Deudsch Catechismus
1529
(WA 30 I,125-23 8)
Gemehret mit einer newen
vorrhede,
vnd vermanunge zu der Beicht.
Wittemberg
Der Große Katechismus. 1529
Geschichte der Veröffentlichung
In Nacharbeit vieler im Herbst / Winter 1528 und Frühjahr 1529 gehaltener
Predigten veröffentlicht Martin Luther den Großen Katechismus. Einzelne Teile
werden je und dann als sogenannte Tafeldrucke ab Januar 1529 herausgegeben.
Ein erster Druck in Buchform erfolgt durch Georg Rhaw in Wittenberg ab April 1528 unter dem Titel "Deutscher Katechismus". Vom zweiten Druck an umfasst der Große Katechismus die „Vermahnung zur Beichte“. Diese Ausgabe war geschmückt durch reiche Illustrationen, z.T. von Lucas Cranach der Ältere.
Inhalt
1. (Längere) Vorrede (von 1530)
2. Die Zehn Gebote Gottes
3. Die Hauptartikel des Glaubens
4. Das Gebet oder Vaterunser, so Christus gelehrt hat
5. Von der Taufe
6. Vom Sakrament des Altars (Abendmahl)
7. Eine Kurze Vermahnung zur Beichte
Vorrhede Martini Luther.
Das wir den Catechismum so fast treiben
und zu treiben beide begeren und bitten, haben wir nicht geringe ursachen, Die
weil wir sehen, das leider viel prediger und pfarher hieryn seer seumig sind und
verachten beide yhr ampt und diese lere, ettliche aus grosser hoher kunst,
ettlich aber aus lauter faulheit und bauch sorge, welche stellen sich nicht
anders zur sachen denn als weren sie umb yhrs bauchs willen pfarher odder
prediger und muesten nichts thun denn der gueter gebrauchen, weil sie leben, wie
sie unter dem Bapstumb gewonet. Und wie wol sie alles was sie leren und predigen
sollen, itzt so reichlich klar und leicht fur sich haben ynn soviel heilsamen
buechern (und wie sie es vorzeiten hiessen die rechten Sermones per se loquentes,
Dormi Secure, Paratos et thesauros), noch sind sie nicht so from und redlich,
das sie solche buecher keufften, odder wenn sie die selbigen gleich haben,
dennoch nicht ansehen noch lesen. Ach das sind zumal schendliche fresslinge und
bauchdiener, die billicher sewhirten odder hunde knechte sein solten denn
seelwarter und pfarher.
Und das sie doch so viel thetten, weil sie
des unnuetzen schweren geschwetzes der sieben gezeiten nu los sind, an der
selbigen stat Morgens, Mittags und abends ettwa ein blat odder zwey aus dem
Catechismo, betbuechlin, New testament odder sonst aus der Biblia lesen und ein
Vater unser fur sich und yhr pfarkinder betten, Auff das sie doch dem Euangelio
widderuemb ein ehre und danck erzeigten, durch welchs sie den so mancherley last
und beschwerungen erledigt sind, Und sich doch schemeten ein wenig, das sie
gleich wie die sew und hunde nicht mehr vom Euangelio behalten denn solche
faule, schedliche, schendliche, fleischliche freyheit. Denn der pobel leider on
das allzu [s. 126] geringe achtet des Euangelij, Und wir nicht sonderlichs
ausrichten, wenn wir gleich allen vleis fur wenden. Was solts denn thun, wenn
wir lessig und faul sein wollen, wie wir unter dem Bapstumb gewesen sind?
Uber das schlehet mit zu das schendlich
laster und heymlich boese geschmeis der sicherheit und uberdrus, Das viel
meinen, der Catechismus sey ein schlecht geringe lere, welche sie mit einem mal
uberlesen und denn also bald alles koennen, das buch yn winckel werffen und
gleich sich schemen mehr drinnen zu lesen. Ja man findet wol ettliche rueltzen
und filtze auch unter dem adel, die furgeben, man durffe hinfurt widder pfarher
noch prediger, man habs ynn buechern und koenne es von yhm selber wol lernen,
Und lassen auch die pfarhen getrost fallen und verwusten, dazu beide pfarher und
prediger weidlich not und hunger leiden, wie sich denn gebuert zu thun den
tollen deudschen. Denn wir deudschen haben solch schendlich volck und muessens
leiden.
Das sage ich aber fuer mich: Jch bin auch
ein Doctor und prediger, ia so gelert und erfaren als die alle sein muegen, die
solche vermessenheit und sicherheit haben: Noch thue ich wie ein kind, das man
den Catechismon leret, und lese und spreche auch von wort zu wort des Morgens
und wenn ich zeit habe das Vater unser, zehen gepot, glaube, Psalmen etc. Und
mus noch teglich dazu lesen und studieren, Und kan dennoch nicht bestehen wie
ich gerne wolte, Und mus ein kind und schueler des Catechismus bleiben und
bleibs auch gerne. Und diese zarte, ekele gesellen woellen mit einem uberlesen
flugs Doctor uber alle Doctor sein, alles koennen und nichts mehr beduerffen.
Wolan solchs ist auch ein gewis anzeigen, das sie beide yhr ampt und des volcks
seelen, ia dazu Gott und sein wort verachten, Und durffen nicht fallen, sondern
sind schon allzu grewlich gefallen, durfften wol, das sie kinder wuerden und das
Abc anfiengen zu lernen, das sie meinen lengest an den schuhen zurissen haben.5
Derhalben bitte ich solche faule wenste
odder vermessene heiligen, sie wolten sich umb Gottes willen bereden lassen und
gleuben, das sie warlich, warlich nicht so geleret und so hohe Doctores sind als
sie sich lassen duencken, Und nymer mehr gedencken, das sie diese stuecke
ausgelernt haben odder aller dinge gnug wissen, ob sie es gleich dunckt, das sie
es allzu wol koennen. Denn ob sie es gleich allerdinge auffs aller beste wuesten
und kuendten (das doch nicht mueglich ist ynn diesem leben), so ist doch
mancherley nutz und frucht [s. 127] dahinden, so mans teglich lieset und ubet
mit gedancken und reden, Nemlich das der heilige geist bey solchem lesen, reden
und gedencken gegen wertig ist Und ymer newe und mehr liecht und andacht dazu
gibt, das es ymer dar besser und besser schmeckt und eingehet, wie Christus auch
verheist Matthei 18. [Matth. 18, 20] ‘Wo zween odder drey yn meinem namen
versamlet sind, da bin ich ynn yhrem mittel.’
Dazu hilffts aus der massen gewaltiglich widder den Teuffel, welt, fleisch und
alle boese gedancken, so man mit Gottes wort umbgehet, davon [Ps. 1, 2] redet
und tichtet, das auch der erst Psalm selig preiset die, so tag und nacht vom
gesetze Gottes handeln: on zweivel wirstu kein weirauch noch ander gereuche
stercker widder den Teuffel anrichten, Denn so du mit Gottes geboten und worten
umbgehest, davon redest, singest odder denckest. Das ist freylich das rechte
weyhwasser und zeichen, dafur er fleugt und damit er sich iagen lest. Nu
soltestu doch ia allein umb des willen solch stueck gerne lesen, reden, dencken
und handeln, wenn du sonst kein ander frucht und nutz davon hettest denn das du
den Teuffel und boese gedancken damit kanst veriagen, Denn er kan Gottes wort
nicht hoeren noch leiden. Und Gottes wort ist nicht wie ein ander lose geschwetz,
wie von Dietrich von Bern sondern wie S. Paulus [Röm. 1, 16] Rom. 1. sagt ‘eine
krafft Gottes’, ja freilich eine krafft Gottes, die dem Teuffel das gebrante
leid anthut und uns aus der massen sterckt, troest und hilfft.
Und was sol ich viel sagen? Wo ich allen nutz und frucht solt erzelen, so Gottes
wort wirckt, wo wolt ich papyr und zeit gnug nemen? Den Teuffel heist man
tausentkuenstiger, wie wil man aber Gottes wort heissen, das solchen
tausentkuenstiger mit aller seiner kunst und macht veriagt und zu nichte macht?
Es mus freylich mehr denn hundert tausentkuenstiger sein. Und wir solten solche
macht, nutz, krafft und frucht so leichtfertiglich verachten, sonderlich die wir
pfarher und prediger sein woellen? so solt man uns doch nicht allein nicht zu
fressen geben sondern auch mit hunden aushetzen und mit lungen auswerffen, weil
wir des alles nicht allein teglich beduerffen wie des teglichen brods sondern
auch teglich haben muessen widder das teglich und unruegig anfechten und lauren
des tausentkuenstigen Teuffels.
Und ob solchs nicht gnug were zur
vermanung den Catechismon teglich zu lesen, so solt doch uns allein gnugsam
zwingen Gottes gebot, welcher [5. Mose 6, 7. 8] Deutero. 6. ernstlich gebeut,das
man solle sein gebot sitzend, gehend, stehend, ligend, auffstehend ymer
bedencken und gleich als ein stettigs mal und zeichen fur augen und ynn henden
haben. On zweiveln wird er solchs umbsonst [s. 128] nicht also ernstlich heissen
und foddern, sondern dieweil er weis unser fahr und not, dazu der Teuffel
stettigs und wuetiges sturmen und anfechtung, wil er uns dafuer warnen, ruesten
und bewaren als mit gutem harnisch widder yhre feurige pfeile und mit guter
ertzney widder yhre gifftige boese geschmeis und eingeben. O welche tolle,
unsinnige narren sind wir, das wir unter solchen mechtigen feinden als die
Teuffel sind wonen odder herbergen ihe muessen. Und woellen dazu unser waffen
und wehre verachten und faul sein die selbigen anzusehen odder dran zugedencken.
Und was thun solche uberdrussige
vermessene heiligen, so nicht wollen odder muegen den Catechismon teglich lesen
und lernen, denn das sie sich selbs viel gelerter halten denn Gott selbs ist mit
allen seinen heiligen Engeln, Propheten, Aposteln und allen Christen? Denn weil
sich Gott selbs nicht schemet solchs teglich zu leren, als der nichts bessers
wisse zu leren, und ymer solch einerley leret und nichts newes noch anders fur
nympt, Und alle heiligen nichts bessers noch anders wissen zu lernen und nicht
koennen auslernen, Sind wir denn nicht die aller feinesten gesellen, die wir uns
lassen duencken, wenn wirs einmal gelesen und gehoeret haben, das wirs alles
koennen und nicht mehr lesen noch lernen duerffen? Und koennen das auff ein
stunde auslernen, das Gott selbs nicht kan ausleren, so er doch dran leret von
anfang der welt bis zu ende, Und alle propheten sampt allen heiligen dran zu
lernen gehabt und noch ymer schueler sind blieben und noch bleiben muessen?
Denn das mus ia sein: Wer die zehen gebot
wol und gar kan, das der mus die gantze schrifft koennen, das er koenne ynn
allen sachen und fellen raten, helffen, troesten, urteilen, richten beide
geistlich und weltlich wesen Und muege sein ein Richter uber alle lere, stende,
geister, recht und was ynn der welt sein mag. Und was ist der gantze Psalter
denn eitel gedancken und ubunge des ersten gebots? Nu weis ich ia fur war, das
solche faule beuche odder vermessene geister nicht einen Psalmen verstehen,
schweige denn die gantze heilige schrifft, Und woellen den Catechismon wissen
und verachten, welcher der gantzen heiligen schrifft kurtzer auszug und
abschrifft ist.
Daruemb bitte ich abermal alle Christen,
sonderlich die pfarher und prediger, sie wolten nicht zu fruee Doctores sein und
alles wissen sich duencken lassen (Es gehet an duencken und gespannen tuch viel
ab), sondern sich teglich wol drinnen uben und ymer treiben, Dazu mit aller
sorge und vleis sich fursehen fur dem gifftigen geschmeis solcher sicherheit
oder dunckelmeister. Sondern [s. 129] stetig anhalten beide mit lesen, leren,
lernen, dencken und tichten, Und nicht ablassen bissolange sie erfaren und gewis
werden, das sie den Teuffel tod geleret und gelerter worden sind denn Gott
selber ist und alle seine heiligen. Werden sie solchen vleis thun, so wil ich
yhn zusagen und sie sollens auch ynne werden, welche frucht sie erlangen werden
und wie feine leute Gott aus yhn machen wird, das sie mit der zeit selbs fein
bekennen sollen, das yhe lenger und mehr sie den Catechismon treiben, yhe
weniger sie davon wissen und yhe mehr dran zu lernen haben. Und wird yhn als den
hungerigen und duerstigen denn aller erst recht schmecken, das sie itzt fur
grosser fuelle und uberdrus nicht riechen muegen. Da gebe Gott seine gnade zu.
Amen.
Zum ersten
Die Zehen gepot Gottes.
Das Erste: DU solt kein andere Goetter haben neben mir.
Das Ander: Du solt den namen Gottes nicht vergeblich fueren.
Das Dritte: Du solt den feyertag heiligen.
Das Vierde: Du solt vater und mutter ehren.
Das Fuenfte: Du solt nicht toeuml;dten.
Das Sechste: Du solt nicht ehebrechen.
Das Siebende: Du solt nicht stelen.
Das Achte: Du solt kein falsch zeugnis reden widder deinen nehisten.
Das Neunde: Du solt nicht begeren deines nehisten haus.
Das Zehend: Du solt nicht begeren seines weibs, knecht,
magd, viech odder was sein ist.
[2. Mose 20, 3. 7 ff.]
Zum andern: die heubtartickel Unsers
Glaubens.
Jch gleube an Gott vater allmechtigen,
schoepffer hymels und der erden. Und an Jhesum Christum, seinen einigen son,
unsern Herrn, der empfangen ist von dem heilihen geist, geporen aus Maria der
Jungkfrawen, gelidden hat unter Pontio Pilato, gecreutzigt, gestorben und
begraben ist, Niddergefaren zur helle, am dritten tage widder aufferstanden von
todten, Auffgefaren gen hymel, sitzend zur rechten hand Gottes, des allmechtigen
vaters, und von dannen zukunfftig zu richten die lebendigen und todten.
Jch gleube an den heiligen geist, Eine
heilige Christliche kirche, gemeinschafft der heiligen, Vergebunge der sunden,
Aufferstehung des fleischs, Vnd ein ewigs leben. Amen.
[s. 131]
Zum dritten: das gebete odder Vater unser,
so Christus gelert hat.
[Matth. 6, 9 ff.; Luk. 11, 2 ff.] Vater
unser der du bist ym himel, Geheiliget werde dein name, Zukome dein reich, Dein
wille geschehe als ym himel auch auff erden, Unser teglich brod gib uns heute,
Und verlasse uns unsere schuld als wir verlassen unsern schueldigern, Und fuere
uns nicht yn versuchung, Sondern erloese uns vom ubel. Amen.
DAs sind die noetigsten stuecke, die man
zum ersten lernen mus von wort zu wort verzelen, Und soll die kinder dazu
gewehnen teglich, wenn sie des morgens auffstehen, zu tisch gehen und sich
abends schlaffen legen, das sie es muessen auffsagen, und yhn nicht essen noch
zu trincken geben, sie hettens denn gesagt. Desgleichen ist auch ein yglicher
hausvater schuldig mit dem gesind, knecht und megden zu halten, das er sie nicht
bey sich halte, wo sie es nicht koennen odder lernen woellen. Denn es ist mit
nichte zuleiden, das ein mensch so rohe und wilde sey und solches nicht lerne,
weil ynn diesen dreyen stuecken kuertzlich, groeblich und auffs einfeltigste
verfasset ist alles, was wir ynn der schrifft haben. Denn die lieben veter odder
Apostel (wer sie gewesen sind) haben also ynn eine Summa gestellet, was der
Christen lere, leben, weisheit und kunst sey, wo von sie reden und handlen und
wo mit sie umbgehen.
Wenn nu diese drey stuck gefasset sind,
gehoeret sich auch, das man wisse zusagen von unsern Sacramenten (so Christus
selbs eingesetzt hat) der Tauffe und des heiligen leibs und bluts Christi, Als
nemlich den Text, so Mattheus und Marcus schreiben am end yhres Euangelions, wie
Christus seinen Juengern die letze gabe und sie abfertiget.
Von der Tauffe.
[s. 132]
SOviel ist gnug einem einfeltigen aus der
schrifft von der Tauffe zu wissen, Desgleichen auch vom andern Sacrament mit
kurtzen einfeltigen worten, Als nemlich den Text Sanct Pauli.
Vom Sacrament. [abendmal]
[1. Kor. 11, 23 ff.] Unser Herre Thesus
Christus ynn der nacht, als er verraten ward, nam das brod, danckt und brachs
und gabs seinen Juengern und sprach: ‘Nemet hin und esset, Das ist mein leib
der fur euch gegeben wird. Solchs thuet zu meinem gedechtnis.’
Desselben gleichen auch den kilch nach dem abendmal und sprach: ‘Dieser kilch
ist ein newes Testament ynn meinem blut, das fur euch vergossen wird zu
vergebung der sunden. Solchs thut, so offt yhr trinckt, zu meinem gedechtnis.’
Also hette man uberal fuenff stueck der gantzen Christlichen lere, die man
ymerdar treiben sol und von wort zu wort fodern und verhoeren. Denn verlasse
dich nicht drauff, das das iunge volck alleine aus der predigt lerne und
behalte. Wenn man nu solche stuecke wol weys, so kan man darnach auch etliche
Psalmen odder gesenge so darauff gemacht sind furlegen zur zugabe und stercke
des selbigen und also die iugent ynn die schrifft bringen und teglich weiter
faren.
Es sol aber nicht an dem gnug sein, das
mans alleine den worten nach fasse und verzelen kuende, sondern lasse das iunge
volck auch zur predigt gehen sonderlich auff die zeit so zu dem Catechismo
geordnet, das sie es hoeren auslegen und verstehen lernen was ein yglich stueck
ynn sich habe, Also das sie es auch koennen auffsagen wie sie es gehört haben
und fein richtig antworten wenn man sie fraget, auff das es nicht on nutz und
frucht gepredigt werde. Denn daruemb thuen wir den vleis den Catechismum offt
furzupredigen, das man solchs yn die iugent blewe, nicht hoch noch scharff
sondern kurtze und auffs einfeltigst, auff das es yhn wol eingehe und ym
gedechtnis bleibe. Derhalben wollen wir nu die angezeigten stuecke nach einander
fur uns nemen und auffs deutlichst davon reden, soviel not ist.
[Die zehn Gebote]
Das erste Gepot.
[s. 132]
DU solt nicht andere Gotter haben.
Das ist, du solt mich alleine fur deinen Gott halten. Was ist das gesagt und wie
verstehet mans? Was heist ein Gott haben oder was ist [s. 133] [Ein Gott haben.]
Gott? Antwort: Ein Gott heisset das, dazu man sich versehen sol alles guten und
zuflucht haben ynn allen noeten. Also das ein Gott haben nichts anders ist denn
yhm von hertzen trawen und gleuben, wie ich offt gesagt habe, das alleine das
trawen und gleuben des hertzens machet beide Gott und abeGott. [Glaube und
trawen machet ein Gott.] Jst der glaube und vertrawen recht, so ist auch dein
Gott recht, und wideruemb wo das vertrawen falsch und unrecht ist, da ist auch
der rechte Gott nicht. Denn die zwey gehoeren zuhauffe, glaube und Gott. Worauff
du nu (sage ich) dein hertz hengest und verlessest, das ist eygentlich dein
Gott.1
Daruemb ist nu die meinung dieses gepots,
das es foddert rechten glauben und zuversicht des hertzens, welche den rechten
einigen Gott treffe und an yhm alleine hange. Und wil soviel gesagt haben: Sihe
zu und lasse mich alleine deinen Gott sein und suche yhe keinen andern, Das ist,
was dir manglet an gutem des versihe dich zu mir und suche es bey mir, Und wo du
unglueck und not leidest kreuch und halte dich zu mir, JCH, ich wil dir gnug
geben und aus aller not helffen, Las nur dein hertz an keinem andern hangen noch
rugen.
Das mus ich ein wenig grob ausstreichen,
das mans verstehe und mercke bey gemeinen Exempeln des widderspiels. Es ist
mancher der meinet, er habe Gott und alles gnug, wenn er gelt und gut hat,
verlest und bruuestet sich drauff so steiff und sicher, das er auff niemand
nichts gibt. Sihe dieser hat auch einen Gott, der [Mammon zum Gott haben.]
heisset Mammon, das ist gelt und gut, darauff er alle sein hertz setzet, welchs
auch der aller gemeynest Abgott ist auff erden. Wer gelt und gut hat, der weys
sich sicher, ist froelich und unerschrocken, als sitze er mitten ym Paradis, Und
widderuemb wer keins hat, der zweyvelt und verzagt, als wisse er von keinem Got.
Denn man wird yhr gar wenig finden, die guts muts seyen, nicht trawren noch
klagen, wenn sie den Mammon nicht haben, Es klebt und hengt der natur an bis ynn
die gruben.
Also auch wer darauff trawet und trotzet,
das er grosse kunst, klugheit, gewalt, gunst, [s. 134] freundschafft und ehre
hat, Der hat auch einen Gott, aber nicht diesen rechten einigen Gott. Das
sihestu abermal dabey, wie vermessen, sicher und stoltz man ist auff solche
guter und wie verzagt, wenn sie nicht furhanden odder entzogen werden. Daruemb
sage ich abermal, das die rechte auslegung dieses stuecks sey, das ein Gott
haben heisset etwas haben, darauff das hertz gentzlich trawet.
Jtem Sihe, was wir bisher getrieben und
gethan haben ynn der blindheit [Abgoeterey mit den heiligen.] unter dem Bapstumb:
Wenn ymand ein zaan wehe thete, der fastet und feyret Sanct Appollonia;
Fuerchtet er sich fur feurs not, so machet er Sanct Lorentz zum nothelffer;
Furchtet er sich fur pestilentz, so gelobt er sich zu Sanct Sebastian odder
Rochio, und des greuels unzelich viel mehr, da ein yglicher seinen heiligen
welet, anbetet und anruffet ynn noeten zuhelffen. Daher gehoeren auch, die es
gar zu grob treiben und mit dem Teuffel ein bund machen, das er yhn gelt gnug
gebe odder zur bulschafft helffe, yhr viech beware, verloren gut widderschaffe
etc., Als die zeuberer und schwartzkuenstige. Denn diese alle setzen yhr hertz
und vertrawen anders wo denn auff den warhafftigen Gott, versehen sich kein guts
zu yhm, suchens auch nicht bey yhm.
Also verstehestu nu leichtlich was und
wieviel dis gepot foddert, nemlich [Gott wil das hertz allein haben.] das gantze
hertz des menschen und alle zuversicht auff Gott allein und niemand anders. Denn
Gott zuhaben kanstu wol abnemen, das man yhn nicht mit fingern ergreiffen und
fassen noch ynn beutel stecken odder ynn kasten schliessen kan. Das heisset yhn
aber gefasset, wenn yhn das hertz ergreiffet und an yhm hanget, Mit dem hertzen
aber an yhm hangen ist nichts anders denn sich gentzlich auff yhn verlassen.
Daruemb wil er uns von allem andern abwenden das ausser yhm ist und zu sich
ziehen, weil er das einige ewige gut ist. Als solt er sagen: Was du zuvor bey
den heiligen gesucht odder auff den Mammon und sonst vertrawet hast, das versihe
dich alles zu mir und halte mich fur den, der dir helffen und mit allem guten
reichlich uberschutten wil.
Sihe da hastu nu, was die rechte ehre und
Gottes dienst ist, so Gott [Rechter Gottes dienst.] gefellet, welchen er auch
gepeut bey ewigem zorn, Nemlich das das hertz kein andern trost noch zuversicht
wisse denn zu yhm, lasse sich auch nicht davon reissen, sondern darueber wage
und hyndan setze alles was auff erden ist. Dagegen wirstu leichtlich sehen und
urteylen, wie die welt eitel falschen Gottes dienst und abgoetterey treibt. Denn
es ist nye kein volck so rauchlos gewesen, das nicht einen Gottes dienst
auffgerichtet und gehalten habe. Da hat yderman zum sonderlichen Gott
auffgeworffen, dazu er sich guts, huelffe und trost versehen hat.
[s. 135] Als nemlich die Heiden, so yhr
datum auff gewalt und hyrschafft [Der heiden abgoeterey.] stelleten, wurffen
yhren Juppiter zum hoehisten Gott auff, die andern so nach reichtumb, glueck
odder nach lust und guten tagen stunden, Herculem, Mercurium, Venerem odder
andere, die schwangere frawen Dianam odder Lucinam und so fort, machet yhm
yderman zum Gott, dazu yhn sein hertz trug. Also das eigentlich auch nach aller
Heyden meinung ein Gott haben heisset trawen und gleuben, Aber daran feylet es,
das yhr trawen falsch und unrecht ist, denn es ist nicht auff den einigen Gott
gestellet, ausser welchem warhafftig kein Gott ist ynn hymel noch auff erden.
Daruemb die Heiden eigentlich yhren eigen erdichten duenckel und trawm von Gott
zum Abgott [Abgoetterey ist eigen duenckel des hertzens.] machen und sich auff
eitel nichts verlassen. Also ist es umb alle Abgoetterey gethan, denn sie stehet
nicht allein daryn, das man ein bild auffrichtet und anbetet, sondern furnemlich
ym hertzen, welchs anders wo hin gaffet, huelffe und trost suchet bey den
creaturn, heiligen odder Teuffeln und sich Gottes nicht annympt noch soviel guts
zu yhm versihet, das er wolle helffen, gleubet auch nicht, das von Got kome was
yhm guts widderferet.
Darueber ist auch ein falscher Gottes
dienst und die hohiste abgoetterey, so wir bisher getrieben haben und noch ynn
de welt regieret, darauff auch alle geistliche stende gegruendet sind, welche
allein das gewissen betrifft, das [Abgoetterey der Werckheiligen.] da huelffe,
trost und selickeit suchet ynn eigenen wercken, vermisset sich Gott den himel
abe zu zwingen und rechnet, wie viel es gestifftet, gefastet, Messe gehalten hat
etc., Verlesset sich und pochet darauff, als wolle es nichts von yhm geschenckt
nemen sondern selbs erwerben oder uberfluessig verdienen, gerade als muste er
uns zu dienst stehen und unser schuldner, wir aber seine lehenherrn sein. Was
ist das anders, denn aus Gott einen goetzen, ia einen apfelgott gemachet und
sich selbs fur Gott gehalten und auffgeworffen? Aber das ist ein wenig zu
scharff, gehoeret nicht fuer die iungen schueler.
Das sey aber den einfeltigen gesagt, das
sie den verstand dieses gepots wol mercken und behalten, das man Gott alleine
trawen und sich eitel guts zu yhm versehen und von yhm gewarten sol, als der uns
gibt leib, leben, [Gottes gaben und gueter.] essen, trincken, narung, gesundheit,
schutz, fride und alle notdurfft zeitlicher und ewiger gueter, Dazu bewaret fur
unglueck, und so uns etwas widderfert, rettet und aushilfft, Also das Gott (wie
gnug gesagt) alleine der ist, von dem man alles guts empfehet und alles
ungluecks los wird. Daher auch achte ich, wir Deudschen Gott eben mit dem namen
von alters her nennen (feiner [s. 136] und artiger denn kein andere sprache)
nach dem wortlin ‘gut’, als der ein ewiger quellbrun ist, der sich mit eitel
guete ubergeusset und von dem alles was gut ist und heisset ausfleust.
Denn ob uns gleich sonst viel guts von menschen widderferet, so heisset [Gott
gibt durch creaturn.] es doch alles von Got empfangen, was man durch sein befehl
und ordnung empfehet. Denn unsere eltern und alle oberkeit, dazu ein yglicher
gegen seinen nehisten, haben den befehl, das sie uns allerley guts thuen sollen,
Also das wirs nicht von yhn sondern durch sie von Gott empfahen. Denn die
creaturn sind nur die hand, rohre und mittel, dadurch Gott alles gibt, wie er
der mutter brueste und milch gibt dem kinde zureichen, korn und allerley gewechs
aus der erden zur narung, welcher gueter keine creatur keines selbs machen kan.
Derhalben sol sich kein mensch unterstehen etwas zunemen odder zugeben, es sey
denn von Gott befohlen, das mans erkenne fur seine gaben und yhm daruemb dancke,
wie dis gepot foddert. Daruemb auch solche mittel durch die creaturn guts zu
empfahen nicht auszuschlagen sind noch durch vermessenheit andere weise und wege
zusuchen denn Got befohlen hat. Denn das hiesse nicht von Gott empfangen sondern
von yhm selbs gesucht.
Da sehe nu auff ein yglicher bey sich
selbs, das man dis gepot fur [Ubung des ersten gepots.] allen dingen gros und
hoch achte und ynn keinen schertz schlage. Frage und forsche dein eigen hertz
wol, so wirstu wol finden, ob es allein an Gott hange odder nicht. Hastu ein
solch hertz, das sich eitel guts zu yhm versehen kan sonderlich ynn noeten und
mangel, dazu alles gehen und faren lassen was nicht Gott ist, so hastu den
einigen rechten Gott. Widderuemb hanget es auff etwas anders, dazu sichs mehr
guts und huelffe vertroestet denn zu Gott und nicht zu yhm leufft, sondern fur
yhm fleugt, wenn es yhm ubel gehet, so hastu ein andern Abegot.
DErhalben auff das man sehe, das Gott
solchs nicht wil ynn wind geschlagen haben, sondern ernstlich drueber halten, er
bey dieses gepot zum ersten ein schrecklich drewen, darnach ein schoene,
troestliche verheissung gesetzt, Welches man auch wol treiben sol und dem iungen
volck furblewen, das sie es zu synne nemen und behalten.
Denn ich bin der HERRE, dein Got, ein
starcker eyverer, der da heym suchet der veter missethat an den kindern bis yns
dritte und vierde gelied, die mich hassen, Und thue barmhertzigkeit an viel
tausent, die mich lieb haben und meine gepot halten.
[s. 137] WIewol aber diese wort auff alle
gepot gehen (wie wir hernach hoeren werden), so sind sie doch eben zu diesem
heubt gepot gesetzt, daruemb das daran am meysten ligt, das ein mensch ein recht
heubt habe, Denn wo das heubt recht gehet, da mus auch das gantze leben recht
gehen und widderuemb. So [Gottes ernst uber diesem gepot.] lerne nu aus diesen
worten, wie zornig Gott ist ueber die, so sich auff yrgent etwas ausser yhm
verlassen, widderuemb wie guetig und gnedig er ist denen, die yhm allein von
gantzem hertzen trawen und gleuben, Also das der zorn nicht ablesset bis yns
vierde geschlecht odder gelied, dargegen die wolthat oder gute gehet uber viel
tausent, Auff das man nicht so sicher hingehe und sich yn die schantze schlage,
wie die rohen hertzen dencken, es lige nicht grosse macht dran. Er ist ein
solcher Gott, der es nicht ungerochen lesset, das man sich von yhm wendet, und
nicht auffhoeret zu zuernen bis yns vierde gelied, so lang bis sie durch und
durch ausgerottet werden. Daruemb wil er gefuerchtet und nicht verachtet sein.
Das hat er auch beweiset ynn allen
Historien und geschichten, wie uns die schrifft reichlich anzeigt und noch
tegliche erfarung wol [Straffe deren die Got verachten.] leren kan. Denn er alle
abgoetterey von anfang her gar ausgerottet hat und umb yhre willen beide Heiden
und Jueden, wie er auch bey heutigemtage allen falschen Gottes dienst stuertzet,
das endlich alle, so daryn bleiben, muessen untergehen. Daruemb ob man gleich
itzt stoltze, gewaltige reiche wenste findet, die auff yhren Mammon trotzen,
ungeachtet Gott zuerne odder lache, als die seinen zorn wol trawen auszustehen,
so werden sie es doch nicht ausfueren, sondern ehe man sichs versihet
zuscheittern gehen mit allem darauff sie getrawet haben, wie alle andere
untergangen sind, die sich wol sicherer und mechtiger gewust haben.
Und eben umb solcher harten koepffe
willen, die da meinen, weil er zusihet und lesset sie feste sitzen, er wisse
nichts druemb odder neme sichs nicht an, mus er also drein schlagen und
straffen, das ers nicht vergessen kan bis auff yhre kindskinder, auff das sich
yderman daran stosse und sehe, das yhm [Gott hassen.] kein schertz ist. Denn
diese sinds auch die er meinet, als er spricht ‘die mich hassen’, Das ist,
die auff yhrem trotz und stoltz beharren: was man yhn predigt odder sagt, wollen
sie nicht hoeren; strafft man sie, das sie sich erkennen und bessern, ehe die
straffe angehe, so werden sie toll und toericht, auff das sie den zorn redlich
verdienen, wie wir auch itzt an Bischoven und Fuersten teglich erfaren.
Wie schrecklich aber diese dreuwort sind, soviel mechtiger trost ist an der
verheissung, das die sich allein an Gott halten, sollen gewis sein, das er [Barmhertzigkeit
an viel tausend.] barmhertzigkeit an yhn erzeigen wil, das ist, eitel guts und
wolthat beweisen. [s. 138] nicht allein fur sie sondern auch an yhren kindern
bis yns tausent und abermal tausent geschlechte. Solchs solt uns ia bewegen und
treiben, unser hertz auff Gott zu erwegen mit aller zuversicht, so wir begereten
alles guts zeitlich und ewig zuhaben, weil sich die hohe maiestet so hoch
erbeut, so hertzlich reitzet und so reichlich verheisset.
Daruemb lasse es yhm ein yglicher
ernstlich zu hertzen gehen, das mans nicht achte, als habe es ein mensch geredt.
Denn es gilt dir entweder ewigen segen, glueck und seligkeit odder ewigen zorn,
unglueck und hertzleid. Was wiltu mehr haben odder begeren, denn das er dir so
freundlich verheisset, er wolle dein sein mit allem guten, dich schuetzen und
helffen ynn allen noeten? Es [Gottes wort helt die welt fur luegen.] feylet aber
leider daran, das die welt der keines nicht gleubt noch fur Gottes wort helt,
weil sie sihet, das die Gott und nicht dem Mammon trawen, kuemmer und not leiden
und der Teuffel sich widder sie sperret und wehret, das sie kein gelt, gunst
noch ehre, dazu kaum das leben behalten. Widderuemb die dem Mammon dienen, haben
gewalt, gunst, ehre und gut und alle gemach fur der welt. Derhalben mus man
solche wort fassen eben widder solchen schein gestellet und wissen, das sie
nicht ligen noch triegen sondern war muessen werden.
Dencke du selbs zurueck odder frage yhm
nach und sage mir: die alle yhr sorg und vleis darauff gelegt haben, das sie
gros gut und gelt zusamen [Erfarung und Exempel.] scharreten, was haben sie
endlich geschaffet? So wirstu finden, das sie muehe und arbeit verloren haben,
odder ob sie gleich grosse schetze zuhauffe bracht, doch zustoben und zuflogen
ist, also das sie selbs yhres guts nye sind fro worden und hernach nicht an die
dritten erben gereichet hat. Exempel wirstu gnug finden yn allen Historien, auch
von alten erfarnen leuten, sihe sie nur [Saul.] an und habe achtung drauff. Saul
war ein grosser Koenig von Gott erwelet und ein fromer man, aber da er
eingesessen war und sein hertz liesse sincken, hienge sich an seine krone und
gewalt, muste er untergehen mit allem das er [David.] hatte, das auch seiner
kinder keines bliebe. Widderuemb David war ein armer verachter man, veriagt und
gescheucht, das er seines lebens nyrgent sicher war, noch muste er fur dem Saul
bleiben und Koenig werden, Denn diese wort musten bleiben und war werden, weil
Gott nicht liegen noch triegen kan, lasse dich nur den Teuffel und welt mit
yhrem schein, der wol ein zeitlang wehret, aber endlich nichts ist, betriegen.
[s. 139] Daruemb lasset uns das erste
gepot wol lernen, das wir sehen, wie Gott keine vermessenheit noch vertrawen
auff einig ander ding leiden wil und nicht hoehers von uns foddert denn ein
hertzliche zuversicht alles guten, also das wir [Gottes gueter recht brauchen]
richtig und stracks fur uns gehen und aller guter, so Gott gibt, brauchen nicht
weiter denn wie ein schuster seiner nadel, aal und drat brauchet zur erbeit und
darnach hinweg legt, odder wie ein gast der herberge, futter und lager allein
zur zeitlichen notdurfft, ein yglicher ynn seinem stand nach Gottes ordnung, und
lasse nur keines sein herren odder abgott sein. Das sey gnug vom ersten gepot,
welchs wir mit worten haben muessen ausstreichen, weil daran allermeist die
macht ligt, daruemb das (wie vorgesagt) wo das hertz wol mit Got dran ist und
dis gepot gehalten wird, so gehen die andern alle hernach.
Das Ander gepot.
Du solt Gottes namen nicht vergeblich
füren.
Gleich wie das erste gepot das hertz unterweiset und den glauben geleret hat,
also fueret uns dis gepot eraus und richtet den mund und die zunge gegen Gott.
Denn das erste so aus dem hertzen bricht und sich erzeigt, sind die wort. Wie
ich nu droben geleret habe zu antworten, was da heisse ‘einen Gott haben’,
also mustu auch den verstand dieses und aller gepot lernen einfeltig fassen und
von dir sagen. Wenn man nu fragt: wie verstehestu das ander gepot odder was
[Gottes namen felschlich brauchen.] heist Gottes namen vergeblich fueren oder
misbrauchen? Antwort auffs kurtzte also: Das heisset Gottes namen mis brauchen,
wenn man Gott den HERRN nennet, welcherley weise es geschehen mag, zur luegen
oder allerley untugent. Daruemb ist soviel gepoten, das man Gottes namen nicht
felschlich anziehe odder ynn mund neme, da das hertz wol anders weis oder yhe
anders wissen sol, Als unter den, die fur gericht schweren und ein teyl dem
andern leuget. Denn Gottes namen kan man nicht hoeher misbrauchen denn damit
zuliegen und triegen. Das lasse das deudsch und leichtisten verstand dieses
gepots bleiben.
Aus diesem kan nu yderman selbs wol ausrechnen, wenn und wie [s. 140] mancherley
Gottes namen misbraucht wird, wiewol alle misbreuche zurzelen [Missbreuche
Goettlichs namens.] nicht mueglich ist. Doch kuertzlich auszurichten, geschicht
aller misbrauch Gottlichs namens erstlich ynn weltlichen hendeln und sachen, so
gelt, gut, ehre betreffen, Es sey offentlich fur gericht, auff dem marckt odder
sonst, da man schweret und falsche eyde thuet auff Gottes namen odder die sache
auff seine seele nimpt. Und sonderlich ist solchs viel ganghafftig ynn ehesachen,
da yhr zwey hingehen, einander heimlich geloben und darnach verschweren.
Allermeist aber gehet der misbrauch yn geistlichen sachen, die das gewissen
belangen, wenn falsche prediger auffstehen und yhren luegentand fur Gottes wort
dargeben. Sihe das heisset sich alles unter Gottes namen geschmuckt odder schone
wollen sein und recht haben, es geschehe ynn groben welthendeln odder hohen
subtilen sachen des glaubens und der lere. Und unter die lugner [Lestermeuler.]
gehoeren auch die lestermeuler, nicht alleine die gar groben, yderman wol bekand,
die da on schew Gottes namen schenden (welche nicht yn unsere sondern des
henckers schule gehoeren), sondern auch die die warheit und Gottes wort
offentlich lestern und dem Teuffel geben, davon itzt nicht not weiter zusagen.
Hie las uns nu lernen und zu hertzen
fassen, wie gros an diesem gepot gelegen ist, das wir uns mit allem vleis huten
und scheuen fur allerley misbrauch des heiligen namens als fur der hohisten
sunde, so eusserlich geschehen kan. Denn liegen und triegen ist an yhm selbs
grosse sund, wird aber viel [Luegen mit gottes namen rechtfertigen.] schwerer,
wenn man sie noch rechtfertigen wil und sie zubestetigen Gottes namen anzeucht
und zum schanddeckel machet, Also das aus einer luegen ein zweyveltige, ia
vielfeltige luegen wird.
[Dreuwort uber den misbrauch Goettlichs
namens.] Daruemb hat Gott diesem gepot auch ein ernstlich dreuwort angehenget,
das heisset also: ‘Denn der HERR wird den nicht unschueldig halten, der seinen
namen vergeblich fueret’, Das ist, es sol keinem geschenckt werden noch
ungestrafft abgehen. Denn so wenig er wil ungerochen lassen, das man das hertz
von yhm wende, so wenig wil er leiden, das man seinen namen fuere, die luegen zu
beschonen. Nu ist es leider ein gemeine plage ynn aller welt, das ia so wenig
sind, die nicht Gottes namen zur luegen und aller bosheit brauchen, so wenig als
yhr sind, die alleine von hertzen auff Gott vertrawen.
Denn diese schone tugend haben wir von natur alle an uns, das wer [Sund und
schande mit gottes namen decken.] eine schalckeit than hat, gerne wolt seine
schande decken und schmucken, das niemand sehe noch wuste, Und ist keiner so
verwegen, der sich begangener bosheit fur yderman rhueme, wollens alle meuchling
gethan haben, ehe mans gewar wird. Greiffet man denn einen an, so mus Gott mit
seinem namen herhalten und die buberey from, die schande zu ehren machen. Das
ist der gemeine weltlaufft wie ein grosse sindflut eingerissen ynn allen landen.
Darumb haben wir auch zu lohn was wir suchen und verdienen, pestilentz, [s. 141]
krieg, tewrung, fewr, wasser, ungeraten weib, kinder, gesind und allerley unrat.
Wo solt sonst des iamers soviel herkomen? Es ist noch grosse gnade, das uns die
erde tregt und nehret.
Daruemb solt man fur allen dingen das
iunge volck ernstlich dazu halten und gewehnen, das sie dieses und andere gepot
hoch fur augen hetten, und wo sie ubertretten, flugs mit der ruten hinder yhn
her sein und das gepot furhalten und ymer ein blewen, auff das sie also
auffgezogen wuerden, nicht alleine mit straffe, sondern zur schew und furcht fur
Gott.
So verstehestu nu, was Gottes namen
misbrauchen heisse, nemlich (auffs kuertzt zuwidderholen) entweder blos zur
luegen und etwas unter dem namen ausgeben das nicht ist, odder zufluchen,
schweren, zeubern und Summa, wie [Rechter brauch Goettlichs namens.] man mag,
bosheit auszurichten. Daneben mustu auch wissen, wie man des namens recht
brauche. Denn neben dem wort, als er sagt ‘Du solt Gottes namen nicht
vergeblich brauchen’, gibt er gleichwol zuverstehen, das man sein wol brauchen
solle, denn er ist uns eben daruemb offenbaret und gegeben, das er ym brauch und
nutz sol stehen. Daruemb schleust sich nu selbs, weil hie verpoten ist den
heiligen namen zur luegen odder untugent zufuren, das widderuemb gepoten ist yhn
zur warheit und allem guten zubrauchen. Als nemlich, so man recht schweret, wo
es not ist und gefoddert wird, Also auch wenn man recht leret, Jtem wenn man den
namen anruffet ynn noeten, lobt und danckt ym guten &c.. Welchs alles
zuhauff gefasset und gepoten ist ynn dem [Ps. 50, 15] spruch Psalm. 50: Ruffe
mich an zur zeit der not, so wil ich dich erretten, so soltu mich preisen. Denn
das heisset alles yhn zur warheit angezogen und seliglich gebraucht und wird
also sein name geheiligt, wie das vater unser betet.
Also hastu die Summa des gantzen gepots verkleret. Und aus diesem verstand hat
man die frage leichtlich auffgeloeset, damit sich viel lerer bekuemert haben,
waruemb ym Euangelio verpoten ist zu schweren, so doch Christus, S. Paulus und
andere heiligen offt geschworen haben. Und ist kuertzlich diese [Wo man schweren
odder nicht schweren sol.] meinung: Schweren sol man nicht zum boesen, das ist
zur luegen und wo es nicht not noch nuetz ist, aber zum guten und des nehisten
besserung sol man schweren. Denn es ist ein recht gut werck, dadurch Gott
gepreiset, die warheit und recht bestetigt, die luegen zurueck geschlagen, die
leute zu fride bracht, gehorsam geleistet und hadder vertragen wird. Denn Gott
kompt selbs da yns mittel und scheidet recht und unrecht, boese und gut von
einander. Schweret ein teyl falsch, so hat es sein urteyl, das der straffe nicht
wird entlauffen, und ob es ein weile lang anstehet, sol yhn doch nichts
gelingen, das alles, so sie damit gewinnen, sich unter den henden verschleisse
und nymer froelich genossen werde. Wie ich an vielen erfaren habe, die yhr
eeliche geluebd verschworen [s. 142] haben, das sie darnach keine gute stunde
odder gesunden tag gehabt haben und also beide an leib, seele und gut dazu
iemerlich verdorben sind.
Derhalben sage und vermane ich wie vor,
das man die kinder bey zeit an gewehne mit warnen und schrecken, weren und
straffen, das sie sich schewen fur liegen und sonderlich Gottes namen dazu
zufueren. Denn wo man sie so [Die iugent gewenen Gottes namen recht zu
brauchen.] lesset hingehen, wird nichts guts draus, wie ytzt fur augen, das die
welt boser ist denn sie yhe gewesen, und kein regiment, gehorsam, trewe noch
glaube sondern eitel verwegene, unbendige leute, an den kein leeren noch
straffen hilfft, welchs alles Gottes zorn und straffe ist uber solch mutwillige
verachtung dieses gepots. Zum andern sol man sie auch wideruemb treiben und
reitzen Gottes namen zu ehren und stetig ym mund zu haben ynn allem was yhn
begegnen und unter augen stossen mag. Denn das ist die rechte ehre des namens,
das man sich alles trosts zu yhm versehe und yhn daruemb anruffe, Also das das
hertz (wie droben gehoeret) zuvor durch den glauben Gotte seine ehre gebe,
darnach der mund durch das bekentnis.
Solchs ist auch ein selige, nutzliche
gewonheit und seer krefftig wider [Nutz und frucht des anruffens Gottes namens.]
den Teuffel der ymerdar umb uns ist und darauff lauret, wie er uns moechte zu
sund und schande, iamer und not bringen, Aber gar ungerne hoeret und nicht lang
bleiben kan, wo man Gottes namen von hertzen nennet und anrueffet, Und solt uns
mancher schrecklicher und greuelicher fall begegnen, wo uns Gott nicht durch
anruffen seines namens erhielte. Jch habe es selbs versucht und wol erfaren, das
offt plotzlicher grosser unfal gleich ynn solchem ruffen sich gewendet hat und
abgangen ist. Dem Teuffel zu leid (sage ich) solten wir den heiligen namen
ymerdar ym mund fueren, das er nicht schaden kunde wie er gerne wolt.
Dazu dienet auch, das man sich gewehne
teglich Gotte zu befelhen mit seel und leib, weib, kind, gesind und was wir
haben, fur alle zufeltige not. Daher auch das Benedicite, Gratias und andere
segen abends und morgens [Kinder ubung sich zu segenen und Gott befehlen.] komen
und blieben sind, Jtem die kinder ubung, das man sich segene, wenn man etwas
ungeheurs und schrecklichs sihet oder hoeret und spreche: HERR Gott behuete,
Hilff lieber Herr Christe, odder der gleichen. Also auch widderuemb, wenn ymand
etwas guts ungedacht widderferet, wie gering es auch ist, das man spreche: Gott
sey gelobt und gedanckt, das hat mir Gott bescheret &c., Wie man vormals die
kinder gewehnet hat Sanct Niclaus und andern heiligen zu fasten und beten.
Solchs were Gott angeneme und gefelliger denn kein Closterleben noch Cartheuser
heiligkeit.
Sihe also moecht man die iugent kindlicher
weise und spielens auffziehen ynn Gottes furcht und ehre, das das erste und
ander gepot fein ym schwang [s. 143] und stedter ubunge giengen. Da kuende etwas
guts bekleiben, auffgehen und frucht schaffen, das solche leute erwuchsen, der
ein gantz land geniessen und fro werden moechte. Das were auch die rechte weise
kinder wol zuziehen, weil man sie mit gutem und lust kan gewehnen. Denn was man
alleine mit rutten und schlegen sol zwingen, da wird keine gute art aus, und
wenn mans weit bringet, so bleiben sie doch nicht lenger from denn die rutte
auff dem nacken ligt. Aber hie wurtzelt es yns hertz, das man sich mehr fur Gott
denn fur der rutten und knuettel fuerchtet. Das sage ich so einfeltig fur die
iugent, das es doch einmal eingehe. Denn weil wir kindern predigen, muessen wir
auch mit yhn lallen. Also haben wir den misbrauch Gotlichs namens verhuetet und
den rechten brauch geleret (welcher nicht allein ynn worten sondern auch ynn der
ubung und leben stehen sol), das man wisse, das solchs Gotte hertzlich
wolgefalle und wolle es so reichlich belonen, so greulich als er ihenen
misbrauch straffen wil.
Das dritte Gepot.
[s. 143]
DU solt den Feyertag heiligen.
Feyertag haben wir genennet nach dem
Ebreischen woertlin Sabbath, welches eigentlich heisset feyren, das ist muessig
stehen von der erbeit. Daher wir pflegen zusagen ‘feyerabend machen’ odder
‘heiligen abend geben’. Nu hat Gott ym alten Testament den siebenden tag
ausgesondert und auffgesetzt zufeyern [Judische feyr.] und gepoten den selbigen
fur allen andern heilig zuhalten. Und dieser eusserlichen feyer nach ist dis
gepot alleine den Jueden gestellet, das sie solten von groben wercken still
stehen und rugen, auff das sich beide mensch und viech widder erholeten und
nicht von stedter erbeit geschwecht wuerden. Wiewol sie es hernach all zu enge
spanneten und groeblich misbrauchten, das sie auch an Christo lesterten und
nicht leiden kundten solche werck, die sie doch selbs daran theten, wie man ym
Euangelio liesset. Gerade als solt das gepot damit erfullet sein, das man gar
kein eusserlich werck thete, welchs [s. 144] doch nicht die meinung war, sondern
endlich die, das sie den feyer odder ruge tag heiligten, wie wir hoeren werden.
Daruemb gehet nu dis gepot nach dem groben verstand uns Christen nichts an. Denn
es ein gantz eusserlich ding ist, wie andere satzunge des alten Testaments an
sonderliche weise, person, zeit und stedte gebunden, welche nu [Christen feyer.]
durch Christum alle frey gelassen sind. Aber ein Christlichen verstand zufassen
fur die einfeltigen, was Gott ynn diesem gepot von uns foddert, so mercke, das
wir Feyertage halten nicht umb der verstendigen und gelerten Christen willen,
denn diese durffens nyrgent zu, Sondern erstlich auch umb leiblicher ursach und
notdurfft willen, welche die natur leret und foddert fur den gemeinen hauffen,
knecht nnd megde, so die gantze wochen yhrer erbeit und gewerbe gewartet, das
sie sich auch einen tag ein ziehen zu rugen und erquicken. Darnach allermeist
daruemb, das man an solchem ruge tage (weil man sonst nicht dazu komen kan) rawm
und zeit neme Gottes diensts zuwarten, Also das man zuhauffe kome Gottes wort zu
hoeren und handeln, darnach Gott loben, singen und beten.
[Feyertag frey bey den Christen.] Solchs
aber (sage ich) ist nicht also an zeit gebunden, wie bey den Jueden, das es
muesse eben dieser oder yhener tag sein (Denn es ist keiner an yhm selbs besser
denn der ander), Sondern solt wol teglich geschehen, aber weil es der hauffe
nicht warten kan, mus man ye zum wenigsten einen tag ynn der woche dazu
ausschiessen. Weil aber von alters her der Sontag dazu gestellet ist, sol mans
auch dabey bleiben lassen, auff das es ynn eintrechtiger ordnung gehe und
nyemand durch unnotige newerung ein unordnung mache. Also ist das die einfeltige
meinung dieses gepots, weil man sonst feyrtag helt, das man solche feyr anlege
Gottes wort zu lernen, Also das dieses tages eigentlich ampt sey das predigampt
umb des iungen volcks und armen hauffens willen, doch das feyren nicht so enge
gespannet, das daruemb andere zufellige erbeit, so man nicht umbgehen kan,
verpoten were.
[Feyertag heiligen.] Derhalben wenn man
fragt was da gesagt sey ‘Du solt den feyertag heiligen’, So antworte: Den
feyertag heiligen heist soviel als heilig halten. Was ist denn heilig halten?
nichts anders denn heilige wort, werck und leben fueren. Denn der tag darff fur
sich selbs keins heiligens nicht, denn er ist an yhm selbs heilig geschaffen,
Gott wil aber haben, das er dir heilig sey. Also wird er deinethalben heilig und
unheilig, so du heilig odder unheilig ding daran treibest. Wie gehet nu solchs
heiligen zu? Nicht also, das man [s. 145] hinder dem offen sitze und kein grobe
erbeit thue odder ein krantz auffsetze und sein beste kleider anziehe, sondern
(wie gesagt) das man Gottes wort handle und sich daryn ube.
[Feyren umb Gottes worts willen.] Und zwar wir Christen sollen ymerdar solchen
feyertag halten, eitel heilig ding treiben, das ist teglich mit Gottes wort
umbgehen, ym hertzen und mund umbtragen. Aber weil wir (wie gesagt) nicht alle
zeit und musse haben, muessen wir die wochen etliche stunde fur die iugent odder
zum wenigsten einen tag fur den gantzen hauffen dazu brauchen, das man sich
alleine damit bekuemere und eben die zehen gepot, den glauben und Vater unser
treibe, und also unser gantzes leben und wesen nach Gottes wort richte. Welche
zeit nu das ym schwang und ubung gehet, da wird ein rechter feyertag gehalten,
wo nicht, so sol es kein Christen feyertag heissen. Denn feyern und muessig
gehen konnen die unchristen auch wol, wie auch das gantze geschwurm unser
geistlichen teglich ynn der kirchen stehen, singen und klingen, heiligen aber
keinen feyertag nicht, Denn sie kein Gottes wort predigen noch uben sondern eben
dawidder leren und leben.
[Gottes wort unser heiligthumb.] Denn das
wort Gottes ist das heiligtumb uber alle heiligtumb, ia das einige, das wir
Christen wissen und haben. Denn ob wir gleich aller heiligen gebeine odder
heilige und geweyhete kleider auff einem hauffen hetten, so were uns doch nichts
damit geholffen, Denn es ist alles tod ding, das niemand heiligen kan. Aber
Gottes wort ist der schatz, der alle ding heilig machet, dadurch sie selbs die
heiligen alle sind geheiligt worden. Welche stund man nu Gottes wort handlet,
predigt, hoeret, liesset odder bedencket, so wird dadurch person, tag und werck
geheiligt, nicht des eusserlichen wercks halben, sondern des worts halben, so
uns alle zu heiligen machet. [Gottes wort machet alle ding heilig.] Derhalben
sage ich allezeit, das alle unser leben und werck ynn dem wort Gottes gehen
muessen, sollen sie Gott gefellig odder heilig heissen; wo das geschicht, so
gehet dis gepot ynn seiner krafft und erfuellung. Wideruemb was fur wesen und
werck ausser Gottes wort gehet, das ist fur Got unheilig, es scheine und gleisse
wie es wolle, wenn mans mit eitel heiligtumb behienge, Als da sind die erdichte
geistliche stende, die Gottes wort nicht wissen und ynn yhren wercken heiligkeit
suchen.
Daruemb mercke, das die krafft und macht
dieses gepots stehet nicht ym feyren [Heilige ubung.] sondern ym heiligen, Also
das dieser tag ein sonderliche heilige ubung habe. Denn andere erbeit und
gescheffte heissen eigentlich nicht heilige ubunge, es sey denn der mensch zuvor
heilig. Hie aber mus ein solch werck geschehen, dadurch ein mensch selbs heilig
werde, welchs alleine (wie gehoert) durch Gottes wort geschicht, dazu denn
gestifftet und geordnet sind stedte, zeit, personen und der gantze eusserliche
Gotts dienst, das solchs auch offentlich ym schwang gehe.
[s. 146] Weil nu soviel an Gottes wort
gelegen ist, das on dasselbige kein feyertag geheiligt wird, sollen wir wissen,
das Gott dis gepot strenge wil gehalten haben und straffen alle die sein wort
verachten, nicht hoeren noch lernen woellen sonderlich die zeit so dazu geordnet
ist. Daruemb sundigen [Feyertag entheiligen.] widder dis gepot nicht alleine die
den feyertag groeblich misbrauchen und verunheiligen, als die umb yhres geitz
odder leichtfertickeit willen Gottes wort nachlassen zuhoeren odder ynn Tabernen
ligen, toll und vol sind wie die sew, sondern auch der ander hauffe, so Gottes
wort hoeren als ein andern tand und nur aus gewonheit zu predigt und widder
eraus gehen, und wenn das iar umb ist, konnen sie hewer soviel als fert. Denn
bisher hat man gemeynet, es were wol gefeyert, wenn man des Sontags eine Messe
odder das Euangelium hette hoeren lesen, aber nach Gottes wort hat niemand
gefragt, wie es auch niemand geleret hat. Ytzt weil wir Gottes wort haben, thuen
wir gleichwol den misbrauch nicht abe, lassen uns ymer predigen und vermanen,
horens aber on ernst und sorge. Daruemb wisse, das nicht alleine [Gepoten Gottes
wort zu hoeren und lernen.] umb hoeren zuthuen ist, sondern auch sol gelernet
und behalten werden, und dencke nicht, das es ynn deiner wilkoere stehe odder
nicht grosse macht dran lige, sondern das Gottes gepot ist, der es foddern wird,
wie du sein wort gehoert, gelernet und geehret habst.
[Ekele geister.] Desgleichen sind auch zu
straffen die ekelen geister, welche wenn sie ein predigt odder zwo gehoert
haben, sind sie es satt und uberdrus, als die es nu selbs wol koennen und keines
meisters mehr duerffen. Denn das ist eben die [Tragheit.] sunde, so man bisher
unter die todsunde gezelet hat, und heisset Akidia, das ist tragheit odder
uberdrus, ein feindselige, schedliche plage, damit der Teuffel vieler hertzen
bezeubert und betreugt, auff das er uns ubereile und das wort Gottes widder
heimlich entziehe.
Denn das lasse dir gesagt sein: ob du es
gleich auffs beste kuendest und aller dinge meister werest, so bistu doch
teglich unter des Teuffels reich, der wider tag noch nacht ruget dich zu
beschleichen, das er ynn deinem hertzen unglauben und boese gedancken widder die
vorigen und alle gepot anzunde. Daruemb mustu ymerdar Gottes wort ym hertzen,
mund und fur den oren haben. Wo aber das hertz muessig stehet und das wort nicht
klinget, so bricht er ein und hat den schaden gethan, ehe mans gewar wird.
Widderuemb hat [Krafft Gottes worts.] es die krafft, wo mans mit ernst
betrachtet, hoeret und handlet, das es nimer on frucht abgehet, sondern allezeit
newen verstand, lust und andacht erwecket, rein hertz und gedancken machet. Denn
es sind nicht faule noch todte, sondern schefftige, lebendige wort. Und ob uns
gleich kein ander nutz und not triebe, [s. 147] so solt doch das yderman da zu
reitzen, das dadurch der Teuffel gescheucht und veriagt, dazu dis gepot
erfuellet wird, und Gott gefelliger ist denn alle andere gleissende heuchel
wercke.
Das Vierde Gepot.
Bis her haben wir die ersten drey gepot
gelernet, die da gegen Gott gerichtet sind: Zum ersten, das man yhm von gantzem
hertzen vertrawe, furchte und liebe ynn alle unserm leben. Zum andern, das man
seines heiligen namens nicht misbrauche zur luegen noch einigem boesen stuecke,
sondern zu Gottes lob, nutz und selickeit des nehisten und seiner selbs. Zum
dritten, das man an der feyer und ruge Gottes wort mit vleis handle und treibe,
auff das alle unser thuen und leben darnach gehe. Folgen nu die andern siebene
gegen unserm nehisten gestellet, unter welchen das erste und hohiste ist:
DU solt dein vater und mutter ehren.
Diesem vater und mutterstand hat Got sonderlich den preis gegeben fur allen
stenden, die unter yhm sind, das er nicht schlechts gepeut die eltern lieb
zuhaben sondern zu ehren. Denn gegen brueder, schwester und dem nehisten ynn
gemein befihlt er nicht hohers denn sie zulieben, Also das er vater und mutter
scheidet und auszeucht fur alle andere person auff erden [Ehren hoeher denn
lieben.] und neben sich setzet. Denn es ist viel ein hoeher ding Ehren denn
Lieben, als das nicht alleine die liebe begreifft sondern auch eine zucht, demut
und schewe als gegen einer maiestet alda verporgen, Auch nicht alleine foddert,
das man sie freundlich und mit ehrbietung anspreche, sondern allermeist, das man
sich beide von hertzen und mit dem leib also stelle und erzeige, das man viel
von yhn halte und nach Gott fur die oebersten ansehe (Denn welchen man von
hertzen ehren sol, den mus man warlich fur hoch und gros achten), Also das man
[Eltern an Gottes stad.] dem iungen volck einbilde yhre eltern an Gottes stad
fur augen zuhalten und also dencken, ob sie gleich gering, arm, gebrechlich und
seltzam seyen, das sie dennoch vater und mutter sind von Gott gegeben. Des
wandels [s. 148] odder feyls halben sind sie der ehren nicht beraubt, Daruemb
ist nicht anzusehen die person wie sie sind, sondern Gottes willen der es also
schaffet und ordnet. Sonst sind wir zwar fur Gottes augen alle gleich, aber
unter uns kan es on solche ungleicheit und ordenliche unterscheid nicht sein.
Daruemb sie auch von Gott gepoten ist zuhalten, das du mir als deinem vater
gehorsam seyest und ich die oeberhand habe.
[Wieviel die Ehre begreiffe.] So lerne nu
zum ersten, was die Ehre gegen den eltern heisse ynn diesem gepot gefoddert,
nemlich das man sie fur allen dingen herrlich und werd halte als den hoehisten
schatz auff erden, Darnach auch mit worten sich zuechtig gegen sie stelle, nicht
ubel anfare, poche noch poltere, sondern lasse recht haben und schweige, ob sie
gleich zuviel thuen, Zum dritten auch mit wercken, das ist mit leib und gut
solche ehre beweise, das man yhn diene, helffe und versorge, wenn sie alt,
kranck, gebrechlich odder arm sind, und solchs alles nicht allein gerne sondern
mit demut und ehrbietung als fur Gott gethan. Denn wer das weis, wie er sie ym
hertzen halten sol, wird sie nicht lassen not noch hunger leiden, sondern uber
und neben sich setzen und mitteylen, was er hat und vermag.
[Grosse und beste gute wercke yn diesem
gepot furgelegt.] Zum andern Sihe und mercke, wie gros gut und heilig werck
alhie den kindern furgelegt ist, welchs man leider gar verachtet und ynn wind
schlegt, und niemand war nimpt, das es Gott gepoten habe, odder das es ein
heilig Goettlich wort und lere sey. Denn wenn mans dafur gehalten hette, hette
ein yglicher daraus kunden nemen, das auch heilige leute muesten sein, die nach
diesen worten lebten. So hette man kein Closterleben noch geistliche stende
duerffen auffwerffen, were ein iglich kind bey diesem gepot blieben und hette
sein gewissen kunden richten gegen Gott und sprechen: Sol ich gutte und heilige
werck thuen, so weis ich yhe kein bessers denn meinen eltern alle ehre und
gehorsam zu leisten, weil es Gott selbs geheissen hat. Denn was Gott gepeut, mus
viel und weit edler sein denn alles was wir selbs muegen erdencken. Und weil
kein hoeher noch besser meister zufinden ist denn Gott, wird freylich auch kein
bessere lere sein denn er von sich gibt. Nu leret er yhe reichlich, was man
thuen sol, wenn man rechtschaffene gute werck wil uben, und ynn dem das ers
gepeut, zeuget er, das sie yhm wolgefallen. Jst es denn Gott, der solchs gepeut
und kein bessers weis zustellen, so werde ichs yhe nicht besser machen.
Sihe, also hette man ein fromes kind recht
geleret, seliglich erzogen und daheim behalten ynn gehorsam und dienst der
eltern, das man guts und freude dran gesehen hette. Aber also hat man Gottes
gepot nicht muessen auffmutzen sondern ligen lassen odder uberhin rausschen, das
ein kind nicht [s. 149] bedencken kuende und die weil das maul auff sperren nach
dem, das wir auffgeworffen haben und Gott keinmal druemb begruesset.3
Daruemb last uns einmal lernen umb Gottes
willen, das das iunge [Vermanung zum gehorsam.] volck, alle ander ding aus den
augen gesetzt, erstlich auff dis gepot sehen, wenn sie Gott mit rechten guten
wercken dienen wollen, das sie thuen was vater und mutter oder den sie an yhr
stad unterthan sind, lieb ist. Denn welchs kind das weis und thuet, hat zum
ersten den grossen trost ym hertzen, das es froelich sagen und rhuemen kan (zu
trotz und widder allen die mit eigen erweleten wercken umbgehen): Sihe das werck
gefellet meinem Gott ym hymel wol, das weis ich fuer war. Lasse sie mit yhren
vielen grossen, sawren, schweren wercken alle auff einen hauffen her tretten und
rhuemen, las sehen, ob sie yrgent eines erfurbringen kuenden, das groesser und
edler sey denn vater und mutter gehorsam, so Gott nehisten seiner Maiestet
gehorsam gesetzt und befolhen hat, Das wenn Gottes wort und willen gehet und
ausgericht wird, sol keines mehr gelten denn der eltern willen und wort, Also
das er dennoch auch unter Gottes gehorsam bleibe und nicht widder die vorigen
gepot gehe.
Derhalben soltu von hertzen fro sein und
Gotte dancken, das er dich dazu erwelet und wirdig gemacht hat, yhm solch
kostlich, angeneme werck zuthuen, [Wercke des gehorsams gros achten.] Und halte
es nur fur gros und tewer (ob es gleich das aller geringste und verachtiste
angesehen wird) nicht unser wirdikeit halben, sondern das es ynn dem kleinot und
heiligthumb, nemlich Gottes wort und gepot, gefasset ist und gehet. O wie tewer
soltens alle Cartheuser, Monche und Nonnen keuffen, das sie ynn alle yhrem
geistlichen wesen ein einig werck fur Gott moechten bringen aus seinem gepot
gethan, und mit froelichem hertzen fur seinem augen sprechen: Nu weis ich, das
dir dis werck wolgefellet. Wo wollen sie, die arme elende leute, bleiben, wenn
sie fur Gott und aller welt schamrot mit allen schanden stehen werden fur einem
iungen kind, so ynn diesem gepot gelebt hat, und bekennen, das sie mit alle
yhrem leben nicht werd sind gewesen yhm das wasser zureichen? Geschicht yhn auch
recht umb der Teuffelischen verkerung willen, weil sie Gottes gepot mit fuessen
tretten, das sie sich vergeblich mit selbs erdachten wercken martern muessen,
dazu spot und schaden zu lohn haben.
Solt nu nicht ein hertz springen und von
freuden zufliessen, wenn es zur erbeit gieng und thete was yhm befolhen were,
das es kuende sagen: Sihe das ist besser denn aller Catheuser heilickeit, ob sie
sich gleich zu tod fasten und on unterlas auff den knyen beten? Denn hie hastu
ein gewissen Text und Gottlich zeugnis, das er dis geheissen hat, aber von
yhemen kein wort befohlen. Aber das ist der iamer und ein leidige blindheit der
welt, [s. 150] das solchs niemand gleubt, so hat uns der Teuffel bezeubert mit
falscher heilickeit und schein eigener werck. Derhalben wolt ich yhe gerne (sage
ich abermal), das man augen und oren auffthete und solchs zuhertzen neme, auff
das wir nicht der mal eins widder von dem reinen Gottes wort auff des [Frucht
und nutz dieser guten wercke.] Teuffels luegentand verleitet wuerden. So wuerde
es auch wol stehen, das die eltern deste mehr freud, liebe, freundschafft und
eintracht ynn heussern hetten, so kuendten die kinder den eltern alle yhr hertz
nemen. Wideruemb wo sie storrig sind und nicht ehe thuen was sie sollen, man
lege yhn denn ein knuettel auff den ruecken, so erzuernen sie beide Gott und
eltern, damit sie yhn selbs solchen schatz und freude des gewissens entziehen
und eitel unglueck samlen. Daruemb gehets auch itzt yn der welt also, wie
yderman klagt, das beide iung und alt gar wild und unbendig ist, kein schew noch
ehre hat, nichts thuen denn mit schlegen getrieben, und hinder eins andern
rucken ausrichten und abziehen was sie kuenden. Daruemb auch Gott straffet, das
sie ynn allen unrad und iamer komen, so konnen die eltern gemeiniglich selbs
nichts, zeucht ein thor den andern, wie sie gelebt haben, so leben die kinder
hinach.
Das sol nu (sage ich) das erste und
grosseste sein, das uns zu diesem gepot sol treiben, umb welchs willen, wenn wir
kein vater und mutter hetten, solten wir wunschen, das uns Gott holtz und stein
furstellet, die wir vater und mutter moechten heissen. Wieviel mehr, weil er uns
lebendige eltern geben hat, sollen wir fro werden, das wir yhn muegen ehre und
gehorsam erzeigen? Weil wir wissen, das der hohen maiestet und allen Engeln so
wol gefellet und alle Teuffel verdreusset, dazu das hohest werck ist, so man
thuen kan nach dem hohen Gottes dienst ynn den vorigen gepoten gefasset, also
das almosen geben und alle andere werck gegen dem nehisten diesem noch nicht
gleich sind. Denn Gott hat diesen stand oben angesetzt, ia an seine stad auff
erden gestellet. Solcher willen Gottes und gefallen sol uns ursach und reitzung
gnug sein, das wir mit willen und lust theten was wir kuenden.
Dazu sind wirs ia auch schuldig fur der
welt, das wir der wolthat und allem gutem, so wir von den eltern haben, danckbar
seyen. Aber da regirt abermal der Teuffel ynn der welt, das die kinder der
eltern vergessen, wie wir alle Gottes vergessen, und niemand dencket, wie uns
Gott also nehret, hutet und schuetzet und soviel guts gibt an leib und seele,
sonderlich wenn einmal ein boese stunde koempt, da zuernen und murren wir mit
ungedult und [s. 151] [Undanck gegen Gott und eltern.] ist alles dahin, was wir
unser lebenlang guts empfangen haben. Eben also thuen wir den eltern auch und
ist kein kind, das solchs erkenne und bedencke, der heilige geist gebe es denn.
Solche unart der welt kennet Gott wol, darumb erynnert und treibt er sie mit
gepoten, das ein iglicher dencke, was yhm die eltern gethan haben, so findet er,
das er leib und leben von yhn habe, dazu auch erneret und auffgezogen sey, da er
sonst hundertmal ynn seinem unflat erstickt were. Daruemb ist recht und wol
gesagt von alten weisen leuten: Deo, parentibus et magistris non potest satis
gratiae rependi, Das ist: Gotte, den eltern und schulmeistern kan man nimmer
gnugsam dancken noch vergelten. Wer das ansihet und nachdencket, der wird wol
ungetriben seinen eltern alle ehre thuen und sie auff den henden tragen, als
durch die yhm Gott alles guts gethan hat.
[Verheissunge bey diesem gepot.] Uber das
alles sol das auch ein grosse ursach sein uns deste mehr zu reitzen, das Gott an
dieses gepot ein liebliche verheissung hefftet und spricht: ‘Auff das du
langes leben habst ym lande, da du wonest’. Da sihe selbs, wie grosser ernst
Gotte sey uber diesem gepot, weil er nicht alleine ausdruecket, das yhm angeneme
sey, freude und lust daryn habe, sondern solle auch uns wol geraten und zum
besten gedeyen, das wir ein sanfftes, susses leben muegen [Ephes. 6, 2] haben
mit allem guten. Daruemb auch Sanct Paulus Ephe. 6. solchs hoch anzeucht und
rhuemet, als er spricht: ‘Das ist das erste gepot, das eine verheissung hat,
auff das dirs wolgehe und lange lebest auff erden’. Denn wiewol die andern
auch yhre verheissung eingeschlossen haben, ists doch zu keinem so deutlich und
ausgedruckt gesetzt.
Da hastu nu die frucht und das lohn, das wer es helt, sol gute tage, glueck und
wolfart haben, widderuemb auch die straffe, das wer ungehorsam [Langes leben.]
ist, deste ehe umbkomen und des lebens nicht fro werden sol. Denn langes leben
haben heisset die schrifft nicht alleine wol betaget werden, sondern alles
haben, so zu langem leben gehoeret, als nemlich gesundheit, weib und kind,
narung, friede, gut regiment &c., on welche dis leben nicht froelich
genossen werden noch die lenge bestehen kan. Wiltu nu nicht vater und mutter
gehorchen [Hengcker und uber die ungehorsamen.] und dich lassen ziehen, so
gehorche dem henger, gehorchestu dem nicht, so gehorche dem Streckebein, das ist
der tod. Denn das wil Gott kurtzumb haben: entweder so du yhm gehorchest, liebe
und dienst thuest, das er dirs uberschwenglich vergelte mit allen guten, odder
wo du yhn erzurnist, das er uber dich schicke beyde tod und henger. Wo komen
soviel schelcke her, die man teglich hengen, kopffen und radbrechen mus, denn
aus dem ungehorsam, weil sie sich nicht mit gut ziehen lassen, das sie es durch
Gottes straff so ausrichten, [s. 152] das man unglueck und hertzleid an yhn
sihet? Denn gar selten geschicht, das solche verruchte leute eines rechten odder
zeitigen tods sterben.
Die fromen aber und gehorsamen haben den
segen, das sie lange ynn guter ruge leben und yhr kinds kind sehen (wie oben
gesagt) yns dritte und vierde gelied, Wie man auch erferet, das wo feine alte
geschlechte sind, die da wol stehen und viel kinder haben, freylich daher komen,
das yhr etliche wol gezogen und yhre eltern fur augen haben gehabt. Widderuemb
stehet geschrieben [Ps. 109, 13] von den Gottlosen Psal. 109. ‘Seine nachkomen
muessen ausgerottet werden und yhr name musse ynn einem gelied untergehen.’
Derhalben lasse dirs gesagt sein, wie gros ding es ist bey Gott umb den
gehorsam, weil er yhn so hoch setzet, yhm selbs so wol gefallen lesset und
reichlich belonet, dazu so strenge darueber helt zustraffen die dawidder thuen.
Das rede ich alles, das mans dem iungen volck wol einblewe, denn niemand gleubt,
wie dis gepot so noetig ist, doch bisher unter dem Bapstumb nicht geachtet noch
geleret. Es sind schlechte und leichte wort, meynet yderman, er kuende es vorhin
wol, daruemb feret man uber hin und gaffet nach anderm ding, sihet und gleubt
nicht, das man Gott so hoch erzuernet, wenn man dis lesset anstehen, noch so
koestlich angeneme werck thuet, so man dabey bleibt.
[Alle oeberkeit von den Eltern.] Ynn dieses gepot gehoeret auch weiter zusagen
von allerley gehorsam gegen oberpersonen, die zugepieten und zuregiren haben.
Denn aus der eltern oberkeit fleusset und breitet sich aus alle andere. Denn wo
ein vater nicht allein vermag sein kind auffziehen, nimpt er ein schulmeister
dazu, der es lere, ist er zuschwach, so nimpt er seine freund odder nachbar
zuhuelff, gehet er abe, so befihlt er und ubergibt das regiment und oeberhand
andern die man dazu ordnet. Jtem so mus er auch gesind, knecht und megde zum
hausregiment unter yhm haben. Also das alle die man herrn heisset an der eltern
stad sind und von yhn krafft und macht zuregiren nemen muessen. [Veter heissen
alle die regieren] . Daher sie auch nach der schrifft alle Veter heissen, als
die ynn yhrem regiment das vater ampt treiben und veterlich hertz gegen den
yhren tragen sollen. Wie auch von alters her die Roemer und andere sprachen
herrn und frawen ym haus Patres et matres familias, das ist haus veter und haus
mutter, genennet haben. Also auch yhre landsfursten und oberherrn haben sie
Patres patriae, das ist veter des gantzen lands geheissen, uns die wir Christen
sein woellen, zu grossen schanden, das wir sie nicht auch also heissen oder zum
wenigsten dafur halten und ehren.
Was nu ein kind vater und mutter schuldig
ist, sind auch schuldig alle [Ehre und gehorsam gegen herrn und frawen. ] die
yns haus regiment gefasset sind. Daruemb sollen knecht und megde zusehen, [s.
153] das sie yhren herrn und frawen nicht allein gehorsam sein sondern auch ynn
ehren halten als yhr eigene veter und muetter und thuen alles, was sie wissen,
das man von yhn haben wil, nicht aus zwang und widerwillen, sondern mit lust und
freuden, Eben umb voriger ursach willen, das es Gottes gepot ist und yhm fur
allen andern wercken wolgefellet, umb welchs willen sie noch lohn solten zugeben
und fro werden, das sie herrn und frawen moechten uberkomen, solch froelich
gewissen haben und wissen, wie sie rechte gueldene werck thuen solten, welche
bisher verblichen und verachtet und dafur yderman yns Teuffels namen ynn
Cloester zu walfarten und ablas gelauffen ist mit schaden und boesem gewissen.
Wenn man nu solchs kuend dem armen volck
einbilden, so wuerd ein meydlin ynn eitel sprungen gehen, Gott loben und dancken
und mit seuberlicher erbeit, dafur sie sonst narung und lohn nimpt, solchen
schatz kriegen, [Rhum und nutz des gehorsams.] den alle, die man fur die
heiligsten achtet, nicht haben. Jsts nicht ein trefflicher rhum, das zuwissen
und sagen: wenn du dein tegliche hauserbeit thuest, das besser ist denn aller
Monche heilickeit und strenges leben? Und hast dazu die zusagung, das dir zu
allem gutten gedeyen sol und wolgehen. Wie wiltu seliger sein odder heiliger
leben, soviel die werck betrifft? Denn fur Got eigentlich der glaube heilig
machet und alleine yhm dienet, die wercke aber den leuten. Da hastu alle gut,
schutz und schirm unter dem herrn, ein froelich gewissen und gnedigen Gott dazu,
der dirs hundertfeltig vergelten wil, und bist gar ein iuncker, wenn du nur from
und gehorsam bist. Wo aber nicht, hastu erstlich eitel zorn und ungnade von
Gott, kein friede yhm hertzen, darnach alle plage und unglueck. Welchen nu
solchs nicht bewegen wil und from machen, den befehlen wir dem hengker und
Streckebein. Daruemb dencke ein iglicher der yhm wil sagen lassen, das Gott kein
schertz ist, und wisse, das Gott mit dir redet und gehorsam foddert: gehorchestu
yhm, so bistu das liebe kind, verachtestu es aber, so habe auch schande, iamer
und hertzleid zu lohn.
[Gehorsam Weltlicher oeberkeit.]
Desgleichen ist auch zureden von gehorsam weltlicher oberkeit, welche (wie
gesagt) alle ynn den vater stand gehoeret und am aller weitersten umb sich
greiffet. Denn hie ist nicht ein einzeler vater sondern soviel mal vater, soviel
er landsessen, buerger odder unterthane hat. Denn Gott gibt und erhelt uns durch
sie (als durch unsere eltern) narung, haus und hoff, schutz und sicherheit.
Daruemb weil sie solchen namen und titel als yhren hohisten preis mit allen
ehren fueren, sind wir auch schuldig, das wir sie ehren und gros achten fur den
tewersten schatz und koestlichste kleinot auff erden.
[s. 154]
[Gnade und segen der gehorsamen
unterthanen.] Wer nu hie gehorsam, willig und dienstbar ist und gerne thuet
alles, was die ehre belanget, der weis, das er Got gefallen thuet, freud und
glueck zu lohn krigt. Wil ers nicht mit liebe thuen sondern verachten und sich
sperren odder rhumoren, so wisse er auch widerumb, das er kein gnade noch segen
habe. Und wo er ein guelden damit meinet zuerlauffen, anders wo zehenmal mehr
dagegen verliere oder dem henger zu teil werde, durch krieg, pestilentz und
tewrung umbkomme oder an seinen kindern kein guts erlebe, von gesind, nachbarn
odder frembden und Tyrannen schaden, unrecht und gewalt leiden musse, auff das
uns bezalt werde und heim kome, was wir suchen und verdienen.
Wenn uns nur einmal zusagen were, das
solche werck Gott so angeneme sind und so reichliche belonung haben, wurden wir
yn eitel uberschwenglichen gutern sitzen und haben was unser hertz begeret. Weil
man aber Gottes wort und gepot sogar verechtlich helt, als hette es yrgent ein
holhipler geredt, so las auch sehen, ob du der man seyest der yhm entsitzen
[Zorn und straffe uber den ungehorsam.] kuende. Wie schwer wirds yhm wol werden,
das er dich widder bezale? Daruemb lebtestu yhe so mehr mit Gottes hulde, friede
und glueck als mit ungnade und unglueck. Waruemb meinestu, das itzt die welt so
vol untrewe, schande, iammer und mord ist, denn das yderman sein eigen herr und
Keiserfrey wil sein, auff niemand nichts geben und alles thuen was yhn geluestet?
Daruemb straffet Gott ein buben mit dem andern, das wo du deinen herrn betreugst
odder verachtest, ein ander kome der dir wider also mitfare, ia das du ynn
deinem haus von weib, kind odder gesind zehen mal mehr leiden muessest.
Wir fuelen unser unglueck wol, murren und
klagen uber untrew, gewalt und unrecht, wollen aber nicht sehen, das wir selbs
buben sind, die straffe redlich verdienet haben, und nichts davon besser werden.
Wir wollen kein gnade und glueck haben, darumb haben wir billich eitel unglueck
on alle barmhertzigkeit. Es muessen noch etwo frome leut auff erden sein, das
uns Gott noch soviel guts lesset, unserthalb solten wir kein heller ym haus,
kein strohalm auff dem feld behalten. Das alles habe ich muessen mit soviel
worten treiben, ob es einmal ymand wolt zuhertzen nemen, das wir der blindheit
und iamers, darin wir so tieff gelegen sind, mochten los werden, Gottes wort [s.
155] und willen recht erkennen und mit ernst annemen. Denn daraus wuerden wir
lernen, wie wir kuenden freud, glueck und heil zeitlich und ewig gnug haben.
[Geistliche veter odder oeberkeit.] Also
haben wir dreyerley veter ynn diesem gepot furgestellet: des gebluts, ym hause
und ym lande, Darueber sind auch noch geistliche veter, nicht wie yhm Bapstumb,
die sich wol also haben lassen nennen, aber kein veterlich ampt gefuret. Denn
das heissen allein geistliche veter, die uns durch Gottes wort regieren und
furstehen, Wie sich Sanct Paulus ein vater rhuemet [1. Kor. 4, 15] 1. Cor. 4. da
er spricht: ‘Jch habe euch gezeuget ynn Christo Jhesu durch das Euangelion’.
Weil sie nu veter sind, gepuert yhn auch die ehre auch wol fur allen andern,
Aber da gehet sie am wenigsten. Denn die welt mus sie so ehren, das man sie aus
dem lande iage und nicht ein stueck brods goenne, [1. Kor. 4, 13] Und Summa sie
muessen (wie Paulus sagt) der welt keerich und ydermans schabab sein. Doch ist
not solchs auch ynn den poebel zutreiben, das die da [Seelwarter zwyfachtiger
ehren werd.] Christen heissen wollen, fur Gott schuldig sind, die so yhrer seele
warten, zwyfacher ehre werd zuhalten, wolthuen und versorgen. Da wil dir Gott
auch gnug zu geben und keinen mangel lassen. Aber da sperret und wehret sich
yderman, haben alle sorge, das der bauch verschmachte, und konnen itzt nicht
einen rechtschaffenen prediger nehren, da wir zuvor zehen mastbeuche gefullet
haben. Damit wir auch verdienen, das uns Gott seines wortes und segens beraube
und wideruemb luegen prediger auffstehen lasse, die uns zum Teuffel fueren, dazu
unser schweis und blut aussaugen.
Welche aber Gottes willen und gepot fur augen halten, haben die verheissung, das
yhn reichlich sol vergolten werden, was sie beide an leibliche und geistliche
veter wenden und zu ehren thuen, nicht das sie ein iar odder zwey brod, kleider
und gelt haben sollen, sondern langes leben, narung und friede, und sollen ewig
reich und selig sein. Daruemb thue nur, was du schuldig bist, und lasse Gott
dafur sorgen, wie er dich neere und gnug schaffe. Hat ers verheissen und noch
nye gelogen, so wird er dir auch nicht liegen. Solchs solt uns yhe reitzen und
ein hertz machen, das zuschmeltzen moechte fur lust und liebe gegen denen so wir
ehre schuldig sind, das wir die hende auff hueben und froelich Gotte dancketen,
der uns solche verheissunge geben hat, darnach wir bis an der welt ende lauffen
solten. Denn ob gleich alle welt zusamen thete, vermoechte sie uns nicht ein
stuendlin zum leben zulegen odder ein koerlin aus der erden zugeben. Gott aber
kan und wil dir alles uberschwenglich [s. 156] nach deines hertzen lust geben.
Wer nu solchs verachtet und ynn wind schlegt, der ist yhe nicht werd, das er ein
Gottes wort hoere.
Das ist nu zum uberflus gesagt allen, so
unter dis gepot gehoeren. Darneben were auch wol zu predigen den Elltern und was
yhr ampt fueret, wie sie sich halten sollen gegen denen, so yhn befohlen sind zu
regieren. Welchs wiewol es ynn zehen gepoten nicht ausgedruckt stehet, ist es
doch sonst an vielen orten der schrifft reichlich gepoten, Auch wil es Gott eben
ynn diesem gepot mit eingebunden haben, als er vater und mutter nennet. Denn er
wil nicht buben noch Tyrannen zu diesem ampt und regiment haben, gibt yhn auch
nicht daruemb die Ehre, das ist macht und recht zu regieren, das sie sich
anbeten lassen, sondern dencken, das sie unter Gottes gehorsam sind und fur
allen dingen sich yhres ampts hertzlich und trewlich annemen, yhre kinder,
gesind, unterthanen etc. nicht allein zu neeren und leiblich zuversorgen sondern
allermeist zu Gottes lob und ehre auff zuziehen. Daruemb dencke nicht, das
solchs zu deinem gefallen und eygener wilkoere stehe, sondern das Gott strenge
gepoten und auffgelegt hat, welchem du auch dafuer wirdst muessen antworten.
Da ist nu abermal die leydige plage, das
niemand solchs warnympt noch achtet, gehen hyn als gebe uns Gott kinder, unser
lust und kuertzweil daran zu haben, das gesinde wie ein kue odder esel allein
zur erbeit zubrauchen, odder mit den unterthanen unsers mutwillens zu leben,
lassen sie gehen, als giengs uns nichts an, was sie lernen oder wie sie leben.
Und wil [Ursach und not die iugent wol zu ziehen und leren.] niemand sehen, das
der hohen Maiestet befehl ist, die solchs ernstlich wird foddern und rechen,
noch das so grosse not thuet, das man sich der Jugent mit ernst anneme. Denn
woellen wir feine geschickte leute haben beyde zu weltlichem und geistlichem
regiment, so muessen wir warlich kein vleis, muehe noch kost an unsern kindern
sparen zu leren und erziehen, das sie Gott und der welt dienen moegen, Und nicht
allein dencken, wie wir yhn gelt und gut samlen, Denn Gott kan sie wol on uns
neeren und reich machen, wie er auch teglich thuet. Darumb aber hat er uns
kinder geben und befohlen, das wir sie nach seinem willen auffziehen und
regieren, sonst duerffte er vater und mutter nyrgend zu. Darumb wisse ein
yglicher, das er schueldig ist bei verlust Goettlicher gnade, das er seine
kinder fur allen dingen zu Gottes furcht und erkentnis ziehe, und wo sie
geschickt sind, auch lernen und studiren lasse, das man sie wozu es not ist
brauchen kuende.
[Vermanung fur die eltern.] Wenn man nu
solchs thete, wuerde uns Gott auch reichlich segenen und gnade geben, das man
solche leute erzoege, der land und leut gebessert moechten [s. 157] werden, dazu
feine gezogene buerger, zuechtige und heusliche frawen, die darnach fort an
frome kinder und gesind ziehen moechten. Da dencke nu selbs, wie mordlichen
schaden du thust, wo du darynne verseumlich bist und an dir lessest feylen, das
dein kind nuetzlich und seliglich erzogen werde, Darzu alle sund und zorn auff
dich bringest und also die helle an dein eigen kindern verdienest, ob du gleich
sonst from und heilig werest. Derhalben auch Gott, weil man solchs verachtet,
die welt so greulich straffet, das man kein zucht, regiment noch friede hat,
welchs wir auch alle klagen, sehen aber nicht, das unsere schuld ist, Denn wie
wir sie ziehen, so haben wir ungeratene und ungehorsame unterthane. Das sey gnug
zur vermanunge, denn solchs ynn die lenge zu treiben gehoeret auff ein ander
zeit.
Das Fünffte Gepot.
DU solt nicht tödten.
Wir haben nu ausgerichtet beide geistlich und weltlich regiment, das ist
Goettliche und veterliche oeberkeit und gehorsam. Hie aber gehen wir nu aus
unserm haus unter die nachbar zulernen, wie wir unternander leben sollen, ein
jglicher fur sich selbs gegen seinem nehesten. Daruemb ist ynn diesem gepot [Oberkeit
gehoeret nicht ynn dis gepot.] nicht eingezogen Gott und die oeberkeit noch die
macht genomen, so sie haben zu toedten. Denn Gott sein recht ubeltheter zu
straffen der oeberkeit an der Eltern stad befohlen hat, welche verzeitten (als
man ynn Mose [5. Mose 21, 18 ff.] liesset) yhre kinder selbs muesten fur gericht
stellen und zum tod urteylen. Derhalben was sie verpoten ist, ist einem gegen
dem andern verpoten und nicht der oberkeit.
Dis gepot ist nu leicht gnug und offt gehandlet, weil mans ierlich ym Euangelio
[Matth. 5, 21 ff.] hoeret Matthei .5., da es Christus selbs auslegt und ynn eine
Summa fasset, nemlich das man nicht toedten sol widder mit hand, hertzen, mund,
zeichen, geberden noch huelffe und rath. Daruemb ist [Zorn yderman verpoten on
der oeberkeit.] daryn yderman verpoten zuzurnen, ausgenomen (wie gesagt) die an
Gottes stad sitzen, das ist Eltern und oeberkeit. Denn Gott und was yn
Goettlichem stand [s. 158] ist, gebueret zu zurnen, schelten und straffen eben
um dere willen, so dis und andere gepot ubertretten.
Ursach aber und not dieses gepots ist, das
Gott wol weis, wie die welt [Ursach dis gepot zustellen.] boese ist und dis
leben viel ungluecks hat, daruemb hat er dis und andere gepot zwisschen gut und
boese gestellet. Wie nu mancherley anfechtung ist widder alle gepot, also gehets
hie auch, das wir unter viel leuten leben muessen, die uns leid thuen, das wir
ursach kriegen yhnen feind zu sein: Als wenn dein nachbar sihet, das du besser
haus und hoff, mehr guts und gluecks von Gott hast denn er, so verdreusts yhn,
neidet dich und redet nichts guts von dir. Also kriegstu viel feinde durch des
Teuffels anreitzung, die dir kein guts widder leiblich noch geistlich goennen.
Wenn man denn solche sihet, so wil unser hertz widderuemb wueten und bluten und
sich rechen. Da hebt sich denn widerfluchen und schlagen, daraus endlich iamer
und mord folget. Da koempt nu Gott zuvor wie ein freundlicher vater, legt sich
yns mittel und wil den [Wehre und schutz widder gewalt und frevel.] hadder
geschieden haben, das kein unglueck daraus entstehe noch einer den andern
verderbe. Und Summa wil er hiemit ein iglichen beschirmet, befreyet und befridet
haben fur ydermans frevel und gewalt und dis gepot zur ringmauren, festen und
freyheit gestellet haben umb den nehisten, das man yhm kein leid noch schaden am
leib thue.
So stehet nu dis gepot darauff, das man
niemand kein leyd leyd thue umb yrgent eines boeses stuecks willen, ob ers
gleich hoechlich verdienet. Denn [Alle ursach des todschlags verboten.] wo
todschlag verpoten ist, da ist auch alle ursach verpoten, daher todschlag
entspringen mag. Denn mancher, ob er nicht toedtet, so fluchet er doch und
wuendschet, das wer es solt am hals haben, wuerde er nicht weit lauffen. Weil nu
solchs yederman von natur anhanget und ynn gemeynem brauch ist, das keiner vom
andern leiden wil, so wil Gott die wurtzel und ursprung weg reumen, durch welche
das hertz widder den nehisten erbittert wird, Und uns gewehnen, das wir allzeit
dis gepot fur augen haben und uns darein spiegeln, Gottes willen ansehen und yhm
das unrecht so wir leiden, befehlen mit hertzlichem vertrawen und anruffen
seines namens und also ihene feindlich scharren und zuernen lassen, das sie
thuen was sie kuenden. Also das ein mensch lerne den zorn stillen und ein
gedueltigs, sanfftes hertz tragen, sonderlich gegen denen, die yhm ursach zu
zuernen geben, das ist gegen die feinde.
[Gantze summa dis gepots.] Darumb ist die
gantze Summa darvon (den einfeltigen auffs deudlichste einzubilden, was da
heisse ‘nicht toedten’) Zum ersten, das man niemand leyd [s. 159] thue
erstlich mit der hand odder that, Darnach die zunge nicht brauchen lasse darzu
zu reden odder radten, uber das keynerley mittel odder weise brauche noch
bewillige, dadurch yemand moechte beleydiget werden, und endlich das das hertz
niemand feind sey noch aus zorn und hass boeses goenne, Also das leib und seele
unschuldig sey an yederman, eygentlich aber an dem, der dir boeses wuendschet
odder zufueget. Denn dem, der dir guts goennet und thuet, boeses thuen ist nicht
menschlich sondern Teuffelisch.
Zum andern ist auch dieses gepots schueldig nicht allein der da boeses thuet,
sondern auch wer dem nehisten guts thuen, zuvor komen, wehren, schuetzen und
redten kan, das yhm kein leyd noch schaden am leibe widderfare, [Liebe und
wolthat entziehen heisset auch getoedtet.] und thuet es nicht. Wenn du nu einen
nacketen lessest gehen und kuendest yhn kleyden, so hastu yhn erfrieren lassen,
sihestu yemand hunger leiden und speisest yhn nicht, so lessestu yhn hungers
sterben. Also sihestu yemand zum tod verurteilt odder yn gleicher not und nicht
redtest, so du mittel und wege darzu wuestest, so hastu yhn getoedtet, Und wird
nicht helffen, das du fuerwendest, du habst keine huelffe, radt noch that darzu
gegeben, Denn du hast yhm die liebe entzogen und der wolthat beraubt, dardurch
er bey dem leben blieben were.
Darumb heisset auch Gott billich die alle
moerder, so ynn noeten und fahr leibs und lebens nicht radten noch helffen, Und
wird gar schrecklich [Urteil Gottes uber die unbarmhertzigen.] urteil uber sie
gehen lassen am Juengsten tage, wie Christus selbs verkundigt, und sprechen: ‘Jch
bin hungerig und durstig gewesen und yhr habt mich nicht gespeisset noch
getrenckt, Jch bin ein gast gewesen und yhr habt mich nicht beherbergt, Jch bin
nacket gewesen und yhr habt mich nicht bekleidet, Jch bin kranck und gefangen
gewesen und yhr habt mich nicht besuchet’. Das ist: yhr hettet mich und die
meinen wol lassen hungers, dursts und frosts sterben, die wilden thiere
zureissen, ym gefengnis verfaulen und yn noeten verderben lassen. Was heisset
das anders denn moerder und bluthunde gescholten? Denn ob du solchs nicht mit
der that begangen hast, so hastu yhn doch ym unglueck stecken und umbkomen
lassen, soviel an dir gelegen ist. Und ist eben soviel, als ob ich ymand sehe
auff tieffem wasser faren und erbeiten odder ynn ein feur gefallen und kuende
yhm die hand reichen, eraus reissen und redten und doch nicht thete: Wie wuerde
ich anders auch fur aller welt bestehen denn ein moerder und boeswicht?
Daruemb ist die endliche meinung Gottes, das wir keinem menschen leid
widderfaren lassen, sondern alles gut und liebe beweisen, und ist (wie gesagt)
eigentlich gegen die gerichtet, so unsere feinde sind. Denn das wir [s. 160]
freunden guts thuen, ist noch ein schlechte Heidnische tugent, wie Christus [Matth.
5, 46 f.] Matthei .5. sagt.
Da haben wir nu abermal Gottes wort, damit
er uns reitzen und treiben wil zu rechten, edlen, hohen wercken, als sanfftmut,
gedult und Summa Liebe und wolthat gegen unsern feinden, Und wil uns ymerdar
erynnern, das wir zuruecke dencken des ersten gepots, das er unser Gott sey, das
ist uns helffen, beistehen und schuetzen wolle, auff das er die lust uns
zurechen dempffe. [Rechte gute werck widder die heuchelwercke.] Solchs solt man
nu treiben und blewen, so wurden wir gute werck alle hend vol zuthuen haben.
Aber das were nicht fur die Moenche gepredigt, dem geistlichen stande zuviel
abbrochen, der Cartheuser heiligkeit zu nahe und solt wol eben gute wercke
verpoten und Cloester gereumet heissen. Denn mit der weise wurde der gemeine
Christen stand gleich soviel, ia weit und viel mehr gelten und yderman sehen,
wie sie die welt mit falschem heuchlischen schein der heilickeit effen und
verfuren, weil sie dis und ander gepot yn wind geschlagen und fur unnoetig
gehalten, als werens nicht gepot sondern rethe, Und daneben unverschempt yhren
heuchelstand und wercke fur das volkomenste leben gerhuemet und ausgeschryen,
auff das sie ia ein gut sanfftes leben fureten on creutz und gedult. Daruemb sie
auch ynn die Closter gelauffen sind, das sie von niemand nichts leiden noch
ymand guts thuen duerfften. Du aber wisse, das dis die rechte, heilige und
Goettliche werck sind, welcher er sich mit allen Engeln freuet, dagegen alle
menschliche heilickeit stanck und unflat ist, dazu nicht anders denn zorn und
verdamnis verdienet.
Das Sechste Gepot.
[s. 160]
DU solt nicht ehebrechen.
Diese gepot sind nu an yhn selbs leicht zuverstehen aus dem nehisten, denn sie
gehen alle dahin, das man sich huete fur allerley schaden des nehisten, sind
aber fein ordentlich gestellet, Zum ersten auff sein eigene person, darnach
fortgefaren auff die nehiste person odder das nehiste gut nach [Ehebruch
deutlich ausgedrueckt.] seinem leibe, nemlich sein ehelich gemahl, welchs mit
yhm ein fleisch und blut ist, Also das man yhm an keinem gut hoeher schaden
thuen kan. Darumb auch deutlich hie ausgedruckt wird, das man yhm keine schande
zufugen sol an seinem eheweibe. Und lautet eigentlich auff den ehebruch, darumb
das ym Judischen volck so geordnet und gepoten war, das yederman muste ehelich
erfunden werden. Daruemb auch die iugent auffs zeitlichste beraten ward, Also
das Jungfrawen stand nichts galt, auch kein offentlich huren und buben leben
(wie itzt) gestadtet ward. Daruemb ist der ehebruch die gemeineste unkeuscheit
bey yhn gewesen.
[s. 161] Weil aber bey uns ein solch
schendlich gemenge und grund suppe aller untugent und bueberey ist, ist dis
gepot auch widder alle unkeuscheit gestellet, wie man sie nennen mag, Und nicht
alleine eusserlich die that verpoten sondern auch allerley ursach, reitzung und
mittel, Also das hertz, mund und der gantze leib keusch sey, kein rawm, huelffe
noch rath zur unkeuscheit gebe, Und [Summa dieses gepots.] nicht allein das,
sondern auch wehre, schutze und rette, wo die fahr und not ist, und widderuemb
helffe und radte, das sein nehister bey ehren bleibe. Denn wo du solchs
nachlessest, so du kuendest dafur sein, odder durch die finger sihest, als gieng
dichs nicht an, bistu eben so wol schuldig als der theter selbs. Also ist auffs
kurtze zu fassen so viel gefoddert, das ein yglicher beide fur sich selbs keusch
lebe und dem nehisten auch dazu helffe, Also das Gott durch dis gepot eines
yglichen ehelich gemahl wil umbschrencket und bewaret haben, das sich niemand
daran vergreiffe.
Dieweil aber dis gepot so eben auff den
Ehestand gerichtet ist und ursach gibt davon zu reden, soltu wol fassen und
mercken: Zum ersten, wie Gott diesen stand so herlich ehret und preiset damit
das er yhn durch sein [Ehestand durch Gottes gepot geehret.] gepot beide
bestetigt und bewaret. Bestetigt hat er yhn droben ym vierden gepot: ‘Du solt
vater und mutter ehren’. Hie aber hat er yhn (wie gesagt) verwahret und
beschutzet. Daruemb wil er yhn auch von uns geehret, gehalten und gefueret haben
als einen Goettlichen, seligen stand, weil er yhn erstlich vor allen andern
eingesetzt hat und daruemb unterschiedlich man und weib geschaffen (wie fur
augen) nicht zur buberey sondern das sie sich zusamen halten, fruchtbar seyen,
kinder zeugen, nehren und auffziehen zu Gottes ehren. Daruemb yhn auch Gott fur
allen stenden auffs reichlichste gesegnet hat, dazu [Ehestand fur allen stenden
gesegnet.] alles was ynn der welt ist, darauff gewand und yhm eingethan, das
dieser stand yhe wol und reichlich versorget wuerde, Also das kein schertz noch
furwitz, sondern trefflich ding und Goettlicher ernst ist umb das eheliche
leben. Denn es ligt yhm alle macht daran, das man leute ziehe, die der welt
dienen [s. 162] und helffen zu Gottes erkentnis, seligem leben und allen
tugenden, widder die boesheit und den Teuffel zu streiten.
Daruemb habe ich ymerdar geleret, das man diesen stand nicht verachte noch
schimpfflich halte, wie die blinde welt uud unsere falsche geistlichen thuen,
sondern nach Gottes wort ansehe, damit er geschmueckt und geheiligt [Ehestand
gehet vor und durch alle stende.] ist, Also das er nicht allein andern stenden
gleich gesetzt ist sondern vor und uber sie alle gehet, Es seyen Keyser, Fursten,
Bischove und wer sie wollen. Denn was beide geistliche und weltliche stende
sind, muessen sich demuetigen und alle ynn diesem stand finden lassen, wie wir
hoeren werden. Daruemb ist es nicht ein sonderlicher, sondern der gemeineste,
edleste stand, so durch den gantzen Christen stand, ia durch alle welt gehet und
reichet.
[Ehestand noetig und geboten.] Zum andern
soltu auch wissen, das nicht allein ein ehrlicher sondern auch ein noetiger
stand ist und ernstlich von Gott gepoten, das sich ynn gemein hyndurch alle
stende man und weibsbilde, so dazu geschaffen sind, daryn finden lassen, doch
etliche (wiewol wenig) ausgenomen, welche Gott sonderlich ausgezogen, das sie
zum ehelichen stand nicht tuechtig sind oder durch hohe ubernatuerliche gabe
befreyet hat, das sie ausser dem stande keuscheit halten koennen. Denn wo die
natur gehet, wie sie von Gott eingepflantzt ist, ist es nicht mueglich ausser
der Ehe keusch zubleiben, Denn fleisch und blut bleibt fleisch und blut, und
gehet die natuerlich neigung und reitzung ungewehret und unverhindert, wie
yderman sihet und fuelet. Derhalben auff das deste leichter were unkeuscheit
etlicher masse zu meiden, hat auch Gott den ehestand befohlen, das ein yglicher
sein bescheiden teyl habe und yhm daran gnuegen lasse, wie wol noch Gottes gnade
dazu gehoeret, das das hertz auch keusch sey.
[Ehestand wird widder Gottes gepot
verboten odder verlobet.] Daraus sihestu, wie unser Bepstischer hauffe, Pfaffen,
Monche, Nonnen widder Gottes ordnung und gepot streben, so den ehestand
verachten und verpieten und sich ewige keuscheit zuhalten vermessen und geloben,
Dazu die einfeltigen mit lugenhafftigen worten und schein betriegen. Denn
niemand so wenig liebe und lust zur keuscheit hat als eben die den ehestand fur
grosser heilickeit meiden und entweder oeffentlich und unverschempt ynn hurerey
ligen odder heimlich noch erger treiben, das mans nicht sagen thar, wie man
leider allzuviel erfaren hat, Und kurtzlich, ob sie gleich des wercks sich
enthalten, so sticken sie doch ym hertzen vol unkeuscher gedancken und boeser
lust, das da ein ewigs brennen und heimlichs leiden ist, welchs man ym ehelichem
leben umbgehen [Der geistlichen geluebde auffgehaben.] kan. Daruemb ist durch
dis gepot aller unehlichen keuscheit geluebd verdampt und urlaub gegeben, ia
auch gepoten allen armen gefangenen gewissen, so durch yhre Cloester gelubde
betrogen sind, das sie aus dem unkeuschen [s. 163] stand yns eheliche leben
tretten, angesehen das ob sonst gleich das Closterleben Goettlich were, doch
nicht ynn yhrer krafft stehet keuscheit zuhalten, und wo sie daryn bleiben, nur
mehr und weiter widder dis gepot sundigen muessen.
Solchs rede ich nu daruemb, das man das
iunge volck dazu halte, das [Ehestand ein seliger stand und Got gefellig.] sie
lust zum Ehestand gewinnen und wissen, das ein seliger stand und Gott gefellig
ist. Denn damit kuende mans mit der zeit widderuemb dahyn bringen, das er widder
zu seinen ehren keme und des unfletigen, wusten, unordigen wesens weniger wuerde,
so itzt allenthalben ynn der welt zu zotten gehet mit offentlicher hurerey und
andern schendlichen lastern, so aus verachtung des ehelichen lebens gefolgt
sind. Daruemb sind hie die Eltern und oberkeit auch schuldig auff die iugent
zusehen, das man sie zur zucht und erbarkeit auffziehe, und wenn sie erwachsen,
mit Gott und ehren berate, dazu wuerde er seinen segen und gnade geben, das man
lust und freude davon hette.
Aus dem allen sey nu zubeschliessen
gesagt, das dis gepot nicht alleine foddert, das yderman mit wercken, worten und
gedancken keusch lebe yn seinem, das ist allermeist ym ehelichen stande, sondern
auch sein gemahl von Gott [Eheliche keuscheit foddert liebe und eintracht.]
gegeben lieb und werd halte. Denn wo eheliche keuscheit sol gehalten werden, da
mussen man und weib fur allen dingen ynn liebe und eintracht beinander wonen,
das eines das ander von hertzen und mit gantzer trewe meine. Denn das ist der
furnemste stuck eines, das liebe und lust zur keuscheit machet, welchs wo es
gehet, wird auch keuscheit wol von yhr selbs folgen on alles gepieten. Deshalben
auch Sanct Paulus so vleissig die Eheleute vermanet, das eins das ander liebe
und ehre. Da hastu nu abermal ein koestlich, ia viel und grosse gute werck,
welche du froelich rhuemen kanst widder alle geistliche stende on Gottes wort
und gepot erwelet.
Das Siebende Gepot.
[s. 163]
DU solt nicht stelen.
Auch deiner person und ehlichem gemalh ist zeitlich gut das nehiste, das wil
Gott auch verwaret haben, und gepoten, das niemand dem nehisten [Stelen heisset
was man mit unrecht nimpt.] das seine abbreche noch verkuertze. Denn stelen
heisset nicht anders den eins andern gut mit unrecht zu sich bringen, damit
kuertzlich begriffen ist allerley vorteil mit des nehisten nachteil ynn allerley
hendeln. Das ist nu gar ein [s. 164]
weitleufftig gemeyn laster aber so wenig geachtet und war genomen, das uber die
mas ist, Also das wo man sie alle an galgen hengen solte, was diebe sind und
doch nicht heissen wollen, solt die welt bald wust werden und beyde an hengern
und galgen gebrechen. Denn es sol (wie itzt gesagt) nicht allein gestolen
heissen, das man kasten und taschen reumet, sondern umb sich greiffen auff den
marckt, yn alle kreme, scherren, wein und byr keller, werckstete und kuertzlich,
wo man hantieret, gelt umb wahre oder arbeit nimpt und gibt.
Als nemlich, das wirs fur den gemeynen
hauffen ein wenig grob ausstreichen, das man doch sehe, wie from wir sind: wenn
ein knecht oder magd ym haus nicht trewlich dienet und schaden thuet oder
geschehen lesset, den sie wol verwaren kuende, oder sonst yhr gut verwarloset
und verseumet aus faulheit, unvleis odder bosheit zu trotz und verdries herrn
und frawen und wie solchs mutwillig geschehen kan (Denn ich rede nicht von dem,
das versehen und ungerne gethan ist), Da kanstu ein iar ein guelden, dreissig
odder vierzig und mehr entwenden, welchs so ein ander heimlich genomen odder
entragen hette, must er am strick erwurgen, Aber hie darffstu noch trotzen und
pochen und thar dich niemand ein dieb heissen.
Desgleichen rede ich auch von
handwercksleuten, erbeittern, tagloenern, die yhren mutwillen brauchen und nicht
wissen, wie sie die leute ubersetzen [Untrew heisset auch dieberey.] sollen, und
doch lessig und untrew ynn der erbeit sind. Diese alle sind weit uber die
heimlichen diebe, fur den man schlos und rigel legen kan, odder wo man sie
begreiffet, also mitferet, das sie es nicht mehr thun. Fur diesen aber kan sich
niemand hueeten, darff sie auch niemand sawer ansehen odder einiges diebstals
zeihen, das einer zehen mal lieber aus dem beutel verlieren [s. 165] solt: Denn
da sind meine nachbar, gute freund, mein eigen gesind, dazu ich mich guts
versehe, die mich am aller ersten berucken.
[Uberforteilen und ubersetzen ym kauff.]
Also auch fort auff dem marckt und gemeinen hendeln gehet es mit voller macht
und gewalt, da einer den andern oeffentlich mit falscher ware, mas, gewicht,
muentze betreugt und mit behendickeit und seltzamen fynantzen odder geschwinden
fundlin uberforteilt, Jtem mit dem kauff ubersetzet und nach seinem mutwillen
beschweret, schindet und plagt. Und wer kan solchs [Dieberey die gemeinste
narung yn der welt.] alles erzelen odder erdencken? Summa das ist das gemeinste
handwerck und die groste zunfft auff erden, und wenn man die welt itzt durch
alle stende ansihet, so ist sie nicht anders denn ein grosser, weitter stall vol
grosser diebe. Daruemb heissen sie auch Stulreuber, land und strassen diebe,
nicht Kastenreuber noch meuchel diebe, die aus der barschafft zwacken, sondern
die auff dem stul sitzen, und heissen grosse Junckern und ersame, frome burger
und mit gutem schein rauben und stelen.
[Grosse Ertzdiebe.] Ja hie were noch
zuschweigen von geringen eintzelen dieben, wenn man die grossen gewaltigen
Ertzdiebe solt angreiffen [mit welchen herrn und Fursten geselschafft machen],
die nicht eine stad odder zwo sondern gantz deudschland [Grosse diebe bleiben
ungestraffet.] teglich ausstelen. Ja wo bliebe das heubt und oeberster
schutzherr aller diebe, der Heilige stul zu Rom mit alle seiner zugehoere,
welcher aller welt gueter mit dieberey zusich bracht und bis auff diesen tag
ynne hat? Kuertzlich, so gehets ynn der welt, das wer oeffentlich stelen und
rauben kan, gehet sicher und frey dahyn von yderman ungestrafft und wil dazu
geehret sein. Dieweil muessen die kleinen, heimlichen diebe, so sich einmal
vergrieffen haben, die schand und straffe tragen, yhene from und zu ehren
machen. Doch sollen sie wissen, das sie fur Gott die grossesten diebe sind, der
sie auch wie sie werd sind und verdienen straffen wird.
Weil nu dis gepot so weit umb sich
greiffet, wie itzt angezeigt, ists not dem poebel wol furzuhalten und
auszustreichen, das man nicht so frey und sicher hyngehen lasse sondern ymmer
Gottes zorn fur augen stelle und einblewe.
[s. 166] Denn wir solchs nicht Christen
sondern allermeist buben und schelcken predigen muessen, welchen wol billicher
Richter, Stockmeister odder meister Hans predigen solte. Daruemb wisse ein
iglicher, das er schuldig ist bey Gottes ungnaden, nicht allein seinem nehisten
kein schaden zuthuen noch sein vorteil zu entwenden noch ym kauff odder yrgend
einem handel einerley untrew odder tuecke zubeweisen, sondern auch sein gut
treulich zuverwaren, seinen nutz zuverschaffen und foddern, sonderlich so er
gelt, lohn und narung dafur nimpt.
Wer nu solchs mutwillig verachtet, mag wol
hingehen und dem henger [Gottes straffe uber allerley tuecke und untrew.]
entlauffen, wird aber Gottes zorn und straffe nicht entgehen, und wenn er sein
trotz und stoltz lang treibet, doch ein landleuffer und betler bleiben, alle
plage und unglueck dazu haben. Jtzt gehestu hin, da du soltest deines herrn
odder frawen gut bewaren, dafur du dein kropff und bauch fullest, nimpst dein
lohn als ein dieb, lessest dich dazu feiren als ein iungker. Als yhr viel sind,
die herrn und frawen noch trotzen und ungerne zu lieb und dienst theten, ein
schaden zuverwaren. Sihe aber zu, was du daran gewinnest: das wo du dein eigens
uberkompst und zu haus sitzest (da zu Gott mit allem unglueck helffen wird) sol
sichs widder finden und heimkomen, das wo du ein heller abebrochen odder schaden
gethan hast, dreissigfeltig bezalen muessest. Desgleichen sol es
handwercksleuten und taglohnern gehen, von welchen man itzt unleidlichen
mutwillen hoeren und leiden mus, als weren sie iunckern ynn froembdem gut und
yderman musse yhn wol geben, wieviel sie [Untrew und geitz gedeyet nicht.]
wollen. Solche lasse nur getrost schinden, so lang sie kuenden, aber Gott wird
seines gepots nicht vergessen und yhn auch lohnen, wie sie gedienet haben, und
hengen nicht an ein gruenen sondern duerren galgen, das sie yhr lebenlang nicht
gedeyen noch etwas fur sich bringen. Und zwar wenn ein recht geordnet regiment
ynn landen were, kuend man solchem mutwillen bald steuren und wehren, wie
verzeiten bey den Roemern gewesen ist, da man solchen flux auff die hauben
greyff, das sich andere daran stossen musten.
Also sol es allen andern gelingen, so aus
dem offenen freyen marckt nichts denn ein schindeleich und raubhaus machen, da
man teglich die armen ubersetzet, newe beschwerung und teurung macht und
iglicher des marcks braucht nach seinem mutwillen, trotzet und stoltzet dazu,
als habe er gut fug [s. 167] und recht, das seine so tewer zugeben als yhn
geluestet, und sol yhm niemand drein reden. Denen wollen wir zuwarten zusehen,
schinden, zwacken und geitzen lassen, aber Gott vertrawen, der es doch on das
thuen wird, das er, wenn du lang geschunden und geschreppelt hast, ein segen
drueber spreche, das dir dein korn auff dem boden, dein bier ym keller, dein
viehe ym stall verderbe. Ja wo du ymand umb ein guelden teuschest und
verforteylest, sol dirs den gantzen hauffen weg ruesten und fressen, das du sein
nymmer fro werdest.
Solchs sehen und erfaren wir zwar fur
augen teglich erfullet werden, das kein gestolen und felschlich gewonnen gut
gedeyet: Wieviel sind yhr, so tag und nacht scharren und kratzen und doch keines
hellers reicher werden? Und ob sie viel samlen, doch soviel plage und unglueck
muessen haben, das sie es nicht mit freuden geniessen noch auff yhre kinder
erben konnen. Aber weil [Geitz gestraffet mit krieg und teurung.] sich niemand
daran keret, und hingehen, als giengs uns nichts an, mus er uns anders
heimsuchen und mores leren, das er eine landschatzung uber die ander uber uns
schicke odder ein hauffen landsknecht zu gast lade, die uns auff eine stund
kasten und beutel reumen und nicht auffhoeren, weil wir ein heller behalten,
dazu zudanck haus und hoff verbrennen und verheren, weib und kinder schenden und
umbbringen. Und Summa stielstu viel, so versihe dich gewislich, das dir noch
soviel gestolen werde, Und wer mit gewalt und unrecht raubt und gewinnet, ein
andern leide, der yhm auch also mitspiele. Denn die kunst kan Got meisterlich,
weil yderman den andern beraubt und stielet, das er einen dieb mit dem andern
straffet: wo wolt man sonst galgen und stricke gnug nemen?
Wer yhm nu wil sagen lassen, der wisse,
das Gottes gepot ist und fur kein schertz wil gehalten sein. Denn ob du uns
verachtest, betreugst, stilst und raubst, wollen wirs zwar noch zu komen und
deinem homut ausstehen, leiden und dem vater unser nach vergeben und erbarmen
(Denn die fromen doch genug haben muessen und du dir selbs mehr denn einem
andern schaden thuest), Aber da huete dich fur, wenn das liebe armut (welchs
itzt viel ist) kompt, so umb den teglichen pfennig keuffen und zeeren mus, und
du [s. 168] zuferest, als muest yderman deiner gnaden leben, schindest und
schabst bis auff den grat, dazu mit stoltz und ubermut abeweisest, dem du
soltest geben und schencken; So gehet es dahin elend und betruebt, und weil es
niemand klagen kan, schreit und rueffet es gen himel. Da huete dich (sage ich
abermal) als fur dem Teuffel selbs. Denn solch seufftzen und ruffen wird nicht
schertzen sondern ein nachdruck haben, der dir und aller welt zu schwer werden
wird. Denn es wird denen treffen, der sich der armen betruebten hertzen annympt
und nicht wil ungerochen lassen. Verachtestu es aber und trotzest, so sihe, wenn
du auff dich geladen hast: wird dirs gelingen und wolgehen, soltu Gott und mich
fur aller welt luegner schelten.
Wir haben gnug vermanet, gewarnet und
geweret; wer es nicht achten noch gleuben wil, den lassen wir gehen, bis ers
erfare. Doch mus man dem iungen volck solchs ein bilden, das sie sich hueten und
dem alten unbendigen hauffen nicht nachvolgen, sondern Gottes gepot fur augen
halten, das nicht Gottes zorn und straffe auch uber sie gehe. Uns gebueret nicht
weiter denn zu sagen und straffen mit Gottes wort, aber das man solchem
oeffentlichen mutwillen steure, da gehoeren Fuersten und oeberkeit zu, die selbs
augen und den mut hetten ordnung zustellen und halten ynn allerley hendel und
kauff, auff das das armut nicht beschweret und verdrueckt wuerde noch sie sich
mit frembden sunden beladen duerfften.
Das sey gnug davon gesagt, was stelen
heisse, das mans nicht so enge spanne sondern gehen lasse, so weit als wir mit
dem nehisten zuthuen haben, Und kurtz ynn ein Summa wie ynn den vorigen
zufassen, ist dadurch verpoten erstlich: dem nehisten schaden und unrecht
zuthuen (wie mancherley weise zurdencken sind habe und gut abzubrechen,
verhindern und furzuhalten) auch solchs nicht bewilligen noch gestadten, sondern
wehren, verkomen, Und widderuemb gepoten: sein gut fordern, bessern und wo er
not leidet, helffen, mitteilen, furstrecken beide freunden und feinden. Wer nu
gute werck suchet und begeret, wird hie ubrig genug finden, die Gott von hertzen
angeneme und gefellig sind, dazu mit trefflichem segen begnadet und uberschuttet,
das es reichlich sol vergolten werden, was wir unsern nehisten zu nutz und
freundschafft [Spr. 19, 17] thuen, wie auch der Koenig Salomo leeret Prover. 19.
‘Wer sich des armen erbarmet der leihet dem HERRN, der wird yhm widder
vergelten sein lohn.’ Da hastu ein reichen Herrn, der dir gewis genug ist und
nichts wird gebrechen noch mangeln lassen, so kanstu mit froelichem gewissen
hundert mal mehr geniessen denn du mit untrew und unrecht erschreppelst. Wer nu
des segens nicht mag, der wird zorn und unglueck genug finden. [s. 169]
Das Achte Gepot.
DU solt nicht falsch gezeugnis reden
widder deinen nehisten.
Abber unsern eigenen leib, ehelich gemahl
und zeitlich gut haben wir noch einen schatz, nemlich Ehre und gut geruecht,
welchen wir auch nicht emperen konnen. Denn es gilt nicht unter den leuten ynn
oeffentlicher schande von yderman verachtet zuleben. Daruemb [Gottes gepot uber
des nehisten ehre und geruecht] wil Gott des nehisten leumund, glimpff und
gerechtickeit so wenig als gelt und gut genomen odder verkuertzt haben, Auff das
ein yglicher fur sein weib, kind, gesind und nachbar ehrlich bestehe. Und zum
ersten ist der groebste verstand dieses gepots wie die wort lauten (Du solt
nicht falsch zeugnis reden) auff oeffentlich gericht gestellet, da man ein
armen, unschuldigen man verklagt und durch falsche zeugen unterdrueckt, damit er
gestrafft werde an leib, gut odder ehre.
[Falsch zeugnis ym gericht.] Das scheinet
nu itzt als gehe es uns wenig an, aber bey den Jueden ists gar ein trefflich,
gemein ding gewesen. Denn das volck war ynn feinem ordenlichen regiment gefasset.
Und wo noch ein solch regiment ist, da gehets on diese sund nicht abe. Ursach
ist diese: Denn wo Richter, Buergermeister, Furst odder andere oeberkeit sitzet,
da feylet es nymmer, es gehet nach der welt laufft, das man niemand gerne
beleidigen wil, heuchlet und redet nach gunst, gelt, hoffnung odder
freundschafft, darueber mus ein arm man mit seiner sache verdruckt, unrecht
haben und straffe leiden. Und ist ein gemeine plage ynn der welt, das ym gericht
selten frome leut sitzen. Denn es gehoeret fur allen dingen ein fromer man zu
einem Richter und nicht allein ein fromer sondern auch ein weiser, gescheider,
ia auch ein kuener und kecker man. Also auch gehoeret ein kecker, dazu
furnemlich ein fromer man zum zeugen. Denn wer alle sachen recht richten und mit
dem urteil hindurch reissen sol, wird offtmals gute freund, schweger, nachbar,
reiche und gewaltige [s. 170] erzuernen, die yhm viel dienen odder schaden
konnen. Daruemb mus er gar blind sein, augen und oren zugethan, nicht sehen noch
hoeren denn stracks fur sich was yhm furkompt, und dem nach schliessen.
Darauff ist nu erstlich dis gepot
gestellet, das ein yglicher seinem nehisten [Des nehisten recht fodern und
schutzen.] helffe zu seinem rechten und nicht hindern noch beugen lasse sondern
fodere und stracks druber halte, Gott gebe es sey Richter odder zeuge, und
treffe an was es wolle. Und sonderlich ist hie mit unsern Herrn Juristen ein
ziel gesteckt, das sie zusehen, recht und auffgericht mit den sachen umbgehen;
was recht ist, recht bleiben lassen und widderuemb nicht verdrehen noch
vermenteln odder schweigen unangesehen gelt, gut, ehre oder herrschafft. Das ist
ein stuck und der groebste verstand dieses gepots von allem das fur gericht
geschihet.
[Falsch zeugnis yn geistlichen sachen.]
Darnach greifft es gar viel weiter, wenn mans sol ziehen yns geistlich gericht
odder regiment, da gehets also, das ein yglicher widder seinen nehisten
felschlich zeuget. Denn wo frome prediger und Christen sind, die haben fur der
welt das urteil, das sie ketzer, abtruenige, ia auffruerische und verzweivelte
bosewicht heissen. Dazu mus sich Gottes wort auffs schendlichst und gifftigst
verfolgen, lestern, luegenstraffen, verkeren und felschlich ziehen und deuten
lassen. Aber das gehe seinen weg, denn es ist der blinden welt art, das sie die
warheit und Gottes kinder verdampt und verfolgt und doch fur keine sunde achtet.
Zum dritten, so uns allzumal belanget, ist
ynn diesem gepot verpoten [Gemeyne suende der boesen zungen.] alle sunde der
zungen, dadurch man den nehisten mag schaden thuen odder zu nahe sein. Denn
falsch zeugnis reden ist nicht anders denn mundwerck: was man nu mit mundwerck
widder den nehisten thuet, das wil Gott gewehret haben, es seyen falsche
prediger mit der lehre und lestern, falsche Richter und zeugen mit dem urteil
odder sonst ausser dem gericht mit liegen [Affterreden.] und ubel reden. Daher
gehoeret sonderlich das leidige, schendliche laster Affterreden odder
verleumbden, damit uns der Teuffel reitet, davon viel zureden were. Denn es ist
ein gemeine, schedliche plage, das yderman lieber boeses denn guts von dem
nehisten hoeret sagen. Und wiewol wir selbs so boese sind, das wir nicht leiden
konnen, das uns ymand ein boese stuck nachsage, sondern yglicher gerne wolt, das
alle welt guldens von yhm redete, doch koennen wir nicht hoeren, das man das
beste von andern sage.
Derhalben sollen wir mercken, solch
untugent zu meiden, das niemand [Niemand sol urteilen noch ubelreden ausser dem
befehl odder richter ampt.] gesetzt ist, seinen nehisten offentlich zu urteilen
und straffen, ob er yhn gleich sihet sundigen, er habe denn befehl zu richten
und straffen. Denn es ist gar ein grosse unterscheid zwischen den zweyen: sunde
richten und sunde wissen. [s. 171] Wissen magstu sie wol, aber richten soltu sie
nicht. Sehen und hoeren kan ich wol, das mein nehister sundigt, aber gegen
andern nach zusagen habe ich kein befehl. Wenn ich nu zufare, richte und
urteile, so falle ich yn eine sunde, die grosser ist denn yhene. Weistu es aber,
so thue nicht anders denn mache aus den oren ein grab und scharre es zu, bis das
dir befohlen werde richter zu sein und von ampts wegen zustraffen.
Das heissen nu Affterreder, die es nicht
bey dem wissen bleiben lassen sondern fort faren und yns gericht greiffen, und
wenn sie ein stuecklin von einem andern wissen, tragen sie es ynn alle winckel,
kutzeln und krawen sich, das sie muegen eins andern unlust ruegen, wie die sew,
so sich ym koth weltzen und mit dem ruessel daryn wuelen. Das ist nichts anders
denn Gotte [Affterreden ist ynn Gottes gericht greiffen.] ynn sein gericht und
ampt fallen, urteylen und straffen mit dem scherffsten urteyl. Denn kein richter
hoeher straffen kan noch weiter faren, denn das er sage: Dieser ist ein dieb,
moerder, verrheter etc. Darumb wer sich solchs unterstehet vom nehisten zu
sagen, greifft eben so weit als Keyser und alle oeberkeit. Denn ob du das
schwerd nicht fuerest, so brauchestu doch deiner gifftigen zungen dem nehisten
zu schand und schaden.
Darumb wil Gott gewehret haben, das
niemand dem andern ubel nachrede, wenn ers gleich schueldig ist und dieser wol
weys, viel weniger so ers nicht weys und allein von hoeren sagen genomen hat.
Sprichstu aber: Sol ichs denn nicht sagen, wenn es die warheit ist? Antwort:
Warum tregstus nicht fur oerdenliche richter? Ja ich kans nicht oeffentlich
bezeugen, so moecht man mir villeicht ubers maul faren und ubel abweisen. Ey
lieber, reuchstu den braten? trawestu nicht fur geordenten personen stehen und
verantworten, so halte auch das maul. Weystu es aber, so wisse es fur dich,
nicht fur ein [Affterreder sind luegner und dieb e] andern. Denn wo du es weiter
sagest, ob es gleich war ist, so bestehestu doch wie ein luegner, weil du es
nicht kanst war machen, Thuest dazu wie ein boeswicht. Denn man sol niemand sein
ehre und gerucht nemen, es sey yhm denn zuvor genomen oeffentlich. Also heist nu
falsch zeugnis alles, was man nicht wie sichs gehoeret uberweisen kan. Daruemb
was nicht mit gnugsamer beweisung offenbar ist, sol niemand offenbar machen noch
fur warheit sagen. Und Summa was heimlich ist, sol man heimlich bleiben lassen
odder ye heymlich straffen, wie wir hoeren werden. Daruemb wo dir ein unnutz
maul furkompt, das ein andern austregt und verleumbdet, so rede yhm frisch unter
augen, das er schamroth werde, so wird mancher das maul halten, der sonst ein
armen menschen yns geschrey bringt, daraus er schwerlich [s. 172] widder komen
kan. Denn ehre und glimpff ist bald genomen, aber nicht bald widdergeben.
Also sihestu, das kurzumb verpoten ist von
dem nehisten etwas boeses [Urteilen und ubel reden gehoert allein der Oberkeit
an.] zu reden, doch ausgenomen weltliche oeberkeit, prediger, vater und mutter,
das man dennoch dis gepot so verstehe, das das boese nicht ungestrafft bleibe.
Wie man nu lauts des funfften gepots niemand schaden sol am leibe, doch
ausgezogen Meister hansen, der seines ampts halben dem nehisten kein guts
sondern nur schaden und boeses thuet und nicht widder Gottes gepot sundigt,
daruemb das Gott solch ampt von seinet wegen geordnet hat (denn er yhm die
straffe seines gefallens furbehalten hat, wie er ym ersten gepot drewet): Also
auch wiewol ein yglicher fur seine person niemand richten noch verdammen sol,
doch wo es die nicht thuen, denen es befohlen ist, sundigen sie ia so wol als
ders ausser dem ampt von sich selbs thete. Denn hie foddert die not von dem ubel
zu reden, klagen, furbringen, fragen und zeugen. Und gehet nicht anders zu denn
mit einem artzt, der zuweilen dem, den er heilen sol, an heymliche ort sehen und
greiffen mus. Also sind oeberkeit, vater und mutter, ia auch brueder und
schwester und sonst gute freund unternander schuldig, wo es not und nutz ist,
boeses zustraffen.
Das were aber die rechte weise, wenn man
die ordnung nach dem [Matth. 18 [so], 15] Euangelio hielte, Matth. 19. da
Christus spricht: Suendiget dein bruder an [ Rechte weise und ordenung des
nehisten sunde zu straffen.] dir, so gehe hin und straffe yhn zwischen dir und
yhm alleine. Da hastu ein koestliche feine leere die zunge wol zu regieren, die
wol zumercken ist widder den leydigen misbrauch. Darnach richte dich nu, das du
nicht so bald den nehisten anderswo austragest und nachredest sondern yhn
heymlich vermanest, das er sich bessere. Desgleichen auch, wenn dir ein ander
etwas zu oren tregt, was dieser oder ihener gethan hat, lere yhn auch also, das
er hyn gehe und straffe yhn selbs, wo ers gesehen hat, wo nicht, das er das maul
halte.
Solchs magstu auch lernen aus teglichem
haus regiment. Denn so thut der Herr ym haus: wenn er sihet, das der knecht
nicht thuet was er sol, so spricht er yhm selbs zu. Wenn er aber so toll were,
liesse den knecht daheym sitzen und gienge eraus auff die gassen den nachbarn
zuklagen, wuerde er freilich muessen hoeren: Du narr, was gehets uns an, waruemb
sagstus yhm selbs nicht? Sihe das were nu recht bruederlich gehandlet, das dem
ubel geraten wuerde und dein nehister bey ehren bliebe. Wie auch [s. 173]
Christus daselbs sagt: Hoeret er dich, so hastu deinen bruder gewonnen. Da hastu
ein gros, trefflich werck gethan. Denn meinstu das ein gering ding sey ein
bruder gewinnen? Las alle Moenche und heilige orden mit alle yhren wercken
zuhauffe geschmeltzt erfur tretten, ob sie den rhum koennen auffbringen, das sie
einen bruder gewonnen haben?
[Niemand urteilen odder straffen hinder
seinem wissen.] Weiter leret Christus: Wil er dich aber nicht hoeren, so nym
noch einen odder zween zu dir, auff das alle sache bestehe auff zweyer odder
dreyer zeugen munde, Also das man yhe mit dem selbs handle, den es belanget, und
nicht hinder seinem wissen nachrede. Wil aber solchs nicht helffen, so trage es
denn oeffentlich fur die gemeine, es sey fur weltlichem odder geistlichem
gerichte. Denn hie stehestu nicht allein, sondern hast ihene zeugen mit dir,
durch welche du den schuldigen uberweisen kanst, darauff der Richter gruenden,
urteilen und straffen kan; so kan es ordenlich und recht dazu komen, das man den
boesen wehret odder bessert. Sonst wenn man ein andern mit dem maul umbtregt
durch alle winckel und den unflat rueret, wird niemand gebessert und darnach,
wenn man stehen und zeugen sol, wil mans nicht gesagt haben. Daruemb geschehe
solchen meulern recht, das man yhn den kutzel wol buessete, das sich andere
daran stiessen. Wenn du es deinem nehisten zu besserung odder aus liebe der
warheit thetest, wuerdestu nicht heymlich schleichen noch den tag und liecht
schewen.
[Offentliche sund machet sich selbs zu
schanden.] Das alles ist nu von heimlichen sunden gesagt. Wo aber die sund gantz
oeffentlich ist, das Richter und yderman wol weis, so kanstu yhn on alle sund
meiden und faren lassen, als der sich selbs zuschanden gemacht hat, dazu auch
oeffentlich von yhm zeugen. Denn was offenbar am tag ist, da kan kein
affterreden noch falsch richten odder zeugen sein. Als das wir itzt den Bapst
mit seiner lehre straffen, so oeffentlich ynn buechern am tag gegeben und ynn
aller welt ausgeschryen ist. Denn wo die sund oeffentlich ist, sol auch billich
oeffentliche straffe folgen, das sich yderman dafur wisse zuhueeten.
[Summa.] Also haben wir nu die Summa und
gemeinen verstand von diesem gepot, das niemand seinen nehisten beide freund und
feind mit der zungen schedlich sein noch boeses von yhm reden sol (Gott gebe es
sey war odder erlogen), so nicht aus befehl odder zu besserung geschihet,
Sondern seine zunge brauchen und dienen lassen von yderman das beste zureden,
seine sunde und gebrechen zudecken, entschuldigen und mit seiner ehre beschoenen
und schmuecken. Ursach sol sein allermeist diese, so Christus ym Euangelio
anzeucht und damit [Matth. 7, 12] alle gepot gegen dem nehisten wil gefasset
haben: ‘Alles was yhr wollet, das euch die leut thuen sollen, das thuet yhr
yhn auch.’
[s. 174] Auch lehret solchs die natur an unserm eigenen leibe, wie [1. Kor. 12,
22. 23] S. Paulus 1. Cor. 12. sagt: Die gelieder des leibs, so uns duncken die
schwechsten [Gleichnis aus der natur.] sein, sind die noetigsten, und die uns
duencken die unehrlichsten sein, den selbigen legen wir am meisten ehre an, und
die uns ubel anstehen, die schmueckt man am meisten. Das angesicht, augen, nasen
und mund decket niemand zu, denn sie duerffens nicht, als an yhm selbs die
ehrlichsten gelieder, so wir haben. Aber die aller gebrechlichsten, der wir und
schemen, deckt man mit allem vleis, da mus hende, augen sampt dem gantzen leibe
helffen decken und verhullen. Also sollen auch wir alle unternander was an
unserm nehisten unehrlich und gebrechlich ist, schmuecken und mit allem so wir
vermuegen zu seinen ehren dienen, helffen und foerderlich sein und widderuemb
wehren, was yhm mag zu unehren reichen. Und ist sonderlich ein feine, edle
tugent, wer alles, das er von nehisten hoeret reden (so nicht oeffentlich boese
ist), wol auslegen und auffs [Alles zum besten auslegen.] beste deuten oder yhe
zu gut halten kan widder die gifftigen meuler, die sich vleissen, wo sie etwas
ergroebbeln und erhaschen koennen am nehisten zutaddeln und auffs ergeste aus
ecken und verkeren, wie itzt furnemlich dem lieben Gottes wort und seinen
predigern geschicht.
Daruemb sind ynn diesem gepot gar mechtig
viel gute werck verfasset, [Gute werck der zungen.] die Gotte auffs hohiste
wolgefallen und uberflussig gut und segen mit sich bringen, wenn sie nur die
blinde welt und falschen heiligen erkennen wolten. Denn es ist nichts an und ym
gantzen menschen, das mehr und weiter beide guts schaffen und schaden thuen kan
ynn geistlichen und weltlichen sachen, denn die zunge, so doch das kleinste und
schwechste gelied ist.
Das Neunde und Zehende Gepot.
[s. 174]
DU solt nicht begeren deines nehisten
haus.
DU solt nicht begeren seines weibs, knecht, magd, viehe
odder was sein ist.
[Ursach der letzten gepot bey den Jueden.] Diese zwey gepot sind fast den Jueden
sonderlich gegeben, wiewol sie uns dennoch auch zum teil betreffen. Denn sie
legen sie nicht aus von unkeuscheit noch diebstal, weil davon droben gnug
verpoten ist, Hieltens auch dafur, sie hetten yhene alle gehalten, wenn sie
eusserlich die werck gethan odder [s. 175] nicht gethan hetten. Daruemb hat Gott
diese zwey hynzugesetzt, das mans auch halte fur sunde, und verpoten des
nehisten weib oder gut begeren und keinerley weise darnach zustehen, Und
sonderlich daruemb, weil ynn dem Juedischen regiment knechte und megde nicht wie
itzt frey waren umbs lohn zudienen wie lang sie wolten, sondern des Herrn eigen
mit leib und was sie hatten, wie das viehe und ander gut. Dazu auch ein yglicher
uber sein weib die macht hatte durch ein scheidbrieff oeffentlich von sich
zulassen und ein andere zunemen. Da musten sie nu unternander die fahr stehen,
wenn ymand eins andern weib gerne gehabt hette, das er yrgend ein ursach neme
beide sein weib von sich zuthun und dem andern seins auch zuentfroemden, das ers
mit gutem fug zu sich brechte. Das war nu bey yhn kein sunde noch schande, so
wenig als itzt mit dem gesynde, wenn ein hausherr seinem knecht odder magd
urlaub gibt odder einer dem andern sonst abdringet.
[Summa.] Daruemb haben sie nu (sage ich)
diese gepot also gedeutet, wie es auch recht ist (wiewol es auch etwas weiter
und hoher gehet), das niemand dem andern das seine, als weib, gesind, haus und
hoff, acker, wiesen, viehe dencke und furneme an sich zubringen auch mit gutem
schein und behelff, doch mit des nehisten schaden. Denn droben ym Siebenden
gepot ist die untugent verpoten, da man froemde gut zu sich reisset odder dem
nehisten furhelt, dazu [s. 176] man kein recht haben kan. Hie aber ist auch
gewehret dem nehisten nichts abzuspannen, ob man gleich mit ehren fur der welt
dazu komen kan, das dich niemand zeihen noch taddeln thar, als habstus mit
unrecht eroebert. Denn die natur so geschickt ist, das niemand dem andern soviel
als yhm selbs goennet, und ein yglicher soviel er ymer kan zu sich bringet, ein
ander bleibe wo er kan. Und woellen noch dazu from sein, koennen uns auffs
feinste schmucken und den schalck bergen, suchen und dichten so behende fuendlin
und schwinde griffe (wie man itzt teglich auffs beste erdencket) als aus dem
rechten gezogen, thuren uns darauff kecklich beruffen und trotzen und woellen
solchs nicht schalkeit sondern gescheidikeit und furchsichtigkeit genennet
haben. Dazu helffen auch Juristen und rechtsprecher, so das recht lencken und
denen, wie es zur sache helffen wil, die wort zwacken und zu behelff nemen,
unangesehen billickeit und des nehisten notdurfft. Und Summa, wer ynn solchen
sachen der geschickste und gescheideste ist, dem hilfft das recht am besten, wie
sie auch sprechen ‘Vigilantibus iura subveniunt’.3
Daruemb ist dis letzte gepot nicht fur die boese buben fur der welt, sondern
eben fur die fromsten gestellet, die da wollen gelobt sein, redliche und
auffrichtige leute heissen, als die widder die vorige gepot nichts verschulden,
wie furnemlich die Jueden sein wolten und noch viel grosser Junckern, Herrn und
Fuersten. Denn der ander gemeine hauffe gehoeret noch weit herunter yn das
siebende gepot, als die nicht viel darnach fragen, wie sie das yhre mit ehren
und recht gewinnen.
[Rechtshendel.] So begibt sich nu solchs
am meisten ynn den hendeln, so auff recht gestellet werden, dadurch man furnimpt
dem nehisten etwas abzugewinnen und abzuschuepffen. Als (das wir Exempel geben)
wenn man hadert und handlet umb gros erbfall, liegende guter etc., Da furet man
erzu und nympt zuhuelffe, was ein schein des rechten haben wil, mutzet und
schmuckts also erfur, das das recht diesem zufallen mus und behelt das gut mit
solchem titel, das niemand kein klag noch anspruch dazu hat. Jtem wenn einer
gerne ein schlos, stad, graffchafft odder sonst etwas grosses hette, und treibt
soviel fynantzerey durch freundschafft und womit er kan, das es einem andern abe
und yhm zugesprochen wird, dazu mit brieve und siegel bestetigt, das mit
Furstlichem titel und redlich gewonnen heisse.
[s. 177] [Kauffshendel.] Desgleichen auch
yn gemeinen kauffshendlen, wo einer dem andern etwas behendiglich aus der hand
ruecket, das yhener mus hynach sehen, odder yhn ubereilet und bedrenget, woran
er sein vorteil und genies ersihet, das yhener vileicht aus not odder schuld
nicht erhalten noch on schaden losen kan, auff das ers halb oder mehr gefunden
habe, und mus gleichwol nicht mit unrecht genomen odder entwendet sondern
redlich gekaufft sein. Da heists: Der erst der best, und yglicher sehe auff
seine schantz, ein ander habe was er kan. Und wer wolt so klug sein alles
zuerdencken, wieviel man mit solchem huebschen schein kan zu sich bringen, das
die welt fur kein unrecht helt, und nicht sehen wil, das damit der nehiste
enhyndern bracht wird und lassen mus das er nicht on schaden emperen kan, so
doch niemand ist der yhm solchs wolt gethan haben? daran wol zu spuren ist, das
solcher behelff und schein falsch ist.
[Juedisch fuendle eines andern eheweib
abzudringen.] Also ists nu verzeiten auch mit den weibern zu gangen: da kundten
sie solche fundlin, wenn einem ein andere gefiele, das er durch sich odder
andere (wie denn mancherley mittel und wege zurdencken waren) zurichtet, das yhr
man ein unwillen auff sie warff odder sie sich gegen yhm sperret und so stellet,
das er sie muste von sich thuen und diesem lassen. Solchs hat on zweyvel starck
regieret ym gesetz, wie man auch ym Euangelio liest von dem Koenig Herode, das
er seines eigenen bruders weib noch bey seinem leben freyete, [ Mark. 6, 20 ]
welcher doch ein erbarer, fromer man sein wolte, wie yhm auch Sanct Marcus
zeugnis gibt. Aber solch Exempel (hoffe ich) sol bey uns nicht stad haben, weil
yn newen Testament den ehelichen verpoten ist sich vonander zuscheiden, Es were
denn ynn solchem fal, das einer dem andern ein reiche braut mit behendickeit
entrueckete. Das ist aber bey uns nicht seltzam, das einer dem andern sein
knecht oder dienstmagd abspannet und entfroembdet odder sonst mit guten worten
abzeucht.
Es geschehe nu solchs alles wie es woelle,
so sollen wir wissen, das Gott nicht haben wil, das du dem nehisten etwas das
yhm gehoeret, also entziehest, das er empere und du deinen geitz fuellest, ob du
es gleich mit ehren fur der welt behalten kanst. Denn es ist ein heymliche,
meuchlinge schalckeit und wie man spricht unter dem huetlin gespielet, das [s.
178] mans nicht mercken sol. Denn ob du gleich hyngehest, als habstu niemand
unrecht gethan, so bistu doch deinem nehisten zunahe. Und heissets nicht
gestolen noch betrogen, so heisset es dennoch des nehisten guts begeret, das ist
darnach gestanden und yhm abwendig gemacht on seinen willen, und nicht wollen
goennen das yhm Gott bescheret hat. Und ob dirs der Richter und yderman lassen
mus, so wird dirs doch Gott nicht lassen, denn er sihet das schalckhertz und der
welt tuecke wol, welche wo man yhr ein finger breit einreumet, nimpt sie ein
elelang dazu, das auch oeffentlich unrecht und gewalt folget.
Also lassen wir diese gepot bleiben ynn
dem gemeinen verstand, das erstlich gepoten sey, das man des nehisten schaden
nicht begere, auch nicht dazu helffe noch ursach gebe, sondern yhm goenne und
lasse was er hat, dazu foddere und erhalte was yhm zu nutz und dienst geschehen
mag, wie wir wolten uns gethan haben. Also das es sonderlich widder die abgunst
und den leidigen geitz gestellet sey, auff das Gott die ursach und wurtzel aus
dem wege reueme, daher alles entspringet dadurch man dem nehisten schaden thuet.
Daruemb ers auch deutlich mit den worten setzet ‘Du solt nicht begeren
&c..’ Denn er wil fuernemlich das hertz rein haben, wiewol wirs, so lang
wir hie leben, nicht dahyn bringen koennen. Also das dis wol ein gepot bleibt
wie die andern alle, das uns on unterlas beschueldigt und anzeigt, wie from wir
fur Gott sind.
[Beschlus der zehen gepot.] So haben wir nu die zehen gepot, ein ausbund
Goettlicher lere, was wir thuen sollen, das unser gantzes leben Gott gefalle,
und den rechten born und rohre, aus und ynn welchen quellen und gehen muessen
alles was gute werck sein sollen, also das ausser den zehen gepoten kein werck
noch wesen gut und Gott gefellig kan sein, es sey so gros und koestlich fur der
welt wie es [Kein gut werck ausser den x gepoten.] wolle. Las nu sehen, was
unsere grosse heiligen rhuemen koennen von yhren geistlichen Orden und grossen,
schweren wercken, die sie erdacht und auffgeworffen haben und diese faren
lassen, gerade als weren diese viel zugering odder allbereit lengist ausgericht.
Jch meine yhe, man solt hie alle hende vol zuschaffen haben, das man diese
hielte, sanfftmut, gedult und liebe gegen feinden, keuscheit, wolthat etc., und
was solche stueck mit sich bringen. Aber solche werck gelten und scheinen nicht
fur der welt augen. Denn sie sind nicht seltzam und auffgeblasen, an sonderliche
eigene zeit, stedte, weise und geberde gehefftet, sondern gemeine tegliche haus
werck, so ein nachbar gegen dem andern treiben kan, daruemb haben sie kein
ansehen. Yhene aber [s. 179] sperren augen und ohren auff, dazu helffen sie
selbs mit grossem geprenge, kost und herrlichem gebew und schmuecken sie erfur,
das alles gleissen und leuchten mus, da reuchert man, da singet und klinget man,
da zuendet man kertzen und liechte an, das man fur diesen keine andere hoeren
noch sehen koenne. Denn das da ein pfaff ynn einer guelden Casel stehet odder
ein ley den gantzen tag ynn der kyrchen auff den knyen ligt, das heisset ein
koestlich werck das niemand gnug loben kan. Aber das ein armes meidlin eines
iungen kinds wartet und treulich thuet was yhr befohlen ist, das mus nichts
heissen. Was solten sonst Muenche und Nonnen ynn yhren Klostern suchen?
[Heuchler vermessenheit.] Sihe aber, ist
es nicht ein verfluchte vermessenheit der verzweivelten heiligen, so da sich
unterstehen ein hoeher und besser leben und stende zufinden denn die zehen gepot
leren, geben fur, wie gesagt, es sey ein schlecht leben fur den gemeinen man,
yhres aber sey fur die heiligen und volkomenen, Und sehen nicht, die elenden,
blinden leute, das kein mensch so weit bringen kan, das er eins von den zehen
gepoten halte wie es zuhalten ist, sondern noch beide der glaube und das vater
unser zuhuelffe komen mus (wie wir hoeren werden), dadurch man solchs suche und
bitte und on unterlas empfahe? Daruemb ist yhr rhuemen gerade soviel, als wenn
ich rhuemete und sagte: Jch habe zwar nicht ein groschen zubezalen, aber zehen
guelden trawe ich wol zubezalen.
[Vermanung.] Das rede und treibe ich
daruemb, das man des leidigen misbrauch, der so tieff eingewurtzelt hat und noch
yderman anhenget, los werde und sich gewene yn allen stenden auff erden allein
hieher zusehen und sich damit zubekuemern. Denn man wird noch lang kein lere
noch stende auffbringen, [Zehen gepot uber alle wercklere.] die den zehen
geboten gleich sind, weil sie so hoch sind, das sie niemand durch menschen
krafft erlangen kan, und wer sie erlanget, ist ein hymlisch Engelisch mensch
weit uber alle heiligkeit der welt. Nym sie nur fur und versuche dich wol, lege
alle krafft und macht daran, so wirstu wol soviel zuschaffen gewinnen, das du
kein andere werck odder heiligkeit suchen noch achten wirdst. Das sey gnug von
dem ersten teil beide zuleren und vermanen. Doch muessen wir zubeschliessen
widerholen den Text, welchen wir auch droben ym ersten gepot gehandlet haben,
auff das man lerne, was Gott drauff wil gewendet haben, das man die zehen gepot
wol lerne treiben und uben.
Jch der HERR dein Gott bin ein eiveriger
Gott, der uber die, so mich hassen, die sunde der veter heymsucht an den kindern
[s. 180] bis yns dritte und vierde gelied. Aber denen, so mich lieben und meine
gepot halten, thu ich wol ynn tausend gelied.
Dieser zusatz, wiewol er (wie oben
gehoeret) zufodderst zum ersten gepot angehengt ist, so ist er doch umb aller
gepot willen gesetzt, als die sich semptlich hieher ziehen und darauff gerichtet
sollen sein. Daruemb habe ich gesagt, man solle solchs auch der iugent furhalten
und einblewen, das sie es lerne und behalte, auff das man sehe, was uns dringen
und zwingen sol solche zehen gepot zuhalten. Und sol es nicht anders ansehen
denn als sey dis stueck zu einem iglichen sonderlich gesetzet, also das es ynn
und durch sie alle gehe. Nu ist (wie vor gesagt) ynn diesen worten zusamen [Dreuwort
und verheissung neben den zehen gepoten.] gefasset beide ein zornig dreuwort und
freundliche verheissung, uns zuschrecken und warnen, dazu zu locken und reitzen,
auff das man sein wort als ein Goetlichen ernst anneme und gros achte, weil er
selbs ausdruecket, wie gros yhm daran gelegen sey und wie hart er drueber halten
wolle, nemlich das er greulich und schrecklich straffen wil alle, die seine
gepot verachten und ubertretten, und widderuemb wie reichlich ers belonen wil,
wolthuen und alles guts geben denen, die sie gros achten und gerne darnach thuen
und leben. Damit er wil gefoddert haben, das sie alle aus solchem hertzen gehen,
das alleine Gott furchtet und fur augen hat, und aus solcher furcht alles lesset,
was widder seinen willen ist, auff das yhn nicht erzuerne, Und dagegen auch yhm
allein vertrawet und yhm zu liebe thuet was er haben wil, weil er sich so
freundlich als ein vater hoeren lesset und uns alle gnade und guts anbeut.
[Gantze summa des ersten gepots.] Das ist
auch eben die meinung und rechte auslegung des ersten und furnemsten gepots,
daraus alle andere quellen und gehen sollen, Also das dis wort ‘Du solt nicht
andere Goetter haben’ nichts anders auffs einfeltigste wil gesagt haben denn
soviel hie gefoddert: du solt mich als deinen einigen [Gott furchten und
vertrawen erfuellet alle gepot.] rechten Gott fuerchten, lieben und mir
vertrawen. Denn wo ein solchs hertz gegen Gott ist, das hat dieses und alle
andere erfuellet. Widderuemb wer etwas anders ynn hymel und auff erden fuerchtet
und liebet, der wird widder dieses noch keines halten. Also hat die gantze
schrifft uberal dis gepot gepredigt und getrieben, alles auff die zwey stueck,
Gottes fuercht und vertrawen, gerichtet, Und fuernemlich der Prophet David ym
Psalter durch und [Ps. 147, 11] durch, als da er spricht: ‘Der HERR hat
gefallen an denen, die yhn fuerchten und auff seine guete warten’, als were
das gantze gepot mit einem vers ausgestrichen und eben soviel gesagt: Der HERR
hat gefallen an denen, die kein andere Goetter haben.
Also sol nu das erste gepot leuchten und sein glantz geben ynn die [Das erste
gepot treibet die andern alle.] andern alle, daruemb mustu auch dis stueck
lassen gehen durch alle gepot als [s. 181] die schele odder boegel ym krantz,
das end und anfang zuhauffe fuege und alle zusamen halte, auff das mans ymmer
widderhole und nicht vergesse. [Erste tafel.] Als nemlich ym andern gepot, das
man Gott fuerchte und seines namens nicht misbrauche zu fluchen, liegen, triegen
und anderer verfuerung odder bueberey, sondern recht und wol brauche mit
anruffen, beten, loben und dancken aus liebe und vertrawen nach dem ersten gepot
geschepfft. Desgleichen sol solche furcht, liebe und vertrawen treiben und
zwingen, das man sein wort nicht verachte, sondern lerne, gerne hoere, heilig
halte und ehre.
[Andere tafel.] Darnach weiter durch die
folgenden gepot gegen dem nehisten auch also, alles aus krafft des ersten gepots:
das man vater und mutter, herrn und alle oeberkeit ehre, unterthan und gehorsam
sey, nicht umb yhret willen sondern umb Gottes willen. (Denn du darffst widder
vater noch mutter ansehen noch fuerchten noch yhn zu lieb thuen odder lassen,
sihe aber zu, was Gott von dir haben wil und gar getrost foddern wird; lestu es,
so hastu ein zornigen richter odder widderuemb ein gnedigen vater.) Jtem das du
deinem nehisten kein leid, schaden noch gewalt thuest noch einerley weise zu
nahe seiest, es treffe sein leib, gemahl, gut, ehre odder recht an, wie es
nacheinander gepoten ist, ob du gleich rawm und ursach dazu hettest und dich
kein mensch druemb straffete, Sondern yderman wolthuest, helffest und fodderst,
wie und wo du kanst, allein Gotte zu liebe und gefallen yn dem vertrawen, das er
dir alles reichlich wil erstadten. Also sihestu, wie das erste gepot das heubt
und quell born ist, so durch die andern alle gehet, und widderuemb alle sich
zurueck ziehen und hangen ynn diesem, das end und anfang alles ynn einander
geknuepfft und gebunden ist.
Solchs (sage ich nu) ist nutz und not dem
iungen volck ymmer furzuhalten, vermanen und erynnern, auff das sie nicht allein
wie das viech mit schlegen und zwang sondern ynn Gottes furcht und ehre
auffgezogen werden. Denn wo man solchs bedencket und zuhertzen nympt, das es
nicht [Gottes streng gepot, nicht menschen wort.] menschen tand sondern der
hohen Maiestet gepot sind, der mit solchem ernst drueber helt, zuernet und
straffet die sie verachten, und widderuemb so uberschwenglich vergilt denen die
sie halten, daselbs wird sichs selbs reitzen [Zehen gepot allenthalben
schreiben.] und treiben gerne Gottes willen zuthuen. Daruemb ist nicht umbsonst
ym alten Testament gepoten, das man solle die zehen gepot schreiben an alle [5.
Mos. 6, 9; 11, 20] wend und ecken, ia an die kleider, nicht das mans allein
lasse da geschrieben [s. 182] stehen und schawtrage, wie die Jueden theten,
sondern das mans on unterlas fur augen und ynn stettem gedechtnis habe, ynn alle
unserm thuen und wesen treiben, Und ein yglicher lasse es sein tegliche ubung
sein ynn allerley fellen, gescheffte und hendeln, als stunde es an allen orten
geschrieben, wo er hyn sihet, ia wo er gehet odder stehet. So wuerde man beide
fur sich daheym ynn seinem haus und gegen nachbarn ursach gnug finden die zehen
gepot zutreiben, das niemand weit darnach lauffen duerffte.
Aus dem sihet man abermal, wie hoch diese
zehen gepot zuheben und preissen sind uber alle stende, gepot und werck, so man
sonst leret und treibt. Denn hie koennen wir trotzen und sagen: Las aufftreten
alle weisen und heiligen, ob sie kuenden ein werck erfur bringen als diese gepot,
so Gott mit solchem ernst foddert und befihlt bey seinem hohisten zorn und
straffe, dazu so herrliche verheissung dazu setzet, das er uns mit allen guetern
und segen uberschuetten wil. Daruemb sol man sie yhe fur allen andern leren tewr
und werd halten als den hohisten schatz von Gott gegeben.
Das Ander teil. Von dem Glauben.
[s. 182]
Bisher haben wir gehoeret das erste stueck Christlicher lere und darynne gesehen
alles was Gott von uns wil gethan und gelassen haben. Darauff folgt nu billich
der Glaube, der uns fuerlegt alles, was wir von Got gewarten und empfahen mussen,
und (auffs kuertzte zureden) yhn gantz und [Glaube leret Gott erkennen.] gar
erkennen leret. Welchs eben dazu dienen sol, das wir dasselbige thuen koennen,
so wir lauts der zehen gepot thuen sollen. Denn sie sind (wie droben gesagt) so
hoch gestellet, das aller menschen vermuegen viel zu gering und schwach ist die
selbigen zuhalten. Daruemb ist dis stueck ia so noetig als ihenes zulernen, das
man wisse, wie man dazu kome, woher und wo durch solche krafft zu nemen sey.
Denn so wir kuendten aus eigenen krefften die zehen gepot halten, wie sie
zuhalten sind, duerfften wir nichts weiter, widder glauben noch vater unser.
Aber ehe man solchen nutz und not des glaubens ausstreichet, ist gnug erstlich
fur die gar einfeltigen, das sie den glauben an yhm selbs fassen und verstehen
lernen.
Auffs erste hat man bisher den Glauben
geteilet ynn zwelff artickel, wiewol wenn man alle stueck, so ynn der schrifft
stehen und zum glauben gehoeren, einzelen fassen solte, gar viel mehr artickel
sind, auch nicht alle [s. 183] deutlich mit so wenig worten muegen ausgedrueckt
werden. Aber das mans auffs leichteste und einfeltigste fassen kuende, wie es
fur die kinder zu leren [Drey heubtartickel des glaubens.] ist, woellen wir den
gantzen Glauben kuertzlich fassen ynn drey heubtartikel nach den dreyen personen
der Gottheit, dahin alles was wir gleuben gerichtet ist, Also das der erste
artikel von Gott dem vater verklere die Schepffung, der ander von dem Son die
erloesung, Der dritte von dem Heiligen Geist die heiligung. Als were der glaube
auffs aller kurtzte ynn soviel wort gefasset: Jch gleube an Gott vater der mich
geschaffen hat, Jch gleube an Gott den Son der mich erloeset hat, Jch gleube an
den Heiligen geist der mich heilig machet. Ein Gott und glaube, Aber drey person,
daruemb auch drey artickel odder bekendnis. So woellen wir nu kuertzlich die
wort uberlauffen.
Der erste Artickel.
ICH gleube an Gott den vater almechtigen,
Schepffer
hymels und der erden.
[Glaube leret was wir fur ein Gott haben.] Da ist auffs aller kuertzte abgemalet
und furgebildet, was Gottes des vaters wesen, wille, thuen und werck sey. Denn
weil die zehen gepot haben furgehalten, man solle nicht mehr denn einen Got
haben, moechte man nu fragen: Was ist denn Gott fur ein man, was thut er, wie
kan man yhn preisen oder abmalen und beschreiben, das man yhn kenne? Das leret
nu dieser und folgende artikel. Also das der Glaube nichts anders ist denn ein
antwort und bekentnis der Christen auff das erste gepot gestellet. Als wenn man
ein iung kind fragete: Lieber was hastu fur ein Gott, was weisestu von yhm? das
es kuende sagen: Das ist mein Gott, zum ersten der vater der hymel und erden
geschaffen hat, Ausser diesem einigen halte ich nichts fur Gott, denn sonst
keiner ist der hymel und erden schaffen kuende.
Fur die gelerten aber und die etwas
leufftig sind, kan man die artikel alle drey weit ausstreichen und teilen ynn
soviel stueck als es wort sind. Aber itzt fur die iungen schueler sey gnug das
noetigste anzuzeigen, nemlich (wie gesagt) das dieser artikel belanget die
Schepffung, das man stehe auff dem wort Schepffer hymels und erden. Was ists nu
gesagt odder was [Verstand des woertleins Schepffer.] meynestu mit dem wort ‘Jch
gleube an Got Vater almechtigen, Schepffer’ &c.? Antwort: Das meine und
gleube ich, das ich Gottes geschepffe bin, das ist, das er mir geben hat und on
unterlas erhelt leib, seele und leben, geliedmasse [s. 184] klein und gros, alle
synne, vernunfft und verstand und so fort an, essen und trincken, kleider,
narung, weib und kind, gesind, haus und hoff &c., Dazu alle creatur zu nutz
und notdurfft des lebens dienen lesset, Sonne, Mond und sternen am hymel, tag
und nacht, lufft, fewer, wasser, erden und was sie tregt und vermag, vogel,
visch, thier, getreyde und allerley gewechs, Jtem was mehr leibliche und
zeitliche gueter sind, gut regiment, fride, sicherheit. Also das man aus diesem
artikel lerne, das unser keiner das leben, noch alles was itzt erzelet ist und
erzelt mag werden, von yhm selbs hat noch erhalten kan, wie klein und gering es
ist. Denn es alles gefasset ist ynn das wort Schepffer.
Darueber bekennen wir auch, das Gott der
Vater nicht allein solchs alles, was wir haben und fur augen sehen, uns geben
hat, sondern auch teglich fur allem ubel und unglueck behuetet und beschuetzet,
allerley ferlickeit und unfall abwendet, Und solchs alles aus lauter liebe und
guete durch uns unverdienet, als ein freundlicher vater, der fuer uns sorget,
das uns kein leid widderfare. Aber davon weiter zusagen gehoeret ynn die andern
[Almechtiger Vater.] zwey stueck dieses artickels, da man spricht ‘Vater
almechtigen’.
Hieraus wil sich nu selbs schliessen und folgen: weil uns das alles, [Folge und
frucht des glaubens.] so wir vermuegen, dazu was ym hymel und erden ist, teglich
von Gott gegeben, erhalten und bewaret wird, so sind wir ia schueldig yhn
daruemb on unterlas zulieben, loben und dancken und kuertzlich yhm gantz und gar
damit zudienen, wie er durch die zehen gepot foddert und befolhen hat. Hie were
nu viel zusagen [s. 185] (wenn mans solt ausstreichen), wie wenig yhr sind, die
diesen artikel gleuben. Denn wir gehen all uber hyn, hoerens und sagens, sehen
aber und bedencken nicht, was uns die wort fuertragen. Denn wo wirs von hertzen
gleubten, wuerden wir auch darnach thun und nicht so stoltz her gehen, trotzen
und uns bruesten, als hetten wir das leben, reichtumb, gewalt und ehre &c.
von uns selbs, das man uns furchten und dienen mueste, wie die unselige verkerte
welt thuet, die ynn yhrer blindheit ersoffen ist, aller gueter und gaben Gottes
allein zu yhrer hoffart, geitz, lust und woltagen misbraucht und Gott nicht ein
mal ansehe, das sie ym danckete odder fur ein herrn und schepffer erkennete.
Daruemb solt uns dieser artickel alle demuetigen und erschrecken, wo wirs
gleubten. Denn wir sundigen teglich mit augen, oren, henden, leib und seele,
gelt und gut und mit allem das wir haben, sonderlich die ihenigen, so noch
widder Gottes wort fechten. Doch haben die Christen den vorteil, das sie sich
des schueldig erkennen yhm dafur zudienen und gehorsam zu sein.
Derhalben sollen wir diesen artickel
teglich uben, einbilden und uns [Ubung des glaubens ynn allerley fellen.]
erynnern ynn allem, was uns fur augen koempt und guts widderferet, und wo wir
aus noeten odder ferlickeit komen, wie uns Gott solchs alles gibt und thuet, das
wir daran spueren und sehen sein vetterlich hertz und uberschwenckliche liebe
gegen uns. Davon wuerde das hertz erwarmen und entzuendet werden danckbar zu
sein und aller solcher gueter zu Gottes ehren und lob zubrauchen. Also haben wir
auffs kuertzte die meinung dieses artickels, soviel den einfeltigen erstlich not
ist zulernen, beide was wir von Gott haben und empfahen, und was wir dafur
schueldig sind. Welchs gar ein gros trefflich erkentnis ist, aber viel ein
hoeher schatz. Denn da sehen wir, wie sich [Gott gibt sich uns sampt allen
creaturen.] der vater uns gegeben hat sampt allen creaturen und auffs aller
reichlichste ynn diesem leben versorget, on das er uns sonst auch mit
unaussprechlichen ewigen gutern durch seinen Son und heiligen geist
uberschuettet, wie wir hoeren werden.
Der ander Artickel.
Und an Jhesum Christum, seinen einigen Son, unsern HERRN, der empfangen ist vom
heiligen geist, geporen von der iungfrawen Maria, gelidden unter Pontio Pilato,
gecreutzigt, gestorben und begraben, Niddergefaren zur hellen, Am dritten tage
aufferstanden von den todten, Auffgefaren gen hymel, Sitzend zur rechten Gottes
des allmechtigen vaters, Von dannen er komen wird zurichten die lebendigen und
die todten.
[s. 186]
HJe lernen wir die andere person der
Gottheit kennen, das wir sehen, was wir uber die vorigen zeitlichen guter von
Gott haben, nemlich wie er sich gantz und gar ausgeschuettet hat und nichts
behalten, das er nicht uns gegeben habe. Dieser artikel ist nu seer reich und
weit, aber das wirs auch kurtz und kindlich handlen, wollen wir ein wort fur uns
nemen und darynne die gantze Summa davon fassen, nemlich (wie gesagt) das man
heraus lerne, wie wir erloeset sind, Und sol stehen auff diesen worten ‘An
Jhesum Christum, unsern HERRN’.
[Christus unser HERR.] Wenn man nu fragt: was gleubstu ym andern artikel von
Jhesu Christo? Antwort auffs kuertzte: Jch gleube, das Jhesus Christus,
warhafftiger Gottes son, sey mein HErr worden. Was ist nu das ‘Ein Herr werden’?
Das ists, das er mich erloeset hat von sunde, vom Teuffel, vom tode und allem
unglueck. Denn zuvor habe ich keinen herrn noch Koenig gehabt, sondern unter des
Teuffels gewalt gefangen, zu dem tod verdampt, ynn der sunde und blindheit
verstrickt gewesen.
Denn da wir geschaffen waren und allerley guts von Gott dem Vater [Teuffels
reich und gewalt.] empfangen hatten, kam der Teuffel und bracht uns ynn
ungehorsam, sunde, tod und alle unglueck, das wir ynn seinem zorn und ungnade
lagen zu ewigem verdamnis verurteilet, wie wir verwirckt und verdienet hatten.
Da war kein rath, huelffe noch trost, bis das sich dieser einige und ewige
Gottes son unsers iamers und elends aus grundloser guete erbarmete und von hymel
kam uns zuhelffen. Also sind nu ihene Tyrannen und Stockmeister alle vertrieben
und ist an yhre stad getretten Jhesus Christus, ein Herr des lebens,
gerechtickeit, alles guts und selickeit, und hat uns arme verlorne menschen aus
der helle rachen gerissen, gewonnen, frey gemacht und widderbracht yn des Vaters
huld und gnade und als sein eigenthumb unter seinen schirm und schutz genomen,
das er uns regiere durch seine gerechtickeit, weisheit, gewalt, leben und
selickeit.
Das sey nu die Summa dieses Artickels, das
das wortlin HERRE auffs einfeltigste soviel heisse als ein Erloser, das ist der
uns vom Teuffel zu Gotte, vom tod zum leben, von sund zur gerechtikeit bracht
hat und da bey erhelt. Die stuecke aber, so nacheinander ynn diesem artikel
folgen, thuen [Wie und wordurch die erloesung geschehe.] nichts anders, denn das
sie solche erloesung verkleren und ausdruecken, wie und wodurch sie geschehen
sey, das ist was yhn gestanden und was er daran gewendet und gewagt hat, das er
uns gewoenne und zu seiner hyrschafft brechte, Nemlich das er mensch worden, von
dem heiligen geist und [s. 187] der Jungfrawen on alle sunde empfangen und
geporen, auff das er der sunden herr were, darzu gelidden, gestorben und
begraben, das er fur mich genug thete und bezalete, was ich verschuldet habe,
nicht mit sylber noch gold sondern mit seinem eigenen tewren blut. Und dis alles
daruemb, das er mein HERR wuerde. Denn er fur sich der keines gethan noch
bedurfft hat. Darnach widder auffgestanden, den tod verschlungen und gefressen
Und endlich gen hymel gefaren und das regiment genomen zur rechten des vaters,
das yhm Teuffel und alle gewalt mus unterthan sein und zu fuessen ligen, so lang
bis er uns endlich am iuengsten tage gare scheide und sondere von der boesen
welt, Teuffel, tod, sunde &c.. Aber diese eynzele stueck alle sonderlich
auszustreichen gehoeret nicht ynn die kurtze kinderpredigt sondern ynn die
grossen predigte uber das gantze iar, sonderlich auff die zeit so dazu geordnet
sind ein yglichen artickel ynn die lenge zuhandlen: von der gepurt, leiden,
aufferstehen, hymelfart [Artikel von Christo ymmer zu treiben.] Christi &c..
Auch stehet das gantze Euangelion, so wir predigen, darauff, das man diesen
artikel wol fasse, als an dem alle unser heil und selickeit ligt und so reich
und weit ist, das wir ymer gnug daran zulernen haben.
Der Dritte artickel.
Jch gleube an den Heiligen geist, ein heilige Christliche kyrche, die gemeine
der heiligen, Vergebung der sunden, aufferstehung des fleischs und ein ewigs
leben. Amen.
Diesen artikel kan ich nicht besser
oertern denn (wie gesagt) von der Heiligung, das dadurch der Heilige geist mit
seinem ampt ausgedrueckt und abgemalet werde, nemlich das er heilig machet.
Daruemb muessen wir fussen auff das wort Heiligen Geist, weil es so kurtz
gefasset ist, das man kein anders haben [Mancherley Geist.] kan. Denn es sind
sonst mancherley Geist ynn der schrifft, als Menschen geist, Hymlische geister
und boeser geist. Aber Gottes [Heiliger geist der da heilig machet.] geist
heisset allein ein heiliger geist, Das ist der uns geheiligt hat und noch
heiliget. Denn wie der Vater ein Schepffer, der Son ein Erloeser heisset, so sol
auch der heilige Geist von seinem werck ein Heiliger odder [Wie und wo durch die
heiligung geschihet.] heiligmacher heissen. Wie gehet aber solch heiligen zu?
Antwort: Gleich wie der Son die herschafft uberkoempt, dadurch er uns gewinnet,
durch seine gepurt, sterben und aufferstehen &c., Also [s. 188] richtet der
Heilige geist die heiligung aus durch die folgende stuecke, das ist durch die
gemeine der heiligen odder Christliche kyrche, vergebung der sunden,
aufferstehung des fleischs und das ewige leben, das ist das er uns erstlich
fueret ynn seine heilige gemeine und ynn der kyrchen schos legt, dadurch er uns
predigt und zu Christo bringet.
[Der heilige geist bringet uns Christum
heym.] Denn widder du noch ich kuendten ymmer mehr etwas von Christo wissen noch
an yhn gleuben und zum Herrn kriegen, wo es nicht durch die predigt des
Euangelij von dem heiligen geist wuerde angetragen und uns ynn bosam geschenckt.
Das werck ist geschehen und ausgericht, denn Christus hat uns den schatz
erworben und gewonnen durch sein leiden, sterben und aufferstehen &c.. Aber
wenn das werck verborgen bliebe, das niemand wueste, so were es umb sonst und
verloren. Das nu solcher schatz nicht begraben bliebe, sondern angelegt und
genossen wuerde, hat Gott das wort ausgehen und verkuenden lassen, daryn den
heiligen geist geben, uns solchen schatz und erloesung heim zubringen und
zueigenen. Daruemb ist das heiligen nicht anders denn zu dem HERRN Christo
bringen, solch gut zuempfahen, dazu wir von uns selbs nicht komen kuendten.
So lerne nu diesen artikel auffs
deutlichste verstehen. Wenn man fragt: was meinestu mit den worten ‘Jch gleube
an den heiligen geist’? [Summa dis artikels.] das du koennest antworten: Jch
gleube, das mich der Heilige geist heilig machet, wie sein name ist. Womit thuet
er aber solchs? odder was ist seine weise und mittel dazu? Antwort: Durch die
Christliche kyrche, vergebung der sunden, aufferstehung des fleischs und das
ewige leben. Denn zum ersten hat er ein sonderliche gemeyne ynn der welt, welche
ist die mutter, so ein yglichen Christen zeugt und tregt durch das wort Gottes,
welches er offenbaret und treibt, die hertzen erleucht und anzuendet, das sie es
fassen, annemen, daran hangen und dabey bleiben.
[Der heilige geist mus Christum offenbaren.] Denn wo ers nicht predigen lesset
und ym hertzen erweckt, das mans fasset, da ists verloren, wie unter dem
Bapstumb geschehen ist, da der glaube gantz unter die banck gesteckt, niemand
Christum fur einen Herrn erkand hat noch den Heiligen geist fur den, der da
heilig machet. Das ist: niemand hat gegleubt, das Christus also unser Herr were,
der uns on unser merck und verdienst solchen schatz gewonnen hette und uns dem
vater angeneme gemacht. Woran hat es denn gemangelt? Daran das der heilige geist
nicht ist da gewesen, der solchs hette offenbaret und predigen lassen, sondern
menschen und boese geist sind da gewesen, die uns haben geleret durch unsere
werck selig zu [Wo der geist nicht predigt, da ist kein kyrche.] werden und gnad
erlangen. Daruemb ist es auch kein Christliche kyrche. [s. 189] Denn wo man
nicht von Christo predigt, da ist kein heiliger geist, welcher die Christliche
kyrche machet, berueffet und zusamen bringet, ausser welcher niemand zu dem
Herrn Christo komen kan. Das sey genug von der Summa dieses artikels; weil aber
die stueck, so daryn verzelet, fur die einfeltigen nicht so gar klar sind,
wollen wir sie auch uberlauffen.
Die heilige Christliche kyrche heisset der
Glaube Communionem sanctorum, Ein gemeinschafft der heiligen. Denn es ist beides
einerley zusamen gefasset, aber verzeiten das eine stueck nicht dabey gewesen,
ist auch ubel und [Gemeinschafft der heiligen.] unverstendlich verdeudscht ‘Eine
gemeinschafft der heiligen’. Wenn mans deutlich geben solt, must mans auff
deudsche art gar anders reden. Denn das wort Ecclesia heisset eigentlich auff
deudsch ein versamlunge, wir sind aber gewonet des woertleins kyrche, welchs die
einfeltigen nicht von einem versamleten hauffen sondern von dem geweiheten haus
odder gebew verstehen (wiewol das haus nicht solt eine kyrche heissen on allein
daruemb, das der hauffe daryn zusamen koempt, denn wir, die zusamen komen,
machen und nemen uns ein sonderlichen raum und geben dem haus nach dem hauffen
ein [Kyrche.] namen). Also heisset das wortlin Kyrche eigentlich nicht anders
denn ein gemeine samlung und ist von art nicht deudsch sondern Griechisch (wie
auch das wort Ecclesia). Denn sie heissens auff yhre sprach Kyria, wie mans
latinisch Curiam nennet. Daruemb solts auff recht deudsch und unser mutter
sprach heissen ‘Ein Christliche gemeine odder samlung’ odder auffs aller
beste und klerste ‘Ein heilige Christenheit’.
[Heilige gemeine odder Christenheit.] Also auch das wort Communio, das dran
gehenget ist, solt nicht Gemeinschafft sondern gemeine heissen. Und ist nicht
anders denn die glose odder auslegung, da ymand hat woellen deuten, was die
Christliche kyrche heisse. Dafur haben die unsern, so widder latinisch noch
deudsch gekund haben, gemachet ‘gemeinschafft der heiligen’, so doch kein
deudsche sprach so redet noch verstehet. Aber recht deudsch zureden solt es
heissen ‘Ein gemeine der heiligen’, das ist ein gemeine, daryn eitel
heiligen sind, odder noch [s. 190] klerlicher ‘ein heilige gemeine’. Das
rede ich darumb, das man die wort verstehe, weil es so ynn die gewonheit
eingerissen ist, das schwerlich widder eraus zureissen ist, und sol bald kezerey
sein, wo man ein wort endert.
Das ist aber die meinung und Summa von diesem zusatz: Jch gleube, das da sey ein
heiliges heufflein und gemeine auff erden eiteler heiligen unter einem heubt
Christo, durch den heiligen geist zusamen beruffen, ynn einem glauben, synne und
verstand, mit mancherley gaben, doch eintrechtig ynn der liebe, on rotten und
spaltung. Der selbigen bin ich auch ein stuek und gelied, aller guetter, so sie
hat, teilhafftig und mitgenosse, durch den Heiligen geist dahyn gebracht und
eingeleibet, dadurch das ich Gottes wort gehoert habe und noch hoere, welchs ist
der anfang hynein zukomen. Denn vorhyn ehe wir dazu komen sind, sind wir gar des
Teuffels gewesen, als die von Gott und von Christo nichts gewust haben. So
bleibt der Heilige geist bey der heiligen gemeine odder Christenheit bis auff
den iuengsten tag, dadurch er uns holet, und brauchet sie dazu, das wort zufuren
und treiben, dadurch er die heiligung machet und mehret, das sie teglich zuneme
und starck werde ym glauben und seinen fruechten, so er schaffet.
[Vergebung der sunde.] Darnach weiter
gleuben wir, das wir yn der Christenheit haben vergebung der sunde, welches
geschihet durch die heiligen Sacrament und absolution, dazu allerly
trostsprueche des gantzen Euangelij. Daruemb gehoeret hieher, was von den
Sacramenten zupredigen ist, Und Summa das gantze Euangelion und alle empter der
Christenheit. Welchs auch not ist, das on unterlas gehe. Denn wiewol Gottes
gnade durch Christum erworben ist und die heilickeit durch den heiligen geist
gemacht (durch Gottes wort yn der vereinigung der Christlichen kyrchen), So sind
wir doch nymer one sund unsers fleischs halben, so wir noch am hals tragen.
Daruemb ist alles yn der [Tegliche vergebung ynn der Christenheit.] Christenheit
dazu geordnet, das man da teglich eitel vergebung der sunden durch wort und
zeichen hole, unser gewissen zutroesten und auffrichten, so lang wir hie leben.
Also machet der heilig geist, das ob wir gleich sunde haben, doch sie uns nicht
schaden kan, weil wir ynn der Christenheit sind, da eitel vergebung der sund
ist, beide das uns Gott vergibt und wir unternander vergeben, tragen und
auffhelffen. Ausser der Christenheit aber, da das Euangelion nicht ist, ist auch
kein vergebung nicht, wie auch keine heilickeit da sein kan. Daruemb haben sich
alle selbs eraus geworffen und gesondert, die nicht durchs Euangelion und
vergebung der sund sondern durch yhre wercke heilickeit suechen und verdienen
woellen.
Ynn des aber weil die heilickeit
angefangen ist und teglich zunimpt, [s. 191] warten wir, das unser fleisch
hyngerichtet und mit allem unflat bescharrret [Aufferstehung des fleisches.]
werde, aber herrlich erfurkome und aufferstehe zu gantzer und volliger heilikeit
yn einem newen ewigen leben. Denn itzt bleiben wir halb und halb reine und
heilig, auff das der Heilig geist ymer an uns erbeite durch das wort, und
teglich vergebung austeile bis ynn ihenes leben, da nicht mehr vergebung wird
sein sondern gantz und gar rein und heilige menschen voller fromkeit und
gerechtickeit, entnomen und ledig von sund, tod und allem unglueck ynn einem
newen unsterblichen und verklerten leib. Sihe, das alles sol des Heiligen geists
ampt und werck sein, das er auff erden die heilickeit anfahe und teglich mere
durch die zwey stueck: Christliche kyrche und vergebung der sunde; wenn wir aber
verwesen, wird ers gantz auff einem augenblick volfueren und ewig dabey erhalten
durch die letzten zwey. Das aber hie stehet ‘Aufferstehung des fleisches’,
ist auch nicht wol deudsch geredt. Denn wo wir ‘fleisch’ hoeren, dencken wir
nicht weiter denn ynn die scherren. Auff recht deudsch aber wuerden wir also
reden: Aufferstehung des leibs odder leichnams. Doch ligt nicht grosse macht
dran, so man nur die wort recht verstehet.
Das ist nu der Artickel, der da ymerdar ym werck gehen und bleiben mus. Denn die
schepffung haben wir nu hynweg, so ist die Erloesung [Des heiligen geists merck
gehet ymerdar.] auch ausgerichtet, aber der Heilige geist treibt sein werck on
unterlas bis auff den iuengsten tag, dazu er verordnet eine gemeine auff erden,
dadurch er alles redet und thuet. Denn er seine Christenheit noch nicht alle
zusamen bracht noch die vergebung ausgeteilet hat. Daruemb geluben wir an den,
der uns teglich erzu holet durch das wort, und den glauben gibt, mehret und
sterckt durch das selbige wort und vergebung der sunde, auff das er uns, wenn
das alles ausgericht und wir dabey bleiben, der welt und allem unglueck
absterben, endlich gar und ewig heilig mache, welchs wir itzt durchs wort ym
glauben warten.
Sihe, da hastu das gantze Goettliche
wesen, willen und werck mit gantz kurtzen und doch reichen worten auffs
allerfeineste abgemalet, Daryn alle unser weisheit stehet, so uber alle menschen
weisheit, synn und vernunfft gehet und schwebt. Denn alle welt, wiewol sie mit
allem vleis darnach getrachtet hat, was doch Gott were und was er ym synn hette
und thete, so hat sie doch der keines yhe erlangen moegen. Hie aber hastu es
alles auffs aller reicheste. [Ym glauben hat sich Gott gantz ausgeschuttet.]
Denn da hat er selbs offenbaret und auffgethan den tieffsten abgrund seines
veterlichen hertzens und eitel unaussprechlicher liebe yn allen dreyen artickeln.
Denn er hat uns eben da zu geschaffen, das er uns erloesete und heiligte; und
[s. 192] uber das er uns alles geben und eingethan hatte, was yhm hymel und auff
erden ist, hat er uns auch seinen Son und Heiligen geist geben, durch welche er
uns zu sich brechte. Denn wir kuenden (wie droben verkleret) nymer mehr dazu
komen, das wir des vaters hulde und gnade erkenneten on durch den HERRN
Christum, der ein spiegel ist des veterlichen hertzens, ausser welchem wir
nichts sehen denn einen zornigen und schrecklichen Richter. Von Christo aber
kuendten wir auch nichts wissen, wo es nicht durch den Heiligen geist offenbaret
were.
Daruemb scheiden und sondern diese
Artickel des glaubens uns Christen von allen andern leuten auff erden. Denn was
ausser der Christenheit ist, es seyen Heyden, Tuercken, Jueden odder falsche
Christen und heuchler, ob sie gleich nur einen warhafftigen Gott gleuben und
anbeten, so wissen sie doch nicht, was er gegen yhn gesynnet ist, koennen sich
auch keiner liebe noch guts zu yhm versehen, daruemb sie ynn ewigen zorn und
verdamnis bleiben. Denn sie den HERRN Christum nicht haben, dazu mit keinen
gaben durch den Heiligen geist erleuchtet und begnadet sind.
[Unterscheid des glaubens und zehen gepot.]
Aus dem sihestu nu, das der Glaube gar viel ein andere lere ist denn die zehen
gepot. Denn ihene leret wol, was wir thuen sollen, diese aber sagt, was uns Gott
thue und gebe. Die zehen gepot sind auch sonst ynn aller menschen hertzen
geschrieben, den glauben aber kan keine menschliche klugheit begreiffen und mus
allein vom Heiligen geist geleret werden. Daruemb machet ihene lere noch keinen
Christen, denn es bleibt noch ymmer Gottes zorn und ungnade uber uns, weil wirs
nicht halten koennen was Got von uns fodert. Aber diese bringet eitel gnade,
machet uns from und Gott angeneme. Denn durch diese erkentnis kriegen wir lust
und liebe zu allen gepoten Gottes, weil wir hie sehen, wie sich Gott gantz und
gar mit allem das er hat und vermag, uns gibt zu huelffe und stewer, die zehen
gepot zuhalten: Der vater alle creaturn, Christus alle sein werck, der Heilige
geist alle seine gaben. Das sey itzt genug vom glauben, ein grund zulegen fur
die einfeltigen, das man sie nicht uberlade, auff das wenn sie die Summa davon
verstehen, darnach selbs weiter nachtrachten, und was sie yn der schrifft
lernen, hieherziehen und ymmerdar yn reicherm verstand zunemen und wachssen.
Denn wir haben doch teglich, so lang wir hie leben, daran zupredigen und zu
lernen.
[s. 193]
Das Dritte teil. Das Vater unser.
[Einleitung]
Wir haben nu gehoeret, was man thuen und gleuben sol, daryn das beste und
seligste leben stehet, folgt nu das dritte stueck, wie man beten sol. Denn weil
es also mit uns gethan ist, das kein mensch die zehen gepot volkomen halten kan,
ob er gleich angefangen hat zu gleuben, Und sich der Teuffel mit aller gewalt
sampt der welt und unserm eigenen fleisch [Waruemb und wozu das gebete geordnet
ist.] dawidder sperret, ist nichts so not, denn das man Gott ymerdar ynn ohren
lige, ruffe und bitte, das er den glauben und erfuellung der zehen gepot uns
gebe, erhalte und mehre, und alles was uns ym wege ligt und daran hyndert,
hynweg reume. Das wir aber wuesten, was und wie wir beten sollen, hat uns unser
HERR Christus selbs weise und wort geleret, wie wir sehen werden.
[Vermanung zum gebete.] Ehe wir aber das
Vater unser nacheinander verkleren, ist wol am noetigsten vorhyn die leute
zuvermanen und reitzen zum gebete, wie auch Christus und die Aposteln than
haben. Und sol nemlich das erste sein, das man wisse, wie wir umb Gottes gepots
willen schueldig sind zubeten. Denn so haben wir gehuert ym Andern gepot: Du
solt Gottes namen nicht unnuetzlich fueren, das daryn gefoddert werde den
heiligen namen preisen, ynn aller not anruffen odder beten. Denn anruffen ist
nichts anders denn [Gottes gepot.] beten. Also das es streng und ernstlich
geboten ist, so hoch als alle andere, kein andern Gott haben, nicht toedten,
nicht stelen etc, das niemand dencke, es sey gleich soviel, ich bete odder bete
nicht, wie hie grobe leute hyngehen ynn solchem wahn und gedancken: Was solt ich
beten, wer weis, ob Gott mein gebet achtet odder hoeren wil? bete ich nicht, so
betet ein ander, und komen also ynn die gewonheit, das sie nymmer mehr beten,
und nemen zu behelff, Das wir falsch und heuchel gebete verwerffen, als lereten
wir, man solle odder duerffe nicht beten.
Das ist aber yhe war: was man bisher fur
gebete gethan hat, geplerret und gedoenet ynn der kyrchen etc, ist freylich kein
gebete gewesen. Denn solch eusserlich ding, wo es recht gehet, mag ein ubung fur
die iungen kinder, schueler und einfeltigen sein und mag gesungen odder gelesen
heissen, es heisset aber nicht eigentlich gebetet. Das heisset aber gebet, wie
das ander gepot [Beten heisset Gott yn noten anruffen.] leret: Gott anruffen ynn
allen noeten. Das wil er von uns haben und sol nicht ynn unser wilkoere stehen,
sondern sollen und muessen beten, wollen wir Christen sein, so wol als wir
sollen und muessen vater, mutter und der Oberkeit [s. 194] gehoersam sein. Denn
durch das anruffen und bitten wird der name Gottes geehret und nuetzlich
gebraucht. Das soltu nu fur allen dingen mercken, das man damit schweige und
zurueck stosse solche gedancken, die uns davon halten und abe schrecken. Denn
gleich wie es nichts gilt, das ein Son zum vater sagen wolt: ‘Was ligt an
meinem gehorsam? ich wil hyn gehen und thuen was ich kan, es gilt doch gleich
soviel’, Sondern da stehet das gepot: du solt und must es thuen: Also auch hie
stehet es nicht ynn meinem willen zuthuen und zulassen, sondern sol und mus
gebetet sein.
Daraus soltu nu schliessen und dencken, weil es so hoch geboten ist [Niemand sol
sein gebete verachten.] zubeten, das bey leib niemand sein gebete verachten sol
sondern gros und viel davon halten. Und nym ymer das gleichnis von den andern
geboten. Ein kind sol bey leib nicht sein gehorsam gegen vater und mutter
verachten sondern ymer gedencken: das werck ist ein werck des gehorsams, und das
ich thue, thue ich nicht anderer meinung, denn das ynn dem gehorsam und Gottes
gepot gehet, darauff ich kuende gruenden und fussen, und solchs gros achte nicht
umb meiner wirdickeit willen sondern umb des gepots willen. Also auch hie was
und wofur wir bitten, sollen wir so ansehen als von Gott gefoddert und ynn
seinem gehorsam gethan und also dencken: meinet halben were es nichts, aber
daruemb sol es gelten, das Gott gepoten hat. Also sol ein yglicher, [s. 195] was
er auch zubiten hat, ymer fur Gott komen mit dem gehorsam dieses gepots.
Daruemb biten wir und vermanen auffs
vleissigst yderman, das man solchs zu hertzen neme und yn keinen weg unser
gebete verachte. Denn man bisher also geleret hat yns Teuffels namen, das
niemand solchs geachtet hat und gemeinet, es were genug, das das werck gethan
were, Gott erhoerets odder hoeret es nicht. Das heisset das gebete ynn die
schantz geschlagen [Auff ebentheuer beten.] und auff ebentheuer hyn gemurret,
daruemb ist es ein verloren gebete. Denn wir uns solche gedancken lassen yrren
und abschrecken: Jch bin nicht heilig noch wirdig genug; wenn ich so from und
heilig were als S. Petrus, Paulus, so wolt ich beten. Aber nur weit hynweg mit
solchen gedancken, denn eben das gepot, das Sanct Paul troffen hat, das trifft
mich auch und ist eben so wol umb meinet willen das Ander gepot gestellet als
umb seinet willen, das er kein besser noch heiliger gepot zurhuemen hat. [Gottes
gepot machet das gebete koestlich.] Daruemb soltu so sagen: Mein gebete, das ich
thue, ist ia so koestlich, heilig und Gott gefellig als S. Paulus und der
allerheiligsten. Ursach: denn ich wil yhn gerne lassen heiliger sein der person
halben, aber des gepots halben nicht, Weil Gott das gebete nicht der person
halben ansihet sondern seines worts und gehorsams halben; Denn auff das gepot,
darauff alle heiligen yhr gebete setzen, setze ich meines auch, dazu bete ich
eben das, daruemb sie allzumal bitten odder gebetten haben.
Das sey das erste und noetigste stueck,
das alle unser gebete sich gruenden und stehen sol auff Gottes gehorsam, nicht
angesehen unser person, wir seyen sunder odder from, wirdig odder unwirdig. Und
sollen wissen, das Gott ynn keinen schertz wil geschlagen haben sondern zuernen
und straffen, wo wir nicht bitten, so wol als er allen andern ungehorsam
straffet, Darnach das er unser gebete nicht wil lassen umbsonst und verloren
sein. Denn wo er dich nicht erhoeren woelte, wuerde er dich nicht heissen beten
und so streng gepot drauff schlagen.
Zum andern sol uns deste mehr treiben und
reitzen, das Gott auch eine [Gottes verheissung.] verheissung dazu gethan und
zugesagt hat, das es sol Ja und gewis sein was [Ps. 50, 15] wir beten, wie er
spricht im 50. Psalm: ‘Ruffe mich an zur zeit der not, so [Matth. 7, 7 f.] wil
ich dich erretten’, und Christus ym Euangelio Matthei .7. ‘Bittet, so wird
euch gegeben &c.. Denn ein iglicher wer da bittet, der empfehet.’ Solchs
solt yhe unser hertz erwecken und anzuenden mit lust und liebe zubeten, Weil er
mit seinem wort bezeuget, das yhm unser gebete hertzlich wolgefalle, dazu [s.
196] gewislich erhoeret und gewert sein sol, auff das wirs nicht verachten noch
ynn wind schlagen und auff ungewis beten. Solchs kanstu yhm auffruecken und
sprechen: Hie kome ich, lieber vater, und bitte nicht aus meinem fuernemen noch
auff eigene wirdickeit, sondern auff dein gepot und verheissung, so mir nicht
feylen noch liegen kan. Wer nu solcher verheissung nicht gleubt, sol abermal
wissen, das er Gott erzuernet, als der yhm auffs hoehiste unehret und
luegenstraffet.
Aber das sol uns auch locken und ziehen, das Got neben dem [Gott stellet uns
selbs die weise zu bitten.] gepot und verheissunge zuvor koempt und selbs die
wort und weise stellet und uns yn mund legt, wie und was wir beten sollen, auff
das wir sehen, wie hertzlich er sich unser not annympt, und yhe nicht daran
zweiveln, das yhm solch gebete gefellig sey und gewislich erhoeret werde. Welchs
gar ein grosser vorteyl ist fur allen andern gebeten, so wir selbs erdencken
moechten. Denn da wuerde das gewissen ymer ym zweiveln stehen und sagen: Jch
habe gebeten, aber wer weis, wie es yhm gefellet, odder ob ich die rechte mas
und weise troffen habe? Darumb ist auff erden kein edler gebete zufinden, weil
es solch trefflich zeugnis hat, das Gott hertzlich gerne hoeret, dafur wir nicht
der welt gut solten nemen.
[Unsere not so uns treiben sol zu beten.]
Und ist auch daruemb also furgeschrieben, das wir sehen und bedencken die not,
so uns dringen und zwingen sol on unterlas zubeten. Denn wer da bitten wil, der
mus etwas bringen, furtragen und nennen des er begeret, wo nicht, so kan es kein
gebete heissen. Daruemb haben wir billich der Muenche und Pfaffen gebete
verworffen, die tag und nacht feindlich heulen und murren, aber yhr keiner
dencket um ein harbreit zubitten. Und wenn man alle kyrchen sampt den
geistlichen zusamen brechte, so muesten sie bekennen, das sie nye von hertzen
umb ein troepflin weins gebeten hetten. Denn yhr keiner yhe hat aus Gottes
gehorsam und glauben der verheissung furgenomen zubeten, auch keine not
angesehen, sondern nicht weiter gedacht (wenn mans auffs beste ausgericht hat)
denn ein gut werck zuthuen, damit sie Gott bezaleten, als die nicht von yhm
nemen sondern nur yhm geben wolten.
[Not machet ernst und andacht.] Wo aber
ein recht gebete sein sol, da mus ein ernst sein, das man seine not fuele, und
solche not, die uns druecket und treibet zuruffen und schreyen. So gehet denn
das gebete von sich selbs wie es gehen sol, das man keines lerens darff, wie man
sich dazu bereiten und andacht schepffen sol. Die not aber, so uns beide fur uns
und yderman anligen sol, wirstu reichlich gnug ym Vater unser finden; daruemb
sol es auch dazu dienen, das man sich der daraus erynner, betrachte und
zuhertzen neme, auff das wir nicht lass werden [s. 197] zubeten. Denn wir haben
alle gnug das uns manglet, es feylet aber daran das wirs nicht fuelen noch
sehen. Daruemb auch Gott haben wil, das du solche not und anligen klagest und
anzihest, nicht das ers nicht wisse, sondern das du dein hertz entzuendest deste
stercker und mehr zubegeren, und nur den mantel weit ausbreitest und auffthuest
viel zuempfahen.
[Allerley not fur Got zutragen.] Daruemb
solten wir uns von iugent auff gewenen ein yglicher fur alle seine not, wo er
nur etwas fuelet das yhn anstoesset, und auch anderer leute unter welchen er
ist, teglich zu bitten, als fur prediger, oeberkeit, nachbar, gesynde, Und ymer
(wie gesagt) Gott sein gepot und verheissung auffruecken und wissen, das ers
nicht wil verachtet haben. Das sage ich daruemb, denn ich wolt gerne, das man
solchs widder ynn die leute brechte, das sie lerneten recht beten und nicht so
rohe und kald hingehen, davon sie teglich ungeschickter werden zubeten, welchs
auch der Teuffel haben wil und mit allen krefften dazu hilfft, denn er fuelet
wol, was yhm fur leid und schaden thuet, wenn das gebete recht ym schwang gehet.
[Das gebete ist unser waffen widder den
Teuffel.] Denn das sollen wir wissen, das alle unser schirm und schutz allen ynn
dem gebete stehet. Denn wir sind dem Teuffel viel zuschwach sampt seiner macht
und anhang, so sich widder uns legen, das sie uns wol kuendten mit fuessen
zutretten. Daruemb muessen wir dencken und zu den waffen greiffen, damit die
Christen sollen geruestet sein widder den Teuffel zubestehen. Denn was meinestu
das bisher so gros ding ausgerichtet habe, unserer feinde radschlagen, furnemen,
mord und auffruhr geweret odder gedempffet, dadurch uns der Teuffel sampt dem
Euangelio gedacht hat unter zudruecken, wo nicht etlicher fromer leute gebete
als ein eiserne mawer auff unser seiten darzwisschen komen were? Sie solten
sonst selbs gar viel ein ander spiel gesehen haben, wie der Teuffel gantz
deudsch land ynn seinem eigenen blut verderbet hette. Ytzt aber muegen sie es
getrost verlachen und yhren spot haben, wir wollen aber dennoch beide yhnen und
dem Teuffel allein durch das gebete mans gnug sein, wo wir nur vleissig anhalten
und nicht lass werden. Denn wo yrgend ein fromer Christ bittet: Lieber vater,
las doch deinen willen geschehen, so spricht er droben: Ja liebes kind, es sol
ia sein und geschehen dem Teuffel und aller welt zutrotz.
Das sey nu zur vermanung gesagt, das man
fur allen dingen lerne das gebete gros und tewer achten und ein rechten
unterscheid wisse zwisschen dem plappern und etwas bitten. Denn wir verwerffen
mit nichte das gebete, sondern das lauter unnuetze geheule und gemurre
verwerffen wir, wie auch [Matth. 6, 7; 23, 14] Christus selbs lang gewessche
verwirfft und verbeut. Nu woellen wir das Vater unser auffs kuertzt und
klerlichste handlen. Da sind nu ynn sieben artickel odder bitte nacheinander
gefasset alle not, so uns on unterlas belanget, [s. 198] und ein ygliche so
gros, das sie uns treiben solt unser leben lang daran zubitten.
DJe Erste bitte.
Geheiliget werde dein name.
Das ist nu etwas finster und nicht wol deudsch geredet, denn auff unsere
muttersprache wuerden wir also sprechen: Hymlischer vater hilff, das nur dein
name moege heilig sein. Was ists nu gebetet, das sein name heilig werde? ist er
nicht vorhyn heilig? Antwort: Ja er ist allezeit heilig yn seinem wesen, aber
ynn unserm brauch ist er nicht heilig. Denn Gottes namen ist [Gottes namen uns
gegeben zuheiligen.] uns gegeben, weil wir Christen worden und getaufft sind,
das wir Gottes kinder heissen und die Sacrament haben, dadurch er uns mit yhm
verleibet, also das alles was Gottes ist, zu unserm brauch dienen sol. Da ist nu
die grosse not, dafur wir am meisten sorgen sollen, das der name sein ehre habe,
heilig und heer gehalten werde als unser hohister schatz und heiligthumb so wir
haben, Und das wir als die fromen kinder daruemb bitten, das sein name, der
sonst ym hymel heilig ist, auch auff erden bey uns und aller welt heilig sey und
bleibe.
Wie wird er nu unter uns heilig? Antwort, auffs deutlichste so mans sagen kan:
wenn beide unser leere und leben Gottlich und Christlich ist. Denn weil wir ynn
diesem gebete Gott unsern vater heissen, so sind wir schueldig, das wir uns
allenthalben halten und stellen wie die fromen kinder, das er unser nicht
schande sondern ehre und preis habe. Nu wird er von uns entweder mit worten
odder mit wercken verunheiligt. (Denn was wir auff erden machen, mus entweder
wort odder werck, reden odder thuen sein). Zum ersten also, wenn man predigt,
leeret und redet unter Gottes namen das doch falsch und verfuerisch ist, das
sein name die luegen schmuecken und verkeuffen [Unehre Goetlichs namens mit
worten odder wercken.] mus. Das ist nu die groessiste schande und unehre
Goettlichs namens, darnach auch wo man groeblich den heiligen namen zum
schandeckel fueret mit schweren, fluchen, zeubern &c.. Zum andern auch mit
oeffentlichen boesem leben und wercken, wenn die, so Christen und Gottes volck
heissen, ehebrecher, seuffer, [s. 199] geitzige wenste, neidisch und affterreder
sind: da mus abermal Gottes name vmb unser willen mit schanden bestehen und
gelestert werden. Denn gleich wie es einem leiblichen vater ein schande und
unehre ist, der ein boese ungeraten kind hat das mit worten und wercken widder
yhn handlet, das er umb seinet willen mus verachtet und geschmehet werden: Also
auch reichet es auch zu Gottes unehren, so wir die nach seinem namen genennet
sind und allerley gueter von yhm haben, anders leren, reden und leben denn frome
und hymlische kinder, das er hoeren mus, das man von uns sagt, wir muessen nicht
Gottes sondern des Teuffels kinder sein.
[Diese bitte auff das ander gepot
gerichtet.] Also sihestu, das wir eben das ynn diesem stueck bitten, so Gott ym
andern gepot fodert, nemlich das man seines namens nicht misbrauche zuschweren,
fluchen, liegen, triegen &c., sondern nuetzlich brauche zu Gottes lob und
ehren. Denn wer Gottes namen zu yrgend einer untuget brauchet, der entheiliget
und entweihet diesen heiligen namen, wie man verzeiten eine kyrche entweihet
hiesse, wenn ein mord odder andere buberey daryn begangen war, odder wenn man
eine Monstrantzen oder heiligthumb unehrete, als das wol an yhm selbs heilig und
doch ym brauch unheilig ward. Also ist das stueck leicht und klar, wenn man nur
die sprache verstehet, das ‘heiligen’ heist soviel als auff unsere weise ‘loben,
preisen und ehren’ beide mit worten und wercken.
[Not dieses gebets.] Da sihe nu, wie hoch solch gebete von noeten ist. Denn weil
wir sehen, wie die welt so voll rotten und falscher lerer ist, die alle den
heiligen namen zum deckel und schein yhrer Teuffels lehre fueren, solten wir
billich on unterlas schreyen und ruffen widder solche alle, beide die felschlich
predigen und gleuben, und was unser Euangelion und reine lere anfichtet,
verfolgt und dempffen wil, Als Bischove, Tyrannen, Schwermer &c.. Jtem auch
fur uns selbs die wir Gottes wort haben, aber nicht danckbar dafur sein noch
darnach leben wie wir sollen. Wenn du nu solchs von hertzen bittest, kanstu
gewis sein, das Got wolgefellet. Denn liebers wird er nicht hoeren, denn das
seine ehre und preis fur und uber alle ding gehe, sein wort rein geleret, tewr
und werd gehalten werde.
Die Ander bitte.
Dein reich kome.
Wie wir ym ersten stueck gebeten haben das Gottes ehre und namen betrifft, das
Gott were, das die welt nicht yhre luegen und bosheit darunter schmuecke sondern
heer und heilig halte beide mit lere und leben, das er an uns gelobt und
gepreiset werde: Also bitten wir hie, das auch sein reich komen solle. Aber
gleich wie Gottes name an yhm selbs heilig ist und wir doch bitten, das er bey
uns heilig seye, Also koempt auch sein reich on [s. 200] unser bitten von sichs
selbs. Doch bitten wir gleichwol, das er zu uns kome, das ist unter uns und bey
uns gehe, also das wir auch ein stueck seyen, darunter sein name geheiligt werde
und sein reich ym schwang gehe.
Was heisset nu Gottes reich? Antwort: [Was Gottes reich sey.] Nichts anders,
denn wie wir droben ym glauben gehoert haben, das Gott seinen son Christum
unsern HERRN ynn die welt geschickt, das er uns erloesete und frey machete von
der gewalt des Teuffels und zu sich brechte und regirete als ein koenig der
gerechtickeit, des lebens und selickeit widder sunde, tod und boese gewissen,
dazu er auch seinen Heiligen geist geben hat, der uns solchs heymbrechte durch
sein heiliges wort und durch seine krafft ym glauben erleuchtete und sterckte.
Derhalben bitten wir nu hie zum ersten, das solches bey uns krefftig werde und
sein name so gepreiset durch das heilige wort Gottes und Christlich leben, beide
das wir die es angenomen haben, dabey bleiben und teglich zunemen, und das es
bey andern leuten ein zufall und anhang gewinne und gewaltiglich durch die welt
gehe, auff das yhr viel zu dem gnadenreich komen, der erloesung teilhafftig
werden, durch den heiligen geist erzubracht, auff das wir also allesampt ynn
einem koenigreich itzt angefangen ewiglich bleiben.
[Wie Gottes reich zu uns kome.] Denn ‘Gottes
reich zu uns komen’ geschicht auff zweyerley weise: Ein mal hie zeitlich durch
das wort und den glauben, Zum andern ewig durch die offenbarung. Nu bitten wir
solchs beides, das es kome zu denen, die noch nicht darynne sind, und zu uns,
die es uberkomen haben, durch teglich zunemen und kuenfftig ynn dem ewigen
leben. Das alles ist nicht anders denn soviel gesagt: Lieber vater, wir bitten,
gib uns erstlich dein wort, das das Euangelion rechtschaffen durch die welt
gepredigt werde, Zum andern das auch durch den glauben angenomen werde, ynn uns
wircke und lebe, das also dein reich unter uns gehe durch das wort und krafft
des Heiligen geists und des Teuffels reich niddergelegt werde, das er kein recht
noch gewalt uber uns habe, so lange bis es endlich gar zustoeret, die sunde, tod
und helle vertilget werde, das wir ewig leben ynn voller gerechtickeit und
seligkeit.
[s. 201] [Gott wil eitel uberschwenglich gut geben.] Aus dem sihestu, das wir
hie nicht umb eine parteken odder zeitlich vergenglich gut bitten sondern umb
einen ewigen uberschwenglichen schatz und alles was Gott selbs vermag, das viel
zu gros ist, das ein menschlich hertz solchs thuerste ynn syn nemen zu begeren,
wo ers nicht selbs geboten hette zu bitten. Aber weil er Gott ist, wil er auch
die ehre haben, das er viel mehr und reichlicher gibt denn ymand begreiffen kan,
als ein ewiger, unvergenglicher quell, der yhe mehr er ausfleusset und ubergehet,
yhe mehr er von sich gibt, und nichts hoeher von uns begeret, denn das man viel
und grosse ding von yhm bitte, Und widderuemb zuernet, wenn man nicht getrost
bittet und foddert. Denn gleich als wenn der reicheste, mechtigste Keiser einen
armen bettler hiesse bitten, was er nur begeren moechte, und bereit were gros
Keiserlich geschenck zugeben, und der narr nicht mehr denn eine hoffesuppen
bettelte, wuerde er billich als ein schelm und boeswicht gehalten, als der aus
[Gottes unehre, so man nicht viel und grosses bittet.] Keiserlicher maiestet
befehl sein hon und spott triebe und nicht werd were fur seine augen zukomen.
Also reichet es auch Gotte zu grosser schmach und unehre, wenn wir, denen er
soviel unausprechliche gueter anbeutet und zusaget, solchs verachten odder nicht
trawen zu empfahen und kaum umb ein stueck brods unterwinden zubitten. Das ist
alles des schendlichen unglaubens schuld, der sich nicht soviel guts zu Gott
versihet, das er yhm den bauch erneere, schweige das er solche ewige gueter solt
ungezweivelt von Gott gewarten. Daruemb sollen wir uns dawidder stercken und dis
lassen das erste [Matth. 6, 33] sein zu bitten, so wird man freilich alles ander
auch reichlich haben, wie Christus lehret: ‘Trachtet am ersten nach dem reich
Gottes, so sol euch solchs alles zufallen’. Denn wie solt er uns an zeitlichen
mangeln und darben lassen, weil er das ewige und unvergengliche verheisset?
Die Ditte bitte.
Dein wille geschehe wie ym hymel also auch
auff erden.
Bisher haben wir gebeten, das sein name von uns geehret werde und sein reich
unter uns gehe, yn welchen zweyen gantz begriffen ist was Gottes ehre und unser
seligkeit belanget, das wir Gott sampt allen seinen guetern zu eigen kriegen.
Aber hie ist nu ia so grosse not, das wir solchs [Not zubitten, das Gottes ehre
und reich bey uns bleibe.] feste halten und uns nicht lassen davon reissen. Denn
wie ynn einem guten regiment nicht allein muessen sein die da bawen und wol
regieren, sondern auch die da wehren, schuetzen und feste drueber halten, Also
auch hie, wenn wir gleich fur die hoehiste not gebeten haben, umb das Euangelion,
glauben [s. 202] und heiligen geist, das er uns regire, aus des Teuffels gewalt
erloeset, so muessen wir auch bitten, das er sein willen geschehen lasse. Denn
es wird sich gar wuenderlich anlassen, wenn wir dabey bleiben sollen, das wir
viel anstoesse und bueffe darueber muessen leiden von dem allem, so sich
unterstehet die zwey vorigen stuecke zuhyndern und wehren.
Denn niemand gleubt, wie sich der Teuffel
dawider setzet und sperret, als der nicht leiden kan, das yemand recht lere
odder gleube, Und thuet yhm uber die masse wehe, das er mus seine luegen und
greuel, unter dem schoensten schein Goettlichs namens geehret, auffdecken lassen
und mit allen schanden stehen, dazu aus dem hertzen getrieben werden und ein
solchen ryss ynn sein reich lassen geschehen. Daruemb tobt und wuetet er als ein
zorniger feind mit aller seiner macht und krafft, henget an sich alles was unter
yhm ist, [Teuffel, welt und fleisch widder Gottes willen.] darzu nympt er zu
huelffe die welt und unser eigen fleisch. Denn unser fleisch ist an yhm selbs
faul und zum boesen geneigt, ob wir gleich Gottes wort angenomen haben und
gleuben. Die welt aber ist arg und boese. Da hetzet er an, bleset und schueret
zu, das er uns hyndere, zu rueck treibe, felle und widder unter sein gewalt
bringe. Das ist alle seine wille, syn und gedancken, darnach er tag und nacht
trachtet, und kein augenblick feiret, brauchet alle kuenste, tuecke, weise und
wege darzu, die er ymer erdencken kan.
Daruemb muessen wir uns gewislich des
versehen und erwegen, so wir Christen sein woellen, das wir den Teuffel sampt
allen seinen Engeln und der welt zu feinde haben, die uns alle unglueck und
hertzleyd anlegen. Denn wo Gottes wort gepredigt, angenomen odder gegleubt wird
und frucht schaffet, da sol das liebe heilige creutz auch nicht aussen bleiben.
Und dencke nur niemand, das er fride haben werde, sondern hynan setzen muesse
was er auff erden hat, gut, ehre, haus und hoff, weib und kind, leib und leben.
Das thut nu unserm fleisch und alten Adam wehe, denn es heisset fest halten und
mit gedult leiden, wie man uns angreifft, und faren lassen was man uns nympt.
Daruemb ist yhe so grosse not als ynn allen andern, das [s. 203] [Summa.] wir on
unterlas bitten: Lieber vater, dein wille geschehe, nicht des Teuffels und
unserer feinde wille noch alles des, so dein heiliges wort verfolgen und
dempffen wil odder dein reich hyndern, Und gib uns, das wir alles was drueber zu
leiden ist, mit gedult tragen und uberwinden, das unser armes fleisch aus
schwacheit odder tragheit nicht weiche noch abfalle.
Sihe also haben wir auffs einfeltigste ynn
diesen dreyen stuecken die not, so Gotte selbs betrifft, doch alles umb unsern
willen, denn es gilt allein [Gottes willen yn uns geschehen.] uns was wir
bitten, nemlich also, wie gesagt, das auch ynn uns geschehe, das sonst ausser
uns geschehen mus. Denn wie auch on unser bitten sein namen geheiligt werden und
sein reich komen mus, also mus auch sein wille geschehen und durch dringen, ob
gleich der Teuffel mit alle seinem anhang fast dawidder rhumoren, zuernen und
toben und sich unterstehen das Euangelion gantz auszutilgen. Aber umb unser
willen muessen wir bitten, das sein wille auch unter uns widder solch yhr toben
unverhyndert gehe, das sie nichts schaffen koennen und wir widder alle gewalt
und verfolgung feste dabey bleiben und solchen willen Gottes uns gefallen
lassen.
[Der Christen schutz widder yhre feinde.]
Solch gebete sol nu ytzt unser schutz und wehre sein, die zu rueck schlage und
nidderlege alles was der Teuffel, Bisschove, Tyrannen und ketzer widder unser
Euangelion vermuegen. Las sie allezumal zuernen und yhr hoehistes versuchen,
radschlagen und beschliessen, wie sie uns dempffen und ausrotten woellen, das
yhr wille und rad fortgehe und bestehe: Dawidder sol ein Christ odder zween mit
diesem einigen stuecke unser maur sein, daran sie anlauffen und zuscheittern
gehen. Den trost und trotz haben wir, das des Teuffels und aller unser feinde
willen und fuernemen sol und mus untergehen und zunicht werden, wie stoltz,
sicher und gewaltig sie sich wissen. Denn wo yhr wille nicht gebrochen und
gehindert wuerde, so kuend sein reich auff erden nicht bleiben noch sein name
geheiligt werden.
Die Vierde bitte.
Unser teglich brod gib uns heute.
Hie bedencken wir nu den armen brodkorb unsers leibs und zeitlichen lebens
notdurfft, Und ist ein kurtz einfeltig wort, greiffet aber auch [Was tegliche
brod heisse.] seer weit umb sich. Denn wenn du teglich brod nennest und bittest,
so bittestu alles, was dazu gehoeret das tegliche brod zuhaben und geniessen,
und dagegen [s. 204] auch widder alles, so das selbige hyndert. Daruemb muestu
dein gedancken wol auffthuen und ausbreiten, nicht allein ynn backoffen odder
mehlkasten sondern yns weite feld und gantze land, so das tegliche brod und
allerley narung tregt und uns bringet. Denn wo es Gott nicht wachssen liesse,
segnete und auff dem land erhielte, wuerden wir nymer kein brod aus dem
backoffen nemen noch auff den tisch zulegen haben.
Und das wirs kuertzlich fassen, so wil
diese bitte mit eingeschlossen haben alles was [Zeitlichs lebens notdurfft.] zu
diesem gantzen leben ynn der welt gehoeret, weil wir allein umb des willen das
tegliche brod haben muessen. Nu gehoeret nicht allein zum leben, das unser leib
sein futter und decke und andere notdurfft habe, sondern auch das wir unter den
leuten, mit welchem wir leben und umbgehen ynn teglichem handel und wandel und
allerley wesen, mit ruge und friede hynkomen, Summa alles was beide heusslich
und nachbarlich odder buergerlich wesen und regiment belanget. Denn wo diese
zwey gehyndert werden, das sie nicht gehen wie sie gehen sollen, da ist auch des
lebens notdurfft gehyndert, das endlich nicht [Weltlich regiment.] kan erhalten
werden. Und ist wol das aller noetigste, fur weltliche oeberkeit und regiment
zubitten, als durch welchs uns Gott allermeist unser teglich brod und alle
gemach dieses lebens erhelt. Denn ob wir gleich aller gueter von Gott die fuelle
haben uberkomen, so koennen wir doch des selben keins behalten noch sicher und
froelich brauchen, wo er uns nicht ein bestendig fridlich regiment gebe. Denn wo
unfried, hadder und krieg ist, da ist das teglich brod schoen genomen odder yhe
gewehret.
Daruemb moechte man billich ynn eines
iglichen fromen Fuersten schild ein Brod setzen fur ein lawen odder rawten
krantz odder auff die muentze fur das geprege schlagen, zu erynnern beide sie
und die unterthanen, das wir durch yhr ampt schutz und friede haben und on sie
das liebe brod nicht essen noch behalten koennen. Daruemb sie auch aller ehren
werd sind, das man yhn dazu gebe was wir sollen und koennen, als denen, durch
welche wir alles [s. 205] was wir haben, mit fride und ruge geniessen, da wir
sonst keinen heller behalten wuerden, dazu das man auch fur sie bitte, das Gott
deste mehr segen und guts durch sie uns gebe.
Also sey auffs kuertzte angezeigt und
entworffen, wie weit dis gebete gehet durch allerley wesen auff erden. Daraus
moecht nu ymand ein lang gebete machen und mit vielen worten alle solche stueck
so darein gehoeren verzelen, [Summa dieser bitte.] Als nemlich das wir bitten,
das uns Gott gebe essen und trincken, kleider, haus und hoff und gesunden leib,
dazu das getreide und fruechte auff dem feld wachsen und wol geraten lasse,
Darnach auch daheym wol haushalten helffe, frum weib, kinder und gesind gebe und
beware, unser arbeit, handwerck odder was wir zuthuen haben, gedeyen und
gelingen lasse, trewe nachbarn und gute freunde beschere &c., Jtem Keiser,
Koenig und alle stende und sonderlich unsern Landsfursten, allen Rethen,
oeberherrn und amptleuten weisheit, stercke und glueck gebe wol zuregieren und
wider Tuercken und alle feinde zusiegen, Den unterthanen und gemeinem hauffen
gehorsam, frid und eintracht unternander zu leben Und widderuemb, das er uns
behuete fur allerley schaden des leibs und narung, ungewitter, hagel, feur,
wasser, gifft, pestilentz, vihe sterben, krieg und blutvergiessen, tewer zeit,
schedliche thier, boesen leuten etc. Welchs alles gut ist den einfeltigen
einzubylden, das solchs und der gleichen von Gott mus gegeben und von uns
gebeten sein.
[Teuffel hindert das tegliche brod und
alle gaben Gottes.] Fuernemlich aber ist dis gebete auch gestellet widder unsern
hoehisten feind den Teuffel. Denn das ist alle sein syn und begere, solchs alles
was wir von Gott haben, zu nemen odder hyndern. Und lesset yhm nicht genuegen,
das er das geistliche regiment hyndere und zustoere, damit das er die seelen
durch seine luegen verfueret und unter sein gewalt bringet, Sondern weret und
hyndert auch, das kein Regiment noch erbarlich und friedlich wesen auff erden
bestehe; da richtet er soviel hadder, mord, auffrur und krieg an, Jtem
ungewitter, hagel, das getreide und viehe zuverderben, die lufft zuvergifften
etc. Summa, Es ist yhm leyd, das yemand ein bissen brods von Gott habe und mit
friden esse, Und wenn es ynn seiner macht stuende und unser gebete nehist Gott
nicht werete, wuerden wir freilich keinen halm auff dem felde, kein heller ym
hause, ia nicht eine stunde das leben behalten, Sonderlich die, so Gottes wort
haben und gerne wolten Christen sein.
Sihe, Also wil uns Gott anzeigen, wie er
sich alle unser not annympt und so treulich auch fur unser zeitliche narung
sorget; und wiewol er solchs [Gott sorget teglich auch fur unsern leib.]
reichlich gibt und erhelt auch den Gottlosen und buben, doch wil er, das wir
daruemb bitten, auff das wir erkennen, das wirs von seiner hand [s. 206]
empfahen, und darynne sein veterliche guete gegen uns spueren. Denn wo er die
hand abzeucht, so kan es doch nicht endlich gedeyen noch erhalten werden, wie
man wol teglich sihet und fuelet. Was ist ytzt fur ein plage yn der welt allein
mit der boesen muentze, ia mit teglicher beschwerung und auffsetzen ynn gemeynem
handel, kauff und arbeit deren, die nach yhrem mutwillen das liebe armut drucken
und yhr teglich brod entziehen? Welchs wir zwar muessen leiden, sie aber muegen
sich fursehen, das sie nicht das gemeyne gebet verlieren, und sich hueten, das
dis stuecklin ym Vater unser nicht widder sie gehe.
Die Funffte bitte.
Und verlasse uns unser schuld, als wir
verlassen
unsern schuldigern.
Dis stueck trifft nu unser armes und elends leben an, welchs ob wir gleich
[Niemand kan ynn der welt on sunde leben.] Gottes wort haben, gleuben, seinen
willen thuen und leiden und uns von Gottes gabe und segen nehren, gehet es doch
on sunde nicht abe, das wir noch teglich strauchlen und zu viel thuen, weil wir
ynn der welt leben unter den leuten, die uns viel zu leid thuen und ursach geben
zu ungedult, zorn, rache etc, darzu den Teuffel hynder uns haben, der uns auff
allen seiten zusetzet und ficht (wie gehoert) widder alle vorige stuecke, das
nicht mueglich ist ynn solchem stetten kampff allzeit fest stehen. Daruemb ist
hie abermal grosse not zu bitten und ruffen: Lieber vater, verlasse uns unsere
schuld. Nicht das er auch on und vor unserm bitten nicht die sunde vergebe (Denn
er hat uns das Euangelion, darynn eitel vergebunge ist, geschencket, ehe wir
druemb gebeten odder yhemals darnach gesunnen haben), Es ist aber daruemb zu
thuen, das wir solche vergebung erkennen und annemen. Denn weil das [s. 207]
fleisch, darynn wir teglich leben, der art ist, das Gott nicht trawet und gleubt
und sich ymerdar regt mit boesen luesten und tuecken, das wir teglich mit worten
und wercken, mit thuen und lassen sundigen, darvon das gewissen zu unfried kompt,
das sich fur Gottes zorn und ungnade furchtet und also den trost und zuversicht
aus dem Euangelio sincken lesset: So ist on unterlas von noeten, das man hieher
lauffe und trost hole, das gewissen widder auffzurichten.
Solchs aber sol nu darzu dienen, das uns
Gott den stoltz breche und [Niemand kan eigne froemkeit fur Gott bringen.] ynn
der demut halte. Denn er hat yhm fuerbehalten das vorteil1: ob yemand woelte
auff seine fromkeit bochen und andere verachten, das er sich selbs ansehe und
dis gebete fur augen stelle, so wird er finden, das er eben so from ist als die
andern, und muessen alle fur Gott die feddern nidderschlagen und fro werden, das
wir zu der vergebung komen, und dencke es nur niemand, so lange wir hie leben,
dahyn zubringen, das er solcher vergebung nicht duerffe. Summa: Wo er nicht on
unterlas vergibt, so sind wir verloren.
[Summa.] So ist nu die meinung dieser
bitte, das Gott nicht wolt unser sunde ansehen und fuerhalten was wir teglich
verdienen, sondern mit gnaden gegen uns handlen und vergeben, wie er verheissen
hat und also ein froelich und unverzagt gewissen geben fur yhm zu stehen und zu
bitten. Denn wo das hertz nicht mit Gott recht stehet und solche zuversicht
schepffen kan, so wird es nymmer mehr sich thueren unterstehen zu beten. Solche
zuversicht aber und froelichs hertz kan nirgend her komen, denn es wisse, das
yhm die sunde vergeben seien.
Es ist aber dabey ein noetiger und doch
troestlicher zusatz angehenget [Wir muessen auch vergeben, wie Gott uns
vergibt.] ‘Als wir vergeben unsern schueldigern’. Er hats verheissen, das
wir sollen sicher sein, das uns alles vergeben und geschenckt sey, doch so fern
das wir auch unserm nehisten vergeben. Denn wie wir gegen Gott teglich viel
verschulden und er doch aus gnaden alles vergibt, Also muessen auch wir unserm
nehisten ymerdar vergeben, so uns schaden, gewalt und unrecht thuet, boese
tuecke beweiset etc. Vergibstu nu nicht, so dencke auch nicht, das dir Gott
vergebe. Vergibstu aber, so hastu den trost und sicherheit, das dir ym hymel
[Dem nehisten vergeben machet uns sicher, das uns Gott vergebe.] vergeben wird,
Nicht umb deines vergebens willen (denn er thuet es frey umb sonst aus lauter
gnade, weil ers verheissen hat, wie das Euangelion leret), sondern das er uns
solchs zu sterck und sicherheit als zum [Luk. 6, 37] warzeichen setze neben der
verheissunge, die mit diesem gebete stymmet, Luce vj. ‘Vergebt, so wird euch
vergeben’. Daruemb sie auch Christus bald nach dem [s. 208] [Matth. 6, 15]
Vater unser widderholet und spricht Matth. vj. ‘Denn so yhr den menschen yhre
feyle vergebt, so wird euch ewer hymlischer vater auch vergeben’ etc.
Daruemb ist nu solchs zeichen bey diesem gebete mit angehefftet, das wenn wir
bitten, uns der verheissung erynnern und also dencken: Lieber vater, daruemb
kome und bitte ich, das du mir vergebest, nicht das ich mit wercken gnugthuen
odder verdienen koenne, sondern weil du es verheissen hast und das siegel dran
gehengt, das so gewis sein solle, als habe ich ein Absolutio, von dir selbs
gesprochen. Denn wieviel die Tauffe und Sacrament, eusserlich zum zeichen
gestellet, schaffen, soviel vermag auch dis zeichen, unser gewissen zu stercken
und froelich zu machen, und ist fur andern eben darumb gestellet, das wirs alle
stunden kuenden brauchen und uben, als das wir alle zeit bey uns haben.
Die Sechste bitte.
Und fure uns nicht ynn versuchunge.
Wir haben nu gnug gehoeret, was fur muehe und erbeit wil haben, das man das
alles so man bittet, erhalte und dabey bleibe, das dennoch nicht on gebrechen
und strauchlen abgehet. Darzu ob wir gleich vergebung und gut gewissen uberkomen
haben und gantz los gesprochen sind, so ists doch mit dem leben so gethan, das
einer heut stehet und morgen darvon fellet. Drumb muessen wir aber mal bitten,
ob wir nu from sind und mit gutem gewissen gegen Gott stehen, das er uns nicht
lasse zu rueck fallen und der anfechtung odder versuchunge weichen. Die
versuchung aber oder (wie es [Versuchung odder bekoerung dreyerley.] unsere
Sachssen von alters her nennen) bekoerunge ist dreierley3: des fleischs, der
welt und des Teuffels. Denn ym fleisch wonen [Unser fleisch.] wir und tragen den
alten Adam am Hals, der regt sich und reitzet uns teglich zur unzucht, faulheit,
fressen und sauffen, geitz und teuscherey, den nehisten zu betriegen und
ubersetzen, Und Summa, allerley boese lueste, so uns von natur ankleben und dazu
erregt werden durch ander leute geselschafft, Exempel hoeren und sehen, welche
[s. 209] offtmals auch ein unschueldigs hertz verwunden und entzuenden. Darnach
ist [Die welt.] die Welt, so uns mit worten und wercken beleydiget und treibet
zu zorn und ungedult, Summa da ist nichts denn hass und neid, feindschafft,
gewalt und unrecht, untrew, rechen, fluchen, schelten, affterreden, hoffart und
stoltz mit uberfluessigem schmuck, ehre, rhum und gewalt, da niemand wil der
geringste sein sondern oben an sitzen und fur yederman gesehen sein.
[Der Teuffel.] Dazu kompt nu der Teuffel,
hetzet und bleset auch allenthalben zu, aber sonderlich treibt er, was das
gewissen und geistliche sachen betrifft, nemlich das man beide Gottes wort und
werck ynn wind schlage und verachte, das er uns vom glauben, hoffnung und liebe
reisse und bringe zu missglauben, falscher vermessenheit und verstockung odder
widderuemb zur verzweivelung, Gottes verleugnen und lesterung und andern
unzelichen greulichen stuecken. Das sind nu die stricke und netze, ia die
rechten feurigen pfeile, die nicht fleisch und blut, sondern der Teuffel auffs
aller gifftigste yns hertze scheusset.
Das sind yhe grosse, schwere fahr und
anfechtung, so ein yglicher Christ tragen mus (wenn auch ygliche fur sich
alleine were), auff das wir yhe getrieben werden alle stunden zu ruffen und
bitten (weil wir yn dem schendlichen leben sein, da man uns auff allen seiten
zusetzt, iagt und treibt), das uns Got nicht lasse mat und muede werden und
widder zu rueck fallen ynn sunde, schand und unglauben. Denn sonst ists
unmueglich auch die aller geringsten anfechtung zu uberwinden.
[Nicht ein furen ynn versuchung.] Solchs heisset nu ‘nicht einfueren ynn
versuchunge’, wenn er uns krafft und stercke gibt zu widerstehen, doch die
anfechtung nicht weggenomen noch auffgehaben. Denn versuchung und reitzunge kan
niemand umbgehen, weil wir ym fleisch leben und den Teuffel umb uns haben, Und
wird nicht anders draus, wir muessen anfechtung leiden, ia daryn sticken. Aber
da bitten wir [Anfechtung fuelen und yn anfechtung fallen.] fur, das wir nicht
hynein fallen und daryn ersauffen. Daruemb ists viel ein ander ding, anfechtung
fuelen und darein verwilligen odder ia dazu sagen. Fuelen muessen wir sie alle,
wiewol nicht alle einerley, sondern etliche mehr und schwerer: als die iugent
furnemlich vom fleisch, darnach was erwachsen und alt wird, von der welt, die
andern aber so mit geistlichen sachen umbgehen, das ist die starcken Christen,
vom Teuffel. Aber solch fuelen, weil es wider unsern willen ist und wir sein
lieber los weren, kan niemand schaden. Denn wo mans nicht fuelete, kuende es
kein anfechtung heissen. Bewilligen aber ist, wenn man yhm den zawm lesset,
nicht dawidder stehet noch bittet.
Derhalben muessen wir Christen des geruestet sein und teglich gewarten,
[Anfechtung dienet widder des fleisch sicherheit.] das wir on unterlas
angefochten werden, auff das niemand so sicher und unachtsam hyngehe, als sey
der Teuffel weit von uns, sondern allenthalben [s. 210] der streiche gewarten
und yhm versetzen. Denn ob ich itzt keusch, gedueldig, freundlich byn und ynn
festem glauben stehe, sol der Teuffel noch diese stunde ein solchen pfeil yns
hertz treiben, das ich kawm bestehen bleibe. Denn er ist ein solcher feind, der
nymer ablesset noch muede wird, das wo eine anfechtung auffhoeret, gehen ymer
andere und newe auff. Daruemb ist kein rath noch trost, denn hieher gelauffen,
das man das Vater unser ergreiffe und von hertzen mit Gott rede: ‘Lieber
Vater, du hast mich heissen beten, las mich nicht durch die versuchung zu rueck
fallen’, So wirdstu sehen, das sie ablassen mus und sich endlich gewonnen
geben. Sonst wo du mit deinen [Anfechtung wird nicht mit eigner krafft
uberwunden.] gedancken und eigenem rat unterstehest dir zu helffen, wirdstus nur
erger machen und dem Teuffel mehr rawm geben. Denn er hat ein schlangen kopff,
welcher wo er ein luecken gewinnet, darein er schlieffen kan, so gehet der
gantze leib hynach unauffgehalten, aber das gebete kan yhm wehren und zu rueck
treiben.
Die letzte bitte.
Sondern erlöse uns von dem ubel. AMEN.
Ym Ebreischen lautet das stuecklin also: ‘Erloese odder behuete uns von dem
argen oder boshafftigen’, Und sihet eben als rede er vom Teuffel, Als wolt ers
alles auff einen hauffen fassen, das die gantze Summa alles gebets gehe widder
diesen unsern heubtfeind. Denn er ist der, so solchs alles was wir [Der Teuffel
hindert alles, was wir bitten.] bitten, unter uns hyndert: Gottes namen odder
ehre, Gottes reich und willen, das teglich brod, froelich gut gewissen etc.
Darumb schlagen wir solchs endlich zusamen und sagen: Lieber Vater hilff doch,
das wir des ungluecks alles los werden. Aber nichts deste weniger ist auch mit
ein geschlossen, was uns boeses widderfaren mag unter des Teuffels reich: armut,
schande, tod und kuertzlich aller unseliger iamer und hertzleid, so auff erden
unzelich viel ist. Denn der Teuffel, weil er [Joh. 8, 44] nicht allein ein
luegner sondern auch ein todschleger ist, on unterlas auch noch unserm [s. 211]
[Teuffel denckt uns yn allerley not zubringen.] leben trachtet und sein muetlin
kuelet, wo er uns zu unfal und schaden am leib bringen kan. Daher kompts, das er
manchem den hals bricht odder von synnen bringet, etliche ym wasser erseufft und
viel dahyn treibt, das sie sich selbs umbbringen, und zu viel anderen
schrecklichen fellen. Darumb haben wir auff erden nichts zu thuen denn on
unterlas widder diesen heubtfeind zu bitten. Denn wo uns Gott nicht erhielte,
weren wir keine stunde fur yhm sicher.
Daher sihestu, wie Gott fur alles, was uns auch leiblich anfichtet, wil gebeten
sein, das man nirgend keine huelffe denn bey yhm suche und gewarte. Solchs hat
er aber zum letzten gestellet. Denn sollen wir vom allem ubel behuetet und los
werden, mus zuvor sein name ynn uns geheiligt, sein reich bey uns sein und sein
wille geschehen. Darnach wil er uns endlich fur sunden und schanden behueten,
darneben von allem was uns wehe thuet und schedlich ist.
Also hat uns Gott auffs kürtzte furgelegt
alle not, die uns ymer anliegen mag, das wir yhe keine entschueldigung haben
zubeten. [Amen sprechen zum gebete.] Aber da ligt die macht an, das wir auch
lernen AMEN dazu sagen, das ist, nicht zweiveln das es gewislich erhoeret sey
und geschehen werde. Denn es ist nicht anders denn eins ungezweivelten glaubens
wort, der da nicht auff ebentheur betet sondern weis, das Gott nicht leuget,
weil ers verheissen hat zugeben. Wo nu solcher glaube nicht ist, da kan auch
kein recht gebete kein. Daruemb ists ein schedlicher wahn deren die also beten,
das sie nicht duerffen von hertzen Ja dazu sagen und gewislich schliessen das
Got erhoeret, sondern bleiben ynn dem zweivel und sagen: wie solt ich so kuene
sein und rhuemen, das mein Gott mein gebete erhoere? byn ich doch ein armer
sunder &c.. Das macht, das sie nicht auff Gottes verheissung sondern auff
yhre werck und eigene wirdickeit sehen, damit sie Gott verachten und
luegenstraffen. Derhalben [Jak. 1, 6. 7] sie auch nichts empfahen, wie Sanct
Jacobus sagt: ‘Wer da betet, der bete ym glauben und zweivel nicht. Denn wer
da zweivelt, ist gleich wie ein woge des Meers, so vom winde getrieben und
gewebd wird; solcher mensch denke nur nicht, das er etwas von Gott empfahen
werde’. Sihe soviel ist Gott daran gelegen, das wir gewis sollen sein, das wir
nicht umbsonst bitten, und ynn keinem wege unser gebete verachten. [s. 212]
Das Vierde teil. Von der Tauffe.
Wir haben nu ausgerichtet die drey
heubtstueck der gemeinen Christlichen lere. Uber die selbige ist noch zu sagen
von unsern zweien Sacramenten von Christo eingesetzt, davon auch ein yglicher
Christ zum wenigsten ein gemeinen kurtzen unterricht haben sol, weil on die
selbigen kein Christen sein kan, wiewol man leider bisher nichts darvon geleret
hat. Zum ersten aber nemen wir fur uns die Tauffe, dadurch wir erstlich ynn die
Christenheit genomen werden. Das mans aber wol fassen koenne, woellen wirs
ordenlich handlen und allein darbey bleiben, was uns noetig ist zu wissen; denn
wie mans erhalten und verfechten musse widder die ketzer und Rotten, woellen wir
den gelerten befehlen.
[Einsetzung der Tauffe.] Auffs erste mus
man fur allen dingen die wort wol wissen, darauff die Tauffe gegruendet ist und
dahyn alles gehet, was darvon zusagen ist, [Matth. 28, 19] Nemlich da der Herr
Christus spricht Math. am letzten:
Gehet hyn ynn alle welt, leret alle Heiden
und teuffet sie
ym namen des Vaters und des Sons und des Heiligen
geists.
[ Mark. 16, 16 ] Jtem Marci auch am
letzten Cap.:
Wer da gleubet und getaufft wird, der wird selig,
wer aber nicht gleubt, der wird verdampt.
Yn diesen worten soltu zum ersten mercken,
das hie stehet Gottes gebot und einsetzung, des man nicht zweivele, die Tauffe
sey ein Goetlich [Tauffe ein Goetlich ding.] ding, nicht von menschen erdacht
noch erfunden. Denn so wol als ich sagen kan, die zehen gebot, Glauben und Vater
unser hat kein mensch aus seinem kopff gespunnen, sondern sind von Gott selbs
offenbaret und gegeben: So kan ich auch rhuemen, das die Tauffe kein menschen
tand sey sondern von Gott selbs eingesetzt, darzu ernstlich und streng geboten,
das wir uns muessen teuffen lassen odder sollen nicht selig werden, Das man
nicht dencke, es sey so leichtfertig ding als ein newen roten rock anziehen.
Denn da ligt die hoehiste macht an, das man die Tauffe trefflich, herrlich und
hoch halte, denn darueber streiten und fechten wir allermeist, weil die welt
itzt so vol rotten [s. 213] ist, die da schreien, die Tauff sey ein eusserlich
ding, eusserlich ding aber sey kein nuetz. Aber las eusserlich ding sein als es
ymmer kan, da stehet aber Gottes wort und gebot, so die Tauffe einsetzet,
gruendet und bestetigt. Was aber Gott einsetzet und gebeut, mus nicht vergeblich
sondern eitel koestlich ding sein, wenn es auch dem ansehen nach geringer denn
ein strohalm were. Hat man bisher kuenden gros achten, wenn der Bapst mit
brieven und Bullen Ablas austeilete, altar odder kirchen bestetigte alleine umb
der brieve und siegel willen, so sollen wir die Tauffe viel hoeher und
koestlicher halten, weil es Gott befohlen hat, dazu ynn seinem namen geschicht.
Denn also lauten die wort: Gehet hyn, teuffet, aber nicht ynn ewerm sondern ynn
Gottes namen.
[Tauffe yn Gottes namen.] Denn ynn Gottes
namen getaufft werden ist nicht von menschen sondern von Gott selbs getaufft
werden; darumb ob es gleich durch des menschen hand geschicht, so ist es doch
warhafftig Gottes eigen werck, Daraus ein yglicher selbs wol schliessen kan, das
es viel hoeher ist denn kein werck von einem menschen oder heiligen gethan. Denn
was kan man fur werck groesser machen denn Gottes werck? Aber hie hat der
Teuffel zu schaffen, das er [Falscher schein menschlicher werck.] uns mit
falschem schein blende und von Gottes werck auff unser werck fuere. Denn das hat
viel ein koestlichern schein, das ein Cartheuser viel schwere, grosse werck
thuet, und halten alle mehr darvon, das wir selbs thuen und verdienen. Aber die
schrifft leret also: Wenn man gleich aller Muenche werck auff einen hauffen
schluge, wie koestlich sie gleissen muegen, so weren sie doch nicht so edel und
gut, als wenn Got ein strohalm auff huebe. Warumb? Darumb das die person edler
und besser ist; nu mus man hie nicht die person nach den wercken sondern die
werck nach der person achten, von welcher sie yhren adel nemen muessen. Aber hie
fellet die tolle vernunfft zu, und weil es nicht gleisset wie die werck so wir
thuen, so sol es nichts gelten.
Aus diesem lerne nu ein richtigen verstand
fassen und antworten [Was die Tauffe sey.] auff die frage, was die Tauffe sey,
Nemlich also: Das sie nicht ein blos schlecht wasser ist sondern ein wasser ynn
Gottes wort und gepot gefasset und dadurch geheiligt, Das nicht anders ist denn
ein Gottes wasser; nicht das das wasser an yhm selbs edler sey denn ander wasser
sondern das Gottes wort und gepot dazu koempt. Daruemb ists ein lauter buben
stueck und des [Rottengeister reissen Gottes wort von der tauffe.] Teuffels
gespotte, das itzt unsere newe geister, die Tauffe zulestern, Gottes wort und
ordnung davon lassen und nicht anders ansehen denn das wasser, das man aus dem
brunnen schepffet, und darnach daher geiffern: Was solt [s. 214] ein handvol
wassers der seelen helffen? Ja lieber, wer weis das nicht, wenn es von ander
trennens sol gelten, das wasser wasser ist? Wie tharstu aber so ynn Gottes
ordnung greiffen und das beste kleinod davon reissen, damit es Got verbunden und
eingefasset hat und nicht wil getrennet haben? Denn das ist der kern ynn wasser:
Gottes wort oder gepot und Gottes namen, welcher schatz groesser und edler ist
denn hymel und erde.
Also fasse nu die unterscheid, das viel
ein ander ding ist Tauffe denn alle ander wasser, nicht des natuerlichen wesens
halben, sondern das hie etwas edlers dazu koempt, Denn Gott selbs sein ehre
hynan setzet, sein krafft und macht daran legt. Daruemb ist es nicht allein ein
natuerlich wasser sondern [Tauffe ein himlisch wasser.] ein Goetlich, hymlisch,
heilig und selig wasser, und wie mans mehr loben kan, alles umb des worts
willen, welches ist ein hymlisch, heilig wort, das niemand gnug preissen kan,
denn es hat und vermag alles was Gottes ist. Daher hat es auch sein wesen, das
es ein Sacrament heisset, wie auch S. Augustinus geleret hat: Accedat verbum ad
elementum et fit sacramentum, Das ist, wenn das wort zum element odder
natuerlichem wesen koempt, so wird ein Sacrament daraus, das ist ein Heilig
Goettlich ding und zeichen.
[Eusserlich ding nach Gottes wort
anzusehen.] Daruemb leren wir allezeit, man solle die Sacrament und alle
eusserlich ding, so Gott ordnet und einsetzet, nicht ansehen nach der groben,
eusserlichen larven, wie man die schalen von der nuss sihet, sondern wie Gottes
wort darein geschlossen ist. Denn also reden wir auch von Vater und mutter stand
und weltlicher oeberkeit, wenn man die wil ansehen: wie sie nasen, augen, haut
und har, fleisch und bein haben, so sehen sie Tuercken und Heiden gleich und
moecht auch ymand zufaren und sprechen: Waruemb solt ich mehr von diesem halten
denn von andern? Weil aber das gepot dazu koempt: Du solt vater und mutter
ehren, so sehe ich ein andern man, geschmueckt und angezogen mit der maiestet
und herlickeit Gottes. Das gepot (sage ich) ist die guelden ketten, so er am
hals tregt, ia die krone auff seinem heubt, die mir anzeigt, wie und waruemb man
dis fleisch und blut ehren sol. Also und viel mehr soltu die Tauffe ehren und
herlich halten umb des worts willen, als die er selbs beide mit worten und
wercken geehret hat, dazu mit wunder von hymel bestetigt. Denn meinestu, das ein
schertz war, da sich Christus [Matth. 3, 16] Teuffen lies, der hymel sich
auffthete, der Heilige geist sichtiglich erab fur, und war eitel Goettliche
herlickeit und maiestet? Derhalben vermane ich abermal, das man bey leib die
zwey, wort und wasser, nicht voneinander scheiden und trennen lasse. Denn wo man
das wort davon sondert, so ists nicht ander wasser denn damit die magd kochet,
und mag wol ein bader Tauffe heissen, aber wenn es dabey ist wie es Gott
geordnet hat, so ists ein Sacrament [s. 215] und heisset Christus Tauffe. Das
sey das erste stueck von dem wesen und wirde des heiligen Sacraments.
Auffs ander, Weil wir nu wissen, was die
Taufe ist und wie sie zuhalten sey, muessen wir auch lernen, waruemb und wozu
fie eingesetzt sey, [Nutz und krafft der Tauffe.] das ist was sie nuetze, gebe
und schaffe. Solchs kan man auch nicht besser denn aus den worten Christi, oben
angezogen, fassen, Nemlich “Wer da gleubt und getaufft wird, der wird selig”.
Daruemb fasse es auffs aller einfeltigst also, das dis der Tauffe krafft, werck,
nutz, frucht und ende ist, das sie selig mache. Denn man teuffet niemand daruemb,
das er ein fuerst werde [Selig werden.] sondern wie die wort lauten, das er ‘selig
werde’. Selig werden aber weis man wol das nichts anders heisset, denn von
sunden, tod, Teuffel erloeset ynn Christus reich komen und mit yhm ewig leben.
Da sihestu abermal, wie tewer und werd die Tauffe zuhalten sey, weil wir solchen
unaussprechlichen schatz darynne erlangen. Welches auch wol anzeigt, das nicht
kan ein schlecht, lauter wasser sein. Denn lauter wasser kuende solchs nicht
thuen, aber das wort thuets, und das (wie oben gesagt) Gottes namen darynne ist.
Wo aber [Gottes namen ynn der Tauffe.] Gottes name ist, da mus auch leben und
seligkeit sein, das es wol ein Goettlich, selig, fruchtbarlich und gnadenreich
wasser heisset. Denn durchs wort kriegt sie die krafft, das sie ein bad der
widdergeburt ist, wie sie Paulus [Tit. 3, 5] nennet an Titum am 3.
Das aber unsere klueglinge, die newen geister, furgeben, der glaube mache allein
selig, die werck aber und eusserlich ding thuen nichts dazu: Antworten wir, das
freilich nichts ynn uns thuet denn der glaube, wie wir noch weiter hoeren
werden. Das woellen aber die blinden leiter nicht sehen, das der glaube etwas
haben mus das er glaube, das ist daran er sich halte und darauff [Der glaube ist
gehefftet an die tauffe.] stehe und fusse. Also hanget nu der glaube am wasser
und gleubt, das die Tauffe sey, daryn eitel seligkeit und leben ist, nicht
durchs wasser (wie gnug gesagt) sondern dadurch, das mit Gottes wort und ordnung
verleibet ist und sein name daryn klebet. Wenn ich nu solches gleube, was gleube
ich anders denn an Gott als an den, der sein wort darein geben und gepflantzt
hat und uns dis eusserlich ding furschlegt, daryn wir solchen schatz ergreiffen
kuenden?
Nu sind sie so toll, das sie von ander
scheiden den glauben und das ding, daran der glaube hafftet und gebunden ist, ob
es gleich eusserlich ist. [Glaube mus etwas eusserlichs fur sich haben.] Ja es
sol und mus eusserlich sein, das mans mit synnen fassen und begreiffen und
dadurch yns hertz bringen koenne, wie denn das gantze Euangelion ein eusserliche
muendliche predigt ist. Summa was Gott ynn uns thuet und wircket, wil er durch
solch eusserliche ordnung wircken. Wo er nu redet, ia wohyn odder wodurch er
redet, da sol der glaube hynsehen und sich daran [s. 216] halten. Nu haben wir
hie die wort: Wer da gleubt und getaufft wird, der wird selig. Worauff sind sie
geredt anders denn auff die Tauffe, das ist das wasser yn Gottes ordnung
gefasset? Daruemb folget, das wer die Tauffe verwirfft, der verwirfft Gottes
wort, den glauben und Christum, der uns dahyn weiset und an die Tauffe bindet.
Auffs dritte weil wir den grossen nutz und
krafft der Tauffe haben, [Person den die tauffe nutzet.] so las nu weiter sehen,
wer die person sey, die solchs empfahe was die Tauffe gibt und nuetzet. Das ist
abermal auffs feinest und klerlichst ausgedrueckt eben ynn den worten ‘Wer da
gleubt und getaufft wird, der wird selig’, [Glaube machet die person wirdig.]
Das ist, der glaube macht die person allein wirdig, das heylsame Goettliche
wasser nuetzlich zu empfahen. Denn weil solchs alhie ynn den worten bey und mit
dem wasser furgetragen und verheissen wird, kan es nicht anders empfangen
werden, denn das wir solchs von hertzen gleuben. On glauben ist es nichts nuetz,
ob es gleich an yhm selbs ein Goettlicher uberschwenglicher schatz ist. Daruemb
vermag das einige wort ‘Wer da gleubet’ soviel, das es ausschleusset und
zurueck treibt alle werck, die wir thuen koennen der meinung, als dadurch
seligkeit zu erlangen und verdienen. Denn es ist beschlossen: was nicht glaube
ist, das thuet nichts dazu, empfehet auch nichts.
Sprechen sie aber, wie sie pflegen: Jst doch die Tauffe auch selbs ein werck, so
sagstu, die werck gelten nichts zur seligkeit, wo bleibt denn der glaube?
Antwort: Ja unsere werck thuen freilich nichts zur seligkeit, die [Tauffe ist
nicht unser sondern Gottes werck.] Tauffe aber ist nicht unser sondern Gottes
werck (Denn du wirst, wie gesagt, Christus Tauffe gar weit muessen scheiden von
der bader Tauffe), Gottes werck aber sind heilsam und not zur seligkeit und
schliessen nicht aus sondern fodern den glauben, denn on glauben kuende man sie
nicht fassen. Denn damit das du lessest uber dich giessen, hastu sie nicht
empfangen noch gehalten, das sie dir etwas nuetze. Aber davon wird sie dir
nutze, wenn du dich der meinung lesst teuffen als aus Gottes befehl und ordnung,
darzu yn Gottes namen, auff das du ynn dem wasser die verheissene seligkeit
empfahest. Nu kan solchs die faust noch der leib nicht thuen, sondern das hertz
mus es [Gottes werck empfehet der glaube.] gleuben. Also sihestu klar, das da
kein werck ist von uns gethan sondern ein schatz, den er uns gibt und der glaube
ergreiffet, So wol als der HERR Christus am creutz nicht ein werck ist sondern
ein schatz ym wort gefasset und uns furgetragen und durch den glauben empfangen.
Daruemb thuen sie uns gewalt, das sie wider uns schreyen, als predigen wir
widder den glauben, So wir doch alleine darauff treiben, als der so noetig dazu
ist, das on yhn nicht empfangen noch genossen mag werden.
[s. 217]
Also haben wir die drey stueck, so man von
diesem Sacrament wissen mus, sonderlich das Gottes or dnung ist, ynn allen ehren
zuhalten. Welchs allein gnung were, ob es gleich gantz ein eusserlich ding ist.
Wie das gepot ‘Du solt vater und mutter ehren’ allein auff ein leiblich
fleisch und blut gestellet, da man nicht das fleisch und blut sondern Gottes
gepot ansihet, daryn es gefasset ist und umb welchs willen das fleisch vater und
mutter heisset. Also auch wenn wir gleich nicht mehr hetten denn diese wort ‘Gehet
hyn und Teuffet &c.’, muesten wirs dennoch als Gottes ordnung annemen und
thuen. Nu ist nicht allein das gepot und befehl da sondern auch die verheissung.
Daruemb ist es noch viel herlicher, denn was Gott sonst gepoten und geordnet
hat, Summa so voll trosts und gnade, das hymel und erden nicht kan begreiffen.
Aber da gehoeret kunst zu, das man solchs gleube, denn es manglet nicht am
schatz, aber da manglets an, das man yhn fasse und feste halte.
Daruemb hat ein yglicher Christen sein lebenlang gnug zulernen und [Ubung der
tauffe sol ymmer bleiben.] zu uben an der Tauffe, denn er hat ymmerdar
zuschaffen, das er festiglich gleube was sie zusagt und bringet: uberwindung des
Teuffels und tods, vergebung der sunde, Gottes gnade, den gantzen Christum und
Heiligen geist mit seinen gaben. Summa es ist so uberschwenglich, das wens die
bloede natur bedencket, solt sie zweiveln ob es kuende war sein. Denn rechne du,
wenn yrgend ein artzt were, der die kunst kuende, das die leute nicht stuerben
odder, ob sie gleich stuerben, darnach ewig lebten, wie wuerde die welt mit gelt
zuschneyen und regenen, das fur den reichen niemand kuende zukomen? Nu wird hie
yn der Tauffe yderman umb sonst fur die thuer gebracht ein solcher schatz und
ertzney, die den tod verschlinget und alle menschen beym leben erhelt. Also mus
man die Tauffe ansehen und uns nuetze machen, das wir uns des stercken und
troesten, wenn uns unser sund oder gewissen beschweret, und sagen: Jch bin
dennoch getaufft, bin ich aber getaufft, so ist mir zugesagt, [Ewig leben an
leib und seele durch die Tauffe.] ich solle selig sein und das ewige leben haben
beide an seel und leib. Denn daruemb geschicht solchs beides ynn der Tauffe, das
der leib begossen wird welcher nicht mehr fassen kan denn das wasser, und dazu
das wort gesprochen wird das die seele auch koenne fassen. Weil nu beide, wasser
und wort, eine Tauffe ist, so mus auch beide leib und seele selig werden und
ewig leben, Die seele durchs wort daran sie gleubt, der leib aber weil er mit
der seele vereinigt ist und die Tauffe auch ergreiffet, wie ers ergreiffen kan.
Daruemb haben wir an unser leib und seele kein groesser kleinod. Denn dadurch
werden wir gar heilig und selig, welchs sonst kein leben, kein werck auff erden
erlangen kan.
[s. 218] Das sey nu genug gesagt von dem
wesen, nutz und brauch der Tauffe, soviel hieher dienet. Hiebei felt nu ein
frage ein, damit der Teuffel durch [Von der kindertauffe.] seine Rotten die welt
verwirret, von der Kinder tauffe, ob sie auch gleuben odder recht getaufft
werden. Dazu sagen wir kuertzlich: wer einfeltig ist, der schlage die frage von
sich und weise sie zu den gelerten. Wiltu aber antworten, so antworte also: Das
die Kinder tauffe Christo gefalle, beweiset sich gnug [Gott bestetigt die Kinder
tauffe durch sein eigen werck.] sam aus seinem eigenen werck, nemlich das Gott
deren viel heilig machet und den Heiligen geist gegeben hat die also getaufft
sind, Und heutigs tages noch viel sind, an den man spueret, das sie den Heiligen
geist haben beide der leere und lebens halben, als uns von Gottes gnaden auch
gegeben ist, das wir ia koennen die schrifft auslegen und Christum erkennen,
welches on den Heiligen geist nicht geschehen kan. Wo aber Got die Kinder tauffe
nicht anneme, wuerde er deren keinem den Heiligen geist noch ein stueck davon
geben, Summa es mueste so lange zeit her bis auff diesen tag kein mensch auff
erden Christen sein. Weil nu Gott die Tauffe bestetigt durch eingeben seines
Heiligen geists, als man ynn etlichen Vetern als Sanct Bernard, Gerson, Johan
Hus und andern wol spueret, und die Heilige Christliche kyrche nicht untergehet
bis ans ende der welt, so muessen sie bekennen, das sie Gotte gefellig sey. Denn
er kan yhe nicht widder sich selbs sein odder der luegen und bueberey helffen
noch sein gnade und geist dazu geben. Dis ist fast die beste und sterckste
beweisung fur die einfeltigen und ungelerten. Denn man wird uns diesen Artikel
‘Jch gleube eine heilige Christliche kyrche, die gemeine der heiligen’
&c. nicht nemen noch umbstossen.
Darnach sagen wir weiter, das uns nicht die groesste macht daran ligt, [Tauffe
ist recht, ob gleich yemand nicht gleubte.] ob, der da getaufft wird, gleube
odder nicht gleube, denn daruemb wird die Tauffe nicht unrecht, Sondern an
Gottes wort und gepot ligt es alles. Das ist nu wol ein wenig scharff, stehet
aber gar darauff, das ich gesagt habe, das die Tauffe nichts anders ist denn
wasser und Gottes wort bey und mit einander, das ist: wenn das wort bey dem
wasser ist, so ist die Tauffe recht, ob schon der glaube nicht dazu koempt, Denn
mein glaube machet nicht die Tauffe sondern empfehet die Tauffe. Nu wird die
Tauffe davon nicht unrecht, ob sie gleich nicht recht empfangen oder gebraucht
wird, als die (wie gesagt) nicht an unsern glauben sondern an das wort gebunden
ist. Denn wenngleich diesen tag ein Juede mit schalkeit und boesem fursatz erzu
keme und wir yhn mit gantzem ernst teufften, sollen wir nichts deste weniger
sagen, das die Tauffe recht were. Denn da ist das wasser sampt Gottes wort, ob
er sie [s. 219] gleich nicht empfehet wie er sol; Gleich als die unwirdig zum
Sacrament gehen, das rechte Sacrament empfahen, ob sie gleich nicht gleuben.
Also sihestu, das der Rottengeister
einrede nichts taug. Denn wie gesagt, wenn gleich die kinder nicht gleubten,
welchs doch nicht ist (als itzt beweiset,) so were doch die Tauffe recht und sol
sie niemand widder teuffen; Gleich als dem Sacrament nichts abgebrochen wird, ob
yemand mit boesem fursatz hynzu gienge, Und nicht zu leiden were, das er umb des
misbrauchs willen auff die selbige stunde abermal neme, als hette er zuvor nicht
warhafftig das Sacrament empfangen. Denn das hiesse das Sacrament auffs hoehest
gelestert und geschendet. Wie kemen wir dazu, das Gottes wort und ordnung
daruemb solt unrecht sein und nichts gelten, das wirs unrecht brauchen? Daruemb
sage ich: hastu nicht gegleubt, so gleube noch und sprich also: Die Tauffe ist
wol recht gewesen, ich hab sie aber leider nicht recht empfangen. Denn auch ich
selbs und alle so sich tauffen lassen, muessen fur Gott also sprechen: Jch kome
her ynn meinem glauben und auch der andern, noch kan [Niemand sol auff seinen
glauben bawen.] ich nicht drauff bawen, das ich gleube und viel leute fur mich
bitten, sondern darauff bawe ich, das es dein wort und befehl ist, gleich wie
ich zum Sacrament gehe nicht auff meinen glauben sondern auff Christus wort. Jch
sey starck odder schwach, das lasse ich Gott walten; das weis ich aber, das er
mich heisset hyngehen, essen und trinken &c. und mir seinen leib und blut
schenckt, das wird mir nicht liegen noch triegen. Also thuen wir nu auch mit der
Kindertauffe: das kind tragen wir erzu der meinung und hoffnung das es gleube,
und bitten das yhm Gott den glauben gebe, aber darauff teuffen wirs nicht
sondern allein darauff, das Gott befohlen hat. Waruemb das? Daruemb das wir
wissen das Gott nicht leugt, Jch und mein nehister und Summa alle menschen
muegen feylen und triegen, aber Gottes wort kan nicht feylen.
[Unglaube schwecht Gottes wort nicht.]
Daruemb sind es yhe vermessene toelpische geister, die also folgern und
schliessen: wo der glaube nicht ist, das muesse auch die Tauffe nicht recht
sein. Gerade als ich wolt schliessen: Wenn ich nicht gleube, so ist Christus
nichts, odder also: wenn ich nicht gehorsam byn, so ist vater, mutter und
oeberkeit nichts. Jst das wol geschlossen, wo yemand nicht thuet was er thuen
sol, das daruemb das ding an yhm selbs nichts sein noch gelten sol? Lieber kere
es umb und schleus viel mehr also: Eben daruemb ist die Tauffe etwas und recht,
das mans unrecht empfangen hat. Denn wo sie an yhr selbs nicht recht were, kuend
man nicht misbrauchen noch daran sundigen. Es heisset also: Abusus non tollit
sed confirmat substantiam, Misbrauch nympt nicht hynweg das wesen sondern
bestetigts. Denn golt bleibt nichts weniger golt, ob es gleich eine buebyn mit
sunden und schanden tregt.
[s. 220] Daruemb sey beschlossen, das die
Tauffe allezeit recht und ynn vollem wesen bleibt, wenn gleich nur ein mensch
getaufft wuerde und dazu nicht rechtschaffen gleubte. Denn Gottes ordnung und
wort lesset sich nicht von menschen [Schwermer geister.] wandelbar machen noch
endern. Sie aber, die schwermergeister, sind so verblend, das sie Gottes wort
und gepot nicht sehen und die Tauffe und oeberkeit nicht weiter ansehen denn als
wasser ym bach und topffen odder als ein andern menschen, und weil sie keinen
glauben noch gehorsam sehen, sol es an yhm selbs auch nichts gelten. Da ist ein
heymlicher auffruerischer Teuffel, der gerne die krone von der oberkeit reissen
wolt, das man sie darnach mit fussen trette, darzu alle Gottes werck und
ordnunge uns verkeren und zu nicht machen. Darumb muessen wir wacker und geruest
sein und uns von dem wort nicht lassen weisen noch wenden, das wir die Tauffe
nicht lassen ein blos ledig zeichen sein, wie die schwermer trewmen.
[Deutung der Tauffe.] Auffs letzte ist
auch zuwissen, was die Tauffe bedeutet und waruemb Gott eben solch eusserlich
zeichen und geberde ordnet zu dem Sacrament, dadurch wir erstlich ynn die
Christenheit genomen werden. Das werck aber odder geberde ist das, das man uns
yns wasser sencket, das uber uns her gehet, und darnach widder eraus zeucht.
Diese zwey stueck, unter das wasser sincken und widder eraus komen, deutet die
krafft und werck der Tauffe, [Toedtung des alten Adams.] welchs nichts anders
ist denn die toedtung des alten Adams, darnach die aufferstehung [Röm. 6, 4]
des newen menschens, welche beyde unser leben lang ynn uns gehen sollen, also
das ein Christlich leben nichts anders ist denn eine tegliche Tauffe, ein mal
angefangen und ymmer daryn gegangen. Denn es mus on unterlas also gethan sein,
das man ymmer ausfege was des alten Adams ist, und erfuer kome was zum newen
gehoeret. Was ist denn der alte mensch? Das [Alte mensch.] ist er, so uns
angeboren ist von Adam, zornig, hessig, neidisch, unkeusch, geitzig, faul,
hoffertig, ia ungleubig, mit allen lastern besetzt und von art kein guts an yhm
hat. Wenn wir nu ynn Christus reich komen, sol solchs teglich abnemen, das wir
yhe lenger yhe milder, gedueldiger, sanfftmuetiger werden, dem geitz, hass,
neid, hoffart yhe mehr abrechen.
[Teglicher brauch und ubung der Tauffe.]
Das ist der rechte brauch der Tauffe unter den Christen, durch das wasser
teuffen bedeutet. Wo nu solchs nicht gehet sondern dem alten menschen der zaum
gelassen wird, das er nur stercker wird, das heisset nicht der Tauffe gebraucht
sondern widder die Tauffe gestrebt. Denn die ausser Christo sind, koennen nicht
anders thuen denn teglich erger werden, wie auch das sprichwort lautet und die
warheit ist: ymmer yhe erger, yhe lenger yhe boeser. Jst einer furm iar stoltz
und geitzig gewesen, so ist er heuer viel geitziger und stoltzer, Also das die
untugent von iugent auff mit yhm wechset [s. 221] und fortferet. Ein iunges kind
hat kein sonderliche untugent an sich; wo er aber erwechst, so wird er
unzuechtig und unkeusch; kompt er zu seinem vollen mansalter, so gehen die
rechten laster an, yhe lenger yhe mehr. Daruemb gehet der alte mensch ynn seiner
natur unauffgehalten, wo man nicht durch der Tauffe krafft wehret und dempffet.
Widderuemb wo Christen sind worden, nympt er teglich abe, so lang bis er gar
untergehet. Das heisset recht ynn die Tauffe gekrochen und teglich widder erfuer
komen. Also ist das eusserliche zeichen gestellet, nicht allein das es solle
krefftiglich wircken sondern auch etwas deuten. Wo nu der glaube gehet mit
seinen fruechten, das ists nicht ein lose deutung sondern das werck dabey. Wo
aber der glaube nicht ist, da bleibt es ein blos unfruchtbar zeichen.
Und hie sihestu, das die Tauffe beyde mit
yhrer krafft und deutunge [Busse ist das rechte werck der Tauffe.] begreifft
auch das dritte Sacrament, welchs man genennet hat die Busse, als die eigentlich
nicht anders ist denn die Tauffe. Denn was heisset busse anders denn den alten
menschen mit ernst angreiffen und yn ein newes leben tretten? Daruemb wenn du
ynn der busse lebst, so gehestu ynn der Tauffe, welche solch newes leben nicht
allein deutet sondern auch wirckt, anhebt und treibt; denn daryn wird geben
gnade, geist und krafft den alten menschen zu unterdruecken, das der newe
erfurkome und starck werde. Daruemb [Busse ein widdergang zur Tauffe.] bleibt
die Tauffe ymerdar stehen, und ob gleich yemand davon fellet und sundigt, haben
wir doch ymmer ein zugang dazu, das man den alten menschen widder untersich
werffe. Aber mit wasser darff man uns nicht mehr begiessen. Denn ob man sich
gleich hundertmal liesse yns wasser sencken, so ists doch nicht mehr denn eine
Tauffe, Das werck aber und deutung gehet und bleibt. Also ist die busse nicht
anders denn ein widdergang und zutretten zur Tauffe, das man das widder holet
und treibt, so man zuvor angefangen und doch davon gelassen hat.
Das sage ich daruemb, das man nicht ynn
die meinung kome, daryn wir lange zeit gewesen sind und gewehnet haben, die
Tauffe were nu hyn, das man yhr nicht mehr brauchen kuende, nach dem wir widder
yn sunde gefallen sind; das macht, das mans nicht weiter ansihet denn nach dem
werck, so einmal geschehen ist. Und ist zwar daher komen, das Sanct Hieronymus
geschrieben hat, Die busse sey die andere taffel, damit wir muessen ausschwymen
und uberkomen, nach dem das schiff gebrochen ist, darein wir tretten und
uberfaren, wenn wir ynn die Christenheit komen. Damit ist nu der brauch [s. 222]
der Tauffe weggenomen, das sie uns nicht mehr nuetzen kan. Daruemb ists nicht
recht geredt, denn das schiff zubricht nicht, weil es (wie gesagt) Gottes
ordnung und nicht unser ding ist. Aber das geschicht wol, das wir gleiten und
eraus fallen, fellet aber ymand eraus, der sehe das er widder hynzu schwymme und
sich dran halte, bis er widder hynein kome Und daryn gehe, wie vorhyn
angefangen.
Also sihet man, wie ein hoch trefflich
ding es ist umb die Tauffe, so uns den Teuffel aus dem hals reisset, Gott zu
eigen macht, die sund dempfft und weg nympt, darnach teglich den newen menschen
stercket Und ymmer gehet [Tauffe ein teglich kleid der Christen.] und bleibt,
bis wir aus diesem elend zur ewigen herlickeit komen. Daruemb sol ein yglicher
die Tauffe halten als sein teglich kleid, daryn er ymmerdar gehen sol, das er
sich alle zeit ynn dem glauben und seinen fruchten finden lasse, das er den
alten menschen dempfe und ym newen erwachse. Denn wollen wir Christen sein, so
muessen wir das werck treiben, davon wir Christen sind, fellet aber yemand
davon, so kome er widder hynzu. Denn wie Christus, der gnaden stul, daruemb
nicht weichet noch uns wehret widder zu yhm zukomen, ob wir gleich sundigen,
also bleibt auch alle sein schatz und gabe. Wie nu ein mal ynn der Tauffe
vergebunge der sunden uber komen ist, so bleibt sie noch teglich, so lang wir
leben, das ist den alten menschen am hals tragen.
Von dem Sacrament des Altars.
Wie wir von der heiligen Tauffe gehoeret
haben, muessen wir von dem andern Sacrament auch reden, Nemlich die drey stueck:
was es sey, was es nutze, und wer es empfahen sol. Und solchs alles aus den
worten [Einsetzung des Sacraments.] gegruendet, dadurch es von Christo
eingesetzt ist, welche auch ein yglicher wissen sol, der ein Christ wil sein und
zum Sacrament gehen. Denn wir sinds nicht gesynnet dazu zu lassen und zu reichen
denen, die nicht wissen, was sie da suchen odder waruemb sie komen. Die wort
aber sind diese:
[Matth. 26, 26 –28; Mark. 14, 22 –24;
Luk. 22, 19. 20; 1. Kor. 11, 23 –25] Unser HERR Jhesus Christus ynn der nacht,
da er verrhaten ward, Nam er das brod, danckt und brachs Und
gabs seinen Juengern und sprach: “Nemet hyn, Esset, Das ist mein leib, der fur
euch gegeben wird. Solchs thuet zu
meinem gedechtnis”. [s. 223]
Desselben gleichen nam er auch den kelch
nach dem
abendmal, danckt und gab yhn den und sprach: “Nemet hin und trincket alle
draus. Dieser kelch ist das newe
testament yn meinem blut, das fur euch vergossen wird
zur vergebung der sunde. Solchs thuet, so offt yhr trincket,
zu meinem gedechtnis”.
Hie woellen wir uns auch nicht ynn die har legen und fechten mit den lesterern
und schendern dieses Sacraments, Sondern zum ersten lernen, da die macht an ligt
(wie auch von der Tauffe), Nemlich das das fuernemste stueck [Sacrament Gottes
ordnung.] sey Gottes wort und ordnung oder befehl. Denn es ist von keinem
menschen erdacht noch auff bracht sondern on yemands rath und bedacht von
Christo eingesetzt. Derhalben wie die zehen gepot, Vater unser und Glaube
bleiben yn yhrem wesen und wirden, ob du sie gleich nymmermehr heltest, betest
noch gleubest, Also bleibt auch dis hochwirdige Sacrament unverrueckt, das yhm
nichts abgebrochen noch genomen wird, ob wirs gleich unwirdig brauchen und
handlen. Was meynestu das Gott nach unserm thuen odder gleuben fragt, das er umb
des willen solt sein ordnung wandlen lassen? Bleibt doch ynn allen weltlichen
dingen alles, wie es Gott geschaffen und geordnet hat, Gott gebe wie wirs
brauchen und handlen. Solchs mus man ymerdar treiben. Denn damit kan man fast
aller Rottengeister geschwetze zurueck stossen, Denn sie die Sacrament ausser
Gottes wort ansehen als ein ding das wir thuen.
[Was das Sacrament seye.] Was ist nu das
Sacrament des Altars? Antwort: Es ist der ware leib und blut des HERRN Christi
ynn und unter dem brod und wein durch Christus wort uns Christen befohlen zu
essen und zu trincken. Und wie von der Tauffe gesagt, das nicht schlecht wasser
ist, so sagen wir hie auch, das Sacrament ist brod und wein, aber nicht schlecht
brod noch wein, so man sonst zu tisch tregt, sondern brod und wein ynn Gottes
wort gefasset und daran gebunden. Das wort (sage ich) ist das, das dis Sacrament
machet und unterscheidet, das es nicht lauter brod und wein sondern Christus
leib und blut ist und heisset. Denn es heisset: Accedat verbum ad elementum et
[Das wort machet ein Sacrament.] fit sacramentum, Wenn das wort zum eusserlichen
ding kompt, so wirds ein Sacrament. Dieser spruch S. Augustin ist so eigentlich
und wol gered, das er kaum ein bessern gesagt hat. Das Wort mus das element zum
Sacrament machen, wo nicht, so bleibts ein lauter element. Nu ists nicht eins
Fuerstens odder Keisers sondern der hohen Maiestet wort und ordnung, dafuer alle
Creaturn sollen zu fuessen fallen und ia sprechen, das es sey wie er sagt, und
mit allen ehren, furcht und demut annemen. Aus dem wort [s. 224] kanstu dein
gewissen stercken und sprechen: Wenn hundert tausent Teuffel sampt allen
Schwermern her faren ‘Wie kan brod und wein Christus leib und blut sein?’
etc., so weis ich, das alle geister und gelerten auff einen hauffen nicht so
klug sind als die Goettliche Maiestet ym kleinsten fingerlein. Nu stehet hie
Christus wort: “Nemet, esset, das ist mein leib”, “Trincket alle daraus,
das ist das newe Testament ynn meinem blut” etc., da bleiben wir bey und
woellen sie ansehen, die yhn meistern werden und anders machen denn ers gered
hat. Das ist wol war, wenn du das wort davon thuest odder on [On wort ists
lauter brot und wein.] wort ansihest, so hastu nichts denn lauter brod und wein,
wenn sie aber dabey bleiben, wie sie sollen und muessen, so ists lauts
derselbigen warhafftig Christus leib und blut. Denn wie Christus mund redet und
spricht, also ist es, als der nicht liegen noch triegen kan.
Daher ist nu leicht zuantworten auff allerley frage, damit man sich itzt
bekuemert, als diese ist, ob auch ein boeser Priester kuende das Sacrament
handlen und geben, und was mehr des gleichen ist. Denn da schliessen wir und
sagen: Ob gleich ein bube das Sacrament nimpt odder gibt, so nimpt er das rechte
Sacrament, das ist Christus leib und blut, eben so wol als der es auffs aller
wirdigst handlet. Denn es ist nicht gegruendet auff menschen heiligkeit sondern
auff Gottes wort. Und wie kein heilige auff erden, ia kein Engel ym hymel das
brod und wein zu Christus leib und blut machen kan, also kans auch niemand
endern noch wandeln, ob es gleich misbraucht wird. Denn umb der person odder
unglaubens willen wird das wort nicht falsch, dadurch es ein Sacrament worden
und eingesetzt ist. Denn er spricht nicht: Wenn yhr gleubt odder wirdig seit, so
habt yhr mein leib und blut, sondern “Nemet, esset und trincket, Das ist mein
leib und blut”, Jtem “solchs thuet” (nemlich das ich itzt thue, einsetze,
euch gebe und nemen heisse). Das ist soviel gesagt: Got gebe du seist unwirdig
odder wirdig, so hastu hie sein leib und blut aus krafft dieser wort, so zu dem
brod und wein komen. Solchs mercke und behalte nur wol. Denn auff den worten
stehet alle unser grund, schutz und wehre widder alle yrthumb und verfurung, so
yhe komen sind odder noch komen moegen.
Also haben wir kuertzlich das erste stueck, so das wesen dis Sacraments [Krafft
und nutz des Sacraments.] belanget. Nu sihe weiter auch die krafft und nutz,
daruemb endlich das Sacrament eingesetzet ist, welchs auch das noetigste daryn
ist, das man wisse, was wir da suchen und holen sollen. Das ist nu klar und
leicht eben aus den gedachten worten ‘Das ist mein leib und blut fur euch
gegeben und vergossen zur vergebunge der sunde.’ Das ist kuertzlich soviel
gesagt: daruemb [s. 225] gehen wir zum Sacrament, das wir da empfahen schatz,
durch und yn dem wir vergebunge der sunde uberkomen. Waruemb das? Daruemb das
die wort da stehen und uns solchs geben. Denn daruemb heisset er mich essen und
trincken, das es mein sey und mir nuetze als ein gewis pfand und zeichen, ia
eben das selbige gut, so fur mich gesetzt ist wider meine sunde, tod und alle
unglueck.
[Sacrament ein speise der seelen.] Daruemb heisset es wol ein speisse der seelen,
die den newen menschen neeret und sterckt. Denn durch die Tauffe werden wir
erstlich new geboren, aber darneben (wie gesagt ist) bleibt gleich wol die alte
haut ynn fleisch und blut am menschen, da ist soviel hyndernis und anfechtung
vom Teuffel und der welt, das wir offt muede und matt werden und zuweilen auch
strauchlen. Daruemb ist es gegeben zur teglichen weide und futerung, das sich
der glaube erhole und stercke, das er ynn solchem kampff nicht zurueck falle
sondern ymmer yhe stercker und stercker werde. Denn das newe leben sol also
gethan sein, das es stets zuneme und fort fare. Es mus aber dagegen viel leiden.
Denn so ein zorniger feind ist der Teuffel, wo er sihet, das man sich wider yhn
legt und den alten menschen angreifft und uns nicht mit macht uberpoltern kan,
da schleicht und streicht er auff allen seiten umbher, versuchet alle kuenste
und lesset nicht abe, bis er uns zuletzt muede mache, das man entweder den
glauben lesset fallen oder hende und fuesse gehen lesset, und wird unluestig
odder ungedueltig. Dazu ist nu der trost gegeben, wenn das hertz solchs fuelet,
das yhm wil zu schwer werden, das er hie newe krafft und labsal hole.
2Hie verdrehen sich aber unsere klugen
geister mit yhrer grossen kunst und klugheit, die schreyen und poltern: Wie kan
brod und wein die sunde vergeben odder den glauben stercken? So sie doch hoeren
und wissen, das wir solchs nicht von brod und wein sagen, als an yhm selbs brod
brod ist, sondern von solchem brod und wein, das Christus leib und blut ist und
die wort bey sich hat. Dasselbige, sagen wir, ist yhe der schatz und kein ander,
dadurch solche vergebunge erworben ist. Nu wird es uns ia nicht anders denn yn
den worten ‘Fur euch gegeben und vergossen’ gebracht und zu geeignet. Denn
darin hastu beides, das es Christus leib und blut ist und das es dein ist als
ein schatz und geschenke. Nu kan yhe Christus leib ein unfruchtbar vergeblich
ding sein, das nichts schaffe noch nuetze. Doch wie gros der schatz fur sich
selbs ist, so mus er ynn das wort gefasset und uns gereicht werden, sonst
wuerden wirs nicht koennen wissen noch suchen.
Daruemb ists auch nichts geredt, das sie sagen, Christus leib und blut [s. 226]
ist nicht ym abendmal fur uns gegeben noch vergossen, druemb kuende man ym
Sacrament nicht vergebunge der sunde haben. Denn obgleich das werck am creutz
geschehen und die vergebung der sund erworben ist, so kan sie doch nicht
[Vergebung der sund kriegt man allein durchs wort.] anders denn durchs wort zu
uns komen. Denn was wusten wir sonst davon, das solchs geschehen were odder uns
geschenkt sein solte, wenn mans nicht durch die predigt odder muendlich wort
furtruege? Woher wissen sie es odder wie koennen sie die vergebung ergreiffen
und zu sich bringen, wo sie sich nicht halten und gleuben an die schrifft und
das Euangelion? Nu ist yhe das gantze Euangelion und der artikel des glaubens
‘Jch gleube eine heilige Christliche kyrche, vergebung der sunde etc’ durch
das wort ynn dis Sacrament gesteckt und uns fur gelegt. Waruemb solten wir denn
solchen schatz aus dem Sacrament lassen reissen, so sie doch bekennen muessen,
das eben die wort sind, die wir allenthalben ym Euangelio hoeren, Und ia so
wenig sagen koennen, diese wort ym Sacrament seyen kein nutz, so wenig sie
thueren sprechen, das das gantze Euangelion oder wort Gottes ausser dem
Sacrament kein nuetze sey?
[Brauch des Sacraments.] Also haben wir nu das gantze Sacrament, beide was es an
yhm selbs ist und was es bringet und nuetzet, nu mus man auch sehen, wer die
person sey, die solche krafft und nutz empfahe. Das ist auffs kuertzte, wie
droben von der Tauffe und sonst offt gesagt ist: wer da solchs gleubt, wie die
wort lauten und was sie bringen. Denn sie sind nicht stein noch holtz gesagt
odder verkuendigt, sondern denen die sie hoeren, zu wilchen er spricht “Nemet
und esset” etc. Und weil er vergebung der sunde anbeutet und verheisset, kan
es [Glaube empfehet vergebung der sund.] nicht anders denn durch den glauben
empfangen werden. Solchen glauben foddert er selbs ynn dem wort, als er spricht:
“Fur euch gegeben und fur euch vergossen”, als solt er sagen: Daruemb gebe
ichs und heisse euch essen und trincken, das yhr euchs solt annemen und
geniessen. Wer nu yhm solchs lesset gesagt sein und gleubt, das war sey, der hat
es. Wer aber nicht gleubt, der hat nichts, als ders yhm lesset umbsonst
furtragen und nicht wil solchs heilsamen guts geniessen. Der schatz ist wol
aussgethan und yderman fur die thur, ia auff den tisch gelegt, es gehoert aber
dazu, das du dich auch sein annemest und gewislich dafur haltest, wie dir die
wort geben.
[Wirdige bereitung zum Sacrament.] Das ist nu die gantze Christliche bereitung,
dis Sacrament wirdig zu empfahen. Denn weil solcher schatz gar ynn den worten
furgelegt wird, kan mans nicht anders ergreiffen und zu sich nemen denn mit dem
hertzen. Denn mit der faust wird man solch geschencke und ewigen schatz nicht
fassen. Fasten und beten etc. mag wol ein eusserliche bereitung und kinder ubung
sein, das sich der leib zuechtig und ehrbietig gegen dem leib und blut Christi
helt und geberdet. Aber das daryn und damit gegeben wird, kan nicht der leib [s.
227] fassen noch zu sich bringen. Der glaube aber thuts des hertzens, so da
solchen schatz erkennet und sein begeret. Das sey gnug, soviel zur gemeinen
unterricht not ist von diesem Sacrament. Denn was weiter davon zu sagen ist,
gehoeret auff ein andere zeit.
Am end, weil wir nu den rechten verstand
und die lere von dem [Vermanung das Sacrament zu empfahen.] Sacrament haben, ist
wol not auch eine vermanung und reitzung, das man nicht lasse solchen grossen
schatz, so man teglich unter den Christen handelt und austeilet, umbsonst
furuber gehen, das ist, das die Christen woellen sein, sich dazu schicken das
hochwirdige Sacrament offt zuempfahen. Denn wir sehen, das man sich eben lass
und faul dazu stellet und ein grosser hauffe ist deren, die das Euangelion
hoeren, welche weil des Bapsts tand ist abkomen, das wir gefreyet sind von
seinem zwang und gebot, gehen sie wol dahyn ein iar, zwey odder drey und lenger
on Sacrament, als seyen sie so starcke Christen, die sein nicht duerffen. Und
lassen sich etliche hyndern und davon schrecken, das wir gelert haben, es solle
niemand dazu gehen on die hunger und durst fuelen, so sie treibt. Etliche wenden
fur, es sey frey und nicht von noeten und sey gnug, das sie sonst gleuben, und
komen also das mehr teil dahyn, das sie gar rohe werden und zuletzt beide das
Sacrament und Gottes wort verachten. Nu ists war, was wir gesagt haben, man sol
bey leib niemand treiben noch zwingen, auff das man nicht widder ein newe [Die
sich des Sacraments eussern sind nicht Christen.] seelmoerderey anrichte. Aber
das sol man dennoch wissen, das solche leut fur keine Christen zuhalten sind,
die sich so lange zeit des Sacraments eussern und entziehen. Denn Christus hat
es nicht daruemb eingesetzt, das mans fur ein schauspiel handele, sondern seinen
Christen geboten, das sie es essen und trincken und sein darueber gedencken.
Und zwar2welche rechte Christen sind und
das Sacrament tewer und werd halten, sollen sich wol selbs treiben und
hynzudringen. Doch das die einfeltigen und schwachen, die da auch gerne Christen
weren, deste mehr gereitzt werden die ursach und not zubedencken, so sie treiben
sollen, woellen wir ein [s. 228] wenig davon reden. Denn wie es ynn andern
sachen, so den glauben, liebe und gedult betrifft, ist nicht gnug allein leren
und unterrichten sondern auch teglich vermanen, also es ist auch hie not, mit
predigen anhalten, das man nicht lass noch verdrossen werde, weil wir wissen und
fuelen, wie der Teuffel sich ymer widder solchs und alles Christliche wesen
sperret und, soviel er kan, davon hetzet und treibt.
[Christus befehl und gepot] . Und zum
ersten haben wir den hellen Text ynn den worten Christi ‘das thuet zu meinem
gedechtnis’. Das sind wort, die uns heissen und befehlen, dadurch denen, so
Christen wollen sein, auffgelegt ist das Sacrament zugeniessen. Daruemb, wer
Christus iunger wil sein, mit denen er hie redet, der dencke und halte sich auch
dazu, nicht aus zwang, als von menschen gedrungen, sondern den Herrn Christo zu
gehorsam und gefallen. Sprichstu aber: stehet doch dabey ‘So offt yhrs thuet’,
da zwingt er yhe niemand, sondern lessets ynn freyer wilkoere. Antwort: Jst war,
es stehet aber nicht, das mans nymer mehr thuen solle, ia weil er eben die wort
spricht “So offt als yhrs thuet”, ist dennoch mit eingebunden, das mans offt
thuen sol. Und ist daruemb hynzugesetzt, das er wil das Sacrament frey haben,
ungebunden an sonderliche zeit wie der Jueden Osterlamb, welches sie alle iar
nur ein mal und eben auff den vierzehenden tag des ersten vollen monds des
abends musten essen und keinen tag uberschreiten. Als er damit sagen wolt: ich
setze euch ein Osterfest odder abendmal, das yhr nicht eben diesen abend des
iars einmal sondern offt sollet geniessen, wenn und wo yhr woellet, nach eines
yglichen gelegenheit und notdurfft, an keinen ort odder bestympte zeit
angebunden, wiewol der Bapst hernach solchs umbkeret und widder ein Juden fest
draus gemacht hat.
[Das Sacrament sol niemand verachten] . Also sihestu, das nicht also freyheit
gelassen ist, als moege mans verachten. Denn das heisse ich verachten, wenn man
so lange zeit hyngehet und sonst kein hyndernis hat und doch sein begeret nymer.
Wiltu solche freyheit haben, so habe eben so mehr freyheit, das du kein Christen
seiest und nicht gleuben noch beten duerffest. Denn das ist eben so wol Christus
gepot als ihenes. Wiltu aber ein Christen sein, so mustu yhe zuweilen diesem
gepot genugthuen und gehorchen. Denn solch gepot solt dich yhe bewegen ynn dich
selbs zuschlagen und zudencken: Sihe was bin ich fur ein Christen? were ichs, so
wuerde ich mich yhe ein wenig sehnen nach dem, das mein Herr befohlen hat
zuthuen. Und zwar weil wir uns so frembde dazu stellen, spueret man wol, was wir
fur Christen ynn dem Bapstumb gewesen sind, als die [s. 229] aus lautern zwang
und furcht menschlichs gepots sind hyngangen, on lust und liebe, und Christus
gepot nye angesehen. Wir aber zwingen noch dringen niemand, darffs uns auch
niemand zu dienst odder gefallen thuen, das sol [Was uns reytzen sol, das
Sacrament zu empfahen.] dich aber reitzen und selbs zwingen, das ers haben wil
und yhm gefellet. Menschen sollen sich wider zum glauben noch yrgend einem guten
werck noetigen lassen. Wir thuen nicht mehr denn das wir sagen und vermanen, was
du thuen solt, nicht umb unsern sondern umb deinen willen. Er locket und reitzet
dich, wiltu solchs verachten, so antworte selbs dafur.
Das sol nu das erste sein, sonderlich fur
die kalten und nachlessigen, das sie sich selbs bedencken und erwecken. Denn das
ist gewislich war, als ich wol bey mir selbs erfaren habe und ein yglicher bey
sich finden wird, wenn man sich also davon zeucht, das man von tag zu tage yhe
mehr roh und kalt wird und gar ynn wind schlegt. Sonst mus man sich yhe mit dem
hertzen und gewissen befragen und stellen als ein mensch, das gerne wolt mit
Gott recht stehen. Yhe mehr nu solches geschihet, yhe mehr das hertz erwarmet
[Wenn man sich ungeschickt fuelet, was zu thuen sey.] und entzuendet wird, das
nicht gar erkalte. Sprichstu aber: Wie denn, wenn ich fuele, das ich nicht
geschickt bin? Antwort: Das ist meine anfechtung auch, sonderlich aus dem alten
wesen her, unter dem Bapst, da man sich so zu martert hat, das man gantz rein
were und Gott kein tedlin an uns fuende, davon wir so schuchter dafur worden
sind, das flugs sich yderman entsetzt und gesagt hat: O weh du bist nicht wirdig.
Denn da hebt natur und vernunfft an zurechnen unser unwirdigkeit gegen das
grosse tewre gut; da findet sichs denn als ein finster latern gegen die liechte
sonne odder mist gegen edel steine, und weil sie solchs sihet, wil sie nicht
hinan und harret bis sie geschickt werde, so lang das eine woche die ander und
ein halb iar das ander bringet. Aber wenn du das wilt ansehen, wie from und rein
du seyest, und darnach erbeiten, das dich nichts beisse, so mustu nymermehr
hynzu komen.
Derhalben sol man hie die leute
unterscheiden: denn was freche und wilde sind, den sol man sagen das sie davon
bleiben, Denn sie sind nicht [s. 230] geschickt vergebunge der suende zuempfahen,
als die sie nicht begeren und ungerne wolten from sein. Die andern aber, so
nicht solche rohe und lose leute sind und gerne from weren, sollen sich nicht
davon sondern, ob sie gleich sonst schwach und gebrechlich sind. Wie auch Sanct
Hilarius gesagt hat: Wenn ein sunde nicht also gethan ist, das man ymand billich
aus der gemeine stossen und fur ein unchristen halten kan, sol man nicht vom
Sacrament bleiben, auff das man sich nicht des lebens beraube. Denn so weit wird
niemand komen, das er nicht viel teglicher gebrechen ym fleisch und blut
behalte.
Daruemb sollen solche leute lernen, das
die hohiste kunst ist, das man [Sacrament stehen nicht auff unser wirdigkit.]
wisse, das unser Sacrament stehet nicht auff unser wirdigkeit. Denn wir lassen
uns nicht teuffen, als die wirdig und heilig sind, komen auch nicht zur beichte,
als seyen wir rein und on sunde, sondern das widderspiel, als arme elende
menschen Und eben daruemb das wir unwirdig sind, es were denn ein solcher, der
kein gnade und absolutio begeret noch sich dechte zu bessern. Wer aber gerne
wolt gnade und trost haben, sol sich selbs treiben und niemand davon schrecken
lassen Und also sprechen: Jch wolt wol gerne wirdig sein, aber ich kome auff
keine wirdigkeit sondern auff dein wort, das du es befohlen hast, als der gerne
dein juenger were, meine wirdigkeit bleibe wo sie kan. Es ist aber schweer, denn
das ligt uns ymer ym weg und hindert, das wir mehr auff uns selbs denn auff
Christus wort und mund sehen. Denn die natur wolt gerne so handlen, das sie
gewis auff sich selbs moecht fussen und stehen, wo nicht, so wil sie nicht
hinan. Das sey genug vom ersten stueck.
[Verheissunge bey dem Sacrament.] Zum
andern ist uber das gepot auch eine verheissunge, wie auch oben gehoeret, die
uns auffs aller sterckiste reitzen und treiben sol. Denn da stehen die
freundliche, liebliche wort ‘Das ist mein leib fur euch gegeben, Das ist mein
blut fur euch vergossen zur vergebunge der sunden’. Diese wort, habe ich
gesagt, sind keinem stock noch stein gepredigt, sondern mir und dir, sonst
moecht er eben so mehr stilschweigen und kein Sacrament einsetzen. Druemb dencke
und bringe dich auch yn das ‘euch’, das er nicht umbsonst mit dir rede. Denn
da beut er uns an alle den schatz, so er uns von hymel bracht hat, Dazu er uns
auch sonst locket auffs aller freundlichste, als da er spricht [Matth. 11, 28]
Matthei. xi. ‘Kompt her zu mir alle, die yhr mueheselig und beladen seyd, [Verheissung
ist uns gepredigt.] ich wil euch erquicken.’ Nu ists yhe sunde und schande,
das er uns so hertzlich und treulich fodert und vermanet zu unserm hoechsten und
besten gut, und wir uns so froembd dazu stellen und so lang hyn gehen, bis wir
gar erkalten und verharten, das wir kein lust noch liebe dazu haben. Man mus yhe
das [Sacrament ist troestlich, nicht schedlich.] Sacrament nicht ansehen als ein
schedlich ding, das man darfur lauffen solle, sondern als eitel heilsame,
troestliche ertzney, die dir helffe und das leben gebe [s. 231] beide an seele
und leib. Denn wo die seele genesen ist, da ist dem leib auch geholffen. Wie
stellen wir uns denn darzu, als sey es ein gifft, daran man den tod fresse?
Das ist wol war, das die es verachten und unchristlich leben, nemens yhn zu
schaden und verdamnis. Denn solchen soll nichts gut noch heilsam sein, Eben als
einem krancken, der aus mutwillen isset und trincket das yhm vom artzt verboten
ist. Aber denen, so yhr schwacheit fuelen und yhr gerne los weren und huelffe
begeren, sollens nicht anders ansehen und brauchen denn als ein koestlich tyriak
wider die gifft, so sie bey sich haben. Denn [Ym Sacrament vergebung der sunde.]
hie soltu ym Sacrament empfahen aus Christus mund vergebung der sunde, welche
bey sich hat und mit sich bringet Gottes gnade und geist mit alle seinen gaben,
schutz, schirm und gewalt wider tod und Teuffel und alles unglueck.
Also hastu von Gottes wegen beide des
Herrn Christi gebot und verheissung. Zu dem sol dich deinethalben treiben dein
eigene not, so dir auff Unser eigene not. dem hals ligt, umb welcher willen
solch gebieten, locken und verheissen geschicht. [Matth. 9, 12] Denn er spricht
selbs: Die starcken duerffen des artzts nicht sondern die krancken, das ist die
mueheselig und beschweret sind mit sund, furcht des tods, anfechtung des
fleischs und Teuffels. Bistu nu beladen und fuelest dein schwacheit, so gehe
froelich hin und lasse dich erquicken, troesten und stercken. Denn wiltu harren
bis du solchs los werdest, das du rein und wirdig zum Sacrament komest, so mustu
ewig davon bleiben. Denn da fellet er das urteil und spricht: Bistu rein und
from, so darffstu mein nichts und ich dein widder nichts. Daruemb heissen die
alleine unwirdig, die yhr gebrechen nicht fuelen noch wollen sunder sein.
Sprichstu aber: Wie sol ich yhm denn thuen,
wenn ich solche not nicht fuelen kan noch hunger und durst zum Sacrament
empfinden? Antwort: Den selbigen, die so gesynnet sind, das sie sich nicht
fuelen, weis ich kein bessern rath, denn das sie doch yn yhren bosam greyffen,
ob sie auch fleisch und blut haben; wo du denn solchs findest, so gehe doch dir
zu gut yn [Gal. 5, 19 f.] S. Paulus epistel zun Galatern und hoere, was dein
fleisch fur ein fruechtlin [Unser eigen fleisch.] sey: Offenbar sind aber
(spricht er) die werck des fleischs, als da sind ehebruch, hurerey, unreinigkeit,
geilheit, abgoetterey, zauberey, feindschafft, [s. 232] hadder, eiver, zorn,
zanck, zwitracht, secten, hass, mord, sauffen, fressen und der gleichen.
Derhalben kanstu es nicht fuelen, so gleube doch der schrifft, die wird dir
nicht liegen, als die dein fleisch besser kennet denn du selbs. Ja weitter [Röm.
7, 18] schleusst S. Paulus zun Roemern .vij. ‘Denn ich weis, das ynn mir, das
ist ynn meinem fleisch, wonet nichts guts’. Darff S. Paulus solchs von seinem
fleisch reden, so woellen wir auch nicht besser noch heiliger sein. Das wirs
aber nicht fuelen, ist so viel deste erger. Denn es ist ein zeichen, das ein
aussetzig fleisch ist, das da nichts empfindet und doch wuettet und umb sich
frisset. Doch wie gesagt, bistu so gar erstorben, so gleube doch der schrifft,
so das urteil uber dich spricht. Und summa yhe weniger du dein sunde und
gebrechen fuelest, yhe mehr ursach hastu hinzu zu gehen, huelff und ertzney
suchen.
Zum andern, Sihe dich umb, ob du auch ynn der welt seyest, odder [Von der welt.]
weistus nicht, so frage dein nachbarn druemb. Bistu ynn der welt, so dencke
nicht, das an sunden und not werde feylen. Denn fahe nuer an und stelle dich,
als woltestu from werden und beym Euangelio bleiben, und sihe zu, ob dir niemand
werde feind werden, Dazu leid, unrecht, gewalt thuen, Jtem zu sunden und
untugent ursach geben. Hastu es nicht erfaren, so las dirs die schrifft sagen,
die der welt allenthalben solchen preis und zeugnis gibt.
Uber das wirstu ia auch den Teuffel umb
dich haben, welchen du nicht [Von dem Teuffel.] wirst gar unter dich tretten,
weil es unser HERR Christus selbs nicht hat koennen umbgehen. Was ist nu der
Teuffel? nichts anders, denn wie yhn die schrifft nennet, ein luegner und ein
moerder. Ein luegner, das hertz zuverfueren [Joh. 8, 44] von Gottes wort und
verblenden, das du deine not nicht fuelest noch zu Christo komen kuendest. Ein
moerder, der dir kein stunde das leben guennet. Wenn [Unser not sehen wir nicht
an.] du sehen soltest, wieviel messer, spies und pfeile alle augenblick auff
dich gezielet werden, du soltest fro werden, so offt du kuendest zu dem
Sacrament zu komen. Das man aber so sicher und unachtsam dahin gehet, machet
nichts anders, denn das wir nicht dencken noch gleuben, das wir ym fleisch und
der boesen welt oder unter des Teuffels reich seyen.
Daruemb versuche und ube solchs wol und
gehe nuer ynn dich selbs odder sihe dich ein wenig umb und halte dich nuer der
schrifft. Fuelestu als denn auch nichts, so hastu deste mehr not zu klagen beide
Gott und deinem bruder, da las dir raten und fur dich bitten und lasse nuer
nicht abe, so lange bis der stein von deinem hertzen kome, so wird sich die not
wol finden und du gewar werden, das du zwey mal tieffer ligst denn ein ander
armer sunder, und des Sacraments viel mehr duerffest widder das elend, so du
leider nicht sihest; ob Gott gnade gebe, das du es mehr fuelest und ye
hungeriger dazu wuerdest, Sonderlich weil dir der Teuffel so zusetzet und on
unterlas auff dich helt, wo er dich erhassche und bringe umb seele und leib, das
du keine stund fur [s. 233] yhm sicher kanst sein. Wie bald moechte er dich
ploetzlich ynn iamer und not bracht haben, wenn du dichs am wenigsten versihest?
Solchs sey nu zur vermanunge gesagt nicht
allein fur uns alte und grosse sondern auch fur das iunge volck, so man ynn der
Christlichen lere und verstand auffziehen sol. Denn damit kuende man deste
leichter die zehen gepot, glauben und vater unser yn die iugent bringen, das es
yhm mit lust und ernst eingienge, und also von iugent auff ubten und gewoneten.
Denn es ist doch nu fast mit den alten geschehen, das man solchs und anders
nicht erhalten kan, man ziehe denn die leute auff, so nach uns komen sollen und
ynn unser ampt und werck tretten, auff das sie auch yhre kinder fruechtbarlich
erziehen, damit Gottes wort und die Christenheit erhalten werde. Daruemb wisse
ein yglicher hausvater, das er aus Gottes befehl und gepot schuldig ist seine
kinder solchs zu leren oder lernen lassen, was sie koennen sollen. Denn weil sie
getaufft sind und ynn die Christenheit genomen, sollen sie auch solcher
gemeynschafft des Sacraments geniessen, auff das sie uns moegen dienen und
nuetze werden, denn sie muessen doch alle uns helffen gleuben, lieben, beten und
widder den Teuffel fechten.
Folget ein vermanung zu der Beicht:
Ein kurtze vermanung zu der Beicht.
[s. 233]
Von der beichte haben wir allzeit also geleret, das sie solle frey sein, und des
Bapsts tyranney nidergelegt, das wir alle seines zwangs los sind und befreyet
von der untreglichen buerde und last, der Christenheit auffgelegt. Denn kein
schwerer ding bisher gewesen ist, wie wir alle versucht haben, denn das man
yderman zu beichten gezwungen bey der hoehisten todsunde, [s. 234] dazu
dasselbige so hoch beschweret hat und die gewissen gemartert mit so mancherley
sunden zu erzelen, das niemand hat konnen rein gnug beichten. Und das das ergste
ist gewest, niemand geleret noch gewust hat, was die beichte were odder wie nutz
und troestlich, sondern haben eitel angst und helle marter draus gemacht, das
mans hat thuen muessen und doch keinem ding so feind ist gewesen. Diese drey
stueck sind uns nu entnomen und geschenckt, das wirs aus keinem zwang noch
furcht duerffen thuen, auch der marter entladen sind so genaw alle sunde zu
zelen, Zu dem haben wir das vorteil, das wir wissen wie man yhr seliglich
brauchen solle zu trost und stercke unsers gewissens.
Aber solches kan nu yderman und habens
leider allzuwol gelernet, das sie thuen was sie wollen, und sich der freyheit
also annemen, als solten odder duerfften sie nymermehr beichten. Denn das hat
man balde gefasset, was uns sonst wolthuet, und gehet aus der massen leichtlich
ein, wo das Euangelion sanfft und weich ist. Aber solche sew (habe ich gesagt)
solten nicht bey dem Euangelio sein noch etwas davon haben, sondern unter dem
Bapst bleiben und sich lassen treiben und plagen, das sie muesten beichten,
fasten etc. mehr denn vor yhe. Denn wer das Euangelion nicht gleuben noch
darnach leben wil und thuen was ein Christen thuen sol, der sol sein auch nicht
geniessen. Was were das, das du nur woltest genies haben und nichts dazu thuen
noch darauff wenden? Daruemb wollen wir solchen nichts gepredigt haben, auch mit
unserm willen nichts von unser freyheit einreumen noch geniessen lassen sondern
widder den Bapst odder seines gleichen uber sie lassen, der sie zwinge wie ein
rechter tyrann. Denn es gehoeret doch unter den pobel, so dem Euangelio nicht
gehorchen woellen, nichts denn ein solcher stockmeister, der Gottes Teuffel und
hencker sey. Den andern aber, so yhn gerne sagen lassen, muessen wir ymer
predigen, anhalten, reitzen und locken, das sie solchen tewren und troestlichen
schatz, durchs Euangelion furgetragen, nicht lassen umbsonst hyngehen. Daruemb
wollen wir auch von der beicht etwas reden, die einfeltigen zu unterrichten und
vermanen.
Zum ersten habe ich gesagt, das uber diese
beicht, davon wir hie reden, noch zweyerley beichte ist, die da mehr heissen
moegen ein gemein bekentnis aller Christen, Nemlich da man Gott selbs allein
oder dem nehisten allein beichtet und umb vergebung bittet, Welche auch ym Vater
unser gefasset sind, da wir sprechen ‘Vergib uns unser schuld, als wir
vergeben unsern schuldigern’ [s. 235] etc. Ja das gantze Vater unser ist nicht
anders denn ein solche beichte. Denn was ist unser gebete, denn das wir
bekennen, was wir nicht haben noch thuen so wir schuldig sind, und begeren gnade
und ein froelich gewissen? Solche beicht sol und mus on unterlas geschehen, so
lang wir leben. Denn daryn stehet eigentlich ein Christlich wesen, das wir uns
fur sunder erkennen und gnade bitten.
Desselben gleichen die ander beicht, so ein yglicher gegen seinem nehisten thuet,
ist auch yns Vater unser gebunden, das wir unternander unser schuld beichten und
vergeben, ehe wir fur Got komen und umb vergebunge bitten. Nu sind wir yn gemein
alle unternander schuldig, druemb sollen und muegen wir wol offentlich fur
yderman beichten und keiner den andern schewen. Denn es gehet, wie man spricht:
ist einer from, so sind sie es alle, und thuet keiner Gott odder dem nehisten
was er sol. Doch ist neben der gemeinen schuld auch ein sonderliche, wo einer
einen andern erzuernet hat, das er es yhm abebitte. Also haben wir ym Vater
unser zwo absolution, das uns vergeben ist, was wir verschuldet haben beide
widder Gott und den nehisten, wo wir dem nehisten vergeben und uns mit yhm
versuenen.
Uber solche offentliche, tegliche und
noetige beichte ist nu diese heimliche beichte, so zwisschen einem bruder allein
geschihet, Und sol dazu dienen, wo uns etwas sonderlichs anligt odder anfichtet,
damit wir uns beissen und nicht koennen zu friden sein noch uns ym glauben
starck gnug finden, das wir solchs einem bruder klagen, rath, trost und stercke
zuholen, wenn und wie offt wir wollen. Denn es ist nicht ynn gepot gefasset, wie
ihene zwo, sondern einem iglichen, wer sein darff, heymgestellet, das ers zu
seiner not brauche. Und ist daher komen und geordnet, das Christus selbs die
absolutio seiner Christenheit ynn mund gelegt und befohlen hat uns von sunden
auffzulosen. Wo nu ein hertz ist, das seine sunde fuelet und trost begeret, hat
es hie ein gewisse zuflucht, da es Gottes wort findet und hoeret, das yhn Gott
durch ein menschen von sunden entbindet und los spricht.
So mercke nu, wie ich offt gesagt habe,
das die beichte stehet ynn zweyen stuecken. Das erste ist unser werck und thuen,
das ich meine sunde klage und begere trost und erquickung meiner seele. Das
ander ist ein werck, das Gott thuet, der mich durch das wort, dem menschen yn
mund gelegt, los spricht von meinen sunden, welchs auch das furnemste und
edelste ist, [s. 236] so sie lieblich und troestlich machet. Nu hat man bisher
allein auff unser werck getrieben und nicht weiter gedacht denn das wir ia reine
gebeicht hetten und das noetigste ander stueck nicht geachtet noch gepredigt,
gerade als were es allein ein gut werck, damit man Gott bezalen solte, und wo
die beichte nicht volkomen und auffs aller genawest gethan were, solte die
absolutio nicht gelten noch die sund vergeben sein. Damit man die leute so weit
getrieben hat, das yderman hat verzweiveln muessen so reine zubeichten (wie es
denn nicht mueglich war) und kein gewissen hat moegen zu rugen stehen noch sich
auff die absolutio verlassen. Also haben sie uns die liebe beichte nicht allein
unnuetz sondern auch schweer und sawer gemacht mit mercklichem schaden und
verderben der seele.
Daruemb sollen wirs also ansehen, das wir
die zwey stueck weit von einander scheiden und setzen und unser werck gering,
aber Gottes wort hoch und gros achten und nicht hingehen, als wolten wir ein
koestlich werck thuen und yhm geben, sondern nur von yhm nemen und empfahen. Du
darffst nicht komen und sagen, wie frum odder boese du bist. Bistu ein Christen,
so weis ichs sonst wol, bistu keiner, so weis ichs noch viel mehr. Aber daruemb
ists zuthuen, das du deine not klagest und lassest dir helffen und ein froelich
hertz und gewissen machen.
Dazu darff dich nu niemand dringen mit
geboten, sondern so sagen wir: Wer ein Christen ist odder gerne sein wolte, der
hat hie ein trewen rath, das er hingehe und den koestlichen schatz hole. Bistu
kein Christen oder begerest solchs trosts nicht, so lassen wir dich ein andern
zwingen. Damit heben wir nu des Bapsts tyranney, gepot und zwang allezumal auff,
als die sein nyrgend zu duerffen, denn wir leren (wie gesagt) also: Wer nicht
willig und umb der absolution willen zur beicht gehet, der lasse es nur
anstehen. Ja wer auch auff sein werck hyngehet, wie rein er seine beicht gethan
habe, der bleibe nur davon. Wir vermanen aber, du solt beichten und deine not
anzeigen, nicht daruemb das du es fur ein werck thuest, sondern hoerest, was dir
Gott sagen lesset. Das wort, sage ich, odder absolutio soltu ansehen gros und
thewer achten als ein trefflichen grossen schatz, mit allen ehren und danck
anzunemen.
Wenn man solchs ausstriche und darneben
die not anzeigte, so uns dazu bewegen und reitzen solt, durfft man nicht viel
noetigens noch zwingens; sein eigen gewissen wuerde ein iglichen wol treiben und
so bange machen, das er sein fro wuerde und thete wie ein armer elender bettler,
so er hoeret, das man an einem ort ein reiche spende, gelt oder kleider
austeilet: Da durfft man keines boettels, der yhn triebe und schluge, er wuerde
wol selbs lauffen, [s. 237] was er leibs lauffen kuende, das ers nicht
verseumete. Wenn man nu ein gebot drauff schluege, das alle bettler solten dahin
lauffen, des und kein anders, und schwige doch was man da suchen und holen solte,
was were das anders, denn das man hin gienge mit unlust und nicht dechte etwas
zuholen sondern sich lassen sehen, wie arm und elend der bettler were? Davon
wuerde man nicht viel freude odder trost schepffen sondern nur dem gepot deste
feinder werden.
Eben also haben bisher des Bapsts prediger
dis trefflichen, reichen almosen und unaussprechlichen schatzs geschwiegen und
nur mit hauffen hyn getrieben, nicht weiter denn das man sehe, wie unrein und
unfletige leute wir weren. Wer kund da gerne zur beicht gehen? Wir aber sagen
nicht, das man sehen solle, wie vol unflats du seiest, und sich daryn spiegeln,
sondern raten und sagen: bistu arm und elende, so gehe hyn und brauche der
heilsamen ertzney. Wer nu sein elend und not fuelet, wird wol solch verlangen
darnach kriegen, das er mit freuden hynzu lauffe. Welche es aber nicht achten
noch von yhn selbs komen, die lassen wir auch faren. Das sollen sie aber wissen,
das wir sie nicht fur Christen halten.
So leren wir nu, wie trefflich, koestlich
und trostlich ding es ist umb die beichte, und vermanen dazu, das man solch
theuer gut nicht verachte, angesehen unsere grosse not. Bistu nu ein Christ, so
darffstu widder meins zwangs noch Bapsts gebot nichts uberal, sondern wirst dich
wol selbs zwingen und mich daruemb bitten, das du solches moegest teilhafftig
werden. Wiltu es aber verachten und so stoltz ungebeichtet hyngehen, so
schliessen wir das urteil, das du kein Christen bist und auch des Sacraments
nicht solt geniessen; Denn du verachtest, das kein Christen verachten sol, und
machest damit, das du keine vergebung der sunde haben kanst. Und ist ein gewis
zeichen, das du auch das Euangelion verachtest.
Summa wir wollen von keinem zwang wissen,
wer aber unser predigt und vermanung nicht hoeret noch folget, mit dem haben wir
nichts zuschaffen, sol auch nichts von dem Euangelio haben. Werstu ein Christ,
so soltestu fro werden, das du moechtest uber hundert meil darnach lauffen und
nicht dich lassen noetigen, sondern komen und uns zwingen. Denn da mus der zwang
umb gekeret werden, das wir yns gebot und du yn die freiheit komest; wir dringen
niemand, sondern leiden, das man zu uns dringet, gleich wie man uns zwinget, das
wir predigen und Sacrament reichen muessen.
[s. 238] Daruemb wenn ich zur beichte vermane, so thue ich nichts anders denn das ich vermane ein Christen zu sein; wenn ich dich dahynbringe, so habe ich dich auch wol zur beicht gebracht. Denn welche darnach verlanget, das sie gerne frome Christen und yhrer sunde los weren und froelich gewissen haben wolten, die haben schon den rechten hunger und durst, das sie nach dem brod schnappen gleich wie ein geiechter hirsch, fur hitze und durst entbrand, [Ps. 42, 2] wie der 42. Psalm sagt: ‘Wie der hirsch schreyet nach den wasserbechen, so schreiet meine seele Gott zu dir’, das ist: wie wehe und bange einem solchen ist nach einem frischen born, so angst und bange ist mir nach Gottes wort odder absolution und Sacrament etc. Sihe das were recht von der beicht geleret, so kuende man lust und liebe dazu machen, das die leut erzu kemen und uns nach lieffen mehr denn wir gerne hetten. Die Papisten lassen wir plagen und martern sich und ander leute, so solchen schatz nicht achten und yhn selbs zuschliessen. Uns aber lasset die hend auff heben, Gott loben und dancken, das wir zu solchem erkentnis und gnaden komen sind.