist, das hůffnegel eysen sind.5
[Bl. a4] Das sey auff ewr erste Frag
geantwortet, und bitte euch, woellet
solchen Eseln ja nicht anders noch mehr antworten auff yhr unnuetze
[ 15/16 Sie (2.) — Prediger fehlt B2D
18 Dialectici vor Philosophi C 22 beten B2D 29 ichs] ich B2D]
[Seite 636]
geplerre vom wort Sola Denn also viel: Luther
wils so haben, und spricht, Er sey ein
Doctor uber alle Doctor jm gantzen Bapstum, da sols bey bleiben, Jch will sie hinfürt schlecht verachten und
veracht haben, so lange sie solche leute
(ich wolt sagen) Esel sind, Denn es sind solche unverschempte tropffen unter yhn, die auch yhr eigen der Sophisten
kunst nye gelernt haben, wie Doctor
Schmidt1, und Doctor Rotzloeffel2, und seine gleichen, und legen sich gleich wol widder mich, yn dieser sachen, die
nicht allein uber die sophisterey, [1.
Kor. 1, 20] sondern auch (wie sanct Paulus sagt) uber aller welt weißheit und
vernunfft ist. Zwar es durfft ein Esel
nicht viel singen, man kennet yn sonst wol bey
den ohren.3
Euch aber und den unsern wil ich
anzeigen, warumb ich das wort ‘sola’
[Röm. 3, 28] hab woellen brauchen, Wiewol Roma. 3. nicht sola, sondern
solum odder tantum von mir gebraucht
ist. Also fein sehen die Esel meinen text an.
Aber doch hab ichs sonst anders wo sola fide gebraucht und wil auch
beide solum und sola haben. Jch hab mich
des geflissen ym dolmetzschen, das ich
rein und klar teutsch geben moechte. Und ist uns wol offt begegnet, das
wir viertzehen tage, drey, vier wochen
haben ein einiges wort gesuecht und gefragt,
habens dennoch zu weilen nicht funden. Jm Hiob erbeiten wir also, M.
Philips, Aurogallus4 und ich, das wir yn
vier tagen zu weilen kaum drey zeilen
kundten fertigen. Lieber, nu es verdeutscht und bereit ist, kans ein
yeder lesen und meistern, Laufft einer
ytzt mit den augen durch drey, vier bletter und stost nicht ein mal an, wird aber nicht gewar,
welche wacken5 und kloetze da gelegen
sind, da er ytzt uber hin gehet, wie uber ein gehoffelt bret, da wir
haben muessen schwitzen und uns engsten,
ehe den wir solche wacken und klotze aus
dem wege reümeten, auff das man kuendte so fein daher gehen. Es ist
gut pflugen, wenn der acker gereinigt
ist.6 Aber den wald und die stoecke7 aus
rotten, und den acker zu richten, da will niemandt an. Es ist bey der
welt kein danck zu verdienen, Kan doch
Got selbs mit der sonnen, ja mit himel
und erden, noch mit seines eigen sons tod keinen danck verdienen, sie
sey und bleibt welt deß teuffels namen8,
weil sie ja nicht anders will.
[Röm. 3, 28] Also habe ich hie Roma. 3.
fast wol gewist, das ym Lateinischen und
krigischen text das wort ‘solum’ nicht stehet, und hetten mich solchs
die papisten nicht dürffen leren. War
ists. Dise vier buchstaben s o l a stehen nicht
drinnen, welche buchstaben die Eselskoepff ansehen, wie die kue ein new
thor9,
[ 1 so fehlt D 30 bleibe BD]
[Seite 637]
Sehen aber nicht, das gleichwol die meinung
des text ynn sich hat, und wo mans wil
klar und gewaltiglich1 verteutschen, so gehoret es hinein, denn ich habe deutsch, nicht lateinisch noch kriegisch
reden woellen, da ich teutsch zu reden ym dolmetzschen furgenomen hatte. Das ist aber
die art unser deutschen sprache, wenn
sie ein rede begibt, von zweyen dingen, der man eins bekennet, und das ander verneinet, so braucht man des
worts ‘solum’ (allein) neben dem wort
‘nicht’ oder ‘kein’, Als wenn man sagt: Der Baur bringt allein korn und kein geldt, Nein, ich hab warlich ytzt nicht
geldt, sondern allein korn. Jch hab
allein gessen und noch nicht getruncken. Hastu allein geschrieben und
nicht uberlesen? Und der gleichen
unzeliche weise yn teglichen brauch.
In disen reden allen, obs gleich die
lateinische oder kriechische sprach
nicht thut, so thuts doch die deutsche, und ist yhr art, das sie das
wort ‘allein’ hinzu setzt, auff das das
wort ‘nicht’ odder ‘kein’ deste volliger und deutlicher sey, Denn wie wol ich auch sage, Der Baur
bringt korn und kein geld, So laut doch
das wort ‘kein geldt’ nicht so vollig und deutlich, als wenn ich sage: ‘Der Baur bringt allein korn und kein geldt’,
und hilfft hie das wort ‘Allein’ dem
wort ‘kein’ so viel, das es ein vollige Deutsche klare rede wird, den man mus nicht die buchstaben inn der lateinischen
sprachen fragen, wie man sol Deutsch
reden, wie diese esel thun, sondern, man mus die mutter jhm hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen man
auff dem marckt drumb fragen, und den
selbigen auff das maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetzschen, so verstehen sie es den und mercken, das man
Deutsch mit In redet.
[Bl. b 1] [Matth. 12, 34, Luk. 6, 45]
Als wenn Christus spricht: Ex abundantia cordis os loquitur. Wenn ich den Eseln sol folgen, die werden mir
die buchstaben furlegen, und also
dolmetzschen: Auß dem uberflus des hertzen redet der mund. Sage mir, Jst das deutsch geredt? Welcher deutscher
verstehet solchs? Was ist uberflus des
hertzen fur ein ding? Das kan kein deutscher sagen, Er wolt denn sagen, es sey das einer allzu ein gros hertz habe
oder zu vil hertzes habe, wie wol das
auch noch nicht recht ist: denn uberflus des hertzen ist kein deutsch, so wenig, als das deutsch ist, Uberflus des
hauses, uberflus des kacheloffens,
uberflus der banck, sondern also redet die můtter ym haus und der
gemeine man: Wes das hertz vol ist, des
gehet der mund uber, das heist gut deutsch
geredt, des ich mich geflissen, und leider nicht allwege erreicht noch
troffen habe, Denn die lateinischen
buchstaben hindern aus der massen, seer gut deutsch zu reden.
[Matth. 26, 8] Also, wenn der verrether
Judas sagt, Matthei 26: Ut quid perditio hec?
[Mark. 14, 4] Und Marci 14. Ut quid perditio ista ungenti facta est?
Folge ich den Eseln und
buchstabilisten2, so mus ichs also verdeutschen: Warumb ist dise verlierung
[ 8 Nein] Jtem BD]
[Seite 638]
der salben geschehen? Was ist aber das fur
deutsch? Welcher deutscher redet also:
verlierung der salben ist geschehen? Und wenn ers wol verstehet, so denckt er, die salbe sey verloren, und musse
sie etwa wider suchen, Wiewol das auch
noch tunckel und ungewiß lautet. Wenn nu das gut deutsch ist, warumb tretten sie nicht erfur, und machen
uns ein solch fein hubsch new deutsch
Testament, und lassen des Luthers Testament ligen? Jch meine ja, sie solten yhre kunst an den tag bringen,
Aber der deutsche man redet also, Ut
quid &c..: Was sol doch solcher unrat? odder: was sol doch solcher
schade? Nein, Es ist schade umb die
salbe, das ist gut deutsch, daraus man verstehet, das Magdalene mit der verschutten salben sey
unrethlich1 umbgangen und habe schadenn
gethan, das war Judas meinung, denn er gedacht bessern rat damit zu schaffen.
[Luk. 1, 28] Jtem da der Engel Mariam
gruesset und spricht: Gegruesset seistu, Maria
vol gnaden, der Herr mit dir? Wolan, so ists biß her, schlecht2 den
lateinischen buchstaben nach verdeutschet,
sage mit aber ob solchs auch gut deutsch sey?
Wo redet der deutsch man also: du bist vol gnaden? Und welcher
Deutscher verstehet, was gsagt sey, vol
gnaden? Er mus dencken an ein vas vol bier,
oder beutel vol geldes, darumb hab ichs vordeutscht: Du holdselige, da
mit doch ein Deutscher, dester meher hin
zu kan dencken, was der engel meinet mit
seinem grus. Aber hie woellen die Papisten toll werden uber mich, das
ich den Engelischen grus verderbet habe.
Wie wol ich dennoch da mit nicht das
beste deutsch habe troffen. Und hette ich das beste deutsch hie sollen
nemen, und den grus also verdeutschen:
Gott grusse dich, du liebe Maria (denn so
vil wil der Engel sagen, und so wurde er geredt haben, wan er hette
wollen sie deutsch grussen), ich halt,
sie solten sich wol selbs erhenckt haben fur grosser andacht, zu der lieben Maria3, das ich den
grus so zu nichte gemacht hette.
Aber was frage ich darnach? sie toben
oder rasen, jch wil nicht wehren, das
sie verdeutschen was sie woellen, ich wil aber auch verdeutschen, nicht
wie sie woellen, sonder wie ich wil, wer
es nicht haben wil, der las mirs stehen,
und halt seine meisterschafft bey sich, denn jch wil ir weder sehen noch
hoeren, sie dorffen fur mein
dolmetzschen nicht antwort geben, noch rechenschafft thun, Das hoerestu wol, ich wil sagen: du
holdselige Maria, du liebe Maria, und
las sie sagen: du volgnaden Maria. Wer Deutsch kan, der weis wol,
welch ein hertzlich fein wort das ist:
die liebe Maria, der lieb Gott, der liebe Keiser, der liebe fürst, der lieb man, das liebe
kind. Und ich weis nicht, ob man
[ 9 Nein] Jtem BD 19 kan] kuenne B2D 21
nicht] noch nicht B2D 23 und] so hette ich B2D verdeutschen] verdeutschen muessen B2D
34 die] du B2D]
[Seite 639]
das wort ‘liebe’ auch so hertzlich und gnugsam
in Lateinischer oder andern sprachen
reden mueg, das also dringe und klinge ynns hertz, durch alle sinne, wie es thut in unser sprache.
Denn ich halt, S. Lucas als ein meister
in Hebreischer und Greckicher sprache,
hab das Hebreisch wort, so der Engel gebraucht, woellen mit dem Greckischen kecharitomeni, treffen und
deutlich geben. Und denck mir, der Engel
[Dan. 9, 23; 10, 11, 19.] Gabriel habe mit Maria geredt, wie er mit
Daniel redet, und nennet jnn Ha- [Bl.
bij] mudoth und Isch Hamudoth, vir desideriorum, das ist, du lieber Daniel. Denn das ist Gabrielis weise zu
reden, wie wir jhm Daniel sehen. Wenn
ich nu den buchstaben nach, aus der esel kunst, solt des Engels wort verdeutschen, muste ich also sagen: Daniel,
du man der begirungen oder: Daniel, du
man der lueste, O das were schon deutsch, Ein deutscher horet wol, das Man, Lueste, oder begyrunge deutsche wort
sind, wie wol es nicht eytel reine
deutsche wort sind, sondern lust und begyr weren wol besser. Aber wenn
sie so zusamen gefasset werden du man
der begyrungen, so weiß kein deutscher:
was gesagt ist, denckt, das Daniel villeicht vol boeser lust stecke, Das
hiesse denn fein gedolmetzscht. Darumb
mus ich hie die buchstaben faren lassen,
unnd forschen, wie der Deutsche man solchs redet, welchs der Ebreische
man isch Hamudoth redet, So finde ich,
das der deutsche man also spricht, Du
lieber Daniel, du liebe Maria, oder du holdselige mad, du medliche
junckfraw, du zartes weib, und der
gleichen. Denn wer dolmetzschen wil, mus
grosse vorrath von worten haben, das er die wol koenne haben, wo eins
an allen orten nicht lauten will.
Und was sol ich vil und lange sagen von
dolmetzschenn? Solt ich aller meiner
wort ursachen und gedancken anzeigen, ich mueste wol ein jar dran zu schreiben haben. Was dolmetschen fur kunst
und erbeit sey, das hab ich wol erfaren,
darumb wil ich keinen papstesel noch maulesel, die nichts versucht haben, hierinn zum richter oder thadeller
leiden. Wer mein dolmetzschen nicht wil,
der las es anstehen, Der Teuffel dancke yhm, wers ungerne hat oder on meinen willen und wissen meistert. Sols
gemeistert werden, so wil ichs selber
thun. Wo ichs selber nicht thu, da lasse man mir mein dolmetzschen
mit friden, und mache ein iglicher, was
er wil, fur sich selbs, und habe ym ein
gut jar.1
[ 6 Kecharitomene B2D 8 Hamudoth] Hamudoth A, im Kustos
richtig Isch Hamudoth fehlt D
12/13 Ein —Lueste] Ein deudscher man hoeret wol, das lueste2) B2D 15 so fehlt
B2CD beringungen D 16 voller
boeser luest B2D 20/21 mad — junckfraw] magd, niedliche iungfrau3) BD 22
grossen BD wol] wal BD 26 kunst]
kunst, muehe BD 28 zu richtern D 31 man fehlt D]
[Seite 640]
Das kan ich mit gutem gewissen zeugen,
das ich meine hoechste trew und vleiß
drinnen erzeigt, und nye kein falsche gedancken gehabt habe, denn ich habe keinen heller da fur genomen noch
gesuecht, noch damit gewonnen, So hab
ich meine ehre drinnen nicht gemeinet, das weis Gott mein Herr, sondern habs zu dienst gethan den lieben Christen,
unnd zu ehren einem, der droben sitzet,
der mir alle stunde so vil guts thut, das, wenn ich tausent mal so vil und vleissig gedolmetzscht, dennoch nicht
eine stunde verdienet hette zu leben,
odder ein gesundt auge zu haben, Es ist alles seiner gnaden und
barmhertzigkeit, was ich bin und habe,
Ja es ist seines theuren bluts und saüren
schweißes, darumb sols auch (ob Gott wil) alles yhm zu ehren dienen,
mit freuden unnd von hertzen. Lestern
mich die Sudeler und Bapstesel, wol an,
so lobenn mich die frumen Christen sampt yhrem hern Christo, Und bin
allzu reichlich belohnet, wo mich
nůr ein einiger Christ fur einen trewen erbeiter erkennet. Jch frag nach Bapsteseln nichts,
sie sind nicht werd, das sie meine
erbeit sollen erkennen, und solt mir ym grund meins hertzen leid sein,
das sie mich lobetenn. Jhr lestern ist
mein hoehester rhům und ehr, Jch will doch
ein Doctor, ja auch ein ausbuendiger Doctor sein, und sie sollen mir
den namen nicht nemen, biß an den
Juengsten tag, das weiß ich furwar.
Doch hab ich widerumb nicht allzu frey
die buchstaben lassen faren, Sondern mit
grossen sorgen sampt meinen gehülffen drauff gesehen, das, wo etwa an einem ort gelegenn ist, hab ichs nach
den buchstaben behalten, und [Joh. 6,
27] bin nicht so frey davon gangen, als Johannes 6, da Christus spricht:
‘Disen hat Got der vatter versiegelt’,
da were wol besser deutsch gewest: Disen hat
Gott der vater gezeichent, odder: disen meinet Gott der vater. Aber ich
habe ehe woellen der deutschen sprache
abbrechen, denn von dem wort weichen. Ah
es ist dolmetzschen ja nicht eines iglichen kunst, wie die tollen
Heiligen meinen, Es gehoeret dazu ein
recht, frum, trew, vleissig, forchtsam, Christlich, geleret, erfarn, geuebet hertz, Darumb halt ich, das
kein falscher Christ noch rottengeist
trewlich dolmetzschen koenne, wie das wol scheinet inn den prophetenn zu
Wormbs verdeutschet, darinn doch warlich
grosser vleis geschehen, und meinem deutschen
fast nach gangen ist. Aber es sind Jueden da bey gewest, die Christo
nicht grosse hulde erzeigt haben, sonst
were kunst und vleiß genug da.1
[Bl. biij] Das sey vom dolmetzschen und
art der sprachen gesagt. Aber nu hab ich
nicht allein der sprachen art vertrawet und gefolget, das ich [Röm. 3, 28] Roma. 3 ‘solum’ (Allein) hab
hinzu gesetzt, Sonder der text und die meinung
S. Pauli foddern und erzwingens mit gewallt, denn er handelt ja
daselbs das hauptstueck Christlicher
lere, nemlich, das wir durch den glauben an Christum
[ 4 mein] und mein B2 3D 21 ort] wort
BD 26 ja dolmetschen D]
[Seite 641]
on alle werck des gesetzs gerecht werden, Und
schneit alle werck so rein abe, das er
auch spricht, des gesetzes (das doch Gottes gesetz und wort ist) werck
nicht helffen zur gerechtigkeit, Und
setzt zum exempel Abraham, das der selbige sey
so gar on werck gerecht worden, das auch das hoehest werck, das dazu mal
new gepoten ward von got fur und uber
allen andern gesetzen und wercken, nemlich
die beschneidung, yhm nicht geholffen hab zur gerechtigkeit, sonder sey
on die beschneidung und on alle werck
gerecht worden durch den glauben wie er spricht
[Röm. 4, 2] Cap. 4. Jst Abraham durch werck gerecht wordenn, so mag er
sich rhuemen, aber nicht fur Gott. Wo
man aber alle werck so rein abschneit, und da mus ja die meinung sein, das allein der glaube
gerecht mache, und wer deutlich und durre
von solchem abschneiden der werck reden wil, der mus sagen: Allein der glaube, und nicht die werck machen
uns gerecht, das zwinget die sache selbs
neben der sprachen art.
Ja sprechen sie, Es laut ergerlich, und
die leute lernen daraus verstehen, das sie
keine gute werck thun duerffen. Lieber, was sol man sagen? Jsts nicht viel ergerlicher, das S. Pauls selbs nicht
sagt, allein der glaube, sondern
schuttets wol groeber eraus, und stosset dem faß den boden aus1 und
spricht, [Gal. 2, 16] ‘On des gesetzs
werck’, Und Gala. 1. ‘nicht durch die werck des gesetzes’, und des vil mehr an andern orten, denn das wort
‘allein der glaube’ moecht noch eine
gloß finden, Aber das wort ‘on werck des gesetzs’ ist so grob, ergerlich, schendlich, das man mit keiner glossenn
helffen kan. Wie viel mehr moechten
hieraus die leute lernen kein gute werck thun, da sie hoeren mit so
durren starcken2 worten von den wercken
selbs predigen ‘Kein werck’, ‘on werck’, ‘nicht
durch werck’, ist nu das nicht ergerlich, das man ‘on werck’, ‘kein
werck’, ‘nicht durch werck’ predigt, was
solts denn ergerlich sein, so man diß ‘allein der glaube’ predigt?
Und das noch ergerlicher ist, S. Paulus
verwuerfft nicht schlechte gemeine
werck, sonder des gesetzes selbs. Daraus moechte wol yemand sich noch
mehr ergern und sagen, Das gesetz sey
verdampt und verflucht fur Gott, und man
[Röm. 3, 8] solle eytel boses thun, wie die theten Roman. 3: Last uns
boeses thun, auff das es gut werde, wie
auch ein rotten geyst zu unser zeit anfieng. Solt man umb solcher ergernis willen S. Paulus wort
verlaugnen, oder nicht frisch und frey
vom glauben reden? Lieber, eben S. Paulus und wir woellen solch ergernis haben, und leren umb keiner ander
ursachen willen so starck wider die
werck und treiben allein auff den glauben, das die leute sollen sich
ergern, stossen und fallen, damit sie
mugen lernen und wissen, das sie durch yr gute
werck nit frum werden, sondern allein durch Christus tod und
aufferstehen.
[ 9 und fehlt BD 11 reden] redet A 19
des] das BD 22 gut BD 27 ergerlicher BD] ergerlich AC 35 das] denn das BD]
[Seite 642]
Koennen sie nu durch gute werck des gesetzes
nicht frum werden, wie vil weniger
werden sie frum werden durch boese werck und on gesetz, Darumb folget es nicht, Gute werck helffen nicht, darumb
helffen boese werck, gleich als nicht fein
folgt, Die sonne kan dem blinden nicht helffen, das er sehe, darumb mus
ym die nacht und finsternis helffen, das
er sehe.
Mich wundert aber, das man sich yn
diser offentlichen sachen so mag
sperren. Sage mir doch, ob Christus tod und auffersteen unser werck sey,
das wir thun, oder nicht? Es ist ja nit
unser werck, noch einiges gesetzes werck.
Nu macht uns ja allein Christus tod und aufferstehen frey von sunden
und [Röm. 4, 25] frum, wie Paulus sagt
Ro. 4. ‘Er ist gestorben umb unser sunde willen, und aufferstanden umb unser gerechtigkeit
willen.’ Weiter sage mir, Welchs ist das
werck, damit wir Christus tod und aufferstehen fassen und halten? Es
mus ja kein eusserlich werck, sondern
allein der ewige glaube ym hertzen sein, der
selbige allein, ja gar allein, und on alle werck fasset solchen tod und
aufferstehen wo es gepredigt wird durchs
Euangelion. Was ists denn nu, das man so
tobet und wuetet, ketzert und brennet, so die sach ym grundt selbs klerlich da ligt und beweiset, das [Bl. b 4]
allein der glaube Christus tod und
aufferstehen fasse on alle werck, und der selbige tod und aufferstehen
sey unser leben und gerechtigkeit. So es
denn an ym selbs offentlich also ist, das allein der glaube uns solch leben und gerechtigkeit
bringet, fasset und gibt, Warumb soll
man denn nicht auch also reden? Es ist nit ketzerey, das der glaube allein Christum fasset, und das leben gibt,
Aber ketzerey mus es sein, wer solchs
sagt oder redet. Sind sie nit toll, toericht und unsinig? die sachen
bekennen sie fur recht, und straffen
doch die rede von der selbigen sache fur unrecht, keinerley zu gleich mus beide recht und
unrecht sein.1
Auch bin ichs nicht allein, noch der
erste, der da sagt, Allein der glaube
mach gerecht, Es hat fur mir Ambrosius, Aug. und vil andere gesagt,
Und wer S. Paulum lesen und verstehen
sol, der mus wol so sagen, und kan nit
anders. Seine wort sind zu starck, und leiden kein, ja gar kein werck.
Jsts kein werck, so mus der glaube
allein sein. O wie solt es so gar ein feine,
besserliche, unergerliche lere sein, wenn die leute lernten, das sie
neben dem glauben, auch durch werck frum
moechten werden, Das wer so vil gesagt, das
nicht allein Christus tod unser sunde weg neme, sondern unsere werck
thetten auch etwas da zu, das hies
Christus tod fein geehret, das unser werck ym
hulffen, und koendten das auch thun, das er thut, auff das wir yhm
gleich gut und starck weren. Es ist der
Teuffel, der das blut Christi nicht kan
ungeschendet lassen.
[ 17 da fehlt D 19 also oeffentlich
also D 25 keinerley] Einerley1 B2 3 D 28 so fehlt C]
[Seite 643]
Weil nu die sache ym grund selbs
fodert, das man sage, Allein der glaub
macht gerecht, Und unser deutschen sprachen art, die solchs auch lernt also aus zusprechen. Habe dazu der Heiligen
væter exempel, und zwinget auch die fahr
der leute, das sie nit an den wercken hangen bleiben, und des glaubens feilen, und Christum verlieren, sonderlich zu
diser zeit, da sie so lang her der werck
gewonet und mit macht davon zu reissen sind. So ists nit allein recht, sondern auch hoch von noeten, das man auffs
aller deutlichst und voligst eraus sage,
Allein der glaube on werck macht frum, und rewet mich, das ich nit auch dazu gesetzt habe alle und aller, also
on alle werck aller gesetz, das es vol
und rund eraus gesprochen were, darumb sols in meinem Newen
Testament bleiben und solten alle
Papstesel toll und toericht werden, so sollen sie mirs nicht eraus bringen. Das sey yetzt davon
gnug, Weiter wil ich (so Gott gnade
gibt) davon reden ym buchlin de iustificatione.1
Auff die andern frage, ob die
verstorben Heiligen fur uns bitten.
Darauff wil ich yetz kuertzlich antwortenn, denn ich gedenck einen
sermon von den lieben Engeln auszulassen,
darinn ich diß stueck weitter (wils Gott) handeln werde. Erstlich wisset yhr, das ym Bapstum
nicht allein das geleret ist, das die
Heiligen ym hymel fur uns bitten, Welchs wir doch nicht wissenn koennen, weil die schrifft uns solchs nicht sagt,
Sondern auch das man die Heiligen zu
Goetter gemacht hat, das sie unser Patron haben muessen sein, die wir
anrueffen sollenn, Etlich auch die nye
gewest sind, Und einem iglichen heiligen sonderliche krafft und macht zu geeigent, einem uber
fewr, diesen uber wasser, diesenn uber
pestilentz, fieber, und allerley plage, das Gott selbs hat gar muessig
sein muessen, und die Heiligen lassen an
seiner stat wircken und schaffen. Disen
grewel fuelen die Papisten yetz wol, und ziehen heimlich die pfeiffen ein2, putzen unnd schmuecken sich nu mit dem
furbitt3 der Heiligen. Aber diß wil ich
ytzt auffschieben. Aber was gillts, ob4 ichs vergessen, und solchs putzen und schmuecken also ungebuesset hin gehen
lassen werde?
Zum andern, wisset yhr, das Gott mit keinem
wort gebotten hat, wedder Engel noch
Heiligen umb furbit anzurueffenn, Habt auch yn der schrifft des kein exempel, denn man findet, das die lieben
Engel mit den vaetern und propheten
geredt haben, Aber nye keiner ist vor yhnen umb furbit gebeten [1. Mose 32, 24 ff.] wordenn, Das auch der
ertzvater Jakob seinenn kampffengel nicht umb furbit
[ 14 Auff — bitten in BD als
Überschrift gedruckt. 18 wir BCD] mir A 19 solchs fehlt D 22 diesen] diesem
BD diesenn] diesem BD 25 fuelen
odder empfinden BD heimlich fehlt
C 28 schmuecken] schmutzen D 32 vor] von BD 33 Das fehlt BD]
[Seite 644]
bat, sondern nam allein den segen von yhm. Man
findet aber wol das [Off. 22, 9]
widerspiel yn Apocalypsi, das der Engel sich nicht wolt lassen anbetten
von Joanne, Unnd findet sich also, das
Heiligen dienst sey ein lauter menschen tandt,
und ein eygen fuendlin ausser Gottes wort und der schrifft.
[Bl. c 1] Weil uns aber yn Gotes dienst
nichts gebuert furzunemen on gottes
befelh, Und wer es furnimpt, das ist ein gottes versuchung, Darumb ists nicht zu rathen noch zu leiden, das man
die verstorbenn Heiligenn umb furbitt
anrueffe, oder anrueffen lere, sonder sols vil mehr verdamnen und meiden leren, Derhalben ich auch nicht dazu
rathen, und mein gewissen mit frembder
missethat nicht beschweren wil. Es ist mir selber aus der massen saur worden, das ich mich von den Heiligen
gerissen habe, denn ich uber alle masse
tieff drinnen gesteckt und ersoffen gewest bin. Aber das liecht des Euangelij ist nu so helle am tag, das hinfurt
niemand entschuldigt ist, wo er ym
finsternis bleibt. Wir wissen fast alle wol, was wir thun sollen.
Uber das so ists an ym selbs ein
ferlicher ergerlicher dienst, das die leute
gewonen gar leicht sich von Christo zu wenden, und lernen bald mehr zuversicht auff die Heiligen, denn auff
Christo selbs zu setzen, Denn es ist die
natur on das all zu seer geneigt, von got und Christo zu fliehen und
auff menschen zu trawen, Ja es wird aus
der massen schweer, das man lerne auff
Got und Christum trawen, wie wir doch gelobt haben unnd schuldig
sind, Darumb ist solch ergernis nicht zu
dulden, damit die schwachen und fleischlichen
leute ein abgoeterey anrichten, widder das erste gebot und wider
unser tauffe. Man treibe nur getrost die
zuversicht und vertrawen von den Heiligen
zu Christo, beide mit leren und uben, es hat dennoch muehe und
hindernis gnug, das man zu jm kompt und
recht ergreifft. Man darff den Teuffel nicht
uber die thuer malen, Er findet sich wol selbs.1
Zu letzt, sind wir ja gewiß, das got
nicht drumb zurnet, und sind wol sicher,
ob wir die Heiligen nicht umb furbit anrueffen, weil ers nirgent geboten hat, denn er spricht, das er sey ein
eyfferer, der die missethat heimsucht an
denen, die sein gebot nicht halten, Hie aber ist kein gebot, darumb auch
keinn zorn zu furchten. Weil denn hie
auff diser seiten sicherheit ist, und dort
grosse fahr und ergernis wider gottes wort, Warumb wolten wir uns
denn aus der sicherheit begeben yn die
fahr, da wir kein Gottes wort haben, das
uns in der not, halten, troesten oder erretten kan? Denn es stehet
geschriben, [Sirach 3, 27] Wer sich gern
in die fahr gibt, der wird drinnen umkomen. Auch spricht gottes gebott, Du solt got deinen herrn nicht
versuchen.
Ja sprechen sie, damit verdampstu die
gantzen Christenheit, die allenthalben
solchs bißher gehalten hat. Antwort, Jch weiß fast wol, das die
[ 2 das (dz A)] da BD 5 aber] den C]
[Seite 645]
Pfaffen und Münich solchen deckel yhrer grewel
suchen und woellen auff die Christenheit
schieben, was sie verwarloset haben, Auff das, wenn wir sagen, die Christenheit yrre nicht, so sollen wir
auch sagen, das sie auch nicht yrren,
und also kein luegen auch yrrthum an yn muege gestrafft werden, weil es
die Christenheit so helt. Also ist denn
keine walfart (wie offenberlich der teufel
da sey) kein ablas (wie grob die luegen sey) unrecht. Kurtzumb eytel
heiligkeit ist da, Darumb solt yr hie zu
so sagen, Wir handeln ytzt nicht, wer verdampt
odder nicht verdampt sei. Dise frembde sache mengen sie da her, das sie
uns von unser sache furen, Wir handeln
ytzt von gottes wort, was die Christenheit
sey oder thu, das gehoeret auff ein ander ort. Hie fragt man, was
gottes wort sey odder nit. Was gottes
wort nit ist, das macht auch keine
Christenheit.
Wir lesen zur zeit Helie des propheten,
das offentlich kein gottes wort [1. Kön.
19, 10] noch gottes dienst war ym gantzen volck Jsrael, wie er spricht: Herr
sie haben deine propheten getoedt, und
deine altar umbgegraben, Und bin ich gar alleine. Hie wird der koenig Ahab und andere auch
gesagt haben, Elia, mit solcher rede
verdampstu das gantz volck gottes. Aber gott hatte gleich wol sieben
tausent behalten. Wie? Meinstu nit, das
got unter dem Bapstum ytzt auch habe
koennen die seinen erhalten, ob gleich die pfaffen und münche in der
Christenheit eytel teufels lerer gewest
und in die hell gefaren sind? Es sind gar vil
kinder und junges volck gestorben in Christo, Denn Christus hat mit
gewalt unter seinem Widerchrist die
taufe dazu den blossen text des Euangelij auff
der cantzel, und das Vater unser, und den glauben erhalten, damit er
gar viel seiner Christen und also seine
Christenheit erhalten und den teuffels
lerern nichts davon gesagt.
Und ob die Christen gleich haben etlich
stuecke der Baepstlichen grewel gethan,
so haben die Bapstesel damit noch nicht be-[Bl. c2]weiset, das die lieben Christen solchs gern gethan haben, vil
weniger ist damit beweiset, das die
Christen recht gethan haben. Christen koennen wol yrren und sundigen
allesampt, Gott aber hat sie allesampt
leren betten umb vergebung der sunden ym
vater unser, und hat yhr solch sunde, die sie haben mussen, ungern,
unwissend, und von dem Widerchrist
gezwungen thun, wol wissen zu vergeben, und dennoch pfaffen und muenchen nichts davon sagen. Aber
das kan man wol beweisen, das yn aller
welt ymer ein gros heimlich mummeln1 und klagen
gewest ist widder die geistlichen, als giengen sie mit der Christenheit
nicht recht umb, Unnd die Bapstesel
haben auch solchem mummeln mit fewr und schwerd
trefflich widerstanden biß auff dise zeit daher. Solch mummeln beweiset
wol, wie gern die Christen solch grewel
gesehen, unnd wie recht man daran gethan
habe. Ja lieben Baepstesel, komet nu her, und saget, Es sey der
Christenheit
[ 1 woellens C 17 hatte] hette BD]
[Seite 646]
lere, was yr erstuncken, erlogen, und als die
boeßwichter und verrether der lieben
Christenheit mit gewalt auffgedrungen, und als die Ertzmoerder vil Christen drueber ermoerdet habt, zeugen doch
alle buchstaben yn allen Bapsts
gesetzen, das nichts aus willen und rath der Christenheit yemals sey
gelert, sonder eytel districte,
precipiendo mandamus1 ist da, das ist yhr heiliger geist gewest. Solch tyrranney hat die Christenheit
muessen leiden, damit yhr das sacrament
geraubt, und on yhr schuld so yn gefencknus gehalten ist. Und die Esel wolten solch unleidlich tyranney yhrs
frevels uns ytzt fur ein willige that
und exempel der Christenheit verkauffen, und sich so fein putzen. Aber es will ytzt zu lang werdenn. Es sey das mal
gnug auff die frage, Ein andermal mehr,
Und haltet mir meine lange schrifft zu gut. Christus unser Herr sey mit uns allen. Amen.
Ex Eremo octava Septembris. 1530.
Martinus Luther
Ewr guter freundt.
Dem Erbarn und fursichtigen N. meinem
guenstigen herrn und freunde.
[ 3 Bepsts BD 7 yn] jm BD 13 octavo C
16/17 Dem — freunde fehlt BCD]
[Seite 647]
[Einleitung]
[Seite 647]
Am
Was unter den ‘insidiae typographorum’,
die Luthers Briefe an Brenz vom
[Seite 648]
Druck des Brenzschen Kommentars ans
Licht gezogen hat, der Luthers Praefatio nicht enthält, daher wohl auf
unrechtmäßige Weise vor dem durch Luthers Vorrede sanktionierten Lufftschen
Drucke entstanden ist.1 Wahrscheinlich hatte also der Unbekannte, dem Brenz
sein Manuskript übergeben hatte, erfahren, daß bereits von unberechtigter Seite
eine Ausgabe des Kommentars vorbereitet wurde, und zögerte daher trotz Luthers
Drängen längere Zeit, das Manuskript in Druck zu geben.
Ausgaben:
A “IN PROPHETAM || AMOS, IOHAN-||NIS
BRENTII || EXPOSITIO. || Cum præfatione Martini Lutheri.||” Mit Titeleinfassung,
Titelrückseite leer. 94 Blätter in Oktav, Blatt A 4b, drittletzte und letzte
Seite leer. Auf der vorletzten Seite: “VVITTEMBERGAE EXCVDEBAT||IOHANNES LVFT,
ANNO||M. D. XXX.||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 9206), Bonn, Dessau, Dresden, Hamburg, Helmstedt, Königsberg, Rostock,
Salzwedel St. Katharinenbibliothek, Zwickau; Wien. — Enders, Briefwechsel 8,
222 Nr. 1.
W. Köhler, Bibliographia Brentiana S.
16 Nr. 40.
B “IN PRO-||PHETAM || Amos, Iohãnis ||
Brentij Ex-||positio. || Cum præfatione Martini Lutheri. || Haganoæ in officina
|| Seceriana. || M. D. XXXIII. ||” Mit Titeleinfassung, Titelrückseite
bedruckt. 104 Blätter in Oktav, die drei letzten Seiten leer. Auf der
viertletzten Seite: “Haganoæ in officina Seceriana || Anno salutis M. D. ||
XXXIII. Men || se Martio. ||” Darunter Setzers Druckerzeichen (Januskopf).
Vorhanden: Knaakesche Slg. (dieses
Exemplar trägt unten auf dem Titelblatt die handschriftliche Bemerkung: “1533
Jübilate”); Hamburg, Jena, München U., Wernigerode, Zwickau.
Köhler, S. 25 Nr. 62.
C “IN PROPHE-||TAM AMOS, IOAN-||NIS
BRENTII EX-||POSITIO.|| || CVM
PRAEFATIONE || Martini Lutheri. || HALÆ SVEVORVM EX || Officina Petri
Brubachij, Anno || M. D. XLIIII. ||” Mit Titeleinfassung, worin unten: “Christo
omnes Prophetæ testimonium ferunt, quòd remißionem || peccatorum accepturus sit
per nomen eius, quisquis crediderit || in ipsum. Acto. 10. ||” Titelrückseite
leer. 51 Blätter in Folio.
Vorhanden: Berlin (Bm 5031 ), Eßlingen
ev. Kirchenbibliothek, Freiburg i. Br., Schwäbisch-Hall Kirchenbibliothek,
Halle, Helmstedt, Kiel, Stuttgart, Tübingen; Krakau Bibliothek Czartoryski.
Köhler, S. 55 Nr. 131.
Dazu kommen noch zwei bei Peter
Braubach in Frankfurt a. M. 1551 und 1565 erschienene Ausgaben (Köhler S. 82 f.
Nr. 193 und S. 209 Nr. 452).
[Seite 649]
Außerdem ist unser Vorwort abgedruckt
bei Coelestin, Historia comitiorum III (1577), 57a –58a; ferner in Lilium
convallium Stephani Praetorij (1578), L 5a –L 7a; sowie Unschuldige Nachrichten
1743, 646.
In den Gesamtausgaben findet sich unser
Vorwort: Lateinisch: Buddeus, Supplementum epistolarum Lutheri (1703), 192
–194; de Wette 4, 148 –151; Opp. var. arg. VII, 510 –514; Enders, Briefwechsel
8, 222 –226. Deutsch: Eisleben 2 (1565), 17b –18b; Altenburg 5, 275 f.; Leipzig
12, 83 f.; Walch 1 14, 189 –193; Walch 2 14, 166 –169.
Wir geben den Text nach A, womit wir B
und C verglichen haben. Die von Enders 8, 222 erwähnten Handschriften Cod.
Goth. A 1048 f. 176 Nr. 217 [die Abschrift stammt aber nicht etwa von
Melanchthon!] und Helmst. 108 f. 86b bieten unsre Praefatio in späteren
Abschriften auf Grund der Drucke dar und bleiben daher unberücksichtigt.
Venerabili in Christo viro D. Iohanni
Brentio, discipulo et confessori Christi, ecclesiae Halensis presbytero
fidelissimo. 1530
[Seite 649] [Vorbemerkungen]
Gratiam et pacem in CHRISTO IHESV
Domino nostro. Redit ad te, optime
Brenti, AMOS tuus, quem ad me iam dudum
miseras. Non est mea culpa, quod tardius
aeditus est, sed voluntas eius, cui donasti. Qua ratione is motus sit, incertum est mihi. Verum quod
tu, pro humilitate spiritus tui, totum
hunc Commentarium meo iudicio subijcis,
ut mutem, addam, detraham, quae
viderentur mihi, absit a me, ut in hoc te audiam. Cum enim inter
prophanos odiosum sit, in alieno libro
ingeniosum esse, multo magis inter
Christianos intolerabile est, sibi magisterium super eiusdem spiritus
discipulos [1. Joh. 4, 1] arrogare.
Satis est probare spiritus, an ex Deo sint, Ubi probati fuerint, tum mox venerari et osculari ac posito
magisterij supercilio discipulum potius
fieri. Neque enim potest fieri, Quin, ubi spiritus sanctus loquitur, [Joh. 1, 9] talia loquatur, quae omnem
hominem venientem in hunc mundum sibi
[Ps. 147, 5] subijciant et discipulum faciant, Siquidem sapientiae eius
non est numerus.
Ego vero praeter hoc generale encomion
spiritus de tuis scriptis sic sentio, ut
mihi vehementer sordeant mea, ubi tuis tuique similium scriptis
[ 4 Iesv C]
[Seite 650]
comparantur. Non adulor neque fingo, sed neque
ludo neque fallor: Non Brentium, sed
spiritum praedico, qui in te suavior, placidior, quietior est, deinde dicendi artibus instructus, purius,
luculentius et nitidius fluit, itaque
magis afficit et delectat. Meus vero, praeterquam quod artibus
dicendi imperitus et incultus, nihil
nisi sylvam et cahos verborum evomit, tum etiam
eo fato agitur, ut turbulentus et impetuosus et velut luctator cum
monstris infinitis semper congredi
cogatur.1 Itaque, si licet parvis componere magna2, Mihi de quadruplici spiritu Eliae 4. Reg. 193
Ventus, motus et ignis, qui montes
subvertit et petras conterit, Tibi autem et tui similibus sibilus ille blandus aurae tenuis, qui refrigeret,
contigit. Ita fit, ut etiam mihi ipsi,
nedum alijs, gratiora sint scripta et verba vestra. Solor tamen meipsum, [Joh. 14, 2] quod existimem, imo sciam patrem
illum familias coelestem, pro magnitudine
suae domus, etiam opus habere uno aut altero servo duro contra duros et aspero contra asperos, veluti malo cuneo in
malos nodos4, Et tonanti Deo opus est,
non tantum pluvia irrigante, sed etiam tonitru concuti-[Bl. A 3]ente et fulgure auras purgante, quo felicius et
copiosius terra fructificet.
Verum hoc donum Dei prae ceteris in te
singulariter amo et veneror, quod
iusticiam fidei tam fideliter et syncere urges in omnibus scriptis tuis. Hic locus enim caput et angularis lapis est,
qui solus Ecclesiam Dei gignit, nutrit,
aedificat, servat, defendit, Ac sine eo Ecclesia Dei non potest una hora subsistere, sicuti nosti et sentis.
Atque ideo sic instas. Neque enim
quicquam recte docere potest in Ecclesia neque ulli adversario
foeliciter [1. Tim. 6, 3] resistere, qui
hunc locum seu, uti Paulus appellat, hanc sanam doctrinam [2. Tim. 1, 13] non tenuerit, vel, ut idem
dicit Paulus, Tenax eius doctrinae fuerit. Quo
circa saepius et pene cum indignatione admiror, Quomodo D.
Hieronymus nomen Doctoris Ecclesiae et
Origenes Magistri Ecclesiarum post Apostolos
meruerint, cum in utroque autore non facile tres versus invenias de
fidei iusticia docentes Neque Christianum
ullum facere queas ex universis utriusque
scriptis; ita vagantur allegoriis rerum gestarum aut capiuntur
pompis operum. Neque alius fuisset S.
Augustinus, nisi Pelagiani eum tandem
exercuissent et ad fidei iusticiam impulissent. Qua lucta et exercitio evasit vere Doctor Ecclesiae, ac pene solus
post Apostolos et primos patres
Ecclesiae.
[ 16 fœlicius C 25 quō C 28 illum
C 31 iusticiam tuendam impulissent C]
[Seite 651]
Non quod illustribus patribus detrahere
velim et oculos cornicum configere1, uti
Hieronymus ipse vocat, Sed quod putem admonitos nos omnes esse oportere, ut patrum scripta cum iudicio
eoque diligentissimo et acutissimo [1.
Thess. 5, 21] legamus, secundum regulam illam spiritus sancti: ‘omnia probate’,
et iterum: [1. Joh. 4, 1] ‘probate spiritus’,
ut simus animalia munda ungulis fissis et incaedentia.2 [Eph. 4, 14] Quod qui non faciunt, videmus,
quantis incertae doctrinae ventis circumferantur et opinionibus in infinitum sese gignentibus
sursum deorsum agitentur, [2. Tim. 3,
17] semper discentes et nunquam ad scientiam veritatis pervenientes. Et haec non tantum videmus, ipsi quoque experti
sumus, cum in eisdem turbis dogmatum
rotaremur, donec gratia Dei nos transtulit in portum et supra hanc certam petram aedificavit, ut certi
simus, quid doceamus, discamus, habeamus
nec ultra sic fluctuemus. Quare te rogo, uti pergas, optime Brenti, sicuti facis, hunc locum iusticiae strenue et
usque ad fastidium urgere per omnia et
ubicunque poteris. Nam plenus est alias satis totus mundus scribentibus, clamantibus, cudentibus, qui valde fortiter
hunc locum negligunt, multi denique
persequuntur, plurimi (cum aliud nocere non possint) obscurant aut corrumpant. Nec miram, nam hic est ille
unicus calcaneus seminis antiquo
serpenti adversantis, qui caput eius conterit. Ideo Satan rursus non potest non eidem insidiari. Verum etsi noceat
insidijs infinitis et pertinacissimis,
tamen vincere et [Bl. A 4a] conterere non potest, sicut scriptum
est: [1. Mose 3, 15] ‘Ipsum conteret
caput tuum’. Non est scriptum: Tu calcaneum vel caput eius conteres. Gratia Domini nostri IHESV
CHRISTI sit tecum, Et ora pro me. Ex
Eremo XXVI. Augusti, ANNO M. D. XXX.
T. Martinus Luther.
[ 2 nos fehlt C 12 ut B 13
strẽnue B 17 ac corrumpunt C]
[Seite 652]
[Einleitung]
[Seite 652]
Nächst der Streitschrift de servo arbitrio
müßte eine besondere Abhandlung Luthers de iustificatione, noch dazu aus den
Tagen, da über dies Bekenntnis in Augsburg gestritten wurde, von allergrößter
Wichtigkeit sein. Könnte sie uns doch den Dogmatiker Luther zeigen, soweit er
dies überhaupt gewesen ist. Um so mehr ist zu bedauern, daß wir von einer
solchen Arbeit nur Trümmer ungeordneter Entwürfe und Notizzettel haben. Die
Veröffentlichung des wichtigsten Teiles verdanken wir Dr. Berbig:
“Der Veit Dietrich-Kodex Solgeri 38 zu
Nürnberg Rhapsodia seu Concepta in Librum Iustificationis aliis obiter additis
1530. Veröffentlicht von Pfarrer Dr. Georg Berbig in Neustadt-Koburg. Leipzig,
Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1907.” VI und 50 Seiten Oktav.
Berbig hat hier und in einer anderen
Veröffentlichung1 den Jnhalt der Handschrift Cod. Solgeri in 4o Nr. 38 der
Stadtbibliothek Nürnberg besprochen. Sie ist von Veit Dietrich so
zustandegebracht, daß er selbst und 3 –4 Schreiber, deren Arbeiten er
nachbesserte, Briefe und Berichte, Gutachten und Entwürfe Luthers und anderer
aus den Jahren 1527 –31, zumeist aber aus 1530 sammelte. Die Vorlagen waren
meist Urschriften. Die Abschriften sind ziemlich mangelhaft.
Hier stehen nun auf Bl. 1b –30:
Rhapsodia seu Concepta in Librum de loco Iustificationis cum aliis obiter
additis 1530. Vitus Theod⌊orus. Diese Blätter hat
Dietrich auch selbst geschrieben.
Berbig meinte, Luther habe schon im Mai
die Schrift de iustificatione geplant und entworfen. Dabei sind ihm die bald zu
besprechenden zwei Zeugnisse Luthers entgangen. Zunächst waren durch den Reichstag
und die Berichte aus Augsburg andere dogmatische und kirchliche Fragen näher
gelegt. Erst im Widmungsbriefe zur lateinischen Übersetzung von Luthers
Auslegung des Propheten Jona, den man aber auch in den Anfang August setzen
könnte (Enders 7, 347), richten sich die Gedancken mehr auf de iustificatione.
Noch am 24. August muß
[Seite 653]
die Art, wie Luther an Melanchthon
(Enders 8, 204) über die Schrift sich äußert, den Eindruck erwecken, sie sei
noch in weitem Felde: Er schicke den Sermon, daß man Kinder zur Schule halten
solle. Er sei zu wortreich, nach Luthers Art. Jm Buch von den Schlüsseln werde
es eben so sein und dann: si volet Christus, de iustificationis loco. Jmmerhin
muß die Disposition und Ausführung einzelner Punkte ihm schon klar gewesen
sein, weil er eben schon fürchtet, die Schrift werde lang werden. Damals hatte
er wohl schon Entwürfe gemacht. Am 8. September ist er noch nicht weiter. Jm
“Sendbrief vom Dolmetschen und Fürbitte der Heiligen” schließt er den Abschnitt
über sola fide: “weiter will ich, so Gott Gnade giebt, davon reden im Büchlein
De Justificatione (s. oben S. 643, 13)”.
Die Arbeit ist dann liegen geblieben
und Luther hat sie nicht wieder aufgenommen, wohl aber die Entwürfe an Stellen
anderer Schriften teilweise verwertet, wie wir nachweisen werden.
Jm besprochenen cod. Solg. hat nun Veit
Dietrich zusammengetragen, was ihm Vorarbeit zu de Iustificatione zu sein
schien. Das gilt von Bl. 1 –15. Was darauf folgt, bezeichnet die Überschrift
mit ‘aliis obiter additis’. Nur ist noch auf Bl. 22b –23a ein Stück versprengt,
das zu unserer Schrift gehört. Wie die Ausdrücke Rhapsodia und Concepta, vor
allem aber die Form der Niederschrift zeigen, haben wir nicht ein Diktat
Luthers, sondern die Abschrift von Zetteln und Büchereintragungen Luthers vor
uns. Und das legt uns nahe, zu fragen: Hat Veit Dietrich auch alles, was von
Vorarbeiten zu de Iustificatione vorhanden war, in dieser Handschrift
zusammengebracht? Wir behaupten: hier in cod. Solg. 38 hat Dietrich nur aus
losen Zetteln abgeschrieben; er selbst und andere haben aber uns noch Stücke zu
derselben Schrift, aus Bucheintragungen Luthers stammend, überliefert.
Daß Luther auf Vorstoßblätter und leere
Buchseiten sich Notizen und Entwürfe machte, steht fest. In seinem Handpsalter
(Stadtbibl. Breslau), der an die Familie Kunheim kam, finden sich Notizen zur
“Vermahnung an die Geistlichen” (s. oben S. 326) und Vorarbeiten zur Auslegung
des 111. Psalms (erschien 1530). Hier steht auf der Rückseite des Titelblattes
von “Psalterium Translationis veteris Correctum, Vuittembergae, 1529” ein Stück
über ‘Ecce agnus Dei’, welches im cod. Solg. Bl. 8 erweitert zu lesen ist.
Offenbar ist im Psalter der erste Entwurf, in der Rhapsodia die Erweiterung.
Rörer hat den Eintrag auch gekannt und in seine Sammlung Lutherscher
Buchinschriften aufgenommen (Erl. Ausg. 52, 348 fg.). Ein weiteres Stück am
selben Orte enthält den geplanten Schluß de iustificatione.
Am deutlichsten wird der Zusammenhang
zwischen Luthers Bucheintragungen und den Abschriften seiner Hausfreunde, wenn
wir auf das Handexemplar des N. Testaments von 1530 sehen, aus dem Veit
Dietrich in seine Handschrift der colloquia (Stadtbibliothek Nürnberg Ms. cent.
V append. 75) die Glossen übernahm. Eine zweite Abschrift des Ganzen beglaubigte
Paul Luther, und Richter gab sie 1731 als “Licht im Licht” heraus. Des weiteren
übertrug ein Unbekannter diese Notizen aus Luthers Original in ein N. Testament
1533 und ein Stück ging in ein N. Testament als Luthers eigene Hand (de
Wette-Seidemann 6, 432). Wir werden in der Besprechung der Nachbesserungen
Luthers an der deutschen Bibel darauf hinweisen, daß Luther diese Glossen zum
N. Testament 1530 zunächst unternahm, um den Schriftbeweis für den locus de
iustificatione umfassend
[Seite 654]
zu führen. Er versah die Stellen, wo
von der Rechtfertigung ohne die guten Werke die Rede ist, mit einem Nachweis
wie fide (verbo) sine operibus oder dergl. Über die Hälfte der Glossen haben
diesen Jnhalt, in der Apostelgeschichte fast alle. Zu diesem Buche machte er
eine Einleitung, die als Zweck der Schrift es hinstellt: probandum
iustificationem contingere sine operibus et sola fide. Am Anfang und Schlusse
des N. Testaments waren größere Ausführungen angebracht, die in die Rhapsodia
des cod. Solg. sich durchaus einreihen lassen (s. unten) und die wir darum auch
hier mit abdrucken.
Nun hat Veit Dietrich in der
Handschrift seiner colloquia noch einige Stücke, allerdings am Anfang einer
neuen Bogenlage, aber mit der Bezeichnung ἐνθυμηματια,
die er im Unterschiede von colloquia
(διαλογισμοι [!]), d. h.
den Reden Luthers seiner Abschrift von Zetteln Luthers auch sonst gibt.1 Diese
zwei Bruchstücke Omnis lex (Bl. 234) und Fides miraculorum (Bl. 236) glauben
wir unserer Schrift zurechnen zu dürfen.
Dann aber auch jenes Stück auf Bl. 33
derselben Tischredenhandschrift, das auch in einer mit ἐνθυμηματια
bezeichneten Lage steht. Es behandelt das Argumentum contra iustitiam operum.
Der Abschnitt paßt zu der Rhapsodia. Cordatus (Wrampelmeyer 1834, aber auch
Bos. q. 24f) haben ihn inhaltlich wiedergegeben, aber stark verkürzt. Luther
selbst hat diesen Zettel später benützt.
In einer lateinischen Bibel zu
Stockholm finden sich Summarien von Predigten Luthers aus 1530 (s. Unsre Ausg.
Bd. 342, 557). Hier steht auf der Rückseite des vorletzten Blattes ein Eintrag,
der eine Zusammenfassung von Stellen der Rhapsodia oder wahrscheinlicher der
erste Leitgedanke zu denselben ist.
Aus den entlegensten Winkeln haben wir
somit Bruchstücke zur Ergänzung von Dietrichs Rhapsodia herbeigeholt. Daß wir
es mit Recht taten, zeigt die Beobachtung: Luther hat seine Notizen zu de
iustificatione für andere Schriften benützt! Er fand eben nicht mehr die Zeit,
die ganze weitschichtige Frage in einer besonderen Abhandlung zu erledigen.
So sorgte er dafür, daß der in seinem
Handexemplar des N. Testaments 1530 für de iustificatione vermerkte
Schriftbeweis als neue Glossen2 in die Bibel übernommen wurde; in der
Apostelgeschichte erscheinen so lateinische Glossen! Das hätte Luther selbst
bei einem Volksbuche wohl nicht getan, es ist eben der Korrektor nur im
allgemeinen beauftragt worden und hat den Auftrag ungeschickt ausgeführt.
In die Auslegung des 117. Psalms von
1530 sind mehrere Gedanken aus der Rhapsodia verarbeitet, in dem Abschnitt
“Offenbarung” eine ganze Zusammenstellung wörtlich wiedergegeben (Erl. Ausg.
40, 306 –7).
In die “Warnung an seine lieben
Deutschen” nahm Luther eine Reihe von Zusammenstellungen auf über die Marialia,
Stellaria, Rosaria (Erl. Ausg. 2 25, 39), die Wallfahrten (S. 44), den
Katechismusglauben (S. 46), die wie eine Entnahme aus de iustificatione
aussehen.
In den Predigten über Matth. 5 –7 hat
Luther bei der Herausgabe als Schlußwort (Unsre Ausg. Bd. 32, 535) sein
Argumentum contra iustitiam operum über die ‘nachfolgenden’ Werke ausführlich
wiederholt.
[Seite 655]
In den Wochenpredigten über Joh. 6 –8
hat er den Schriftbeweis der Gegner für die guten Werke immerwährend glossiert:
Unsre Ausg. Bd. 33, 20 (über Dan. 4, 24); 21, 12 (über Luk. 6, 37); 23, 2; 69,
32; 86, 18 –87, 40; 161, 12 usw.
Es sind auch die Gedanken de
iustificatione, welche Luther veranlassen, in seinen Vorlesungen sich wieder
dem Galaterbrief zuzuwenden (1531). Wer das Kollegheft Rörers mit diesem
Galater-Kommentar vergleicht, sieht, daß im Drucke Abschnitte eingeschoben
sind. Einige dieser Zusätze muten uns an, als stammten sie aus den Entwürfen zu
de iustificatione. Man sehe Erl. Ausg. I, 183; 376; 379 (vocabula theologica et
moralia); III, 6. So ist denn auch hier das argumentum der Apostelgeschichte
noch ausführlicher als in der Rhapsodia angegeben.
Veit Dietrich hat die meisten Entwürfe
als zu einer Schrift de iustificatione gehörig erkannt und gesammelt. Er hatte
es auch leicht, da er in jener Zeit in Luthers unmittelbarer Nähe weilte.
Vollständig hat aber auch er nicht das ihm erreichbare Gut als solches erkannt.
Einen Zettel bringt er nachträglich, versprengt in die Abhandlung de potestate
leges ferendi in ecclesia.1 Andere Stücke trug er in die Handschrift seiner
Colloquia ein. Er schrieb (ebendahin) die Glossen Luthers zum N. Testament
1530, ohne zu beachten, daß die drei größeren Abschnitte nicht Glossen zur
heiligen Schrift, sondern Meditationen zu de iustificatione seien. An den
Eintragungen Luthers in den sogenannten Psalter Kunheims ist er ganz
vorbeigegangen.2 So werden wir urteilen müssen: im cod. Solgeri 38 steht nur,
was Dietrich aus losen Zetteln auf Luthers Tische fand. Und dies umfaßte nicht
alle Entwürfe. Die Bucheintragungen hat er nicht mit dieser Schrift in
Verbindung gebracht, als er sie später anderswohin abschrieb.
In die Tischreden sind dann Stücke
übergegangen. Wir können von den meisten sagen: über den Weg der Dietrichschen
Colloquia. Der Hauptabschnitt Adam ante opera aus dem N. Testament 1530 steht
Colloq. Bl. 234a und ist zu verfolgen bis in Aurifabers deutsche Tischreden
hinein (Förstemann 2, S. 192 und verkürzt ebd. S. 179). Aus dem Psalter
Kunheims sind übertragen: 1. Das Stück über Joh. 1, 29 in Rörers Sammlung der
Bucheintragungen Luthers (Erl. Ausg. 52, 349) in einer so erweiterten Form, daß
man glauben könnte, sie rühre von Luther selbst her. 2. Das Ende des Traktats
de iustificatione schrieb Cordatus ab. Es steht in der auf ihn
zurückzuführenden Sammlung zweimal, erstlich Nr. 1454 (ed. Wrampelmeyer) hinter
einem Stück aus derselben Quelle, zweitens Nr. 1621. Auf anderm Umwege kam es
in die lateinischen Tischreden (Bindseil I, 177). Das Stück von der
Vermessenheit des Glaubens kam aus Veit Dietrichs Kolloquien in Aurifabers
Sammlung (Förstemann 2, S. 187).
Wir haben für den Abdruck eine Ordnung
der Trümmer aller Entwürfe zu geben versucht. Es hält schwer, sich ein Bild von
dem Plane und Gedankengang Luthers zu machen. Manches hat er gleich
ausführlicher niedergeschrieben, anderes, auch wichtiges, nur eben angedeutet.
Wir müssen uns hüten, eine moderne systematische Ordnung in die Bruchstücke
hineinzutragen. Es wird das sicherste und
[Seite 656]
jedenfalls das bequemste sein, für den
Abdruck die Rhapsodia des cod. Solgeri zugrunde zu legen und die andern
Entwürfe teils einzuschalten, teils nachzubringen. Doch geben wir nachstehend
eine Übersicht, die Luthers Gedanken und Absichten klarzustellen sucht.
1. De vendendis operibus (die ersten 48
Zeilen). So wird der Abschnitt später Bl. 6b von Luther selbst bezeichnet.
Gedanke: Opera vendiderunt, nihil de fide docuerunt.
2. Fides ante opera, wir bleiben servi
inutiles, Frömmigkeit ist kein habitus, der durch Übung von guten Werken käme,
wie etwa Einer durch häufiges Spiel ein Zitherspieler wird. Erweitert auf einem
andern Blatte zu den Gedanken: Fides ante opera, opera sind nicht zu trennen
von fides, also iustificamur sine, ante, absque operibus, auch nicht propter
opera ex fide sequentia.
3 –10. Widerlegung des Schriftbeweises
der Gegner.1
3. Allgemeine Grundsätze: a) Wo
Werkgerechtigkeit empfohlen zu sein scheint, setze man nach Hebr. 11 immer
hinzu: fide, b) solche Werke wie Almosen geben, ein Unrecht verzeihen, sind
Dinge, die wir leisten können; aber Sünden vergeben, Leben mitteilen, kann nur
Christus allein schaffen, nicht unsere Werke.
4. Die Strafe ist keine satisfactio pro
peccatis, man sehe 2. Sam. 12, 13 nur recht an; die Pharisäer geben Almosen und
werden nicht rein; alles weist auf fides hin.
5. Der Leute zu Ninive erbarmt sich
Gott nicht wegen der Werke, sondern weil sie Buße taten. So wesentlich auch
Dan. 4, 24 und Sir. 3, 33.
6. (Einschub) Das sola fide lernen
schon die Kinder im Katechismus.
7. Die Gegner sagen: auch wir lehren
fidem ante opera esse priorem. Antwort: warum verfolgen sie uns dann? Aber die
Sache stimmt auch nicht.
8. Jak. 2, 26 wird richtiggestellt
durch:
9. Vergleichung von promissio und lex
mit fides und opera (eine spätere Ausführung lenkt dann auf anderes um).
10. Zusammenfassung der Ablehnung des
gegnerischen Schriftbeweises.
11. Widerlegung des Einwands: wegen des
opus fidei wird munditia, remissio, extinctio peccatorum zuteil.
12. Luthers Schriftbeweis aus Joh. 1,
29.
13. Die Gebote, welche eine Verheißung
haben, verheißen nur irdische Güter.
14. Ein Werk, zu dem Lohnsucht das
Motiv ist, hat keinen Wert für die iustificatio.
15. Vielleicht gehöre in diese
Betrachtung auch das ‘munda’ Luk. 11, 41 = euer Erwerb wird ‘rein’ sein.
16. Zusammenfassung des bisher
Gesagten.
17. Letzter Einwand der Gegner aus
Matth. 25, 34.
18. Jst Christus nötig, uns die gratia
zu verdienen, durch welche wir das ewige Leben verdienen? Gegengründe Luthers.
19. Die Lehre von der Buße bei den
Papisten und bei Luther.
20. Die iustificatio ist bei den
Papisten nicht gelehrt worden;
[Seite 657]
21. dafür viel von Brigittengebet,
Rosenkranz usw.
22. Aus den Meinungen und frommen
Jrrtümern der Väter haben sie Glaubenssätze gemacht und verfolgen die, welche
solches nicht halten.
23. Luthers Gewißheit und Selbstzeugnis.
24. Die Welt versteht überhaupt nicht,
was Glaube, Liebe, Kreuz sei.
25. Anhangsweise: Die Welt versteht
auch nicht: liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
26. Argumentum contra iusticiam operum.
27. Fides und caritas; fides ohne
caritas. Wir gestalten hiernach den Abdruck.
Rhapsodia seu Concepta in Librum de loco Iustificationis
1530.
1530
[Seite 657]
[Bl. 1b] Papa dat coniugium religiosis
propter pecuniam1 et graciam, ergo et
Euangelion, quod est Papae Dominus sicut et
Christus.
Docuerunt:
1. Opera ire ad iudicem placandum,
Nihil de fide,
2. Fures morte sua satisfacere pro
peccatis2,
3. Opera sua vendiderunt et donauerunt.
Quod nec christus quidem pro nobis
fecit. Sed personam suam totam pro nobis dedit. Illi opera sine persona, alteri personae sine
opere existente. Cum unusquisque
secundum proprium laborem recepturus sit. De hoc extant exempla
Fraternitatum quod negari non potest.
Literarum quod negari non potest.
Vigiliarum quod negari non potest.
Missarum quod negari non potest.
Coram mundo valet ista translatio et
satisfactio. Sed coram Deo unusquisque
pro se rationem reddet et recipiet, prout gessit.
[Seite 658]
4. Orationes Brigittae, Numerus pater
noster, Rosenkrantz, Corona b.
Virginis, Psalterion B. virg.
canonicae
horae crucis, et infinitae orationes
minio titulatae et promissionibus.
B. virg⌊inis
Quibus omnibus nihil orabant, sed
recitatis ore, et velut opere quodam
facto praesumebant placare Deum pro peccatis fiducia propriae iusticiae.
[Bl. 2] Unde et Gerson solam materiam
orationis esse de praecepto Ecclesiae
dicit. Et Hugo singulas syllabas persolvendum, et decreta dicunt eos legere horas debere.
{operibus propriis
{sanctorum meritis
{Participatione aliorum,
5. Christum iudicem placandum et {ut
non mediatorem, sic a Christo ad
{Sacerdotum, monachorum,
Sanctos, seipsos et alios fugerunt.1
{monialium pauperum,
6. Baptismum irritum fecerunt, quod non
per ipsum salus et remissio, sed per
opera, quia fecerunt secundam tabulam fide amissa,
7. Eucharistiae fructum tulerunt, quod
opus ex eius usu fecerunt, et
obedienciam ecclesiae, caelantes verbum,
8. Indulgencias pro satisfactione
contra christi fidem vendiderunt,
Sacrificium
9. Missas
Opus,
10. Virginitatem supra fidem.
[Luk. 17, 10] Christus omnibus factis
iubet fateri servos inutiles: ergo non meritos
graciam aut salutem.
Philosophiam miscuerunt Theologiae
assumpto isto principio morali: saepe
iusta faciendo efficimur iusti, Saepe cytharisando &c.. Et hoc est
verum in civili, Caesaris regno:
Iusticia habitus, paratur ex actibus. Sed in regno Christi contra: Actus ex habitibus, Quia
fides sine operibus ante opera paratur,
parata autem fide parantur opera per ipsam. Ergo [Tabelle: ] [Tabelle: ]
Adam ante opera et sacrificia
promissionem seminis accepit, ut stet
veritas: Fide sine operibus iusticiam et remissionem peccatorum
obtineri coram Deo ex gratia mera.
[ 30 &c.. fehlt 37/659, 37 aus N.T.
1530 39 et gratia Richter]
[Seite 659]
[Hebr. 11, 4] Hinc recte Paulus Ebr.
11. fidem Abel in sacrificio eius laudat. Imo
et in omnibus factis et gestis Sanctorum fidem ibidem commendat a
Deo spectatam ante opera, imo per fidem
et ex fide opera sequuta esse.
Proinde non est admittenda separatio
Iustitiae Fidei et operum, quasi sint
duae diversae Iusticiae more Sophistarum. Sed est una Iusticia simplex fidei et operum, Sicut Deus et homo una
persona, et anima et corpus unus homo.
Si enim separes, mox periit fides et opera remanent: hypocrisis dupliciter impia. Si enim opera sunt, ex fide
sunt et fiunt. Si fides est, [Joh. 15,
4] ipsa prodit et operatur. Ioan. 15. ‘Palmes in vite manens fructificat’. Unde Sanctorum opera bona sunt peccata, si in
seipsis spectentur separatim, sicut fit,
dum in illis fiditur. Ne ergo in illis fidatur, utile est ea damnari et peccata fieri, sicut oportet, Ubi
separantur tanquam via Iusticiae seorsim
a fide. Cum autem fides natura sit ante opera, recte dicimus sola fide
nos iustificari, Quia ut credamus, non
fit per opera, cum nondum sint aut fiant
sed per verbum, quod promittit gratiam et credentes declarat esse gratos
et salvos remissaque esse peccata. Tum
per ipsam fidem fit, ut operemur, et ita
fides ceu crassescit opere et fit fere palpabilis, quemadmodum Divinitas sola Christum et Dominum facit, sed tamen
assumpta carne crassescit et fit [1.
Joh. 1, 1] palpabilis, sicut 1. Ioh. 1. dicitur ‘Verbum, quod palpavimus et
quod habitavit in nobis’. Mox ubi
separaveris, nullus est alius usquam Deus, et caro erit bis perniciosa &c..
Si enim iustificaremur propter opera ex
fide sequentia, iam non iustificaremur
ex ipsa fide nec propter Christum sed propter nos ipsos, qui post fidem operamur, quod est Christum
negare. Non enim Christus apprehenditur
operibus sed fide cordis. Ergo necesse est sola fide nos iustificari sine, ante, absque operibus:
opera vero ipsa propter fidem probari,
iusta censeri et placere. Quam falsum igitur est iustos propter opera
futura praedestinari, tam falsum est
propter opera fidei futura iustificari. Sed sicut praedestinationis gratia postea efficit opera
ipsa sola sine operibus eligens et
vocans iustificandum et operaturum, ita fides efficit opera ipsa sine
operibus iustificans et peccata delens
ante opera.
Non siquidem fides propter opera sed
opera propter fidem fiunt. Nec fides
expectat opera, ut iustificet per ea, sed opera expectant fidem, ut iustificentur per eam, Ut fides sit activa
iusticia operum et opera sint passiva
iustitia fidei. Alioquin opera essent causa Iusticiae, ut sine qua
effectus iustitiae non subsisteret etiam
stante fide, Velut causa sine effectu Iusticiae
plane non causa &c..
[ 7 hypocritis Richter 8 impiae Richter
12 via war unlesbar für Buddeus 18 crassatur Buddeus 21 &c.. fehlt Buddeus
30 operibus] fide Buddeus 32 siquidem] quidem Buddeus 34 iustificetur Buddeus]
[Seite 660]
Testis horum omnium est vox illa, qua
in principio omnes clamabant, nos
prohibere bona opera et illa, quae pro mortuis publice orabant d⌊icentes: Got wolt
ansehen die gute werck, so yhn nachgeschehen.1
Ad omnia dicta Scripturae, quibus
videtur Iusticia operum statui,
respondebis ex Ebr. 11. hac voce: ‘Fide’.
[Luk. 11, 41] Ut ‘date Eleemosynam et
omnia munda vobis’, Responsio: fide date.
Sic enim ibidem omnium Sanctorum operibus praeponit: Fide. Et
rationem reddit: ‘quia sine fide
impossibile est placere Deo’.
Habita igitur fide in omni opere habes
simul iusticiam sine operibus, eciam in
operibus ipsis. Quia necesse est fidem ante opera esse. At fides iustificat, imo est iusticia. Et sic tum fide
iustus facit opera fidei.
‘Dare elemosinam liberat a peccato’,
Item ‘Remittite et remittetur vobis’ et
similes sententiae, quibus adversarii probant iustitiam ex operibus et non ex fide esse, Nihil faciunt ad tale
propositum. Ratio diversitatis est, Quia
tale aliquod opus: largiri elemosinam et condonare noxam et si quae sunt similia, sunt talia opera, quae ipsi
possumus praestare, Dare autem vitam
aeternam, item condonare peccatum non sunt opera, quae nos possumus praestare sed fiunt per solum Christum,
quandoquidem is per incarnationem,
passionem et resurrectionem suam liberavit nos a peccato, diabolo et sathana, Item reconciliavit nobis patrem. Ergo non est
verum, quod adversarii per huius modi
sententias velint probare iustitiam non ex fide sed operibus esse &c..
Si dixerint:
[Matth. 25, 34] Math. 25. ‘Venite
benedicti Accipite regnum’, quia foecistis hec etc., Respondetur: Non sequitur: ergo opera
iustificant. Dicit enim: dedistis mihi,
fide ergo dederunt.
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
Si dixeris:
Opus bonum per graciam Dei factum,
licet pro fiducia haberi, quia ibi
graciam colo, Respondetur, quod non licet, sed in solum Christum
fidere oportet. Alioqui liceret et in
Idolum et scortum, panem, vinum fidere, quia
sunt bonitate dei quod sunt, et bonitas eius in his colitur. Deinde
eciam si liceret per se, tamen verbum
Dei prohibet, Gracia Dei non vult coli in
re a nobis electa, sed in re verbo Dei proposita.
[ 4/11 aus N. T. 1530 12/22 aus
Stockholmer Hs., s. Einleitung.]
[Seite 661]
[Bl. 3] Si dixerit:
David punitus pro peccato suo
satisfecit, et multi alii, ut filii Jsrael in
deserto, Respondetur:
Puniti sunt, sed per hoc non
satisfecerunt pro peccato, Quia ante [2.
Sam. 12, 13] poenam dixit Nathan ad David: ‘Transtulit Dominus peccatum’, Et
in [4. Mose 14, 20] deserto ante plagam
populi dicit Moses: ‘et placatus est Dominus’ etc. In terrorem puniuntur et in correctionem, seu
satisfactionem coram hominibus, Sicut pater
corripit filium, Sed paterno animo, qui ante virgam filio donavit culpam, quia non eiicit eum, nec virga
restituit in hereditatem.
[Luk. 11, 41] ‘Date eleemosinam et
omnia munda vobis.’ Pharisaei dant Math VI,
[Matth. 6, 1] et tamen non mundantur.
Ergo ‘date’ non significat opera, sed
corde puro et recto dare, vel [Apg. 15,
9] opera facere, quod est Lutheranum, Sed unde cor purum? Ex fide, Act. XV.1
Ergo pessime hunc locum contra fidem
pro operibus in pulpitis clamant et
Lutherum damnant.
Cum ergo dari non possit eleemosina,
nisi prius sit cor fidens et purum,
Clarum est, cor purum non ex opere fieri. Ergo sine opere fit purum, per fidem.
Puritas autem cordis est iusticia coram
Deo, quia ille respicit cor, Patet quod
iustificamur absque operibus sola fide.
Iusticia vero coram hominibus sunt
opera, quae eciam Deus exigit, Sed non
ut iustificent.
Haec ex Donato, qui dicit, Date est
secundae personae verbum, ergo requirit
personam totam, non opus solum.2 Persona autem est homo maxime secundum cor et animum. Nam secundum corpus
nihil boni est in ipso hac [Röm. 7, 8]
vita Ro: 7. Ideo Deus hominem iustum reputat propter fidem cordis, et [Röm. 6, 11] tolerat corpus et peccatum eius
usque in illam diem, Ro: 6. Propter peccatum
est mortuum (scil. coram Deo). Spiritus autem vivit propter
iusticiam (i. e. coram Deo) Sic omnis
sanctus peccator est corpore et peccat in omni
[Röm. 7, 25] opere bono, Ro: 7. ‘Mente servio legi Dei, carne autem legi
Peccati.’
[Bl. 4] [Jon. 3, 10] De Ninivitis Ionae
obiicitur, Quod Deus respexit opera
eorum, Respondetur:
Hoc est omnium impiorum proprium, ut in
Scripturis legendis unum aliquem locum
excerpant et torqueant in suum sensum, nihil prorsus spectando
praecedencia, sequencia, causas, circumstancias,
et ita se ipsos excaecant et palam
irrident. Id quod hic vide in isto loco.
[Seite 662]
Textus clare indicat, Quod Ionas eis
praedicaverit peccatum. Hoc est primum.
Hic ergo ante omnia audiunt legem et agnoscunt peccatum suum, antequam quicquam operentur. Deinde rex
mandat praedicare poenitenciam [Jon. 3,
9] Et addit ‘Quis scit, Si convertatur, et ignoscat, et non peccamus’? Haec sunt verba fidei. Hic aperte praedicatur
poenitencia et remissio peccatorum,
eciam antequam operentur quicquam. Quis enim de ignoscencia speranda potest praedicare, qui non prius
noverit et crediderit, Esse remissionem
peccatorum? Ergo timorem Dei et fidem hic graciae vides ante omnia opera eorum. Et ex ea fide sequuntur
opera poenitenciae. Sed fide presente
iam iusti sunt ante opera. Quae respicit Deus, ut fructus verae fidei, Sicut ipse textus exponit, dicens,
Quod conversi essent a via sua mala,
Ecce toti mutati sunt, non solum operati. Et quid multa? Sophistae
caeci [Jon. 3, 5] non vident testimonium
in textu. ‘Et crediderunt (inquit) viri Ninivitae Domino’ Scil. ante omnia opera eorum.
Sic Daniel V. obiicitur [Dan. 4, 24] ‘Redime peccata tua Eleemosina’
etc., Respondetur:
Iterum vide caecitatem sophistarum.
Daniel praedicat regi de peccatis eius
(licet ei non credat), Ergo ante omnia legem et timorem Dei audit,
rex. Similiter et Evang. dicens: si
forte ignoscat etc. Et sic vere de spe remissionis peccatorum instruit. At haec sunt fidei scil.
concipere spem remissionis peccatorum
quam necesse et praecedere omnia opera poenitenciae. Quis enim poeniteat, nisi credat prius remitti
posse peccata? Sed non per opera. Ergo
‘redime’ verbum consilii est et pareneticum, quod fidem praesupponit, remitti posse peccata et docet fructum huius
fidei, scil. opera quae testentur et
confiteantur hanc fidem esse veram. Requirit Deus fidem foris confiteri, hoc fit operibus. Ut Ahab in Cilicio sedens
confitetur credere sese hoc ipso opere
humilitatis [Bl. 5] minanti et promittenti.
Quamquam et hic textus in Ebraeo habet
‘Redime peccata tua Zedaca’ i. e.
misericordia, quam scriptura vocat iusticiam Graciae datam divina
misericordia [Jes. 23, 18] ceu divinam
eleemosinam peccatori ut Ies. 23. Hic accipiet benedictionem a domino, Et misericordiam, i. e. Zedaca, a
Deo salutari suo, ut sit sensus: redime
per fidei graciam seu iusticiam etc. Quamvis nihil curem, si eciam clare diceret ‘Redime peccata tua
eleemosina erga pauperes’, sicut altera
parte dicit ‘et iniquitates tuas misericordiis pauperum’, Quia fide ista [Hebr. 11, 6] fieri oportet, Ebre. XI, et
exiguntur ut fidei fructus.
[zu 18 Imo totum caput agit de Deo
regna largiente et auferente et promittit regem restitui post notitiam i. e.
fidem Dei largientem regna, et clarissimo textu de fide loquitur, Dei autem
opera ista in kleinerer Schrift r]
[Seite 663]
Testatur autem locus Danielis, Quod rex
ei non crediderit, Et sic in fidem
pocius peccarit. Si enim credidisset, fecisset secundum consilium Danielis, et non fuisset ita punitus. Ergo
fides et incredulitas hic clare
cernuntur opera praecedere. Si praecedunt, ergo fides ante opera
iustificat. Incredulitas ante opera
damnat. Et opera fidei signa sunt et fructus iusticiae. Sic opera incredulitatis signa et fructus
iniusticiae sunt. Et ea opera humilitatis
sunt velut poenae, quibus foris peccatum punitur ad exemplum
aliorum. Nulla vero poena iustificat aut
satisfacit pro peccatis sed terret tantum
alios et arcet.
Illud Ecclesiastici [Sir. 3, 33] ‘Sicut ignem extinguit aqua, sic
eleemosina’ Respondetur:
In fide data. Nam et hic peccati
memoria fit, ergo lex ante omnia praedicatur.
Et primum praeceptum de Deo, timendo et credendo. Extinguit [2. Petri 1, 10] Igitur i. e. ostendit et
certam facit fidem, et remissionem etc. Sicut Petrus ait: ‘Certam facientes vocationem vestram per
opera bona’. Is enim est finis operum
bonorum, erga nos, scil. nos certificare, Deum glorificare, proximum aedificare, id quod illa vox ‘Extinguit’ indicat
quasi nos non amplius urat et mordeat.
Finis gratia cuius bonorum operum
1. Deum glorificare Math. V
2. Proximum aedificare
3. Seipsum certificare 2. Pet. 1.
Summa Summarum,
Pueri et infantes confirmant suo
catechismo solam fidem absque operibus
iustificare.
Primum
In Symbolo dicunt ‘Credo remissionem
pec[Bl. 6]catorum’. At quod fide
creditur, dono accipitur ex promissione, Ergo non operibus paratur, Si
quidem promissio non ex operibus, sed ex
gracia venit et semper ante legem data
est, ut probant omnia exempla post lapsum Adae. Et Gal. 3: Deus Abrahae per promissionem donavit. Sicut ergo
donum Dei, non est opus aut meritum
nostrum. Sic fides accipiens donum accipit id absque operibus et meritis.
Secundum
In decalogo dicunt: Primum praeceptum
est ‘Ego sum Dominus Deus tuus, non
erunt tibi Dii alieni, coram me’. At primum praeceptum est promissio, quod velit esse Deus. Et fidem
exigit ante omnia opera, quae
sequentibus praeceptis exiguntur. At fide secundum primum praeceptum
[Seite 664]
habita filii Dei sumus, Remissis iam peccatis,
ipsa fide iusti. Prohibetur deinde, ne
aliis Diis hanc fidem exhibeamus.
Tercium
In oratione dominica dicunt in
principio ‘pater noster qui es in coelis’.
Ergo iam filii sunt et iusti antequam operentur quicquam. Fidei enim
vox est ante opera, cum dicunt: Pater
noster. Deinde sequuntur opera, sanctificent
nomen eius, promoveant regnum eius, voluntatem eius faciant.
Sicut ergo primum praeceptum Primum est
et solum ante omnia et sine aliis, (Nec
enim ab aliis habet, ut sit primum), Alia pocius post ipsum, Ita fides est prior et sine operibus efficit
quae fidei sunt, Id est, iustificat,
placat, glorificat Deum, pacat, quietat, letificat conscienciam,
liberatam a peccatis, et tandem operatur,
docet et patitur.
Si dixerint, et nos concedimus fidem
ante opera esse priorem, Quid novi
affers,
Respondetur:
Cur ergo nos persequimini et occiditis?
Deinde Iustificationem fidei soli non
tribuitis, sed operibus, Quia fidem sine operibus non sinitis iustificare, Sed iustificationem fidei tribuitis propter
opera. Ergo operibus magis quam fidei,
Quia fides, si operetur, tum iustificat. Ergo
Quanquam non hoc eciam faciatis, sed
simpliciter operibus gloriam tribuitis
super fidem utpote in vendendis operibus et in sexterno B et C.
[Jak. 2, 26] Quid igitur Iacobus dicit:
‘fides sine operibus mortua est’?
Respondetur:
[Bl. 7a] Iacobus versatur in loco
Morali1, non in Theologico, sicut fere totus
est moralis. Moraliter loquendo verum est fidem sine operibus esse
mortuam i. e. si non operetur fides, aut
si fidem non sequantur opera foris. Hoc
enim modo fides non potest esse sine operibus, i. e. non potest non
operari, aut nulla est fides ibi.
Sed nos hic in loco Theologico sumus,
ubi de iustificatione coram Deo
loquimur. Hic dicimus fidem solam pro iusticia reputari coram Deo, sine operibus et meritis, Quia Deus merita
nostra non curat, sed fidei donat per
promissiones suas.
Sicut promissio est ante et sine
praeceptis seu lege, Et tamen promissio
implet et facit praecepta seu legem, Sed non econtra praecepta et lex
non implent, aut faciunt promissionem,
Sic eciam fides et opera secernenda
sunt, quia fides est promissionum, non praeceptorum. Opera sunt
praeceptorum
[ 21 utpote] utp [verschrieben für uts
= utsupra?] 35/665, 1 Sic eciam — promissionum unterstrichen]
[Seite 665]
et non promissionum, utraque tantum ab invicem
distancia, quantum coelum a terra. Ideo
in ista causa non sunt miscenda, sicut in moralibus.
Nemo enim potest negare, cum aliud sit
promissio, aliud lex, et alterum sine
altero esse, et efficere quod sui officii est. Cum ergo fides sit promissionis, et opera sint legis, clarum
est, fidem et opera esse distincta et
separatim alterum ab altero suum officium facere, fidem iustificare,
opera implere legem, Coniunguntur autem
ambo, et sic reddunt hominem perfectum
intus et foris, coram Deo et hominibus.
Scriptura in duo partitur Promissiones fidem solam requirunt haec
Leges opera ex fide
exigunt.
Quia lex sine promissione non potest
esse nec intelligi, sed necessario praesupponit
eam, Alioqui quomodo scires, legis servatores bene et transgressores male facere, Illos puniendos, hos honorandos
esse? At promissio sine lege est et esse
potest.
[Bl. 23a] Ostendant unum exemplum in
tota scriptura, ubi aliquis sit conversus
ad Deum per opera aut per fidem cum operibus. In Actis Apostolorum omnia exempla docent gentes et Iudeos per
verbum sola fide, sine lege, sine
operibus conversos esse et graciam spiritus accepisse.1
Et quomodo nos conversi sumus? Quomodo
adhuc convertuntur pueri et omnes, qui
Baptisantur? Nonne sic dicitur eis: credis? Credo, inquit, et nihil de operibus queritur.
Quanti se occiderunt, insani facti sunt
etc., qui operibus studuerunt
iustificari.
[26, 27] Stulti sumus sicut anseres qui
volant/currunt si vultur/lupus adest.
1. Hominibus credimus sine operibus,
fidentes eorum bonitate, eciamsi ipsi
simus mali.
Deo autem operamur, imo diabolo,
eciamsi ipse sit pessimus et implacabilis.
Et Deus summe bonus et clemens.
Et breviter
In illis ‘date, et omnia munda’, Et
‘Redime peccata’, ‘Eleemosina extinguit peccatum’ Et similibus manifesta est promissio
remissionis peccatorum, scilicet
Mundiciam peccatorum posse haberi et
Redemptionem peccatorum posse haberi et
Extinctionem peccatorum posse haberi et
[ 9/31 aus derselben Hs. Bl. 22b 23a]
[Seite 666]
obtineri. At haec promissio non
operibus, sed fide obtinetur ante omnia
[Röm. 10, 10] opera. At fide ante opera cor iustificatur Ro: X. Et sic
in omnibus talibus dictis fides praesupponitur
sine operibus in corde et ante opera.
At dices:
Sed propter opus fidei tribuitur ista
mundicia et redemptio, Quia dicit: Si
hoc [Bl. 8] feceris, fiet hoc etc., Respondetur: Hoc est impossibile, Quia fides necessario
prior est opere, Et non fides ex opere
fit, Sed opus ex fide. Alioqui fides non iustificaret, nisi propter opus. Ergo opus magis quam fides iustificaret. Et
tunc promissio non esset promissio. Et
gracia non esset gracia. Sed opus esset plus quam fides et promissio graciae. Et fieret Deus vere negociator, qui
graciam et peccatorum remissionem pro
operibus venderet et non donaret gratuita promissione.
‘Ecce Agnus Dei, Ecce qui tollit
peccata mundi.’
Quid ‘Agnus Dei’? non Monachus operator
aut Missator; Quid ‘tollere’? Non est
iudicare, damnare, exigere; Quid
‘peccata’? non est merita concedere, sed
reos iudicare! Quid ‘mundi’? Non et ego
et omnes hoc sumus? Certe non sum baptisatus in nomine meo, nec credo in opera mea, sed
nec tollo peccata mea. Baptisatus sum in
nomine Christi. Credo in Christum.
Tollit peccata mea Christus. Cur ergo
docent quod Monachatus, opera nostra,
Missae tollant peccata?
Nonne hoc est sacrilegum et
abominabile, Agni officium rapere? Idem
ac si dicant: Ego pro me ipso
crucifigor, opera mea pro me crucifixa
sunt Ego et opera mea tollamus peccata
mea.
Cum lacius insani blasphemant
Christianis, quibus tollit agnus
peccata, ipsi tollunt eadem per sua
vendita opera. Unde alioqui essent tot monasteria, templa, altaria, Missae, nisi per haec quaererent tollere peccata mundi? O
horrendas abominationes! Inter eos
quotidie tocies legi et cantari Agnus
Dei, et tamen summo furore excaecatos, non solum non intelligere, sed omnibus portentis
abominationum idem vastare.
Io. 3. ‘Ecce agnus Dei, Ecce qui tollit peccata mundi.’ Nota: Non sum baptisatus in nomine meo nec in opera mea nec in ullius nomen nisi Christi. Cur ergo fido in opera mea et aliorum hominum, Monachorum etc. etnego ita Christum, nomen eius, baptisma eius d⌊icens ‘ego sum
Christus’ et curro cum furibus
illius gloriae et officii Agni dei? Sic ego non sum pro me ipso crucifixus, Nec Monachi nec sancti pro me crucifixi. Quin ergo deserto Christo pro me crucifixo illis magis fido quam huic? O idololatria inaudita non apud Turcas aut ullas nationes repertat similis.1
[Seite 667]
[Eph. 6, 2 f.] 1. ‘Honora patrem et
matrem, ut sis longevus’ etc.
[Luk. 11, 41] 2. ‘Date eleemosinam et
ecce omnia munda vobis’ i. e. in terra.
[Jak. 2, 24] 3. ‘Si Abraham ex operibus
iustus est, habet gloriam.’
[2. Kor. 1, 12] 4. ‘Gloria nostra haec:
conscienciae nostrae testimonium quod’ etc.
[1. Kor. 9, 15] 5. ‘Mori malim quam ut
quis meam gloriam evacuet.’
[Röm. 10, 5] 6. ‘Iusticia legis dicit:
Homo, qui facit ea, vivet’ etc.
[Luk. 6, 38] 7. ‘Date et dabitur
vobis.’ ‘Eadem mensura.’
[Matth. 6, 4] 8. ‘Date Elemosinam’ et
‘Pater reddet in manifesto’, i. e. in terra.
[Röm. 13, 3] 9. ‘Fac bonum et habebis
laudem ex illo’ i. e. in hoc seculo.
[Bl. 9] Haec similiaque testimonia
loquuntur de iusticia operum, quam Deus
exigit et hic vult servari ac remunerat temporaliter impiis, At
aeternaliter piis. Neglectam punit. Ideo
habet promissiones adiunctas. Sed per hoc
nemo apud Deum iustificatur. Si enim parentibus obedio, vivam
diucius. Sed non ideo iustus sum coram
Deo. Si non obediam, occidor. Si Magistratui
pareo, habeo Dei dono laudem et gloriam et defensionem et pacem ex ipso gladio. Si non, tunc occidor, Ita, si fecero
bonum proximo, reddetur. Haec iusticia
est prior et lacior Iusticia fidei, Quia ‘reddite Caesari quae Cesaris sunt’, Deinde ‘Deo quae Dei’. Licet itaque
gloria est in operibus coram mundo, sed
non coram Deo, Quia mundus non potest accusare et damnare.
Sic et illa
[Luk. 14, 14] 1. ‘Retribuetur in
resurrectione iustorum.’
[2. Kor. 1, 14] 2. ‘In gloriam meam
(ait Paulus) in die illa.’
[2. Tim. 4, 8] 3. ‘Reddet mihi coronam
iusticiae.’
[Luk. 16, 9] 4. ‘Recipiant vos in
aeterna tabernacula.’
[Matth. 25, 35] 5. ‘Esurivi et dedistis
mihi manducare’
Et similia
Non dicuntur de Iustificatione, quod
per ea opera iustificemur, sed sunt
promissiones operum, quae iam iusti faciunt hic, et non accipiunt promissiones mercedis, ideo in futuro
accipient.
Quia omnibus operibus additur
promissio, non ut propter eam faciamus
opera, Sed ut sciamus, quid sequatur, et ut sciamus esse grata Deo et
tunc sub umbra promissionum et sub ala
graciae sunt placita et meritoria Non
autem ex seipsis facta, Sicut minae adduntur omnibus malis, non quod
ideo faciant aut obmittant mala, sed ut
sciamus, quid sequatur.
Si enim in hac vita praemiantur, quanto
magis in futuro? Sed ipsa iustificatio,
vita aeterna et gracia ipsis non paratur. Haec gratis donantur.
Sed sicut opus exclusa fide, sola lege
cogente nihil valet, Ita opus sola
retributione movente (exclusa gloria Dei et utilitate proximi i. e.
charitate Dei et hominum) nihil valet,
quia purum querit suum. Talia autem docuerunt
[Seite 668]
hactenus, Nam dicebant: Du must from sein, den
Himel verdienen, scil. operibus
mercenariis, ex lege et retributione.
[Bl. 10] Signum huius est, quod nunc,
cum audiunt pro gloria Dei, pro commodo
proximi operandum, nemo quicquam facit, eciamsi audiant promissiones adiunctas de retributione futura.
Ante vero, cum audirent opera legis et
retributionem tantum, impleverunt orbem religiosis.
[Matth. 19, 29] ‘Centuplum accipiet in
hoc seculo et in futuro.’ 1.
Eciamsi ipse non vixerit et hoc
centuplum accipiet, tamen post mortem
eius, nomine ipsius ista contingunt, ut Abrahae data est terra Canaam
in possess⌊ionem. Sed post mortem eius. Sic
Et alia opera remunerabuntur, ut
sedeant super XII thronos etc., ut non
solum sint salvi, ex fide (quae sola iustificat et salvat), sed eciam secundum suum quisque laborem illic regnet in
ipsa vita et salute, singulari quodam
dono, sicut hic in Ecclesia ultra fidem communem quilibet singulari suo dono aliis praestat, ita et resurrectio
mortuorum.
Igitur aliud est ex fide pro gloria Dei
et salute fratris operari et
retributionem expectare, Aliud ex lege operari et solum retributionem
spectare. Hoc caro amplectitur, Illud
spiritus. 2. Deinde aliud est, opus ex se ipso
ponderare, et a graciae favore, seu promissionis umbra. Ex se ipso
semper [Ps. 143, 2] est malum, Ps. 142.
‘Non intres cum servo tuo in iudicium.’ ‘Servi inutiles’, [Luk. 17, 10] sed gracia obumbrante acceptum
est, propter promissiones, quibus credendo
fiunt. Ac sic non docuerunt.
3. Aliud est iustificari, seu himel
verdienen, fromb sein operibus, aliud
retribui. Illud solius fidei, hoc fidei operanti, seu operibus in fide,
i. e. sub gracia et promissione,
ignoscente et favente, factis.
[Luk. 11, 41] ‘Ecce omnia munda
vobis.’ Vobis,
Quid si hoc intelligas ita, Quia
Christus Pharisaeos de avaricia et gula
accusarat, ut qui sibi tantum servirent, et pauperum obliviscebantur,
aut ficte [Matth. 6, 2] eleemosynas
faciebant, Math. 6. Ideo vocet eorum opes nomine rapinae, quantumvis iuste acquisitae ex oblationibus
etc. Quare velit hoc significare: Si
darent eleemosynas et communicarent egenis, tuto et bona consciencia suis rebus [Bl. 11] fruerentur, hoc est,
omnia essent eis tunc munda. Sicut si
Episcopi modo de Ecclesiae bonis communicarent egenis, et succurrerent indigentibus, diceretur eis
recte, quod licite postularent eas opes,
et essent eis mundae, ut bona consciencia fruerentur eisdem. Sed quia
suae gulae et pompae illa omnia
avarissime querunt et subiciunt, merito dicitur
esse rapinas et gulas et fraudes et iniurias.
Ex iis non sequeretur, quod Eleemosina
nos a peccatis liberet aut iustificet,
sed tantum, ut minus peccarent deinceps utendo rebus. Alioqui si
[ 40 sed —utendo unterstrichen]
[Seite 669]
‘omnia’ munda fiunt Eleemosina, quare Christus
moritur et quid opus fide? Quid opus
poenitencia? Demus Eleemosynam et erunt omnia peccata munda. Verum Christus ‘Omnia’ non vocat peccata, sed
res ipsas, quas dicit mundas esse et
licitas, si eleemosynas dent. Si non dent, esse fraudes et rapinas et iniurias et immundicias, Hoc est, materiam
denuo semper peccandi.
Vides Itaque
In scripturis varium esse respectum in
operibus docendis. Laudantur pro gloria
Dei et bono proximi facta i. e. In charitate ergo utriusque. Damnantur in seipsis et propter nos facta, quia
quaerunt quae sua sunt, contra charitatem.
Alioquin
{prorsus damnantur, ut si volunt
iustificare nunquam
{laudantur tamquam meritoria, in hac
vita autem
{laudantur tamquam meritoria in futura
vita iustificant
Et omnia sunt vera, suo tamen modo et
sensu, scil. salvo iustificationis
officio, quod soli fidei est relinquendum, Et opera esse signa et
fructus fidei, quae premiantur sive hic,
sive in futuro, utsupra, sic tamen, ut ista premia intelligantur etiam gratuito operibus
promissa, et non operis dignitati, sed
[Luk. 17, 10] promittentis bonitati deberi hanc gloriam, ut stet textus:
Servi inutiles sumus.
2. Deinde ut doceatur pius, non commodo
suo, nec premii respectu tantum opera
facere, Sed amore Dei gratuito.
Aliud ergo est
{Operibus iustificari et salvum fieri
generaliter
{Operibus praemia contingere
specialiter.
Necesse eciam premia polliceri, Nam si
solum opus exigeretur, esset, ac si
bestiae tantum cogerentur, [Bl. 12] nihil de futuris cogitantes. At
hominem ad futura erudiri oportet. Hoc
non fit lege sed promissionibus. Alioqui
videretur homo esse mere mortalis.
Si urgeat:
[Matth. 25, 34] Christus dicit Math.
XXV. ‘venite, benedicti’ ‘Esurivi’ etc. Hic manifeste opera indicat digna vita aeterna,
Respondetur ut supra:
Fide ista opera fieri oportuit
necessario. Alioqui nihil valerent, cum
impii talia multa faciant, etc. Sed fide iustificamur ante talia opera.
Sed esto: vincant et operibus eiusmodi
in gracia factis coelum mereantur, Ergo
licet absque Christo (tanquam superfluo) operibus graciae Dei, vitam mereri. Et tunc erit Christus frustra
mortuus, aut erit exactio quaedam supra
opera, quae vitam per se (in gracia tamen) mereri possunt.
Ais:
[ 23 specialiter] spiritualiter Hs
[verschrieben oder verlesen; der Gegensatz zu ‘generaliter’ verlangt ein
‘specialiter’.]]
[Seite 670]
Christus in hoc est necesarius, ut
graciam meruerit, qua nos in operibus
usi mereamur vitam aeternam,
Respondetur:
Et tunc Christus minus fecit, nos
maius. Imo si Christus remissionem
peccatorum meruit, simul vitam nobis meruit. Et est tua speculatio inanis, de gracia, quasi sit aliud quam
remissio peccatorum, vita et salus,
[Tit. 3, 5] ut unum Christo alterum nobis tribuas. ‘Non enim secundum
opera iusticiae quae fecimus nos, sed
secundum misericordiam suam salvos nos fecit.’
Notandum quod operibus in gracia a
iusto factis promittitur. At haec ipsa
promissio est donum gratuitum iustis donatum, Non operibus partum. Ideo non opera tam merentur, quam
ipsa promissio eiusmodi. At illi
neglecta hac promissione donata tantum opera extulerunt, illam nihil laudando.
In summa de operibus aut iustificatione
loquimur, quibus illi tribuunt
peccatorum remissionem, et pro iusticia contra peccatum ponunt, quod
solius in Christum fidei est.
De sequentibus operibus dicimus, primo
quod illi recta et vera non docent,
scil. praecepta Dei, Sed sua electicia. Deinde: etsi premientur, tamen amore premii et cupiditate fieri non debent.
Sed amore Dei pro gloria eius et
expectare praemia sponte sequentia, Sicut
[Bl. 13] filius nascendo non merendo
fit heres, sed operando bene meretur a
patre ultra hereditatem debitam sibi, honorari, coli, ornari, praeferri. Nec per opera bona fit magis filius, licet
fit melior. Male operando [Ps. 68, 6]
meretur virgam, ignominiam, iurgia salva tamen hereditate, ps. 68.
‘visitabo’, Nisi prorsus indigna
fecerit, ut exheredari mereatur. Sic nullis operibus iustificamur, aut graciam obtinemus et
meremur. Sed meremur alia multa bona,
sive hic, sive in futuro. Paulus plus omnibus laboravit, sed nihilo plus habet de iustificatione et gracia, plus
habebit gloriae et honoris ab operibus
suis. Sic nos semper non contra opera et praemia, sed contra merita graciae et iustificationis pugnamus.
In quo abusu regnat Papatus, cum suis
missis, vigiliis, operibus, ut peccata per haec tollat, eciam aliena, non tantum sua.
Poenitencia
Timore poenae Amore iusticiae, utrumque verum est.
Sic dixi poenitenciam non a timore
poenae, sed amore iustitae incipiendam. Non
negavi timorem poenae, sed victoriam Sophistarum tunc regnantem,
Quae erat talis:
Primo ut homo recollectione peccatorum
in amaritudine animae suae, odium
conciperet peccati, et contritionem sic pararet. Simul ex metu inferni et irae Dei.
[ 10/11 Non — partum unterstrichen 15
remissionum H8]
[Seite 671]
Secundo ut tunc confiteretur et
satisfaceret et tunc contritione et
confessione, et satisfactione fidens velut operibus suis peccato esset
liber.
Tercio nihil de Christo propiciatore,
sed omnia de Christo iudice et Maria
patrona cum omnibus sanctis et monachis et pfaffis, per missas
intercedentibus, dicebantur.
Ita fiebat necessario, ut solo poenae
timore, odium pocius Dei et iusticiae
quam peccati ac desperationem pararent aut titillationem et amorem praeteriti peccati in libidine, vindicatae
cupiditate, quia natura sine gracia non
potest non desperare timore poenae, aut memoria peccati accendi cupiditate maiore.
Quarto docebant nihil de absolutione,
fide, promissione remissionis
peccatorum, quibus timor [Bl. 14] poenae mitigaretur, et amor
Iusticiae regnaret.
Quinto docebant, peccata crassiora
colligi, omittentes maiora illa cordis.
Nos autem docemus legem i. e. noticiam
peccatorum eciam magnorum, ut
blasphemiae, odii, contemptus, incredulitatis erga Deum, de quibus nihil Sophistae sciunt. Testes sunt omnes boni viri
Et totus mundus, quod ista non
docuerunt. His promissiones addimus, quibus concipitur spes et fiducia et amor iusticiae habendae, non per opera et
confessionem et collectionem, sed per
promissionem et graciam Dei puram. Hinc fluit tum verum peccati odium suave ex amore istius promissae graciae
et iusticiae, quae timorem poenae
frenet, ne desperet. Hinc vera stabilisque poenitencia fluit.
Monstra mihi unum locum de
Iustificatione fidei. 1
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
[ 15 zu legem steht i. e. poenitenciam r]
[Seite 672]
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
At in his oportuit abundare fidei
doctrinam, Sed
Orationes s. Brigittae Orationes ad
omnes Sanctos
Rosaria {vitae huius
Psalteria Orationes promissionibus
{Opum
Cursus concep⌊tionis crucis {fortunae
Orationes conceptionis Missae similiter
pro eisdem
Orationes Haec tantum verbo recitata
sine fide, tantum si essent prolata ore.
Coronae B. virg⌊inis
[Bl. 15] Patrum opiniones et errores
pios seu sentencias et dicta articulos
fidei faciunt, ut occidant pro hereticis, qui eis non credunt, hoc
non fecerunt patres, Nec Deus mandavit
ea pro articulis haberi. Unde ergo ista
tyrannis.
1. Divina praecepta negligunt
{consciencias dure tenent
Haec sinunt aboleri impune {sua
statuunt
Avari superbi pessimi ipsi {sua saeve
puniunt
sua vendunt care,
[2. Thess. 2, 4] I. e. ‘supraextollitur
supra omnem Deum.’
2. Opera preceptorum secundum facti substanciam
fieri, sed non sccundum intentionem
praecipientis, scil. docentes graciam non necessariam, sed exactionem esse supra legem, quia Deus
exigat in caritate seu gracia fieri.
Nihil de gracia et fide hic addiderunt.
3. Praecepta Dei posse impleri naturaliter
absque gracia, scil. Deum diligi super
omnia fidere.
4. Consilia fecerunt ex praeceptis
Evangelii, sine quibus potest homo
salvus fieri.
5. Rursus diligi dominum ex toto corde
esse consilium.
6. Statum perfectionis finxerunt supra
praecepta Dei
fidem.
7. Infinitas caedes, bella et sanguinem
super se habent, quibus nolim particeps
fieri.
Miracula meae doctrinae sunt
experienciae, quas praefero mortuorum
resurrectioni, Scil. fui
[ 21 saeve] seue zu 30/31 Quomodo fidem docerent, qui
nec omnia praecepta docent, sed paucorum opera praeceptorum, satis esse dicunt
r]
[Seite 673]
1. Baccalaureus.
2. Magister bonus.
3. Doctor perfectus in Sophistica
Theologia.
4. Monachus plane sanctus horis
canonicis studiosissimus et aliis.
5. Sacerdos Missator dilligentissimus
et religiosissimus.
Tamen istis nominibus omnibus et
operibus nihil didici de ullo vitae
genere, donec nomen Christi, et christianus factus denuo
apprehenderem, accepi ea, quae nunc
habeo et scio. Ergo iste Christus aliquid magnum est super omnia, nam ante eius nomen nihil.
Nunc sub nomine eius omnia habeo, et
sine nomine (quocies hoc mihi oblivisci contingit) eius, omnia rursus amitto et nihil manet nisi mors,
peccatum, errores infiniti curarum. Ita
et post nomen eius fieret.
Haec experiencia cum sit ipsa vita
cercior, non est mihi fallax signum, sed
vice multorum millium miraculorum, cum consenciat cum scriptura per omnia. Habeo duos testes fidelissimos et
invictos scil. scripturam et conscienciam,
quae est experiencia. Consciencia enim mille testes, scriptura infiniti testes. Sic sermo noster eciam
sequentibus confirmatur.
[18, 19, 20] Mundus non capit
{fidem/Charitatem/Crucem} Vitam sapientiamque piorum, quia crucem horret ceu malum, ignara, quod
sub ipsa fides exercetur et dei virtus
ostenditur. Charitatem fugit, quia haec benefacit, propter deum sed mundus propter praemium, gloriam,
retributionem. Fidem ignorat esse
fidutiam nostram in gratiam dei sed ipse putat opinionem esse de
deo iustitiam exigente.
Sic obiecta harum virtutum non videt
deum} {hunc hostem
proximum} quia putat {nullum esse nisi
seipsum
Adversarium} {hunc amicum.
Corrolarie1 sequitur: Non intelligi a
mundo illud praeceptum ‘diliges proximum
tuum sicut te ipsum’. Necessario etiam: Odit deum et sua i. e. verbum et sanctos eius, diligit se ipsum et
sua in omnibus, quaerit diabolum et sua
i. e. pacem, gloriam, car⌊nem, Ut in dictis factis omnium
gentium, sophorum, regum &c..
[ 18/34 aus Luthers Handpsalter]
[Seite 674]
Anhang.
Argumentum contra iusticiam operum.
Si opera merentur vitam aeternam, quid
merentur sequencia opera prioribus, qui
iam meruerunt? An accidentalia praemia? At tum sunt non tam bona quam priora et tamen similia vel
aequalia. Ergo nec priora merentur
[6, 7, 8] aut non erit idem
spiritus/gracia/opus sequens. Utrum
putas gracius coram deo, filium dei an legem dei? Filio vult cedi prae et ultra legem et propter filium
ignoscit legem, imo tollit legem. Sed
propter legem non tollit filium nec ignoscit aut indulget aliquid fieri
contra ipsum nec promittit abrogari.
Minui ergo debet lex, ut exaltetur filius, et
opera cedere debent fidei, quantum mare a stellis coeli.
I. Cor. XIII.
Fides miraculorum vera est, quia
operatur, ut testatur textus eiusdem:
[1. Kor. 13, 2] ‘transfert montes’ ergo fructus fidei semper adest. Cum
enim sit donum dei magnum, non potest
‘nihil’ vocari opera talia faciens, sicut et Christus dicit: [
[ 1/13 aus Dietrichs Colloquia Bl. 33
–34 14/675, 37 aus Dietrichs Colloquia Bl. 236 –237.]
[Seite 675]
quae libet. Sic Anania et Saphira, Sic Saul
primo mirabilis postea praesumptuosus
licere sibi voluit. [Bl. 237a] Sic Actor. 15. de lege Mosi imponenda.
Hoc est quod dicit:
non irritatur Caritas omnia credit omnia sustinet. 1
Ut illi qui crediderunt, 3 Illi nihil volunt sustinere Vincuntur malicia hominum.
[1. Kor. 10, 12] Ideo dicit: ‘qui stat,
videat, ne cadat’.
Et fidem non fictam poscit, significans
e vera fictam fieri solere, ut [Gal. 6,
3] ‘Ideo qui se putat aliquid esse, cum’
Quare
si Paulum consideres, seipsum exponit
fatendo opera fieri in fide, significando
eam nihil fieri neglecta caritate,
Et victa natura tentationibus
infirmorum, malorum.
Iam illud: ‘si tradidero corpus’, ‘si
distribuero’. Hic non addit ‘fidem’
significans illa posse praesumptione fidei fieri, ut pharisei et multi
Iudeorum et monachorum, Sed non in
caritate.
[Bl. 237b] Jtem fiunt talia odio
malorum, Impaciencia, Superbia et multis
aliis.
Sic igitur textus non pugnat contra id,
quod fides sola iustificat, nec probat,
quod fides absque opere sit, Imo quod operetur, et caritas assit, sed quod non durat, verum tepescit aut vincitur
malo.
Ἀλλο
1 praesumptione fidei
Nihil pestilencius
2 praesumptione noticiae Euangelii.
Utrique stertunt securi: 1 illi de
facto sibi salvi, 2 Isti in hora mortis
usuri hac noticia sibi videntur.
Qui credunt vere, non credunt se
credere,
Sed tentantur et assidue laborant in
fide alenda.
Sic Iudaei praecepta nosse se putant,
ideo non discunt nec curant ea, Sicut
spectatores artificum omnia sciunt et multa garriunt et corri [Bl. 238a] gunt in illis, Sic auditores omnia
praeceptoris sciunt d⌊icentes: also wil ichs auch machen, das kan ich auch.
[ 32 Qui —non credunt unterstrichen]
[Seite 676]
Omnis lex aut praeceptum necessario habet
annexam
promissionem Vitam ergo
comminationem Mortem.
[5, 6, 7,] [Röm. 7, 12] Quia omnis lex
est Bona/Sancta/Ro. 7./Iusta,
precipiens bona prohibens mala,
praemians bonos puniens malos,
Defendens bonos Arcens malos. [Röm. 13, 3 f.] Sic Ro. 13: ‘Habebis laudem
ex ea’ et ‘time potestatem, gladium enim
[1. Petri 2, 14] portat’, 1. Pet. 3: ‘Ad vindictam malorum, laudem vero
bonorum.’
Hoc eciam leges civiles dicunt,
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
Quanto magis in lege Dei est promissio
et comminatio exigens fidem cordis
veram, Eciamsi Cesaris lex exigit fidem sive veram sive fictam. Nam qui non timent aut credunt Caesarem puniturum
de-[Bl. 235b]fensurum, non servant eius
legem, ut videmus, Sed qui credunt et timent, sive hoc sit vere sive ficte.
Iam ubi in scripturis est mera
promissio absque lege, Ibi necessaria
[1. Mose 15, 5] sola fides est, ut Abraham 15. promittitur Semen sicut
Stellae celi, de quo [Röm. 4, 3] Ro. 4.
Hic nullum opus ei praecipitur, Sed opus Dei in futurum, Quod ipse Abraham non posset facere ullo modo. Sic
modo nobis Christus promittitur et
offertur, Opus scilicet, quod nos non possumus facere, Sed solus Deus facit. Ideo sola fide hic opus est
nobis, opere enim non apprehenditur.
Sane post istam fidem nobis opera et leges, sicut Abrahae
circumcisio exigitur, ut probetur fides.
Et licet patres aliis operum Dei
promissis sunt iustificati illis credendo
quam Christi, ut Abraham in semine futuro, Tamen eidem Deo
crediderunt, qui eundem Christum aliis
et aliis modis obtulit eis, donec ipse exhiberetur. Est enim idem Deus, qui Christum missurus
erat. Cui credendum fuit, quidquid
diceret.
[ 1/34 aus Dietrichs Colloquia Bl. 235,
dort als σχεδιάσματα
bezeichnet]
[Seite 677]
[Einleitung]
[Seite 677]
Wenn Veit Dietrich den Titel Rhapsodia
seu Concepta in librum Iustificationis (s. oben S. 647) fortsetzt mit: ‘aliis
obiter additis’, so erklärt er selbst, daß er auf die Entwürfe de
iustificatione andere folgen lasse. Dr. Berbig hat den Einschnitt nicht
beachtet, der auf Bl. 17a des cod. Solgeri 38 erfolgt. Hier beginnt eine andere
Abhandlung, die freilich auf Bl. 22b und 23a durch ein noch zu de
iustificatione gehöriges Stück unterbrochen wird. Sie schließt offenbar1 auf
Bl. 27a.
Der Anfang ‘Probari non invenio
potestatem leges ferendi in Ecclesia’ gibt zwar recht den leitenden Gedanken
des Aufsatzes an, brauchte aber noch nicht der Titel zu sein. Doch findet sich
keine bessere Bezeichnung als de potestate leges ferendi in ecclesia. In
Luthers Schriften und Briefen wird eine Schrift dieses Titels nicht erwähnt.
Wir müssen ihr zunächst chronologisch und zeitgeschichtlich den Standort
zuweisen.
Offenbar hat die Abhandlung die engste
Berührung mit den ‘40 Artikeln wider die ganze Satansschule’ in der
lateinischen Fassung (s. oben S. 420). Man könnte zunächst meinen, die 40
propositiones seien in Eile aus unserm Aussatz herausgezogen worden. Aber er
ist doch in seiner Gedankenfolge anders angelegt. Zwar ist auch hier die
falsche Kirche die Satansschule, aber die These, daß die Kirche nicht über dem
Evangelium stehe, ist viel schärfer geprägt und begründet. Gleich der Anfang
der Untersuchung: auch heilige Bischöfe haben kein ius dominandi et haec prima
ratio est, ut causa efficiens legum esse non possint führt uns in eine im
Sommer 1530 erörterte Frage hinein.
Die 40 propositiones waren am 22. Juli
in Augsburg bekannt geworden. Schon vorher hatte Melanchthon, der auch nach
Verlesung der Confessio über das Recht der Traditionen sich unsicher fühlte, an
Luther geschrieben (Enders 8, 108). Dieser antwortet am 21. Juli ausführlich
(Enders 8, 128). Er läßt Melanchthons 5 causas in ihrem Recht bestehen, hebt
aber den springenden Punkt, den nodus, hervor. Es komme nicht so sehr auf die
causa finalis als auf die causa efficiens
[Seite 678]
oder die Person an, der die Autorität
zustände, Satzungen zu treffen. Von diesem Punkte geht nun die Abhandlung aus.
Aber während in dem erwähnten Briefe der persona, der causa efficiens, immer
kirchenpolitisch der Bischof als Bischof und zugleich als Landesherr
untergelegt ist, geht die Abhandlung von der Ecclesia als der persona aus und bestreitet
ihr das Recht, causa efficiens zu sein; hiermit greift Luther wieder mehr auf
die 40 Artikel zurück. Er ist sich auch dessen bewußt und äußert gegen Spalatin
am 27. Juli (Enders 8, 142): de traditionibus scripsi ad Philippum, deinde in
‘propositionibus’ die Erwartung, die Gegner würden zu ungeschicktem Widerspruch
gereizt werden. Melanchthon hatte inzwischen die Frage verschoben (Utrum
observationes electae a piis possint esse λατρείαι, Enders 8, 145,
non de efficiente causa traditionum). Luther vertröstet ihn zunächst (Enders 8,
162), dann aber antwortet er am 3. August ausführlich (Enders 8, 165). Er
bleibt dabei, daß man nicht über die finalis causa, sondern über die efficiens
handle. In ecclesia deest causa legis efficiens, quia nullus habet ius; finalis
causa legum debet esse vita aeterna, efficiens: dominus vitae aeternae usw. Und
am 4. August wiederholt er: Adempta causa efficiente non potest resisti ullis
abominationibus Antichristi. Nec ipsa accidentia ullus potest aliis imponere
nisi iussus et ut causa efficiens a Deo vocatus (Enders 8, 168 –9).
Diese Gedanken werden nun in unserer
Abhandlung weiter ausgeführt. So ist dieselbe als eine Arbeit Luthers
anzusehen, die er für sich selbst, zunächst ohne die Absicht alsbaldiger
Veröffentlichung, vornahm; er dachte wohl auch daran, sie Melanchthon nach
Erfordernis mitzuteilen. Wir können in ihr kein Briefkonzept, geschweige ein
‘Bedenken’ erblicken. Letzteres wird auf Anforderung erstattet. Darum stellen
wir diesen Aufsatz unter die Schriften.
Jm Briefwechsel mit Melanchthon werden
die Fragen nicht mehr behandelt. Für Luther selbst brachten die Vorarbeiten zur
Schrift ‘von den Schlüsseln’ eine verwandte Gedankenreihe. Hier mußte er den
Gegnern ja auch die Macht bestreiten, ‘Gesetz und Gebot stellen über die
Christenheit’. Über dieser Behandlung der Schlüsselgewalt trat die Arbeit an
der generellen Frage de potestate leges ferendi zurück. Aber Luther behielt sie
wohl doch noch im Auge. Es wäre nicht unmöglich, daß die Stelle in ‘von den
Schlüsseln’ (oben S. 471): ‘machten aus dem Papst einen Gott auf Erden ...
davon wir ein ander mal weiter sagen wollen und den Schreiern zu schreien
geben’ auf die Absicht ginge, die Entwürfe über die potestas leges ferendi mit
der Spitze gegen den Papst als Antichrist zu einer besonderen Streitschrift
auszuarbeiten. Da in der ersten Reinschrift ‘von den Schlüsseln’, die Luther am
25. August Veit Dietrich schenkte, die angeführte Äußerung fehlt, so ist Luther
wohl um diese Zeit mit den Entwürfen nicht mehr beschäftigt gewesen und kehrte
auch später nicht zu ihnen zurück. Was also erhalten ist, gehört etwa in die
Zeit vom 4. –
Die Form der Abhandlung steht in der
Mitte zwischen kurzen Thesen und geordneter ausführlicher Abhandlung mit
lückenloser Beweisführung. Die Arbeit geschah zu verschiedenen Tagen; Luther
greift die Frage immer wieder von einer andern Seite an. Darauf könnte das
mehrfach aufstoßende ἄλλο deuten. Freilich könnte es auch von Dietrich herrühren
und die Abschrift eines neuen Zettels bedeuten; sachlich wäre es dasselbe.
[Seite 679]
Der Amanuensis hat diesmal alle
Bruchstücke in einer Handschrift vereinigt, nicht wie bei de Iustificatione sie
an verschiedenen Orten gebracht. Von anderer Hand scheint auch kein Zettel
abgeschrieben zu sein. Eine Abhandlung Luthers über Joh. 20, 23 ‘Quorum
remiseritis peccata’ wage ich noch nicht in diese Zeit zu setzen1, sie würde
auch mehr zu de clavibus gehören.
Benutzt hat Luther diese Zettel nicht
in dem Maße, wie er es mit de Iustificatione tat. Jmmerhin finden sich in ‘von
den Schlüsseln’ starke Anklänge. Noch mehr in der Glosse über das vermeinte
kaiserliche Edikt (1531) und in den Predigten der folgenden Monate.
Der Jnhalt der Entwürfe gliedert sich
folgendermaßen2:
1. In der Kirche gibt es kein
‘herrschen’, nicht einmal für einen sanctus episcopus.
2. Häretiker sollen wir meiden, Jene
sind die Häretiker. Nachweis.
3. Gott ist über allem Geschaffenen,
die Kirche ist geschaffen, also: Deus mandat ecclesiae.
4. Euangelium testatur Ecclesiam
(ähnlich wie Artikel 5 –6).
5. Die Behauptung des Gegenteils ergibt
wahre monstra.
6. Die Kirche kann nicht gesehen
werden, braucht also das Zeugnis der Schrift.
7. Der Papst ist der Antichrist
(ähnlich Artikel 20).
8. Zeremonien als accidens können die
substantia, d. h. das verbum schmücken oder nicht (ähnlich Art. 9. 10).
9. Beispiele zu Nr. 8.
10. Ob die Kirche Macht habe zu
Satzungen sub peccato mortali. Antwort: a) die heilige Kirche ordnet nichts,
was die Gewissen beschwere (Art. 12); b) das Papsttum ist nicht die Kirche.
11. Aber sie rühmen sich: sedemus in
successione apostolorum. Als ob nicht auch Häretiker sich dessen rühmten.
12. Auch wenn der Knecht böse ist, ist
er zu hören, wenn er des Herrn Befehl bringt.
13. Wir behaupten: sie sind nicht
Kirche, sondern Satansschule, die falsch lehrt und verfolgt.
14. Sie sondern sich vom christlichen
Haufen als die besseren und heiligeren.
15. Und verführen das Volk, das doch
auch Taufe und Glauben hat.
16. Sie wollen die perfecti sein und
verachten die gemeinen Stände.
17. Sie erdichten ihre ‘consilia’ und
verachten die praecepta und töten die heiligen Kinder Gottes.
18. [Wiederaufnahme der Gedankenreihe
nr. 3 –4] Aber die Kirche hat doch die echten Evangelia approbiert, die
unechten verworfen. Also hat sie auch Macht,
[Seite 680]
Glaubensartikel zu setzen. Antwort:
diese hätte sie, wenn die Voraussetzung richtig wäre. Aber approbare ist mit
autoritatem dare verwechselt.
19. Die Kirche approbat Euangelion wie
ein Knecht das Siegel seines Herrn (Art. 7).
20. Wer kann dann sicher sein, wo das
Evangelium ist? Antwort: Credens fit certus.
21. Augustins Spruch ‘Euangelio non
crederem &c..’ leugnen, heißt nicht, Augustin verwerfen.
22. Augustins Spruch, im Kampf gegen
die Manichäer entstanden, lautet anders. Die Motive zum Glauben, daß die Kirche
Autorität habe, aber: non est supra Euangelium.
23. Man könnte sonst auch sagen: Est
supra fidem, est supra Christum, supra Deum.
24. So erhebt sich die Kirche des
Antichrists über alles.
[Seite 681]
1530
[Seite 681]
[Bl. 17] Probari non invenio potestatem
leges ferendi in Ecclesia sed improbari.
[Matth. 20, 26] 1. ‘Vos non sic, sed
sit servus.’ At illi volunt et querunt
maiores esse, dominari, imperare non
servire. Quid est servus? servire?
[2. Kor. 1, 24] 2. ‘Non dominamur fidei
vestrae.’ ‘Omnia autem [1. Kor. 3, 22]
vestra.’
[1. Petri 5, 3.2] 3. ‘Non dominantes in
clero.’ ‘Pascite.’
[Matth. 15, 9] 4. ‘Frustra colunt me.’
[1. Kor. 7, 23] 5. ‘Nolite fieri servi
hominum.’
Ex iis apparet, quod ne sanctus
Episcopus ius habeat dominandi.
Et haec prima ratio est, ut causa
efficiens legum esse non possint.
[Tit. 3, 10] Secunda est, quod
hereticum vitare debemus nec admittere. At illi
sunt haeretici, volunt in destructionem dominari. Ipsi sunt manifeste
Dei inimici facientes nec poenitentes, quae
contra Deum esse sciunt,
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
Poeniteant de iis et similibus et
videbimus tum de prima ratione, Si non
poenitent, patet fucus et malicia.
Ἄλλο. Deus est super eecclesiam ut creator. Ecclesia est sub Deo ut creatura.
An Ecclesia verbum a Deo habet, an Deus
ab Ecclesia
Non
An Deus mandet ecclesiae, an Ecclesia
mandet Deo
[Seite 682]
Ergo verbum est verbum Dei originaliter
et autoritative, non Ecclesiae nisi
passive et ministerialiter. Ergo Ecclesia est sub verbo et mandato Dei et non supra.
Si quis dicat:
Sicut tu probas, quod Euangelion
testatur Ecclesiam et sine Euangelio non
sit Ecclesia nec quae esset sciretur, Ita contra reduco hunc circulum: Ecclesia testatur Euangelion et nisi in
ecclesia nemo sciret, quid sit Euangelion,
Imo sine Ecclesia non esset,
Respondetur:
Quamvis Euangelion sine ecclesia esse
potest, (quia Balaam et impii habent
Euangelion tanquam in libro scriptum, sine fructu), sed econtra Ecclesia sine Euangelio esse non potest. Ergo
Euangelion est ecclesia superius, quia
hoc sine ipsa, ipsa non sine illo, quia [Bl. 18] potest Euangelion vel in Angelis, Imo in Deo abscondi, sicut
fuit ante Ecclesiam — Tamen si credimus
Deum esse, et non sumus Epicuri, simul cogimur credere superiorem1 Syllogismum, quod Ecclesia a Deo, verbum a
Deo, non Ecclesia a seipsa, nec verbum
ab ipsa, et verbum esse Dei, non ecclesiae, et mandari a Deo Ecclesiae, non econtra. Istis stantibus
cogimur dicere, Ecclesiam esse sub verbo
et non supra.
Deinde vide monstra:
Si Ecclesia est supra verbum, et potest
verbum mutare, potest omnia [Gal. 3, 25]
mutare, et superordinare. Contra Paul. Gal. III. Quia non est ratio, quare unum et non omnia, ergo potest tollere
Christum, et ipsum Deum, et verbum de
Christo et Deo. Simul potest tollere se ipsam Ecclesiam, manente ipsa ecclesia, i. e. verbum de Ecclesia, ut ipsa
tamen sit.
quilibet pars Ecclesiae potest idem
sibi ipsi praestare, scil. iustus potest
articulos sibi ipsi mutare et novos formare, et sic credere, quicquid libet, quia est corpus Homogeneum constans ex
partibus simillimis, per omnia, idem
habencia, vides hic impurum Antichristum.
Deinde:
Sensus carnis ut oculi et racio
consenciunt et testantur ea, quae scriptura
testatur, scil. nos creari, solem lucere, crescere, parentes habere
honori, Deum [Röm. 1, 20] esse, Ro: 1.
Ergo scripturae est credendum, tamquam habens testem duplicem, scil. res ipsas, de quibus loquitur, Et
homines, qui ita vident in rebus esse,
sicut scriptura loquitur, ut sit verax scriptura, Sed sensus nullam
Ecclesiam videt. Ergo non debet Ecclesia
supra scripturas poni.
Papam esse verum illum et ultimum
Antichristum evidens est vel hac voce
unica, qua clamat, Scripturas et verbum Dei a sese robur et autoritatem accipere. Hinc Ecclesiam Dei i.
e. seipsum esse supra scripturas
[Seite 683]
usitata sentencia blasphemat. Hoc est
manifeste aliud nihil quam supra Deum et
non sub Deo esse velle. Quae si vera essent, posset Papa permittere omnia contra Decalogum: Adulterari, furari,
occidere, blasphemare, mentiri, Deum
negare. Si hoc non potest, ergo non est supra verbum Dei sed infra necessario.
ἄλλο.
Deus
fidei verbum Extra, prae nat⌊ura, ubi accidens et substantia idem.1
Opus Substantiae
Ceremoniae Accidencia quae adesse et
abesse possunt,
i. e. mutabiles.
[Bl. 19] Ceremoniae legitimae
Apprehendunt opus in sacris literis
praeceptum, et hoc vestiunt et ornant
ceremoniis, ceu accidencia substanciam, sicut aureus annulus gemmas.
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
Exempli gracia
[Tabelle: ] [Tabelle: ]
[ 7 zu p̃nat steht
p̄n̄c̄īā puto r [das heißt: Dietrich versteht die
Buchstaben als Kürzung von praesencia]
ob praeternaturalis gemeint war?]
[Seite 684]
Illegitimae
Apprehendunt opus electicium, sicut
aureus annulus falsam gemmam, ut
Peregrinatio ad loca sanctorum
Invocatio sanctorum
Purgatorium et vota Monachorum
Missa privata et quaecunque studia.
An Ecclesia Dei sancta possit statuere
aliquid observandum sub peccato mortali.
Respondetur primo:
Primo, quicquid Ecclesia Dei dicit,
facit, statuit, ordinat, divinum et
sanctum est, summo honore observandum et suscipiendum.
Sed Ecclesia nihil statuit contra fidem
et opera bona, hoc est contra legem et
Euangelion. Quod sic intellige: Ecclesia nihil statuit, quod conscienciam coram Deo liget aut iustificet,
sed conscienciam liberam relinquit, in
sola gracia iustificandam, et sola fide servandam. Foris tamen constituit pro pace et concordia inter homines, ceu
aliae civiles aut oeconomicae leges.
Talia sunt summo honore amplectenda, quia non nocent fidei et prosunt
paci. Nec tamen talia statuit in his, ut
sint contra praecepta Dei.
[Bl. 20] Respondetur secundo
Negatur, quod papatus sit Ecclesia Dei.
Si dixerint, habent Baptisma,
Euangelion, Sacramenta, Respondetur: habent et haeretici. In summa,
quicquid se habere dixerint, dicetur et
haereticos habere eadem. Sed (inquiunt)
non senciunt nobiscum in hoc et hoc decreto. Respondetur: Hoc non probat esse vos Ecclesiam sed praesupponitis
vos esse Ecclesiam, Ipsi negant esse
ecclesiae decretum.
‘At in successione Apostolorum et sede
eorum sedemus’. Sic multi haeretici in
successione et sede Apostolorum sederunt, tamen non sunt Ecclesia. Sicut et in sede Romana sederunt
multi impii Pontifices ut Iulius.
Igitur quicquid ostenderint se habere
et posse, idem ostendetur haereticos et
impios habere et posse. Non ideo tamen sunt Ecclesia.
Quin hoc demus eis:
Sint ipsi scelerati, sodomitae,
scortatores, adulteri, et (ut sunt) impurissimi
nebulones, non ob hoc negamus eos et eorum decreta. Quid enim ad nos nebulonum turpissima vita? Scimus
servum boni heri posse nequam esse,
tamen si heri verbum afferat, esse propter herum cum honore suscipiendum. Sed hoc ostendant: se impios et malos saltem
esse servos Ecclesiae Dei, et
suscipiemus eos. Hoc eis non concederent alii haeretici.
[zu 22/24 steht Incertum perincertum r]
[Seite 685]
O infelicem ecclesiam habentem tales
doctores, qui nesciant probare se esse
Ecclesiam Dei. Nam ut ut sit vita, quae satis probat non esse Ecclesiam, decreta condere, excommunicare
possunt aliae quoque prophanae
congregationes. Inaeternum vero non ostendent se esse Ecclesiam. Quid igitur fecerunt damnando, occidendo,
persequendo alios, quod Ecclesiam audire
noluerint? Cum nunc ipsi non sciant, quae et ubi sit ecclesia. Et sic occiderunt, nesciendo quare.
Dicimus autem nos Ipsos esse Synagogam Sathanae, non
Ecclesiam. Hoc probamus
Primum quod contra fidem et opera bona
docent,
Secundo quod propter sua mendacia
damnant fidem et opera bona,
Tercio quod occidunt et persequuntur
propter sua mendacia innocentes.
Et hoc sic
Primo, Manifestum est toti mundo, quod
ipsi sese a vulgo Christianorum et cum
vita eorum separant tanquam meliores, sublimiores, [Bl. 21] sanctiores. Sic enim iactant, clamant, scribunt, docent,
se esse in statu perfectionis, implere
consilia ultra praecepta Dei (taceo vitam, de doctrina loquor).
Denique spirituales, sanctos ordines et
omnino in Ecclesia salvatores se populi venditant, vulgus vero esse mundanum, in vita mundi
imperfectum, in praeceptis agens,
prorsus egere ipsorum meritis et operibus ad Salutem. Hinc illa examina monasteriorum, collegiorum
Ecclesiarum, Altarium et omnium fundationum,
quibus principes voluerunt ab eis emere participationem meritorum pro vivis et mortuis, ut salvi fierent. Est
ne quisquam, qui ista possit negare?
Iam vide mihi, vulgus Christianorum est
Baptisatum in Christum, credit in
eundem, hoc est, habet graciam, iusticiam, salutem aeternam super omnia opera hominnm et angelorum, suntque filii
Dei, heredes regni, fratres Christi,
ipso baptismate, verbo et fide per sanguinem Christi et mortem, sic
magnificati. Et has opes omnes
ineffabiles pompa illa spiritualium hominum et promissis mendacibus decepti deserunt et contemnunt. Ac
illorum merita pro istis, hoc est
stercus pro aeterna iusticia, admirantur, emunt, querunt. An non hic spirituales illi suis meritis primo
conculcant et perdunt totam gloriam et
graciam Christi? Deinde se super Christum et Deum exaltant non permittentes vulgum in fide Christi
manere et salvari, sed quasi melius
quiddam (scil. sua opera i. e. diaboli stercus) loco istorum eis
obtrudunt. Heccine facit Ecclesia
Christi, immo lena lenarum omnium diaboli hoc facit, scil. Ecclesia papae!
Si autem docuissent ita: Ecce vulgus,
tu habes Baptisma et Christum i. e. plus
quam coelum, quid nostra stercora queris, tum non obtinuissent istas facultates mundi.
[Seite 686]
Dicent et:
Et nos credimus et Baptisati sumus.
Respondetur:
Sed non ut baptisatis et credentibus,
verum ut perfectis in opere
supererogationis et consiliorum, supra communem fidem Christi, supra
baptisma, supra Dei iusticiam et
graciam, quasi singulare aliquid melius habentibus, est vobis obeditum, datum et factum, quae iam
videmus.
Et hoc quoad fidem, contra et supra
quam vos elevati tot tantasque
eidolatrias et fiducias vanas contra Deum erexistis!
Nunc quomodo contra opera docent.
Opera charitatis, opera mariti, uxoris,
liberorum, servorum, Magistratuum habent
pro mundana et prophana ac perdita opera, [Bl. 22] praeferunt vero his divinis operibus a Deo praeceptis sua
electicia et arbitraria opera et vota,
quae Deus non praecepit nec consuluit. An non est hoc supra opera
et contra opera Dei docere? Nam sua
opera sancta et viam salutis, haec vero
perdita docent. Et ab ipsis meliora petenda. O Abominatio, haecne
docet Ecclesia Christi?
Et taceo hoc insigne et sacrilegum
mendacium, 1. quod consilia fingunt,
quae sunt praecepta mera, evacuantes per hoc praecepta Dei. 2. Et
Ecclesiam a fide in opera transferunt.
3. Deinde consilia supra praecepta extollunt, cum nulla consilia queant incipere, unam sillabam
praecepti implere. Sed sola gracia hoc
possit, nec tamen perficit in hac vita. Neque enim eciam virginitas implet illud ‘non concupisces’, quanto minus
illud: ‘Non habebis Deos alienos’! O
subversores fidei et operum, praeceptorum Evangelii Christi et Dei, coeli et terrae, solo inferno
digne castigandi!
Hinc vide, ob quam causam damnent et
occidant, scil. quia horrenda haec
diaboli monstra nolumus admittere et laenam ac synagogam Satanae pro Ecclesia Dei non adorare, ut sint non solum
abominatio et sentina Diaboli, sed eciam
damnent pietatem summam cum ipso Deo. Et occidant sanctos et innocentes filios Dei.
[Bl. 23b] Ecclesia approbavit
Euangelion Mathaei, Marci, Lucae, Iohannis,
et non Thomae, Barptolomei etc. Ergo Ecclesia habet auctoritatem
condendi articulos fidei et leges sub
peccato mortali obligantes.
Negatur consequencia. Probatur: Si
Euangelia potest (quod maius est)
statuere, potest eciam alios articulos et leges (quod minus est) statuere.
Respondetur:
Hic vide insignem maliciam Sathanae et
caecitatem Sophistarum, qua nulla alia
maior potest reperiri. ‘Approbare’ intelligunt pro eo quod est ‘condere’
[ 30/31 Zehn Zeilen leer, dann ist ein
Abschnitt eingesprengt, der zu den Entwürfen de Iustificatione gehört, s. oben
S. 665, 9.]
[Seite 687]
vel saltem ‘dare auctoritatem Euangelio’. Ubi
hic est dialectica, quae doceat recte
definire et dividere?
‘Approbare’ si accipitur pro verbo
Iuris et officii iudicis1, ut Euangelion
Ecclesia velut iudice sit, sit Euangelion, alioqui non habendum pro
Euangelio, nihil potest dici magis
sacrilegum. Nam Ecclesia obedit Euangelio, non
condit neque approbat, maioris more. Alioqui ubi erat Ecclesia
Euangelion condens et maioris more
approbaret, cum Christus et Apostoli ipsum primo praedicabant? Et non [Bl. 24] Euangelion per
Ecclesiam, sed ecclesiam per Euangelion
condebant, statuebant et approbabant.
Euangelion enim maioris more2 Ecclesiam
condit seu approbat. Ecclesia vero
approbat Euangelion more minoris, dum illud agnoscit, assentitur, credit, confitetur et laudat, dicens, hoc est
verum, illud est falsum Euangelion,
Exempli gracia:
Servus approbat sigillum et manum heri
sui in literis, confitetur, asserit,
defendit, et falsum sigillum redarguit constanter. Nunquid ideo est
super herum suum aut ius habet
iudicandi, mutandi, statuendi in literis heri?
Nunquid maioris et heri more illas tractabit? Quid insanius dici
potest? Et ancilla agnoscens et
discernens tunicam et peplum herae suae ab aliis, deinde approbans, asserens, nunquid ideo ius
habet eam tunicam mutandi et faciendi
cum ea ut velit, tanquam domina super heram? Cur non permittit Papa Episcopis et Episcopi officialibus sic
approbare eorum sigilla, ut ea liceat
eis mutare?
Sic vocem Pastoris audiunt et probant
oves, sed non faciunt, ut sit vox
pastoris, nec ei autoritatem sed testimonium et confessionem, quod sit vera vox pastoris veri, Alienum autem non
audiunt, sed fugiunt ab eo, [Joh. 10, 5]
Ioh. X.
Ita christi oves agnoscunt et probant
vocem eius, sed non dant neque statuunt
ei vocem, confitentur autem eam et damnant alienos.
Quis tunc certus est, ubi sit
Euangelion?
Respondetur:
Et quis certus est, an sit Euangelion,
eciamsi cencies Ecclesia approbet
autoritative Euangelion? Non enim ideo creditur, quia Ecclesia
approbat, [Apg. 17, 11] Sed quia verbum
Dei esse sentitur, ut Thessalonicenses fecerunt. Act. 17 [1. Thess. 1, 5] et 1. Thess. I.
Imo quis certus erit, an ulla sit
Ecclesia in terra, nisi prius Euangelio
credatur de Ecclesia docenti? Non enim primo ab Ecclesia Euangelion, sed
ab
[zu 1 vt tonat Papa3 c. cuncta per
mundum r zu 8 Isti intus primo
approbant, agnoscunt, post foris confitentur r]
[Seite 688]
[1. Kor. 4, 15] Euangelio Ecclesiam
primo habemus, ut Augustinus dicit et Paulus 1. Cor: [Jak. 1, 21] ‘Per Euangelion vos genui’ et
Iacobi 1: ‘verbo Euangelii genuit vos’. Certus
erit de Euangelio unusquisque in semetipso testimonium habens spiritus [Apg. 2, 32] sancti, hoc esse Euangelion, ut
illi Actu. 2. Postea proferendo ipsum credit, qui credit, non credit, qui non credit.
Credens fit certus, incredulus manet
incertus, Dominus autem congregat credentes in unum, ut fiat ecclesia.
[Bl. 25] Hic mihi nunc mendacia et mala
revocent, quae ex isto loco
somniaverunt, uts⌊upra. Quinam sint vere heretici
et corruptores scripturae Sanctae. Et
invenietur, quod heretici pessimi exurunt sanctos Dei et innocentes.
Quid ad locum illum Augustini:
‘Euangelio non crederem, nisi Ecclesiae
crederem’. 1
Respondetur:
Primo, Augustinum hoc loco nego in
vestro sensu. Hic clamabitis: videte
hic, domini, istum haereticum, patres negat. Respondeo: clamorem
audio sed nesciebam Ecclesiam istam non
nisi clamando posse defendi. Scripturis
expectabam ea fulciri. O felicem ecclesiam, quae indoctissimi Sophistae vociferatione subsistit! Cur non et ranas et
corvos invocatis, ut et ipsi ecclesiam
vestram tueantur, cum pertinacissime norint vociferari?
Deinde vide asinos et Bacchantes istos
quam ignari sint suae dialecticae, quam
tam magno precio docent miseram iuventutem. Arguunt enim a particulari ad universalem, A singulari ad indefinitam.
Hoc modo: Lutherus negat unum hunc locum
Augustini, ergo negat Augustinum et omnes patres. Ubi didicistis asini has regulas
consequenciae? Ego non nego ullum patrem, sed obedio Augustino, qui iubet sese negari,
sicubi reperiatur non satis solide [1.
Thess. 5, 21] probare sua, Dist. IX. ‘Noli’.2 Et sequor Paulum: ‘omnia
probate’, et Ioh: [1. Joh. 4, 1]
‘Probate spiritus’ etc.
Atque cur Sophistae non eciam dicuntur
patres negare, qui Magistrum
Sentenciarum in multis, deinde Augustinum de gracia in totum negant
dicentes cum excessive3 loqui? Scil. ubi
vultis patres negatos clamare, ibi patres
negantur, ubi non vultis, ibi non negantur, das euch Gott ehre.
Revocent ergo et hoc mendacium suum,
quo multos subvertunt et nos maxime
gravant invidia et discant Asini suam dialecticam.
Respondetur secundo
Concedendo Augustinum in sensu suo
proprio scil. sic: Ego Euangelion on
crederem, Id est, nihil scirem de Euangelio, nisi Ecclesiae crederem.
Sic enim
[Seite 689]
sequitur: Euangelio enim credidi
praedicantibus Catholicis. Hoc tantum est
dicere: Nisi Ecclesia euangelion predicaret, quis posset Euangelio
credere? Non enim nunc denuo alii
Apostoli mittentur, qui praedicent. Sed post
Apostolos Ecclesiae praedicanti creditur. Arguit enim contra
Manichaeos respondens, quare eis [Bl.
26] non credat: quia, inquit, nihil in Euangelio de vobis lego. Lego autem de Ecclesia in illo,
et huic credo, non autem vobis. Ut in
simili possis dicere de sigillis et literis heri per servum assertis
contra falsas literas. Si falsarius
queratur, cur sibi non eciam credas, Dices: tibi non credo, quia in literis et sigillis, quas
servus ostendit, nihil de te invenio. At
literae ac sigilla de servo testantur, non de te. Ideo predicanti et
asserenti servo credo, quia nec literis
potuissem credere, nec crederem adhuc, nisi servo crederem, per servum enim habeo literas,
quibus credo. Ista est vera sentencia
Augustini, si textum, causas, circumstancias perspexeris, licet
Augustinus more suo eam obscurius paulo
eloquatur. Sed illustrat tamen tandem hoc
aperta sentencia, qua mox subsecutus dicit, Euangelio enim non nisi
Catholicis praedicantibus credidi. Quid
hoc est aliud, quam: Euangelio non crederem,
nisi Ecclesiae crederem, hoc est nisi Ecclesia praedicaret.
Tamen ipse non dicit: Nisi Ecclesiae
crederem, sed sic: ‘nisi me commoveret
Ecclesiae autoritas’. Autoritate Ecclesiae movetur ad credendum videns concorditer eadem ubique doceri. Sed
hinc non sequitur Ecclesiam esse supra
Euangelion. Cum enim multa sint, quae ad credendum moveant, unum est Ecclesiae autoritas, certe pulchrum
et consolatorium ad firmandam fidem,
videre multos eadem fateri. Ideoque pocius ad confirmandam fidem ceptam valet. Alioqui prius oportet intus
verum et primum Motivum esse ad fidem
ipsum verbum, spiritu docente, post auditum externum.
Alterum Motivum est signa et miracula,
quae et ipsa movent et confirmant
autoritate certo maxima, nec tamen condunt Euangelion. Imo ex [
Tercium est sanguis et poenae martyrum,
seu constancia confessorum, quod
vehementer movet. Nec tamen est super Euangelion nec ab eis fit, sed Euangelion tales martyres facit. Et est
ante eorum fidem etc.
Quartum est duratio et victoria
Ecclesiae seu doctrinae contra tot
errores, violencias, nequicias incessabiles Diaboli, mundi, carnis. Nec
tamen ista victoria facit Euangelion,
aut supra ipsum est, sed fit ex Euangelio
tanquam causa, nec auctori [Bl. 27] tatem ei dat, seu ius supra se.
Haec et similia videtur Augustinus in
unum colligere, cum dicit: se ad
credendum non nisi Ecclesiae autoritate moveri. Sunt enim ista motiva et autoritates omnes in Ecclesia et
apud Ecclesiam. Et per haec
[ 14 zu eam steht vel causam r 15/17
Euangelio —praedicaret rot unterstr. 19/21 Autoritate —Euangelion rot
unterstr.]
[Seite 690]
ipsa movet quidem ad fidem, sed ideo
non est supra fidem, ut et Paulus [2.
Kor. 1, 24] ait: ‘Non dominamur fidei vestrae’ sed servimus pocius eidem
propter christum.
Et est hoc argumentum invictum:
Ecclesia est supra Euangelion, ergo est
eciam supra fidem, quia si dat verbo autoritatem, ut sit rectum, dat simul fidei, ut sit recta. Et tunc et potest mutare
verbum et fidem, cum fides sit infra
verbum.
Amplius: si est supra fidem, est simul
supra christum et Deum ipsum, quia inter
Deum et fidem nihil mediat et fides est donum Dei immediate, et fide efficimur unus spiritus cum Deo.
[2. Thess. 2, 4] Vides hic, quid sit
‘extolli super omnia’ et super Christum et Deum, nempe statuere Ecclesiam supra Euangelion.
[Seite 691]
[Einleitung]
[Seite 691]
Auffällig viele Entwürfe Luthers sind
uns aus der Zeit des Aufenthalts auf der Koburg erhalten, sowohl zu den
Schriften als zu den Predigten. Es erklärt sich das aus der Fülle von Fragen,
die die Zeitläufte und namentlich die Briefe aus Augsburg bei ihm anregten; bei
der Menge der ihn gleichzeitig beschäftigenden Schriften mußte er zunächst die
Gedanken auf Zettel werfen, um sie später zu ordnen und auszuführen. Zum andern
hatte er Veit Dietrich um sich, der die Gelegenheit benützte, alles ihm
Erreichbare abzuschreiben. Selbst Beilagen zu Briefen des Reformators hat er
noch eilig vor Abgang des Boten kopiert.1 Der oben S. 647 besprochene cod.
Solgeri nr. 38 ist für einige weitere Entwürfe Luthers im folgenden noch
auszubeuten.
[oben S. 589].
[Einleitung]
[Seite 691]
Jm cod. Solgeri nr. 38 steht Bl. 79
eine ὑπόθεσις
τῆς
παρακλήσεως ἐπὶ τὴν εὐχαριστίαν. Dr. Berbig konnte
dies letzte Wort nicht lesen und wurde darum nicht auf die rechte Spur geführt.
Er sah auch nicht, daß mit Bl. 27b ein Abschnitt beginnt, der an jene ὑπόθεσις
sich genau anschließt. Wir haben es mit einer ὑπόθεσις
(d. h. einem Thema und seiner ersten Skizzierung) zur Schrift Luthers
‘Vermahnung zum Sakrament des Leibes und Blutes Christi’ zu tun. Daß dem so
ist, zeigt ein Vergleich. Wir führen ihn im einzelnen in den Anmerkungen zu
unserm Texte. Natürlich zeigt sich auch da manchmal eine Umstellung oder
Abweichung. So ist die Verwendung von Psalm 111 in der Druckschrift
unterblieben, hauptsächlich wohl, weil Luther beim Ausarbeiten den Plan faßte,
[Seite 692]
[zu 16 Contraria r [d. h. in der
Ausführung soll das Gegenteil auch dargestellt werden] 19 iudicio unleserlich]
diesen Psalm in demselben Sinne
besonders auszulegen, was er ja dann auch getan hat. Jst diese Vermutung
richtig, so ergibt sich: die ‘Vermanung’ ist kurz vor der Auslegung des 111.
Psalms geschrieben.
Der Abschnitt auf Bl. 27b des cod.
Solgeri enthält kurze Thesen, die sich auf den zweiten Teil der ‘Vermahnung’
beziehen. An einigen Sätzen ist Luther bei der Ausarbeitung vorbeigegangen.
[Text]
1530
[Seite 692]
[Bl. 79a] Ὑπόθεσις
τῆς
παρακλήσεως ἐπὶ τὴν εὐχαριστίαν.
Got sei gelobet, das ich doch zur
tauffe darf niemand vermanen. Alia
omnia, quae docui, cogor hortari: s⌊cilicet Coniugium, Magistratum, Servitutem, Scholas, pastores.
Quanquam si non parvulis esset datus Baptismus,
credo, quod nulla res plus exhortationis
opus haberet. Sed divina gracia sic provisum est1, ut parvuli Baptisarentur, ut vel sic
admonerentur adulti ad fidem. Ac nisi
parvulorum Baptismus esset, forte iamdudum Turci essemus.2 Hoc
saltem potenter servavit Christus sub
Antichristo, cum coetera omnia corruperit fere.
Primo: Solis piis et salvis volentibus
esse scribo, Coeteri eciam dehortandi
sunt.3
Hic primo Preceptum et institutum Christi4 Secundo: nostra necessitas et utilitas
multiplex.
[Bl. 79b] Praecepto Christi debetur
laus, gratitudo, Reverencia5, quae
contemptu et omissione non fit,
Et consequenter Christi passio et verbum et omnia divina blasphemantur.6
[18, 19] Nostra necessitas sensata/non
sensata meo iudicio
[20, 21, 22] Exempla Meum, qui
fastidivi7/Qui salvati sunt a tentatione/Psalmus ‘Confitebor’
Vide, quid pro agno paschali cecinerit
i. e. Memoria operum eius &c..
Quanto magis nos debemus opera Christi
narrare. Si Iudei, Gentes, Prophetae,
reges, Hiob et Abraham talia habuissent! Qui tantum verbo contenti fuere.
[Bl. 27b] 1. Sacrificium aliud pium
aliud impium.
2. Sacrificium pium est aliquod opus
vel verbum Deo exhibitum pro gratitudine
acceptae graciae seu beneficii.
[Seite 693]
3. Sacrificium impium est opus vel
verbum Deo exhibitum pro impetranda
gratia velut meritum.
4. Missa cum sit opus Dei nobis
exhibitum, non potest esse sacrificium
ne pium quidem.
5. Annunciatio mortis Christi in Missa
est sacrificium laudis et pium.1
6. Sacrilegium est Missam pro sacrificio
operis, vel meriti docere et credere.
7. Multo abominabilius est ipsam
videlicet pro sacrificio vendere.2
8. Papistas et sophistas sacrilegos
esse patet, qui Missam sacrificium
operis seu meriti docent.
9. Testantur eorum voces in Canone et
illa vox Missa valet ex opere operato.
10. Tolerari possunt patres qui Missam
sacrificium vocant, quia intelligunt id
quod in Missa fieri debet seu finem Missae qui est mortis Christi annunciatio: verum sacrificium laudis.
11. Eadem ratione Eucharistiam vocant
i. e. sacrificium laudis,3
12. Quemadmodum hodie Missa possit [Bl.
28a] concio vocari et dici: eamus ad
concionem.
Nisi ex legis ritu oblationem panis et
vini pro sacramento sacrificium vocent.4
Tamen ea ipsa oblatio non sacrificium
operis sed laudis fuit et esse debet.
Nec in veteri lege ullum fuit
sacrificium operis, sed omnia sunt
sacrificia laudis,
Quia omnia pro acceptis donis offeri
mandantur.
Idolatrae accusantur merito a prophetis
Iudaei, quia sacrificia operis fecerunt
ex sacrificiis laudis.
Hoc est prorsus gentile sacrificiis
placari deum.
Non placando Deo sed placato et
beneficio offerenda sunt.
Sophistae vero pro animabus salvandis
et redimendis offerunt, nunquam pro
salvatis.
Sacrificium pro peccato potest esse
passio et mortificatio carnis, non
meritum.
[Gal. 6, 17] Sed et hoc est sacrificium
laudis, ut ait: ‘Ego porto Christum in
corpore meo.’
[Seite 694]
[Einleitung]
[Seite 694]
Was cod. Solgeri nr. 38 auf Bl. 80a
unmittelbar hinter der vorstehenden ὑπόθεσις
ohne Überschrift bringt, erinnert sofort an den zweiten Teil der Schrift
‘Sendbrief vom Dolmetschen und Fürbitte der Heiligen’. Es könnte eine
Disposition hierzu sein. Eine Studie zu dem versprochenen (s. oben S. 627, Anm.
7) Sermon von den lieben Engeln ist es nicht. Luther hat diese Predigt
gehalten, Veit Dietrich sie herausgegeben und auch ein Summarium dazu gemacht
(Bd. 32, LVII. 111. 552). Dabei ging er nur auf das Walten der guten und bösen
Engel ein. Hiervon ist aber in unserm Stück keine Rede. Nun steht aber im
‘Sendbrief’ Luthers Bemerkung, er wolle gegen die Papisten, die mit Fürbitte
der Heiligen sich nun schmücken und putzen, zu schreiben ‘itzt aufschieben.
Aber was gilts, ob ichs vergessen werde?’ Vielleicht vergaß er es nicht1 und
arbeitete hieran weiter. Wir hätten dann in unserm Entwurf die Vorarbeit zu
sehen. Die Engel kommen noch neben den Heiligen hier vor, doch ist die
Fragestellung mehr auf die Fürbitte der Heiligen zugespitzt. Die Stelle aus
Jesaja ist neu eingeführt. Bei dieser Annahme wäre das Stück zwischen dem 6.
und 29. September niedergeschrieben.
[Text]
1530
[Seite 694]
[Bl. 80a] 1. Angeli Eciamsi pro nobis orarent,
Sancti nusquam est exemplum,
quo a Sanctis sint orati et invocati.
2. Ac si exemplum esset, non satis
esset, nisi verbum quoque haberemus,
Quia non est nostrum erigere cultus et
religionem.
[Jes. 63, 16] 3. Isaias dicit: ‘Abraham
nescit nos’. Nescitur, quid iam sint Sancti
defuncti, requiescere dicit eos.
[Offenb. 22, 9] 4. In Apocalypsi
angelus non vult adorari.
5. Eciamsi orandi essent, tamen non
invocandi. Sed hactenus invocati sunt ut
potentes facere mirabilia, Sicut proverbium testatur die heyligen zeichens.2 Sicut S⌊ancti Antonii Sacer ignis. Et cuique sua virtus tributa est.
[Einleitung]
[Seite 694]
Zu den Predigten von 1530 konnten wir
mehrere Entwürfe von Summarien mitteilen: zur Predigt am 15. September (Bd. 32,
104), zur Predigt am 16. April (32, 547), zur Michaelispredigt (S. 552) usw.
[Seite 695]
Hierzu kommt aus cod. Solgeri nr. 38
auf Bl. 80b ein Sermo in die Mathei. Daß hier eine Meditation zur Predigt vom
[Text]
[Seite 695]
Sermo in die Mathei
1. Discipulus discipulorum deus,
2. Reprehensus non ignorat et contra
eos pocius dicit
neque scire recte. ‘Ite, discite.’ facere Lectio
Ite, discite, Quid sit: Misericordiam
volo non sacrificium, scientiam dei, non
holocaustum.
[Einleitung]
[Seite 695]
Der so überschriebene Abschnitt auf Bl.
81b unsers cod. Solgeri nr. 38 mutet uns zunächst an als Auszug des Briefes
Luthers an Senfel vom 4. Oktober (Enders 8, 276). Jndessen fehlen einige
bezeichnende Wendungen im Briefe, z. B. daß Luther in Sachen der Kunst anders
denke als die Schwärmer. Auch haben wir wohl Briefausschnitte, aber keine
Auszüge. Ebenso mißlich ist es, das Stück als einen Entwurf zu besagtem Briefe
anzusprechen. Ein solches Verfahren Luthers ist sonst nicht beobachtet, auch
nur bei schweren, verwickelten Fragen anzunehmen. Dazu fehlt jede persönliche
Wendung. Ja das ‘durate’ setzt eher voraus, Luther rede zu einem größeren
Kreise. So läge doch die Möglichkeit vor, Luther habe, durch seine Schrift ‘das
man Kinder zur Schule halten solle’ angeregt, eine Abhandlung über den Wert der
von ihm so geschätzten Musik angefangen; die Gedanken hätte er dann
gelegentlich bei einem speziellen Ansinnen an Senfel verwendet.
Übrigens ist unser Stück, wir wissen
noch nicht, auf welchem Wege, in die Tischreden übergegangen.
Förstemann-Bindseil 4, 567: ‘Wer die Musicam verachtet, wie denn alle Schwärmer
thun (Z. 3), mit denen bin ich nicht zufrieden. Denn die Musica ist ein Gabe
und Geschenke Gottes (Z. 5) nicht ein Menschen Geschenk. So vertreibt sie auch
den Teufel (Z. 7) und machet die Leut fröhlich (Z. 6). Man vergisset dabei
alles Zorns (Z. 9), Unkeuschheit (Z. 10), Hoffart (Z. 11) und anderer Laster.
Jch gebe nach der Theologie der Musica den nähesten locum und höchste Ehre (Z.
12). Und man siehet, wie David und alle Heiligen (Z. 13) ihre gottselige
Gedancken in Vers, Reim und Gesange gebracht haben, quia pacis tempore regnat
musica (Z. 14).’
Der Schluß tritt dann in anderen Tischreden auf.
[Seite 696]
[Text]
1530
[Seite 696]
[Bl. 81b] Περὶ τῆς
μουσικῆς.
μουσικὴν ἐράω
Eciam damnantes non placent
Schwermerii,
Quia
1. Dei donum non hominum est,
2. Quia facit letos animos
3. Quia fugat diabolum
4. Quia innocens gaudium facit,
{irae
Interim pereunt {libidines
{Superbia
Proximum locum do Musicae post
Theologiam. Hoc patet exemplo David et
omnium prophetarum, qui sua omnia metris et cantibus mandaverunt.
5. Quia pacis tempore regnat.
Durate ergo et erit melius arti huic
post nos, Quia pacis sunt.
Duces Bavariae laudo in hoc, quia
Musicam colunt. Apud nos Saxones arma et
Bombardae praedicantur.
[Seite 697]
[Einleitung]
[Seite 697]
Als nach Abschluß des Augsburger
Jnterims im Sommer 1548 Kurfürst Moritz von Sachsen mit den Theologen und
Ständen seines Landes Verhandlungen einleitete, die schließlich in das
Leipziger Jnterim einmündeten, und die Wittenberger, an ihrer Spitze
Melanchthon, um des lieben Friedens willen zu bedenklichen Konzessionen sich
bereitfanden, da erstand ihnen ein gewaltiger Gegner in Matthias Flacius, der
seit 1544 in Wittenberg die Professur der hebräischen Sprache innehatte, Ostern
1549 aber, weil ihm wegen des gespannten Verhältnisses, in das er zu
Melanchthon getreten war, in Wittenberg der Boden unter den Füßen brannte, nach
Magdeburg übersiedelte, wo er als Aufseher in den Druckereien sich seinen
Lebensunterhalt verdiente. Hatte er schon vorher in pseudonymen Flugschriften
sein bedrücktes Gewissen erleichtert und die öffentliche Meinung gegen das
Augsburger und Leipziger Jnterim und die unklare Haltung Melanchthons zu
erregen gesucht, so entfaltete er jetzt eine ungemein fruchtbare und bedeutungsvolle
schriftstellerische Tätigkeit und eröffnete mit den sich um ihn scharenden
Genossen Nikolaus Amsdorf, Erasmus Alberus, Nikolaus Gallus, Albert Christianus
einen leidenschaftlichen Kampf gegen die beiden Jnterims und ihre Verteidiger.
“Und seine Kritik war eine vernichtende. Wenn sich in Sachsen und
Norddeutschland bald allgemeiner Widerspruch erhob, der die Durchführung des
Jnterims unmöglich machte, und in dem die Volksseele sich mächtiger erwies als
die Nachgiebigkeit der Politiker und die Vermittelungsformeln schwachmütiger
Theologen, wenn damals Luthers Werk gerettet wurde, so ist dies in besonderem
Maße Flacius zu verdanken gewesen. Er hat sich damals unvergängliche Verdienste
um die evangelische Kirche erworben.”1
Zu den ersten Veröffentlichungen, die
Flacius von Magdeburg aus vom Stapel ließ, gehört eine Sammlung von Briefen,
die Luther seit dem
[Seite 698]
ALIQVOT || EPISTOLAE REVERENDI ||
PATRIS PIAE MEMORIAE D. || Martini Lutheri quibusdam Theologis || ad Augustana
Comitia. Anno 1530. scri- || ptæ, de conciliationibus Christi & || Belial
differentes1, ex quibus mul-||ta remedia præsentibus Ec- || clesiæ morbis
salutaria, || peti possunt. || Et quædam alia lectu digna. || ... 1549. ||2
Schon dieser Titel zeigt, in welcher
Absicht Flacius die Briefe dem Publikum vorlegte. In einem Nachwort erklärt er
sich noch deutlicher (fol. C 2b): Der Leser könne aus ihnen leicht erkennen,
welches Luthers Meinung gewesen sei über jene Versuche, Christus und Belial zu
vereinigen; ihre Urheber häuften zu ihren übrigen Sünden jetzt noch die, daß
sie es wagten, mit Stellen aus Luthers Schriften ihr gemeingefährliches Treiben
zu rechtfertigen. — Damit glaubte Flacius indes jene Briefe noch nicht genügend
für seine Zwecke ausgebeutet zu haben. Jm nächsten Jahre veröffentlichte er
eine Schrift mit folgendem Titel:
“Etliche tröstliche Vermahnungen in Sachen
das heilige Göttliche Wort betreffend, zu dieser betrübten Zeit sehr nützlich
und tröstlich zu lesen. D. Martinus Luther Anno 1530 ... Mit diesen Sprüchen
hat sich der heilige Mann und teure Held D. Martinus Luther getröstet Anno
1530, da ihn die Adiaphoristen mit ihrer philosophischen Klugheit und gottlosen
Vereinigung Christi und Belials sehr geplagt und geängstiget haben ...”
Diese Schrift ist in die alten
Gesamtausgaben der Werke Luthers aufgenommen worden, auch die Erlanger Ausgabe
bringt sie noch als eine von Luther “wahrscheinlich zu Koburg ... während des
Reichstags zu Augsburg” verfaßte Schrift.3 Jedoch zeigt eine genauere
Betrachtung, daß sie lediglich eine von Flacius verfertigte Mosaik aus jenen
Lutherbriefen ist.4 Trotzdem verdient die Schrift in unsrer Ausgabe wiederholt
zu werden. Nicht nur, weil sie, als zu denjenigen Veröffentlichungen gehörig,
durch die Flacius in kritischer Zeit “Luthers Werk gerettet” hat, ein
geschichtliches Denkmal ist, sondern weil sie fast ausschließlich aus echtestem
lutherischem Material besteht. Diese Zeugnisse von Luthers unbekümmertem
heroischen Gottvertrauen inmitten großer Not und Drangsal und gegenüber der
wachsenden Besorgtheit der in Augsburg versammelten Kampfgenossen werden immer
eine urfrisch-sprudelnde Quelle religiöser Kraft bleiben. Flacius hat Luthers
Briefen sehr passend den Brief des Veit Dietrich an Melanchthon vom 30. Juni
vorangestellt, in dem auch er Melanchthon zu Gottvertrauen, Gleichmut und
Seelenruhe ermahnt.5 Am Anfang schreibt Dietrich von Luther: ‘Non possum satis
mirari
[Seite 699]
singularem hominis in his acerbissimis
temporibus constantiam, hilaritatem, fidem, spem.’ Mit diesem Eindruck wird man
immer von der Lektüre jener herrlichen Briefe und der Lutherschriften aus dem
Jahre 1530 überhaupt scheiden. So bildet der Neudruck jener “Sprüche” einen
würdigen Abschluß unsres Bandes.
Ausgaben:
A “Etliche || troestliche ver- ||
manungen in sachē das heilige Got- || liche Wort betreffend, zu dieser
betruebten zeit || sehr nuetzlich vnd troestlich zu lesen. || D. Martinus
Luther || Anno M. D. XXX. || Zum Christlichen leser. || Mit diesen spruechen hat
sich der heilige Man vnd || teure held D Martinus Luther getroestet, Anno 30.
da jhn || die Adiaphoristen mit jhrer Philosophischer klugheit vn̄ ||
Gottlosen vereinigung Christi vnd Belias sehr geplagt || vnd geengstiget haben
.... [14 Zeilen] || AMEN. Matt. Fla. Illy. ||” Titelrückseite leer. 6 Blätter
in Quart. Am Ende: “Gedruckt zu Magdeburg bey || Christian Roedinger M. D. L.
||”
Vorhanden: Knaakesche Slg.; Berlin
(Luth. 8381), Dresden, Heidelberg, Zittau.
B “Etliche troestliche vermanungen, in
Sachen das heilige goettliche Wort betreffend, zu dieser betruebten zeit sehr
nuetzlich vnd troestlich zu lesen. D. Martinus Luther. Anno M. D. XXX. Matthei
7. Jr solt das Heiligthum nicht den Hunden geben ... [9 Zeilen]. Gedruckt zu
Jhena, durch Thomas Rebart. Anno M. D. LVIII.” Titelrückseite bedruckt. 8
Blätter in Quart.
Vorhanden: Berlin (Luth. 8385), Kamenz.
C “Troestliche Vermanungen an die
Christen, so vmb GOTTES Worts willen verfolgt werden. Durch, Doctor Martin
Luther gestelt, ANNO. 1530. 2. Thimot. 3. Alle die so in Christo Gottselig
leben woellen, muessen Verfolgung leiden. Psalm. 34. Der HERR ist nahe denen,
so eins betruebten Hertzen sein. M. D. LXII.” 8 Blätter in Quart. Letztes Blatt
leer.
Vorhanden: Dresden, Heidelberg.
In den Gesamtausgaben findet sich die
Schrift an folgenden Stellen: Wittenberg 9 (1557), 395b –398a; Jena 5 (1557),
11b –14b; Altenburg 5, 6 –9; Leipzig 22, 508 –511; Walch1 10, 2004 –2013;
Walch2 10,1712 –1719; Erlangen 23, 154 –162.
Wir haben den Text von Ausgabe A wiedergegeben
und die Abweichungen, die der Text in Ausgabe B und in dem am
[Seite 700]
[Bl. Aij]
[Seite 700]
Wenn uns von wegen Gottes Worts beschwerung, truebsal und verfolgung vorfellet, wie denn das heilig creutz mit bringet, So sollen uns
hernachfolgende ursachen mit Gottes
huelffe billich troesten und bewegen, in
solchem fall getrost, keck und guter
ding zu sein und die sach Gottes
gnedigem und Veterlichem willen
zuergeben und heim zustellen. Denn also
sagt Sanct Paul [2. Tim. 3, 12] II. Thi.
III. ‘Alle, die Gotselig leben woellen
in Christo Jhesu, muessen verfolgung
leiden.’ Und Acto. XIIII: [Apg.
14, 22] ‘Durch viel truebsal muessen wir inn das Reich Gottes gehen’. Und Philip. II: [Phil. 2, 12] ‘Schaffet, das jhr selig werd
mit furcht und zittern’ etc.
Zum ersten, das die sach in des hand stehe, der so deutlich sagen thar: [Joh. 10, 28] ‘Es kan sie niemand aus meiner
hand reissen’, Joh. X, jtem Matth.
XVI: [Matth. 16, 18] ‘Die pforten der
hellen sollen meine Gemeine nicht
uberweldigen.’ Und [Jes. 46, 4] Esaias
LVI: ‘Jch wil euch tragen bis ins Alter
und bis jhr graw werdet, ja ich wil es
thun, Jch wil heben und tragen und
erretten.’
[ 6 uns fehlt Jenaer Ausg. (= I) 10 heilig
creutz] Evangelium, so ein Wort vom Kreuz ist I 12 durch Gottes Gnade I 23
werdet B]
[Seite 701]
II.
So wer es auch nicht gut noch zu raten, das die sach in unser hand stuende, denn wir kuendten und wuerden sie liederlich verlieren.
III.
So sind die troestlichen spruech
je alle war und liegen uns nicht,
Psal. [Ps. 46, 2] XXXVI: ‘Gott ist unser zuversicht und sterck, Eine huelffe inn den grossen noeten, die uns treffen.’ So sagt Syrach [Jes. Sir. 2, 11] der weise man: ‘Wer ist
jemals zu schanden worden, der auff Gott
gehoffet [1. Makk. 2, 61] hat?’ Und
Machab. II: ‘Alle die auff Gott
vertrawen, werden erhalten.’ Jtem:
‘Herr, du verlessest die [Ps. 9, 11]
nicht, die dich suchen.’
IIII.
So ist es je war, das Gott seinen einigen Son fuer uns alle dahin gegeben [Röm. 8, 32] hat, Rom. VIII. Jst das
denn war, was machen wir denn mit
unserm leidigen zagen, sorgen und trawren? Hat Gott seinen einigen Son fuer uns alle dahin gegeben, wie kuend ers denn ubers hertz bringen, uns in geringerm anligen zuverlassen?
V.
So ist je Gott viel viel stercker, mechtiger und gewaltiger denn der Teuffel, so sagt Sanct Johannes in [1. Joh. 4, 4] seiner Epistel Cap. IIII: ‘der
in uns ist, der ist groesser und
stercker denn der inn der welt ist.’
VI.
Gehen wir zu boden, so mus sich Christus, der Almechtige Koenig der
[ 7 diese und dergleichen Trost-Sprüche
I 15 die] so I]
[Seite 702]
welt, auch selbs mit uns leiden. Und wenn gleich diese sach zu boden [Bl.
Aiij] gieng, so sollen wir doch viel
lieber mit Christo zu boden gehen denn
mit der hoechsten gewalt auff erden
stehen.
VII.
Das die sach nicht allein uns auff dem hals ligt, sondern es sind viel fromer Christliche leute in vielen landen, die mit hertzlichem seufftzen und Christlichen Gebet zu uns setzen und beystehen.
VIII.
So haben wir je viel reiche und troestliche verheissunge und zusagung Gottes, derer der gantze Psalter und alle Euangelia, ja die gantze schrifft vol sind, die keines wegs zuverachten, sondern auff das hoechste zuhalten sind, [Ps. 55, 23] als psal. LV: ‘Wirff dein
anligen auff den Herren, der wird dich
versorgen, und wird den gerechten
nicht ewiglich in unrug lassen.’ Psalm
XXII: [Ps. 27, 14] ‘Harre des Herren,
sey getrost und unverzagt und harre des
Herren.’ Jtem Christus selbs spricht
Johan, xvj: [27, 28] [Joh. 16, 33] ‘Seid getrost, ich habe die welt
uberwunden.’
Es wird ia nicht falsch sein, das weiß ich fur war, das Christus der Son Gottes die welt uberwunden hat. Warumb fuerchten wir uns denn fur der welt als einem sieghafften
uberwinder? Solt einer doch einen
solchen spruch auff seinen knien von Rom
und Jerusalem holen, Aber weil wir
derselbigen so viel haben, so verachten
wir sie. Das ist aber nicht gutt.
[ 7 die] diese I 9 Christlicher B 10
die sich I 11 Christlichem B 16 derer] so I 19 sind fehlt I 33 einen B]
[Seite 703]
IX.
Ob nu unser glaube schwach ist, so last uns allein ernstlich bitten mit [Luk. 17, 5] den Aposteln Luce xvij: ‘Herr,
stercke uns den glauben.’ Und mit des
kinds [
X.
So ist diese sache unter dem Roemischen Keiser Maximiniano, Diocletiano und andern, so die Christenheit greulich verfolgten und sie gar auszurotten sich unterstunden, auch zur zeit Johannis Huss und anderer mehr viel groesser und fehrlicher
gewesen denn bey unser zeit.
XI.
Ob wol diese sach gros ist, so ist auch dagegen der, so sie erregt hat, auch fueret und treibt, gross, ja Almechtiger Schepffer himels und der erden, denn sie ist jhe nicht unser. Warumb wolten wir uns denn derhalben on unterlas peynigen und entlich zu tod martern?
XII.
Jst diese sach und lehre falsch, warumb thun wir nicht einen
widderspruch? Jst sie aber
rechtschaffen, wie sie ist, so war Got
lebt und ewiglich bleiben wirt, Was
luegenstraffen wir denn Got in seinen
manigfaltigen, troestlichen,
unwandelbarn und ewigen verheissungen?
der uns heisset in jhm guter ding und
froelich sein, psal. xxxij: [Ps. 32, 11]
‘Frewet euch des Herren’, Und Psalm [Ps.
145, 18.19] cxlv: ‘Der Herr ist nahe allen, die
[ 9/10 den — Keisern B 30 ewig B]
[Seite 704]
jhn anruffen, allen, die jhn mit ernst anruffen. Er thut, was die
Gottfuerchtigen begeren, Er hoeret jhr
schreien [Ps. 91, 14 –16] und hilfft
jnen.’ Und Psal. xcj: ‘Er begert mein,
so wil ich jhm aushelffen. Er kennet
meinen namen, darumb wil ich jhn
schuetzen. Jch bin bey jhm in der not,
Jch wil jhn heraus reissen und zu ehren
setzen. Jch wil In settigen mit langem
leben und wil im zeigen mein heil.’
[Bl. A 4] XIII.
Wenn wir uns gleich sehr bekuemmerten und sorgeten, so koennen wir doch mit unsern unnuuetzen sorgen nichts ausrichten, Ja plagen und marteren uns selbs und machens damit nur erger. Er will, das wir jhn fur unsern Gott und Vater in Christo erkennen, Jhn in allen unsern noeten anruffen und uns des gewis zu jhm versehen, das er fur uns sorge. Petrus [Ps. 55, 23, 1. Petri 5, 7] spricht aus dem
lv. Psalm: ‘Alle ewre sorge werffet auff
jhn, denn ehr sorget fur euch.’ Und
Christus selbs spricht [Matth 6, 31]
Matthei vj: ‘Jhr solt nicht sorgen.’
XIIII.
So kan auch je der Teuffel und seine Gliedmassen nicht mehr thun, denn das sie uns leiblich toedten, die seele muessen und sollen sie uns
unangetastet lassen, als Christus
sagt und die seinen troestet. Matthei
x: [Matth. 10, 28] ‘Furchtet euch nicht
fur denen, die den leib toedten und die
seel nicht koennen toedten.’
XV.
So ist Christus unser lieber Herr und Heiland ein mal fuer die Suende
[ 9 setzen] machen I 25 selbs fehlt I
32 Christus selbs I 38 ist fehlt B]
[Seite 705]
[Röm. 4, 25; 6, 10] gestorben, Wie Roma. 4.
und 6., Ebre, v. [Hebr. 5, 3; 9, 28] und
ix. stehet geschrieben, wirt hinfurt umb
der Gerechtigkeit und warheit willen
nicht mehr sterben, Sondern lebet und
herschet ein Almechtiger Herr uber alle
Creaturn. Jst nu das war, wie die
schrifft bestendiglich zeuget, was
fuerchten wir uns denn?
XVI.
Ob wir gleich umb Gottes Worts willen zu druemmern gehen sollen, wenn es Gott also schikete, so wuerde doch der Almechtige, Barmhertzige Gott, der unser Vater umb Christus willen ist worden, auch unser weiber und kinder, Widwen und weisen, freuntlicher,
gnediger Vater und haushalter, schutz
und schirm sein wil und alle sachen
tausentmal besser auffrichten, denn wir
bey unserm leben.
XVII.
So haben je unsere vor eltern und vorfarn diesen hohen, Edlen, theuren Schatz, nemlich den rechten, reinen verstand Goettlichs worts nicht gehabt, wie wirs nu (Gott lob) reichlich haben und dieselbige zeit, da das liebe Wort kurtz vor dem Juengsten tage wider an tag bracht, erlebt, welche unaussprechliche wolthat uns wider farn ist aus lauter guete, gnade und gabe Gottes. Eben der selbige Gott wird auch nach uns Gott und Schepffer sein und bleiben, wie er vor uns gewest ist, und jhm ein heufflein samlen und erhalten bis an der welt ende, Und wirt nicht mit uns sterben noch auff hoeren, wie wir kleingleubigen uns duencken lassen.
[ 2 geschrieben stehet I 9 XVI] XI A 18
sein] seinwil A sein BI]
[Seite 706]
Also dauchte den Priester Eli, da die Philister den Jueden die lade Gottes abgedrungen hatten, es wuerde das gantze Juedenthum mit Priestumb und Koenigreich zu boden gehen.
Als aber der Priester Eli zurueck fiel und den hals entzwey brach [1. Sam. 4, 18] j. Sam iiij., stunds umb der
Jueden Koenigreich viel besser denn bey
seinem leben.
Also, da der Koenig Saull sich selbs jemerlich erstach, da sein volck erlegt ward und seiner Soene drey in der selben schlacht blieben j. Sam. xxxj., [1. Sam. 31, 4. 9] [Bl. B1] Was kuende man
anders gedencken, denn es were nu gar
aus mit der Jueden Koenigreich? Aber
hernach zu Davids und Salomonis
zeiten kam erst zu seiner hoechsten
krafft und herligkeit. Da die Papisten Johannem Huss zu Costnitz im Concilio Anno 1416 verbrant hatten, triumphirten sie und hielten es fur gewiss, sie hetten das Bapstumb nu erst recht erhoehet, Aber der Babst ist vor nie verechter gewesen denn eben von der selbigen zeit an.
XVIII.
So sind wir je des durch Gottes Wort gewiss versichert, das nach diesem elenden, vergenglichen leben, des wir keinen augenblick sicher sind, wirt ein ewiges, seliges leben und Reich
sein. Sonst muesten wir das erste
Gebot sampt dem gantzen Euangelio
und heiligen Schrifft austilgen. Dann
was beduerffen wir eines Gottes allein
um dieses vergengklichen lebens willen,
in welchem es denen am aller besten
[ 4 Priesterthum B 15 kundte B 19 kam
es B 21 Costnitz] Costmtz A 30 vergänglichen elenden I des fehlt B 37 vergengklichen
sterblichen I]
[Seite 707]
gehet, die keinen Gott haben? Jst aber ein Gott, wie alle Gottselige frome hertzen gewiß und feste gleuben und darauff leben und sterben, So werden wir nicht allein hie eine kurtze zeit, sondern an dem ort, da Er ist, ewiglich leben.
XIX.
So setzt je das Erste gebot Gottes unsere kinder und nachkommen in Gottes schutz und vorspruch, da Gott [2. Mose 20, 6] selbs sagt: ‘Jch erzeige Barmhertzigkeit in tausent gelied denen, die mich lieben und meine gebot halten.’ Diesen hohen, troestlich worten der Goettlichen Maiestet gleuben wir billich.
Und ob wol der Glaube schwach ist, gleichwol geben wir Gott die ehre, das, was Er redet und verheisset, koenne und woelle er auch thun.
XX.
Wenn uns Gott dieses alles durch einen Engel verkuendigen liesse, so wuerden wirs freilich nicht so in wind schlahen und verachten, wie wir leider thun, wens uns durchs wort wirt
furgetragen. Aber wenn wir gleich
der muendlichen Predigt nicht gleuben
wolten, so solten wir doch die
Propheten, Christum selbs und Aposteln
nicht verachten, welche uns alle so
reichlich Predigen mit Trostreden,
freundtlich vermanen und locken und
gleich uberschuetten, [Ps. 32, 11] wenn
sie sagen: ‘Frewet euch [5. Mose 31, 6]
des Herren’, ‘Seid getrost und unverzagt,
[Ps. 62, 9] Fuerchtet euch nicht’, ‘Hoffet auff den Herren, Schuettet Ewer hertz fuer [Ps. 107, 1, Joh. 16, 33] jhm aus’, ‘Dancket
dem Herren’, ‘Seid
[ 30 und die I 33 gleichsam I]
[Seite 708]
getrost, ICH habe die welt uberwunden’, [Phil. 4, 5 f.] ‘Der Herr ist nahe,
Sorget nichts’ etc.
Wenn wir nu solcher mannigfeltiger Goettlicher vertroestung nicht gleuben, so wuerden wir freilich auch nicht gleuben, wenn gleich auch nicht einer, sondern viel Engel kemen und uns dieses verkuendigten.
XXI.
So ist gewislich war, wenn der widerteil uns gleich alle erwuergete, so es Gott jhnen also verhienge, Es wuerde ungerochen nicht bleiben. Eben der wuerde sie in kurtzem darumb ansprechen, [1. Mose 4, 9] der zu Cain sagte: ‘Wo
ist dein Bruder Habel?’ sie
feldtfluechtig und jhnen die welt zu eng
machen.
[Bl. Bij] XXII.
Man sey in dieser sachen, Gottes wort belangend, nur getrost, Denn Christus, des sie ist, wird sie widder des leidigen Teuffels list und der argen falschen Welt Tyranney wol [Matth. 10, 32] verteidingen und erhalten und
die, so jhn bekennen fuer diesem
boesen, Ehebrecherischen geschlecht und
drueber sich viel leiden muessen, wird
er widerumb bekennen fur seinem
Himlischen Vater und sie jres leids in
ewigkeit ergetzen. So saget auch Gott
selbs j. Samuelis [1. Sam. 2, 30] ij:
‘Wer mich ehret, den wil ich wider
ehren.’ Ob nun wol die wasser strom im
Mehre gros seind, viel wellen empor
heben und grewlich brausen, als wolten
sie uns itzt alle erseuffen, So ist doch
der HErr in der hoehe, der sein Reich
angefangen hatt, so weit
[ 7 auch fehlt I 21 Dnen A 28 viel
fehlt I 34 viel] veil A ihre I]
[Seite 709]
die welt ist, und zugericht, das es bleiben sol, noch groesser, ja
Almechtig, der wirds wol hinaus fueren.
AMEN.
Darumb so wird nu nichts anders draus, Wollen wir Christum haben, mit im ewig leben und herschen, so [2. Tim. 2, 5] mus es je zuvor gelitten sein.
Weil dem also ist, was woellen wir uns denn an der Todten Goetzen trotzen und wueten Keren? Von welchen [Ps. 2, 4] der ij. Psalm sagt, das Got im
Himel jhr lache und spotte.
Weil nu der Ewig und Almechtig Keiser, der Gott heisset und ewiglich bleibet, jhrer lachet und spottet,
Warumb solten wir uns vor jhnen
fuerchten, trauren und weinen? Warlich,
Gott spottet jrer jhe nicht von seinet
wegen, Er bleibet wol als der im
Himel wonet fur jhrem zorn, Sondern uns zu trost, das wir auch ein hertz und mut fassen und alle jhre anschlege verlachen sollen.
Darumb wird uns in dieser sachen allein von noeten sein, das wir solches gleuben und in starcker zuversicht im namen Christi bitten, das, wil Got sein Reich auffgericht hat und sein werck ist, dasselbe wolt stercken. Denn ers ja on alle unser zuthun, Ratt,
gedancken und furnemen erregt, auch biss anher regiert, getrieben und erhalten hat, Jch zweiffel auch gar nichts, er wuerde es gewislich an unsern Ratt und zuthun hinaus fueren. Denn ich [2. Tim. 1, 12] weis (sagt S. Paulus), an wen
ich gleube. Bin auch gewis, das er kan
[ 8 je] hie I 14 und fehlt I Allmtchtig A 28 Jhesu Christi BI wil Got] Gott, der I 35 on B]
[Seite 710]
mehr geben, uber schwencklicher thun, raten und helffen, denn wir bitten oder verstehen. Er heisst HErr, der
wunderbarlich, [Eph. 3, 20] herrlich und
gewaltiglich helffen kan und wil und
eben denn, wenn die not am hefftigsten
ist. Wir sollen menschen und nicht Gott
sein, uns seines Worts troesten und
auff seine zusage getrost in der not
umb rettung jhn anruffen, so wil er helffen.
Das ist die Summa darvon, Es wirt doch nichts anders draus, Odder ist Ewige unruge unser lohn. Da behuete uns ja Gott fuer umb seines lieben Sons, unsers Heilands und Ewigen Priesters Jesu Christi willen,
AMEN.
[ 6 hefftigsten] grösten I 9 in] in in
A 17 Hohenpriesters I]
[Seite 711]
Abschließendes Material
[Seite 711] Zu S. 20 f. (zur Beschreibung
der Ausgaben A –D). Eine frühere Umfrage hat zu den Drucken A –D eine Anzahl
Exemplare nachgewiesen, die sich ohne Einsicht nicht sicher auf diese vier
Spielarten des Urdrucks verteilen lassen, deren Fundorte aber hier summarisch
mitgeteilt werden sollen. Es sind: Arnstadt (2), Aschaffenburg, Bamberg,
Breslau St. und U., Dessau, Eisenach, Erfurt Mart., Erlangen Eßlingen,
Frankfurt St., Göttingen (2), Halle Mar. und U., Hamburg (unvollst.), Hannover
Kgl., Helmstedt (2), Jena (2), Veste Koburg, Leipzig U., Lübeck St., Münster,
Nördlingen, Nürnberg G. M. (2), Rostock, Weimar, Wittenberg (2), Worms, Zittau;
Olmütz, Petersburg, Zürich St.
[A. G.]
Zu S. 42, 19. Der graue Rock ist der
unscheinbarste und darum häufigste von allen. Aus Demut hat Christus nach der
Vorstellung des Mittelalters einen grauen Rock getragen, Literatur darüber in
Goedekes Grundriß I2 67, so stellt es aber auch noch 1522 Niklas Manuel im
Eingang seines Spiels Von Papsts und Christi Gegensatz dar: Wer ist der
gůt fromm biderman, Der da ein grawen rock treit an Und uf dem schlechten
esel sitzt Und treit ein kron, von dörnen gespitzt? Zugleich ist der graue Rock
höfisches Almosen, das den Fahrenden gereicht wird, darüber belehrt der König
Rother und die bei Goedeke a. a. O. genannte Literatur, von da aus ist das 9.
Kapitel von Murners Schelmenzunft 1512 Eyn grouw rock verdienen zu verstehen,
an das wohl Fischart 1575 im Gargantua Neudr. 186 anspielt: die groen Roeck,
die man zu Hof verdienet. Im 15. Jahrhundert tritt er (in Kellers
Fastnachtspielen 157, 21 ff.) geradezu als Strafe auf: man sol ... in drei tag
darnach setzen Bei der fleischprucken in den stock, Anlegen ein langen groen
rock, Geringschätzung liegt auch in der Stufenfolge das. 776, 27 ff.: Scholt
sie (die Röcke) durch stet mancher tragen, So müst er tragen gra, Den man siht
tragen pla. Vor allen aber ist grau der Rock des Bauern und so kennt es Luther.
Von hier aus ist zu verstehen, daß Karlstadt als ‘Bruder Endres’ einen grauen
Rock anlegte, worüber sich Luther 1525 Erl. Ausg. 29, 140 erregt: Diese
Toedtunge handeln diese falsche Propheten auch nicht recht; denn sie nehmen
nicht an, was ihnen Gott zufugt, sondern was sie selbs erwaehlen, tragen graue
Roecke, wollen Bauren gleich sein, und des Narrenwercks viel; entsprechend
daselbst 177. 210. 226. Ickelsamer nimmt 1525 Clag etlicher brüder a ija
(Braunes Neudrucke Nr. 118 S. 43) Karlstadt in Schutz: Solts darzů noch
eyn schand vnd vnrecht sein, mit den eynfeltigen vnd armen bauren eyn grawen
rock tragen? welche christliche demütikeyt du dem Carolstat hones weise, vnnd
als eyn heüchlerische gleißnerei vngetreülich fürwirffst. Noch 1673 ist der
typische Bauernkittel grau, vgl. Christian Weises Erznarren Neudr. 93: Endlich
giengen zween Maenner vorbey. Einer hatte ein grau Roeckgen an, und waere
leicht vor einem Bauer mit hingelauffen, wenn er nicht ein Haelsgen umbgehabt.
[A. G.]
Zu S. 43, 1/2. Es sind ihenseit des
bergs auch leute, in Luthers Sprichwörtersammlung Nr. 51 in der Form: Jhenest
des berges sind auch leute, mit vielen Nachweisen von Thiele aus Luther. Der
dort zuletzt angeführte: [Emser] kan nit dencken, das noch leut auff erden
seyen 1521 Unsre Ausg. Bd. 7, 625, 30 hat wohl Emser veranlaßt, in seiner
Quadruplica 1521 Cija zu antworten: Horest du monch, das du die schrifft noch
nit gar fressen
[Seite 712]
hast, vnd das yhenhalb des bachs ouch
lewt seyn? und E ij a: dann die frosch auff vnser seyten, got lob, nith so gar
blind sint, als die yhenhalb des bachs. Da es sich um den Streit zwischen einem
Wittenberger und einem Theologen des Dresdner Hofes handelt, könnte man an die
Elbe denken, wenn die Wendung nicht schon völlig erstarrt und noch weithin im
Gebrauch wäre. Hans Sachs denkt, manchmal erkennbar, an die Pegnitz, wenn er
allein zwischen 1534 und 1566 fünfzehn Schwänke (den 39. 94. 106. 113. 123.
151. 198. 215. 249. 325. 333. 342. 361. 366 und 387 der Neudrucke) mit einer
Formel schließt wie: Der fuendt hie vnd jenset des bachs Viel Hoffgesindes,
spricht Hans Sachs. Auch bei Oberdeutschen ist die Wendung heimisch, vgl.
Martin Butzers Brief an Landgraf Philipp von Hessen vom 18. Januar 1546: es
weren nach fil guter leut auch jenseit des bachs, die wurden unß, so wir
brechten, das der warheit gemeß, dapffer zuspringen; Zimmersche Chronik IV 330:
Jenhalb Bachs sein auch Leut; Theobald Hock 1601 Schönes Blumenfeld Neudr. 116:
Jetzt waist, das Leuth ohn grausen Jenseit deß Bachs auch hausen; Moscherosch
1642 Gesichte Philanders hg. von Bobertag 190: Da gedachte er aber bey sich
selbst: vielleicht hats jenseits deß Wassers auch Leute, zog vber Meer vnd kam
in eine Jnsel; Hermann Fischers Schwäb. Wtb. I 551 aus einer Ulmer Handschrift
von etwa 1700: Eß hat geheissen: über den Bach sind die Leüth auch dahaimb, die
vonn der Farb reden können. Seit dem 17. Jahrhundert kommt daneben die andere
Wendung auf, die Schiller 1804 im Tell III 3 vom Knaben Walther umspielen läßt,
noch nicht voll entwickelt in Moscheroschs Gesichten 10 f.: Doch, solches eigentlich
zu erkennen, nam ich mir vor, vber den blowen Berg in ein ander Land vnnd Reich
zu ziehen, vmb zusehen, ob daselbsten Treu vnd Religion, Glauben vnnd
Redlichkeit auch also vermummet, oder ob sie besser zu finden, ehrlicher
gehalten vnd belohnet wirden. Zuerst in typischer Prägung in Grimmelshausens
Simplicissimus 1669 Neudr. 111: daß sich dannenhero, Doctor hin oder Doctor
her, viele vergeblich einbilden, sie seyn allein witzig und Hans in allen
Gassen, dan hinter den Bergen wohnen auch Leute. In dieser verbreiteten Gestalt
ist die Wendung nicht auf Deutschland beschränkt, vgl. Joh. Ludv. Heiberg 1813
Pottemager Walter 1 2 Da du fortalte mig om andre Lande, Om andre Mennesker bag
hine Berge. In der Tiefebene muß die Anschaulichkeit verblassen, so bei Fritz
Reuter 1859 Hanne Nüte 34: süs wahn'n hir achter ok noch Lüd'. In moderner
Mundart finden sich zwei Abarten der älteren Wendung, im Elsaß: Er is vo ene am
Bächle, ene am Rin = ist ein Altdeutscher (Martin-Lienhart I 42b), in Schwaben:
Der ist 'nüber über de Bach = nach Amerika ausgewandert (Fischer 1 551). — Ein
selbständiges Leben hat bis ins 16. Jahrhundert eine nur dem Wortlaut nach
anklingende ‘scherzhafte Localisierung allgemein üblichen Thuns’ wie es
Liebrecht Germania hg. von Pfeiffer 7 (1862) 498 genannt hat, geführt, die
zuerst um die Mitte des 13. Jahrhunderts beim Tanhûser (Bartschs Liederdichter
Nr. 47 V. 86 ff.) auftritt: Von amûre seit ich ir, daz vergalt si dulze mir: si
jach, si lite ez gerne, daz ich ir taete als man den frowen tuot dort in
Palerne; weiter in Von der Hagens Gesamtabenteuern II 301: eins spiles si dâ
begunden alsô man jensît Rînes tuot; im 16. Jahrhundert mit Annäherung an die
vorige Wendung, so wenn Niklas Manuel 1525 im Ablaßkrämer V. 200 ff. eine über
ihren Beichtvater klagen läßt: Er het mir zwo kronen enttragen Allein darum,
daß ich im gebichtet han, Daß ich mit minem fromen elichen man An einem vasttag
tet, das man enent em bach tůt; oder wenn Burkard Waldis 1548 im Esopus IV
81, 9 f. (hg. von Kurz II 203) ein junges Weib einen alten Mann nehmen und
dabei denken läßt: Er kan dir doch nit geben muth Wie man jensit des Wassers
thut.
[A.G.]
Zu S. 69, 18 der Egyptischen zippeln
und knoblauch — zippeln s. v. a. Zwiebeln, ndd. cipollen s. Walther-Lübben;
ital. cipolla.
[O. B.]
Zu S. 79, 21 drinnen &c.. — Die an
dieser Stelle vorhandene Schwierigkeit wird behoben, wenn man statt des Punktes
nach ‘drinnen’ ein Komma setzt, so daß das ‘Nach dem’ ordnungsmäßig den
Nebensatz einleitet. Durch diese Änderung würde sich auch Anm. 2 erledigen.
[O. B.]
[Seite 713]
Zu S. 140 A. 2. — Die dort
ausgesprochene Vermutung, für kaum recht etwa kaum unrecht zu lesen, dürfte
sich erledigen, da kaum recht mit Klaiber Z. f. dtsche. Phil. 26, 33 als ‘eben
recht’ zu verstehen ist; vgl. auch oben S. 524, 16 und Anm.
[O. B.]
Zu S. 142 A. 2 Welsche Hochzeit,
florentzische Breute vgl. S. 337 A. 7 und unten Nachtrag zu S. 323, 30 ff.
Zu S. 147, 9 verkomen. — Wegen des
Akkusativobjektes erscheint hier wohl die Übersetzung verkomen = ‘verhüten,
verhindern’ als passender; ähnliche Fälle vgl. D Wtb. 12, 679 unter verkommen
Nr. 4.
[A. G.]
Zu S. 147, 9 gesein. — Alle die 24
Belege des D Wtb. 4, 1 (2. Teil) 4024 für den Infinitiv ‘gesein’ bieten diesen
neben Formen von können oder mögen, ebenso die bei Dietz s. v. Vgl. Paul, Mhd.
Grammatik6 § 309.
[A. G.]
Zu S. 151 Ausg. A der ‘Heerpredigt
wider den Türcken’. — J. Luther notiert noch folgende Spielart von A:
Beschreibung wie A., nur die Jahreszahl auf Titelblatt gesperrt gedruckt: “M D
XXIX.”
Aber auf Bogen A und anscheinend auf
Bl. G 1ab G 2b G 3ab G 4b neuer Satz. Vgl. A2a Z. 20 erwuer-||get (statt erwuer
|| get); A 2b Z. 6 villeicht (statt vielleicht); A 3a Z. 11 pusfertigen (statt
pusfertigen); A 3b andern ... zun || (statt ander ... zu den ||); A 4a Z. 12
Keiserthum (statt keiserthum); A 4b Z. 16 getoedtet (statt getodtet); und viele
andere Abweichungen.
Ferner: G 1a Z. 8 blatern (statt
blattern); G 1b Z. 11 strenge, || (statt strenge ||); G 2b Z. 15 denn (statt
den̄); G 3a Z. 1 schen || den (statt schen- || den); G 4b Z. 9
dreyssigsten (statt dreissigsten). — Aber in einigen Exemplaren gemeinschaftlich
Bl. G 4a Z. 5 knecht sein.
Vorhanden: Wernigerode Hc 248 (3).
Das Exemplar Berlin Luth. 5391bis hat
Bogen A wie A, und nur Bogen G wie das hier verzeichnete Exemplar Wernigerode.
[J. L.]
Zu S. 152. Zum Drucke B. — Die Karte
der alten Welt, die sich in dem Druck B vom Jahre 1530 und ebenso in Justus
Jonas' Schrift Das siebend Capitel Danielis (Wittenberg, Hans Lufft), sowie in
Luthers Übersetzung Der Pro-|| phet Daniel || Deudsch. || Marti. Luther. ||
Wittemberge. || 1530. || (Titel in Einfassung; am Ende: Gedruckt zu Wittemberg,
|| durch Hans Lufft. ||) findet, ist die Darstellung von Daniels Traum (Dan.,
Kap. 7). Vgl. auch Unsre Ausg., Bibelübersetzung 2, 484 f.
[J. L.]
Zu S. 152 Druck G. — Dieser Druck ist
identisch mit dem in der Erl. Ausg. 31, 81 unter Nr. 5 beschriebenen Exemplare.
[J. L.]
Zu S. 214 A. 2. betoren vgl. aber Dietz
s. v. betheren, die Bedeutung dieselbe wie ‘beschmeissen’, eig. sich mit Teer
beschmutzen, s. D Wtb 1, 1701 s. v. betheren.
[O. B.]
Zu S. 225 A. 3. Wir mussen yhm auch
deudschland heissen vielleicht = wie den Italienern, die es auf alles, was
deutsch heißt, abgesehen haben.
[O. C.]
Zu S. 238ff. ‘Vermahnung.’ — Zu Luthers
“Vermahnung an die Geistlichen” und “Brief an den Kardinal Erzbischof zu Mainz”
ist noch eine Tischrede Luthers hinzuzunehmen, die aus den ersten Monaten des
Jahres 1532 stammt und uns in doppelter Aufzeichnung überliefert ist:
Cordatus Nr. 536 [wir zitieren Cordatus
nach der Zellerfelder Handschrift, daher die Abweichungen von Wrampelmeyers Ausgabe]:
Jch Habe mich gnug gegen yhn [den
Papisten] erbotten in der ‘vermanung’, es wil aber nichts helffen, Ad quod D.
Ionas, eos dixisse Augustae, Was solt wir radschlahen, Jst doch alles bereyt
beschlossen, Sed post octiduum eos illius libri penitus oblitus /Schlaginhaufen
Nr. 92:
Jch hab mich genug gegen im [lies in]
repotten in der ‘vermanung’, me laborem et passiones propter Christum velle
habere, modo ipsi tollerarent nos. Es will aber nichts helfen. Respondit D.
Ionas: Magnus est liber iste, et maxime commovit primo
[Seite 714]
esse, Donec veniret p̄s̄ 2
‘Quare’, O wie lang war vns die weile, Sed rursus levabamur luctu nostro
vestris literis, maxime allegoria de Sole lucente et nube. /papistas Augustae,
dicentes, was sollen wir ratschlagen, ist doch bereitt alles beschlossen; et
tamen in octiduo omnino oblitos illius libri securissimos factos esse.
[Die Münchner Handschrift Clm 943 f.
168 fährt fort:] Deinde venit secunda pars [lies secundus psalmus], iterum eos
irritans. O wie lang war vns die zeitt alda, quam suspira[ba]mus. Et nostrae
[lies vestrae] literae erant nobis summa refrigeria, praecipue de nube et sole
splendente et eius allegoria [vgl. de Wette IV 127]
(Aus einem Text dieser Nachschrift
stammt Förstem.-Binds. III 353.)
Nach Schlaginhaufens Text ist klar, daß
Luthers Bemerkung, er habe sich genug gegen die Papisten in der ‘Vermahnung’
erboten, sich auf den Abschnitt oben S. 340 ff. bezieht. Angesichts dieser
Erklärungen Luthers schien den Gegnern weiteres Ratchlagen aussichtslos, da
doch alles bereits “beschlossen”, d. h. die Position Luthers unabänderlich fest
war; weitere Verhandlungen waren also überflüssig. — Zu Luthers Auslegung von
Ps. 2 vgl. auch noch die Tischrede Cordatus Nr. 635: D. Ionas dixit: Jch mein,
D., yhr insultirt Got im psalm Quare fremu: gent: [Handschrift Ant: es muß aber
gent: heißen (Quare fremuerunt gentes)], Den ich [nämlich Luther] gen Auspurck
schickte, Cui respondi, Welcher prophet hat gott nicht gescholten? Iob a
principio pacientiss: tandem fiebat impacientiss:
[O. C. u. G. Kawerau.]
Zu S. 266 A. 93. Vgl. noch meinen
Aufsatz: Eine seltsame Christusreliquie, Archiv für Kulturgesch. 7, 137 –144.
[O. C.]
Zu S. 278, 20 Jn bus Correptam. — Auf
diesen Ausdruck lenkte Kawerau, Ztschr. f. deutsche Philologie 24, 42 f. die
Aufmerksamkeit. Er hatte ihn auch noch in den Tischreden gefunden (Erl. Ausg.
61, 282), wo es in einer Schilderung des Todes des Wiedertäufers Hetzer heißt:
Als er nun gerichtet werden und sterben sollte, da fuhre er auch in bus correptam.
Kawerau trug dann (Z. f. dtsch. Ph. 24, 424) noch eine zweite Stelle aus den
Tischreden (Erl. Ausg. 61, 104) nach, wo Luther von Erasmus sagt: ist gestorben
wie ein Epikurer, ohne einigen diener gottes und trost, ist gefahren in Bus
correptam. Ein Deutungsversuch von Sievers brachte Kawerau auf die richtige
Fährte (S. 424 f.): Es handelt sich um eine euphemistische Benennung der Hölle,
die aus der lateinischen Grammatik stammt und zunächst als Schülerwitz
verstanden werden will. Nicht allein, daß Angaben wie folgende: ‘genit.sing.
[3. decl.] desinit in is correptam [scil. syllabam]’ ganz geläufig sind,
sondern wir begegnen auch Tabellen über die Quantität der Endsilben in den
verschiedenen Deklinationen, die in der 3., 4. und 5. Deklination mit ‘Ablativus
in bus correptam’ endigen. Offenbar stammt diese Bezeichnung: ‘[desinit] in ...
correptam [syllabam]’ aus einer alten, langjährigen Schulpraxis. Da ist wohl
denkbar, daß ‘in bus correptam’ als letztes in der Reihe launige Bezeichnung
des Lebensendes wurde, oder aber es ist möglich, daß eine Schultabelle, welche
überhaupt die Quantität der Endsilben dozierte, zu ‘in bus correptam’ als
Beispiel ‘Erebus’ aufführte und so jene scherzhafte Bezeichnung hervorrief.
[O. C.]
Zu S. 279, 22. schinderey eigentl. Straßenraub s. Lexer.
[O. B.]
Zu S. 282 A. 2. W. Köhler, Luther und die
Kirchengeschichte S. 206.
[O. C.]
Zu S. 297 A. 5. Vgl. noch P. Fr.
Bonaventura Kruitwagen, O. F. M., De Gulden Mis, De Katholiek, Dl. 130, blz.
438 vv.; Dl. 131, blz. 158 vv.; 464 vv.
[O. C.]
Zu S. 300 A. 1. Außer der hier
genannten Oktavausgabe der Düsseldorfer Disputation gibt es eine Quartausgabe,
die ebenfalls in der Zwickauer Ratsschulbibliothek vorhanden
[Seite 715]
ist: “Handlung vnd Disputation So
zwi-|| schen des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd herrn || herrn Johans
Friderich hertzogen zu Sachsen &c. Predican || ten Fridrich Mecum, ...
ge-|| schehen vnd ergangen. || M. D. XXvij. ||”
[O. C.]
Zu S. 323, 30ff. Vgl.: “Der Pro-|| phet
Daniel || Deudsch. || Marti. Luther. || Wittemberge. || 1530. ||” Bl. Lijb
(Randglosse zu Dan. 11, 37): “(Frawen liebe) Er wil sagen, das er jnn dem
vnnatuerlichen laster schweben wird, da die Gottes verechter mit geplagt werden
Ro. j, Das man heisst welsche hochzeit [vgl. S. 337 A. 7] vnd stummen sunde,
...”
[O. C.]
Zu S. 327, 32 lies schlechts1 d. h. mit
Anmerkungszeichen.
[O. B.]
Zu S. 328 A. 1. Statt die Pepst lies: der Papst.
[O. C.]
Zu S. 336, 27f. schmitzen wohl eher = quälen, s. D Wtb.
9, 1101 unten. druecken = treffen.
[O. B.]
Zu S. 338, 2 und 16. ehrlos = schändlich, wenn nicht
Luther ehelos gemeint hat,
[O. B.]
Zu S. 344 A. 2. In Werner Rolevinks
Fasciculus temporum in der Ausgabe Coloniae H. Quentell 1481 (bei Hain 6929)
Bl. d jb heißt es von dem Prokurator Valerius Gratus: ‘Iste palam vendit
sacerdocium’ (vgl. Schürer, Gesch. des jüdischen Volkes II2, S. 168 f.). Kurz
vorher wird Herodes erwähnt. Wahrscheinlich geht Luthers Angabe auf diese
Stelle zurück. Herodes hat 7 Hohepriester eingesetzt, den Ananel aus Babylon
zweimal (Schürer S. 167 f.). Vgl. auch schon 2. Makk. 4, 7 ff. 24; 14, 4 ff.
[O. C.]
Zu S. 363. Widerruf vom Fegefeuer,
Druck B. — Nachträglich hat sich noch ein Druck gefunden, dessen Beschreibung
völlig mit der von B gegebenen übereinstimmt, der aber mit B nur auf Bogen A —E
gleichen Satz hat. Dagegen ist der letzte Bogen F neu, und zwar, wie der
Augenschein lehrt, flüchtig neu gesetzt. Vermutlich war also Bogen F nicht
gleich in genügender Anzahl gedruckt, so daß ein Neudruck in geringer Auflage
stattfinden mußte. Vgl. F 1a Z. 1 rchte statt rechte, Z. 8 gema- || ht statt
gema- || cht, F 2a Z. 2 branch statt brauch, F 2b Z. 10 Vud statt Vnd, F 3a Z.
11 si statt sie. — Vorhanden: Zürich St.
[J. L.]
Zu S. 378 A. 3. Katzenmeister =
Ketzermeister (D Wtb. 5, 298); schon im 12. Jahrhundert wurde Ketzer mit Katze,
dem Teufelstier, zusammengebracht (ebd. Sp. 639; vgl. auch Lepp, Schlagwörter
des Reformationszeitalters, Leipzig 1908, S. 14); Katzenritter wäre = Sodomit
(D Wtb. 5, 299 f.).
[O. C.]
Zu S. 385 A. 1. Vgl. noch Franz, Die Messe im deutschen
Mittelalter S. 219 ff.
[O. C.]
Zu S. 391ff. Brief an den
Kardinalerzbischof von Mainz s. oben zu S. 238 ff. Nachtrag zur ‘Vermahnung’.
Zu S. 453 A. 1 widder synnisch. — S.
Unsre Ausg. Bd. 36, 256, 19, sehr häufig in Bd. 10 1 z. B. 4, 8; 7, 7; 8, 3
etc.; in der Bedeutung ‘nach verschiedener, entgegengesetzter Richtung’ scheint
es Bd. 26, 13, 22 gebraucht, die dort gegebene Erklärung ‘sonderbar’ ist zu
streichen, vgl. auch Lexer s. v. widersinnes.
[O. B.]
Zu S. 461 A. 3. Zu Puseronen vgl. noch Seidemann, Archiv
f. Literaturgesch. 4, 4.
[O. C.]
Zu S. 465 –503 findet sich ein Exzerpt
in Bos. q. 24s Bl. 214b, 215a –b der Jenaischen Bibliothek. Nur der Schluß
könnte ein Konzept sein.
De clavibus M. L. [Zeile rot]
Primum faciunt Papistae clavem
‘ligandi’ illos, quos Christus liberat statutis, legibus, cultibus &c..
‘solvendi’ non omnes (haec enim clavis rubiginem contraxit [474, 9] et multo
inferior est priore) sed illos solum, qui [Bl. 215a] pecuniam dant. Haec
vocatur dispensatio [474, 38]. Totum mundum potius perire sinerent quam suas
damnatas leges labefactari, ne minuatur ipsorum autoritas, quae divinitus. 2.
faciunt hic clavem errantem et non errantem. Si dignus es tua contritione, si
meritus es tuis
[Seite 716]
operibus bonis, clavis non errat [476,
20. 35], quando solvit aut beneficia concedit. Quae est Antichristiana doctrina
faciens claves, quae sunt verbum Dei, incertas. Quando ergo unquam possim esse
certus, quod satis contritus sim aut meritus, Ut taceam, quod voluerunt omnia
scire, etiam quod dignus sit homo coram deo ante claves. 3. Faciunt clavem
potestatis [487, 30] super omnia imperia et potestatem in coelo et in terra, C.
pastoralis [448, 15] C. Solitae. Et clavem scientiae super omnem doctrinam,
super omnia iura humana et divina, super omnium iudicium et causas, C.
Iudicantium [489, 7] throni, C. Cuncta. Hac clavi multum sanguinis fuderunt et
omnia bellis permiscuerunt [490, 10]. Prima autem et secunda clave occiderunt
animas, ligant et solvunt etiam peccata sed ficta, reliqua eis nihil sunt.
(Vid. libell. De clavibus G 2 rot) d. h. S. 492, 12:] Daneben wollen wir solche
〈wisse〉 [wercke] schlussel nicht haben noch leiden .....
Bindschlussel oder blindeschlussel, der da gesetz 〈foddert〉 [stellet] ... behalten [492,
20]. Vom Lereschlussel, den Christus nennet clavem scientiae und ist das
Lereampt, Pfarramt, stehet Lucae XI und Matth. XXXIII, welchen auch die
Pharisäer und Schrifftgelerten ⌊hatten⌊, Zuvor aber vom Binde und Lose schlussel stehet Matth.
16 und 18., welche gehoren auff die sunde, Joh. 20, und macht keine weltliche
herrn. Es heissen claves regni coelorum und claves Ecclesiae und nicht claves
Papae. Der hat andere claves draus gemacht, wie gesagt: das Hausmuterlein
Christi mus die Schlussel haben und nicht das schwerd. Haec sincere dicta sunt
de abusibus tamen. Wer nu ein Christ wil sein [496, 9] ....... Denn unser Hertz
⌊Seel⌊ mus des gar trefflich gewis sein, darauff es ⌊sie⌊ sich [496, 23] Darnach dencke 〈nicht〉, das [496, 26 f g.].
In ore Petri invenies claves &c..
[498, 4] [Tabelle: ] [Tabelle: ]
Lucae ult⌊imo recte divide [503, 32].
[G. Koffmane.]
Zu S. 476 A. 1. Luther meint hier wohl
dieselbe Stelle (die aber eben nicht aus Gregor stammt), die er einmal an
seinem Tische anführte (Kroker, Luthers Tischreden in der Mathesischen Sammlung
Nr. 610): Mit dem sententz im decretal hat der babst alles darnieder geschlagen,
der da also heist: ‘Sententiae nostrae, etiam iniustae, sint formidabiles!’
Diesen sententz furchtet iderman. Kroker zitiert: Decret. 2, causa 11, quaest.
3, cap. 27.
[O. C.]
Zu S. 568, 17 Justinian. — Im Jahre 533
wurden die Institutionen, d. i. der erste Teil des großen Corpus iuris civilis
publiziert. Die Publikation erfolgte durch einen Erlaß Kaiser Justinians,
überschrieben: In nomine domini nostri Iesu Christi. Der Text selbst beginnt
mit den Worten: Imperatoriam maiestatem non solum armis decoratam, sed etiam
legibus oportet esse armatam ... Hiernach hat der ganze Erlaß seinen Namen
Constitutio Imperatoriam Maiestatem bekommen. Von der Umstellung einzelner
Worte, zumal des oportet abgesehen, ist das Zitat Luthers genau. Die in Frage
stehende Konstitution ist in jeder Corpus iuris-Ausgabe den Institutionen
vorangedruckt. Strenggenommen entstammt also das Zitat nicht dem Corpus iuris,
sondern der dem Corpus iuris bei seiner Publikation beigegebenen Konstitution
Justinians.
[K. D.]